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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 13.12.2001
Aktenzeichen: C-93/00
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2772/1999/EWG


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2772/1999/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Indem der Rat mit der Verordnung Nr. 2772/1999 mit den allgemeinen Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch die Geltung der in der Verordnung Nr. 820/97 aufgestellten Regeln über das freiwillige Etikettierungssystem verlängert hat, hat er in Wirklichkeit den zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 820/97 geändert. Die Änderung dieser Verordnung konnte nur auf einer Rechtsgrundlage erfolgen, die derjenigen für den Erlass der Verordnung entspricht, also auf der Grundlage des EG-Vertrags selbst und unter Beachtung des darin vorgesehenen Beschlussfassungsverfahrens. Der Rat hat sich für den Erlass der Verordnung Nr. 2772/1999 somit zu Unrecht auf Artikel 19 der Verordnung Nr. 820/97 gestützt, so dass er für den Erlass der Verordnung Nr. 2772/1999 auf der Grundlage dieser Vorschrift nicht zuständig war und die Verordnung Nr. 2772/1999 für nichtig zu erklären ist.

( vgl. Randnrn. 41-44 )

2. Die Verordnung Nr. 2772/1999 mit den allgemeinen Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch ist zwar inzwischen durch die Verordnung Nr. 1760/2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung Nr. 820/97 ersetzt worden, ihre Nichtigerklärung könnte aber zu einem Rechtsvakuum führen, das es u. a. ermöglichen würde, die Entscheidungen in Frage zu stellen, die die Mitgliedstaaten möglicherweise gemäß der Verordnung Nr. 820/97 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen während des in der Verordnung Nr. 2772/1999 vorgesehenen Verlängerungszeitraums erlassen haben. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es daher angezeigt, dass der Gerichtshof von seiner Befugnis aus Artikel 231 Absatz 2 EG Gebrauch macht und entscheidet, dass die Wirkungen der Vorschriften der Verordnung Nr. 2772/1999, zu deren Durchführung die Mitgliedstaaten möglicherweise Entscheidungen erlassen haben, die in Frage gestellt werden könnten, als fortgeltend zu betrachten sind.

( vgl. Randnr. 48 )


Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 2001. - Europäisches Parlament gegen Rat der Europäischen Union. - Verordnung (EG) Nr. 2772/1999 - Etikettierungssystem für Rindfleisch - Zuständigkeit des Rates. - Rechtssache C-93/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-93/00

Europäisches Parlament, vertreten durch C. Pennera und E. Waldherr als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch G. Maganza und J. Monteiro als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagter,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch R. Silva de Lapuerta als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Berscheid als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

wegen Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 2772/1999 des Rates vom 21. Dezember 1999 mit den allgemeinen Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch (ABl. L 334, S. 1)

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann, der Kammerpräsidentinnen F. Macken und N. Colneric, des Kammerpräsidenten S. von Bahr sowie der Richter A. La Pergola, J.-P. Puissochet, L. Sevón (Berichterstatter), M. Wathelet, V. Skouris und J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission in der Sitzung vom 3. Juli 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 9. Oktober 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Europäische Parlament hat mit Klageschrift, die am 10. März 2000 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 230 EG Klage auf Nichtigerklärung der Verordnung (EG) Nr. 2772/1999 des Rates vom 21. Dezember 1999 mit den allgemeinen Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch (ABl. L 334, S. 1, im Folgenden: angefochtene Verordnung) erhoben.

2 Das Königreich Spanien und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sind mit Beschlüssen des Präsidenten des Gerichtshofes vom 4. August bzw. 13. September 2000 in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

Die Verordnung (EG) Nr. 820/97

3 Am 21. April 1997 erließ der Rat auf der Grundlage des Artikels 43 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 37 EG) die Verordnung (EG) Nr. 820/97 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen (ABl. L 117, S. 1).

4 Titel I dieser Verordnung regelt die Kennzeichnung und Registrierung von Rindern. Diese Regelung sieht nach Artikel 3 dieser Verordnung Ohrmarken zur Einzelkennzeichnung von Tieren, elektronische Datenbanken, Tierpässe und Register in jedem Betrieb vor. Sie ersetzt, soweit sie Rinder betrifft, die Richtlinie 92/102/EWG des Rates vom 27. November 1992 über die Kennzeichnung und Registrierung von Tieren (ABl. L 355, S. 32).

5 Titel II der Verordnung Nr. 820/97 betrifft die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen. Will ein Marktbeteiligter oder eine Organisation eine Etikettierung vornehmen, so lässt die Verordnung diese gemäß einem Genehmigungssystem durch die Mitgliedstaaten zu; Artikel 16 der Verordnung zählt die auf den Etiketten zulässigen Angaben abschließend auf.

6 Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 820/97 bestimmt:

Will ein Marktbeteiligter oder eine Organisation gemäß der Begriffsbestimmung des Artikels 13 bei der Etikettierung von Rindfleisch an der Stätte des Verkaufs Angaben zum Ursprung, zu bestimmten Eigenschaften oder zu Bedingungen der Erzeugung des etikettierten Fleisches beziehungsweise des Tieres, von dem das Fleisch stammt, machen, so muss dies gemäß diesem Titel geschehen.

Dieser Titel berührt nicht

- zwingend vorgeschriebene Angaben gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 79/112/EWG [des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. 1979, L 33, S. 1) in der durch die Richtlinie 97/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 (ABl. L 43, S. 21) geänderten Fassung], mit Ausnahme von Nummer 7;

-...

- Angaben gemäß den Verordnungen (EWG) Nr. 1208/81 [des Rates vom 28. April 1981 zur Bestimmung des gemeinschaftlichen Handelsklassenschemas für Schlachtkörper ausgewachsener Rinder (ABl. L 123, S. 3) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1026/91 des Rates vom 22. April 1991 (ABl. L 106, S. 2) geänderten Fassung] und (EWG) Nr. 1186/90 [des Rates vom 7. Mai 1990 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs des gemeinschaftlichen Handelsklassenschemas für ausgewachsene Rinder (ABl. L 119, S. 32)];

- Angaben in Verbindung mit der Genusstauglichkeitskennzeichnung gemäß der Richtlinie 64/433/EWG [des Rates vom 26. Juni 1964 über die gesundheitlichen Bedingungen für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von frischem Fleisch in der durch die Richtlinie 91/497/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 (ABl. L 268, S. 69) geänderten und aktualisierten Fassung, erneut geändert durch die Richtlinie 95/23/EG des Rates vom 22. Juni 1995 (ABl. L 243, S. 7)] und ähnliche Angaben gemäß den einschlägigen Veterinärrechtsbestimmungen;

..."

7 Artikel 19 der Verordnung Nr. 820/97 bestimmt:

(1) Es wird ein System der obligatorischen Etikettierung von Rindfleisch eingeführt, das ab 1. Januar 2000 in allen Mitgliedstaaten verbindlich gilt. Dieses obligatorische System schließt jedoch nicht aus, dass sich ein Mitgliedstaat im Fall von Rindfleisch, das in diesem Mitgliedstaat gehandelt wird, für eine lediglich fakultative Anwendung des Systems entscheiden kann. Das in dieser Verordnung vorgesehene Etikettierungssystem gilt bis zum 31. Dezember 1999.

Zu diesem Zweck beschließt der Rat auf der Grundlage des in Absatz 3 vorgesehenen Berichts vor dem 1. Januar 2000 auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit über die allgemeinen Regeln eines von diesem Zeitpunkt an obligatorischen Etikettierungssystems für Rindfleisch, im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft.

(2) Soweit der Rat nicht anders beschließt, sind bei dem ab dem 1. Januar 2000 zwingend vorgeschriebenen Etikettierungssystem im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft neben den Angaben auf dem Etikett nach Artikel 16 Absatz 3 auch Angaben über den Mitgliedstaat oder das Drittland, in dem das Tier, von dem das Rindfleisch stammt, geboren wurde, über die Mitgliedstaaten oder Drittländer, in denen das Tier gehalten wurde, und über den Mitgliedstaat oder das Drittland, in dem das Tier geschlachtet wurde, zu machen.

(3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission vor dem 1. Mai 1999 Berichte über die Durchführung des Etikettierungssystems für Rindfleisch. Die Kommission übermittelt dem Rat einen Bericht über den Stand der Durchführung des Etikettierungssystems in den Mitgliedstaaten.

(4) Mitgliedstaaten mit einem hinreichend ausgestalteten Kennzeichnungs- und Registrierungssystem für Rinder können bereits vor dem 1. Januar 2000 ein obligatorisches Etikettierungssystem für Fleisch von Rindern, die in ihrem Hoheitsgebiet geboren, gemästet und geschlachtet wurden, vorschreiben. Ferner können sie beschließen, dass eine oder mehrere der in Artikel 16 Absätze 1 und 2 genannten Angaben auf den Etiketten aufzuführen sind.

(5) Ein obligatorisches System im Sinne des Absatzes 4 darf nicht zu Störungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten führen.

Die Durchführungsbestimmungen, nach denen Absatz 4 in den Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangen soll, bedürfen der vorherigen Zustimmung der Kommission.

(6) Vor dem 1. Januar 2000 beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit, ob es möglich und wünschenswert ist, andere als die in Absatz 2 vorgesehenen Angaben zwingend vorzuschreiben und den Anwendungsbereich dieser Verordnung auf andere als die in Artikel 13 erster Gedankenstrich genannten Erzeugnisse auszudehnen."

Die angefochtene Verordnung

8 Am 13. Oktober 1999 übermittelte die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 820/97 einen Bericht über die Durchführung der Etikettierungssysteme für Rindfleisch in den Mitgliedstaaten (KOM [1999] 486 endg., im Folgenden: Bericht der Kommission). Darin stellte sie einige Mängel hinsichtlich der Kennzeichnung und Registrierung von Rindern fest. Insoweit wies sie u. a. darauf hin, dass es Pässe in den meisten Mitgliedstaaten nur für Tiere gebe, die nach dem 1. Januar 1998 geboren worden seien, dass auf der Ebene der Übermittlung der Informationen über ein Tier im Fall seiner Ausfuhr Schwierigkeiten festgestellt worden seien (Verlust von Informationen bei der Erstellung eines neuen Passes) und dass die Datenbanken mit den einschlägigen Daten nicht zu dem vorgesehenen Zeitpunkt eingerichtet werden könnten.

9 Die Kommission kommt in ihrem Bericht zu dem Schluss, dass es durch das Unvermögen [der meisten Mitgliedstaaten], eine verlässliche obligatorische Etikettierung vorzunehmen,... zu einer unbefriedigenden Situation, zu Verunsicherung, Unlauterkeit und Ungewissheit im gesamten Rindfleischsektor der EU vom Erzeuger bis zum Verbraucher kommen [würde]."

10 Die Kommission unterbreitete aufgrund dessen zwei auf Artikel 152 EG gestützte Verordnungsvorschläge:

- nach dem ersten Vorschlag sollte die Verordnung Nr. 820/97 durch eine neue Verordnung mit demselben Gegenstand ersetzt werden, die aber die Einführung der obligatorischen Angaben in zwei getrennten Schritten vorsehen sollte, wovon der zweite am 1. Januar 2003 beginnen würde (im Folgenden: erster Vorschlag der Kommission);

- der zweite Vorschlag sah eine befristete Verlängerung der Geltung der in der Verordnung Nr. 820/97 vorgesehenen Etikettierungsvorschriften vor, bis der erste Vorschlag der Kommission angenommen würde (im Folgenden: zweiter Vorschlag der Kommission).

11 Zu ihrem Vorschlag führte die Kommission in ihrem Bericht Folgendes aus:

Die umgehende Annahme des Vorschlags ist notwendig, um das Zusammenbrechen des derzeitigen freiwilligen Etikettierungssystems und seine automatische Ablösung durch ein obligatorisches System ohne allgemeine Leitlinien zu verhindern.

Sollten Rat und Parlament jedoch bis zum 31.12.1999 nicht zu einem Beschluss gelangen, muss sich die Kommission die Möglichkeit offen halten, dem Rat vor Ende 1999 einen Dringlichkeitsvorschlag zur Annahme zu unterbreiten, der sich auf den bestehenden Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 stützt (Beschluss des Rates auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit). Ein solcher Vorschlag würde zur Verhinderung eines Rechtsvakuums aufgrund des automatischen Auslaufens des freiwilligen Systems unterbreitet."

12 Am 14. Dezember 1999 entschied der Rat, auf der Grundlage des Artikels 19 der Verordnung Nr. 820/97 einen Beschluss zu fassen, sollte das Parlament im Mitentscheidungsverfahren nicht in erster Lesung den zweiten Vorschlag der Kommission - abgesehen von der Einfügung des Artikels 37 EG als zusätzliche Rechtsgrundlage neben Artikel 152 EG - unverändert annehmen.

13 Am 16. Dezember 1999 nahm das Parlament im Mitentscheidungsverfahren in erster Lesung mehrere Änderungen hinsichtlich des zweiten Vorschlags der Kommission an. Es sprach sich dafür aus, dass bestimmte Informationselemente ab dem 1. Januar 2000 obligatorisch werden. Nach einer anderen Änderung sollte das freiwillige System nur um acht Monate und nicht wie von der Kommission vorgeschlagen um ein Jahr verlängert werden.

14 Am 21. Dezember 1999 erließ der Rat die angefochtene Verordnung auf der Grundlage des Artikels 19 der Verordnung Nr. 820/97.

15 Nach der zweiten Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung sollten die darin vorgesehenen allgemeinen Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch nur vorläufig für höchstens acht Monate gelten, damit das Europäische Parlament und der Rat zu einem Beschluss über den ersten Vorschlag der Kommission gelangen könnten.

16 In der dritten Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung wird darauf hingewiesen, dass es zweckmäßig sei, einfache allgemeine Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch festzulegen, denen alle Mitgliedstaaten nachkommen könnten, und dass die Regeln auf die in Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 820/97 vorgesehenen Vorschriften Bezug nehmen sollten.

17 Außerdem bleibt nach der angefochtenen Verordnung das in der Verordnung Nr. 820/97 vorgesehene freiwillige Etikettierungssystem für Rindfleisch in Kraft.

18 Artikel 1 der angefochtenen Verordnung bestimmt:

(1) Marktteilnehmer und Organisationen, die Rindfleisch im Sinne des Artikels 13 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 vermarkten, müssen dieses Fleisch gemäß den Vorschriften etikettieren, auf die in Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2 erster, dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 820/97 Bezug genommen wird.

Die Mitgliedstaaten können jedoch auch nach dem 1. Januar 2000 von der Möglichkeit gemäß Artikel 19 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 Gebrauch machen. In diesem Fall gelten weiterhin die Bestimmungen des Artikels 19 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 820/97.

(2) Die Vorschriften für das freiwillige System, die gemäß Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 820/97 bis zum 31. Dezember 1999 galten, gelten weiter für alle freiwilligen Angaben, die zusätzlich zu dem obligatorischen Etikettierungssystem gemäß Absatz 1 gemacht werden."

Die Nichtigkeitsklage

19 Das Parlament macht zur Begründung seiner Klage drei Klagegründe geltend. Der erste Klagegrund betrifft die fehlende Zuständigkeit des Rates für den Erlass der angefochtenen Verordnung auf der Grundlage des Artikels 19 der Verordnung Nr. 820/97. Der zweite Klagegrund bezieht sich auf einen Eingriff in die Befugnisse des Parlaments, der sich daraus ergebe, dass das Parlament als Mitgesetzgeber hätte beteiligt werden müssen, wenn die Verordnung, die die Geltung der in der Verordnung Nr. 820/97 vorgesehenen Etikettierungsvorschriften vorübergehend verlängert habe, auf der richtigen Rechtsgrundlage, nämlich Artikel 152 EG, erlassen worden wäre. Der dritte Klagegrund stützt sich darauf, dass der Rat die sich aus der Verordnung Nr. 820/97 ergebenden Verpflichtungen nicht beachtet habe, indem er zum einen den Inhalt der Verordnung Nr. 820/97 außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens der Mitentscheidung geändert und zum anderen die allgemeinen Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch nicht innerhalb der in Artikel 19 der Verordnung Nr. 820/87 vorgesehenen Frist erlassen habe.

Vorbringen der Parteien

Zum ersten Klagegrund

20 Mit seinem ersten Klagegrund macht das Parlament geltend, der Rat sei weder für die Verlängerung der Anwendung des freiwilligen Etikettierungssystems für Rindfleisch über den 31. Dezember 1999 hinaus noch für eine Verschiebung der Einführung des obligatorischen Etikettierungssystems für Rindfleisch zuständig gewesen. Selbst wenn sich der Rat eine Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung Nr. 820/97 vorbehalten haben sollte, so seien doch der Grundsatz des obligatorischen Etikettierungssystems als solcher und der Zeitpunkt seines Inkrafttretens in dieser Verordnung geregelt. Mit der Änderung dieser Punkte habe der Rat keine Maßnahme zur Durchführung der Verordnung Nr. 820/97 getroffen, sondern die Verordnung geändert.

21 Die angefochtene Verordnung enthalte keine speziellen Vorschriften für die Etikettierung von Rindfleisch und könne daher nicht als Durchführungsmaßnahme für die Einführung eines obligatorischen Etikettierungssystems für Rindfleisch betrachtet werden.

22 Die Bezugnahme in Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der angefochtenen Verordnung auf die in Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2 erster, dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 820/97 genannten Vorschriften habe nur bestätigende Bedeutung, da dort nur die geltenden Rechtsvorschriften über die Etikettierung von Lebensmitteln (Richtlinie 79/112 in der durch die Richtlinie 97/4 geänderten Fassung), über das gemeinschaftliche Handelsklassenschema für Schlachtkörper ausgewachsener Rinder (Verordnung Nr. 1208/81 in der durch die Verordnung Nr. 1026/91 geänderten Fassung und Verordnung Nr. 1186/90) und über die Genusstauglichkeitskennzeichnung (Richtlinie 64/433/EWG in der durch die Richtlinie 91/497 geänderten und aktualisierten Fassung, erneut geändert durch die Richtlinie 95/23) in Erinnerung gerufen würden.

23 Das Parlament bestreitet die Richtigkeit der vom Rat vertretenen These der abgeleiteten Rechtsgrundlage", die es erlaube, im Widerspruch zu Artikel 37 EG durch ein vereinfachtes Entscheidungsverfahren eine Rechtsnorm im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik zu erlassen.

24 Es gebe neben den Rechtsnormen und den Durchführungsmaßnahmen keinen dritten Typus von Rechtsakten. Bei der angefochtenen Verordnung handele es sich entweder um eine Rechtsnorm oder einen Gesetzgebungsakt - dann müsse sie die im EG-Vertrag für ihren Erlass vorgesehenen wesentlichen Formvorschriften beachten - oder um eine Durchführungsmaßnahme im Sinne des Artikels 202 EG.

25 Hilfsweise macht das Parlament geltend, selbst wenn der Rat befugt gewesen sei, einen Rechtsakt zu erlassen, der einen dritten Typus darstelle, sei die Ermächtigung in Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 und Absatz 2 der Verordnung Nr. 820/97 auf die Einführung des obligatorischen Etikettierungssystems zum 1. Januar 2000 beschränkt gewesen.

26 Der Rat ist dagegen der Ansicht, er sei für den Erlass der angefochtenen Verordnung auf der Grundlage des Artikels 19 der Verordnung Nr. 820/97 zuständig gewesen.

27 Aus dem Vertrag gehe nicht hervor, dass jede gesetzgeberische Tätigkeit auf dem Gebiet der gemeinsamen Agrarpolitik eine Anhörung des Europäischen Parlaments oder dessen Mitentscheidung erfordere. Es stehe dem Gesetzgeber vielmehr frei, in einem nach Anhörung des Parlaments oder im Rahmen einer Mitentscheidung erlassenen Gesetzgebungsakt eine abgeleitete Rechtsgrundlage vorzusehen, die eine Beteiligung des Parlaments nicht vorschreibe.

28 Wenn er sich Durchführungsbefugnisse hätte vorbehalten wollen, hätte er das in den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 820/97 ausgeführt, was er aber nicht getan habe.

29 Im vorliegenden Fall stelle Artikel 19 der Verordnung Nr. 820/97 eine abgeleitete Rechtsgrundlage dar, die es ihm erlaube, auf der Grundlage der Erfahrungen aus der Anwendung des freiwilligen Etikettierungssystems zum einen gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen, die sich als unerlässlich für seine Weiterentwicklung zu einem obligatorischen System erweisen könnten, und zum anderen nicht Durchführungsbestimmungen" oder Durchführungsmaßnahmen", sondern die allgemeinen Regeln" zu erlassen, die ab 1. Januar 2000 anwendbar seien.

30 Gemäß dem Grundsatz de maiore ad minus sei es ihm nach Artikel 19 der Verordnung Nr. 820/97 auch gestattet, durch Erlass der angefochtenen Verordnung den Übergang vom alten zum neuen System zu vollziehen.

31 Somit habe er die ihm durch Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 820/97 eingeräumten Befugnisse nicht überschritten. Er habe vielmehr vom üblichen gesetzgeberischen Ermessensspielraum Gebrauch gemacht, um vor dem 31. Dezember 1999 die Maßnahmen zu treffen, die unerlässlich seien, um das Rechtsvakuum zu verhindern, das in Erwartung der Einführung des endgültigen Etikettierungssystems für Rindfleisch aufgetreten sei.

32 Nach Ansicht des Königreichs Spanien war der Rat befugt, die angefochtene Verordnung auf der Grundlage des Artikels 19 der Verordnung Nr. 820/97 zu erlassen; die angefochtene Verordnung stelle nämlich die allgemeinen Regeln eines obligatorischen Etikettierungssystems auf, indem sie auf Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2 erster, dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 820/97 verweise.

33 Die Kommission macht geltend, sie habe angesichts der Änderungen ihres zweiten Vorschlags durch das Parlament und aufgrund der bestehenden Frist keine andere Wahl gehabt, als auf das in Artikel 19 der Verordnung Nr. 820/97 vorgesehene Verfahren zurückzugreifen, um ein Rechtsvakuum zu verhindern.

34 Der Begriff der allgemeinen Regeln" werde in der Verordnung Nr. 820/97 nicht definiert, was dem Rat, wenn er im Rahmen des in Artikel 19 vorgesehenen Verfahrens handele, einen weiten Ermessensspielraum einräume. Der Erlass der angefochtenen Verordnung stelle keinen Ermessensmissbrauch dar, da diese Verordnung zum einen Etikettierungsregeln aufstelle, indem sie die Anwendung bestimmter in Artikel 12 der Verordnung Nr. 820/97 genannter Regeln vorsehe, und zum anderen bestimmten Mitgliedstaaten erlaube, weiterhin für die Marktteilnehmer verbindliche Regeln vorzuschreiben.

Würdigung durch den Gerichtshof

35 Zunächst ist festzustellen, dass der wesentliche Zweck der angefochtenen Verordnung darin besteht, die Gültigkeit der mit der Verordnung Nr. 820/97 aufgestellten Regeln für ein freiwilliges Etikettierungssystem zu verlängern.

36 Dagegen enthält die angefochtene Verordnung nicht auch die in Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Nr. 820/97 erwähnten allgemeinen Regeln eines obligatorischen Etikettierungssystems für Rindfleisch.

37 Insoweit ist zu bemerken, dass sich Hinweise betreffend eine Etikettierungspflicht nur in Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 1 der angefochtenen Verordnung finden, der lediglich die im Bereich der Etikettierung bereits vorhandenen Regeln in Erinnerung ruft, indem er auf Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2 erster, dritter und vierter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 820/97 verweist.

38 Die Prüfung der Klage erfordert daher in Wirklichkeit nur eine Überprüfung der Befugnis des Rates, dieses freiwillige Etikettierungssystem zu verlängern.

39 In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass die Organe der Gemeinschaft gemäß Artikel 7 Absatz 1 Unterabsatz 2 EG nur nach Maßgabe der ihnen im EG-Vertrag zugewiesenen Befugnisse handeln dürfen.

40 Nach Artikel 19 Absatz 1 Unterabsatz 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 820/97 gilt das in dieser Verordnung vorgesehene Etikettierungssystem... bis zum 31. Dezember 1999".

41 Es ist festzustellen, dass der Rat in Wirklichkeit den zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 820/97 geändert hat, indem er mit der angefochtenen Verordnung die Geltung der Regeln über das freiwillige Etikettierungssystem verlängert hat.

42 Die Änderung dieser Verordnung konnte nur auf einer Rechtsgrundlage erfolgen, die derjenigen für den Erlass der Verordnung entspricht, also auf der Grundlage des EG-Vertrags selbst und unter Beachtung des darin vorgesehenen Beschlussfassungsverfahrens.

43 Der Rat hat sich für den Erlass der angefochtenen Verordnung somit zu Unrecht auf Artikel 19 der Verordnung Nr. 820/97 gestützt.

44 Der erste Klagegrund, der die fehlende Zuständigkeit des Rates für den Erlass der angefochtenen Verordnung auf der Grundlage des Artikels 19 der Verordnung Nr. 820/97 betrifft, ist somit begründet. Die angefochtene Verordnung ist daher für nichtig zu erklären.

45 Es kann somit dahin stehen, ob der Rat ohne Verstoß gegen die Vorschriften des EG-Vertrags über die Zuständigkeit der Gemeinschaftsorgane die Befugnis für sich in Anspruch nehmen konnte, durch Beschluss auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit die allgemeinen Regeln eines obligatorischen Etikettierungssystems für Rindfleisch zu erlassen.

Zum zweiten und zum dritten Klagegrund

46 Da der erste Klagegrund begründet ist, bedarf es keiner Prüfung des zweiten und des dritten Klagegrunds.

Zur Aufrechterhaltung der Wirkungen der angefochtenen Verordnung

47 Das Parlament und die Kommission haben für den Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung beantragt, deren Wirkungen aufrechtzuerhalten, bis das Parlament und der Rat einen gültigen neuen Rechtsakt erlassen. Das Parlament begründet seinen Antrag mit dem Interesse der Verbraucher und mit dem Anliegen, zumindest ein freiwilliges Etikettierungssystem aufrechtzuerhalten.

48 Es ist festzustellen, dass zwar die angefochtene Verordnung inzwischen durch die Verordnung (EG) Nr. 1760/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juli 2000 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Rindern und über die Etikettierung von Rindfleisch und Rindfleischerzeugnissen sowie zur Aufhebung der Verordnung Nr. 820/97 (ABl. L 204, S. 1) ersetzt worden ist, dass aber ihre Nichtigerklärung zu einem Rechtsvakuum führen könnte, das es u. a. ermöglichen würde, die Entscheidungen in Frage zu stellen, die die Mitgliedstaaten möglicherweise gemäß der Verordnung Nr. 820/97 während des in der angefochtenen Verordnung vorgesehenen Verlängerungszeitraums erlassen haben. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es daher angezeigt, dass der Gerichtshof von seiner Befugnis aus Artikel 231 Absatz 2 EG Gebrauch macht und entscheidet, dass die Wirkungen der Vorschriften der angefochtenen Verordnung, zu deren Durchführung die Mitgliedstaaten möglicherweise Entscheidungen erlassen haben, die in Frage gestellt werden könnten, als fortgeltend zu betrachten sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

49 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament die Verurteilung des Rates beantragt hat und der Rat mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind diesem die Kosten aufzuerlegen. Nach Artikel 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen das Königreich Spanien und die Kommission, die dem Rechtsstreit beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Verordnung (EG) Nr. 2772/1999 des Rates vom 21. Dezember 1999 mit den allgemeinen Regeln für ein obligatorisches Etikettierungssystem für Rindfleisch wird für nichtig erklärt.

2. Die Wirkungen der Vorschriften der angefochtenen Verordnung, zu deren Durchführung die Mitgliedstaaten möglicherweise Entscheidungen erlassen haben, die in Frage gestellt werden könnten, sind als fortgeltend zu betrachten.

3. Der Rat der Europäischen Union trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Das Königreich Spanien und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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