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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 28.09.1993
Aktenzeichen: T-103/92
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Angesichts des jeweiligen Zweckes der Artikel 32 Absatz 2 und 46 Beamtenstatut ist die Festsetzung der Dienstaltersstufe eines Beamten, der von einer Laufbahngruppe auf dem Weg über ein allgemeines Auswahlverfahren in eine andere überwechselt, auf Artikel 46 und nicht auf Artikel 32 Absatz 2 zu stützen. Die letztgenannte Vorschrift soll es nämlich der Anstellungsbehörde namentlich ermöglichen, eine vom Bewerber vor seinem Dienstantritt als Beamter der Gemeinschaften erworbene Ausbildung und Berufserfahrung ° wenn auch in sehr engen Grenzen ° zu berücksichtigen. Demgegenüber bezweckt Artikel 46 u. a., während der dienstlichen Laufbahn eines Beamten die grösstmögliche Kontinuität in der Entwicklung seines Dienstalters und seiner Bezuege zu wahren, und dies auch bei Wechsel der Laufbahngruppe oder der Sonderlaufbahn nach einem Auswahlverfahren.

Erlaubt die Anwendung des Artikels 46 jedoch nicht, die von einem solchen Beamten vor Dienstantritt erworbene Ausbildung und Berufserfahrung zu berücksichtigen, ist Artikel 32 Absatz 2 zwingend anzuwenden, und zwar unabhängig von dem Dienstalter des Beamten in dem Zeitpunkt, in dem die Ausschreibung des allgemeinen Auswahlverfahrens, an dem er teilgenommen hat, veröffentlicht wurde, weil eine diskriminierende Unterscheidung zwischen Beamten, die ein Auswahlverfahren bestanden haben, auf dieser Grundlage durch nichts gerechtfertigt ist.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (FUENFTE KAMMER) VOM 28. SEPTEMBER 1993. - JEAN BAIWIR, ANTONIO GONCALVES UND DOMINIQUE BESOHE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - UEBERGANG IN EINE HOEHERE LAUFBAHNGRUPPE DURCH ALLGEMEINES AUSWAHLVERFAHREN - EINSTELLUNG ODER BEFOERDERUNG - GLEICHBEHANDLUNG - EINSTUFUNG IN DIE DIENSTALTERSSTUFE. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN T-103/92, T-104/92 UND T-105/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

Bezueglich des Klägers zu 1

1 Am 1. Mai 1988 wurde Jean Baiwir, Kläger zu 1, zum Beamten auf Probe der Besoldungsgruppe C 5 bei der Kommission ernannt. Er wurde in die Dienstaltersstufe 3 eingestuft, wobei ihm gemäß Artikel 32 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut) zwecks Berücksichtigung seiner früheren Berufserfahrung eine Verbesserung hinsichtlich der Dienstaltersstufe von 48 Monate gewährt wurde.

2 Am 1. November 1988 wurde er in dieser Besoldungsgruppe zum Beamten auf Lebenszeit ernannt.

3 Am 1. März 1989 wurde er ohne Änderung der Planstelle von der Besoldungsgruppe C 5, Dienstaltersstufe 3, in die Besoldungsgruppe C 4, Dienstaltersstufe 2, befördert.

4 Er nahm dann an dem Auswahlverfahren EUR21 teil, das die Kommission und der Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften zur Bildung einer Einstellungsreserve für Verwaltungsinspektoren veranstalteten (ABl. 1990, C 270, S. 34). Nach seiner Aufnahme in die nach Abschluß des Auswahlverfahrens erstellte Reserveliste wurde er am 27. Februar 1992 mit Wirkung zum 1. März 1992 auf einer Planstelle der Laufbahngruppe B ernannt. Er wurde in die Dienstaltersstufe 1 der Besoldungsgruppe B 5 eingestuft.

Bezueglich des Klägers zu 2

5 Der Kläger zu 2, Antonio Gonçalves, wurde am 1. März 1988 zum Beamten auf Probe der Besoldungsgruppe B 4 bei der Kommission ernannt. Er wurde aus den gleichen Gründen wie der Kläger zu 1 in die Dienstaltersstufe 3 eingestuft.

6 Am 1. Dezember 1988 wurde er in dieser Besoldungsgruppe zum Beamten auf Lebenszeit ernannt.

7 Er beteiligte sich dann an dem Auswahlverfahren KOM/LA/706, das die Kommission zur Bildung einer Einstellungsreserve für Übersetzer portugiesischer Sprache durchführte (ABl. 1990, C 239, S. 28). Nach seiner Aufnahme in die beim Abschluß dieses Auswahlverfahrens erstellte Reserveliste wurde er am 22. Januar 1992 mit Wirkung zum 1. Dezember 1991 auf einer Planstelle der Laufbahngruppe LA ernannt. Er wurde in die Dienstaltersstufe 1 der Besoldungsgruppe LA 7 eingestuft.

Bezueglich der Klägerin zu 3

8 Am 1. Januar 1988 wurde die Klägerin zu 3, Frau Dominique Besohé, zur Beamtin auf Probe der Besoldungsgruppe C 5 bei der Kommission ernannt. Wie die beiden anderen Kläger und aus den gleichen Gründen wurde sie in die Dienstaltersstufe 3 eingestuft.

9 Am 1. Juli 1988 wurde sie in dieser Besoldungsgruppe zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt.

10 Sie nahm dann an dem bereits genannten Auswahlverfahren EUR21 teil und wurde nach ihrer Aufnahme in die Reserveliste dieses Auswahlverfahrens am 29. Januar 1992 mit Wirkung zum 1. Januar 1992 auf einer Planstelle der Laufbahngruppe B ernannt. Sie wurde in die Dienstaltersstufe 1 der Besoldungsgruppe B 5 eingestuft.

11 Mit Schreiben vom 11. Mai 1992 legten die Kläger gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts gegen ihre jeweiligen Ernennungen Beschwerde ein mit der Begründung, ihre Einstufung in die erste Dienstaltersstufe der neuen Besoldungsgruppe berücksichtige ihre berufliche Erfahrung vor der ersten Einstellung nicht. Statt Artikel 46 des Statuts hätte die Anstellungsbehörde Artikel 32 auf sie anwenden müssen. Sie machten weiter geltend, daß sie gegenüber den "externen" erfolgreichen Bewerbern der Auswahlverfahren, an denen sie teilgenommen hätten, diskriminiert würden.

12 Die Kommission antwortete auf diese drei Beschwerden innerhalb der statutarischen Fristen nicht.

Verfahren

13 Die Kläger haben die vorliegenden Klagen erhoben, die am 1. Dezember 1992 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden sind.

14 Mit Beschluß vom 20. Januar 1993 hat das Gericht (Fünfte Kammer) die Rechtssachen T-103/92, T-104/92 und T-105/92 zur gemeinsamer schriftlicher und mündlicher Verhandlung und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

15 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

16 Die Parteien haben in der Sitzung vom 7. Juli 1993 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

17 Der Kläger zu 1 und zu 3 beantragen,

1) die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

2) demgemäß die Entscheidungen der Kommission vom 27. Februar und 29. Januar 1992, mit der die Kläger nach erfolgreicher Teilnahme an dem Auswahlverfahren EUR21 auf die Planstelle eines stellvertretenden Verwaltungsassistenten ernannt worden sind, aufzuheben, weil bei dieser Ernennung eine Einstufung in die Dienstaltersstufe 1 der Besoldungsgruppe B 5 ohne Verbesserung der Dienstaltersstufe erfolgt sei;

3) die Kommission vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der angefochtenen Entscheidung, d. h. seit dem 1. März 1992 bzw. dem 1. Januar 1992, bis zur Einstufung der Kläger in die richtige Dienstaltersstufe zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 10 % jährlich zu verurteilen;

4) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18 Der Kläger zu 2 beantragt,

1) die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

2) demgemäß die Entscheidung der Kommission vom 22. Januar 1992, mit der der Kläger nach erfolgreicher Teilnahme an dem allgemeinen Auswahlverfahren KOM/LA/706 auf eine Planstelle als Übersetzer ernannt worden ist, aufzuheben, weil bei dieser Ernennung eine Einstufung in die Dienstaltersstufe 1 der Besoldungsgruppe LA 7 ohne Verbesserung der Dienstaltersstufe erfolgt sei;

3) die Kommission vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der angefochtenen Entscheidung, d. h. dem 1. Dezember 1991, bis zur Einstufung des Klägers in die richtige Dienstaltersstufe zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 10 % jährlich zu verurteilen;

4) der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Kommission beantragt,

1) die Klagen als unbegründet abzuweisen;

2) über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Vorbringen der Parteien

Zu den Aufhebungsklagen

° Vorbringen der Parteien

19 Die Kläger führen drei Klagegründe zur Stützung ihrer Aufhebungsklagen an. Mit dem ersten Klagegrund machen sie eine Verletzung des Artikels 32 des Statuts geltend, weil die Kommission über ihre Einstufung fehlerhaft durch Anwendung des Artikels 46 des Statuts entschieden habe. Der zweite Klagegrund betrifft die Verletzung des Diskriminierungsverbots und der dritte hilfsweise geltend gemachte Klagegrund die Rechtswidrigkeit der Kriterien für die Festsetzung der Dienstaltersstufen, die die Beklagte bei einem Laufbahnwechsel angewandt haben soll. Da diese drei Klagegründe eng miteinander verbunden sind, sind sie gemeinsam zu prüfen.

20 Die Kläger vertreten die Auffassung, daß Beamte, die über ein allgemeines Auswahlverfahren in eine höhere Laufbahngruppe aufsteigen, nach Artikel 32 des Statuts (Einstellung) und nicht nach Artikel 46 des Statuts (Beförderung) einzustufen sind.

21 Sie räumen zwar ein, daß ihre Situation nicht genau so wie eine Einstellung im engeren Sinne behandelt werden könne, wollen sie aber noch viel weniger als Beförderung behandelt wissen. Der Gerichtshof habe die Lücke des Statuts dadurch gefuellt, daß er in solchen Fällen Artikel 32 analog angewandt, allerdings auch Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen habe.

22 Der Gerichtshof habe Artikel 32 des Statuts in seinen Urteilen vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 266/83 (Samara/Kommission, Slg. 1985, 189, Randnr. 15) und vom 20. Juni 1985 in der Rechtssache 138/84 (Spachis/Kommission, Slg. 1985, 1939, Randnrn. 10 und 11) analog angewandt.

23 In seinen Urteilen vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 273/83 (Michel/Kommission, Slg. 1985, 347, Randnrn. 14 f.) und vom 14. Juni 1988 in der Rechtssache 47/87 (Lucas/Kommission, Slg. 1988, 3019, Randnrn. 11 f.) habe der Gerichtshof diesen Grundsatz bestätigt, allerdings Artikel 46 dann angewandt, wenn die Anwendung des Artikels 32 die normale Entwicklung der Laufbahn des Beamten zu dessen Nachteil beeinträchtigen würde.

24 Die Kläger berufen sich ferner auf das Diskriminierungsverbot, dessen Verletzung sie im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes geltend machen. Im wesentlichen machen sie geltend, das Statut müsse im Lichte höherrangiger Rechtsprinzipien wie des Diskriminierungsverbots ausgelegt werden. Die Festsetzung der Dienstaltersstufen auf der Grundlage des Artikels 46 des Statuts bei einem Beamten, der aufgrund eines allgemeinen Auswahlverfahrens von einer Laufbahngruppe in die andere überwechsle, führe zu einer Diskriminierung dieses Beamten gegenüber "externen" erfolgreichen Bewerbern des Auswahlverfahrens, zu deren Gunsten die ° als günstiger zu betrachtende ° Regelung des Artikels 32 des Statuts gelte. Diese Auffassung sei vom Gerichtshof in seinem Urteil Samara/Kommission, a. a. O., Randnr. 15, gebilligt worden.

25 Ferner sei die Frist, die dem Begriff "kurze Zeit nach Dienstantritt des Beamten" entspreche, der nach der Rechtsprechung die Anwendung des Artikels 32 des Statuts statt der des Artikels 46 rechtfertige, von der Kommission völlig willkürlich auf zwei Jahre festgesetzt worden.

26 Die Kommission teilt die Auffassung der Kläger, es liege eine Lücke im Statut vor, ist aber der Auffassung, daß der Gerichtshof diese Lücke im Sinne einer Anwendung der Bestimmungen über die Beförderung und nicht im Sinne der Anwendung von Vorschriften über die Einstellung geschlossen habe. Sie räumt allerdings ein, daß der Gerichtshof Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen habe.

27 Zur Stützung ihrer Auffassung beruft sie sich auf die gleichen Urteile wie die Kläger, ist aber der Meinung, daß das, was die Kläger als Ausnahme betrachteten (Anwendung des Artikels 46) in Wirklichkeit die Regel sei, und daß umgekehrt das, was sie als Regel betrachteten (Anwendung des Artikels 32), in Wirklichkeit die Ausnahme sei.

28 Der Grundsatz der Anwendung des Artikels 46 sei in dem Urteil Michel/Kommission, a. a. O., aufgestellt worden, demzufolge die Festsetzung der Dienstaltersstufen eines Beamten, der von einer Laufbahngruppe in eine andere wechsle, im allgemeinen auf die Grundsätze des Statuts über die Beförderung zu stützen sei. Dieser Grundsatz sei im Urteil Lucas/Kommission, a. a. O., bestätigt worden, wonach die Festsetzung der Dienstaltersstufe eines Beamten, der von einer Laufbahngruppe in eine andere wechsle, auf Artikel 46 und nicht auf Artikel 32 Absatz 2 des Statuts zu stützen sei. In diesem Urteil habe der Gerichtshof allerdings die Ausnahmen von diesem Grundsatz, die er bereits zuvor in den Urteilen Samara/Kommission und Spachis/Kommission festgelegt habe, erneut aufgenommen und entschieden, daß Artikel 46 nicht anzuwenden sei, wenn der Wechsel der Laufbahngruppe oder der Sonderlaufbahn kurze Zeit nach dem Dienstantritt bei den Gemeinschaften erfolge und die Anwendung dieser Vorschrift es bei der Ernennung auf eine neue Stelle nicht erlauben würde, die vor der Einstellung als Beamter erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung zu berücksichtigen.

29 Der Grund für diese Rechtsprechung sei darin zu sehen, daß die Berufserfahrung, die ein Beamter vor seinem Dienstantritt bei den Gemeinschaften erworben habe, nur ein einziges Mal berücksichtigt werden dürfe.

30 Die Kläger hätten bei ihrem Dienstantritt auf der Grundlage des Artikels 32 die höchstmögliche Verbesserung hinsichtlich der Dienstaltersstufe erhalten und könnten hierfür eine zweite Verbesserung nicht in Anspruch nehmen. Bei ihrem Übergang in die höhere Laufbahngruppe sei ihre Dienstaltersstufe über den Mechanismus des Artikels 46 des Statuts zu ihren Gunsten wie im Falle der Beförderung auf die neue Einstufung übertragen worden. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ergänzt, die Erfahrung, die die Kläger vor ihrem Dienstantritt gewonnen hätten, sei auch bei ihrer Zulassung zum allgemeinen Auswahlverfahren berücksichtigt worden.

31 Diese Analyse vertrage sich vollkommen mit den Urteilen Samara/Kommission und Spachis/Kommission, a. a. O., weil Artikel 32 anzuwenden sei, wenn der Beamte kurze Zeit nach seiner ersten Ernennung in eine höhere Laufbahngruppe wechsle und eine Anwendung des Artikels 46 daher eine Berücksichtigung seiner Erfahrung nicht zuließe.

32 Es sei angemessen gewesen, den von der Rechtsprechung des Gerichtshofes festgelegten Begriff der "kurzen Zeit" auszulegen und auf zwei Jahre festzusetzen, um damit eine Gleichbehandlung aller Beamten sicherzustellen.

33 Zum zweiten Klagegrund führt die Kommission aus, daß von einer Diskriminierung gegenüber "externen" Bewerbern nicht die Rede sein könne. In dem Urteil Michel/Kommission, a. a. O., habe der Gerichtshof nämlich in den Randnummern 24 und 25 ausgeführt:

"Eine solche Anwendung bedeutet keine Diskriminierung des Klägers gegenüber den 'aussenstehenden' Bewerbern, die am gleichen Auswahlverfahren teilgenommen haben. Wenn an einem zur Bildung einer Einstellungsreserve für die Grundlaufbahn einer Laufbahngruppe durchgeführten Auswahlverfahren nicht nur 'aussenstehende' Bewerber, sondern auch Beamte teilgenommen haben, die gemäß Artikel 45 Absatz 2 des Statuts in diese Laufbahngruppe zu wechseln beabsichtigen, so berücksichtigt die Anstellungsbehörde tatsächlich die Berufserfahrung der Bewerber beider Gruppen bei der Festsetzung ihrer Dienstaltersstufe. Die 'aussenstehenden' Bewerber können ihre vor ihrem Dienstantritt erworbene Berufserfahrung gemäß Artikel 32 Absatz 2 innerhalb der durch diese Vorschrift festgesetzten Grenzen geltend machen. Bei Beamten, die aus einer niedrigeren Laufbahngruppe kommen, hat die Anstellungsbehörde diese eventuelle Erfahrung in aller Regel bereits bei der Einstellung in diese Laufbahngruppe berücksichtigt; ihre als Beamte im Dienst der Gemeinschaft erworbene Erfahrung ist beim Aufsteigen in den Dienstaltersstufen und bei Beförderungen in der genannten Laufbahngruppe berücksichtigt worden. Artikel 46 bewirkt lediglich die Beibehaltung des auf diese Weise erreichten Dienstalters beim Übergang in die neue Laufbahngruppe.

Der Umstand, daß die Berufserfahrung jeder der beiden verschiedenen Gruppen von Bewerbern nach einer anderen Regelung berücksichtigt wird, stellt in keiner Weise eine diskriminierende Behandlung dar, wenn die beiden Gruppen sich in objektiver Weise voneinander unterscheiden und wenn beide Regelungen auf die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen Gruppe zugeschnitten sind; dies gilt selbst dann, wenn die andere Regelung in einem besonderen Fall für den fraglichen Bewerber vorteilhafter wäre. Die vom Kläger gerügte Benachteiligung wird im übrigen dadurch aufgehoben, daß er von der Altersgrenze und der Probezeit befreit war und dadurch gegenüber den 'aussenstehenden' Bewerbern bevorzugt worden ist, was seinen Grund ebenfalls in dem objektiven Unterschied zwischen den Situationen der beiden Gruppen hatte."

° Würdigung durch das Gericht

34 Wie der Gerichtshof entschieden hat (Urteile Samara/Kommission und Lucas/Kommission), enthält das Statut keine Vorschrift über die Festsetzung der Dienstaltersstufe eines Beamten, der im Anschluß an ein allgemeines Auswahlverfahren auf eine Stelle einer höheren Laufbahngruppe ernannt wird.

35 Der Gerichtshof ist davon ausgegangen, das Statut sei dahin auszulegen, daß die Festsetzung der Dienstaltersstufe eines Beamten, der von einer Laufbahngruppe auf dem Weg über ein allgemeines Auswahlverfahren in eine andere überwechselt, auf Artikel 46 und nicht auf Artikel 32 Absatz 2 zu stützen sei, wenn man insbesondere die Zielsetzung der letztgenannten Vorschrift berücksichtige. Diese soll es nämlich der Anstellungsbehörde namentlich ermöglichen, eine vom Bewerber vor seinem Dienstantritt als Beamter der Gemeinschaften erworbene Ausbildung und Berufserfahrung ° wenn auch in sehr engen Grenzen ° zu berücksichtigen. Demgegenüber bezwecke Artikel 46 u. a., während der dienstlichen Laufbahn eines Beamten die grösstmögliche Kontinuität in der Entwicklung seines Dienstalters und seiner Bezuege zu wahren, und dies auch bei Wechsel der Laufbahngruppe oder der Sonderlaufbahn, der gemäß Artikel 45 Absatz 2 lediglich aufgrund eines Auswahlverfahrens erfolgen könne.

36 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist "ein Absehen von der Anwendung des Artikels 46... jedoch gerechtfertigt, wenn... die Anwendung dieser Vorschrift es bei der Ernennung für eine neue Stelle nicht erlauben würde, die vor der Einstellung als Beamter erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung zu berücksichtigen" (siehe zuletzt Urteil Lucas/Kommission, a. a. O., Randnr. 14).

37 Es ist daher zunächst zu prüfen, welche genaue Bedeutung dieser Ausnahme zukommt, und sodann, ob die Auslegung dieser Ausnahme durch die Kommission die Gleichbehandlung der erfolgreichen Bewerber eines allgemeinen Auswahlverfahrens, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ausschreibung des Verfahrens, das den Wechsel in eine höhere Laufbahngruppe ermöglicht hat, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bereits seit mehr als zwei Jahren Beamte der Gemeinschaften waren, und der anderen erfolgreichen Bewerber eines solchen Auswahlverfahrens zu gewährleisten vermag.

38 Bei der Ermittlung der Tragweite dieser Ausnahme ist zunächst zu prüfen, bei welchen Fallgestaltungen eine Anwendung des Artikels 46 aus Anlaß der Ernennung eines Beamten auf einer Stelle einer höheren Laufbahngruppe es nicht erlaubt, "die vor der Einstellung als Beamter erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung zu berücksichtigen".

39 Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Festsetzung der Dienstaltersstufe von Beamten, die von einer Laufbahngruppe in eine höhere Laufbahngruppe überwechseln, bei Anwendung des Artikels 46 des Statuts nach folgender Formel ermittelt wird:

[Ga + Vn + (Va x m/24) - Gn]

24 x ____________________________

Vn

In dieser Formel bedeutet:

Ga = Gehalt in der alten Besoldungsgruppe

Gn = Gehalt in der Eingangsstufe der neuen Besoldungsgruppe

Va = Verbesserung der Dienstaltersstufe in der alten Besoldungsgruppe

Vn = Verbesserung der Dienstaltersstufe in der neuen Besoldungsgruppe

m = Zahl der Dienstaltersmonate in der alten Besoldungsgruppe.

40 Aufgrund eines Vergleichs des Ergebnisses der Anwendung dieser Formel mit der höchsten nach Artikel 32 des Statuts zulässigen Verbesserung lassen sich drei Gruppen von Beamten unterscheiden: Die erste Gruppe umfasst Beamte, bei denen eine Anwendung des Artikels 46 aus Anlaß des Wechsels in eine höhere Laufbahngruppe ihre frühere Berufserfahrung in keiner Weise zum Tragen bringen kann, gleichgültig, ob es sich um eine Berufserfahrung vor dem Dienstantritt bei den Gemeinschaften handelt, die bereits zu einer Verbesserung der Dienstaltersstufe nach Artikel 32 bei Dienstantritt geführt hat, oder um eine Berufserfahrung nach Dienstantritt, die bereits zu einem Aufsteigen in den Dienstaltersstufen oder zur Beförderung nach den Artikeln 44 und 45 des Statuts während der Dienstzeit des Beamten geführt hat. Die zweite Gruppe umfasst die Beamten, bei denen eine Anwendung des Artikels 46 zur Auswirkung ihrer Berufserfahrung beim Wechsel in eine höhere Laufbahngruppe führen kann, allerdings in geringerem Umfang als eine erneute Anwendung des Artikels 32. Zur dritten Gruppe gehören die Beamten, bei denen eine Anwendung des Artikels 46 notwendig günstiger ist als eine neue Anwendung des Artikels 32.

41 Das Urteil Lucas/Kommission, in dem eine Anwendung des Artikels 32 dann erwogen wird, "wenn (die Anwendung des Artikels 46) es bei der Ernennung eines Beamten für eine neue Stelle kurze Zeit nach dem Dienstantritt bei den Gemeinschaften nicht erlauben würde, die vor der Einstellung als Beamter erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung zu berücksichtigen" (Randnr. 14), ist so auszulegen, daß hier nicht zwei kumulative Voraussetzungen, sondern lediglich eine einzige Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 32 gefordert werden, d. h. die Anwendung des Artikels 46 müsste es unmöglich machen, "die vor der Einstellung als Beamter erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung zu berücksichtigen", und daß im weiteren nur ein Beispiel für die Art der Fallgestaltungen gegeben wird, in denen diese Voraussetzung gegeben ist, nämlich wenn "die Ernennung des Beamten für eine neue Stelle kurze Zeit nach dem Dienstantritt bei den Gemeinschaften stattfindet".

42 Im vorliegenden Fall ist es, wie sich aus der Antwort der Parteien auf eine schriftliche Frage des Gerichts ergibt, unstreitig, daß eine Anwendung des Artikels 46 eine Berücksichtigung der Ausbildung und der besonderen Berufserfahrung der drei Kläger vor ihrem Dienstantritt nicht ermöglichen würde. Es handelt sich dabei um eine Auswirkung des Umstands, daß ihr Wechsel in die höhere Laufbahngruppe kurze Zeit nach ihrem Dienstantritt bei den Gemeinschaften stattgefunden hat.

43 Demzufolge sind alle die Beamten auf der Grundlage des Artikels 46 einzustufen, bei denen die Anwendung dieser Vorschrift eine irgendwie geartete Berücksichtigung ihrer Ausbildung und besonderen Berufserfahrung vor ihrem Dienstantritt ermöglicht, auch wenn diese hinter dem zurückbleibt, was eine Anwendung des Artikels 32 bewirkt hätte (siehe Urteil Michel/Kommission, a. a. O., Randnr. 24), auf der Grundlage des Artikels 32 hingegen die Beamten, bei denen die Anwendung des Artikels 46 eine solche Berücksichtigung nicht zulässt.

44 Diese Lösung lässt auch die Zielsetzung der Artikel 32 und 46 des Statuts zur Geltung kommen, wie sie der Gerichtshof in sämtlichen genannten Urteilen entwickelt hat. Bei den Beamten nämlich, bei denen eine Anwendung des Artikels 46 die Berücksichtigung der vor ihrem Dienstantritt erworbenen Berufserfahrung gestattet, gehört der Wechsel in eine höhere Laufbahngruppe angesichts des hohen Niveaus, das sie in ihrer Laufbahngruppe sowohl bezueglich der Besoldungsgruppe als auch bezueglich der Dienstaltersstufe erreicht haben, zum normalen Ablauf ihrer Laufbahn. Bei den anderen Beamten hingegen gehört der Übergang in eine höhere Laufbahngruppe nicht zur kontinuierlichen Entwicklung ihrer Laufbahn, sondern ist eher wie der Beginn einer neuen Laufbahn zu behandeln, was dann aber die Anwendung des Artikels 32 rechtfertigt.

45 Die Kommission beruft sich bei ihrer Weigerung, die in Artikel 32 des Statuts festgelegten Kriterien auf die Kläger anzuwenden, auf eine ständige Verwaltungspraxis, die ihre Grundlage in der Auslegung der Worte "kurze Zeit nach" in den genannten Urteilen des Gerichtshofes findet. Nach dieser Praxis ist der Ausdruck "kurze Zeit nach" als der Zeitraum zu konkretisieren, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ausschreibung des Auswahlverfahrens, das den Wechsel in die höhere Laufbahngruppe ermöglicht hat, im Amtsblatt "die Dauer von höchstens zwei Jahren seit Dienstantritt nicht überschreitet" (Klagebeantwortung, Punkt 12).

46 Abgesehen davon, daß diese Praxis die Entscheidung über die Vorschrift für die Festsetzung der Dienstaltersstufe der Beamten von einem willkürlichen Merkmal wie der Frist abhängig macht, die zwischen dem Dienstantritt eines Beamten und der Veröffentlichung der Ausschreibung eines Auswahlverfahrens liegt, das den Übergang in die höhere Laufbahngruppe möglich macht, verkennt sie auch den Regelungsgehalt der Artikel 32 und 46 des Statuts, wie ihn der Gerichtshof zuletzt in seinem Urteil Lucas/Kommission, a. a. O., festgestellt hat, soweit sie der Anwendung des Artikels 32 in Fällen entgegensteht, in denen eine Anwendung des Artikels 46 es nicht ermöglicht, die Verbesserung in der Dienstaltersstufe, die bei Dienstantritt auf der Grundlage des Artikels 32 gewährt wird, zum Tragen zu bringen, um damit die vor der Einstellung erworbene Ausbildung und Berufserfahrung zu berücksichtigen.

47 Ausserdem verstösst diese Beschränkung gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung. Sie führt nämlich dazu, die erfolgreichen Bewerber ein und desselben allgemeinen Auswahlverfahrens bei der Festsetzung der Dienstaltersstufe aufgrund unterschiedlicher Kriterien einzustufen: auf der einen Seite die Beamten, die wie die Kläger zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ausschreibung des allgemeinen Auswahlverfahrens, an dem sie teilgenommen haben, im Amtsblatt bereits seit mehr als zwei Jahren Beamte waren, und für die eine Anwendung des Artikels 46 ihre frühere Berufserfahrung beim Wechsel in die höhere Laufbahngruppe in keiner Weise zum Tragen bringen kann, die aber trotzdem auf der Grundlage des Artikels 46 eingestuft werden; und auf der anderen Seite die Beamten, die zum gleichen Zeitpunkt vor weniger als zwei Jahren eingestellt worden waren und auf der Grundlage des Artikels 32 eingestuft werden. Zwar ist dieses Unterscheidungskriterium objektiv, doch bedarf es dieser Unterscheidung nicht, um das von der Kommission verfolgte Ziel zu erreichen, nämlich eine doppelte Berücksichtigung der vor seinem Dienstantritt bei den Gemeinschaften erworbenen Berufserfahrung des Beamten zu vermeiden. Die Anwendung des Artikels 46 auf die erste Gruppe von Beamten erlaubt nämlich keine Berücksichtigung ihrer vor Dienstantritt erworbenen Berufserfahrung für ihre restliche Laufbahn. Sie befinden sich daher unter diesem Blickwinkel in der gleichen Situation wie die Beamten, die zur zweiten Gruppe gehören. Mithin müssen sie ebenso wie diese behandelt werden; die betreffende Unterscheidung ist nicht nur nicht notwendig, um eine doppelte Berücksichtigung ihrer Berufserfahrung bei der Festsetzung der Dienstaltersstufen auszuschließen, sondern sie nimmt ihnen auch die Möglichkeit jeglicher Berücksichtigung dieser Erfahrung für ihre restliche Laufbahn.

48 Diese Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht unter Berufung auf die Vorteile rechtfertigen, die erfolgreiche Bewerber eines allgemeinen Auswahlverfahrens, die bereits Beamte sind, etwa an der Befreiung von der Altersgrenze und der Probezeit ziehen. Zunächst können diese Vorteile nicht mit den Nachteilen verglichen werden, die sich für sie aus der Ungleichbehandlung ergeben. Ausserdem sind sie objektiv durch die bereits erfolgte Konsolidierung des Dienstverhältnisses zwischen diesen Beamten und den Gemeinschaften gerechtfertigt. Schließlich können sie in keiner Weise die unterschiedliche Behandlung der Beamten, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ausschreibung des Auswahlverfahrens, das den Wechsel in eine höhere Laufbahngruppe ermöglicht hat, im Amtsblatt weniger als zwei Jahre im Dienst waren, und der Beamten rechtfertigen, die wie die Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als zwei Jahre im Dienst waren.

49 Folglich vermag alleine die Einstufung sämtlicher "interner" und "externer" erfolgreicher Bewerber eines allgemeinen Auswahlverfahrens auf der Grundlage der Kriterien des Artikels 32 ° vorbehaltlich der Wahrung der von den Beamten in dieser Eigenschaft vor ihrem Übergang in eine neue Laufbahngruppe erworbenen Rechte durch Heranziehung des Artikels 46 ° dem Grundsatz der Gleichbehandlung gerecht zu werden, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Samara/Kommission, a. a. O., Randnr. 15, entschieden hat.

50 Das entspricht im übrigen dem System, das vom Europäischen Parlament, dem Rat und dem Rechnungshof der Europäischen Gemeinschaften für deren Beamte angewandt wird.

51 Nach alledem sind die angefochtenen Entscheidungen insoweit aufzuheben, als die Festsetzung der Dienstaltersstufen der Kläger auf der Grundlage des Artikels 46 und nicht auf der des Artikels 32 des Statuts erfolgt ist.

52 Die Kommission wird mithin die Situation der Kläger unter Heranziehung der Kriterien des Artikels 32 des Statuts erneut zu prüfen haben.

Zu den Schadensersatzklagen

53 Die Kläger verlangen Zinsen in Höhe von 10 % jährlich aus den Beträgen, die ihnen bei Richtigstellung ihrer Besoldungssituation zustuenden.

54 Die Kommission tritt zumindest dem Satz der von den Klägern geforderten Zinsen entgegen und ist der Auffassung, daß nur ein Zinssatz von 8 % jährlich der Rechtsprechung entspreche (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Februar 1987 in der Rechtssache 21/86, Samara/Kommission, Slg. 1987, 795).

55 Das Gericht stellt fest, daß die Schadensersatzklagen verfrüht sind, da es sich zwecks Anwendung der Kriterien des Artikels 32 des Statuts auf die drei Kläger nicht an die Stelle der Verwaltung setzen kann.

Kostenentscheidung:

Kosten

56 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kläger Kostenantrag gestellt haben, sind die gesamten Verfahrenskosten der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Entscheidung der Kommission vom 27. Februar, 22. Januar und 29. Januar 1992 werden insoweit aufgehoben, als in ihnen die Kläger unter Heranziehung des Artikels 46 des Statuts in die erste Dienstaltersstufe ihrer Besoldungsgruppe eingestuft werden.

2) Im übrigen werden die Klagen abgewiesen.

3) Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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