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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.10.1999
Aktenzeichen: T-110/97
Rechtsgebiete: Entscheidung 97/81/EWG


Vorschriften:

Entscheidung 97/81/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Bereits nach dem Wortlaut von Absatz 5 des Artikels 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) kommt der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt hat, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. der Mitteilung in Betracht.

Da sich die Kommission verpflichtet hat, den vollständigen Text der Entscheidungen über die bedingte Zulassung staatlicher Beihilfen, die zum Abschluß des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) ergehen, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekanntzugeben, beginnt die Klagefrist zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung zu laufen.

2 Die Kommission verfügt bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 3 EG) über ein weites Ermessen. Da es bei diesem Ermessen um die Würdigung komplexer wirtschaftlicher und sozialer Gegebenheiten geht, muß sich die gerichtliche Kontrolle einer in diesem Rahmen getroffenen Entscheidung auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen. Insbesondere steht es dem Gericht nicht zu, seine Würdigung in wirtschaftlicher Hinsicht an die Stelle derjenigen des Urhebers der Entscheidung zu setzen.

Insoweit ist die Rechtmässigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) nach dem Sachverhalt und der Rechtslage zu beurteilen, die bei Erlaß des Aktes bestanden. Insbesondere sind die komplexen Bewertungen, die die Kommission vorgenommen hat, nur anhand der Informationen zu prüfen, über die diese bei der Durchführung dieser Bewertungen verfügte.

3 Aus dem disjunktiven Charakter der Konjunktion "oder" in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG) wird deutlich, daß als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar Beihilfen zur Förderung der Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige wie auch bestimmter Wirtschaftsgebiete angesehen werden können. Die Genehmigung einer Beihilfe setzt somit nicht notwendig voraus, daß diese regionalen Zwecken dient.

4 Die Überschreitung der in den Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten gesetzten Frist von sechs Monaten für die Ausarbeitung eines Umstrukturierungsplans kann nicht bereits die Ablehnung der Genehmigung einer solchen Beihilfe rechtfertigen. Diese Frist ist nämlich nicht zwingend; vielmehr handelt es sich dabei um den Zeitraum, der in den Leitlinien als notwendig bezeichnet wird, um nach Zahlung einer Rettungsbeihilfe die Sanierungsmaßnahmen für das begünstigte Unternehmen festzulegen.

5 Das in den Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten aufgestellte Rentabilitätskriterium ist erfuellt, wenn der Umstrukturierungsplan geeignet ist, das betreffende Unternehmen in die Lage zu versetzen, alle anfallenden Kosten, einschließlich Abschreibungen und Finanzierungskosten, selbst zu tragen und eine Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals zu erwirtschaften, so daß es nach Abschluß der Umstrukturierung keine weiteren staatlichen Beihilfen benötigt und aus eigener Kraft am Markt konkurrieren kann.

6 Im Rahmen einer Beihilfe zur Umstrukturierung eines Unternehmens in Schwierigkeiten können der im Umstrukturierungsplan vorgesehene Kapazitätsabbau und der Personalabbau nicht gleichgesetzt werden, da ihr Verhältnis von zahlreichen Faktoren, u. a. von den hergestellten Erzeugnissen und der verwendeten Technologie, abhängt.

7 Ein Kläger kann sich nicht auf Vorbringen zum Sachverhalt berufen, das der Kommission nicht bekannt war und das er dieser nicht im Verlaufe des Verfahrens zur Prüfung einer staatlichen Beihilfe gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 2 EG) mitgeteilt hat. Dagegen ist er durch nichts daran gehindert, gegen die endgültige Entscheidung einen rechtlichen Grund vorzubringen, der im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden ist.

Das Prüfungsverfahren ist nämlich kein gegen einen endgültigen Rechtsakt gerichtetes Vorverfahren; vielmehr soll es die Kommission in die Lage versetzen, sich vor Erlaß ihrer Entscheidung umfassend über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite erweiterte Kammer) vom 6. Oktober 1999. - Kneissl Dachstein Sportartikel AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Entscheidung, mit der eine staatliche Umstrukturierungsbeihilfe genehmigt wird - Beginn der Klagefrist für einen Dritten - Voraussetzungen für die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt. - Rechtssache T-110/97.

Parteien:

In der Rechtssache T-110/97

Kneissl Dachstein Sportartikel AG, Gesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in Molln (Österreich), Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Georg Diwok, Wien,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Paul F. Nemitz und Frank Paul, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Österreich, vertreten durch Christine Stix-Hackl als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt Michael Krassnigg, Wien, Zustellungsanschrift: Österreichische Botschaft, 3, rue des Bains, Luxemburg,

und

HTM Sport- und Freizeitgeräte AG, Gesellschaft österreichischen Rechts mit Sitz in Schwechat (Österreich), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwalt Wolfgang Knapp, Brüssel und Frankfurt am Main, und Rechtsanwalt Till Müller-Ibold, Frankfurt am Main, Zustellungsanschrift: Kanzlei der Rechtsanwälte Arendt & Medernach, 8-10, rue Mathias Hardt, Luxemburg,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 97/81/EG der Kommission vom 30. Juli 1996 über Beihilfen der österreichischen Regierung zugunsten des Unternehmens Head Tyrolia Mares in Form von Kapitalzuführungen (ABl. 1997, L 25, S. 26)

erläßtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Zweite erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Potocki sowie der Richter K. Lenaerts, C. W. Bellamy, J. Azizi und A. W. H. Meij,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen des Verfahrens

1 Artikel 92 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 EG) bestimmt in Absatz 3:

"Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden:

...

c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft..."

2 Zur Anwendung dieser Vorschrift hat die Kommission Leitlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (94/C 368/05, ABl. 1994, C 368, S. 12; im folgenden: Leitlinien) festgelegt.

Dem Verfahren zugrunde liegender Sachverhalt

3 Die Gesellschaft österreichischen Rechts Head Tyrolia Mares (im folgenden: HTM) ist die Holdinggesellschaft einer Gruppe von Unternehmen, die Wintersport-, Tennis-, Tauch- und Golfartikel herstellen und vermarkten. 1994 erzielte HTM einen Umsatz von ungefähr 5,2 Mrd. ATS (ca. 390 Mio. ECU), davon 45 % in Westeuropa. Im Juni 1995 beschäftigte der Konzern rund 2 700 Personen. Die Produktionsstandorte von HTM befinden sich in den USA und Europa (Deutschland, Österreich, Italien, Tschechische Republik und Estland). Die Standorte in Österreich sind Kennelbach (536 Beschäftigte), Hörbranz (279 Beschäftigte), Schwechat (395 Beschäftigte) und Neusiedl (80 Beschäftigte).

4 Die öffentliche Holdinggesellschaft Austria Tabakwerke (im folgenden: AT) erwarb 1993 die Mehrheitsbeteiligung an HTM zum Preis von 20 Mio. USD (ca. 16 Mio ECU). AT führte HTM sofort neues Kapital in Höhe von 100 Mio. USD (ca. 80 Mio. ECU) zu. Im selben Jahr erhielt HTM von AT ein nachrangiges Gesellschafterdarlehen in Höhe von 85,25 Mio. DM (45 Mio. ECU) zur Ersetzung von Eigenkapital.

5 Trotz der angekündigten Rationalisierungs-, Diversifizierungs- und Neuinvestitionsprogramme erlitt HTM 1993 und 1994 schwere Verluste, vor allem aufgrund des seit Ende der achtziger Jahre stark rückläufigen internationalen Skimarktes und der äußerst negativen Ergebnisse in bestimmten anderen Bereichen wie Sportkleidung und Golfausrüstungen. Hohe finanzielle Lasten und eine Reihe von Umstrukturierungs- und Sonderposten schwächten die finanzielle Leistung des Unternehmens weiter.

6 Die Handelsbank SBC Warburg, die im Januar 1995 von AT um Ausarbeitung eines Sanierungsplans für HTM ersucht wurde, wurde im März 1995 mit der Erstellung eines Privatisierungsplans für HTM betraut und startete im Mai 1995 ein Auswahlverfahren für potentielle Käufer.

7 Im April 1995 sah sich AT zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit von HTM gezwungen, dem Konzern 400 Mio. ATS (ca. 30 Mio. ECU) Kapital zuzuführen und das Gesellschafterdarlehen von ca. 45 Mio. ECU aus dem Jahre 1993 in Eigenkapital umzuwandeln.

8 Im Juli 1995 wurde ein Umstrukturierungsplan für HTM erarbeitet, mit dem diese in die Lage versetzt werden sollte, bis 1997 ihre Rentabilität wiederherzustellen. Zur Finanzierung dieses Planes und zur Abwendung eines Insolvenzverfahrens genehmigte das österreichische Finanzministerium im August 1995 die Entscheidung von AT, eine weitere Kapitalspritze für HTM von bis zu 1,5 Mrd. ATS (ca. 112 Mio. ECU) zu gewähren, zahlbar in Tranchen von 1995 bis 1997.

9 Am 8. August 1995 unterrichteten die österreichischen Behörden die Kommission über das Vorhaben von AT. Am 1. September 1995 sandte die Kommission der österreichischen Regierung ein Auskunftsersuchen, das am 21. September 1995 beantwortet wurde.

10 Am 30. September 1995 erhielt HTM von AT eine Tranche von 373 Mio. ATS (ca. 28 Mio. ECU). Im September 1995 wurde die Umstrukturierung wegen der Verschlechterung der Lage von HTM zugunsten des sofortigen Verkaufs aufgegeben. Der AT-Vorstand beschloß auf Anraten der SBC Warburg, das vorläufige Angebot einer von Johan Eliasch geführten Gruppe internationaler Investoren (im folgenden: Eliasch) anzunehmen und Verhandlungen über eine sofortige Privatisierung der gesamten HTM aufzunehmen.

11 Die Kaufvereinbarung mit Eliasch sah einen Kaufpreis von 10 Mio. ATS (ca. 0,7 Mio. ECU) und einen Kapitalzuschuß von AT an HTM in Höhe von 1,19 Mrd. ATS (ca. 88 Mio. ECU) vor, gestaffelt in mehreren Zahlungen. Eliasch verpflichtete sich, weitere 300 Mio. ATS (ca. 22 Mio. ECU) zuzuführen, davon 25 Mio. ATS (ca. 2 Mio. ECU) sofort nach Genehmigung der Maßnahmen von AT durch die Kommission.

12 AT sollte 15 % der Veräußerungsgewinne erhalten, die Eliasch beim völligen oder teilweisen Verkauf von HTM an Dritte mittels Anteilsverkauf oder öffentlichem Verkaufsangebot erzielte. Schließlich verpflichtete sich Eliasch, die Produktion von HTM in Österreich mindestens drei Jahre lang weiterzuführen und den Beschäftigungsstand am Standort Schwechat auf 50 % des derzeitigen Standes und an den Standorten Hörbranz und Kennelbach auf 80 % des derzeitigen Standes zu halten.

13 Mit Schreiben vom 10. Oktober 1995 ersuchte die Klägerin, die Kneissl Dachstein Sportartikel AG, eine Gesellschaft österreichischen Rechts, die Wintersportartikel (Skier, Skischuhe und Skibindungen) herstellt, die Kommission um Untersuchung der finanziellen Unterstützung von HTM durch AT.

14 In der letzten Novemberwoche 1995 wurde die Kommission von der Bereitschaft der Banken in Kenntnis gesetzt, einen Beitrag zur Umstrukturierung von HTM unter dem neuen Eigentümer durch Forderungsverzicht in Höhe von 630 Mio. ATS (ca. 47 Mio. ECU) und durch Umschuldung zu leisten.

15 Mit Entscheidung vom 20. Dezember 1995, geändert am 13. März 1996, leitete die Kommission ein Verfahren nach Absatz 2 des Artikels 92 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 EG) ein, um zu prüfen, ob die Kapitalzuführungen von 400 Mio. ATS (ca. 30 Mio. ECU) im April 1995 (siehe oben, Randnr. 7) und von 1,19 Mrd. ATS (ca. 88 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 11), die bereits erfolgt waren oder deren Zahlung durch AT in der Verkaufsvereinbarung mit Eliasch vorgesehen war, als Beihilfe zur Umstrukturierung von HTM mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar waren.

16 Außerdem vertrat die Kommission die Auffassung, daß der Gesamtbetrag von 1,273 Mrd. ATS (ca. 95 Mio. ECU), von dem 773 Mio (ca. 58 Mio. ECU) (siehe oben, Randnrn. 7 und 10) bereits an HTM gezahlt worden waren, nach seiner Umwandlung in ein zum marktüblichen Zinssatz rückzahlbares Darlehen als Rettungsbeihilfe genehmigt werden konnte.

17 Zu diesem Zweck veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages an die übrigen Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten über eine Beihilfe der österreichischen Bundesregierung in Form von Kapitalzuführungen zugunsten von HTM (ABl. 1996, C 124, S. 5).

18 Anfang Februar 1996 wurde der Kommission mitgeteilt, daß die Kaufvereinbarung durch die Übertragung des HTM-Aktienbesitzes von AT an Eliasch durchgeführt worden sei.

19 Im Rahmen des Prüfungsverfahrens äußerte sich die Klägerin mit Schreiben vom 30. April 1996.

20 Mit der Entscheidung 97/81/EG vom 30. Juli 1996 über Beihilfen der österreichischen Regierung zugunsten von HTM in Form von Kapitalzuführungen (ABl. 1997, L 25, S. 26; im folgenden: Entscheidung) stellte die Kommission fest, daß die Kapitalzuführungen von 400 Mio ATS (ca. 30 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 7) und von 1,19 Mrd. ATS (ca. 88 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 11), insgesamt also 118 Mio. ECU, eine staatliche Beihilfe darstellten, die jedoch unter bestimmten Bedingungen als Umstrukturierungsbeihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden könne.

21 Die Kommission führt in der Entscheidung aus, daß es sich beim Skimarkt um einen übersättigten Markt handele, der beträchtliche Überkapazitäten aufweise, und daß sich eine Konzentration auf eine geringe Anzahl großer Hersteller abzeichne. Die Märkte für Skibindungen und Skischuhe entwickelten sich parallel.

22 Der Entscheidung zufolge sieht der Umstrukturierungsplan die Rückkehr der Produktion von HTM zu ihren Basisaktivitäten (Tennis, Skier, Skibindungen, Skischuhe und Tauchausrüstungen) vor, mit kurzfristiger Konzentration auf die Marke "Head", Marketingaktivitäten, innovative und hochtechnologische Produkte sowie auf den US-amerikanischen Markt. Die langfristigen Ziele nach Abschluß der Umstrukturierung sind die Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf neue Produkte (durch Lizenzerwerb) und neue geographische Märkte. Der Umstrukturierungsplan sieht das Erreichen der Gewinnschwelle im operativen Bereich für 1996, die Rückkehr zur Rentabilität für 1997 und als Endziel den Gang zur Börse im Jahre 1998 oder 1999 vor.

23 Der Umstrukturierungsplan stützt sich auf folgende Eckpunkte:

- Anpassung der Produktionskapazitäten in den Bereichen Wintersportartikel (Skier, Skibindungen, Skischuhe) und Tennisschläger an den Nachfragerückgang. Das schließt, zur Senkung der Produktionskosten, Zukauf und Verlagerung arbeitsintensiver Herstellungsprozesse in osteuropäische Länder ein;

- stufenweise Einstellung unrentabler Produktgruppen und Reduzierung der Lagerbestände;

- Rationalisierung und Senkung der Fixkosten von Vertrieb und Verwaltung einschließlich der Fusion von Gesellschaften;

- Einrichtung und Entwicklung eines Logistiksystems für eine zentrale Kontrolle der Lagerverwaltung, des Warenbestands und des Versands sowie Modernisierung der internen Managementsysteme und Herstellungsabläufe.

24 Der Umstrukturierungsplan sieht u. a. eine Senkung der Jahreskapazitäten von 39 % für Skier, 59 % für Skibindungen, 9 % für Skischuhe und 38 % für Tennisschläger sowie einen Personalabbau in diesen verschiedenen Geschäftsbereichen vor.

25 Die direkten Kosten der von 1995 bis 1997 vorzunehmenden Umstrukturierungsmaßnahmen werden mit 159 Mio. USD (ca. 127 Mio. ECU) veranschlagt. Der größte Teil der Kosten wird durch die Beendigung des Golfgeschäfts, die Aufgabe des Geschäftsfelds der Sportkleidung, die Verringerung der Fertigungskapazitäten und die Umstrukturierung in den Standorten Kennelbach, Schwechat und Hörbranz, inklusive Zahlungen in Zusammenhang mit Kündigungen, verursacht.

26 Im Rekapitalisierungsplan, der Teil des Umstrukturierungsprogramms ist, sind zusätzlich zu den Zuschüssen von AT sowie dem Forderungs- und Zinsverzicht der Banken in Höhe von 630 Mio. ATS (ca. 47 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 14) die zwei Kapitalzuführungen durch Eliasch in Höhe von etwa 2 bzw. 22 Mio. ECU (siehe oben, Randnr. 11) bis zum Jahre 1998 und ein internationales öffentliches Verkaufsangebot mit einem erwarteten Erlös von 60 Mio. USD (ca. 48 Mio. ECU) vorgesehen. Da die berechnete Eigenkapitalquote von HTM im Jahre 1998 (7 %) für zu niedrig gehalten wird, als daß das Unternehmen mit seinen internationalen Wettbewerbern erfolgreich konkurrieren könnte, werden der Beitrag von Eliasch zur Kapitalausstattung und der Börsengang als für die Kapitalstruktur von HTM von entscheidender Bedeutung angesehen, da sich dadurch die Schuldenlast des Unternehmens weiter verringert.

27 Nach Artikel 1 des verfügenden Teils der Entscheidung stellen die Zuschüsse von AT an HTM in Form von Kapitalzuführungen in Höhe von 1,59 Mrd. ATS (ca. 118 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 20) eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages dar; diese Beihilfe wird als mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c vereinbar angesehen, da sie die Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige fördere, ohne die Handelsbedingungen in einer Weise zu verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufe.

28 Der Betrag von 1,59 Mrd. ATS, der den Betrag von 1,273 Mrd. ATS (ca. 95 Mio. ECU) umfaßt, den die Kommission bereits als Rettungsbeihilfe genehmigt hatte (siehe oben, Randnr. 16), sollte folgendermaßen gezahlt werden: 400 Mio. ATS (ca. 30 Mio. ECU) im April 1995 (siehe oben, Randnr. 7) und 373 Mio. ATS (ca. 28 Mio. ECU) bis 30. September 1995 (siehe oben, Randnr. 10). Schließlich ist die Zahlung eines Betrages von 27 Mio. ATS (ca. 2 Mio. ECU) sowie die Zahlung der Restbetrags in Raten vom 31. Dezember 1995 bis zum 31. März 1998 vorgesehen.

29 Nach Artikel 2 der Entscheidung hat die österreichische Regierung, um die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu gewährleisten, die Einhaltung der folgenden Bedingungen sicherzustellen:

- Der Umstrukturierungsplan ist in der Form umzusetzen, wie er der Kommission vorgelegt worden ist. Ende August und Ende Februar eines jeden Jahres bis 1999 hat HTM einen Bericht über die bei der Umstrukturierung erzielten Fortschritte vorzulegen, aus dem die wirtschaftliche Entwicklung und die finanziellen Ergebnisse des Unternehmens und ihre Übereinstimmung mit dem Umstrukturierungsplan hervorgehen. Ferner hat das Unternehmen die Jahresabschlüsse der Unternehmen der Gruppe für die Jahre 1995 bis 1999 bis spätestens Ende Juni des jeweils folgenden Jahres vorzulegen;

- der im Umstrukturierungsplan vorgesehene Kapazitätsabbau ist unwiderruflich durchzuführen;

- die Kapitalzuführung von Eliasch an HTM in Höhe von 25 Mio. ATS (ca. 2 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 11) hat innerhalb eines Monats nach dem Tag der Entscheidung zu erfolgen;

- die Kapitalzuführung von Eliasch an HTM in Höhe von 275 Mio. ATS (ca. 20 Mio ECU) (siehe oben, Randnr. 11) hat bis zum 31. Dezember 1998 zu erfolgen;

- eine zusätzliche Zuführung neuen Eigenkapitals in Höhe von mindestens 600 Mio. ATS (ca. 48 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 26) hat auf dem Wege einer internationalen öffentlichen Plazierung oder mit Mitteln gleicher Wirkung bis spätestens Ende 1999 zu erfolgen;

- in der Vergangenheit erlittene Verluste in Höhe von 1,59 Mrd. ATS (ca. 118 Mio. ECU) dürfen nicht für die Verringerung des steuerpflichtigen Gewinns verwendet werden.

30 Nach Artikel 3 ist die Entscheidung an die Republik Österreich gerichtet.

31 Die Entscheidung wurde der österreichischen Regierung am 21. August 1996 mitgeteilt und am 28. Januar 1997 veröffentlicht.

Verfahren vor dem Gericht

32 Die Klägerin hat mit am 14. April 1997 eingegangener Klageschrift eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.

33 Mit Beschlüssen vom 26. November 1997 sind die Republik Österreich und HTM als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

34 Das Gericht (Zweite erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Es hat die Parteien jedoch aufgefordert, einige Fragen schriftlich zu beantworten.

35 Die Parteien haben in der Sitzung vom 24. März 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

36 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären; - hilfsweise, die Entscheidung aufzuheben;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

- den Streithelfern ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

37 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

38 Die Republik Österreich beantragt,

- die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

39 HTM beantragt,

- die Klage für unzulässig zu erklären oder

- den Antrag der Klägerin als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen;

- die Klägerin zu verurteilen, die Kosten von HTM zu tragen.

Zulässigkeit

40 Die Kommission bezweifelt, im wesentlichen unterstützt durch die Republik Österreich und HTM, die Zulässigkeit der am 14. April 1997 erhobenen Klage, die ihres Erachtens nach Fristablauf eingebracht wurde, da die Entscheidung am 30. Juli 1996 erlassen worden sei. Die Entscheidung sei der Klägerin weder förmlich bekanntgegeben noch mitgeteilt worden; die Klagefrist habe somit für sie zu dem Zeitpunkt begonnen, als sie Kenntnis von der Entscheidung erlangt habe. Da über die Entscheidung zum Zeitpunkt ihres Erlasses in der Presse berichtet worden sei, hätte die Klägerin sie binnen angemessener Frist bei der Kommission anfordern müssen. Da die Klägerin dies erst am 18. September 1996 getan habe, dürfte die angemessene Frist überschritten sein.

41 Bereits nach dem Wortlaut von Absatz 5 des Artikels 173 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 EG) kommt der Zeitpunkt, zu dem der Kläger von der Handlung Kenntnis erlangt hat, als Beginn der Klagefrist nur subsidiär neben dem Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. der Mitteilung in Betracht (Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1998 in der Rechtssache C-122/95, Deutschland/Rat, Slg. 1998, I-973, Randnr. 35).

42 Zudem hat sich die Kommission verpflichtet, den vollständigen Text der Entscheidungen über die bedingte Zulassung staatlicher Beihilfen, die wie im vorliegenden Fall zum Abschluß des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages ergehen, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Reihe L, bekanntzugeben (vgl. Wettbewerbsrecht in den Europäischen Gemeinschaften, Band II A: Wettbewerbsregeln für staatliche Beihilfen, 1995, S. 43. Nr. 53 und S. 55 Nr. 90 d).

43 Da die Entscheidung im Amtsblatt L 25 vom 28. Januar 1997 bekanntgegeben wurde, begann die Frist für die Klägerin zu diesem Zeitpunkt zu laufen.

44 Die gegen die Zulässigkeit der Klage gerichtete Argumentation ist daher zurückzuweisen.

Begründetheit

Umfang der Rechtmäßigkeitskontrolle durch das Gericht bezüglich der Vereinbarkeit der streitigen Umstrukturierungsbeihilfe mit dem Gemeinsamen Markt

45 Zunächst spricht für die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane die Vermutung der Rechtmäßigkeit (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 26. Februar 1987 in der Rechtssache 15/85, Consorzio Cooperative d'Abruzzo/Kommission, Slg. 1987, 1005, Randnr. 10); es obliegt demjenigen, der die Nichtigerklärung beantragt, Beweise vorzulegen, die Zweifel an den vom beklagten Organ vorgenommenen Bewertungen begründen können.

46 Des weiteren verfügt die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 des Vertrages über ein weites Ermessen. Da es bei diesem Ermessen um die Würdigung komplexer wirtschaftlicher und sozialer Gegebenheiten geht, muß sich die gerichtliche Kontrolle einer in diesem Rahmen getroffenen Entscheidung auf die Prüfung beschränken, ob die Verfahrens- und Begründungsvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen. Insbesondere steht es dem Gericht nicht zu, seine Würdigung in wirtschaftlicher Hinsicht an die Stelle derjenigen des Urhebers der Entscheidung zu setzen (Urteil des Gerichts vom 25. Juni 1998 in den Rechtssachen T-371/94 und T-394/94, British Airways u. a. und British Midland Airways/Kommission, Slg. 1998, II-2405, Randnr. 79).

47 Außerdem ist die Rechtmäßigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gemäß Artikel 173 des Vertrages nach dem Sachverhalt und der Rechtslage zu beurteilen, die bei Erlaß des Aktes bestanden. Insbesondere sind die komplexen Bewertungen, die die Kommission vorgenommen hat, nur anhand der Informationen zu prüfen, über die diese bei der Durchführung dieser Bewertungen verfügte (vgl. in diesem Sinne Urteil British Airways u. a. und British Midland Airways/Kommission, Randnr. 81).

48 Die Klagegründe und Argumente der Klägerin sind unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zu prüfen.

Zum Vorbringen, die Leitlinien seien rechtswidrig

49 Die Klägerin macht geltend, daß die Leitlinien rechtswidrig seien, da nach ihnen Beihilfen erlaubt seien, die nicht den Voraussetzungen von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages entsprächen. Indem die Kommission ihre Entscheidung auf die Leitlinien gestützt habe, habe sie somit gegen diese Vorschrift verstoßen.

50 Die Kommission und die Streithelferinnen tragen vor, daß die Leitlinien die Anwendung der Ausnahmen von der Unvereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt gemäß der vorgenannten Vorschrift konkretisierten und noch in keinem Verfahren von den Gemeinschaftsgerichten für rechtswidrig erklärt worden seien.

51 Die Leitlinien enthalten lediglich allgemeine Vorgaben für das künftige Vorgehen der Kommission. Sie können daher keine Ausnahmeregelung zu Artikel 92 des Vertrages beinhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901, Randnr. 22).

52 Da die Klägerin nicht dargetan hat, inwiefern sich die Kommission auf Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages zuwiderlaufende Bestandteile der Leitlinien gestützt hat, ist das Vorbringen, die Leitlinien seien rechtswidrig, zurückzuweisen, ohne daß dadurch die Prüfung der Nichtigkeitsgründe im Hinblick auf die genannte Vorschrift berührt würde.

Erster Klagegrund: unzutreffende Prämisse bezüglich des Verschwindens von HTM vom Markt

53 Die Klägerin wendet sich gegen die in der Entscheidung vertretene Auffassung, daß das Verschwinden von HTM durch das Entstehen noch engerer Oligopole negative Auswirkungen auf die Marktstruktur gehabt hätte. Selbst wenn die streitige Umstrukturierungsbeihilfe (im folgenden: Beihilfe) untersagt worden wäre, wäre HTM sehr wahrscheinlich insgesamt von einem branchenfremden Investor übernommen worden.

54 Die Kommission führt aus, daß eine Übernahme von HTM nach deren Konkurs durch Konkurrenten und nicht durch branchenfremde Investoren erfolgt wäre und somit nichts an den in der Entscheidung angeführten Auswirkungen auf die Marktstruktur geändert hätte.

55 Nach Auffassung von HTM gibt es keine Anhaltspunkte dafür, daß ihre Fortführung selbst im Konkurs und ohne die Zuschüsse der AT durch branchenfremde Unternehmen möglich oder gar wahrscheinlich gewesen wäre.

56 Dieser Klagegrund beruht offenkundig auf der nicht bewiesenen Prämisse, daß HTM bei fehlender Genehmigung der Beihilfe nicht als eigenständiger Konkurrent der anderen Wirtschaftsteilnehmer vom Markt verschwunden wäre, sondern auf jeden Fall von Unternehmen außerhalb der Branche für Wintersportausrüstung aufgekauft worden wäre. Die Ausführungen von Kneissl Dachstein im Prüfungsverfahren zeigen jedoch, daß sie ein starkes Interesse am Kauf von HTM hatte.

57 Folglich ist nicht nachgewiesen worden, daß die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hat, als sie die Auffassung vertrat, daß HTM bei fehlender Genehmigung der Beihilfe möglicherweise als unabhängiger Hersteller vom Markt verschwinden würde.

58 Daher ist dem Klagegrund kein Erfolg beschieden.

Zweiter Klagegrund: Verstoß gegen die in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages genannten allgemeinen Voraussetzungen für die Genehmigung von Beihilfen

59 Die Klägerin macht geltend, die Beihilfe entspreche nicht den Voraussetzungen von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages. Sie komme keinem Wirtschaftszweig zugute, sondern nur einem einzelnen Unternehmen. Sie fördere auch nicht die Entwicklung einer bestimmten Region, da die Standorte von HTM verstreut gelegen seien. Schließlich bestehe kein Gemeinschaftsinteresse an der Beihilfe, da sie die Probleme im Zusammenhang mit der Produktion und dem Vertrieb von Wintersportartikeln auf andere Unternehmen und Gebiete verlagere.

60 Hierzu stellt das Gericht erstens fest, daß die Beihilfe nicht als Begünstigung eines einzelnen Unternehmens angesehen werden kann, da die Kommission davon ausgehen durfte, daß das Überleben von HTM zur Aufrechterhaltung einer wettbewerbsfähigen Marktstruktur beitragen werde.

61 Zweitens wird aus dem disjunktiven Charakter der Konjunktion "oder" in Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages deutlich, daß als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar Beihilfen zur Förderung der Entwicklung bestimmter Wirtschaftszweige wie auch bestimmter Wirtschaftsgebiete angesehen werden können. Die Genehmigung einer Beihilfe setzt somit nicht notwendig voraus, daß diese regionalen Zwecken dient.

62 Drittens schließlich deckt sich die Rüge eines fehlenden Gemeinschaftsinteresses an der Beihilfe mit den übrigen Rügen, mit denen die Rechtmäßigkeit der Genehmigung der Beihilfe bestritten wird.

63 Vorbehaltlich der Behandlung dieser übrigen Sachrügen ist dem Klagegrund daher kein Erfolg beschieden.

Dritter Klagegrund: fehlender Zusammenhang zwischen bestimmten Kapitalzuführungen und dem Umstrukturierungsplan

64 Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe nicht bedacht, daß die zusätzliche Kapitalzuführung von ungefähr 28 Mio. ECU am 30. September 1995 (siehe oben, Randnr. 10), nachdem die erste Tranche von etwa 30 Mio. ECU bereits im April 1995 gezahlt worden sei (siehe oben, Randnr. 7), nur zur Abwendung der Insolvenz von HTM erfolgt sei und nicht mit dem Umstrukturierungsplan zusammenhänge. Die Beihilfe sei somit in dieser Höhe unzulässig.

65 Die Kommission macht, im wesentlichen unterstützt durch die Streithelferinnen, geltend, die streitigen Kapitalzuführungen hätten als Rettungsbeihilfe gewertet werden können, um die Ausarbeitung des Umstrukturierungsplans zeitlich zu ermöglichen, und das weitere Beihilfeelement, das ihre spätere Umwandlung in einen Kapitalzuschuß enthalten habe, sei auf der Grundlage des Umstrukturierungsplans genehmigt worden.

66 Wie aus der Sachverhaltsdarstellung hervorgeht (siehe oben, Randnrn. 15 und 16), wurden die streitigen Kapitalzuführungen zunächst - ungeachtet ihrer späteren Genehmigung als Umstrukturierungsbeihilfe - als Rettungsbeihilfe genehmigt. Als Umstrukturierungshilfe wurde das entsprechende Kapital dann zum Abschluß des Prüfungsverfahrens unter der Voraussetzung genehmigt, daß der durch die Entscheidung genehmigte Umstrukturierungsplan umgesetzt wurde.

67 Folglich hängen die streitigen Kapitalzuführungen ungeachtet ihrer ursprünglichen Genehmigung als Rettungsbeihilfe, deren Rechtmäßigkeit nicht Gegenstand der Klage ist, mit dem Umstrukturierungsplan von HTM zusammen.

68 Dem Klagegrund ist somit kein Erfolg beschieden.

Vierter Klagegrund: Überschreitung der für die Ausarbeitung des Umstrukturierungsplans gesetzten angemessenen Frist

69 Die Klägerin macht geltend, die offenkundige Überschreitung der in den Leitlinien gesetzten Frist von sechs Monaten für die Ausarbeitung eines Umstrukturierungsplans hätte es bereits gerechtfertigt, die Genehmigung der Beihilfe abzulehnen.

70 Die Kommission führt, im wesentlichen unterstützt durch die Streithelferinnen, aus, daß der in den Leitlinien erwähnte ungefähre Zeitraum von sechs Monaten die Genehmigung von Rettungsbeihilfen und nicht von Umstrukturierungsbeihilfen betreffe. Außerdem könne ein Umstrukturierungsplan zwar normalerweise innerhalb von sechs Monaten erstellt werden, doch hänge dies von den Umständen des Einzelfalls ab. Vorliegend seien komplizierte Würdigungen erforderlich gewesen.

71 Die von der Klägerin genannte Frist von sechs Monaten ist nicht zwingend und bezieht sich nicht auf die Phase der Ausarbeitung eines Umstrukturierungsplans als solche. Vielmehr handelt es sich dabei um den Zeitraum, der in den Leitlinien als notwendig bezeichnet wird, um nach Zahlung einer Rettungsbeihilfe die Sanierungsmaßnahmen für das begünstigte Unternehmen festzulegen.

72 Zudem zeigt der oben wiedergegebene Inhalt der Akten nicht, daß angesichts der Kompliziertheit der Angelegenheit die Ausarbeitung des von Eliasch erstellten und durch die Entscheidung genehmigten Umstrukturierungsplans übermäßig lange gedauert hätte.

73 Dem Klagegrund ist daher kein Erfolg beschieden.

Fünfter Klagegrund: fehlende Angemessenheit des Umstrukturierungsplans

74 Die Klägerin macht zunächst geltend, daß allein durch den Kaufpreis, den Eliasch für HTM entrichtet habe und der sehr viel niedriger als die Beihilfe gewesen sei, die in Nummer 3.2.2 Ziffer i Absatz 2 der Leitlinien geforderte Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals nicht erreicht werden könne. Selbst wenn Eliasch seine Anteile an HTM verkaufe, stelle die an AT zu zahlende Summe keine angemessene Rendite dar.

75 Die Kommission und die Streithelferinnen entgegnen, daß sich die Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals nicht auf die Beihilfe und die Beihilfegeber, sondern auf die künftige wirtschaftliche Entwicklung und die finanziellen Ergebnisse des begünstigten Unternehmens beziehe.

76 Nach Nummer 3.2.2 Ziffer i Absatz 2 der Leitlinien muß der Umstrukturierungsplan zur Erfuellung des Rentabilitätskriteriums geeignet sein, das Unternehmen in die Lage zu versetzen, alle anfallenden Kosten, einschließlich Abschreibungen und Finanzierungskosten, selbst zu tragen und eine Mindestverzinsung des eingesetzten Kapitals zu erwirtschaften, so daß es nach Abschluß der Umstrukturierung keine weiteren staatlichen Beihilfen benötigt und aus eigener Kraft am Markt konkurrieren kann.

77 Die Voraussetzung der Mindestrentabilität des eingesetzten Kapitals bedeutet nicht, daß AT angemessene Einkünfte aus ihren Einlagen erzielen müßte, sondern daß auf der Grundlage des genehmigten Umstrukturierungsplans die Wettbewerbsfähigkeit des begünstigten Unternehmens wiederherzustellen ist; andernfalls können die Kapitalzuführungen von AT nicht als staatliche Beihilfen angesehen werden.

78 Das Argument der Klägerin, das auf einer unzutreffenden Prämisse beruht, ist daher zu verwerfen.

79 Die Klägerin macht ferner geltend, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß langfristig die Rentabilität von HTM wiederhergestellt werde. Daß HTM angeblich operative Gewinne erziele, stelle für sich allein noch nicht das in der Entscheidung genannte Erreichen der "Gewinnschwelle" dar. Daß der Sanierungsplan auf übertrieben optimistischen Annahmen über die Marktentwicklung fußen würde, sei nach den Marktgegebenheiten schon deshalb bereits bei Erlaß der Entscheidung absehbar gewesen, weil er nur zum geringen Teil auf internen Maßnahmen beruht habe. Die Kommission habe wohl teilweise festgestellt, welche Maßnahmen HTM ergreifen müsse, aber nicht die spezifischen Kosten dieser Maßnahmen berechnet. Der Plan sehe keine Differenzierung bei den Tennisartikeln vor, obwohl in der Entscheidung gesagt werde, daß die Hersteller nur so das Preisniveau halten oder anheben könnten. Schließlich werde im Plan nicht dargelegt, wie die von der Kommission als entscheidend gewertete Finanzierung durch einen Börsengang erfolgen solle.

80 Die Kommission und die Streithelferinnen entgegnen, daß die Klägerin nichts vortrage, woraus sich schließen lasse, daß HTM nach erfolgter Umstrukturierung nicht lebensfähig sein werde.

81 HTM führt aus, daß sie dank des umgesetzten Umstrukturierungsplans 1996 wieder Gewinne habe erzielen können.

82 Das Vorbringen der Klägerin besteht im wesentlichen aus bloßen Behauptungen und enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß sich die Kommission offensichtlich geirrt hat, als sie davon ausging, daß auf der Grundlage des durch die Entscheidung genehmigten Umstrukturierungsplans langfristig die Rentabilität von HTM wiederhergestellt werde.

83 Insbesondere hat sich die Klägerin nicht um den Nachweis bemüht, daß die Annahmen der Kommission übertrieben optimistisch wären, wenn man bedenkt, daß die Einstellung unrentabler Produktgruppen durch HTM, die Rückkehr ihres Geschäfts zu den Basisaktivitäten sowie die Senkung der Verwaltungs-, Herstellungs- und Vertriebskosten und Personalabbau vorgesehen wurden.

84 Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Kommission nicht verpflichtet, die spezifischen Kosten sämtlicher von HTM zu ergreifender Maßnahmen zu veranschlagen. Abgesehen davon, daß eine genaue Schätzung der verschiedenen Ausgabeposten ohnehin nur auf unsicherer Grundlage möglich gewesen wäre, weil die beabsichtigten Maßnahmen in die Zukunft gerichtet waren, konnte sich die Kommission bei der Ausübung ihres weiten Ermessens rechtmäßig auf eine pauschale Schätzung beschränken.

85 Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, daß Maßnahmen zur Differenzierung bei den Tennisartikeln gefehlt hätten, durch die das Preisniveau hätte gehalten oder angehoben werden können. Die Entscheidung sieht allgemein die Konzentration der Geschäfte von HTM auf innovative und hochtechnologische Produkte und insbesondere die Einsetzung von Spitzentechnologie für die Herstellung von Tennisschlägern vor, was u. a. die Erzielung höherer Verkaufspreise ermöglichen werde.

86 Schließlich kann der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie in der Entscheidung nicht die Modalitäten für die Finanzierung durch einen Börsengang festgelegt hat, der für 1999, also einen Zeitpunkt lange nach Erlaß der Entscheidung, vorgesehen war. Die Kommission hat sich nicht offensichtlich zu Unrecht darauf beschränkt, nur im Grundsatz eine neue Kapitalzuführung und als Zeitpunkt dafür Ende 1999 vorzusehen, dabei aber dem Unternehmen die Möglichkeit zu belassen, den Zeitpunkt und die der Entwicklung seiner Lage angemessenste Lösung zu bestimmen (internationale Plazierung oder ähnliche Maßnahmen).

87 Demnach ist dem Klagegrund insgesamt kein Erfolg beschieden.

Sechster Klagegrund: Unzulänglichkeit des von HTM verlangten Kapazitätsabbaus

88 Die Klägerin macht geltend, daß die Beschäftigungsgarantien, die im Vertrag über den Verkauf von HTM über einen Zeitraum von drei Jahren ab Vertragschluß für 50 %, in einem Werk sogar für 80 % der Mitarbeiter vereinbart seien, deutlich machten, daß in der Entscheidung insbesondere im Hinblick auf die Schrumpfung der Ski- und Skischuhmärkte von 1992 bis 1997 kein ausreichender Kapazitätsabbau auf dem Markt für Wintersportartikel verlangt werde.

89 Die Verpflichtung zur Beibehaltung eines solchen Beschäftigungsniveaus hindere z. B. daran, endgültig Kapazitäten stillzulegen. Außerdem sei die von HTM in ihrem Streithilfeschriftsatz angegebene Kapazitätssenkung um 87 % bei der Skischuhproduktion in der Gemeinschaft in Wirklichkeit auf die Auslagerung dieser Produktion nach Estland zurückzuführen.

90 Schließlich gehe aus einem Artikel in den Salzburger Nachrichten vom 2. Februar 1998 klar hervor, daß HTM sowohl den Skiabsatz als auch den daraus erzielten Ertrag habe steigern können, obwohl der Weltmarkt rückläufig sei.

91 Die Kommission entgegnet, im wesentlichen unterstützt durch die Streithelferinnen, daß die Klägerin nicht dargelegt habe, inwiefern sie Tatsachen offensichtlich unrichtig beurteilt oder einen Ermessensmißbrauch begangen habe, als sie in Artikel 2 zweiter Gedankenstrich der Entscheidung bestimmt habe, daß der im Umstrukturierungsplan vorgesehene Kapazitätsabbau unwiderruflich durchzuführen sei.

92 Die Republik Österreich trägt vor, daß die Beschäftigungsklausel nur drei Werke des Konzerns betroffen habe und ein Abbau von 20 % bis 50 % der Arbeitsplätze der drei österreichischen Werke objektiv erheblich sei. Zudem sei die Zahl der Beschäftigten von HTM von 2 700 auf 2 000 gesenkt worden.

93 Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, können Kapazitäts- und Personalabbau nicht gleichgesetzt werden, da das Verhältnis zwischen Beschäftigtenzahl und Produktionskapazität von zahlreichen Faktoren, u. a. von den hergestellten Erzeugnissen und der verwendeten Technologie, abhängt. Die auf drei Standorte des Konzerns und auf einen Zeitraum von drei Jahren beschränkten Beschäftigungsgarantien haben der Schließung des Montagewerks in Neusiedl nicht im Weg gestanden. Die Verlagerung der Herstellungsprozesse für Skischuhe nach Estland unter Nutzung billigerer Arbeitskräfte soll hauptsächlich die Herstellungskosten senken, schließt aber keineswegs Kapazitätssenkungen aus.

94 Die Klägerin hat nichts zum Beweis für eine offensichtliche Unzulänglichkeit der von HTM verlangten Kapazitätssenkungen auf den Märkten für Skier, Skibindungen und Skischuhe vorgetragen, die ungefähr 45 % des 1994 von HTM erzielten Umsatzes ausgemacht haben.

95 Insbesondere beziehen sich die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführten Statistiken über die Schrumpfung der Ski- und Skischuhmärkte auf einen Zeitraum, der 1992 beginnt und erst 1997 endet. Insofern haben sie keine Beweiskraft, da in der Entscheidung vorgesehen ist, daß der Kapazitätsabbau im wesentlichen bereits im ersten Umstrukturierungsjahr vorgenommen wird.

96 Das Vorbringen, der Skiabsatz von HTM habe sich erhöht, läßt sich bereits mit der Feststellung zurückweisen, daß sich diese Erhöhung auf das nach Erlaß der Entscheidung liegende Geschäftsjahr 1997 bezieht und belegt, daß 425 000 Paar Skier verkauft wurden, das Verkaufsvolumen im Vergleich zu den 1995 verkauften 596 000 Paar Skiern also deutlich niedriger war.

97 Schließlich konnte die Kommission bei der Ausübung ihres weiten Ermessens zu Recht davon ausgehen, daß ein noch umfassenderer Kapazitätsabbau die Wiederherstellung der Rentabilität von HTM gefährdet hätte, deren Präsenz als notwendig erachtet wurde, um das Entstehen einer noch ausgeprägteren Oligopolstruktur auf den entsprechenden Märkten zu verhindern. Insoweit sind die Beendigung des Golfgeschäfts und die Aufgabe des Geschäftsfelds der Sportkleidung zu berücksichtigen, die im Umstrukturierungsplan vorgesehen sind.

98 Dem Klagegrund ist somit kein Erfolg beschieden.

Siebenter Klagegrund: Unangemessenheit der Beihilfe

99 Dieser Klagegrund läßt sich in fünf Teile aufgliedern. Erster Teil des Klagegrundes

100 Die Klägerin beanstandet zunächst, daß in der Entscheidung die Kapitalzuführung von ungefähr 80 Mio. ECU und das Gesellschafterdarlehen von ungefähr 45 Mio. ECU nicht berücksichtigt seien, die AT der HTM 1993 gewährt habe (siehe oben, Randnr. 4).

- Zulässigkeit

101 Die Kommission entgegnet, im wesentlichen unterstützt durch HTM, unter Berufung auf das Erfordernis der strikten Übereinstimmung zwischen dem Vorbringen im Verwaltungsverfahren und dem in der Klageschrift, daß die Klägerin mit diesem Argument nicht zu hören sei, da sie es nicht im Rahmen des Verfahrens zur Beihilfeprüfung vorgetragen habe.

102 Die Klägerin hätte sich nicht auf Vorbringen zum Sachverhalt berufen können, das der Kommission nicht bekannt war und das sie dieser nicht im Verlaufe des Prüfungsverfahrens mitgeteilt hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1994 in den Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnr. 31, und Urteil des Gerichts vom 25. März 1999 in der Rechtssache T-37/97, Forges de Clabecq/Kommission, Slg. 1999, II-0000, Randnr. 93). Dagegen ist sie durch nichts daran gehindert, gegen die endgültige Entscheidung einen rechtlichen Grund vorzubringen, der im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Forges de Clabecq/Kommission, Randnr. 93).

103 Die Kommission geht in Wirklichkeit von der unzutreffenden Annahme aus, daß das Prüfungsverfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages ein gegen einen endgültigen Rechtsakt gerichtetes Vorverfahren sei; tatsächlich aber soll dieses Verfahren die Kommission in die Lage versetzen, sich vor Erlaß ihrer Entscheidung umfassend über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten (vgl. in diesem Sinne Urteil British Airways u. a. und British Midland Airways/Kommission, Randnr. 58).

104 Im übrigen hat die Klägerin, wie aus einer Anlage zu ihrer Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz von HTM hervorgeht, im Prüfungsverfahren zumindest mitgeteilt, daß AT der HTM 1993 Kapital in Höhe von ungefähr 80 Mio. ECU (siehe oben, Randnr. 4) zum Abbau der Schulden von HTM zugeführt habe.

105 Folglich ist die Unzulässigkeitseinrede der Kommission gegen den ersten Teil des Klagegrundes abzuweisen.

- Begründetheit

106 Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe bei der Prüfung der Angemessenheit der Beihilfe die Beihilfen von ungefähr 80 Mio. ECU und von ungefähr 45 Mio. ECU nicht berücksichtigt, die AT der HTM 1993 gewährt habe (siehe oben, Randnr. 4). Zwar sei Artikel 92 des Vertrages vor dem Beitritt der Republik Österreich zu den Europäischen Gemeinschaften am 1. Januar 1995 nicht anwendbar gewesen, doch habe die Kommission übersehen, daß die Beihilfen nach Artikel VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) und Artikel 23 Absatz 1 Ziffer iii des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Österreich (ABl. 1972, L 300, S. 2) verboten gewesen seien. Daher seien die an HTM gezahlten Beihilfen in ihrer Gesamtheit unangemessen.

107 Hilfsweise macht die Klägerin geltend, daß die Kommission, hätte sie beide Beihilfezahlungen gemeinsam beurteilt, zu dem Ergebnis gelangt wäre, daß ein bestehendes Beihilfesystem im Sinne von Artikel 93 des Vertrages vorliege. Da das in dieser Vorschrift vorgesehene Prüfungsverfahren nicht beachtet worden sei, müsse die Entscheidung schon aus diesem Grund aufgehoben werden.

108 Die Kommission und die Streithelferinnen entgegnen im wesentlichen, daß weder Artikel 92 des Vertrages, der im maßgeblichen Zeitraum nicht anwendbar gewesen sei, noch die Bestimmungen des GATT und des Freihandelsabkommens die Kommission verpflichtet hätten, die vorgesehenen Verfahren bezüglich der Zahlungen von 1993 einzuleiten oder diese Zahlungen zu berücksichtigen. Selbst wenn die Zahlungen von 1993 als staatliche Beihilfen hätten bewertet werden können, seien sie als bestehende Beihilfen anzusehen und fielen als solche nicht unter das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages, sondern unter das Verfahren nach Artikel 1 dieser Vorschrift.

109 Zu dem Zeitpunkt, als die Kommission das streitige Prüfungsverfahren einleitete (siehe oben, Randnr. 15), konnten Artikel VI des GATT und Artikel 23 Absatz 1 Ziffer iii des Freihandelsabkommens nicht mehr die Rechtsgrundlage für die Prüfung der Vereinbarkeit der Kapitalzuführungen von AT an HTM mit dem Gemeinsamen Markt bilden. Im übrigen war Artikel VI des GATT, der Antidumping- und Ausgleichszölle betrifft, nicht einschlägig, und Artikel 23 Absatz 1 Ziffer iii des Freihandelsabkommens gab den Vertragsparteien lediglich eine Möglichkeit, gegen öffentliche Beihilfen einzuschreiten. Die Kommission konnte daher nicht gegen diese Vorschriften verstoßen.

110 Darüber hinaus kann die Klägerin nicht geltend machen, daß die 1993 und 1995 gezahlten Beihilfen zusammen ein bestehendes Beihilfesystem darstellten, da die Kapitalzuführungen von AT an HTM nicht aus allgemein angewandten nationalen Vorschriften resultieren.

111 Außerdem kann die Klägerin nicht behaupten, daß der Beihilfebetrag unangemessen sei, weil die Kommission die Zahlungen von 1993 nicht berücksichtigt habe. Um die Angemessenheit zu beurteilen, konnte die Kommission nämlich nur die Kapitalzuführungen berücksichtigen, die im Umstrukturierungsplan vorgesehen waren, für den sie die notwendige Gegenleistung und Unterstützung darstellten.

112 Zudem konnten die Zahlungen von 1993 und die ab April 1995 gewährten (siehe oben, Randnr. 7) und mit der Entscheidung genehmigten Kapitalzuführungen wegen des Zeitraums, der zwischen ihnen lag, nicht in ein und dieselbe Beurteilung der finanziellen Situation von HTM im Rahmen des Verfahrens zur Beihilfeprüfung einbezogen werden.

113 Dem ersten Teil des Klagegrundes ist daher kein Erfolg beschieden.

Zweiter Teil des Klagegrundes

114 Die Klägerin macht geltend, HTM habe trotz der Kapitalzuführungen von 1993 einen Verlustvortrag lukriert, aus dessen steuerlicher Verwertung sie einen weiteren Vorteil erzielt habe. Nach Nummer 3.2.2 Ziffer iii der Leitlinien seien aber etwaige, in Verbindung mit Verlusten bestehende Steuergutschriften zu löschen, sofern eine Beihilfe zur Begleichung von Schulden aus der Vergangenheit verwendet werde.

115 Die Kommission entgegnet, daß ein Verlustvortrag nur dann unzulässig sei, wenn er auf Beihilfen zurückzuführen sei. Vorliegend sei bereits ausgeschlossen, daß die beiden streitigen Kapitalzuführungen eine Beihilfe darstellten, oder diese sei, selbst wenn sie vorläge, nicht zu berücksichtigen.

116 Hierzu genügt der Hinweis, daß HTM in Beantwortung einer Frage des Gerichts unwidersprochen ausgeführt hat, daß sie aufgrund mangelnder steuerlicher Gewinne den Verlustvortrag aus dem Geschäftsjahr 1993 in den Geschäftsjahren 1994 bis 1997 nicht habe verwerten können.

117 Der zweite Teil des Klagegrundes ist folglich tatsächlich unzutreffend und vermag daher nicht durchzudringen.

Dritter Teil des Klagegrundes

118 Die Klägerin macht geltend, die Zahlung einer unzulässigen Beihilfe liege darin, daß das der HTM 1993 von AT gewährte Gesellschafterdarlehen von ungefähr 45 Mio. ECU im April 1995 in Eigenkapital umgewandelt worden sei (siehe oben, Randnrn. 4 bis 7). Sie entnimmt insoweit den Bilanzen von HTM, daß es sich um ein Darlehen gehandelt habe, das zwar nachrangig gewesen sei, aber dennoch eine Schuld des Darlehensnehmers begründet habe. Außer im Fall des Konkurses, der hier nicht vorliege, habe der Gläubiger einen Anspruch auf Erfuellung der Forderung. Die Schuld von HTM sei erst zum Zeitpunkt der Umwandlung des Darlehens in Eigenkapital gelöscht worden. Durch das - wenn auch bedingte - Erlöschen einer Rückzahlungsverpflichtung seien Mittel von AT an HTM übertragen worden.

119 Das Gesellschafterdarlehen war, sofern es als staatliche Beihilfe hätte gewertet werden müssen, von Anfang an unabhängig von seiner Einstufung in den Büchern von HTM ein nachrangiges Darlehen zur Ersetzung des Eigenkapitals von HTM. Wegen der starken Überschuldung von HTM zum Zeitpunkt der förmlichen Umwandlung des Darlehens in Eigenkapital war die Rückzahlung des Darlehens in Wirklichkeit ausgeschlossen; das Darlehen konnte somit nicht als Schuld von HTM gegenüber AT angesehen werden, deren Erlaß einen zusätzlichen tatsächlichen Vorteil dargestellt hätte.

120 Da in der Umwandlung des Darlehens in Eigenkapital ein Verzicht von AT auf Erfuellung einer nicht eintreibbaren Forderung lag, hat HTM folglich durch diese Umwandlung selbst nicht auf Kosten von AT einen wirtschaftlichen Vorteil durch Übertragung öffentlicher Mitteln erlangt.

121 Die Kommission hat somit keinen Rechtsfehler begangen, als sie bei der Beurteilung der Angemessenheit der Beihilfe davon ausging, daß diese Umwandlung keine staatliche Beihilfe war.

122 Dem dritten Teil des Klagegrundes ist somit kein Erfolg beschieden.

Vierter Teil des Klagegrundes

123 Die Klägerin macht geltend, durch die finanzielle Beihilfe werde de facto das gesamte Umstrukturierungsprogramm finanziert, so daß der Erwerber von HTM nur noch die alten Verbindlichkeiten abzuarbeiten habe. Ein privater Anteilseigner als Verkäufer hätte von Eliasch die Übernahme wesentlich größerer Risiken und eine deutlich höhere Eigenleistung gefordert. Die Kommission habe keine Beziehung zwischen der Leistung der Investoren, den Umstrukturierungskosten und der Beihilfehöhe hergestellt.

124 Die Kommission trägt, im wesentlichen unterstützt durch die Streithelfer, vor, daß die Beihilfe auf den für die Wiederherstellung der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit von HTM erforderlichen Betrag festgesetzt worden sei, daß die Beihilfe mit einem erheblichen Kapazitätsabbau einhergegangen sei und daß HTM weitere erhebliche Anstrengungen zu seiner finanziellen Sanierung unternehmen müsse.

125 Die direkten Umstrukturierungskosten, die von der Kommission in Nummer 8.2 der Entscheidung auf ungefähr 127 Mio. ECU veranschlagt wurden, bilden nur einen Teil der in Nummer 8.3 der Entscheidung genannten Gesamtkosten der Umstrukturierung von HTM.

126 Auf Fragen des Gerichts hat die Kommission geantwortet, daß zu den direkten Umstrukturierungskosten andere Ausgabenposten im Zusammenhang mit der finanziellen Umstrukturierung von HTM hinzukämen, wie z. B. Rationalisierungsinvestitionen, Rückzahlung und Umstrukturierung von Verbindlichkeiten.

127 Die Kommission hat weiter erläutert, daß die gesamten Umstrukturierungskosten aus vier verschiedenen Quellen finanziert würden, nämlich aus dem Kapitalzuschuß von Eliasch in Höhe von ungefähr 22 Mio. ECU (siehe oben, Randnr. 11), dem teilweisen Forderungs- und Zinsverzicht der Banken in Höhe von 47 Mio. ECU (siehe oben, Randnr. 14), der Beihilfe (ca. 118 Mio. ECU) (siehe oben, Randnr. 20) und schließlich dem Beitrag von HTM in Form von Eigenmitteln in Höhe von 36 % der gesamten Umstrukturierungskosten.

128 Demnach belaufen sich die Umstrukturierungskosten insgesamt auf mehr als 290 Mio. ECU, und die Beihilfe beträgt weniger als die Hälfte dieser Summe.

129 Daher vermag der vierte Teil des Klagegrundes nicht durchzudringen, da er auf tatsächlich unzutreffenden Annahmen beruht.

Fünfter Teil des Klagegrundes

130 Die Klägerin macht geltend, daß ein Verkauf von HTM ohne Beschäftigungsgarantien einen höheren Verkaufspreis gebracht und daß ein Privatinvestor dies angestrebt hätte. Insofern sei die Entscheidung mit einem Ermessensmißbrauch behaftet, da durch sie eine Beihilfe genehmigt werde, die aus beschäftigungspolitischen Gründen den unbedingt erforderlichen Betrag überschreite. Es wäre zu überlegen gewesen, ob nicht die Schließung oder Stillegung des gesamten Unternehmens die günstigste Option und daher das zulässige Vorgehen gewesen wäre.

131 Erstens ist das Verhalten eines Privatinvestors zwar ausschlaggebend für die Frage, ob eine staatliche Beihilfe vorliegt, es spielt aber keine Rolle bei der Beurteilung der Angemessenheit der Beihilfe.

132 Zweitens betrifft die Klausel über die Beschäftigungsgarantie, wie aus der Entscheidung hervorgeht, nur drei Werke von HTM, gilt zeitlich beschränkt und ermöglicht einen Abbau des Personals dieser Werke um 20 % bis 50 %. Jedenfalls läßt die Klägerin außer acht, daß HTM zusätzliche Zahlungen im Zusammenhang mit Kündigungen hätte leisten müssen, wenn mehr Personal abgebaut worden wäre.

133 Drittens hat die Kommission keinen offensichtlichen Fehler begangen, als sie davon ausging, daß das Verschwinden von HTM negative Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung einer Wettbewerbsstruktur auf dem Markt gehabt hätte. Daher ist die Frage, ob die Schließung oder Stillegung sämtlicher Standorte von HTM nicht weniger kostspielig gewesen wäre, irrelevant.

134 Dem fünften Teil des Klagegrundes ist somit kein Erfolg beschieden.

135 Demnach bleibt dem gesamten Klagegrund der Erfolg versagt.

136 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

137 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr auf die entsprechenden Anträge der Kommission und der Streithelferin HTM die Kosten dieser beiden Verfahrensbeteiligten aufzuerlegen.

138 Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Demnach trägt die Republik Österreich ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Zweite erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Kommission und der Streithelferin Head Tyrolia Mares.

3. Die Republik Österreich trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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