Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 18.12.1992
Aktenzeichen: T-10/92
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Handlungen, die in der Weigerung der Kommission bestehen, im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens zur Anwendung der Wettbewerbsregeln den betroffenen Unternehmen einen Teil der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu übermitteln und ihnen Einsicht in sämtliche zu ihrer Akte gehörende Schriftstücke zu geben, können keine verbindlichen Rechtswirkungen hervorbringen, die vor dem etwaigen Erlaß einer Entscheidung, in der eine Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Vertrages festgestellt wird, die Interessen dieser Unternehmen beeinträchtigen könnten. Es handelt sich daher um reine Verfahrenshandlungen, die gegenüber der zum Abschluß des Verwaltungsverfahrens, wie es durch die Verordnungen Nr. 17 und Nr. 99/63 ausgestaltet ist, ergehenden Entscheidung vorbereitende Handlungen darstellen und gegen die als solche keine Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 EWG-Vertrag gegeben ist.

Zwar stellt die Wahrung der Verteidungsrechte in jedem Verfahren, das zu Sanktionen führen kann, einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der unter allen Umständen beachtet werden muß; die etwaige Verletzung dieser Rechte, wie sie sich aus der Verweigerung der Akteneinsicht ergeben kann, bleibt jedoch auf das vorherige Verwaltungsverfahren beschränkt, innerhalb dessen sie erfolgt.

Wenn der Gemeinschaftsrichter bei einer Klage gegen eine das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung ein ° in diesem Verfahren missachtetes ° Recht auf vollständige Akteneinsicht bestätigen und diese Entscheidung wegen Verletzung des Rechts auf Anhörung aufheben würde, so wäre das gesamte Verfahren rechtswidrig gewesen. In diesem Fall wäre die Kommission verpflichtet, entweder die Betroffenen ausser Verfolgung zu setzen oder das Verfahren unter Einhaltung der zuvor missachteten Rechte erneut zu beginnen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ZWEITE KAMMER) VOM 18. DEZEMBER 1992. - CIMENTERIES CBR SA, BLUE CIRCLE INDUSTRIES PLC, SOCIETE NATIONALE DES FABRICANTS DE CIMENTS ET DE CHAUX UND FEDERATION DE L'INDUSTRIE CIMENTIERE ASBL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - MITTEILUNG DER BESCHWERDEPUNKTE - AKTENEINSICHT - ZULAESSIGKEIT. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN T-10/92, T-11/92, T-12/92 UND T-15/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Am 25. April 1989 nahm die Kommission im Rahmen einer Untersuchung über das Vorliegen von Absprachen oder abgestimmten Verhaltensweisen in der europäischen Zementindustrie von Amts wegen in den Geschäftsräumen von etwa zehn Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen mehrerer Mitgliedstaaten eine Reihe von Überprüfungen vor. In den folgenden Tagen und Wochen wurden weitere Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen ebenfalls überprüft.

2 Auf der Grundlage der bei diesen Überprüfungen gefundenen Schriftstücke sowie der von den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204), erteilten Auskünften schloß die Kommission, daß zwischen den europäischen Zementherstellern wahrscheinlich ein System von Absprachen und abgestimmten Verhaltensweisen sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene vorliege, das die Unterstützung bestimmter nationaler und internationaler Unternehmensvereinigungen finde. Dieses System habe im wesentlichen die Aufteilung der Märkte der Mitgliedstaaten, die Erhaltung einer Abschottung zwischen diesen Märkten und die Beschränkung der Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten oder aus Drittländern zum Ziel.

3 Vor diesem Hintergrund beschloß die Kommission, Verfahren zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag gegen eine Gruppe von 76 Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen der Zementindustrie, unter ihnen die Klägerinnen, einzuleiten (Wettbewerbssachen IV/27.977 ° CPMA sowie IV/33.126 und IV/33.322 ° Zement). Im Rahmen dieser Verfahren übersandte die Kommission im Laufe des Monats November 1991 all diesen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte (nachstehend: MB), in der ihnen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag vorgeworfen sowie die Festsetzung einer Geldbusse in Aussicht gestellt wurde.

4 In ihrer MB unterscheidet die Kommission im wesentlichen zwei Arten von Beschwerdepunkten, die jeweils die Verhaltensweisen auf internationaler und die auf nationaler Ebene betreffen. Die erste Gruppe von Beschwerdepunkten bezieht sich auf angebliche Sitzungen im Rahmen des Cembureau, eines europäischen Zusammenschlusses verschiedener nationaler Verbände, und auf die Durchführung einer Reihe von Aktionen, die im Verlauf dieser Sitzungen beschlossen worden sein sollen. Eine zweite Gruppe von Beschwerdepunkten betrifft Handlungsweisen, mit denen die Aufteilung der nationalen Märkte allein zwischen den Erzeugern des betreffenden Mitgliedstaates und die Begrenzung der Einfuhren angestrebt worden sein sollen.

5 Die MB besteht aus zwei Abschnitten, die sich jeweils in mehrere Kapitel gliedern. Der erste Abschnitt mit der Überschrift "Sachverhalt" umfasst neun Kapitel. Die ersten beiden Kapitel betreffen den "Zementmarkt" und "Internationale Zusammenschlüsse der Zementhersteller", während die sieben weiteren Kapitel der Untersuchung der auf ebenso vielen nationalen Märkten aufgedeckten Praktiken gewidmet sind. Der zweite Abschnitt mit der Überschrift "Rechtliche Beurteilung" ist in drei Unterabschnitte gegliedert, von denen der erste (Anwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf die streitigen Sachverhalte) zehn Kapitel umfasst. Die ersten drei dieser Kapitel befassen sich mit den in Kapitel 2 des ersten Abschnitts ("Internationale Zusammenschlüsse der Zementhersteller") beschriebenen Absprachen und abgestimmten Verhaltensweisen, während sich die übrigen sieben Kapitel auf die in jedem der der Untersuchung eines nationalen Marktes geltenden Kapitel des ersten Abschnitts beschriebenen Absprachen und abgestimmten Verhaltensweisen beziehen. Die beiden anderen Unterabschnitte betreffen jeweils die Nichtanwendbarkeit von Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag und die Anwendbarkeit des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17.

6 Der Wortlaut der MB wurde, obwohl es sich um einen einzigen Vorgang handelt, nicht jedem der 76 Unternehmen und Unternehmensvereinigungen in vollem Umfang mitgeteilt. Allen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen wurden nämlich lediglich die Kapitel über die Verhaltensweisen auf internationaler Ebene (Kapitel 1, 2, 10, 11 und 12) und die Unterabschnitte B und C des zweiten Abschnitts der MB übermittelt. Die Kapitel über die Verhaltensweisen auf dem nationalen Markt (Kapitel 3 bis 9 und 13 bis 19) wurden lediglich den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen in den betreffenden Mitgliedstaaten übersandt. Ausser den sie betreffenden Kapiteln erhielten die Adressaten der MB die vollständige Zusammenfassung der MB sowie ein Verzeichnis der gesamten Schriftstücke der Akte mit Kennzeichnung derjenigen, die ihnen zugänglich waren.

7 Nach Erhalt der MB und des Verzeichnisses der ihnen zugänglichen Schriftstücke forderte eine Reihe von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, hierunter die Klägerinnen, die Kommission auf, ihnen die den anderen Adressaten der MB übermittelten, ihnen selbst hingegen nicht übermittelten Kapitel zugänglich zu machen. Sie forderten die Kommission weiterhin auf, ihnen Einsicht in sämtliche Schriftstücke ihrer Akte mit Ausnahme der internen oder vertraulichen zu gewähren. Auf diese Anträge hin teilte die Kommission den Klägerinnen in mehreren, ihnen in den Monaten Dezember 1991 und Januar und Februar 1992 übersandten Schreiben insbesondere mit, daß sie sich weigere, ihnen die den anderen Adressaten übersandten Kapitel der MB zu übermitteln und ihnen Einsicht in die Schriftstücke der Akte zu gewähren, soweit sie diese nicht bereits hätten einsehen können. Unter Berufung auf den Zusammenhang zwischen den beiden Verfahren beantragte die Fédération de l' Industrie Cimentière (nachstehend: FIC) ferner bei der Kommission, zugleich auf die ihr bereits übersandte und auf die MB antworten zu dürfen, die die Kommission ihr bezueglich der bereits seit dem 14. Januar 1975 angemeldeten Vereinbarung "Cement en Beton Stichting" (Stiftung Zement und Beton, nachstehend: CBS) zu übersenden gedenke. Mit Schreiben vom 27. Januar und 12. Februar 1992 teilte die Kommission der Klägerin FIC mit, daß das laufende Verfahren keinen Zusammenhang mit dem Verfahren CBS aufweise. In der Folge lehnte sie die Anträge der FIC auf Verbindung des Verfahrens über die Vereinbarung CBS und des diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Verfahrens sowie auf Verlängerung der Frist zur Stellungnahme zur MB ab.

Verfahren

8 Die Klägerinnen Cimenteries CBR SA (nachstehend: CBR), Blü Circle Industries plc (nachstehend: Blü Circle), Syndicat National des Fabricants de Ciments et de Chaux (nachstehend: SNFCC) und FIC haben mit Klageschriften, die am 12., 14. und 17. Februar 1992 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden sind, die vorliegenden Klagen auf Aufhebung der in den angeführten Schreiben der Kommission enthaltenen Entscheidungen erhoben. Eine fünfte Klage gleichen Inhalts der Eerste Nederlandse Cement-Industrie NV und der Vereniging Nederlandse Cementindustrie ist auf Beschluß des Gerichts (zweite Kammer) vom 14. September 1992 nach Klagerücknahme im Register gestrichen worden.

9 Sämtliche Klägerinnen haben gleichlaufend mit ihren Klagen gemäß den Artikeln 185 und 186 EWG-Vertrag und 105 § 2 der Verfahrensordnung Anträge auf einstweilige Anordnung der Einstellung des Verfahrens der Kommission bis zum Erlaß des Urteils des Gerichts in der Hauptsache gestellt. Mit Beschluß vom 23. März 1992 hat der Präsident des Gerichts die Anträge auf Erlaß einstweiliger Anordnungen abgelehnt, zugleich indessen die Frist für die Stellungnahme der Klägerinnen auf die MB bis zum 27. März 1992 beziehungsweise, soweit sich die Klägerinnen den von der Kommission festgelegten Bedingungen bezueglich der Zahl der vorzulegenden Kopien beugen sollten, bis zum 31. März 1992 verlängert.

10 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen und den Parteien mitzuteilen, daß sich die mündliche Verhandlung auf die Frage der Zulässigkeit der Klagen beschränke. Das Gericht (zweite Kammer) hat die Parteien aufgefordert, zur Frage einer Verbindung der Rechtssachen T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92 zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung und Entscheidung Stellung zu nehmen, und hat diese am 11. November 1992 beschlossen.

11 Die Parteien haben in der Sitzung vom 24. November 1992 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts zur Zulässigkeit der vorliegenden Klagen beantwortet. Am Ende der Sitzung hat der Präsident die mündliche Verhandlung geschlossen.

Anträge der Parteien

12 In der Rechtssache T-10/92 beantragt CBR,

° die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

° die Entscheidung der Kommission vom 15. Januar 1992 aufzuheben, mit der ihr die Übermittlung der gesamten MB und die Einsicht in die Akte verweigert worden sei, die sie zur wirksamen Ausübung ihrer Anhörungsrechte gegenüber den ihr von der Kommission in den Sachen IV/33.126 und IV/33.322 ° Zement sowie IV/27.997 ° CPMA übersandten MB beantragt habe;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

13 In der Rechtssache T-11/92 beantragt Blü Circle,

° die Entscheidung oder die Entscheidungen der Kommission aufzuheben, mit der/denen diese ihr die Übermittlung der gesamten MB sowie die Einsicht in alle erheblichen Schriftstücke der Akte verweigert und für die Stellungnahme zur MB Frist bis zum 24. oder 28. Februar 1992 gesetzt habe;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

14 In der Rechtssache T-12/92 beantragt SNFCC,

° festzustellen, daß die Kommission ihre Anhörungsrechte dadurch verletzt habe, daß sie ihr die Einsicht in sämtliche den nichtfranzösischen Parteien zugänglichen Teile der von der Kommission angelegten Akte verweigert habe;

° die in den Schreiben vom 23. und 27. Dezember 1991 und vom 10. Januar 1992 der Kommission enthaltene Entscheidung aufzuheben, mit der ihr diese Akteneinsicht verweigert worden sei;

° der Kommission die später nachzuweisenden Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

15 In der Rechtssache T-15/92 beantragt FIC,

° die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

° demgemäß die Entscheidungen der Kommission vom 29. November 1991, 27. Januar und 12. Februar 1992 aufzuheben, mit der ihr folgendes verweigert worden sei:

a) die Befugnis zu gleichzeitiger Stellungnahme zu der ihr von der Kommission in den Sachen IV/27.297 ° CPMA sowie IV/33.126 und IV/33.322 ° Zement übersandten MB und zu der ihr alsbald zu übersendenden MB betreffend die Vereinbarung CBS innerhalb einer angemessenen Frist von mindestens zwei Monaten;

b) die Übersendung einer eindeutigen und vollständigen "Klarstellung" bezueglich der von der Kommission gegen sie erhobenen Vorwürfe;

c) die Einsicht in alle nichtvertraulichen Teile der Akte sowie

d) die Übermittlung bestimmter Kapitel der MB;

° der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16 Die Kommission beantragt,

° die Klagen als unzulässig abzuweisen;

° hilfsweise, soweit die Klagen zulässig sein sollten, sie als unbegründet abzuweisen;

° die vorliegenden Rechtssachen gemäß Artikel 55 § 2 der Verfahrensordnung mit Vorrang zu entscheiden;

° den Klägerinnen die gesamten Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

A ° Vorbringen der Parteien

17 Die Kommission hält die Klagen für unzulässig, ohne allerdings förmlich eine prozeßhindernde Einrede im Sinne des Artikels 114 der Verfahrensordnung zu erheben. Die Gründe für diese Unzulässigkeit seien je nach den mit den einzelnen Klagen gestellten Anträgen unterschiedlich. So seien die Anträge auf Übermittlung der gesamten MB und auf Einsicht in die Schriftstücke, die die nicht jeder Klägerin übermittelten Kapitel der MB beträfen, offensichtlich unzulässig, weil sie gegen die MB selbst gerichtet seien, obwohl nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes eine solche Möglichkeit klar ausgeschlossen sei (Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639). Diese Auffassung sei übrigens durch den Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 23. März 1992 bestätigt worden.

18 Bezueglich der Anträge auf Einsichtnahme in die Schriftstücke, die sich auf die den Klägerinnen übermittelten Kapitel der MB beziehen, trägt die Kommission zwar auch zur Begründetheit der Anträge vor, wirft aber ebenfalls die Frage ihrer Zulässigkeit auf. Die Einsicht in die Akten sei ein mit der MB selbst eng verbundener Abschnitt des Verwaltungsverfahrens, der in Wahrheit nur eine Ausprägung unter vielen des allgemeinen Grundsatzes der Beachtung der Verteidigungsrechte und insbesondere des Anhörungsrechtes sei. Sehe man von Ausnahmefällen wie etwa einem Akt ohne jeglichen Anschein der Rechtmässigkeit ab, so könnten die Übermittlung eines oder mehrerer Schriftstücke sowie Fragen in Zusammenhang mit der MB nur im Rahmen einer Klage behandelt werden, die sich gegen die das Verwaltungsverfahren beendende Entscheidung richte. Dieser Standpunkt werde durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151) und des Gerichts (Urteil vom 10. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen T-68/89, T-77/89 und T-78/89, SIV u. a./Kommission, Slg. 1992, II-1403) bekräftigt.

19 Auch die von einigen Klägerinnen angeführte jüngere Rechtsprechung des Gerichtshofes ° insbesondere das Urteil vom 24. Juni 1986 in der Rechtssache 53/85 (AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, 1965) ° habe in der Frage, wie die von den Klägerinnen gestellten Anträge zu behandeln seien, keine Veränderung bewirkt. Insbesondere ließen sich eine MB einerseits und eine Entscheidung, einem dritten Beschwerdeführer vertrauliche Informationen zu übermitteln ° die endgültig sei, weil die Vertraulichkeit einer Information mit ihrer Übermittlung an einen Dritten endgültig verloren gehe ° oder auch eine Entscheidung gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17, die anders als eine MB ihrem Adressaten eine Verpflichtung auferlege, nicht auf eine Stufe stellen. Auch auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Rechtssache BEUC (Urteil vom 28. November 1991 in der Rechtssache C-170/89, BEUC/Kommission, Slg. 1991, I-5709) könnten sich die Klägerinnen nicht berufen, da dritte Beschwerdeführer in Dumpingverfahren anders als Unternehmen, denen in einer Wettbewerbssache eine MB zugestellt werde und die damit die endgültige Entscheidung anfechten könnten, nicht befugt seien, eine Aufhebungsklage gegen die endgültige Entscheidung zu erheben.

20 Zudem seien die im vorliegenden Fall angefochtenen verschiedenen Schreiben keine mit einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 173 EWG-Vertrag anfechtbaren Handlungen, weil es sich um einfache Schreiben der Dienststellen der Kommission handele, die noch stärker als die MB selbst vorbereitender Natur seien und damit die Rechtsstellung der Klägerinnen nicht beeinträchtigten.

21 Die Klägerinnen sind demgegenüber der Auffassung, daß sich der vorliegende Fall grundlegend von dem in der Rechtssache IBM (Urteil vom 11. November 1981, a. a. O.) unterscheide, weil die in diesem Fall angefochtenen Entscheidungen anders als eine MB, die ein vorbereitender Akt sei und einen vorläufigen Standpunkt zum Ausdruck bringe, Rechtshandlungen seien, mit denen sich die Kommission endgültig äussere und deren Rechtsfolgen für die Adressaten bindend seien und deren Interessen berührten.

22 Weiterhin habe der Gerichtshof im Interesse der Rechte der Verteidigung ° obwohl eine Klage gegen die spätere, die Zuwiderhandlung feststellende Entscheidung möglich gewesen sei ° die Zulässigkeit von Klagen gegen Entscheidungen der Kommission im Rahmen des Verwaltungsverfahrens bejaht (Urteile vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie/Kommission, a. a. O., vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, und vom 28. November 1991, BEUG/Kommission, a. a. O.), weil solche Entscheidungen die Rechtsstellung der Klägerinnen veränderten und wie im vorliegenden Fall endgültig seien.

23 Nach Auffassung insbesondere der Klägerin CBR ist, da die vollständige Akteneinsicht nicht nur die Einsicht in alle nicht vertraulichen Schriftstücke, sondern auch ° und vorrangig ° den Zugang zu sämtlichen Kapiteln der MB umfasse, jeder Versuch der Trennung dieser beiden Aspekte der Klage gekünstelt und daher zum Scheitern verurteilt. Im Gegensatz zu der Rechtssache IBM, in der das Gerichtsverfahren das Interesse der Klägerin habe schützen sollen, sich nicht innerhalb eines in ihren Augen völlig rechtswidrigen Verwaltungsverfahrens verteidigen zu müssen, wolle CBR vorliegend dem Verwaltungsverfahren volle Wirksamkeit verschaffen, indem sie ihm einen kontradiktorischen Charakter sichere, den nur die Akteneinsicht und der Zugang zur gesamten MB zu gewährleisten vermöchten. Im übrigen frage sie sich, welches Interesse die Kommission daran habe, die Zulässigkeit der vorliegenden Klagen in Frage zu stellen, da eine spätere Nichtigerklärung der Entscheidungen, die sie bei Abschluß des Verwaltungsverfahrens zu treffen habe, sie verpflichte, dieses Verfahren erneut durchzuführen und den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen die Möglichkeit zu geben, ihren Standpunkt zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen im Lichte der neuen Gesichtspunkte zu äussern, zu denen sie von Anfang an Zugang hätten haben müssen.

24 Entgegen der Auslegung des Urteils vom 28. November 1991, BEUC/Kommission, a. a. O., durch die Kommission ist nach Auffassung von Blü Circle ° wie übrigens auch von CBR und FIC ° die Klage von BEUC für zulässig erklärt worden, obwohl dieser Verband nicht befugt gewesen sei, die endgültige Entscheidung der Kommission anzufechten, und nicht, wie die Kommission behaupte, weil ihm diese Befugnis abgesprochen worden sei. Auch die Möglichkeit, die endgültige Entscheidung der Kommission anzufechten, stelle keinen ausreichenden Schutz ihrer Rechte dar, der die vorliegende Klage ersetzen könne, weil eine Verzögerung der gerichtlichen Kontrolle bis zur endgültigen Entscheidung der Kommission nach Artikel 85 EWG-Vertrag ihr Recht beeinträchtige, eine solche Entscheidung auf eine ordnungsgemässe Bewertung der verfügbaren Beweisstücke gestützt zu sehen.

25 SNFCC weist darauf hin, daß die Akteneinsicht im Unterschied zur MB, die eine vorbereitende Maßnahme sei, innerhalb des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag ein besonderes, eigenständiges Verfahren für sich darstelle. Die Verweigerung der Akteneinsicht führe zu zwei Benachteiligungen: einer unmittelbaren, die die Rechtslage des Adressaten schon im Stadium des kontradiktorischen Verwaltungsverfahrens beeinträchtige, und einer zweiten denkbaren, die sich gegebenenfalls bei der endgültigen Feststellung der Zuwiderhandlung durch die Kommission äussern könne.

26 FIC legt dar, die Kommission könne in dem Beschluß des Präsidenten des Gerichts keine Bestätigung für die Begründetheit ihrer Annahme der Unzulässigkeit der Aufhebungsklage sehen, weil nach ständiger Rechtsprechung die Prüfung des Gerichts im Verfahren der einstweiligen Anordnung eine vorläufige sei und das Gericht der Hauptsache nicht binde. Auch sie sei der Meinung, daß die angefochtenen Entscheidungen ihre Rechtslage in bedeutsamer Weise veränderten, weil sie endgültig die Art und Weise festlegten, in der die Rechte der Verteidigung wahrgenommen werden könnten, und damit bereits jetzt Substanz und sinnvolle Wahrnehmung dieser Rechte beeinträchtigten.

27 In der mündlichen Verhandlung haben sich die Klägerinnen zur Stützung ihrer Anträge weiterhin auf zwei Urteile des Gerichtshofes zu staatlichen Beihilfen berufen (Urteile vom 30. Juni 1992 in der Rechtssache C-312/90, Spanien/Kommission, Slg. 1992, I-4117, und in der Rechtssache C-47/91, Italien/Kommission, Slg. 1992, I-4145), in denen dieser Klagen gegen vorbereitende Handlungen, nämlich die Ankündigung der Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag, für zulässig erklärt habe.

B ° Würdigung durch das Gericht

28 Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der vorliegenden Klagen ist vorab darauf hinzuweisen, daß solche Handlungen oder Entscheidungen Gegenstand einer Nichtigkeitsklage im Sinne des Artikels 173 EWG-Vertrag sein können, die bindende, die Interessen des Klägers beeinträchtigende Rechtsfolgen hervorbringen, indem sie dessen Rechtslage erheblich verändern. Bei Handlungen oder Entscheidungen, die in mehreren Phasen erarbeitet werden, sind grundsätzlich nur die Handlungen anfechtbar, die den Standpunkt des Organs bei Beendigung des Verfahrens endgültig festlegen, nicht hingegen Zwischenmaßnahmen, die nur der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen (vgl. die Urteile des Gerichtshofes vom 11. November 1981, IBM/Kommission, a. a. O., Randnrn. 8 ff., und des Gerichts vom 10. Juli 1990 in der Rechtssache T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnr. 42).

29 Vorliegend werfen die Klägerinnen der Kommission im wesentlichen vor, ihre Anhörungsrechte dadurch verletzt zu haben, daß sie sich geweigert habe, ihnen zum einen sämtliche Kapitel der MB zu übermitteln und zum anderen Einsicht in sämtliche Schriftstücke der Akte (ausgenommen Geschäftsgeheimnisse, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen) zu gewähren. FIC wirft der Kommission ferner vor, die ihr gegenüber erhobenen Vorwürfe nicht klar umrissen und ihr nicht die Möglichkeit eingeräumt zu haben, gleichzeitig auf die diesem Rechtsstreit zugrunde liegende MB und die MB zu antworten, die die Kommission ihr demnächst bezueglich der Vereinbarung CBS zu übermitteln gedenke.

30 Bezueglich der Rügen der Klägerinnen im Hinblick auf die Akteneinsicht ist im übrigen weiterhin darauf hinzuweisen, daß nach den dem Gericht vorgelegten Unterlagen und den Bekundungen der Parteien zwei Arten der von der Kommission im Verlauf der Untersuchung sichergestellten Schriftstücke nicht jedem Empfänger der MB zugänglich gemacht worden sind. Es handelt sich zum einen um Schriftstücke, die sich auf die Kapitel der MB über die einzelnen nationalen Märkte beziehen und die nur den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen übermittelt worden sind, an die die entsprechenden Kapitel der MB gerichtet waren. Zum anderen handelt es sich um bestimmte Schriftstücke, die sich zwar auf die mitgeteilten Beanstandungen beziehen, jedoch nach Meinung der Kommission gemäß Artikel 20 der Verordnung Nr. 17 vom Berufsgeheimnis gedeckt werden, weil sie bei Ausübung der der Kommission übertragenen Untersuchungsbefugnisse erlangt und nicht zu Lasten des Unternehmens oder der Unternehmensvereinigung, an die die Beanstandungen gerichtet wurden, verwendet worden sind.

31 Somit ist zu prüfen, ob die von den Klägerinnen angefochtenen Maßnahmen ihre Rechtslage erheblich verändern. Hierbei ist zu untersuchen, ob die angefochtenen Handlungen für sich genommen geeignet sind, Rechtswirkungen hervorzubringen, die die Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen könnten, oder ob sie umgekehrt lediglich vorbereitende Maßnahmen sind, gegen deren Rechtswidrigkeit eine Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung der Kommission hinreichenden Schutz bieten würde (Urteil vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie/Kommission, a. a. O., Randnr. 19).

32 Alle Klägerinnen haben eine MB erhalten; allen hat die Kommission gemäß Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, S. 2269) eine Frist zur Äusserung gesetzt.

33 In einer MB müssen die Tatsachen, auf die sich die Kommission stützt, sowie ihre Bewertung deutlich angegeben sein (Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 29); gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 99/63 kann die Kommission gegenüber den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, an die die MB gerichtet war, in ihren Entscheidungen nur die Beschwerdepunkte in Betracht ziehen, zu denen sich diese haben äussern können.

34 Dabei sind "weder die Einleitung eines Verfahrens noch eine Mitteilung der Beschwerdepunkte ihrer Natur und ihren Rechtswirkungen nach als Entscheidungen im Sinne des Artikels 173 EWG-Vertrag anzusehen, gegen die die Anfechtungsklage gegeben ist." Denn "im Rahmen des Verwaltungsverfahrens, wie es durch die Verordnungen Nr. 17 und Nr. 99/63 ausgestaltet ist, stellen sie gegenüber der zum Abschluß des Verfahrens ergehenden Entscheidung vorbereitende Verfahrenshandlungen dar" (Urteil vom 11. November 1981 in der Rechtssache IBM/Kommission, a. a. O., Randnr. 21).

35 Die Klägerin FIC kann somit die Frage, ob das im vorliegenden Fall eingeschlagene Verfahren Anhörungsrechte beeinträchtigt und daher rechtswidrig ist, weil die Kommission zum einen die gegenüber jedem der Adressaten erhobenen Beanstandungen nicht verdeutlicht und zum anderen sich die Möglichkeit vorbehalten habe, wegen der Vereinbarung CBS neue Beanstandungen zu erheben, im Rahmen einer möglichen Klage gegen die abschließende Entscheidung der Kommission aufwerfen, ohne daß ihr Rechtsschutz dadurch beeinträchtigt würde.

36 Eine Beurteilung der von der Kommission gegenüber den Adressaten der MB erhobenen Beanstandungen griffe im übrigen beim gegenwärtigen Stand des Verwaltungsverfahrens während dessen Lauf der Möglichkeit der Kommission vor, den gegenüber den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen eingenommenen Standpunkt nach Prüfung der von diesen abgegebenen schriftlichen und mündlichen Äusserung zur MB abzuändern; damit würde die Auseinandersetzung über die Begründetheit vorweggenommen (Urteil vom 11. November 1981, IBM/Kommission, a. a. O., Randnrn. 18 und 20 ). Die von FIC hierzu vorgebrachten Anträge sind daher verfrüht und somit zurückzuweisen.

37 Was die Weigerung der Kommission angeht, den Klägerinnen sämtliche Kapitel der MB zu übermitteln und ihnen Einsicht in sämtliche Schriftstücke der Akte ° einschließlich der den übrigen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen übersandten Teile der MB ° zu gewähren, ist der Verfahrensrahmen zu prüfen, in dem diese Weigerung erfolgt ist.

38 Bei Wettbewerbssachen soll das Verfahren der Akteneinsicht die Empfänger einer MB in die Lage versetzen, die Beweisstücke in der Akte der Kommission zur Kenntnis zu nehmen, damit sie sinnvoll zu den Schlußfolgerungen Stellung nehmen können, zu denen die Kommission in ihrer MB aufgrund dieser Beweisstücke gelangt ist. Die Akteneinsicht gehört somit zu den Verfahrensgarantien, die die Rechte der Verteidigung schützen und insbesondere eine effektive Ausübung des in Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 und in Artikel 2 der Verordnung Nr. 99/63 vorgesehenen Anhörungsrechts sicherstellen sollen. Hieraus folgt, daß das Recht auf Einsicht in die Akte der Kommission sicherstellen soll, daß sich die betroffenen Unternehmen wirkungsvoll gegen die ihnen gegenüber in der MB erhobenen Beanstandungen verteidigen können.

39 Die Anhörung stellt in jedem Verfahren, das zu Sanktionen führen kann, einen fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der unter allen Umständen ° auch in einem Verwaltungsverfahren ° beachtet werden muß. Eine effektive Wahrung dieses allgemeinen Grundsatzes ist nur sichergestellt, wenn die betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen in die Lage versetzt werden, bereits im Lauf des Verwaltungsverfahrens zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission behaupteten Tatsachen, Beanstandungen und Umstände in angemessener Weise Stellung zu nehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461, Randnrn. 9 und 11)

40 Die Kommission selbst hat im übrigen in ihrem Zwölften Bericht zur Wettbewerbspolitik (S. 40 und 41) zur Durchführung dieser Grundsätze im einzelnen ausgeführt: "[Die Kommission] (erteilt) den am Verfahren beteiligten Unternehmen Akteneinsicht. Um die Beteiligten über den Inhalt der Verfahrensakte zu informieren, wird ihnen zusammen mit den Beschwerdepunkten oder dem ihre Beschwerde ablehnenden Bescheid eine Liste aller Unterlagen übersandt, die zu dieser Akte gehören. Dabei gibt die Kommission an, in welche Unterlagen oder Teile von ihnen Einsicht gewährt werden kann. Die Unternehmen können die zugänglichen Unterlagen an Ort und Stelle einsehen. Wünscht ein Unternehmen nur wenige Geschäftsunterlagen einzusehen, so kann die Kommission ihm Abschriften übermitteln. Die nachstehenden Schriftstücke werden von der Kommission als vertraulich betrachtet und können folglich nicht eingesehen werden: Schriftstücke oder Teile davon, die Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen enthalten; interne Schriftstücke der Kommission wie Vermerke, Entwürfe und sonstige Arbeitspapiere; andere vertrauliche Angaben, wie solche zur Person von Beschwerdeführern, die ihre Identität nicht gegenüber Dritten preisgeben möchten, oder Auskünfte, die die Kommission mit der ausdrücklichen Bitte um vertrauliche Behandlung übermittelt wurden."

41 In seinem Urteil vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89 (Hercules/Kommission, Slg. 1991, II-1711) hat das Gericht hieraus abgeleitet, daß die Kommission verpflichtet sei, "den von einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden und entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat... ausgenommen... nur Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen".

42 Demzufolge bringen Handlungen der Kommission, mit denen eine Akteneinsicht verweigert wird, auch wenn sie Anhörungsrechte verletzen können, im Grundsatz doch lediglich beschränkte Wirkungen hervor, wie sie für eine vorbereitende Maßnahme innerhalb eines Verwaltungsverfahrens kennzeichnend sind. Nur Aufhebungsklagen gegen Handlungen, die die Rechtslage der betreffenden Unternehmen unmittelbar und irreversibel berühren, sind bereits vor Abschluß des Verwaltungsverfahrens zulässig.

43 Diesem Ergebnis steht das Vorbringen der Klägerinnen nicht entgegen, das sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes in den Rechtssachen AKZO Chemie (Urteil vom 24. Juni 1986, a. a. O.) und BEUC (Urteil vom 28. November 1991, a. a. O.) stützt. In beiden Fällen nämlich ging es um Entscheidungen der Kommission bezueglich der Übermittlung bestimmter Schriftstücke an Dritte. Infolgedessen waren die angefochtenen Entscheidungen unabhängig von der Entscheidung, die am Ende des von der Kommission eingeleiteten Verfahrens ergehen sollte, und damit in ausreichendem Masse von dieser abschließenden Entscheidung abzuheben. In der Rechtssache AKZO Chemie war die Entscheidung, in der die Kommission die Auffassung vertrat, daß bestimmte Schriftstücke nicht vertraulich seien und damit einem dritten Beschwerdeführer übermittelt werden könnten, endgültiger Natur und ohne Zusammenhang mit einer etwaigen Entscheidung über den Abschluß des gemäß Artikel 86 EWG-Vertrag gegen die Klägerin eingeleiteten Verfahrens. Die gegen diese Entscheidung gegebene Klage kann nämlich, wie der Gerichtshof ausgeführt hat, dem Unternehmen einen wirksamen Schutz seiner Rechte nicht gewährleisten, da die Wirkungen, die eine rechtswidrige Übermittlung dieser Schriftstücke an Dritte hätte, irreversibel wären und durch eine Aufhebung dieser Entscheidung nicht behoben werden könnten. In der Rechtssache BEUC wurde einem ausserhalb des Verfahrens stehenden Dritten die Akteneinsicht verweigert. Da das seinerzeit auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 209, S. 1) eingeleitete Verfahren nicht zu einer Entscheidung führen konnte, die die Verbraucher oder Organisationen wie das BEUC hätten beschweren können, beeinträchtigte eine Verweigerung der Einsicht in eine nicht vertrauliche Akte der Kommission gegenüber dem letztgenannten dessen Interessen sofort und konnte mithin nur innerhalb der diesem eröffneten Klagefrist angefochten werden.

44 Diesem Ergebnis steht ferner nicht die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Auskunfts- oder Nachprüfungsentscheidungen der Kommission gemäß den Artikeln 11 Absatz 5 und 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 oder zum Eröffnungsbeschluß nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag bei staatlichen Beihilfen entgegen.

45 Gegen Auskunfts- oder Nachprüfungsentscheidungen ist zum einen der Klageweg in der einschlägigen Regelung ausdrücklich vorgesehen; zum anderen sind diese Entscheidungen Teil des Verfahrens der Voruntersuchung, das nicht kontradiktorisch abläuft und sich von dem Verfahren im Anschluß an die Übermittlung der MB unterscheidet, das der Kommission den Erlaß einer Entscheidung ermöglichen soll, mit der eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags festgestellt wird (vgl. das Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, a. a. O., Randnrn. 20 bis 25).

46 Zum Beschluß der Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag hat der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 30. Juni 1992, Spanien/Kommission und Italien/Kommission, entschieden, daß dieser unter den diesen Fällen eigenen Umständen eine Entscheidung bezueglich der Qualifikation der Beihilfe und der entsprechenden Verfahrensregeln enthielt und damit endgültige Rechtswirkungen zeitigte, die insbesondere in der Aussetzung der Zahlung der betreffenden Beihilfe bestanden. Der Gerichtshof ist nämlich davon ausgegangen, daß weder eine spätere Entscheidung der Kommission, die die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Vertrag feststellen würde, noch die Möglichkeit einer Klageerhebung gegen eine Entscheidung der Kommission, die ihre Unvereinbarkeit feststellen würde, die nicht umkehrbaren Auswirkungen der Verzögerung bei der Zahlung der Beihilfe beseitigen könnten.

47 Anders als in diesen Fällen kann eine etwaige Verletzung des Rechts der Adressaten einer MB, ihren Standpunkt zu den von der Kommission erhobenen Beanstandungen sowie zu den zur Stützung dieser Beanstandungen bestimmten Beweisstücken zu äussern, bindende Rechtswirkungen, die die Interessen der betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen beeinträchtigen könnten, erst dann hervorbringen, wenn die Kommission gegebenenfalls die Entscheidung oder die Entscheidungen getroffen haben wird, in der/denen das Vorliegen der von ihr gerügten Zuwiderhandlung festgestellt wird. Bis zum Erlaß einer endgültigen Entscheidung kann nämlich die Kommission in Anbetracht insbesondere der schriftlichen oder mündlichen Äusserungen der Parteien einzelne oder auch sämtliche bis dahin gegen sie erhobene Vorwürfe fallenlassen. Sie kann ebenso etwaige Verfahrensfehler durch erneute Gewährung der zunächst verweigerten Akteneinsicht beheben, damit sich die Adressaten der MB erneut und in voller Sachkenntnis zu den ihnen mitgeteilten Beschwerdepunkten äussern können. Wenn nun aber das Gericht bei einer Klage gegen eine das Verwaltungsverfahren abschließende Entscheidung ein ° in diesem Verfahren missachtetes ° Recht auf vollständige Akteneinsicht bestätigen und daher die endgültige Entscheidung der Kommission wegen Verletzung des Rechts auf Anhörung aufheben würde, so wäre das gesamte Verfahren rechtswidrig gewesen. Unter solchen Umständen wäre die Kommission verpflichtet, entweder die betreffenden Unternehmen und Unternehmensvereinigungen ausser Verfolgung zu setzen oder das Verfahren erneut zu beginnen und den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu den gegen sie erhobenen Beanstandungen im Lichte sämtlicher neuen Gesichtspunkte, zu denen ihnen von Anfang an Zugang hätte gewährt werden müssen, zu äussern. Im letzten Fall würde ein regelgerechtes kontradiktorisches Verfahren ausreichen, um die Klägerinnen erneut voll in ihre Rechte einzusetzen.

48 Demzufolge kann die Weigerung der Kommission, den Klägerinnen sämtliche Kapitel der MB zu übermitteln und ihnen Einsicht in sämtliche zu ihrer Akte gehörende Schriftstücke zu geben, keine Rechtswirkungen hervorbringen, die bereits jetzt und vor dem etwaigem Erlaß einer Entscheidung, in der eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag festgestellt und gegebenenfalls eine Geldbusse gegen sie verhängt wird, die Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen könnten.

49 Schließlich ist kein aussergewöhnlicher Umstand im Sinne des Urteils vom 11. November 1981, IBM/Kommission, a. a. O., ersichtlich, der es im vorliegenden Fall ermöglichen würde, die angefochtenen Handlungen als jeglichen Anscheins der Rechtmässigkeit bar zu betrachten. Denn zwischen den Parteien ist zwar streitig, in welchem Umfang der in Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Schutz der Vertraulichkeit sich auf sämtliche Informationen erstreckt, die die Kommission in Ausübung der ihr nach der Verordnung Nr. 17 zustehenden Befugnisse eingeholt und nicht gegen ein Unternehmen verwandt hat, doch wäre, selbst wenn die Kommission im vorliegenden Fall möglicherweise Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 falsch angewandt hätte, ein solcher Umstand nicht geeignet, den angefochtenen Handlungen jeglichen Anschein der Rechtmässigkeit zu nehmen, zumal diese Rechtsfrage bisher von einem Gericht der Gemeinschaft nicht entschieden worden ist.

50 Aus alledem folgt, daß die Klagen als unzulässig abzuweisen sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

51 In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen geltend gemacht, daß der Kommission selbst bei Klageabweisung gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen seien, da das vorliegende Verfahren nur das Ergebnis eines unsachgemässen Verhaltens der Kommission sei, das ihre Anhörungsrechte beeinträchtigt habe. Die Klägerinnen stützen ihren Antrag insbesondere auf den Beschluß des Gerichtshofes vom 7. Oktober 1987 in der Rechtssache 248/86 (Brüggemann/WSA, Slg. 1987, 3963).

52 Gemäß Artikel 87 § 3 seiner Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist. Nach der gleichen Vorschrift kann das Gericht auch der obsiegenden Partei die Kosten auferlegen, die sie der Gegenpartei ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat.

53 Die vorliegenden Klagen sind jedoch als unzulässig abzuweisen, weil die angefochtenen Handlungen weder unmittelbare Rechtswirkungen hervorbringen können, die die Interessen der Klägerinnen beeinträchtigen könnten, noch als Handlungen betrachtet werden können, denen jeglicher Anschein der Rechtmässigkeit fehlte. Wie sich aus Randnummer 49 dieses Urteils ergibt und anders als bei dem Sachverhalt, der dem Beschluß des Gerichtshofes zugrunde lag, auf den sich die Klägerinnen berufen, kann man der Kommission nicht vorwerfen, im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes oder des Gerichts gehandelt zu haben. Im vorliegenden Fall kommt daher eine Anwendung des Artikels 87 § 3 der Verfahrensordnung nicht in Betracht.

54 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind und die Kommission Kostenantrag gestellt hat, sind den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen.

2) Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück