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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 11.08.1995
Aktenzeichen: T-104/95 R
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 85
EG-Vertrag Art. 173
EG-Vertrag Art. 185
EG-Vertrag Art. 186
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Der Richter der einstweiligen Anordnung kann die Aussetzung der Verpflichtung des antragstellenden Unternehmens, eine Bankbürgschaft zu stellen, mit der die Zahlung der gegen das Unternehmen festgesetzten Geldbusse garantiert wird, nur bei Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände anordnen.

Die Gefahr des Konkurses, zu dem die Beitreibung der Geldbusse oder die Stellung einer Bankbürgschaft führen könnte, kann nicht als Umstand angesehen werden, aus dem sich die Dringlichkeit ergibt, wenn das Unternehmen Gegenstand eines Verfahrens zur Sanierung in Schwierigkeiten befindlicher Unternehmen ist, während dessen Dauer die Stellung eines Konkursantrags ausgeschlossen ist, und wenn davon abgesehen, d. h. selbst wenn ein Konkurs nicht ausgeschlossen wäre, die Beitreibungsmaßnahme, die die Kommission unter den in Artikel 192 des Vertrages vorgesehenen Voraussetzungen einleiten könnte, in Anbetracht der enormen Schulden des Unternehmens, von denen die Forderung der Kommission nur einen ganz kleinen Teil darstellt, und der Rechte der übrigen Schuldner nicht geeignet erscheint, für sich allein den Konkurs herbeizuführen.

Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen gebietet eine so hohe Verschuldung wie die der Antragstellerin, daß zur Wahrung der finanziellen Interessen der Gemeinschaft Sicherheiten verlangt werden.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 11. AUGUST 1995. - TSIMENTA HALKIDOS AE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ZAHLUNG EINER GELDBUSSE - BANKBUERGSCHAFT - VERFAHREN DES EINSTWEILIGEN ANORDNUNG - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS. - RECHTSSACHE T-104/95 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Am 30. November 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/815/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/33.126 und 33.322 ° Zement, ABl. L 343, S. 1; im folgenden: Entscheidung).

2 Gemäß Artikel 1 der Entscheidung haben die 42 dort aufgezählten Zementhersteller und berufsständischen Vereinigungen, darunter die Antragstellerin, gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstossen, indem sie an einer Vereinbarung teilgenommen haben, die die Respektierung der Inlandsmärkte und die Reglementierung der grenzueberschreitenden Zementlieferungen bezweckte.

3 Gemäß Artikel 6 der Entscheidung haben einige dieser Zementhersteller, darunter die Antragstellerin, vom 1. Juli 1981 bis 19. Mai 1989 auch dadurch gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, daß sie im Rahmen des EPC (Export Policy Committee) an einer fortgesetzten abgestimmten Verhaltensweise teilgenommen haben, die die Prüfung der Marktsituation in der Gemeinschaft, die Aufteilung der Drittlandsmärkte, die Festsetzung der Preise der für den Fernexport bestimmten Erzeugnisse und den Austausch individualisierter Angaben über die für die Ausfuhr zur Verfügung stehenden und die tatsächlich nach Drittländern ausgeführten Mengen betraf und mit der der Eintritt von Wettbewerbern in die jeweiligen nationalen Märkte der Gemeinschaft vermieden werden sollte.

4 In Artikel 9 der Entscheidung wird gegen die Antragstellerin wegen der in den Artikeln 1 und 6 festgestellten Zuwiderhandlungen eine Geldbusse in Höhe von 1 856 000 ECU festgesetzt. Gemäß Artikel 11 beträgt die Frist für die Zahlung der Geldbusse drei Monate nach dem Zeitpunkt der Notifizierung der Entscheidung; nach Ablauf dieser Frist sind Zinsen in Höhe von 9,25 % fällig.

5 Die Entscheidung wurde der Antragstellerin ursprünglich am 13. Dezember 1994 bekanntgegeben. Diese Bekanntgabe wurde jedoch durch eine nochmalige Bekanntgabe vom 8. Februar 1995 ersetzt, da der Wortlaut der Entscheidung falsch wiedergegeben worden war.

6 In den Bekanntgabeschreiben wurde der Antragstellerin mitgeteilt, daß die Kommission für den Fall, daß die Antragstellerin das Gericht befasse, von der Beitreibung der Geldbusse absehen werde, solange die Rechtssache beim Gericht anhängig sei, vorausgesetzt, daß die Forderung nach Ablauf der Zahlungsfrist verzinst werde und daß spätestens bei Ablauf dieser Frist eine den Anforderungen der Kommission entsprechende Bankbürgschaft für die Hauptforderung zuzueglich Zinsen oder Zuschlägen bestellt werde.

7 Die Antragstellerin hat mit Klageschrift, die am 12. April 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.

8 Mit besonderem Schriftsatz, der am 17. Mai 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß den Artikeln 185 und 186 EG-Vertrag den vorliegenden Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung gestellt, soweit ihr darin die Zahlung einer Geldbusse in Höhe von 1 856 000 ECU auferlegt wird.

9 Die Kommission hat am 29. Mai 1995 zu diesem Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung genommen.

10 Die Parteien haben am 26. Juni 1995 mündlich verhandelt. Während dieser Verhandlung hat die Antragstellerin eine Reihe von Unterlagen über ihre finanzielle Lage vorgelegt und ist aufgefordert worden, innerhalb einer Woche weitere Unterlagen und Zahlenangaben vorzulegen.

11 Am 30. Juni 1995 hat die Antragstellerin dem Gericht die verlangten Unterlagen übermittelt.

Entscheidungsgründe

12 Gemäß den Artikeln 185 und 186 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung der Beschlüsse 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) und 94/149/EGKS, EG des Rates vom 7. März 1994 (ABl. L 66, S. 29) kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

13 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen im Sinne der Artikel 185 und 186 des Vertrages die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen eine einstweilige Regelung in dem Sinne darstellen, daß sie der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorgreifen dürfen (vgl. Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 21. Dezember 1994 in der Rechtssache T-301/94 R, Laakmann Karton/Kommission, Slg. 1994, II-1279, Randnr. 10).

Vorbringen der Parteien

14 In bezug auf die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, führt die Antragstellerin zunächst aus, die Erhebung ihrer Klage beim Gericht führe nicht zur Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung, da es ihr, wie die zu den Akten gegebenen Unterlagen belegten, völlig unmöglich sei, die von der Kommission verlangte Bürgschaftsurkunde vorzulegen und da die Vorlage einer solchen Urkunde eine wesentliche Voraussetzung dafür sei, daß die Kommission nach Ablauf der Zahlungsfrist keine Maßnahmen zur Beitreibung der Geldbusse ergreife. In Anbetracht ihrer äusserst schwierigen finanziellen Lage und insbesondere ihrer tatsächlichen Schulden, die sich auf 104 730 284 254 DR beliefen, sowie der Tatsache, daß sie bereits dem innerstaatlichen besonderen Abwicklungsverfahren unterliege, würde die Beitreibung der Geldbusse durch die Kommission oder auch die Beibringung einer Bürgschaftsurkunde mit den damit verbundenen Kosten für sie aber zwangsläufig zu einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden führen, und zwar zu ihrem Konkurs und zur Arbeitslosigkeit ihrer Beschäftigten.

15 In bezug auf die Glaubhaftmachung der Notwendigkeit der beantragten Aussetzung des Vollzugs macht die Antragstellerin erstens geltend, schon beim blossen Durchlesen der Entscheidung ergebe sich ein Widerspruch zwischen dem "Sachverhalt" (Kapitel 3, 4, 5 und 6), in dem sie nirgends erwähnt werde, der "Rechtlichen Würdigung" (Kapitel 8, 9 und 10), in der von ihr nur am Rande die Rede sei, und dem verfügenden Teil. Die Kommission habe nämlich weder darlegen noch nachweisen können, daß sie die angeblichen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages begangen habe. Die erwiesenen Tatsachen beträfen nur andere Unternehmen. Zweitens verstosse die Entscheidung gegen Artikel 15 Absatz 2 erster und letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), denn da die Kommission ihre vorsätzliche oder fahrlässige Beteiligung an Vereinbarungen, die sich auf den Binnenmarkt auswirkten, nicht habe dartun können, sei sie nicht berechtigt gewesen, gegen sie eine Geldbusse gemäß dieser Bestimmung festzusetzen. Schließlich verstosse die gegen sie festgesetzte Geldbusse unter diesen Umständen auch gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

16 Die Kommission ist der Ansicht, die Antragstellerin habe nicht nachgewiesen, daß es ihr unmöglich sei, die Geldbusse zu zahlen oder eine Bankbürgschaft zu stellen. Sie weist insoweit erstens darauf hin, daß der Antragstellerin im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ihr und dem italienischen Zementhersteller Calcestruzzi von den griechischen Gerichten 50 Milliarden DR zugesprochen worden seien, auch wenn für diesen Betrag ein Übertragungs-, Verpfändungs-, Aufrechnungs- und Abtretungsverbot zugunsten der griechischen Nationalbank, der Hauptgläubigerin der Antragstellerin, bestehe. Zweitens sei die Antragstellerin zur Zeit in keinem der vor den nationalen Gerichten gegen sie anhängigen Verfahren endgültig und unwiderruflich dazu verpflichtet, unverzueglich ihre Schulden zu begleichen oder ihre Vermögensgegenstände zu veräussern. Drittens falle die Antragstellerin in den Anwendungsbereich des griechischen Gesetzes über die Sanierung in Schwierigkeiten befindlicher Unternehmen; dies bedeute, daß für die Dauer des Verfahrens zu ihrer Sanierung gegen sie kein Konkursantrag gestellt werden könne. Viertens gehe aus dem Entwurf der Bilanz der Antragstellerin für das Wirtschaftsjahr 1994 hervor, daß sie Forderungen gegen inländische Kunden in Höhe von 3 190 344 953 DR habe und somit über den der festgesetzten Geldbusse entsprechenden Betrag von 550 000 000 DR verfügen könne. Schließlich seien allein die zu den Akten gegebenen Schreiben zweier mittelgrosser Banken kein hinreichender Beweis dafür, daß die Antragstellerin nicht in der Lage sei, die anstelle der Zahlung der Geldbusse verlangte Bankbürgschaft beizubringen.

17 Zur Frage, ob die zur Stützung der Klage vorgebrachten Klagegründe dem ersten Anschein nach stichhaltig sind, führt die Kommission aus, entgegen der Behauptung der Antragstellerin werde sie nicht nur im verfügenden Teil der Entscheidung erwähnt, sondern auch in dem dem Sachverhalt gewidmeten Teil und bei der rechtlichen Würdigung. Davon abgesehen schließe von dem Moment an, in dem in der Entscheidung festgestellt worden sei, daß die Antragstellerin zu den Gründungsmitgliedern des EPC gehöre, die Erwähnung des EPC und der in seinem Rahmen untersuchten abgestimmten Verhaltensweise automatisch die Antragstellerin mit ein. Unter diesen Umständen erscheine das Vorbringen der Antragstellerin auf den ersten Blick nicht als begründet, und somit würde jede Beurteilung, die der Richter der einstweiligen Anordnung insoweit vornehmen könnte, eine Prüfung der Begründetheit bedeuten, die geeignet wäre, der Entscheidung zur Hauptsache weitgehend vorzugreifen. Schließlich würde eine Überprüfung der Höhe der festgesetzten Geldbusse im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit den Rahmen des vorliegenden Verfahrens der einstweiligen Anordnung sprengen.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

18 Vor der Entscheidung über den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung ist festzustellen, daß die Antragstellerin mit ihm beantragt, den Vollzug der Entscheidung auszusetzen, soweit in deren Artikel 9 gegen sie eine Geldbusse von 1,856 Millionen ECU festgesetzt wird. Die Kommission hat der Antragstellerin in ihrem Schreiben über die Bekanntgabe der Entscheidung jedoch unstreitig mitgeteilt, daß für den Fall, daß die Antragstellerin das Gericht befasse, von der Beitreibung der Geldbusse abgesehen werde, solange die Rechtssache beim Gericht anhängig sei, vorausgesetzt, daß eine den Anforderungen der Kommission entsprechende Bankbürgschaft für die Hauptforderung zuzueglich anfallender Zinsen und Zuschläge bestellt werde. Darüber hinaus hat die Kommission während der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß trotz der Tatsache, daß die Antragstellerin bei Ablauf der Frist für die Zahlung der Geldbusse keine Bankbürgschaft gestellt habe, von der Beitreibung abgesehen werde, solange der Präsident des Gerichts nicht über den Antrag auf einstweilige Anordnung entschieden habe. Unter diesen Umständen kann der Antrag der Antragstellerin nur dazu dienen, die Bedingung zeitweilig ausser Kraft zu setzen, von der der Verzicht auf die sofortige Beitreibung dieser Geldbusse abhängig gemacht worden ist, nämlich die Stellung einer Bankbürgschaft für den Fall einer Befassung des Gerichts.

19 Nach ständiger Rechtsprechung kann einem solchen Antrag nur stattgegeben werden, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen. Diese Voraussetzung steht in engem Zusammenhang mit den in Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung aufgestellten Voraussetzungen. Folglich hat der Richter der einstweiligen Anordnung bei der Beurteilung der Dringlichkeit der beantragten einstweiligen Maßnahmen zu prüfen, ob die Durchführung des streitigen Rechtsakts vor dem Erlaß einer Entscheidung zur Hauptsache für die Partei, die diese Maßnahmen beantragt hat, zu schweren und irreversiblen Schäden führen kann, die auch dann nicht wiedergutgemacht werden könnten, wenn die angefochtene Entscheidung vom Gericht für nichtig erklärt würde. Jedenfalls ist der Antragsteller dafür beweispflichtig, daß er den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abwarten kann, ohne solche Schäden erleiden zu müssen. Eine Aussetzung des Vollzugs setzt ausserdem voraus, daß bei der Abwägung der betroffenen Belange mehr für als gegen den Erlaß dieser Maßnahme spricht (vgl. zuletzt Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 17. Februar 1995 in der Rechtssache T-308/94 R, Cascades/Kommission, Slg. 1995, II-265).

20 Hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, macht die Antragstellerin im wesentlichen geltend, daß in Anbetracht ihrer sehr schwierigen finanziellen Lage die Beitreibung der Geldbusse durch die Kommission oder auch die Beibringung einer Bürgschaftsurkunde mit den damit verbundenen Kosten ° sofern dies trotz der Weigerung der bisher darum ersuchten Banken möglich sein sollte ° zwangsläufig zu ihrem Konkurs und zur Arbeitslosigkeit ihrer Beschäftigten führen würde.

21 Insoweit ist jedoch darauf hinzuweisen, daß es der Antragstellerin nicht gelungen ist, das Vorbringen der Kommission zu widerlegen, wonach sie Artikel 44 des griechischen Gesetzes über die Sanierung in Schwierigkeiten befindlicher Unternehmen unterliege, was bedeute, daß für die Dauer des Verfahrens zu ihrer Sanierung gegen sie kein Konkursantrag gestellt werden könne. Unter diesen Umständen ist nicht einmal auf den ersten Blick der Nachweis dafür erbracht worden, daß mit dem sofortigen Vollzug der Entscheidung die Gefahr des Konkurses der Antragstellerin verbunden sein könnte.

22 Davon abgesehen erscheint der Erlaß von Maßnahmen zur Beitreibung der Geldbusse durch die Kommission selbst für den Fall, daß die Antragstellerin nicht den oben genannten Rechtsvorschriften unterliegen sollte und daß somit ° u. a. im Hinblick auf die Höhe ihrer Schulden ° tatsächlich ernsthaft die Gefahr eines Konkurses bestuende, für sich allein nicht geeignet, zu einem solchen Ergebnis zu führen. Dazu ist zunächst festzustellen, daß diese Geldbusse nach den von der Antragstellerin nicht bestrittenen Angaben in den Akten nur 0,025 % des Gesamtbetrags ihrer Schulden ausmacht. Überdies ergibt sich aus Artikel 192 Absatz 2 EG-Vertrag, daß die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften des Zivilprozeßrechts des betreffenden Mitgliedstaats, hier Griechenlands, erfolgt. Die Beitreibung der Geldbusse durch die Kommission muß daher ein solches Verfahren durchlaufen, in dem vermutlich die Stellung der Kommission gegenüber den anderen ° bevorrechtigten oder nicht bevorrechtigten ° Gläubigern und der Rang ihrer Forderung in Anbetracht der enormen Verschuldung der Antragstellerin erst noch geprüft werden müssen. Folglich besteht bei den Maßnahmen zur Beitreibung der Geldbusse, die die Kommission treffen kann, auf den ersten Blick nicht die Gefahr, daß sie sich sofort auf die finanzielle Lage der Antragstellerin auswirken, zumindest so lange nicht, bis die bestehende Rechtslage endgültig geklärt ist. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, daß wegen der Streitigkeit zwischen der Antragstellerin und der Firma Calcestruzzi ein internationales Schiedsverfahren im Gang ist, in dem nach den Ausführungen der Antragstellerin im Juli 1995 die Entscheidung ergangen sein müsste.

23 Darüber hinaus ist festzustellen, daß unter diesen Umständen bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht mehr für als gegen den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung spricht. In Anbetracht der Besonderheiten des vorliegenden Falles stuende nämlich die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung, soweit der Antragstellerin darin die Zahlung einer Geldbusse auferlegt wird, trotz ihres vorläufigen Charakters ausser Verhältnis zum Interesse der Kommission daran, die Geldbusse für den Fall, daß die Klage abgewiesen wird, tatsächlich beitreiben zu können und somit die finanziellen Interessen der Gemeinschaft zu wahren.

24 Nach alledem hat die Antragstellerin nicht nachgewiesen, daß der Vollzug der Entscheidung ihr einen Schaden verursachen könnte, der bei der Durchführung eines für sie günstigen Urteils des Gerichts nicht mehr beseitigt werden könnte. Sie hat auch nicht nachgewiesen, daß die ihr möglicherweise entstehenden Schäden offensichtlich ausser Verhältnis zum Interesse der Antragsgegnerin am Vollzug der Entscheidung stehen würden.

25 Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Gründe und Argumente der Antragstellerin zur Stützung ihrer Klage dem ersten Anschein nach stichhaltig sind.

26 Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß ein Beschluß über eine einstweilige Anordnung gemäß Artikel 108 der Verfahrensordnung auf Antrag einer Partei jederzeit wegen veränderter Umstände abgeändert oder aufgehoben werden kann. Es wird gegebenenfalls Sache der Antragstellerin sein, das Gericht zu befassen, falls sie aufgrund der Entwicklung ihrer finanziellen Lage, insbesondere nach der Entscheidung des Schiedsgerichts, der Gefahr ausgesetzt sein sollte, einen unmittelbar bevorstehenden Schaden zu erleiden, bei dem der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden kann (vgl. zuletzt Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 12. Mai 1995 in den verbundenen Rechtssachen T-79/95 R und T-80/95 R, SNCF und British Railways/Kommission, Slg. 1995, II-0000, Randnr. 43).

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 11. August 1995

Ende der Entscheidung

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