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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 11.03.1991
Aktenzeichen: T-10/91 R
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat, VerfO Gerichtshof


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 90 Abs. 2
EWG/EAG BeamtStat Art. 90 Abs. 1
Beamtenstatut Art. 91 Abs. 4
EWG/EAG BeamtStat Art. 59
VerfO Gerichtshof Art. 83 § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VON 11. MAERZ 1991. - LEON BODSON GEGEN EUROPAEISCHES PARLAMENT. - VORLAEUFIGER RECHTSSCHUTZ. - RECHTSSACHE T-10/91 R.

Entscheidungsgründe:

Tatbestand

1 Der Antragsteller hat mit Klageschrift, die am 7. Februar 1991 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung des Europäischen Parlaments, mit der es abgelehnt wurde, ihn in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung einzuweisen, und auf Verurteilung des Parlaments zur Zahlung eines Betrags von 100 ECU pro Tag vom 31. Januar 1991 bis zur Wiedereinweisung des Klägers in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung.

2 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller gemäß den Artikeln 185 EWG-Vertrag und 83 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes beantragt, ihn bis zum Tag seiner Einweisung in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung von allen Verpflichtungen zu entbinden, die das Statut den Beamten im aktiven Dienst auferlegt.

3 Das Europäische Parlament hat am 20. Februar 1991 Stellung genommen.

4 Vor der Prüfung der Begründetheit des Antrags auf einstweilige Anordnung ist der der Klage zugrunde liegende Sachverhalt kurz wiederzugeben.

5 Der Antragsteller ist Beamter des Europäischen Parlaments und wurde 1980 der Abrechnungsstelle der Krankenkasse in Luxemburg zur Verfügung gestellt, deren Organisation der Kommission übertragen ist. Am 20. Dezember 1988 wurde diese Zurverfügungstellung beendet, und der Antragsteller wurde vom 1. Januar 1988 in der Verwaltung des Europäischen Parlaments wiederverwendet.

6 Nachdem ihm verschiedene Aufgaben innerhalb des Organs übertragen worden waren, meinte der Antragsteller, er sei trotz aller Schritte, die er unternommen habe, um in eine seiner Besoldungsgruppe und seiner Berufserfahrung entsprechende Stelle eingewiesen zu werden, seit dem 5. Februar 1990 ohne dienstliche Verwendung; er legte deshalb eine Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften gegen die Weigerung des Parlaments ein, ihn in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung einzuweisen.

7 Mit Schreiben vom 18. Juli 1990 teilte der Generalsekretär des Europäischen Parlaments dem Antragsteller mit, er halte die Beschwerde für zulässig und begründet, da der Antragsteller unter Berufung auf Artikel 7 des Statuts rüge, seit dem 5. Februar 1990 nicht mehr in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung eingewiesen zu sein. Der Generalsekretär des Parlaments fügte hinzu, er habe den zuständigen Stellen die nötigen Anweisungen gegeben, damit der Antragsteller in eine Stelle eingewiesen werden könne; dies verlange jedoch auch vom betroffenen Beamten guten Willen und Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit der Verwaltung.

8 Der Antragsteller war der Auffassung, er sei auch daraufhin nicht in eine neue Stelle eingewiesen worden, und legte am 23. Januar 1991 eine weitere Beschwerde ein, die gegen die stillschweigende Entscheidung des Organs gerichtet war, ihn nicht in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung einzuweisen. Am 1. Februar 1991 erweiterte er die Beschwerde um den Antrag, ihm einen Betrag von 100 ECU pro Tag als Ersatz des ihm wegen seiner dienstrechtlichen Stellung entstehenden Schadens zu zahlen.

Entscheidungsgründe

9 Nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend gilt, hat der Antragsteller die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, anzuführen und die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.

10 Der Antragsteller meint, die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht zu haben, da der Generalsekretär des Parlaments anerkannt habe, daß Artikel 7 des Statuts dadurch verletzt sei, daß der Antragsteller seit dem 5. Februar 1990 nicht mehr in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung eingewiesen sei.

11 Zur Dringlichkeit macht der Antragsteller geltend, die Zurückweisung seiner Ersuchen um Unterstützung und seine Anträge auf Einweisung in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung wirkten sich ausserordentlich nachteilig auf seine Gesundheit aus. Die ständige Unruhe und Unsicherheit über seine berufliche Zukunft, der er ausgesetzt sei, habe zu einem unerträglichen Streß geführt, der die Gefahr eines kardiovaskulären Zwischenfalls beträchtlich erhöhe. Solange der Antragsgegner seine Verpflichtungen ihm gegenüber nicht einhalte, müssten zur Begrenzung dieser Gefahr die Konfliktsituationen, denen er ausgesetzt sein könne, und insbesondere solche, die sich aus der Einhaltung der den Beamten im aktiven Dienst nach dem Statut obliegenden Verpflichtungen ergäben, beschränkt werden.

12 Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen. Er bestreitet die vom Antragsteller angeführten Tatsachen, ohne sie jedoch im einzelnen zu untersuchen, und macht insbesondere geltend, zwischen der vom Antragsteller gegebenen Sachverhaltsdarstellung und dem Antrag auf einstweilige Anordnung bestehe kein logischer Zusammenhang.

13 Ferner vertritt der Antragsgegner die Ansicht, der Antrag auf einstweilige Anordnung sei unzulässig, da er zum einen nicht die Voraussetzungen des Artikels 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes erfuelle und da der Antragsteller zum anderen kein Interesse am Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht habe. Würde nämlich dem Antrag stattgegeben, so würde dies zu einer völligen Umkehr des Verfahrens zur Hauptsache führen, da mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung ein den Klageanträgen entgegengesetztes Ziel verfolgt würde.

14 Zur Dringlichkeit meint der Antragsgegner, selbst wenn sich mit den vom Antragsteller angeführten Argumenten vielleicht die Dringlichkeit seiner Einweisung in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung beweisen lasse, bestehe doch gleichwohl keinerlei Zusammenhang zwischen den behaupteten Tatsachen und dem Antrag des Antragstellers, ihn von allen Verpflichtungen nach dem Statut zu entbinden.

15 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Antragsteller mit seiner Klage die Aufhebung einer angeblichen Entscheidung des Parlaments beantragt, ihn nicht in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung einzuweisen, während er dagegen mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung begehrt, bis zur Wiedereinweisung in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung von allen den Beamten im aktiven Dienst nach dem Statut obliegenden Verpflichtungen entbunden zu werden.

16 Weiter ist darauf hinzuweisen, daß der Antrag auf einstweilige Anordnung ein neues Begehren darstellt, das den Rahmen der Beschwerden verlässt, die der Antragsteller bei der Anstellungsbehörde eingelegt hat und die gegen deren Entscheidung gerichtet waren, ihn nicht in eine Stelle mit einer tatsächlichen Beschäftigung einzuweisen.

17 Mit seinem Antrag auf einstweilige Anordnung versucht der Antragsteller in Wahrheit, vom Gericht zugesprochen zu erhalten, was er im Verfahren nach Artikel 90 des Statuts hätte anstreben müssen. Er hätte nämlich nach Artikel 90 Absatz 1 des Statuts zunächst einen Antrag an die Anstellungsbehörde richten müssen, ihn von seinen Verpflichtungen nach dem Statut zu entbinden; sodann hätte er gegen eine eventuelle Zurückweisung dieses Antrags eine Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 einlegen müssen. Wie sich aus Artikel 91 Absatz 4 des Statuts ergibt, hätte ein beim Gericht gestellter Antrag auf Aussetzung des angefochtenen Verwaltungsakts oder auf Erlaß vorläufiger Maßnahmen ohne stillschweigende oder ausdrückliche zurückweisende Entscheidung nur zulässig sein können, wenn diese Beschwerde bei der Anstellungsbehörde eingelegt worden wäre.

18 Was im übrigen die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens und insbesondere die gesundheitlichen Gründe angeht, die der Antragsteller zur Rechtfertigung seines Begehrens anführt, bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage von seinen Verpflichtungen nach dem Statut entbunden zu werden, ist auf Artikel 59 des Statuts hinzuweisen, in dem es heisst: "Weist ein Beamter nach, daß er wegen Erkrankung... seinen Dienst nicht ausüben kann, so erhält er Krankheitsurlaub." Falls die Gefahr eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens für die Gesundheit des Antragstellers besteht, muß deren Eintritt durch die Anwendung der entsprechenden Bestimmungen des Statuts verhindert werden.

19 Nach alldem stellt sich der beim Gericht gestellte Antrag auf einstweilige Anordnung als verfahrensmißbräuchlich dar; er ist damit als unzulässig abzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

der Präsident des Gerichts

im Verfahren der einstweiligen Anordnung beschlossen:

1) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird als unzulässig zurückgewiesen.

2) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 11. März 1991.

Ende der Entscheidung

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