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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 07.07.2004
Aktenzeichen: T-107/01
Rechtsgebiete: EGKSV, EuG VerfO


Vorschriften:

EGKSV Art. 4
EGKSV Art. 33
EGKSV Art. 35
EGKSV Art. 80
EuG VerfO Art. 114
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 7. Juli 2004. - Société des mines de Sacilor - Lormines SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EGKS-Vertrag - Eisen- und Stahlindustrie - Aufgabe von Bergbaukonzessionen - Lasten, die den Bergbauunternehmen von der Französischen Republik auferlegt werden - Beschwerde - Keine positive Antwort der Kommission - Untätigkeitsklage - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Klagebefugnis - Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS. - Verbundene Rechtssachen T-107/01 und T-175/01.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-107/01 und T-175/01

Société des mines de Sacilor - Lormines SA mit Sitz in Puteaux (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwältin G. Marty, dann Rechtsanwalt R. Schmitt,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und L. Ström als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Untätigkeitsklage und hilfsweise Nichtigkeitsklage dagegen, dass die Kommission es unterlassen hat, der Beschwerde der Klägerin auf Feststellung stattzugeben, dass die Französische Republik dadurch gegen Artikel 4 Buchstaben b und c KS und Artikel 86 KS verstoßen hat, dass sie der Klägerin im Rahmen der Eröffnung der Verfahren zur Aufgabe ihrer Bergbaukonzessionen und zum Verzicht auf sie angeblich überhöhte Lasten auferlegt hat,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal, der Richterin V. Tiili und des Richters M. Vilaras,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom

18. Februar 2004,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1. Artikel 4 KS bestimmt:

Als unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl werden innerhalb der Gemeinschaft gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages aufgehoben und untersagt:

...

b) Maßnahmen oder Praktiken, die eine Diskriminierung zwischen Erzeugern oder Käufern oder Verbrauchern herbeiführen, insbesondere hinsichtlich der Preis- und Lieferbedingungen und der Beförderungstarife, sowie Maßnahmen oder Praktiken, die den Käufer an der freien Wahl seines Lieferanten hindern;

c) von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer geschieht;

...

2. Artikel 33 KS sieht vor:

Der Gerichtshof ist für die Entscheidung über Nichtigkeitsklagen zuständig, die ein Mitgliedstaat oder der Rat gegen Entscheidungen und Empfehlungen der Kommission wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des Vertrages oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs erhebt. Die Nachprüfung durch den Gerichtshof darf sich jedoch nicht auf die Würdigung der aus den wirtschaftlichen Tatsachen oder Umständen sich ergebenden Gesamtlage erstrecken, die zu den angefochtenen Entscheidungen oder Empfehlungen geführt hat, es sei denn, dass der Kommission der Vorwurf gemacht wird, sie habe ihr Ermessen missbraucht oder die Bestimmungen des Vertrages oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm offensichtlich verkannt.

Die Unternehmen oder die in Artikel 48 genannten Verbände können unter denselben Bedingungen Klage gegen die sie individuell betreffenden Entscheidungen und Empfehlungen oder gegen die allgemeinen Entscheidungen und Empfehlungen erheben, die nach ihrer Ansicht einen Ermessensmissbrauch ihnen gegenüber darstellen.

...

3. Artikel 35 KS hat folgenden Wortlaut:

Ist die Kommission aufgrund einer Bestimmung dieses Vertrages oder der Durchführungsvorschriften verpflichtet, eine Entscheidung zu erlassen oder eine Empfehlung auszusprechen, und kommt sie dieser Verpflichtung nicht nach, so können je nach Lage des Falles die Staaten, der Rat oder die Unternehmen und Verbände die Kommission mit der Angelegenheit befassen.

Das gleiche gilt, falls die Kommission aufgrund einer Bestimmung dieses Vertrages oder der Durchführungsvorschriften befugt ist, eine Entscheidung zu erlassen oder eine Empfehlung auszusprechen, dies aber unterlässt, und wenn diese Unterlassung einen Ermessensmissbrauch darstellt.

Hat die Kommission innerhalb einer Frist von zwei Monaten keine Entscheidung erlassen oder keine Empfehlung ausgesprochen, so kann innerhalb einer Frist von einem Monat wegen der diesem Schweigen zu entnehmenden ablehnenden Entscheidung beim Gerichtshof Klage erhoben werden.

4. Artikel 80 KS sieht vor:

Unternehmen im Sinne dieses Vertrages sind diejenigen Unternehmen, die innerhalb der in Artikel 79 Absatz 1 genannten Gebiete eine Produktionstätigkeit auf dem Gebiet von Kohle und Stahl ausüben; was die Artikel 65 und 66 sowie die zu ihrer Anwendung erforderlichen Auskünfte und die ihretwegen erhobenen Klagen anbelangt, so sind Unternehmen im Sinne dieses Vertrages ferner diejenigen Unternehmen oder Organisationen, die gewerbsmäßig eine Vertriebstätigkeit ausüben, mit Ausnahme des Verkaufs an Haushaltungen oder an Kleingewerbetreibende.

Sachverhalt

5. Die Klägerin wurde 1978 als mittelbare Tochter von Usinor unter dem Namen Lormines gegründet, um die Konzessionen und Pachtverträge für den Eisenerzabbau von Sacilor in Lothringen zu übernehmen. Aufgrund der Verstaatlichung ihrer Muttergesellschaft wurde sie 1982 ein öffentliches Unternehmen. Angesichts des Niedergangs des Eisenerzabbaus in dieser Region entschied die französische Regierung 1991, die Produktion einzustellen. Die letzten Eisenerzminen der Klägerin stellten ihre Tätigkeit im Juli 1993 ein. Die Klägerin wurde 1995 und 1997 privatisiert.

6. Aufgrund der Beendigung ihres Geschäftszwecks sollte die Klägerin aufgelöst werden. Daher leitete sie Einstellungs- und Verzichtsverfahren ein.

7. Das Einstellungsverfahren betrifft die Schließung und Sicherung der früheren Bergbaue. Im Rahmen der Einstellung unterliegt die Bergbaugesellschaft der besonderen Bergaufsicht, die die zur Sicherung der früheren Bergbaue erforderlichen Arbeiten bestimmt.

8. Gegenstand des Verzichtsverfahrens ist die vorzeitige Beendigung der Konzession. Sie ermöglicht es, den Konzessionsinhaber von den Pflichten aus der besonderen Bergaufsicht zu entbinden und befreit ihn von der Vermutung der Haftung für Schäden, die über Tage auftreten.

9. Die Einstellungsverfahren für mehrere Eisenerzbergwerke der Klägerin wurden nach dem Dekret 80-330 vom 7. Mai 1980 über die Bergwerks- und Steinbruchsaufsicht (Décret relatif à la police des mines et des carrières, JORF vom 10. Mai 1980, S. 1179) in geänderter Fassung durchgeführt, wie die zuständige nationale Behörde im Lauf des Jahres 1996 feststellte.

10. Der Antrag auf vorzeitigen Verzicht auf die entsprechenden Konzessionen wurde jedoch vom zuständigen Minister nicht genehmigt; die Verwaltung übte unter Berufung auf das Gesetz 94-588 vom 15. Juli 1994 zur Änderung bestimmter Vorschriften des Berggesetzbuchs und des Artikels L. 711-12 des Arbeitsgesetzbuchs (Loi modifiant certaines dispositions du code minier et l'article L. 711-12 du code du travail, JORF vom 16. Juli 1994, S. 10239) weiterhin die Bergaufsicht aus. Die Klägerin trug so weiterhin Lasten im Zusammenhang mit Überwachungs- und öffentlichen Baumaßnahmen.

11. Außerdem wurde mit dem Gesetz 99-245 vom 30. März 1999 über die Haftung für Schäden infolge von Bergbau und zur Vermeidung von Bergbaugefahren nach Beendigung des Abbaus (Loi relative à la responsabilité en matière de sommages consécutifs à l'exploitation minière et à la prévention des riques miniers après la fin de l'exploitation, JORF vom 31. März 1999, S. 4767) die Haftungsvermutung im Bergbaubereich so ausgeweitet, dass nunmehr eine zeitlich unbegrenzte Haftung des früheren Konzessionsinhabers vorgesehen ist. Dieses Gesetz sieht auch die Verpflichtung des früheren Betreibers zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags vor, mit dem während zehn Jahren öffentliche Ausgaben finanziert werden sollen.

12. Durch Beschluss ihrer außerordentlichen Hauptversammlung vom 3. März 2000 ging die Klägerin freiwillig in Liquidation.

13. Da die Klägerin der Auffassung war, dass die Weigerung der französischen Behörden, ihre Konzessionen zu beenden, aus der sich neue, unvorhergesehene und übermäßige Belastungen ergäben, einen Verstoß gegen die Artikel 4 KS und 86 KS darstelle, reichte sie bei der Kommission eine auf den 9. Februar 2001 datierte Beschwerde ein, die am 21. Februar 2001 beim Generalsekretariat der Kommission eingetragen wurde.

14. In ihrer Beschwerde macht die Klägerin geltend, die französischen Behörden hätten dadurch gegen Artikel 4 Buchstabe c KS verstoßen, dass sie ihr Sonderlasten auferlegt hätten. Sie beantragte, die Kommission möge gemäß Artikel 88 KS feststellen, dass die Französische Republik gegen die im EGKS-Vertrag vorgesehenen Verpflichtungen verstoßen habe, und ihr aufgeben,

- anzuerkennen, dass die Gesellschaft Lormines seit dem Tag der tatsächlichen Aufgabe ihrer Konzessionen und Pachtverträge nicht mehr deren Inhaberin ist;

- anzuerkennen, dass die Gesellschaft Lormines seit der tatsächlichen Aufgabe ihrer Konzessionen und Pachtverträge keiner Haftungsvermutung mehr unterliegt;

- der Gesellschaft Lormines nicht länger irgendwelche Lasten aufgrund dieser Konzessionen und Pachtverträge aufzuerlegen;

- die Gesellschaft Lormines für die Lasten zu entschädigen, die sie seit der tatsächlichen Aufgabe ihrer Konzessionen und Pachtverträge zu tragen hatte.

15. Die Kommission antwortete mit Schreiben des Direktors der Direktion Staatliche Beihilfen II der Generaldirektion Wettbewerb vom 30. März 2001, dessen Zugangsdatum der Vorstand der Klägerin mit 20. April 2001 angibt. Das Schreiben hatte folgenden Wortlaut:

Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen sind die Dienststellen der Generaldirektion Wettbewerb zu der Auffassung gelangt, dass die Angelegenheit nicht dem Gemeinschaftsrecht, sondern nur dem französischen Recht unterliegt. Die beanstandeten Maßnahmen, die die Voraussetzungen betreffen, von denen der französische Staat den Verzicht von Betreiberunternehmen auf Bergkonzessionen abhängig macht, sind keine Maßnahmen, die speziell für EGKS-Unternehmen gelten. Sie gehören zu den Bereichen der Sicherheit und der Haftpflicht, die nicht in der Zuständigkeit der Gemeinschaft, sondern der Mitgliedstaaten liegen. EGKS-Unternehmen sind nicht von Verpflichtungen ausgenommen, die die Staaten aus allgemeinen Gründen wie Sicherheit, Haftpflicht oder Umweltschutz vorsehen. Die finanziellen Aufwendungen, die sich hieraus ergeben, können daher nicht als Sonderlasten angesehen werden, die die EGKS-Unternehmen nach Artikel 4 [Buchstabe] c [KS] belasten.

Falls Sie über neue Anhaltspunkte verfügen sollten, die das Gegenteil belegen könnten, bin ich Ihnen dankbar, wenn Sie diese meinen Dienststellen unverzüglich mitteilen wollen.

16. Mit Schreiben vom 9. Mai 2001 beantwortete der Vorstand der Klägerin das Schreiben der Kommission. Er bekräftigte den angeblichen Verstoß gegen Artikel 4 Buchstabe c KS in Bezug auf den Begriff der Sonderlasten und die Auferlegung von Belastungen nur für EGKS-Unternehmen. Außerdem machte er das Vorliegen einer gegen Artikel 4 Buchstabe b KS verstoßenden Diskriminierung geltend. Er schloss wie folgt:

Deshalb ersuche ich die Kommission gemäß Artikel 35 [KS], soweit erforderlich festzustellen, dass die Französische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Artikeln 4 [Buchstabe] b [KS] und 86 [KS] verstoßen hat.

17. Er beantragte außerdem die Anordnung eben der Maßnahmen, die er bereits in seiner Beschwerde vom 9. Februar 2001 (oben Randnr. 14) beantragt hatte.

18. Mit Schreiben des Direktors der Direktion Umweltaspekte der Unternehmenspolitik, rohstoffverarbeitende Industrien und spezielle Industriezweige der Generaldirektion Unternehmen vom 10. Juli 2001, dessen Zugangsdatum der Vorstand der Klägerin mit 19. Juli 2001 angibt, gab die Kommission folgende Antwort:

In Ihrem Schreiben vom 14. Mai 2001 machen Sie hilfsweise das Vorliegen einer gegen Artikel 4 [Buchstabe] b [KS] verstoßenden Diskriminierung von Lormines geltend. Dieser Gesichtspunkt ist durch meine Dienststellen, die in dieser Frage zuständig sind, geprüft worden. Artikel 4 [Buchstabe] b [KS] betrifft jedoch ausschließlich den Verkauf von EGKS-Erzeugnissen. Die Anwendung des allgemeinen Diskriminierungsverbots wurde in Artikel 60 [KS] (Verkaufspreise) und in Artikel 70 [KS] (Transportkosten) näher geregelt. Sonderlasten infolge eines Verzichts von Betreiberunternehmen auf Bergbaukonzessionen fallen daher nicht in den Anwendungsbereich von Artikel 4 [Buchstabe] b [KS].

Was die sonstigen Gesichtspunkte ihrer Beschwerde betrifft, verweise ich auf die Antwort der Generaldirektion Wettbewerb im Schreiben vom 30. März 2001.

Verfahren und Anträge der Parteien

19. Die Klägerin hat mit Klageschriften, die am 9. Mai 2001 und am 31. Juli 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegenden Klagen erhoben, die unter den Nummern T107/01 und T175/01 eingetragen worden sind.

20. Die Beklagte hat mit gesondertem Schriftsatz, der am 19. Juni 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, im Rahmen der Rechtssache T107/01 eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Mit Beschluss des Gerichts vom 11. Oktober 2001 ist die Entscheidung über die Einrede und über die Kosten dem Endurteil vorbehalten worden.

21. Die Beklagte hat mit gesondertem Schriftsatz, der am 12. Oktober 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, im Rahmen der Rechtssache T175/01 eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Mit Beschluss des Gerichts vom 12. März 2002 ist die Entscheidung über die Einrede und über die Kosten dem Endurteil vorbehalten worden.

22. Die Klägerin hat mit gesondertem Schriftsatz, der am 29. Mai 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen und unter den Nummern T107/01 R und T175/01 R eingetragen worden ist, einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Dieser Antrag ist mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 11. Juli 2002 in den Rechtssachen T107/01 R und T175/01 R (Lormines/Kommission, Slg. 2002, II3193) zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten worden.

23. Mit Beschluss des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 15. November 2002 sind die Rechtssachen T107/01 und T175/01 gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und zu gemeinsamem Urteil verbunden worden.

24. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung die Beklagte ersucht, eine schriftliche Frage zu beantworten. Diesem Ersuchen ist innerhalb der gesetzten Frist entsprochen worden.

25. Die Parteien haben in der Sitzung vom 18. Februar 2004 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

26. In der Rechtssache T107/01 beantragt die Klägerin,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- aufgrund von Artikel 35 KS die stillschweigende Entscheidung vom 21. April 2001 aufzuheben, mit der die Kommission es abgelehnt hat, ihrer Beschwerde vom 21. Februar 2001 stattzugeben;

- hilfsweise, aufgrund von Artikel 33 KS die Entscheidung vom 30. März 2001 aufzuheben, mit der die Kommission es abgelehnt hat, derselben Beschwerde stattzugeben;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

27. In der Rechtssache T107/01 beantragt die Beklagte,

- die Klage für unzulässig zu erklären;

- hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen und festzustellen, dass über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden ist;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

28. In der Rechtssache T175/01 beantragt die Klägerin,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- aufgrund von Artikel 35 KS die stillschweigende Entscheidung vom 9. Juli 2001 für nichtig zu erklären, mit der die Kommission es abgelehnt hat, der Beschwerde vom 9. Mai 2001 stattzugeben;

- aufgrund von Artikel 33 KS die Entscheidung vom 10. Juli 2001 für nichtig zu erklären, mit der die Kommission es abgelehnt hat, derselben Beschwerde stattzugeben;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29. In der Erwiderung beantragt die Klägerin hilfsweise, die im Schreiben der Kommission vom 10. Juli 2001 enthaltene Entscheidung für inexistent zu erklären.

30. In der Rechtssache T175/01 beantragt die Beklagte,

- die Klage für unzulässig zu erklären;

- hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten einschließlich derjenigen des vorläufigen Rechtsschutzes aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

31. Die Kommission erhebt in beiden Rechtssachen aus mehreren Gründen die Einrede der Unzulässigkeit der Untätigkeits- und der Nichtigkeitsklagen.

32. Da der Unzulässigkeitsgrund der fehlenden Klagebefugnis der Klägerin nach den Artikeln 33 KS und 35 KS eine Vorfrage und den Untätigkeits- und den Nichtigkeitsanträgen gemeinsam ist, ist er zuerst zu prüfen.

Zur Unternehmenseigenschaft im Sinne von Artikel 80 KS

Vorbringen der Parteien

33. Die Kommission trägt vor, die Klägerin sei kein Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS, weil sie weder zum Zeitpunkt der Einreichung der vorliegenden Klagen noch zu der Zeit, als sie sich an die Kommission gewandt habe, noch zur Zeit der Auferlegung der in Rede stehenden Lasten eine Tätigkeit ausgeübt habe, die in den Anwendungsbereich des EGKS-Vertags falle. Die Klägerin habe vorgetragen, dass sie seit 31. Juli 1993 kein Eisenerz mehr abbaue und seit 31. Dezember 1999 über kein Personal mehr verfüge.

34. Die Klägerin hält den Unzulässigkeitseinwand der fehlenden Unternehmenseigenschaft im Sinne von Artikel 80 KS gemäß Artikel 48 Absatz 2 der Verfahrensordnung für unzulässig. Er sei nur in der Klagebeantwortung in der Rechtssache T107/01 vorgetragen worden, nicht aber in dem gesonderten Schriftsatz, mit dem die Einrede der Unzulässigkeit erhoben worden sei.

35. Außerdem könne die Kommission diese Einrede nicht erheben, weil die Klagebefugnis einer Person im streitigen Verfahren nicht mehr bestritten werden könne, wenn sie von den Gemeinschaftsorganen im Rahmen des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens anerkannt worden sei (Urteile des Gerichtshofes vom 8. Oktober 1974 in der Rechtssache 175/73, Union syndicale u. a./Rat, Slg. 1974, 917, und des Gerichts vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache T161/94, Sinochem Heilongjiang/Rat, Slg. 1996, II695, Randnr. 34).

36. In der Sache trägt die Klägerin vor, sie sei ein Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS und daher aufgrund der Artikel 33 KS und 35 KS klagebefugt.

37. Diese Auslegung sei als einzige mit Buchstaben und praktischer Wirksamkeit des EGKS-Vertrags vereinbar, der die Gesamtheit des Produktionsprozesses vom tatsächlichen Eintritt in den Markt für Kohle und Stahl bis zum Marktaustritt abdecken müsse, einschließlich der Einstellung der Produktionstätigkeit.

38. Außerdem seien ihr die gegenüber der Kommission gerügten Lasten von der französischen Regierung aufgrund ihrer Eisenerzabbautätigkeit und aufgrund der erzwungenen Aufrechterhaltung ihres Besitzes an mehreren Konzessionen für Eisenerzbergwerke auferlegt worden. Ein Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS, dessen Verzicht auf seine Konzessionen für Eisenerzbergwerke, der allein ihm den Marktaustritt ermöglichen könnte, durch den Staat abgelehnt wird, müsse den Schutz des EGKS-Vertrags genießen.

39. In der mündlichen Verhandlung antwortete die Klägerin auf die Frage, wie die beanstandeten Lasten ihre Wettbewerbssituation beeinträchtigen könnten, wenn sie ihre Tätigkeit doch eingestellt habe, dass diese Lasten ihre Lage vor Einstellung ihrer Tätigkeit beeinträchtigten, da sie etwa, hätte sie die Lasten zu diesem Zeitpunkt vorhersehen können, möglicherweise keine anderen Konzessionen übernommen hätte. Auch hätten die mit der Schließung der Bergwerke verbundenen Lasten während ihrer Tätigkeit vorhersehbar sein müssen, um ihr Rückstellungen und eine andere steuerliche Behandlung zu ermöglichen. Im Übrigen habe sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes vom 15. Juli 1994 noch Erz besessen.

40. Außerdem bestehe eine Gemeinschaftsregelung für Hilfen zur Schließung von Eisen- und Stahlunternehmen. In gleicher Weise müssten die Lasten, die wie im vorliegenden Fall bei Einstellung der Tätigkeit eines Kohle- oder Stahlunternehmens auferlegt worden seien, im Licht des EGKS-Vertrags betrachtet werden, da die Marktaustrittskosten wie alle direkten und indirekten Kosten die wirtschaftliche Lage des Unternehmens beeinflussten.

41. Das Gericht habe auch bereits anerkannt, dass eine Gesellschaft, die vor Erhebung der Klage vor dem Gemeinschaftsrichter ihre Tätigkeit infolge der Eröffnung der Insolvenz eingestellt habe, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 33 KS, 35 KS und 80 KS sei (Urteil des Gerichts vom 25. März 1999 in der Rechtssache T37/97, Forges de Clabecq/Kommission, Slg. 1999, II859).

42. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin unterstützend vorgetragen, die Urteile des Gerichtshofes vom 17. Mai 1983 in der Rechtssache 168/82 (EGKS/Ferriere Sant'Anna, Slg. 1983, 1681) und vom 22. Februar 1990 in der Rechtssache C221/88 (Busseni, Slg. 1990, I495) hätten anerkannt, dass die Hohe Behörde Forderungen (aus Umlagen nach den Artikeln 49 KS und 50 KS oder aus Geldbußen) zu Lasten der Konkursmasse bestimmter Unternehmen anmelden könne, die ihre Tätigkeit bereits eingestellt hätten. Aus Gründen der Rechtseinheit bedinge die Anerkennung solcher Forderungen zu Lasten der Konkursmasse dieser Unternehmen, dass ein Unternehmen in der Lage der Klägerin eine Klage aufgrund der Artikel 33 KS und 35 KS erheben könne.

43. Darüber hinaus habe die Kommission anerkannt, dass Maßnahmen, die ein Staat gegenüber einem Unternehmen anlässlich der Schließung von dessen Eisenerzminen treffe, dem EGKS-Vertrag unterlägen, selbst wenn sie nach Einstellung der Bergbautätigkeit erlassen würden, da diese Maßnahmen an die Ausübung der von diesem Vertrag geregelten wirtschaftlichen Tätigkeit geknüpft seien. Die Kommission sei in einem solchen Fall nach Artikel 95 KS tätig geworden (Entscheidung 96/269/EGKS der Kommission vom 29. November 1995 über ein Beihilfevorhaben Österreichs zugunsten der Voest-Alpine Erzberg Gesellschaft mbH, ABl. 1996, L 94, S. 17). Diese Entscheidung sei zu Beihilfen ergangen, die zum Teil einen Zeitraum nach Ausscheiden der begünstigten Unternehmen aus dem Markt betroffen hätten.

44. Die Kommission entgegnet, sie verkenne nicht das Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1959 in der Rechtssache 18/57 (Nold/Hohe Behörde, Slg. 1959, 89), in dem einer Gesellschaft in Liquidation die Klagebefugnis nach Artikel 33 KS zuerkannt worden sei. Anders als die Klägerin, die seit über zehn Jahren keinerlei Tätigkeit mehr ausübe, die sich auf den Markt für EGKS-Erzeugnisse auswirken könnte, habe jene Gesellschaft ihre Tätigkeit jedoch unverändert fortgesetzt.

45. Der Verweis der Klägerin auf Schließungsbeihilfen für Eisen- und Stahlunternehmen greife nicht durch. Der letzte Stahlbeihilfenkodex (Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie, ABl. L 338, S. 42) betreffe nur Beihilfen an Unternehmen, die noch tätig seien und ihre Eisen- und Stahlerzeugung endgültig einstellten. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch nicht um das Verlassen des Marktes für Kohle und Stahl, sondern um eine Situation lange nach Verlassen dieses Marktes.

46. In dem dem Urteil Forges de Clabecq/Kommission (oben Randnr. 41) zugrunde liegenden Sachverhalt habe das fragliche Unternehmen zwar Insolvenz angemeldet; das nationale Gericht habe aber entschieden, dass seine Tätigkeit im Hinblick auf seine Umstrukturierung und Sanierung fortgeführt werden solle.

47. Was die Entscheidung 96/269 betreffe, so unterscheide sich die Lage des in jenem Fall in Rede stehenden Unternehmens grundlegend von der Lage der Klägerin. Diese Entscheidung habe die Schließung des Eisenerzbergwerks vorgesehen. Das Unternehmen habe im Zeitpunkt der Genehmigung der fraglichen Beihilfen aber noch produziert.

48. Gegenüber dem Einwand der Klägerin nach Artikel 48 Absatz 2 der Verfahrensordnung entgegnet die Kommission, sie sei nicht gehalten, in dem gesonderten Schriftsatz, mit dem sie die Einrede der Unzulässigkeit erhebe, alle ihre Unzulässigkeitsgründe darzulegen, und sie könne in ihrer Klageerwiderung andere Unzulässigkeitsgründe geltend machen. Jedenfalls sei das Gericht berechtigt, von Amts wegen alle unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen zu prüfen.

Würdigung durch das Gericht

49. Vor der Begründetheit der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit ist deren Zulässigkeit zu prüfen. Diese Einrede ist von der Kommission nämlich nur in der Klagebeantwortung in der Rechtssache T107/01 und in dem gesonderten Schriftsatz in der Rechtssache T175/01 erhoben worden.

50. Was das Vorbringen der Klägerin betrifft, die Klagebefugnis einer Person könne nicht mehr bestritten werden, wenn die Gemeinschaftsorgane sie im Rahmen des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens zugelassen htten, so sind die hierfür angeführten Urteile Union syndicale u. a./Rat und Sinochem Heilongjiang/Rat (oben Randnr. 35) nicht einschlägig. Die Umstände des vorliegenden Falles unterscheiden sich von denen, die diesen Urteilen zugrunde liegen. Das Urteil Union syndicale u. a./Rat betraf die Zuständigkeit des Gerichtshofes für die Entscheidung über die Direktklage eines Berufsverbands im Rahmen von Artikel 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften. Auch in der Rechtssache Sinochem Heilongjiang/Rat ging es nicht darum, ob der Beklagte im streitigen Verfahren noch die Einrede der Unzulässigkeit erheben konnte, sondern darum, ob die Klägerin deshalb eine juristische Person im Sinne von Artikel 230 EG war, weil sie von den Gemeinschaftsorganen im Verwaltungsverfahren als selbständiges Rechtssubjekt behandelt worden war.

51. Was den Einwand der Klägerin angeht, Artikel 48 Absatz 2 der Verfahrensordnung verwehre es der Kommission, das Fehlen der Unternehmenseigenschaft im Sinne von Artikel 80 KS in ihrer Klagebeantwortung in der Rechtssache T107/01 geltend zu machen, da sie ihn in der gesondert erhobenen Einrede der Unzulässigkeit nicht vorgetragen habe, so ist daran zu erinnern, dass das Gericht gemäß Artikel 113 der Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen prüfen kann, ob unverzichtbare Prozessvoraussetzungen fehlen, zu denen nach der Rechtsprechung die Zuständigkeit des Gemeinschaftsrichters gehört (Urteile des Gerichtshofes vom 18. März 1980 in den Rechtssachen 154/78, 205/78, 206/78, 226/78 bis 228/78, 263/78, 264/78, 31/79, 39/79, 83/79 und 85/79, Valsabbia u. a./Kommission, Slg. 1980, 907, Randnr. 7, und des Gerichts vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache T174/95, Journalistförbundet/Rat, Slg. 1998, II2289, Randnr. 80). Das Gericht braucht seine Prüfung somit nicht auf die von den Parteien erhobenen Einreden der Unzulässigkeit zu beschränken (Beschluss des Gerichts vom 10. Juli 2002 in der Rechtssache T387/00, Comitato organizzatore del convegno internazionale/Kommission, Slg. 2002, II3031, Randnr. 36).

52. Im vorliegenden Fall ist die von der Kommission geltend gemachte Prozessvoraussetzung unverzichtbar, da sie die Klagebefugnis und die Rechtsschutzmöglichkeiten der Klägerin betrifft, und kann daher nach der angeführten Rechtsprechung vom Gericht von Amts wegen geprüft werden (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T239/94, EISA/Kommission, Slg. 1997, II1839, Randnr. 27).

53. Die Begründetheit dieser Einrede der Unzulässigkeit richtet sich nach Artikel 33 Absatz 2 KS, wonach die Unternehmen oder die in Artikel 48 [KS] genannten Verbände unter den in Absatz 1 genannten Bedingungen Nichtigkeitsklage gegen die sie individuell betreffenden Entscheidungen und Empfehlungen oder gegen die allgemeinen Entscheidungen und Empfehlungen erheben können, die nach ihrer Ansicht einen Ermessensmissbrauch ihnen gegenüber darstellen. Nach ständiger Rechtsprechung zählt diese Bestimmung die Rechtssubjekte, die zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage befugt sind, abschließend auf, so dass diejenigen, die darin nicht erwähnt sind, eine solche Klage nicht erheben können (Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1984 in der Rechtssache 222/83, Gemeinde Differdange u. a./Kommission, Slg. 1984, 2889, Randnr. 8, und des Gerichts vom 8. Juli 2003 in der Rechtssache T374/00, Verband der freien Rohrwerke u. a./Kommission, Slg. 2003, II-0000, Randnr. 33).

54. Ferner unterliegen nach den Artikeln 80 KS und 81 KS nur Unternehmen, die eine Produktionstätigkeit auf dem Gebiet von Kohle und Stahl ausüben, den Vorschriften des EGKS-Vertrags, wobei nur die in Anlage I KS aufgezählten Erzeugnisse unter die Ausdrücke Kohle und Stahl fallen (Urteil des Gerichtshofes vom 28. Januar 2003 in der Rechtssache C334/99, Deutschland/Kommission, Slg. 2003, I1139, Randnr. 77).

55. Nach Artikel 35 KS ist eine Untätigkeitsklage nur zulässig, wenn die klagende Partei Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS ist (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1961 in den Rechtssachen 9/60 und 12/60, Vloeberghs/Hohe Behörde, Slg. 1961, 391, 422).

56. Zwar ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass es nicht erforderlich ist, dass die Klägerin diese Eigenschaft im Zeitpunkt der Klageerhebung besitzt (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Januar 2002 in der Rechtssache C480/99 P, South Wales Small Mines, Slg. 2002, I265, Randnr. 44).

57. In diesem Urteil wies der Gerichtshof eine von der Kommission erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurück, die sich darauf stützte, dass die klagenden Unternehmen nicht den Nachweis erbracht hatten, dass sie im Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Gemeinschaftsrichter noch in der Kohleerzeugung tätig waren (Randnrn. 37 und 44).

58. Der Gerichtshof stellte fest, die Kläger hätten unbestritten zur Zeit der Vorkommnisse, die sie in ihrer von der Kommission zurückgewiesenen Beschwerde beanstandet hatten, die Eigenschaft von Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS besessen, und führte weiter aus: Dass sie danach diese Eigenschaft verloren, kann nicht ihr Interesse daran entfallen lassen, dass ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird, dessen Folgen sie zu tragen hatten, als sie die Unternehmenseigenschaft noch besaßen, und gegen den sie Beschwerde einlegen konnten (Randnr. 44).

59. Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Klägerin ihre Produktionstätigkeit im Juli 1993 eingestellt hat.

60. Ihre Beschwerden gegenüber der Kommission vom 9. Februar 2001 und vom 9. Mai 2001, die Ausgangspunkt der vorliegenden Rechtssachen sind, betreffen Lasten, die durch die französischen Gesetze 94588 vom 15. Juli 1994 und 99245 vom 30. März 1999 entstanden und daher zum Zeitpunkt der Einstellung der Produktionstätigkeit der Klägerin nicht bestanden.

61. Daher ist festzustellen, dass die Klägerin nicht als ein Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS angesehen werden kann; die bloße Tatsache, dass sie bei Inkrafttreten des Gesetzes vom 15. Juli 1994 noch Eisenerz besaß, kann diesen Schluss nicht entkräften.

62. Da die von der Klägerin beanstandeten Lasten sich aus Bestimmungen ergeben, die zeitlich nach Einstellung ihres Bergbaus erlassen wurden, hatte die Klägerin die Folgen der angeblichen Verstöße gegen den EGKS-Vertrag auch nicht zu tragen, als sie noch ein Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS war. Somit hatten die in ihren Klagen gerügten Handlungen keinerlei Auswirkungen auf den Gemeinschaftsmarkt für Kohle und Stahl.

63. Dass es der Klägerin an der Unternehmenseigenschaft im Sinne von Artikel 80 KS fehlt, wird durch ihr sonstiges Vorbringen nicht widerlegt.

64. Was das Vorbringen der Klägerin betrifft, der EGKS-Vertrag müsse die Gesamtheit des Produktionsprozesses abdecken; zwischen den von ihr beanstandeten Lasten und ihrer früheren Tätigkeit bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang, so ist festzustellen, dass dieses Vorbringen nicht belegen kann, dass die Klägerin entsprechend den Anforderungen des Artikels 80 KS zur Zeit der in ihren Beschwerden gerügten Handlungen oder zu der Zeit, als sie sich wegen der von der Französischen Republik auferlegten Lasten bei der Kommission beschwerte, eine Produktionstätigkeit im Bereich von Kohle und Stahl betrieb. Auch handelt es sich nicht um Verstöße, deren Folgen die Klägerin zu tragen hatte, als sie noch die Eigenschaft eines Unternehmens im Sinne von Artikel 80 KS hatte.

65. Auch das Vorbringen der Klägerin, der Rechtsschutz des EGKS-Vertrags müsse dem Unternehmen bis zu seinem tatsächlichen Ausscheiden aus dem Markt zugute kommen, greift nicht durch. Wie die Gemeinschaftsgerichte wiederholt festgestellt haben, sind sie nicht befugt, von den Rechtsschutzbestimmungen der Verträge abzuweichen (vgl. insbesondere zum Rechtsschutz nach dem EGKS-Vertrag: Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 1963 in der Rechtssache 12/63, Schlieker/Hohe Behörde, Slg. 1963, 173, 186, sowie Urteil Verband der freien Rohrwerke u. a./Kommission, oben Randnr. 53, Randnr. 38).

66. Zwar sind die Voraussetzungen für die Erhebung einer Klage bei den Gemeinschaftsgerichten im Licht des Grundsatzes eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes auszulegen, doch würden die Gemeinschaftsgerichte die ihnen durch diesen Vertrag verliehenen Befugnisse überschreiten, wenn eine solche Auslegung zum Wegfall einer ausdrücklich im EGKS-Vertrag vorgesehenen Voraussetzung führte (Beschluss des Gerichtshofes vom 28. März 2003 in der Rechtssache C75/02 P, Diputación foral de Alava u. a./Kommission, Slg. 2003, I2903, Randnr. 34).

67. Das Vorbringen der Klägerin, der Rechtsschutz des EGKS-Vertrags müsse die Gesamtheit des Produktionsprozesses vom Markteintritt bis zum tatsächlichen Marktaustritt, d. h. bis zum Verschwinden des Unternehmens, umfassen, lässt sich ebenso wenig mit dem Bestehen einer Gemeinschaftsregelung über Schließungsbeihilfen für Eisen- und Stahlunternehmen begründen. Die Kommission trägt zu Recht vor, dass der letzte Stahlbeihilfenkodex (Entscheidung Nr. 2496/96) an die noch tätigen Unternehmen gerichtet sei. Artikel 4 Absatz 2 dieser Entscheidung sieht nämlich vor, dass Beihilfen zugunsten der Unternehmen, die ihre Produktionstätigkeit endgültig einstellen,... als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden [können, wenn sie] bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der betreffenden Beihilfe gemäß Artikel 6 regelmäßig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert [haben]. Aus den Begründungserwägungen dieser Entscheidung geht hervor, dass es das Ziel der Genehmigung dieser Beihilfen ist, die teilweise Schließung von Stahlwerksanlagen zu fördern und... die endgültige Einstellung der EGKS-Tätigkeit der am wenigsten wettbewerbsfähigen Unternehmen zu finanzieren.

68. Zum Vorbringen der Klägerin, das Gericht habe im Urteil Forges de Clabecq/Kommission (oben Randnr. 41) einem insolventen Unternehmen die Eigenschaft als Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS zuerkannt, ist festzustellen, dass das fragliche Urteil ein Eisen- und Stahlunternehmen betraf, das zur Zeit des Erlasses der Entscheidung der Kommission über die Beihilfen zu seinen Gunsten Gegenstand eines Sanierungsversuchs war, um seine Insolvenz zu vermeiden und ihm die Fortführung seiner Tätigkeit zu ermöglichen. Außerdem datiert die Entscheidung der Kommission in dieser Sache vom 18. Dezember 1996 und liegt damit vor dem durch ein Urteil des zuständigen Tribunal de commerce vom 3. Januar 1997 auf Antrag der Gemeinschuldnerin eröffneten Konkurs (Randnrn. 6 bis 11, 18 und 19 des genannten Urteils). Diese Lage ist eine völlig andere als die im vorliegenden Fall.

69. Zu dem auf das auf die Urteile EGKS/Ferriere Sant'Anna und Busseni (oben Randnr. 42) gestützten Vorbringen der Klägerin ist zu sagen, dass es in diesen Rechtssachen darum ging, ob die Forderungen der Hohen Behörde als privilegierte Forderungen gegen die Insolvenzmasse bestimmter Unternehmen geltend gemacht werden konnten. Diese Urteile behandeln somit eine völlig andere Frage als die im vorliegenden Fall zu beurteilende; die Klägerin hat nicht dargelegt, inwiefern die Zulassung solcher Forderungen zu Lasten der Insolvenzmasse eines Unternehmens im Sinne von Artikel 80 KS implizierte, dass sie rechtswirksam eine Nichtigkeitsklage erheben könnte. Außerdem entsprachen die fraglichen Forderungen finanziellen Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber der Hohen Behörde, die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit standen.

70. Was schließlich die Entscheidung 96/269 betrifft, so genehmigt sie Beihilfen zugunsten eines Unternehmens, das im Gegensatz zur Klägerin im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung durch die Kommission noch tätig war (vgl. Nr. II der Entscheidung).

71. Damit ist das Vorbringen, mit dem die Klägerin ihre Einstufung als Unternehmen im Sinne von Artikel 80 KS erreichen will, zurückzuweisen.

72. Aus diesen Gründen sind die Klagen der Klägerin als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

73. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

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