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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 17.07.1997
Aktenzeichen: C-97/95
Rechtsgebiete: Beschluß 86/283/EWG


Vorschriften:

Beschluß 86/283/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

4 Eine von den Behörden des Ausfuhrstaats nach einer nachträglichen Prüfung einer Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 an die Behörden des Einfuhrstaats gerichtete Mitteilung, in der die Behörden des Ausfuhrstaats lediglich feststellen, daß die betreffende Bescheinigung zu Unrecht ausgestellt und daher für nichtig zu erklären sei, ohne die Gründe anzugeben, die diese Nichtigerklärung rechtfertigen, ist als "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Artikel 25 Absatz 3 des Anhangs II des Beschlusses 86/283 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzusehen. Die Behörden des Einfuhrstaats sind berechtigt, nicht erhobene Zölle allein auf der Grundlage einer solchen Mitteilung nachzuerheben, ohne sich darum zu bemühen, den tatsächlichen Ursprung der eingeführten Waren festzustellen.

5 Die Verantwortlichkeit des Ausführers dafür, daß der Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung EUR. 1 gestellt wird und diesem gegebenfalls Belege beigefügt werden, im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs II des Beschlusses 86/283 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betrifft nur das Verfahren zur Erlangung der Bescheinigung EUR. 1. Sie erstreckt sich nicht auf Zölle, die für die Einfuhr von Waren in die Europäische Gemeinschaft geschuldet werden, die Gegenstand einer Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 sind, selbst wenn diese Bescheinigung auf der Grundlage einer falschen Angabe des Ausführers über den Ursprung der Waren ausgestellt worden ist und nach einer nachträglichen Prüfung für nichtig erklärt wird.

6 Es verstösst nicht gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Rechtssicherheit, deren Beachtung der Gerichtshof gewährleistet, wenn ein gutgläubig handelnder Einführer unter bestimmten Umständen zur Zahlung der Zölle verpflichtet wird, die für die Einfuhr einer Ware geschuldet werden, in bezug auf die der Ausführer eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat, während der Einführer an dieser Zuwiderhandlung nicht beteiligt war. Es ist nämlich Sache der gewerblichen Wirtschaftsteilnehmer, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sich gegen die Risiken einer Nacherhebung abzusichern.

Ausserdem stellt der Umstand, daß die Behörden des Ausfuhrstaats eine Warenverkehrsbescheinigung EUR. 1 aufgrund des Beschlusses 86/283 ausgestellt haben, ohne zuvor eine Prüfung durchzuführen, um den tatsächlichen Ursprung der betroffenen Waren festzustellen, keinen Fall höherer Gewalt dar, der die Nacherhebung der von einem gutgläubig handelnden Einführer geschuldeten Zölle ausschließt. Nach Artikel 8 Absatz 2 des Anhangs II des Beschlusses 86/283 sind die Behörden des Ausfuhrstaats nämlich berechtigt, aber nicht verpflichtet, eine solche vorherige Prüfung durchzuführen. Unter diesen Umständen ist eine Sachlage, in der diese Behörden in einem Einzelfall beschlossen hatten, von dieser Befugnis keinen Gebrauch zu machen und sich später die Entstehung einer Zollschuld herausstellt, weder ungewöhnlich noch unvorhersehbar.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 17. Juli 1997. - Pascoal & Filhos Ldª gegen Fazenda Pública. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Tributário de Segunda Instância - Portugal. - Zölle - Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen - Verfahren der Prüfung von Bescheinigungen EUR.1 - Nacherhebung von Zöllen - Für die Zollschuld haftende Person. - Rechtssache C-97/95.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal Tributário de Segunda Instância hat mit Beschluß vom 29. November 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 27. März 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag sieben Fragen nach der Auslegung des Beschlusses 86/283/EWG des Rates vom 30. Juni 1986 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 175, S. 1) und der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1; im folgenden: Zollkodex) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Gesellschaft portugiesischen Rechts Pascoal & Filhos Ld.° (im folgenden: Klägerin) und der Fazenda Pública (Finanzverwaltung) über die Nacherhebung von Zöllen auf Einfuhren von Kabeljau.

Die gemeinschaftsrechtliche Regelung

3 Nach Artikel 70 Absatz 1 des Beschlusses 86/283 sind Fischereierzeugnisse mit Ursprung in Grönland frei von Zöllen zur Einfuhr in die Europäische Gemeinschaft zugelassen.

4 Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a des Anhangs II dieses Beschlusses (im folgenden: Anhang II) wird der Nachweis der Ursprungseigenschaft der Erzeugnisse durch die Vorlage einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 (im folgenden: Bescheinigung EUR.1) bei den Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats erbracht.

5 Gemäß Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs II ist es Sache des Ausführers, unter eigener Verantwortlichkeit die Ausstellung der Bescheinigung EUR.1 bei den Zollbehörden des Ausfuhrlandes zu beantragen. Nach Artikel 10 Absatz 2 fügt er dem Antrag alle zweckdienlichen Unterlagen zum Nachweis dafür bei, daß diese Bescheinigung für die Ausfuhrwaren ausgestellt werden kann.

6 Gemäß Artikel 8 Absatz 1 des Anhangs II stellen die Zollbehörden des Ausfuhrlandes die Bescheinigungen EUR.1 aus, wenn die Waren, auf die sich diese Bescheinigung bezieht, als Erzeugnisse mit Ursprung in dem betreffenden Überseeland angesehen werden können. Um zu prüfen, ob dies der Fall ist, können diese Behörden nach Artikel 8 Absatz 2 alle Beweismittel verlangen oder alle Kontrollmaßnahmen durchführen, die ihnen zweckdienlich erscheinen.

7 Nach Artikel 25 Absatz 1 des Anhangs II fordern die Zollbehörden des Ausfuhrlandes, wenn sie begründete Zweifel an der Echtheit einer Bescheinigung EUR.1 oder an der Richtigkeit der Angaben über den tatsächlichen Ursprung der betreffenden Ware haben, die Zollbehörden des Ausfuhrlandes auf, eine nachträgliche Prüfung der betreffenden Bescheinigung vorzunehmen.

8 Gemäß Artikel 25 Absatz 3 wird das Ergebnis dieser Prüfung den Zollbehörden des Einfuhrmitgliedstaats mitgeteilt. Anhand dieses Ergebnisses muß sich feststellen lassen, ob die beanstandete Bescheinigung EUR.1 für die tatsächlich ausgeführten Waren gilt und ob auf diese Waren wirklich die Vorzugsbehandlung Anwendung finden kann.

9 Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zu Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1), bestimmt folgendes: Stellen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats fest, daß die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Eingangsabgaben vom Abgabenschuldner ganz oder teilweise nicht angefordert worden sind, so fordern sie die nicht erhobenen Abgaben nach.

10 Gemäß Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 79/623/EWG des Rates vom 25. Juni 1979 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Zollschuld (ABl. L 179, S. 31) entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eingangsabgabenpflichtige Waren im Zollgebiet der Gemeinschaft in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden. Nach Artikel 3 Buchstabe a derselben Richtlinie entsteht diese Schuld zu dem Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Behörden die Anmeldung der Ware zum zollrechtlich freien Verkehr annehmen.

11 Mit Wirkung vom 1. Januar 1989 ist die Richtlinie 79/623 durch die Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld (ABl. L 201, S. 15) aufgehoben worden; durch diese Verordnung sind jedoch in den Artikeln 2 Absatz 1 Buchstabe a und 3 Buchstabe a die Regelungen wiedereingeführt worden, die in den Artikeln 2 Buchstabe a und 3 Buchstabe a der Richtlinie enthalten waren.

12 Schließlich ist die Verordnung Nr. 2144/87 durch den am 22. Oktober 1992 in Kraft getretenen und seit dem 1. Januar 1994 geltenden Zollkodex aufgehoben worden. Artikel 201 dieses Kodex bestimmt:

"(1) Eine Einfuhrzollschuld entsteht,

a) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr eingeführt wird oder

b) wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben übergeführt wird.

(2) Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.

(3) Zollschuldner ist der Anmelder. Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird.

Liegen einer Zollanmeldung für ein Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Angaben zugrunde, die dazu führen, daß die gesetzlich geschuldeten Abgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, so können nach den geltenden innerstaatlichen Vorschriften auch die Personen als Zollschuldner angesehen werden, die die für die Abgaben der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert haben, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, daß sie unrichtig waren."

Das Ausgangsverfahren

13 Die Klägerin führte 1988 und 1989 je zwei Partien Kabeljau nach Portugal ein. Allen diesen Partien war jeweils eine Bescheinigung EUR.1 beigefügt, durch die bestätigt wurde, daß es sich um Waren mit Ursprung in Grönland handele. Die portugiesischen Zollbehörden ließen daher alle Partien ohne Zahlung von Zöllen zur Einfuhr zu.

14 Jedoch forderten die portugiesischen Behörden die grönländischen Behörden auf, in Zusammenarbeit mit der Kommission eine nachträgliche Prüfung der vier bei der Einfuhr vorgelegten Bescheinigungen EUR.1 durchzuführen.

15 Nach dieser Prüfung erstellten die grönländischen Behörden und die Kommission gemeinsam einen Bericht in bezug auf die vier betroffenen Bescheinigungen EUR.1 folgende Schlußfolgerung enthält:

"Es wurde... festgestellt, daß die zur Weiterverarbeitung an Bord der betreffenden Fabrikschiffe geladenen Mengen an grönländischem Kabeljau im Hinblick auf das mitgeteilte Ergebnis der Verarbeitung nicht ausreichend sind, um die Mengen von Endprodukten zu erhalten, die mit den... [streitigen] Warenverkehrsbescheinigungen in die EWG eingeführt wurden."

16 Auf der Grundlage dieses Berichts richteten die grönländischen Behörden an die portugiesischen Behörden eine Mitteilung mit folgendem Wortlaut:

"As control examinations - carried out in collaboration with representatives from EEG Commission - have proved that some goods certificates ißüd on EUR.1 in Greenland do not comply with the regulations laid down in OLT-Agreemnent's [decision 86/283] annex N_ II regarding attainment of status of origin, you are kindly asked to arrange that the following goods certificates are revoked and cancelled."

("Da die - in Zusammenarbeit mit Vertretern der EWG durchgeführten - Prüfungen bewiesen haben, daß einige der in Grönland ausgestellten Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 den in Anhang II des ÜLG-Abkommens [Beschluß 86/283] niedergelegten Regeln über die Erlangung der Ursprungseigenschaft nicht entsprechen, bitten wir Sie höflich, zu veranlassen, daß die folgenden Warenverkehrsbescheinigungen eingezogen und für nichtig erklärt werden.")

Der Bericht, auf den sich diese Mitteilung stützt, wurde den portugiesischen Behörden nicht übermittelt.

17 Die portugiesischen Behörden sahen sich als an diese Mitteilung gebunden an und erließen, ohne sich um die Feststellung des tatsächlichen Ursprungs der Waren zu bemühen, vier Nacherhebungsbescheide über einen Gesamtbetrag von 61 709 940 ESC gegenüber der Klägerin, in deren Namen die Einfuhrzollanmeldung abgegeben worden war. Diese Bescheide wurden erlassen, bevor die portugiesischen Behörden eine Kopie des Berichts erhalten hatten.

18 Sobald sie Kenntnis von der Mitteilung hatte, prüfte die Klägerin die diese Bescheide betreffenden Akten der portugiesischen Behörden. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Bericht nicht in den Akten. Nach Angabe des vorlegenden Gerichts erhielt die Klägerin von diesem Bericht erst bei Einreichung der Klagebeantwortung im zweitinstanzlichen Verfahren Kenntnis; darüber hinaus habe die Klägerin immer gutgläubig und unter Beachtung der geltenden Regelung gehandelt.

19 Die Klägerin war der Ansicht, daß die Bescheide zum einen mangelhaft begründet und zum anderen rechtswidrig erlassen worden seien, und erhob beim Tribunal Fiscal Aduaneiro Porto Klage auf Aufhebung der Bescheide. Dieses Gericht entschied jedoch, daß die Mitteilung unabhängig vom Bericht eine ausreichende Begründung darstelle und daß die portugiesischen Behörden rechtmässig gehandelt hätten.

20 Die Klägerin legte daraufhin Berufung beim Tribunal Tributário de Segunda Instância ein. Da dieses Gericht Zweifel daran hat, wie einige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts auszulegen sind, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende sieben Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Erstreckt sich die Verantwortlichkeit des Ausführers im Sinne des Artikels 10 Absatz 1 des Anhangs II des Beschlusses 86/283/EWG des Rates vom 30. Juni 1986 auf Zölle, die sich aus der Nichtigerklärung von Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 ergeben, die aufgrund unrichtiger Angaben über den Ursprung der Waren ausgestellt wurden?

2. Welchen Sinn und welche Tragweite hat das Wort "auch" in Artikel 201 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Zollkodex der Gemeinschaften, insbesondere wenn nach nationalem Recht ausschließlich die Person, die die zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat, für die Zölle haftet, die für die von der Zuwiderhandlung betroffenen Waren geschuldet werden?

3. Können die Ausführungen im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Dezember 1993 in der Rechtssache C-12/92, Huygen u. a., Slg. 1993, I-6381, veröffentlicht in den Tätigkeiten des Gerichtshofes Nr. 35/93, S. 5 f., auf die Umstände des vorliegenden Falles, der die Auslegung und die Anwendung des Beschlusses 86/283/EWG des Rates betrifft, angewandt werden, obwohl sie sich auf das Handelsabkommen EWG-Österreich beziehen?

4. Welchen Sinn, welche Tragweite und welchen Umfang hat das Ergebnis der Prüfung im Sinne des Artikels 25 Absatz 3 des Anhangs II des Beschlusses 86/283/EWG des Rates?

5. Kann ein Nacherhebungsverfahren im Einfuhrmitgliedstaat eröffnet und abgeschlossen werden, bevor die Zollbehörden des Ausfuhrlandes den Zollbehörden des Einfuhrlandes das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt haben und bevor dem Einführer das Ergebnis der Prüfung bekannt ist?

6. Verstösst es gegen die Grundsätze der Gerechtigkeit, des Verbotes der ungerechtfertigten Bereicherung, der Verhältnismässigkeit, der Rechtssicherheit und des guten Glaubens, wenn ein gutgläubig handelnder Einführer mit dem Zoll belastet wird, der auf Waren zu entrichten ist, die Gegenstand einer zollrechtlichen Zuwiderhandlung eines Ausführers waren, an der der Einführer in keiner Weise beteiligt war?

7. Wenn die Zollbehörden des Ausfuhrlandes es unterlassen haben, vor Ausstellung der Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 eine Prüfung der Lagerhallen des Ausführers vorzunehmen, und der der portugiesische Einführer den Folgen dieser Unterlassung nicht abhelfen konnte, stellt dies nicht einen Fall höherer Gewalt für den Einführer dar, der eine Nacherhebung der Zölle bei ihm ausschließt?

21 Es ist mit der Prüfung der zweiten Frage zu beginnen; anschließend werden die dritte, die vierte und die fünfte Frage gemeinsam beantwortet, dann werden die erste Frage, die sechste Frage und die siebte Frage beantwortet.

Zur zweiten Frage

22 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts bezieht sich auf die Auslegung des Artikels 201 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Zollkodex. Das vorlegende Gericht ist nämlich der Auffassung, daß der Zollkodex, auch wenn er bei der Einfuhr der vier streitigen Partien noch nicht in Kraft war, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits maßgeblich ist, da in ihm die aufgehobene frühere Regelung übernommen wird.

23 Die portugiesische Regierung verweist auf das Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-343/90 (Lourenço Dias, Slg. 1992, I-4673) und macht geltend, der Gerichtshof sei für die Beantwortung dieser Frage nicht zuständig, da der Zollkodex zu der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeit nicht gegolten habe.

24 Aus denselben Gründen ist die Kommission der Ansicht, die zweite Frage sei unzulässig.

25 In diesem Zusammenhang genügt die Feststellung, daß im Zollkodex die vor seinem Erlaß geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zwar in grossem Umfang übernommen worden sind, daß Artikel 201 Absatz 3 Unterabsatz 2, auf den sich die zweite Vorabentscheidungsfrage bezieht, gegenüber der früheren Regelung aber eine neue Vorschrift darstellt. Da die letzte der vier streitigen Einfuhrzollanmeldungen am 25. Juli 1989 erfolgt ist, kann kein Zusammenhang zwischen der vom vorlegenden Gericht geforderten Auslegung dieser Vorschrift und den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens bestehen.

26 Unter diesen Voraussetzungen braucht die zweite Vorabentscheidungsfrage nicht beantwortet zu werden.

Zur dritten, vierten und fünften Frage (Einleitung eines Nacherhebungsverfahrens auf der Grundlage des Ergebnisses der Prüfung)

27 Unstreitig haben die grönländischen Behörden nach der nachträglichen Prüfung der Bescheinigungen EUR.1 an die portugiesischen Behörden nur eine Mitteilung gerichtet, in der sie feststellten, daß diese Bescheinigungen zu Unrecht ausgestellt und daher für nichtig zu erklären seien. Daraufhin leiteten die portugiesischen Behörden, ohne den Bericht erhalten zu haben, ohne die grönländischen Behörden aufzufordern, die Gründe anzugeben, die eine solche Nichtigerklärung rechtfertigten, und ohne sich darum zu bemühen, den tatsächlichen Ursprung der Waren festzustellen, ein Nacherhebungsverfahren gegenüber der Klägerin ein. Das vorlegende Gericht ist aber der Ansicht, daß die Zollbehörden des Einfuhrstaats, bevor sie ein solches Verfahren einleiteten, "alle erforderlichen Schritte unternehmen [müssen], um den tatsächlichen Ursprung der Waren festzustellen". Wenn für sie ein unausräumbarer Zweifel hinsichtlich des tatsächlichen Ursprungs der Waren bestehen geblieben wäre, so hätten sie von der Erhebung der streitigen Zölle absehen müssen.

28 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die dritte, die vierte und die fünfte Frage des vorlegenden Gerichts im wesentlichen dahin gehen, ob zum einen eine von den Behörden des Ausfuhrstaats nach einer nachträglichen Prüfung einer Bescheinigung EUR.1 an die Behörden des Einfuhrstaats gerichtete Mitteilung, in der die letztgenannten Behörden lediglich feststellen, daß die betreffende Bescheinigung zu Unrecht ausgestellt und daher für nichtig zu erklären ist, als "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Artikel 25 Absatz 3 des Anhangs II anzusehen ist und - zum anderen - ob die Behörden des Einfuhrstaats berechtigt sind, ein Verfahren zur Nacherhebung der nicht erhobenen Zölle allein auf der Grundlage einer solchen Mitteilung einzuleiten, ohne sich darum zu bemühen, den tatsächlichen Ursprung der eingeführten Waren festzustellen.

29 Was den ersten Teil der Frage angeht, so ist Artikel 25 Absatz 3 des Anhangs II anhand des Systems der Zusammenarbeit der Verwaltungen auszulegen, zu dem er gehört.

30 Nach diesem System ist es Sache der Wirtschaftsteilnehmer, die eine Zollpräferenzregelung in Anspruch nehmen wollen, den zuständigen Stellen zu beweisen, daß ihre Ware zollfrei in die Europäische Gemeinschaft eingeführt werden kann. Gemäß Artikel 6 Absatz 1 wird der Nachweis, daß Waren, die Ursprungseigenschaft besitzen, durch eine Bescheinigung EUR.1 erbracht. Der Zweck des Verfahrens der nachträglichen Überprüfung besteht im wesentlichen darin, die Ursprungsangaben in einer solchen zuvor ausgestellten Bescheinigung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (Urteil Huygen u. a., a. a. O., Randnr. 16).

31 In den Urteilen vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 218/83 (Les Rapides Savoyards u. a., Slg. 1984, 3105), Huygen u. a., a. a. O., vom 5. Juli 1994 in der Rechtssache C-432/92 (Anastasiou u. a., Slg. 1994, I-3087) und vom 14. Mai 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-153/94 und C-204/94 (Faroe Seafood u. a., Slg. 1996, I-2465) hat der Gerichtshof Vorschriften eines Systems der Zusammenarbeit der Verwaltungen ausgelegt, das dem System ähnelt, um das es in der vorliegenden Rechtssache geht. Diese Urteile bezogen sich auf das in Brüssel am 22. Juli 1972 unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizer Eidgenossenschaft (ABl. L 300, S. 189), das in Brüssel am 22. Juli 1972 unterzeichnete Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich (ABl. L 300, S. 2), das Abkommen vom 19. Dezember 1972 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Zypern (ABl. 1973, L 133, S. 2) bzw. die Verordnung (EWG) Nr. 3184/74 der Kommission vom 6. Dezember 1974 über die Bestimmung des Begriffes "Erzeugnisse mit Ursprung in" oder "Ursprungserzeugnisse" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen für die Anwendung der Zollregelung für bestimmte Erzeugnisse mit Ursprung in und Herkunft aus den Färöer (ABl. L 344, S. 1).

32 Nach dieser Rechtsprechung beruht die Bestimmung des Warenursprungs auf einer Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Behörden des Einfuhr- und denen des Ausfuhrstaats; während ersterer - gegebenenfalls auf Antrag der Behörden des Einfuhrstaats - den Ursprung bestimmt, wird das Funktionieren der Regelung durch die Zusammenarbeit der beteiligten Verwaltungen beider Seiten gesichert. Diese Regelung rechtfertigt sich dadurch, daß die Behörden des Ausfuhrstaats am besten in der Lage sind, die für den Ursprung maßgebenden Tatsachen unmittelbar festzustellen (Urteil Faroe Seafood u. a., a. a. O., Randnr. 19).

33 Der Gerichtshof hat in diesen Urteilen ferner darauf hingewiesen, daß dieser Mechanismus nur funktionieren kann, wenn die Zollverwaltung des Einfuhrstaats die von den Behörden des Ausfuhrstaats rechtmässig vorgenommenen Beurteilungen anerkennt (Urteil Faroe Seafood u. a., a. a. O., Randnr. 20).

34 Das "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Artikel 25 Absatz 3 des Anhangs II soll den Behörden des Einfuhrmitgliedstaats die Feststellung ermöglichen, ob die beanstandete Bescheinigung EUR.1 für die tatsächlich ausgeführten Waren gilt und ob auf diese tatsächlich die Präferenzregelung angewendet werden kann. Diese Vorschrift verpflichtet die Behörden des Ausfuhrmitgliedstaats nicht, gegenüber dem Einführer das Ergebnis ihrer Prüfung der Gültigkeit der Bescheinigung zu begründen.

35 Eine Mitteilung wie die in der Vorabentscheidungsfrage erwähnte ist folglich als "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Artikel 25 Absatz 3 des Anhangs II anzusehen.

36 Was den zweiten Teil der Frage angeht, gilt gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1697/79 folgendes: Stellen die zuständigen Behörden des Einfuhrstaats fest, daß der nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldete Betrag vom Abgabenschuldner ganz oder teilweise nicht angefordert worden ist, so fordern sie die nicht erhobenen Eingangsabgaben nach.

37 Die Behörden des Einfuhrstaats können allein aufgrund des Umstands, daß die zuständigen Behörden des Ausfuhrmitgliedstaats nach einer nachträglichen Prüfung erklären, daß eine Bescheinigung EUR.1 für die tatsächlich ausgeführten Waren nicht gelte, feststellen, daß die nach den gesetzlichen Vorschriften geschuldeten Abgaben nicht angefordert worden sind, und daher diese Abgaben nachfordern. Nichts in der Regelung verpflichtet die letztgenannten Behörden dazu, die Richtigkeit des Ergebnisses der Prüfung oder den Warenursprung der Waren zu ermitteln.

38 Zwar ergänzt Artikel 25 Absatz 3 Unterabsatz 2 des Anhangs II das System der Zusammenarbeit der Verwaltungen durch einen Mechanismus zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Behörden der Ausfuhrstaaten und denen der Einfuhrstaaten. Die Behörden des Einfuhrstaats können sich jedoch stets allein auf die Ergebnisse der Prüfung stützen, ohne dazu verpflichtet zu sein, diesen Mechanismus in Anspruch zu nehmen.

39 Was den Umstand angeht, daß die Nachforderung erhoben wird, bevor der Abgabenschuldner von den Gründen Kenntnis hat, aus denen die Bescheinigung EUR.1 für nichtig erklärt worden ist, genügt der Hinweis, daß die Beweislast für den Ursprung der Waren die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer trifft.

40 Zwar kann dieser Beweis grundsätzlich durch die Bescheinigung EUR.1 erbracht werden, der Abgabenschuldner kann aber kein geschütztes Vertrauen in die Gültigkeit einer solchen Bescheinigung daraus herleiten, daß sie von den Zollbehörden eines Mitgliedstaats zunächst angenommen wurde, da diese erste Annahme der Bescheinigung späteren Prüfungen nicht entgegensteht (vgl. in diesem Sinne Urteil Faroe Seafood u. a., a. a. O., Randnr. 93).

41 Man kann folglich nicht davon ausgehen, daß der Abgabenschuldner durch die Vorlage einer Bescheinigung EUR.1 den Beweis, daß die betroffenen Waren aus dem auf der Bescheinigung angegebenen Land stammen, mit der Folge hinreichend erbracht hat, daß die Behörden des Einfuhrmitgliedstaats gegebenenfalls das Gegenteil zu beweisen hätten.

42 Nach alledem ist auf die dritte, die vierte und die fünfte Frage zu antworten, daß zum einen eine von den Behörden des Ausfuhrstaats nach einer nachträglichen Prüfung einer Bescheinigung EUR.1 an die Behörden des Einfuhrstaats gerichtete Mitteilung, in der die Behörden des Ausfuhrstaats lediglich feststellen, daß die betreffende Bescheinigung zu Unrecht ausgestellt und daher für nichtig zu erklären sei, ohne die Gründe anzugeben, die diese Nichtigerklärung rechtfertigen, als "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Artikel 25 Absatz 3 des Anhangs II anzusehen ist und daß zum anderen die Behörden des Einfuhrstaats berechtigt sind, nicht erhobene Zölle allein auf der Grundlage einer solchen Mitteilung nachzuerheben, ohne sich darum zu bemühen, den tatsächlichen Ursprung der eingeführten Waren festzustellen.

Zur ersten Frage (Verantwortlichkeit des Ausführers gemäß Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs II)

43 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob die Verantwortlichkeit des Ausführers im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs II sich auf Zölle erstreckt, die für die Einfuhr in die Europäische Gemeinschaft von Waren geschuldet werden, die Gegenstand einer Bescheinigung EUR.1 sind, wenn diese Bescheinigung aufgrund einer falschen Angabe des Ausführers über den Ursprung der Waren ausgestellt worden ist und nach einer nachträglichen Prüfung für nichtig erklärt wird.

44 Zwar ist der Ausführer nach Artikel 10 des Anhangs II dafür verantwortlich, daß der Antrag auf Ausstellung der Bescheinigung EUR.1 gestellt wird und diesem gegebenenfalls alle zweckdienlichen Unterlagen zum Nachweis dafür beigefügt werden, daß für die Ausfuhrwaren die beantragte Bescheinigung ausgestellt werden kann.

45 Dieser Artikel betrifft jedoch nur das Verfahren zur Erlangung der Bescheinigungen EUR.1 und soll nicht die Person bestimmen, die zur Begleichung der Zollschuld verpflichtet ist, die unter Umständen im Einfuhrstaat entsteht.

46 Nach den bei den streitigen Einfuhren geltenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften hing die Entstehung der Zollschuld bei der Einfuhr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft nicht von dem vom Ausführer gestellten Antrag ab, sondern ergab sich aus der Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr der Ware. Die zur Begleichung der Zollschuld verpflichtete Person war daher die Person, in deren Namen diese Anmeldung erfolgt war.

47 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, daß die Verantwortlichkeit des Ausführers im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs II sich nicht auf Zölle erstreckt, die für die Einfuhr von Waren in die Gemeinschaft geschuldet werden, die Gegenstand einer Bescheinigung EUR.1 sind, selbst wenn diese Bescheinigung auf der Grundlage einer falschen Angabe des Ausführers über den Ursprung der Waren ausgestellt worden ist und nach einer nachträglichen Prüfung für nichtig erklärt wird.

Zur sechsten Frage (Allgemeine Rechtsgrundsätze)

48 Die sechste Frage ist auf die Annahme gestützt, daß der Ausführer aufgrund seines betrügerischen Antrags auf Ausstellung einer Bescheinigung EUR.1 für die Zollschuld hafte und daß er, wenn der Einführer diese Schuld begleiche, die Schuld eines Dritten mit der Folge begleiche, daß seine finanziellen Interessen verletzt würden, was den Grundsätzen der Gerechtigkeit, des Verbotes der ungerechtfertigten Bereicherung zu Lasten Dritter, der Verhältnismässigkeit, der Rechtssicherheit und des guten Glaubens widerspreche.

49 Vorab ist festzustellen, daß diese Annahme unzutreffend ist. Wie der Gerichtshof in Randnummer 46 dieses Urteils festgestellt hat, ist derjenige zur Begleichung der Zollschuld verpflichtet, in dessen Namen die Einfuhrzollanmeldung erfolgt ist. Sofern es sich dabei nicht auch um den Ausführer handelt - was hier nicht der Fall ist -, kann der Betreffende nicht als haftbar für die Schuld angesehen werden.

50 Somit ist zu prüfen, ob es im Einklang mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen steht, deren Beachtung der Gerichtshof gewährleistet, wenn der Einführer zur Begleichung der Zollschuld verpflichtet wird.

51 In seinem Vorlagebeschluß vertritt das nationale Gericht die Auffassung, es verstosse gegen den im portugiesischen Recht anerkannten "Grundsatz der Gerechtigkeit", wenn ein Einführer mit Zöllen belastet werde, die "von Rechts wegen von anderen zu zahlen wären".

52 Ohne daß ermittelt zu werden braucht, ob dieser Grundsatz zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß der Einführer nur Schuldner der Zollschuld wird, wenn er die Einfuhranmeldung abgegeben hat. In diesem Fall übernimmt er persönlich die Verpflichtung, die Schuld zu begleichen; diese Verpflichtung trifft also keinen Dritten.

53 Das vorlegende Gericht ist darüber hinaus der Ansicht, der Ausführer werde als Urheber der zollrechtlichen Zuwiderhandlung ohne Rechtsgrund bereichert, wenn der Einführer die Zollschud begleiche.

54 Da die Begleichung der Zollschuld Sache des Einführers ist, ist jedoch davon auszugehen, daß ein Dritter nicht allein dadurch bereichert werden kann, daß der Einführer diese Schuld beglichen hat. Dies kann jedoch eine Verpflichtung des Ausführers oder einer anderen Person gegenüber dem Einführer auslösen, die rechtlich von der zollrechtlichen Verpflichtung des Einführers getrennt ist und aufgrund deren dieser den Betrag wiedererlangen kann, den er an die Zollbehörden gezahlt hat.

55 Es verstösst auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, den Anmelder der Ware mit der Begleichung der Zollschuld zu belasten, auch wenn es sich bei ihm um einen gutgläubigen Einführer handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil Faroe Seafood u. a., a. a. O., Randnr. 114).

56 Im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit genügt die Feststellung, daß die Verantwortlichkeit des Schuldners der Zollschuld sich auf eine eindeutig definierte Rechtslage gründet und damit jeder Wirtschaftsteilnehmer die dem Markt eigenen Risiken erkennen kann. Diese Lage ist als Teil der Umstände anzusehen, aufgrund deren ein Einführer wie die Klägerin den fraglichen Vertrag geschlossen hat.

57 Der Umstand, daß der Einführer gutgläubig ist, entbindet ihn nicht von seiner Verantwortlichkeit in bezug auf die Begleichung der Zollschuld, da er der Anmelder der eingeführten Ware ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 1980 in der Rechtssache 827/79, Acampora, Slg. 1980, 3731, Randnr. 8). Anderenfalls würde der Einführer nämlich dazu verleitet, die Richtigkeit der Angaben, die der Ausführer gegenüber den Behörden des Ausfuhrstaats gemacht hat, und den guten Glauben des Ausführers nicht mehr zu überprüfen, was zu Mißbräuchen führen würde.

58 In Anbetracht des Inhalts der Akten verstösst es auch gegen keinen anderen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wenn ein in gutem Glauben handelnder Einführer wie die Klägerin zur Zahlung der Zölle verpflichtet wird, die für eine Ware geschuldet werden, in bezug auf die der Ausführer eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat.

59 Zwar kann die Möglichkeit, die Bescheinigung EUR.1 nach der Einfuhr zu überprüfen, ohne daß der Einführer zuvor darauf hingewiesen wurde, diesem Schwierigkeiten bereiten, wenn er im Vertrauen auf Bescheinigungen, die - ohne daß er es wusste - unrichtig oder gefälscht waren, gutgläubig annahm, unter Zollpräferenzen fallende Waren einzuführen. Zunächst ist jedoch festzustellen, daß die Gemeinschaft nicht die nachteiligen Folgen des rechtswidrigen Verhaltens der Lieferanten von Einführern zu tragen hat, sodann, daß der Einführer Klage auf Schadensersatz gegen den Urheber der Fälschung erheben kann, und schließlich, daß ein umsichtiger und mit der Rechtslage vertrauter Unternehmer bei der Einschätzung der Vorteile, die sich aus dem Handel mit Waren ergeben können, für die möglicherweise Zollpräferenzen gewährt werden, die Risiken berücksichtigen muß, die auf dem Markt, auf dem er akquiriert, bestehen, und sie als Teil der normalen Unzuträglichkeiten des Geschäftslebens in Kauf nehmen muß (vgl. in diesem Sinne Urteil Acampora, a. a. O., Randnr. 8).

60 Wie der Gerichtshof im Urteil Faroe Seafood u. a., a. a. O., Randnummer 114, festgestellt hat, ist es nämlich Sache der Wirtschaftsteilnehmer, im Rahmen ihrer vertraglichen Beziehungen die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um sich gegen die Risiken einer Nacherhebung abzusichern.

61 Nach alledem verstösst es nicht gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, deren Beachtung der Gerichtshof gewährleistet, wenn ein gutgläubig handelnder Einführer zur Zahlung der Zölle verpflichtet wird, die für die Einfuhr einer Ware geschuldet werden, in bezug auf die der Ausführer eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat, während der Einführer an dieser Zuwiderhandlung nicht beteiligt war.

Zur siebten Frage (Unterlassung der Behörden des Ausfuhrstaats)

62 Die siebte Frage des vorlegenden Gerichts geht dahin, ob der Umstand, daß die Behörden des Ausfuhrstaats eine Bescheinigung EUR.1 aufgrund des Beschlusses 86/283 ausgestellt haben, ohne eine vorherige Prüfung vorgenommen zu haben, um den tatsächlichen Ursprung der betreffenden Waren festzustellen, einen Fall höherer Gewalt darstellt, der die Nacherhebung der von einem gutgläubig handelnden Einführer geschuldeten Zölle ausschließt.

63 Der Fall der höheren Gewalt ist im Beschluß 86/283 nicht vorgesehen. Mangels besonderer Bestimmungen sind unter diesem Begriff ungewöhnliche und unvorhersehbare Ereignisse zu verstehen, auf die der betroffene Wirtschaftsteilnehmer keinen Einfluß hatte und deren Folgen trotz Anwendung der gebotenen Sorgfalt nicht hätten vermieden werden können, so daß auch das Verhalten von Behörden je nach den Umständen einen Fall höherer Gewalt darstellen kann (Urteil Huygen u. a., a. a. O., Randnr. 31).

64 Nach Artikel 8 Absatz 2 des Anhangs II "können" die Behörden des Ausfuhrstaats zur Prüfung des Ursprungs von Waren "alle Beweismittel verlangen oder alle Kontrollmaßnahmen durchführen, die ihnen zweckdienlich erscheinen".

65 Die Behörden des Ausfuhrstaats sind folglich berechtigt, aber nicht verpflichtet, eine vorherige Prüfung durchzuführen, und können sich, wenn sie dies für zweckdienlich halten, mit den Auskünften des Ausführers in dessen Antrag begnügen.

66 Der Umstand, daß die Behörden in einem Einzelfall beschlossen haben, von dieser Befugnis keinen Gebrauch zu machen, kann die nachträgliche Einziehung einer Zollschuld, deren Entstehung sich in der Folge herausstellt, nicht hindern. Eine solche Sachlage kann nämlich nicht als höhere Gewalt bezeichnet werden, denn sie ist weder ungewöhnlich noch unvorhersehbar.

67 Auf die siebte Frage ist daher zu antworten, daß der Umstand, daß die Behörden des Ausfuhrstaats eine Bescheinigung EUR.1 aufgrund des Beschlusses 86/283 ausgestellt haben, ohne zuvor eine Prüfung durchzuführen, um den Warenursprung der betroffenen Waren festzustellen, keinen Fall höherer Gewalt darstellt, der die Nacherhebung der von einem gutgläubig handelnden Einführer geschuldeten Zölle ausschließt.

Kostenentscheidung:

Kosten

68 Die Auslagen der portugiesischen und der französischen Regierung sowie des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Tributário de Segunda Instância durch Beschluß vom 29. November 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Eine von den Behörden des Ausfuhrstaats nach einer nachträglichen Prüfung einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 an die Behörden des Einfuhrstaats gerichtete Mitteilung, in der die Behörden des Ausfuhrstaats lediglich feststellen, daß die betreffende Bescheinigung zu Unrecht ausgestellt und daher für nichtig zu erklären sei, ohne die Gründe anzugeben, die diese Nichtigerklärung rechtfertigen, ist als "Ergebnis der Prüfung" im Sinne von Artikel 25 Absatz 3 des Anhangs II des Beschlusses 86/283/EWG des Rates vom 30. Juni 1986 über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzusehen. Die Behörden des Einfuhrstaats sind berechtigt, nicht erhobene Zölle allein auf der Grundlage einer solchen Mitteilung nachzuerheben, ohne sich darum zu bemühen, den tatsächlichen Ursprung der eingeführten Waren festzustellen.

2. Die Verantwortlichkeit des Ausführers im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 des Anhangs II des Beschlusses 86/283 erstreckt sich nicht auf Zölle, die für die Einfuhr von Waren in die Gemeinschaft geschuldet werden, die Gegenstand einer Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 sind, selbst wenn diese Bescheinigung auf der Grundlage einer falschen Angabe des Ausführers über den Ursprung der Waren ausgestellt worden ist und nach einer nachträglichen Prüfung für nichtig erklärt wird.

3. Es verstösst nicht gegen die allgemeinen Rechtsgrundsätze, deren Beachtung der Gerichtshof gewährleistet, wenn ein gutgläubig handelnder Einführer zur Zahlung der Zölle verpflichtet wird, die für die Einfuhr einer Ware geschuldet werden, in bezug auf die der Ausführer eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat, während der Einführer an dieser Zuwiderhandlung nicht beteiligt war.

4. Der Umstand, daß die Behörden des Ausfuhrstaats eine Warenverkehrsbescheinigung EUR.1 aufgrund des Beschlusses 86/283 ausgestellt haben, ohne zuvor eine Prüfung durchzuführen, um den Warenursprung der betroffenen Waren festzustellen, stellt keinen Fall höherer Gewalt dar, der die Nacherhebung der von einem gutgläubig handelnden Einführer geschuldeten Zölle ausschließt.

Ende der Entscheidung

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