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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 16.07.1992
Aktenzeichen: T-1/91
Rechtsgebiete: Beamtenstatut


Vorschriften:

Beamtenstatut Art. 43
Beamtenstatut Art. 90 Abs. 2
Beamtenstatut Art. 85 Abs. 2 t
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Einlegung einer förmlichen Beschwerde im Sinne von Artikel 90 des Statuts ist keine notwendige Vorbedingung für die Erhebung einer Klage gegen eine Beurteilung. Denn die in Artikel 43 des Statuts vorgesehene Beurteilung bringt nicht die Einschätzung der Anstellungsbehörde zum Ausdruck, sondern die frei gebildete Überzeugung der Beurteilenden. Daher kann eine gerichtliche Klage erhoben werden, sobald die Beurteilung als endgültig anzusehen ist.

Wenn der Betroffene somit die Wahl zwischen der unmittelbaren Anrufung der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit und der Einlegung einer Beschwerde hat, so muß er doch im letzteren Fall alle verfahrensrechtlichen Voraussetzungen beachten, die mit dem von ihm gewählten Weg der vorherigen Beschwerde verknüpft sind.

2. Mit der Verpflichtung zur Einlegung einer vorherigen Verwaltungsbeschwerde verfolgt Artikel 90 des Statuts das Ziel, eine einverständliche Beilegung der Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Beamten und der Verwaltung zu ermöglichen und zu fördern. Hierzu muß die Verwaltung von Beschwerdepunkten oder Wünschen des Betroffenen mit hinreichender Genauigkeit Kenntnis nehmen können. Hingegen soll diese Vorschrift den eventuellen Rechtsstreit nicht streng und endgültig begrenzen, solange nur die gerichtliche Klage weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändert. Somit kann ein Beamter, der den Weg der vorherigen Beschwerde gewählt hat, obwohl er bei der Anfechtung einer Beurteilung dazu nicht verpflichtet war, nach Ablauf der Frist für die unmittelbare Anrufung des Gerichts vor dem Gericht nur Anträge stellen, die denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und nur solche Rügen erheben, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen. Diese Rügen können vor dem Gericht auf Argumente gestützt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen.

Die Übereinstimmung von Beschwerde und Klage, von der die Zulässigkeit der Klage abhängt, stellt eine Frage zwingenden Rechts dar, mit der sich das Gericht von Amts wegen befassen muß.

3. Die Pflicht, die Verschlechterung der Beurteilung eines Beamten gegenüber der früheren Beurteilung zu begründen, soll es dem Betroffenen ermöglichen, die Gründe für die Änderung der Einzelbeurteilungen zu erfahren, zu überprüfen, ob die angeführten Tatsachen zutreffen, und dann aufgrund seines Anspruchs auf rechtliches Gehör Erklärungen zu dieser Begründung abzugeben. Dieser Pflicht wird genügt, wenn der Berufungsbeurteilende in einem Schreiben an den beurteilten Beamten feststellt, daß der Betroffene während des Zeitraums, auf den sich die streitige Beurteilung beziehe, keine aussergewöhnlich hohen Leistungen bei der Erledigung bestimmter, ihm obliegender Aufgaben an den Tag gelegt habe. Diese ° wenn auch knappe ° Begründung reicht aus, um die geringfügige Verschlechterung der Beurteilung von der höchsten zur unmittelbar niedrigeren Note zu rechtfertigen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 16. JULI 1992. - HILAIRE DELLA PIETRA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - BEURTEILUNG - ZULAESSIGKEIT - UNZUREICHENDE BEGRUENDUNG EINER VERSCHLECHTERUNG DER BEURTEILUNG - AUFHEBUNGS- UND SCHADENSERSATZKLAGE. - RECHTSSACHE T-1/91.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Der Kläger steht als Beamter der Besoldungsgruppe B 2 im Dienst der Kommission der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Kommission). Während des streitigen Zeitraums war er bis 15. März 1987 der Generaldirektion Regionalpolitik und anschließend der Generaldirektion Personal und Verwaltung zugeteilt.

2 Am 6. Mai 1988 gab die Beklagte gemäß Artikel 43 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) dem Kläger seine Beurteilung für die Zeit vom 1. Juli 1985 bis zum 30. Juni 1987 bekannt.

3 Mit Schreiben vom 14. Juni 1988 teilte der Kläger dem zuständigen Beurteilenden mit, er habe mit dem Ziel einer gütlichen Einigung die Anwendung von Artikel 6 der von der Kommission am 27. Juli 1979 erlassenen allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 43 des Statuts (im folgenden: Allgemeine Bestimmungen) beantragt, damit die vorerwähnte Beurteilung gemäß Artikel 7 dieser Bestimmungen dem Berufungsbeurteilenden vorgelegt werde.

4 Mit Schreiben vom 18. November 1988 sandte der Berufungsbeurteilende dem Kläger dessen Beurteilung zurück und teilte ihm seine Entscheidung mit, die Bewertungen des zuständigen Beurteilenden in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. Er stellte ferner fest, dieses Schreiben gelte als Bestätigung der Beurteilung und stelle als solche künftig eine Anlage zu der Beurteilung dar.

5 Mit Schreiben vom 5. Dezember 1988 an den Berufungsbeurteilenden beantragte der Kläger die Anhörung des paritätischen Beurteilungsausschusses. In seinen dem Schreiben beigefügten Bemerkungen führte er Klage darüber, daß zwei Einzelbewertungen der letzten Beurteilung weniger günstig ausgefallen seien als in der vorhergehenden Beurteilung. Es handelte sich um die Rubriken "Leistungen/Ordnungsmässigkeit der Leistungen" und "Dienstliche Führung/Verantwortungsbewusstsein", in denen die Bewertung von "Ausgezeichnet" auf "Sehr gut" zurückgegangen war. Der Kläger machte geltend, diese Änderungen seien ihm gegenüber nicht schriftlich begründet worden. Er wies darauf hin, daß er während des von der Beurteilung erfassten Zeitraums von 24 Monaten wegen seiner Einweisungen in verschiedene Dienststellen mehrere unmittelbare Dienstvorgesetzte gehabt habe. Aus der Beurteilung gehe jedoch hervor, daß die Beurteilenden nur einen dieser Vorgesetzten gehört hätten.

6 Am 11. August 1989 übermittelte der paritätische Beurteilungsausschuß dem Berufungsbeurteilenden seine Stellungnahme, in der folgendes hervorgehoben wurde: a) die verspätete Erstellung der Beurteilung und die Nichteinhaltung der Fristen in verschiedenen Stadien des Beurteilungsverfahrens; b) die Verschlechterung der Einzelbewertungen in den Rubriken "Ordnungsmässigkeit der Leistungen" und "Verantwortungsbewusstsein" gegenüber der für die Jahre 1983 bis 1985 erstellten Beurteilung; c) die fehlende Begründung dieser Verschlechterung in der allgemeinen Bewertung. Aufgrund dieser Umstände forderte der Ausschuß den Berufungsbeurteilenden im Hinblick auf Punkt B.6.3.2 des Leitfadens für die Beurteilung auf, die Beurteilung noch einmal durchzusehen.

7 Mit Schreiben an den Personaldirektor vom 26. September 1989 rechtfertigte der Berufungsbeurteilende die streitige Verschlechterung damit, die Leistungen des Klägers und dessen Verantwortungsbewusstsein könnten nicht mit "Ausgezeichnet" bewertet werden.

8 Mit Schreiben an den Kläger vom 10. November 1989 erklärte der Berufungsbeurteilende, er habe von der Stellungnahme des paritätischen Beurteilungsausschusses Kenntnis genommen, und bestätigte seine Entscheidung, die ursprüngliche Beurteilung aus den bereits in seinem Schreiben vom 26. September, das er dem vorgenannten Schreiben als Anlage beifügte, genannten Gründen unverändert aufrechtzuerhalten. Da das genannte Schreiben dem Kläger nicht zugegangen war, wurde es ihm am 18. April 1990 mit einem auf den 20. März 1990 datierten Schreiben erneut übermittelt.

9 Am 6. Juni 1990 legte der Kläger gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen die Entscheidung vom 10. November 1989 (im folgenden: Entscheidung) Beschwerde ein, wobei er sich auf die Feststellung beschränkte, er sei mit dieser Entscheidung "nicht einverstanden".

10 Die vorgenannte Beschwerde wurde von der Anstellungsbehörde dadurch stillschweigend zurückgewiesen, daß sie innerhalb der in Artikel 90 des Statuts vorgesehenen Viermonatsfrist keine Antwort erteilte.

11 Mit Schreiben vom 22. November 1990 teilte der Personaldirektor dem Berufungsbeurteilenden mit, die Prüfung der Beschwerde des Klägers durch die Arbeitsgruppe "interservices" habe die Gefahr aufgezeigt, daß die in dem Schreiben vom 10. November 1989 gegebene Begründung im Klagefall als nicht hinreichend spezifiziert angesehen werden könnte, um den Anforderungen der Allgemeinen Bestimmungen zu genügen. Er forderte ihn daher auf, eine genauere Begründung der festgestellten Verschlechterung zu erstellen.

12 Am 4. Januar 1991 hat der Kläger die vorliegende Klage beim Gericht erhoben.

13 Mit Schreiben vom 13. Februar 1991 an den Personaldirektor begründete der Berufungsbeurteilende seine Entscheidung ein zweites Mal. Er schilderte zunächst die praktischen Schwierigkeiten, die der Ausarbeitung einer qualitativen Beurteilung entgegenstuenden, namentlich, daß einige Beamte, mit denen der Kläger zusammen gearbeitet habe, nicht mehr im Dienst der Kommission stuenden, und führte weiterhin aus, in der Zeit von 1985 bis 1987 habe der Kläger nicht in vollem Umfang den Fleiß und die Sorgfalt an den Tag gelegt, die für die Erfuellung bestimmter, ihm anvertrauter Aufgaben erforderlich gewesen wären. Insbesondere habe der Kläger kaum für eine ernsthafte Beschäftigung mit der in Bearbeitung befindlichen Akte EFRE zur Verfügung gestanden. Daraus folge, daß er in seinen Leistungen unzuverlässig gewesen sei, und dies, obwohl es zu seinen Aufgaben gehört habe, Beamte der Laufbahngruppe A bei besonders heiklen Arbeiten zu unterstützen. In Anbetracht dieser Umstände sei die streitige Beurteilung nach Ansicht derjenigen, die während des fraglichen Zeitraums vom Kläger unterstützt worden seien, großzuegig gewesen.

14 Am 6. März 1991 übermittelte der Personaldirektor dem Kläger die ergänzende Begründung der Entscheidung.

15 Auf Ersuchen des Gerichts hat die Kommission am 28. Februar und am 4. März 1992 verschiedene Schriftstücke vorgelegt, die als für die Vervollständigung der Prozessakten nützlich angesehen worden waren.

16 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und die Parteien aufgefordert, sich in dieser Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage im Hinblick auf das Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache 52/85 (Rihoux/Kommission, Slg. 1986, 1555) sowie auf die Formulierung der in Rede stehenden Beschwerde zu äussern.

17 Die mündliche Verhandlung hat am 7. Mai 1992 stattgefunden. Die Vertreter der Parteien haben ihre mündlichen Ausführungen sowie ihre Antworten auf die Fragen des Gerichts vorgetragen.

Anträge der Parteien

18 Der Kläger beantragt,

° die Entscheidung des Berufungsbeurteilenden vom 10. November 1989, seine Beurteilung für die Zeit vom 1. Juli 1985 zum 30. Juni 1987 unverändert aufrechtzuerhalten, aufzuheben;

° dem zuständigen Beurteilenden aufzugeben, unter erneuter Durchführung des Verfahrens von Anfang an eine den Allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 43 des Statuts genau entsprechende Beurteilung zu erstellen und hierbei zumindest die für die Zeit von 1983 bis 1985 erstellte Beurteilung fortzuschreiben;

° die Kommission zu verurteilen, ihm eine Entschädigung in Höhe von 1 ECU als Ersatz seines immateriellen und eine Entschädigung in Höhe von 1 000 ECU als Ersatz seines materiellen Schadens zu zahlen;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

19 Die Kommission beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen;

° den Kläger gemäß Artikel 64 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der entsprechend auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, zur Tragung seiner eigenen Kosten zu verurteilen.

Zum Antrag auf Aufhebung

20 Der Kläger stützt seinen Antrag auf Aufhebung auf drei Gründe: erstens Nichtbeachtung der in den Allgemeinen Bestimmungen für die Erstellung der Beurteilung vorgesehenen Fristen, zweitens Unterlassung der Anhörung mehrerer seiner Vorgesetzten, drittens fehlende Begründung der Verschlechterung zweier seiner Einzelbeurteilungen.

Zum ersten und zum zweiten Klagegrund

21 In Beantwortung der vom Gericht an die Parteien gerichteten Aufforderung, sich in der mündlichen Verhandlung zur Zulässigkeit der Klage in Hinblick auf die Formulierung der Beschwerde vom 6. Juni 1990 zu äussern, hat der Kläger ausgeführt, ihm könne nicht vorgeworfen werden, in seiner Klage Angriffsmittel vorzubringen, die er nicht zuvor auch in seiner Beschwerde geltend gemacht habe, da sich letztere auf bereits in den ° an den paritätischen Beurteilungsausschuß gerichteten und somit zur Kenntnis der Verwaltung und der Kommission gelangten - Bemerkungen des Klägers vom 5. Dezember 1988 dargelegte Argumente bezogen habe. Alle in dieser Argumentation enthaltenen Angriffsmittel seien in die beim Gericht eingereichten Unterlagen und Schriftsätze übernommen worden.

22 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die Beschwerde habe sich damit begnügt, das Bestehen einer Meinungsverschiedenheit festzustellen, und es ihr, der Kommission, nicht gestattet, von den Rügen und dem Begehren des Klägers mit hinreichender Genauigkeit Kenntnis zu nehmen. Unter Berufung auf den Beschluß des Gerichts vom 25. Februar 1992 in der Rechtssache T-39/91 (Hermann/Cedefop, Slg. 1992, II-233) vertritt sie die Auffassung, die Beschwerde genüge nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten formalen Mindestanforderungen. Sie räumt jedoch ein, der Kläger habe in seinem Schreiben an den paritätischen Beurteilungsausschuß eine Reihe der Gründe vorgetragen, die er im Rahmen des vorliegenden Verfahrens geltend mache, und stellt die Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage in das Ermessen des Gerichts.

23 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Einlegung einer förmlichen Beschwerde im Sinne von Artikel 90 des Statuts keine notwendige Vorbedingung für die Erhebung einer Klage gegen eine Beurteilung nach Artikel 43 des Statuts, die nicht die Einschätzung der Anstellungsbehörde zum Ausdruck bringt, sondern die frei gebildete Überzeugung der Beurteilenden. Daher kann Klage erhoben werden, sobald die Beurteilung als endgültig anzusehen ist (Urteile des Gerichtshofes vom 3. Juli 1980 in den verbundenen Rechtssachen 6/79 und 97/79, Grassi/Rat, Slg. 1980, 2141, vom 19. Februar 1981 in den verbundenen Rechtssachen 122/79 und 123/79, Schiavo/Rat, Slg. 1981, 473, und vom 15. März 1989 in der Rechtssache 140/87, Bevan/Kommission, Slg. 1989, 701; Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-29/89, Moritz/Kommission, Slg. 1990, II-787). Aus den gleichen Gründen fordert die Rechtsprechung auch keine vorherige Beschwerde im Sinne von Artikel 90 des Statuts, wenn es um die Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren geht, die ihrer Natur nach von der Anstellungsbehörde nicht aufgehoben oder abgeändert werden kann (siehe insbesondere das Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache Rihoux/Kommission, a. a. O.).

24 Wenn der Betroffene somit die Wahl zwischen der unmittelbaren Anrufung der Gemeinschaftsgerichtsbarkeit und der Einlegung einer Beschwerde hat, so muß er doch im letzteren Fall alle verfahrensrechtlichen Voraussetzungen beachten, die mit dem von ihm gewählten Weg der vorherigen Beschwerde verknüpft sind. Würde der Betroffene nämlich hiervon freigestellt, so hätte er weitergehende Rechte als diejenigen Beamten, die unmittelbar die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit befassten. Zu diesen Voraussetzungen gehört nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz, daß Artikel 90 des Statuts eine einverständliche Beilegung der Rechtsstreitigkeiten zwischen den Beamten und der Verwaltung ermöglichen und fördern soll. Hierzu muß die Verwaltung von Beschwerdepunkten oder Wünschen des Betroffenen mit hinreichender Genauigkeit Kenntnis nehmen können. Hingegen soll diese Vorschrift den eventuellen Rechtsstreit nicht streng und endgültig begrenzen, solange nur die gerichtliche Klage weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändert. Somit kann ein Beamter, der den Weg der vorherigen Beschwerde gewählt hat, nach Ablauf der Frist für die unmittelbare Anrufung des Gerichts vor dem Gericht nur Anträge stellen, die denselben Gegenstand haben wie die in der Beschwerde enthaltenen Anträge, und nur solche Rügen erheben, die auf demselben Grund beruhen wie die in der Beschwerde genannten Rügen. Diese Rügen können vor dem Gericht auf Argumente gestützt werden, die nicht notwendigerweise in der Beschwerde enthalten sind, sich aber eng an diese anlehnen (siehe insbesondere das Urteil des Gerichtshofes vom 7. Mai 1986 in der Rechtssache Rihoux/Kommission, a. a. O., Randnrn. 11 bis 13).

25 Anhand dieser Überlegungen ist zu prüfen, ob die vom Kläger am 6. Juni 1990 eingelegte Beschwerde mit der vorliegenden Klage übereinstimmt, was die Gründe, auf die sie sich stützt, sowie die gestellten Anträge betrifft. Auch wenn diese Frage nach der Zulässigkeit von den Parteien nicht angeschnitten wurde, muß das Gericht sie von Amts wegen prüfen, weil sie die Ordnungsmässigkeit des Verwaltungsverfahrens betrifft und damit eine Frage zwingenden Rechts darstellt. Genauer gesagt rechtfertigt sich die Prüfung dieser Frage von Amts wegen im Hinblick auf das Ziel des vorgerichtlichen Verwaltungsverfahrens, das, wie bereits ausgeführt, eine einverständliche Beilegung der zwischen Beamten oder sonstigen Bediensteten und den Gemeinschaftsorganen entstandenen Streitigkeiten ermöglichen soll (siehe zuletzt das Urteil des Gerichts vom 29. März 1990 in der Rechtssache T-57/89, Alexandrakis/Kommission, Slg. 1990, II-143). Dieses Ziel kann auch dann erreicht werden, wenn die angefochtene Entscheidung, im vorliegenden Fall die Beurteilung, von einer anderen Stelle als der Anstellungsbehörde stammt, da diese stets in der Lage ist, eine einverständliche Beilegung zu erzielen, indem sie entweder die Beurteilung an die zuständige Stelle zur erneuten Überprüfung zurückschickt oder den betroffenen Beamten davon überzeugt, daß er keinen Grund zur Beschwerde hat.

26 Im vorliegenden Fall lautet die an den Generalsekretär der Kommission gerichtete Beschwerde vom 6. Juni 1990 wie folgt:

"Beiliegend übersende ich Ihnen zwecks Registrierung eine Abschrift der Beschwerde, die ich gemäß Artikel 90 des Statuts einlege.

Gegenstand: Beurteilung 1985/1987 (Mangelndes Einverständnis mit der am 18.4.1990 mitgeteilten Entscheidung vom 10.11.1989)."

Im Anschluß hieran gibt die Beschwerde Namen und Vornamen des Klägers, die Einzelheiten seiner beamtenrechtlichen Stellung und das Datum an; sie trägt ferner die Unterschrift des Klägers. Es ist festzustellen, daß die in Rede stehende Beschwerde zwar ihrer Form nach als Beschwerde im Sinne von Artikel 90 des Statuts angesehen werden kann, jedoch äusserst knapp abgefasst ist und keinerlei Bezugnahme auf ein zuvor an den paritätischen Beurteilungsausschuß gerichtetes Schreiben enthält, wie dies der Kläger zu Unrecht behauptet. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, das mangelnde Einverständnis des Klägers mit der Entscheidung des Berufungsbeurteilenden festzustellen, die für den Zeitraum von 1985 bis 1987 erstellte Beurteilung unverändert aufrechtzuerhalten, ohne sich jedoch näher zur Tragweite dieses Beschwerdepunktes sowie zu den Folgerungen zu äussern, die hieraus gezogen werden müssen. Bei großzuegiger Betrachtung lässt sich jedoch davon ausgehen, daß die dritte im Rahmen der vorliegenden Klage erhobene Rüge ° das Fehlen einer Begründung dafür, daß in der für die Zeit von 1985 bis 1987 erstellten Beurteilung bestimmte Einzelbeurteilungen ungünstiger lauteten als früher ° auf demselben Grund beruht wie die in der Beschwerde geltend gemachte Rüge. Dagegen werden mit den Rügen der Nichteinhaltung der im Leitfaden für die Beurteilung vorgesehenen Fristen und der Unterlassung der Anhörung bestimmter Vorgesetzter Beschwerdepunkte geltend gemacht, die auf anderen Rechtsgründen beruhen als der in der Beschwerde vorgebrachte Beschwerdepunkt. Daher sind diese beiden Aufhebungsgründe, da in der Beschwerde nicht vorgebracht, als unzulässig zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund

27 Was den Klagegrund der fehlenden Begründung der angefochtenen Entscheidung betrifft, der als einziger zulässig ist, so macht der Kläger geltend, die in seiner Beurteilung für die Zeit von 1985 bis 1987 unter den Rubriken "Leistung/Ordnungsmässigkeit der Leistungen" und "Dienstliche Führung/Verantwortungsbewusstsein" enthaltenen Einzelbeurteilungen ließen im Verhältnis zu den für die Zeit von 1983 bis 1985 gegebenen Bewertungen eine Verschlechterung erkennen, die nicht gerechtfertigt sei, für die keine Begründung gegeben worden sei und die den objektiven Inhalt seiner Personalakte nicht beachte. Diese fehlende Begründung stelle eine Verletzung von Artikel 85 Absatz 2 der Statuts sowie von Artikel 5 der Allgemeinen Bestimmungen dar. Die "interne" Begründung, die der Berufungsbeurteilende in seinem Schreiben vom 26. September 1991 an den Personaldirektor gegeben habe, sei nicht die vom Leitfaden für die Beurteilung geforderte Begründung. Ebensowenig sei das Schreiben des Berufungsbeurteilenden vom 13. Februar 1991, das nach der Erhebung der Klage abgefasst worden sei, geeignet, den Begründungsmangel zu heilen. Die Begründungspflicht solle nämlich die Anhörung des Beamten sichern und es ihm ermöglichen, seine Rechte wahrzunehmen, indem sie es ihm gestatte, seine Einwände in voller Kenntnis aller Umstände geltend zu machen.

28 Die Kommission bemerkt, sowohl der Gerichtshof als auch das Gericht lehnten es in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ab, die in den Beurteilungen zum Ausdruck kommenden Werturteile zu überprüfen. Die Beurteilenden verfügten über ein äusserst weites Ermessen; die gerichtliche Kontrolle beschränke sich auf die Fälle des Irrtums oder der offensichtlichen Überschreitung der Befugnisse. Der Kläger berufe sich jedoch weder auf einen tatsächlichen Irrtum noch auf eine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung oder einen Ermessensmißbrauch. Im übrigen habe der Berufungsbeurteilende in seinem Schreiben vom 26. September 1989 eine Begründung für die Verschlechterung der in Rede stehenden Einzelbeurteilungen gegeben. Überdies enthalte das Schreiben des gleichen Berufungsbeurteilenden vom 13. Februar 1991 eine substantiiertere Begründung. Die dergestalt beigebrachten Erläuterungen seien zwar nach Klageerhebung gegeben worden, hätten aber dem Kläger, der ihre Berechtigung nicht bestritten habe, jedes Interesse daran genommen, das Fehlen einer Begründung zu rügen.

29 Was die Begründetheit der vorliegenden Rüge betrifft, so hat sich die Beurteilung nach Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Allgemeinen Bestimmungen streng auf den Bezugszeitraum zu beschränken. Jedoch ist jede Veränderung der Einzelbeurteilungen im Verhältnis zur vorhergehenden Beurteilung zu begründen. Weiterhin sieht der Leitfaden für die Beurteilung, der rechtlich als innerdienstliche Richtlinie anzusehen ist (Urteil des Gerichts vom 24. Januar 1991 in der Rechtssache T-63/89, Latham/Kommission, Slg. 1991, II-19, Randnr. 25), hinsichtlich der Einzelbeurteilungen eine Beurteilungßkala vor, die fünf Noten umfasst (ausgezeichnet, sehr gut, gut, ausreichend, lässt zu wünschen übrig). Der gleiche Leitfaden stellt unter Punkt B.6.2.2 klar, daß die Note "Ausgezeichnet" für Leistungen von aussergewöhnlich hohem Niveau bestimmt ist, die erheblich über den dem bekleideten Dienstposten entsprechenden Anforderungen liegen, während die Note "Sehr gut" für Leistungen bestimmt ist, die eindeutig über dem hohen Niveau liegen, das die Kommission von einem Beamten im Hinblick auf den von ihm bekleideten Dienstposten erwarten darf. Schließlich stellt der Leitfaden für die Beurteilung unter Punkt B.6.3.2 noch fest, daß der Beurteilende Änderungen der Einzelbeurteilungen im Verhältnis zur vorhergehenden Beurteilung so deutlich wie möglich zu begründen hat.

30 Soweit der Gerichtshof über ähnliche Bestimmungen wie die oben erwähnten zu befinden hatte, hat er festgestellt, daß die Pflicht, jede Abweichung von der früheren Beurteilung zu begründen, "dem Beamten ermöglichen soll, die Gründe für die Änderung der Einzelbeurteilungen zu erfahren, zu überprüfen, ob die angeführten Tatsachen zutreffen, und dann aufgrund seines Anspruchs auf rechtliches Gehör Erklärungen zu dieser Begründung abzugeben. Die Beurteilung ist wegen Verstosses gegen eine wesentliche Formvorschrift fehlerhaft, wenn der Anspruch des Beamten auf rechtliches Gehör durch das Fehlen einer Begründung beeinträchtigt worden ist. Es ist daher unerheblich, daß der betroffene Beamte ohnehin ° d. h., selbst wenn der Beurteilende seine Bewertungen begründet hätte ° nicht hätte erwarten können, bessere Einzelbeurteilungen zu erhalten" (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1987 in der Rechtssache 178/86, Turner/Kommission, Slg. 1987, 5367, Randnr. 18, und vom 6. Februar 1986 in den verbundenen Rechtssachen 173/82, 157/83 und 186/84, Castille/Kommission, Slg. 1986, 497). Die Kommission kann daher nicht geltend machen, die in einem nach Klageerhebung abgefassten Schriftstück gegebene Begründung beseitige das Interesse des Klägers an der Geltendmachung des vorliegenden Klagegrundes.

31 Was drittens die Frage betrifft, ob der Berufungsbeurteilende vorliegend seiner Pflicht nachgekommen ist, die Verschlechterung der Einzelbeurteilungen in zwei Rubriken zu begründen, so ist von folgenden Feststellungen auszugehen. Aus den Akten geht hervor, daß die angefochtene Entscheidung die Erteilung der Note "Sehr gut" in den in Rede stehenden Rubriken für die Zeit von 1985 bis 1987 endgültig bestätigt hat, während der Kläger für den vorhergehenden Zeitraum (1983 bis 1985) die Note "Ausgezeichnet" erhalten hatte. Der Berufungsbeurteilende hat diese Änderungen in seinem Schreiben vom 26. September 1989 an den Personaldirektor damit begründet, diese Einzelbeurteilungen, die im Verhältnis zu den vorhergehenden Beurteilungen etwas ungünstiger lauteten, beruhten darauf, daß die Beamten, die von dem zu Beurteilenden unterstützt werden sollten, während des in Rede stehenden Zeitraums mehrfach hätten feststellen müssen, daß sich dieser bei der Erledigung der ihm übertragenen Aufgaben, was die Ordnungsmässigkeit seiner Leistungen und sein Verantwortungsbewusstsein betroffen habe in einer Weise verhalten habe, die nicht als "Ausgezeichnet" habe bewertet werden können. In seinem dem Kläger am 18. April 1990 zugegangenen Schreiben vom 10. November 1989, das die angefochtene Entscheidung darstellt, hat der Berufungsbeurteilende zunächst festgestellt, daß er von der Stellungnahme des paritätischen Beförderungsausschusses Kenntnis genommen habe, und sodann aus den bereits in seinem Schreiben vom 26. September 1989, das in Abschrift beigefügt war, dargelegten Gründen seine ursprüngliche Beurteilung bekräftigt. Die Begründung für die Verschlechterung der Einzelbeurteilungen ist daher im Text dieses zuletzt genannten Schreibens zu suchen, das einen Bestandteil der angegriffenen Entscheidung bildet und das erhalten zu haben der Kläger zu keiner Zeit bestritten hat, weder gegenüber der Verwaltung noch im Verfahren vor dem Gericht.

32 In dem genannten Schreiben wird die in Rede stehende Verschlechterung damit begründet, daß der Kläger während des Beurteilungszeitraums bei der Erledigung der insbesondere ihm obliegenden, in der Unterstützung der verantwortlichen Beamten des EFRE-Ausschusses bestehenden Aufgaben keine aussergewöhnlich hohen Leistungen an den Tag gelegt habe (siehe die ausführliche Beschreibung der Aufgaben des Klägers in Zusammenhang mit Vorbereitung und Organisation des EFRE-Ausschusses in seiner Beurteilung für den Zeitraum von 1985 bis 1987). Diese tatsächliche Feststellung stellt eine ° wenn auch knappe ° Begründung dar, die ausreicht, um die geringfügige Verschlechterung von der höchsten zur unmittelbar niedrigeren Note bei der Bewertung der Ordnungsmässigkeit der Leistungen und des Verantwortungsbewusstseins des Klägers zu rechtfertigen. Die vorliegende Rüge ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Schadensersatzantrag

33 Was die Anträge auf Schadensersatz betrifft, so hat der Kläger sie in seiner Klageschrift nicht näher begründet, während er in seiner Erwiderung behauptet, wegen des Verhaltens der Beklagten sei es ihm nicht möglich gewesen, für die Zeit von 1985 bis 1987 in den Genuß einer Fortschreibung der für die Zeit von 1983 bis 1985 erstellten Beurteilung zu gelangen. Ebensowenig sei ihm diese Möglichkeit für die Zeit von 1987 bis 1989 zugute gekommen. Diese Faktoren hätten ihm einen materiellen Schaden zugefügt. Ausserdem habe die in Folge dieser Situation entstandene Ungewißheit über die weitere Entwicklung seiner Laufbahn einen immateriellen Schaden bewirkt.

34 Diese Anträge sind zurückzuweisen, da sie in engem Zusammenhang mit dem Antrag auf Aufhebung stehen, der seinerseits teils als unzulässig, teils als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die Anträge sind ausserdem als unzulässig zurückzuweisen, selbst wenn man unterstellt, daß der vom Kläger geltend gemachte Schaden auf einen von der Entscheidung, deren Aufhebung beantragt wird, unabhängigen Amtsfehler zurückzuführen ist, weil der Kläger die Anstellungsbehörde nicht zuvor gemäß Artikel 90 Absatz 1 des Statuts mit dem Antrag auf Ersatz des erlittenen Schadens durch die Verwaltung befasst hat.

35 Nach alledem ist die Klage in ihrer Gesamtheit abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 dieser Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst. Jede Partei ist daher zur Tragung ihrer eigenen Kosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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