Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 27.06.1991
Aktenzeichen: T-120/89
Rechtsgebiete: EGKS


Vorschriften:

EGKS Art. 58 § 1
EGKS Art. 58 § 2
EGKS Art. 34 Abs. 1
EGKS Art. 34 Abs. 2
EGKS Art. 40
EGKS Art. 35 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Wird eine Entscheidung, deren Wirkung zeitlich genau festgelegt ist, durch Urteil aufgehoben, so ist die Kommission nach Artikel 34 EGKS-Vertrag verpflichtet, zum einen die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus diesem Urteil ergeben, und zwar nicht nur, was die aufgehobene Handlung angeht, sondern auch, was die ausdrücklichen oder stillschweigenden Rechtsakte angeht, die im wesentlichen denselben Inhalt wie die aufgehobene Handlung haben und die zwischen deren Wirksamwerden und dem Nichtigkeitsurteil ergangen sind, zum anderen, was die individuellen Entscheidungen betrifft, die Maßnahmen zu ergreifen, die die Nichtigerklärung der allgemeinen Entscheidung mit sich bringt, die sie durchführen. Eine Klage, mit der im Rahmen des Haftungsprozesses die Feststellung, daß diese späteren oder Durchführungshandlungen mit einem Fehler behaftet sind, sowie die Feststellung des aus ihnen erwachsenen Schadens begehrt wird, ist deshalb nicht deswegen unzulässig, weil es entgegen Artikel 34 EGKS-Vertrag an einer vorherigen Aufhebung durch den Gerichtshof fehlte.

2. Erhebt ein Unternehmen im Anschluß an ein Aufhebungsurteil gemäß Artikel 34 Absatz 2 EGKS-Vertrag Klage auf Schadensersatz, so ist diese nur zulässig, wenn der Gemeinschaftsrichter zuvor festgestellt hat, daß die aufgehobene Handlung mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet ist und dem Unternehmen einen unmittelbaren und besonderen Schaden zugefügt hat, und wenn die Kommission zum anderen nach dieser Feststellung über eine angemessene Frist verfügt hat, die geeigneten Maßnahmen für eine angemessene Wiedergutmachung des Schadens zu ergreifen und, soweit erforderlich, eine billige Entschädigung zu gewähren.

3. Aus Artikel 34 EGKS-Vertrag ergibt sich, daß die Nichtigerklärung einer Rechtsnorm der Kommission nicht genügt, um die Haftung der Gemeinschaft auszulösen. Aufgrund der Notwendigkeit, im Rahmen einer einheitlichen, wenn auch mit drei verschiedenen Verträgen errichteten Rechtsordnung die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts sowie die Kohärenz des Rechtsschutzsystems bestmöglich sicherzustellen, erscheint es im Falle der Rechtswidrigkeit einer Norm angemessen, den Begriff des die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehlers im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag im Lichte der Kriterien auszulegen, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag entwickelt hat.

4. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes musste die Kommission bei Erlaß der Entscheidungen, mit denen sie für bestimmte Unternehmen und bestimmte Erzeugnisse im Rahmen des Systems der Erzeugungs- und Lieferquoten für Stahl seit 1985 die Anpassung ablehnte, wissen, daß sie nicht befugt war, bei der Feststellung aussergewöhnlicher Schwierigkeiten die Lage bei anderen Erzeugnisgruppen zu berücksichtigen, und daß sie ihre Ablehnung daher nicht rechtmässig darauf stützen durfte, daß das Unternehmen insgesamt Gewinn erwirtschaftete. Die Schwere des Irrtums wird zudem dadurch vergrössert, daß sie ohne erkennbaren Grund ihre frühere Haltung aufgegeben und in mehreren Fällen Zusatzquoten gewährt hat, obwohl die begünstigten Unternehmen Gewinne erwirtschafteten; damit hat sie den Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsunternehmen offenkundig verletzt.

Weiter musste die Kommission nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes wissen, daß die Wirkung, die eine Beihilfe auf die Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens haben kann, kein brauchbares Kriterium zur Bestimmung der Beihilfen darstellt, die zur Deckung von Betriebsverlusten bestimmt sind. Da sie die Beihilfen zugunsten bestimmter Unternehmen als solche Beihilfen ansah und diesen folglich eine Quotenanpassung verweigerte, ist die irrige Auslegung des Begriffs der Betriebsverluste als nicht entschuldbar anzusehen. Nach alledem hat die Kommission die Grenzen ihres Ermessens bei der Durchführung des Erzeugungsquotensystems offenkundig und erheblich überschritten und folglich einen die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag begangen.

5. Die Kommission hat im Rahmen des Systems der Erzeugungs- und Lieferquoten für Stahl die ungünstige Relation zwischen den Liefer- und den Erzeugungsquoten einer Reihe von Unternehmen nicht angepasst, weil der Rat nicht zugestimmt habe, obwohl sie diese Änderung selbst für die Festsetzung angemessener Quoten für erforderlich hielt und obwohl sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes klar ergab, daß die Zustimmung des Rates nur für die Einführung des Erzeugungsquotensystems erforderlich war. Damit hat die Kommission die Grenzen des ihr im Rahmen der Durchführung des Erzeugungsquotensystems eingeräumten Ermessens offenkundig und erheblich überschritten und damit einen die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag begangen.

6. Ein Unternehmen, das im Rahmen des Systems der Erzeugungs- und Lieferquoten für Stahl aufgrund der rechtswidrigen, fehlerbehafteten Weigerung der Kommission, seine Lieferquoten anzupassen, gezwungen ist, einen erheblichen Teil seiner Erzeugung auf Drittlandsmärkten zu nicht gewinnbringenden Konditionen abzusetzen, erleidet einen unmittelbaren Schaden im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag. Dabei handelt es sich auch um einen besonderen Schaden im Sinne dieser Bestimmung, wenn feststeht, daß das Unternehmen zu einer beschränkten, abgrenzbaren Zahl von Unternehmen gehört, die die Opfer einer nicht gerechtfertigten Verletzung der Gleichbehandlung der Wirtschaftsunternehmen sind und die einen Schaden erlitten haben, der die wirtschaftlichen Risiken übersteigt, die eine Betätigung in dem betroffenen Wirtschaftszweig mit sich bringt.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 27. JUNI 1991. - STAHLWERKE PEINE-SALZGITTER AG GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - EGKS - AUSSERVERTRAGLICHE HAFTUNG DER GEMEINSCHAFT. - RECHTSSACHE T-120/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Im Rahmen der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84/EGKS der Kommission vom 31. Januar 1984 (ABl. L 29, S. 1) zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie für die Jahre 1984 und 1985 setzte die Kommission für jedes Unternehmen die vierteljährlichen Erzeugungsquoten und den Teil dieser Quoten, der innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden durfte (Lieferquoten), auf der Grundlage der in dieser Entscheidung festgelegten Vergleichsproduktionen und -mengen durch Anwendung bestimmter vierteljährlich festgesetzter prozentualer Kürzungssätze auf diese Vergleichsproduktionen und -mengen fest.

2 Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 bestimmt unter anderem:

"Wenn aufgrund des Umfangs der für ein Quartal festgelegten Kürzungsrate für eine bestimmte Erzeugnisgruppe das Quotensystem aussergewöhnliche Schwierigkeiten für ein Unternehmen verursacht, das in den zwölf Monaten vor dem fraglichen Quartal

- keine von der Kommission genehmigten Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten erhalten hat,

- mit keinen Sanktionen in bezug auf die Preisvorschriften belegt worden ist oder die fälligen Geldbussen gezahlt hat,

nimmt die Kommission... eine angemessene Anpassung der Quoten und/oder der Quotenteile vor, die bei der oder den fraglichen Erzeugnisgruppen innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden dürfen..."

3 In Kenntnis der Schwierigkeiten, die die Klägerin, ein Unternehmen der deutschen Stahlindustrie, wegen des Verhältnisses zwischen ihrer Erzeugungsquote und ihrer Lieferquote (sogenannte I:P-Relation) hatte, nahm die Kommission auf Antrag der Klägerin für das zweite, das dritte und das vierte Quartal 1984 aufgrund von Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 eine Anpassung der Lieferquote vor. Jedoch lehnte es die Kommission in einer Entscheidung vom 11. Juni 1985 ab, der Klägerin Quotenanpassungen für die ersten beiden Quartale 1985 zu gewähren, weil die Behörden der Bundesrepublik Deutschland der Klägerin im vierten Quartal 1984 von der Kommission genehmigte Strukturverbesserungsbeihilfen für Sonderabschreibungen gewährt hätten. Diese Strukturverbesserungsbeihilfen seien als Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten einzustufen, die nach Artikel 14 einer Gewährung von Zusatzquoten nach dieser Bestimmung entgegenstuenden. Die Kommission stellte ausserdem fest, daß keine "aussergewöhnlichen Schwierigkeiten" im Sinne von Artikel 14 mehr vorlägen, da die Betriebsergebnisse der Klägerin seit dem vierten Quartal 1984 insgesamt positiv gewesen seien.

4 Mit Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 (Stahlwerke Peine-Salzgitter AG/Kommission, Slg. 1988, 4145) hob der Gerichtshof die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985 insoweit auf, als es mit ihr abgelehnt wurde, die Lieferquoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 anzupassen.

5 Der Gerichtshof stellte zunächst fest, daß die Klägerin insbesondere Walzstahl der Erzeugnisgruppe III produziere, der damals 16 % ihrer Gesamtproduktion ausgemacht habe. Bei dieser Erzeugnisgruppe sei die I:P-Relation für die Klägerin zur damaligen Zeit ungewöhnlich ungünstig gewesen.

6 Der Gerichtshof führte dann aus, bei der Feststellung, ob aussergewöhnliche Schwierigkeiten vorlägen, dürfe die Kommission nicht auf die Lage des Unternehmens insgesamt abstellen, sondern nur auf die Lage bei bestimmten Erzeugnisgruppen, die Gegenstand einer hohen Kürzungsrate seien; die Kommission dürfe daher ihre Weigerung, die Quoten nach Artikel 14 anzupassen, nicht mit dem Umstand begründen, daß das Unternehmen insgesamt Gewinn erwirtschafte. Der Gerichtshof stellte weiter fest, die streitigen Beihilfen, die aufgrund eines besonders förderungswürdigen Umstrukturierungsprogramms gewährt worden und zurückzuzahlen seien, wenn das Unternehmen die Stillegung oder die Verminderung der Auslastung rückgängig mache, seien keine Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne des Artikels 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84.

7 Unabhängig von dem Ablauf des Verfahrens vor dem Gerichtshof brachte die Kommission in Kenntnis der aussergewöhnlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Klägerin sowie anderer Stahlunternehmen mehrfach ihre Absicht zum Ausdruck, vor einer Verlängerung des Quotensystems um weitere zwei Jahre die Frage dieser I:P-Relation zu überprüfen. Nach Anhörung des Beratenden Ausschusses der EGKS ersuchte sie den Rat um Zustimmung zu entsprechenden neuen Vorschriften. Der Rat stimmte der Anpassung der I:P-Relation jedoch nicht zu.

8 Daraufhin erließ die Kommission am 27. November 1985 die allgemeine Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie (ABl. L 340, S. 5) für die Jahre 1986 und 1987. Diese Entscheidung sah keine Anpassung der I:P-Relation vor, wie sie die Kommission selbst dem Rat vorgeschlagen hatte. Nach Artikel 5 dieser Entscheidung setzte die Kommission für jedes Unternehmen die vierteljährlichen Erzeugungs- und Lieferquoten auf der Grundlage der durch diese Entscheidung festgelegten Vergleichsproduktionen und -mengen durch Anwendung bestimmter vierteljährlich festgesetzter prozentualer Kürzungssätze auf diese Vergleichsproduktionen und -mengen fest.

9 In Anwendung dieser Bestimmung richtete die Kommission am 30. Dezember 1985 und am 21. März 1986 je eine individuelle Entscheidung an die Klägerin, mit denen deren Lieferquoten für die Erzeugnisgruppen I a, I b, I c und III für das erste beziehungsweise das zweite Quartal 1986 festgesetzt wurden.

10 Mit einem weiteren Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Stahlwerke Peine-Salzgitter AG und Hoogovens Gröp BV/Kommission, Slg. 1988, 4332) erklärte der Gerichtshof Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS für nichtig.

11 Der Gerichtshof stellte fest, daß die Klägerin Stahlwerke Peine-Salzgitter AG unter anderem Erzeugnisse der Gruppen I a, I b, I c und III herstelle; in diesen Gruppen sei die I:P-Relation im streiterheblichen Zeitraum ungewöhnlich ungünstig gewesen.

12 In den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) hatte der Gerichtshof die Frage zu entscheiden, ob die Kommission bei einer Änderung der I:P-Relation zur Einholung der Zustimmung des Rates verpflichtet war oder ob sie im Gegenteil allein hätte handeln müssen, was sie nicht getan hatte.

13 Der Gerichtshof prüfte zunächst Artikel 58 §§ 1 und 2 EGKS-Vertrag sowie die einschlägige Rechtsprechung und stellte dann fest, daß die Kommission das ihr durch den EGKS-Vertrag eingeräumte Ermessen entgegen seinem gesetzlichen Zweck ausüben und damit mißbrauchen würde, wenn sie zu Unrecht auf das für die Einführung des Quotensystems vorgesehene Verfahren zurückgriffe und es dadurch unterließe, ihre eigene Zuständigkeit zum Erlaß der Vorschriften auszuüben, deren es ihrer Ansicht nach bedürfe, um die Angemessenheit der Quoten zu gewährleisten.

14 Er kam zu dem Ergebnis, die Kommission habe in dem betreffenden Fall dadurch, daß sie die von ihr selbst für die Festsetzung angemessener Quoten gemäß Artikel 58 § 2 EGKS -Vertrag für erforderlich erachtete Änderung der I:P-Relation nicht vorgenommen habe, ein anderes Ziel verfolgt, als es diese Bestimmung ihr vorschreibe, und damit gegenüber der Klägerin einen Ermessensmißbrauch begangen. Der Gerichtshof erklärte daher Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 insoweit für nichtig, als er es der Kommission nicht gestattete, von ihr als angemessen angesehene Lieferquoten für die Unternehmen festzusetzen, bei denen das Verhältnis zwischen den Produktionsquoten und den jeweiligen Lieferquoten erheblich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt lag.

15 Die an die Klägerin gerichteten individuellen Entscheidungen der Kommission vom 30. Dezember 1985 und vom 21. März 1986, die zum Teil auf Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 gestützt und deren Aufhebung ebenfalls beantragt worden war, hob der Gerichtshof mit demselben Urteil auf.

16 Der Gerichtshof hat somit zum einen mit Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 (Peine-Salzgitter) die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985 insoweit aufgehoben, als es dort abgelehnt wurde, die Quoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 anzupassen; er hat zum anderen mit Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 der Kommission für nichtig erklärt und die an die Klägerin gerichteten individuellen Entscheidungen der Kommission vom 30. Dezember 1985 und vom 21. März 1986 insoweit aufgehoben, als durch sie die Lieferquoten der Klägerin für das erste und das zweite Quartal 1986 festgesetzt worden waren.

17 Hingegen hat der Gerichtshof weder die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985 insoweit, als mit ihr die Anpassung der Quoten der Klägerin für das zweite Quartal 1985 abgelehnt wurde, noch die stillschweigenden Entscheidungen der Kommission, mit denen die Anpassung der Quoten der Klägerin für das dritte und das vierte Quartal 1985 abgelehnt worden war, aufgehoben. Dasselbe gilt für die individuellen Entscheidungen, die die Kommission am 5. August 1986, am 28. November 1986, am 5. März 1987, am 9. Juni 1987, am 12. August 1987, am 3. Dezember 1987, am 11. März 1988 und am 6. Juni 1988 an die Klägerin gerichtet hatte, soweit mit diesen die Lieferquoten der Klägerin für die letzten beiden Quartale 1986, für die vier Quartale 1987 und für die ersten beiden Quartale 1988 festgesetzt wurden.

18 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin schon kurz nach Verkündung der beiden Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 versuchte, gemäß Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag eine angemessene Wiedergutmachung oder eine billige Entschädigung für den ihr durch die rechtswidrigen Entscheidungen der Kommission entstandenen Schaden zu erhalten. Hierzu wandte sich der Vorstandsvorsitzende der Klägerin schon am 12. August 1988 unmittelbar an den Vizepräsidenten der Kommission Narjes. Am 21. September 1988 fand ein Gespräch zwischen Mitarbeitern der Klägerin und Dienststellen der Kommission statt. Der Vertreter der Kommission Dr. Kutscher erklärte dabei, die Kommission könne nicht einmal für einen Teil des der Klägerin entstandenen Schadens Wiedergutmachung leisten, weil das Quotensystem am 30. Juni 1988 ausgelaufen sei und der Kommission die für einen finanziellen Ausgleich erforderlichen Mittel nicht mehr zur Verfügung stuenden. Der Vorstandsvorsitzende der Klägerin schrieb daraufhin unter dem 5. Dezember 1988 nochmals an den Vizepräsidenten der Kommission und wies darauf hin, daß die Klägerin aus aktien- und haushaltsrechtlichen Gründen auf ihren Ersatzanspruch nicht verzichten könne und ihn notfalls vor dem Gerichtshof einklagen müsse. Am 9. Dezember 1988 fand ein weiteres Gespräch zwischen Mitarbeitern der Klägerin und der Generaldirektion III der Kommission statt, bei dem Dr. Kutscher betonte, nur ein Urteil des Gerichtshofes könne die Kommission zum Ersatz des von der Klägerin geltend gemachten Schadens bewegen.

19 In einem Schreiben vom 28. Dezember 1988 teilte Dr. Kutscher der Klägerin mit, daß sich ihre I:P-Relation am 1. Januar 1986 unter Berücksichtigung der aus den Urteilen des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 zu ziehenden Folgerungen auf 65,8 Prozentpunkte belaufen hätte. Er vertrat die Auffassung, eine sich auf die folgenden Quartale beziehende Berechnung der Referenzen und Quoten der Klägerin unter Berücksichtigung der vorgenannten Urteile sei nicht möglich. Schließlich schlug er vor, daß die Kommission auf die Verfolgung angeblicher Quotenüberschreitungen der Klägerin im dritten und vierten Quartal 1986 verzichte. Im Gegenzug solle sich die Klägerin verpflichten, im Zusammenhang mit den Urteilen des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 keine neue Klage gegen die Kommission zu erheben.

20 Da weitere Verhandlungen zwischen den Parteien kein Ergebnis brachten, teilte die Klägerin der Kommission mit, sie gehe davon aus, daß die in Artikel 34 Absatz 2 EGKS-Vertrag genannte "angemessene Frist" Anfang April 1989 ende, und beabsichtige, eine Schadensersatzklage beim Gerichtshof einzureichen, falls die Kommission ihr bis dahin kein ausreichendes Angebot zum Schadensausgleich unterbreite.

21 Die Kommission entsprach diesem Begehren nicht.

22 Mit Urteil vom 14. Juni 1989 in den verbundenen Rechtssachen 218/87 und 223/87 sowie 72/88 und 92/88 (Hoogovens Gröp BV u. a./Kommission, Slg. 1989, 1711) erklärte der Gerichtshof Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 194/88/EGKS der Kommission vom 6. Januar 1988 zur Verlängerung des Systems der Überwachung und der Erzeugungsquoten für bestimmte Erzeugnisse der Unternehmen der Stahlindustrie (ABl. L 25, S. 1) für das erste Halbjahr 1988 für nichtig, der mit Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 wörtlich übereinstimmte und auf den die individuellen Entscheidungen der Kommission für das erste und das zweite Quartal 1988 gestützt waren.

Verfahren

23 Mit Schriftsatz, der am 3. Juli 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingereicht wurde, hat die Klägerin die vorliegende Klage gegen die Kommission erhoben. Sie begehrt von der Kommission gemäß Artikel 34 EGKS-Vertrag, hilfsweise gemäß Artikel 40 EGKS-Vertrag, Schadensersatz, weil diese nicht innerhalb einer angemessenen Frist die Maßnahmen ergriffen habe, die sich aus den beiden Nichtigkeitsurteilen des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 ergäben.

24 Die Klägerin macht geltend, die vom Gerichtshof aufgehobenen beziehungsweise für nichtig erklärten rechtswidrigen Entscheidungen der Kommission seien mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet. Sie setzt den ihr aufgrund dieser rechtswidrigen Entscheidungen entstandenen besonderen finanziellen Schaden mit 73 065 405 DM Kapital an. Im Laufe des Verfahrens hat sie ihren Antrag auf 77 603 528 DM Kapital erhöht. Der ihr entstandene Schaden soll in der Differenz zwischen den Erlösen, die sie erzielt hätte, wenn ihr die Kommission rechtmässig eine höhere Lieferquote für den Gemeinschaftsmarkt zugeteilt hätte, auf dem die Preise höher gewesen seien, und den Erlösen bestehen, die sie tatsächlich erzielt habe, weil sie gezwungen gewesen sei, einen erheblichen Teil ihrer Produktion zu niedrigen Preisen in Drittländer zu verkaufen.

25 Der Gerichtshof hat die Rechtssache mit Beschluß vom 15. November 1989 gemäß Artikel 14 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften an dieses verwiesen.

26 Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme eröffnet. Bei diesem Verfahrensstand hat der Präsident des Gerichts einen Generalanwalt benannt.

27 Die Parteien haben in der Sitzung vom 19. September 1990 verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Der Generalanwalt hat seine Schlussanträge am 30. Januar 1991 schriftlich dem Kanzler des Gerichts übergeben.

28 Die Klägerin beantragt,

1) festzustellen, daß folgende Entscheidungen der Kommission mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet sind:

a) Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985, soweit er es der Kommission nicht gestattet, von ihr als angemessen angesehene Lieferquoten für die Unternehmen festzusetzen, bei denen das Verhältnis der jeweiligen Lieferquote zu den Produktionsquoten erheblich unter dem Gemeinschaftsdurchschnitt lag;

b) die an die Klägerin gerichteten individuellen Entscheidungen der Kommission vom 30. Dezember 1985 und vom 21. März 1986, soweit durch sie die Lieferquoten der Klägerin für die Erzeugnisgruppen I a, I b, I c und III für das erste und das zweite Quartal 1986 festgesetzt wurden;

c) die an die Klägerin gerichteten individuellen Entscheidungen, durch die die Lieferquoten der Klägerin für die Erzeugnisgruppen I a, I b, I c und III für das dritte Quartal 1986 sowie alle nachfolgenden Quartale bis einschließlich dem zweiten Quartal 1988 festgesetzt wurden;

d) die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985, mit denen diese es abgelehnt hat, die Quoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84/EGKS anzupassen;

e) die nachfolgenden Entscheidungen der Kommission, mit denen diese es ablehnte, die Quoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für das zweite, dritte und vierte Quartal 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84/EGKS anzupassen;

2) die Kommission zu verurteilen, an die Klägerin 77 603 528 DM sowie bis zum Ablauf des Quotensystems (30. Juni 1988) aufgelaufene Zinsen zuzueglich 6 % Zinsen seit dem 1. Juli 1988 zu zahlen;

3) der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

29 Die Beklagte beantragt,

1) die Klage abzuweisen,

2) die Klägerin in die Kosten zu verurteilen.

Zulässigkeit

30 Die Beklagte hält die Klage nach Artikel 34 EKGS-Vertrag aus zwei Gründen für unzulässig: Zum einen fehle es an vorherigen Nichtigkeitsurteilen, zum anderen an einer vorherigen Entscheidung des Gerichtshofes, mit der ein die Haftung der Gemeinschaft begründender Fehler festgestellt sei.

Das Fehlen vorheriger Nichtigkeitsurteile

31 Die Beklagte macht geltend, die auf Artikel 34 EGKS-Vertrag gestützte Schadensersatzklage sei unzulässig, soweit sie die individuellen Entscheidungen für das zweite, das dritte und das vierte Quartal 1985, das dritte und das vierte Quartal 1986, alle Quartale 1987 sowie das erste und das zweite Quartal 1988 betreffe, da diese Entscheidungen vom Gerichtshof nicht zuvor für nichtig erklärt worden seien.

32 Eine Klage nach Artikel 34 EGKS-Vertrag sei nämlich nur zulässig, wenn zuvor eine Nichtigerklärung nach Artikel 33 EGKS-Vertrag ausgesprochen worden sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juni 1986 in den Rechtssachen 81/85 und 119/85, Usinor/Kommission, Slg. 1986, 1777).

1. Die letzten drei Quartale 1985

33 Die Beklagte bringt vor, die Voraussetzung einer vorherigen Nichtigerklärung sei für die letzten drei Quartale 1985 nicht erfuellt, da weder gegen die allgemeine Entscheidung Nr. 234/84 noch gegen die zu ihrer Durchführung ergangenen individuellen Entscheidungen für diese drei Quartale Nichtigkeitsklage erhoben worden sei.

34 Die Klägerin räumt ein, daß grundsätzlich ein Nichtigkeitsurteil Voraussetzung für die Erhebung einer Klage gemäß Artikel 34 EGKS-Vertrag sei; das Fehlen solcher Entscheidungen stelle jedoch im vorliegenden Fall wegen ausdrücklicher schriftlicher Zusicherungen der Kommission gegenüber der Klägerin kein Sachurteilshindernis dar.

35 Die Klägerin nimmt insoweit auf einen Briefwechsel zwischen den Parteien Bezug, der unter anderem folgenden Inhalt hat:

- Schreiben von Rechtsanwalt Sedemund an die Kommission vom 11. Juli 1985:

"Nachdem die Frist für die nunmehr anstehende Klage gegen die ablehnende Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985 für das II. Quartal 1985 in Kürze abläuft, möchten wir Ihnen gegenüber diesen Vorschlag wie folgt präzisieren:

1. Unsere Mandantin verzichtet auf die Erhebung der Klage gegen die ablehnende Entscheidung vom 11. Juni 1985 für das II. Quartal 1985, sofern die Kommission verbindlich zusagt, nach Vorliegen des Urteils des Gerichtshofes in der derzeit anhängigen Rechtssache 103/84 [richtig: Rechtssache 103/85] den Antrag unserer Mandantin auf eine Quotenanpassung nach Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84 für das II. Quartal 1985 kurzfristig nach Maßgabe der Entscheidungsgründe dieses Urteils neu zu bescheiden.

2. Wenn die Kommission ihre Entscheidung über die Anträge unserer Mandantin nach Artikel 14 der Entscheidung Nr. 234/84/EGKS für das III. und IV. Quartal 1985 bis zum Vorliegen des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache 103/84 [richtig: Rechtssache 103/85] zurückstellt und verbindlich zusagt, die Anträge dann kurzfristig nach Maßgabe der Urteilsgründe zu bescheiden, wird unsere Mandantin davon absehen, innerhalb der mit der Einreichung ihrer Anträge beginnenden Klagefrist nach Artikel 35 Absatz 3 EGKSV Untätigkeitsklage zu erheben."

- Antwortschreiben von Professor Dr. Wägenbaur an Rechtsanwalt Sedemund vom 12. Juli 1985:

"1. Sobald das Urteil in der Rechtssache 103/84 [richtig: Rechtssache 103/85] vorliegt, wird die Kommission unverzueglich die Konsequenzen daraus ziehen und eine entsprechende Entscheidung erlassen um gegebenenfalls ihre bisherigen Bescheide zu revidieren. Dies bringt im übrigen nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck.

2. Auf Ihren ausdrücklichen Wunsch wird die Kommission die formellen Entscheidungen über die Anträge nach Artikel 14 ab dem III. Quartal 1985 zurückstellen, bis das Urteil in der Rechtssache 103/85 vorliegt."

36 Die Klägerin trägt vor, sie habe im Vertrauen darauf, daß sich die Kommission ihr gegenüber verpflichtet habe, unverzueglich die Konsequenzen aus dem vom Gerichtshof in der Rechtssache 103/85 (Quartal I/85) für die auf das erste Quartal 1985 folgenden Quartale zu erlassenden Urteil zu ziehen, auf die Erhebung weiterer Nichtigkeitsklagen verzichtet. Die von den Parteien getroffene Vereinbarung habe bezweckt, weitere Nichtigkeitsklagen für diese Quartale zu vermeiden, da sie wegen identischer Streitgegenstände nicht notwendig gewesen wären. Die Klägerin räumt aber ein, daß die Parteien in ihren schriftlichen Äusserungen die Möglichkeit einer Schadensersatzleistung nicht ausdrücklich angesprochen haben.

37 Es sei völlig klar gewesen, daß die Beklagte die Verpflichtung eingegangen sei, sich in bezug auf die auf das erste Quartal 1985 folgenden Quartale so zu verhalten, als ob Nichtigkeitsurteile ergangen wären, und zwar sowohl im Hinblick auf eine Wiedergutmachung im Rahmen des Quotensystems als auch im Hinblick auf Schadensersatz in Geld. Eine andere Interpretation sei nach dem Wortlaut der Vereinbarung nicht möglich.

38 Die Klägerin wirft der Beklagten in diesem Zusammenhang vor, ihr berechtigtes Vertrauen zu verletzen, indem sie im Widerspruch zu den gegebenen Zusagen das Fehlen vorheriger Nichtigkeitsurteile als Unzulässigkeitsgrund geltend mache.

39 Schließlich ergebe sich aus dem Schriftwechsel zwischen den Parteien, daß sie eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung abgeschlossen hätten, in der sie übereingekommen seien, die Rechtsfolgen des Artikels 34 EGKS-Vertrag auch auf die Quartale zu erstrecken, für die die Quotenentscheidungen nicht angegriffen worden seien. Falls ihr Schadensersatzanspruch nicht unmittelbar aus Artikel 34 EGKS-Vertrag abzuleiten wäre, ergebe er sich also unmittelbar aus dieser Vereinbarung.

40 Die Beklagte hält dem entgegen, sie habe, da die Klägerin nur eine Anpassung der Quoten nach Maßgabe des vom Gerichtshof zu erlassenden Urteils begehrt habe, sich darauf beschränkt, in ihrem Schreiben darauf hinzuweisen, daß die versprochenen Konsequenzen nur aus der Zuteilung einer für die Klägerin günstigeren Quote bestehen würden. Die Kommission habe in der Tat Mitte des Jahres 1985 geplant, das Quotensystem vom 1. Januar 1986 an noch drei Jahre bestehen zu lassen und danach eventuell ein freiwilliges System nach Artikel 46 EGKS-Vertrag anzuschließen. Deshalb seien beide Parteien unausgesprochen von der Möglichkeit ausgegangen, eventuellen Ansprüchen der Klägerin durch günstigere Quoten nachkommen zu können. Da die Quotenregelung zur Zeit dieses Schriftwechsels noch gegolten habe, seien die Parteien nämlich davon ausgegangen, daß das Urteil des Gerichtshofes vor dem Ablauf dieser Regelung am 30. Juni 1988 ergehen werde. Eine Leistung von Schadensersatz sei von den Parteien zu keinem Zeitpunkt ins Auge gefasst worden.

41 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 10. Juni 1986 in den verbundenen Rechtssachen 81/85 und 119/85, Usinor) ist eine Haftungsklage nach Artikel 34 EGKS-Vertrag erst nach Aufhebung der Entscheidung zulässig, die den Schaden angeblich verursacht hat, und nachdem feststeht, daß die Kommission nicht gewillt ist, die erforderlichen Maßnahmen zur Wiedergutmachung des festgestellten Rechtsverstosses zu ergreifen.

42 Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß gegen die individuelle Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985, soweit sie sich auf das zweite Quartal 1985 bezog, keine Nichtigkeitsklage nach Artikel 33 EGKS-Vertrag erhoben wurde. Gegen die stillschweigenden ablehnenden Entscheidungen für die letzten beiden Quartale 1985, die dem Schweigen auf die klägerischen Anträge zu entnehmen sind, die sich aus dem oben wiedergegebenen Briefwechsel ergeben und die die Kommission nicht bestreitet, wurde keine Nichtigkeitsklage nach Artikel 35 EGKS-Vertrag erhoben. Wie die Kommission zugesteht, sind diese Entscheidungen aus denselben Gründen rechtswidrig wie die Entscheidung vom 11. Juni 1985, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 hinsichtlich des ersten Quartals 1985 aufgehoben hat.

43 In einem Urteil vom 26. April 1988 in den verbundenen Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86 (Asteris u. a. und Griechische Republik/Kommission, Slg. 1988, 2181, Randnrn. 29 f.) hat der Gerichtshof die Verpflichtungen näher bestimmt, die sich aus einer Nichtigerklärung für das Organ ergeben, das die für nichtig erklärte Handlung erlassen hat. Er hat festgestellt, daß im Falle der Nichtigerklärung einer Entscheidung, deren Wirkung zeitlich genau festgelegt ist, "das erlassende Organ zunächst verpflichtet [ist], in die neuen, nach dem Nichtigkeitsurteil zu erlassenden [Bestimmungen]... keine Bestimmung aufzunehmen, die mit der für rechtswidrig erklärten Bestimmung inhaltsgleich ist", und daß "kraft der Rückwirkung von Nichtigkeitsurteilen... die Feststellung der Rechtswidrigkeit... ab dem Inkrafttreten der für nichtig erklärten [Bestimmung] wirkt". Hieraus hat er gefolgert, "daß das betroffene Organ auch verpflichtet war, aus den im Zeitpunkt des Nichtigkeitsurteils bereits erlassenen [Bestimmungen]... die Bestimmungen zu streichen, die mit der für rechtswidrig erklärten Bestimmung inhaltsgleich waren".

44 Die Umstände des vorliegenden Falles entsprechen für die vier Quartale 1985 denen, die den verbundenen Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86 (Asteris u. a. und Griechische Republik) zugrunde lagen. In beiden Fällen steht man vor Rechtsnormen mit allgemeiner Geltung, deren Rechtmässigkeit nicht im Streit steht und die als Rechtsgrundlage für wiederholte - ausdrückliche oder stillschweigende - Durchführungsmaßnahmen von begrenzter Geltungsdauer dienen, von denen nur eine vom Gerichtshof aufgehoben wurde.

45 In den verbundenen Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86 (Asteris u. a. und Griechische Republik) hatte der Gerichtshof über Verordnungen der Kommission für jeweils ein Wirtschaftsjahr zu erkennen, die zur Durchführung einer in ihrer Rechtmässigkeit nicht bestrittenen Verordnung des Rates erlassen worden waren. Der Gerichtshof hatte die Verordnung der Kommission für eines der fraglichen Wirtschaftsjahre bereits in einem ersten Urteil für nichtig erklärt. Er hat dann in einem zweiten Urteil entschieden, die Kommission sei nach Artikel 176 EWG-Vertrag verpflichtet, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen nicht nur hinsichtlich der für nichtig erklärten Verordnung, sondern auch hinsichtlich der - nicht mit einer Nichtigkeitsklage angegriffenen - Verordnung für das Wirtschaftsjahr zu ergreifen, das zwischen demjenigen, für das die Verordnung für nichtig erklärt worden war, und dem Nichtigkeitsurteil lag.

46 Im vorliegenden Fall ist die Frage zu entscheiden, ob die Kommission gemäß Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag gehalten ist, die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen hinsichtlich des zweiten, des dritten und des vierten Quartals 1985 zu ergreifen. Von diesen Quartalen ist für das zweite eine ausdrückliche ablehnende Entscheidung ergangen, für das dritte und das vierte jeweils eine stillschweigende; diese Entscheidungen haben im wesentlichen denselben Inhalt wie die mit Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 (Peine-Salzgitter) aufgehobene Entscheidung; sie sind nach dem Wirksamwerden der aufgehobenen Entscheidung und vor dem Nichtigkeitsurteil ergangen.

47 Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 26. April 1988 in den verbundenen Rechtssachen 97/86, 193/86, 99/86 und 215/86 (Asteris u. a. und Griechische Republik) sind dem aufgehobenen Rechtsakt für die Anwendung des Artikels 176 EWG-Vertrag die ausdrücklichen oder stillschweigenden Rechtsakte gleichzustellen, die im wesentlichen denselben Inhalt wie der aufgehobene Akt haben und die zwischen dessen Wirksamwerden und dem Nichtigkeitsurteil ergangen sind. Diese Lösung ist auf die Anwendung des Artikels 34 EGKS-Vertrag zu erstrecken, da dieser ähnlich wie Artikel 176 EWG-Vertrag die Verpflichtung des Organs beschreibt, das die für nichtig erklärte Handlung erlassen hat, nämlich die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen.

48 Die Beklagte hat sich in ihrem Schreiben vom 12. Juli 1985 der Klägerin gegenüber verpflichtet, unverzueglich die Konsequenzen aus etwaigen Nichtigkeitsurteilen des Gerichtshofes zu ziehen und ihre bisherigen Bescheide gegebenenfalls zu revidieren. Mit den Worten, dies bringe nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, hat die Beklagte ausdrücklich anerkannt, daß sie seit dem 12. Juli 1985 ihre Verpflichtung kannte, gemäß Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag die sich aus solchen Nichtigkeitsurteilen ergebenden Maßnahmen nicht nur hinsichtlich des aufgehobenen Rechtsakts, sondern auch hinsichtlich späterer Rechtsakte zu ergreifen, die im wesentlichen denselben Inhalt wie der aufgehobene Akt hatten.

49 Hinsichtlich des auf Artikel 34 EGKS-Vertrag gestützten Antrags ist die erste Unzulässigkeitsrüge folglich insoweit zurückzuweisen, als sie die individuellen Entscheidungen für die letzten drei Quartale 1985 betrifft.

2. Die letzten beiden Quartale 1986, 1987 und die ersten beiden Quartale 1988

50 Die Beklagte macht geltend, die Klage sei für die letzten beiden Quartale 1986, sämtliche Quartale 1987 sowie im wesentlichen für die ersten beiden Quartale 1988 unzulässig, weil die individuellen Entscheidungen, mit denen die Quoten für diese Quartale festgesetzt worden seien, nicht gerichtlich angefochten worden seien.

51 Diese Entscheidungen würden nicht dadurch berührt, daß Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85, der ihre Rechtsgrundlage bilde, später für nichtig erklärt worden sei. Die fraglichen individuellen Entscheidungen seien nämlich mit Ablauf der Monatsfrist des Artikels 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag bestandskräftig geworden; sie seien damit unabhängig vom Schicksal der allgemeinen Entscheidung, die ihnen zugrunde liege, und zwar aus Gründen der Rechtssicherheit und des Grundsatzes der Bestandskraft, die es nicht zuließen, daß die Bestandskraft über den Weg einer Schadensersatzklage, die nach Ablauf der Ausschlußfrist des Artikels 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag erhoben werde, beiseite geschoben werde. Im übrigen habe der Gerichtshof in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) nicht nur die allgemeine Entscheidung Nr. 3485/85 für nichtig erklärt, sondern auch die individuellen Entscheidungen vom 30. Dezember 1985 und vom 21. März 1986 aufgehoben, die sich auf die ersten beiden Quartale 1986 bezogen hätten.

52 Die Klägerin räumt ein, daß grundsätzlich ein Nichtigkeitsurteil Voraussetzung für die Erhebung einer Klage gemäß Artikel 34 EGKS-Vertrag sei, wiederholt aber, daß das Fehlen solcher Urteile im vorliegenden Fall wegen ausdrücklicher schriftlicher Zusicherungen der Kommission gegenüber der Klägerin kein Sachurteilshindernis darstelle.

53 Sie nimmt insoweit auf einen zweiten Briefwechsel zwischen den Parteien Bezug, der unter anderem folgenden Inhalt hat:

- Schreiben von Rechtsanwalt Sedemund an die Kommission vom 23. April 1986:

"Die Kommission hat bekanntlich auch in der am 3. April 1986 zugestellten individuellen Entscheidung vom 21. März 1986 [SG(86) D/3433] über die Festsetzung der Produktions- und Lieferquoten für das II. Quartal 1986 die I:P-Relation nicht geändert. Deshalb müsste vorsorglich auch für dieses Quartal eine vom materiellen Inhalt her mit der Klage in der Rechtssache 44/86 identische Klage anhängig gemacht werden, um die Entscheidung vom 21. März 1986 nicht bestandskräftig werden zu lassen.

Um eine Häufung inhaltlich identischer Prozesse zu vermeiden - dasselbe Problem stellt sich auch für die Folgequartale während der Geltungsdauer der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS, solange die Kommission die I:P-Relation unserer Mandantin nicht nachhaltig verbessert - schlagen wir folgende Vereinbarung vor, die auch schon unter der Geltung der Entscheidung Nr. 234/84/EGKS im Hinblick auf die durch die Rechtssache 103/84 [richtig: Rechtssache 103/85] präjudizierten Folgequartale zwischen der Kommission und unserer Mandantin getroffen worden ist:

Sobald das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache 44/86 vorliegt, wird die Kommission unverzueglich die nach den Gründen des Urteils erforderlichen Konsequenzen ziehen, um nicht nur die angefochtene individuelle Entscheidung vom 30. Dezember 1985 für das I. Quartal 1986 [SG (85) D/17043], sondern auch alle Folgeentscheidungen entsprechend zu revidieren, soweit sie die Lieferquoten unserer Mandantin für das I. Quartal 1986 und die nachfolgenden Quartale während der Geltungsdauer der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS betreffen.

Nach Vorliegen Ihrer Bestätigung, daß dieser Vorschlag seitens der Kommission angenommen wird, wird unsere Mandantin davon absehen, gegen die Entscheidung vom 21. März 1986 und die Nachfolgeentscheidung während der Geltungsdauer der Entscheidung Nr. 3485/85/EGKS wegen der Nichtanpassung ihrer I:P-Relation Klage zu erheben. Wegen der laufenden Frist wäre ich Ihnen für Ihre Stellungnahme bis zum 1. Mai 1986 dankbar."

- Antwortschreiben von Professor Dr. Wägenbaur an Rechtsanwalt Sedemund vom 16. Mai 1986:

"Sobald das Urteil des EuGH in der Rechtssache 44/86 (Peine-Salzgitter gegen Kommission) vorliegt, wird die Kommission unverzueglich die nach den Gründen des Urteils erforderlichen Konsequenzen ziehen und insbes. gegebenenfalls ihre bisher erlassenen Bescheide revidieren. Dies gilt für das I. Quartal 1986 wie auch für die folgenden Quartale.

Ich nehme an, daß diese Zusage - die im übrigen für die Kommission eine Selbstverständlichkeit ausdrückt - es Ihnen ermöglicht, in den folgenden Quartalen von erneuter Klageerhebung abzusehen."

54 Die Klägerin trägt vor, sie habe im Vertrauen darauf, daß sich die Kommission somit ihr gegenüber verpflichtet habe, unverzueglich die Konsequenzen aus dem vom Gerichtshof in den Rechtssachen 33/86, 44/86 und 110/86 (erstes und zweites Quartal 1986) für die auf die ersten beiden Quartale 1986 folgenden Quartale zu erlassenden Urteil zu ziehen, auf die Erhebung weiterer Nichtigkeitsklagen verzichtet. Die von den beiden Parteien getroffene Vereinbarung habe bezweckt, weitere Nichtigkeitsklagen für diese Quartale zu vermeiden, da sie wegen identischer Streitgegenstände nicht notwendig gewesen wären. Die Klägerin räumt aber ein, daß die Parteien in ihren schriftlichen Äusserungen die Möglichkeit einer Schadensersatzleistung nicht ausdrücklich angesprochen haben.

55 Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, daß der Gerichtshof nicht nur die allgemeine Entscheidung Nr. 3485/85 für nichtig erklärt, sondern auch die individuellen Entscheidungen über die ersten beiden Quartale 1986 aufgehoben habe, da der Gerichtshof damit lediglich den Anträgen der Parteien entsprochen habe. Der Gerichtshof habe aber nicht das Schicksal der nicht angefochtenen individuellen Entscheidungen von dem der allgemeinen Entscheidung trennen wollen, die deren Rechtsgrundlage sei. Die Nichtigerklärung der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 habe somit die Aufhebung der auf ihr beruhenden individuellen Durchführungsentscheidungen nach sich gezogen.

56 Die Klägerin führt zu dem Argument, die Ausschlußfrist des Artikels 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag sei versäumt, aus, die Rechtssicherheit sei im vorliegenden Fall nicht betroffen, da die Klägerin lediglich aus Gründen der Prozessökonomie von weiteren Klageerhebungen abgesehen habe.

57 Die Beklagte erwidert, Klagefristen seien Regeln des ordre public; die Parteien hätten daher über die Ausschlußfrist des Artikels 33 Absatz 3 EGKS-Vertrag keine Vereinbarung treffen können. Selbst wenn eine derartige Vereinbarung festgestellt werden könne, wäre sie in jedem Fall wirkungslos.

58 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.), mit dem nicht nur Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 für nichtig erklärt, sondern auch die individuellen Entscheidungen vom 30. Dezember 1985 und vom 21. März 1986 für die ersten beiden Quartale 1986 aufgehoben wurden, verpflichtet war, aus den im Zeitpunkt des Nichtigkeitsurteils bereits erlassenen Rechtsakten die Bestimmungen zu streichen, die im wesentlichen denselben Inhalt wie die für rechtswidrig befundenen hatten, also die individuellen Entscheidungen für die letzten beiden Quartale 1986, für die vier Quartale 1987 sowie für die ersten beiden Quartale 1988. Die beiden letztgenannten Entscheidungen hatten im wesentlichen denselben Inhalt wie die aufgehobenen individuellen Entscheidungen, da sie Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 194/88 durchführten, der mit Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 identisch ist und im übrigen wie dieser vom Gerichtshof für nichtig erklärt worden war (Urteil vom 14. Juni 1989 in den verbundenen Rechtssachen 218/87 und 223/87 sowie 72/88 und 92/88, Hoogovens).

59 Ausserdem hat sich die Beklagte in ihrem Schreiben vom 16. Mai 1986 der Klägerin gegenüber verpflichtet, unverzueglich die Konsequenzen aus etwaigen Nichtigkeitsurteilen des Gerichtshofes zu ziehen und ihre bisherigen Bescheide gegebenenfalls zu revidieren. Mit den Worten, dies bringe nur eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck, hat die Beklagte ausdrücklich anerkannt, daß sie seit dem 16. Mai 1986 ihre Verpflichtung kannte, gemäß Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag die sich aus solchen Nichtigkeitsurteilen ergebenden Maßnahmen nicht nur hinsichtlich der aufgehobenen Rechtsakte, sondern auch hinsichtlich späterer Rechtsakte zu ergreifen, die im wesentlichen denselben Inhalt wie die aufgehobenen Akte hatten.

60 War die Kommission aber verpflichtet, gemäß Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag die sich aus dem Nichtigkeitsurteil ergebenden Maßnahmen nicht nur für den aufgehobenen Rechtsakt, sondern auch für spätere Rechtsakte zu ergreifen, die für spätere Zeitabschnitte galten und aus demselben Grund rechtswidrig waren, so war sie erst recht verpflichtet, diese Maßnahmen für alle Rechtsakte zur Durchführung eines für nichtig erklärten allgemeinen Rechtsaktes zu ergreifen.

61 Im vorliegenden Fall hat der Gerichtshof mit der Nichtigerklärung der Artikel 5 der allgemeinen Entscheidungen Nrn. 3485/85 und 194/88 in den Urteilen vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) und vom 14. Juni 1989 in den verbundenen Rechtssachen 218/87 und 223/87 sowie 72/88 und 92/88 (Hoogovens) den individuellen Entscheidungen für die letzten beiden Quartale 1986, die vier Quartale 1987 sowie die ersten beiden Quartale 1986 mit Wirkung vom Tage des Wirksamwerdens der für nichtig erklärten allgemeinen Entscheidungen die Rechtsgrundlage entzogen. Die Kommission hatte also in Durchführung dieser Nichtigkeitsurteile eben die Maßnahmen zu ergreifen, die sie im Falle einer Aufhebung der besagten individuellen Entscheidungen selbst hätte ergreifen müssen.

62 Nach alledem ist die erste Rüge der Unzulässigkeit aus denselben Gründen, aus denen sie für die individuellen Entscheidungen für die letzten drei Quartale 1985 zurückzuweisen war, auch für die individuellen Entscheidungen für das dritte und das vierte Quartal 1986, für die vier Quartale 1987 sowie für die ersten beiden Quartale 1988 zurückzuweisen.

Die Rüge, der Gerichtshof habe das Vorliegen eines die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehlers nicht zuvor durch Urteil festgestellt

63 Die Beklagte hält die Schadensersatzklage für unzulässig, weil vor der Erhebung einer Schadensersatzklage nach Artikel 34 Absatz 2 EGKS-Vertrag der Gerichtshof einen Fehler feststellen müsse. Die Beklagte hält es für zwingend, daß der Gemeinschaft nach einer solchen Fehlerfeststellung ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um einer drohenden Verurteilung zu Geldleistungen begegnen zu können. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte präzisiert, daß die Klage auf Feststellung des Fehlers nicht zugleich mit der Nichtigkeitsklage erhoben werden müsse, daß aber diese Feststellungsklage und die Schadensersatzklage Gegenstand gesonderter Verfahren sein müssten, da die Schadensersatzklage erst zulässig sei, nachdem der Gerichtshof einen die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler festgestellt habe.

64 Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung zugestanden, daß der Kommission gemäß Artikel 34 EGKS-Vertrag nach der Fehlerfeststellung in der Tat eine angemessene Frist eingeräumt werden müsse. Artikel 34 verbiete es aber nicht, daß die Klage auf Feststellung des Fehlers und die Schadensersatzklage im Rahmen eines Verfahrens erhoben würden, wenn die für eine Reaktion der Kommission erforderliche Frist seit langem abgelaufen sei.

65 Der Gerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) darauf beschränkt, Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 sowie die individuellen Entscheidungen vom 30. Dezember 1985 und vom 21. März 1986 für nichtig zu erklären, ohne festzustellen, daß die für nichtig erklärten Bestimmungen mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet seien. Ebenso hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 (Peine-Salzgitter) nur die gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 erlassene individuelle Entscheidung vom 11. Juni 1985 aufgehoben, ohne festzustellen, daß diese individuelle Entscheidung mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet sei.

66 Erhebt ein Unternehmen im Anschluß an ein Nichtigkeitsurteil Klage allein auf Feststellung eines Fehlers der Gemeinschaft und des Vorliegens eines unmittelbaren und besonderen Schadens, so ist davon auszugehen, daß die Klage auf Ersatz des Schadens nach Artikel 34 Absatz 2 EGKS-Vertrag erst nach Ablauf einer angemessenen Frist nach dem Fehlerfeststellungsurteil erhoben werden kann, damit die Kommission die Möglichkeit erhält, die geeigneten Maßnahmen für eine angemessene Wiedergutmachung des Schadens zu ergreifen und, soweit erforderlich, eine billige Entschädigung zu gewähren.

67 Mit der vorliegenden Klage wird zunächst nach Artikel 34 Absatz 1 die Feststellung eines die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehlers sowie eines unmittelbaren und besonderen Schadens der Klägerin beantragt.

68 Der - gleichzeitig eingereichte - Antrag nach Artikel 34 Absatz 2 auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 77 603 528 DM ist somit derzeit verfrüht und damit unzulässig.

69 Nach alledem ist die Klage nach Artikel 34 EGKS-Vertrag insoweit zulässig, als mit ihr die Feststellung begehrt wird, daß die individuellen Entscheidungen für die jeweils vier Quartale 1985, 1986 und 1987 sowie für die ersten beiden Quartale 1988 mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet sind und zu einem unmittelbaren und besonderen Schaden der Klägerin geführt haben. Der Antrag auf Schadensersatz für diese Quartale ist dagegen zur Zeit verfrüht.

Begründetheit

70 Zur Begründetheit ist einerseits zu prüfen, ob die rechtswidrigen Entscheidungen mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet sind, zum anderen, ob die Klägerin durch diese Entscheidungen einen zu ersetzenden Schaden erlitten hat.

Die Haftungsregelung des EGKS-Vertrags

71 Die Klägerin trägt vor, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag könne aufgrund der Strukturunterschiede zwischen diesem Artikel und Artikel 34 EGKS-Vertrag nicht auf die vorliegende, nach Artikel 34 EGKS-Vertrag erhobene Klage erstreckt werden. Allenfalls zwischen Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag und Artikel 40 Absatz 1 EGKS-Vertrag könnten sich Querverbindungen ergeben. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin schließlich vorgetragen, die Verfasser des EGKS-Vertrags seien von der Annahme ausgegangen, die Entscheidungen der Kommission im Rahmen des EGKS-Vertrags hätten wesentlich Verwaltungscharakter; deshalb seien in diesem Vertrag die Kompetenzen fast ausschließlich der Kommission, nicht aber dem Rat zugewiesen worden. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag, die normative Regelungen betreffe, könne daher nicht ohne weiteres auf die Anwendung des Artikels 34 EGKS-Vertrag übertragen werden.

72 Die Beklagte ist hingegen der Auffassung, daß für die Anwendung des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag Bezug genommen werden müsse, um den Begriff des "die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehlers" im Falle einer rechtswidrigen Norm herauszuarbeiten. Deshalb trete die Haftung der Gemeinschaft für eine Rechtsnorm oder für einen Akt, der eine wirtschaftspolitische Entscheidung voraussetze und bei dessen Erlaß ein Ermessen bestehe, nur im Fall einer hinreichend schwerwiegenden Verletzung einer höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm oder in dem Fall ein, daß das betreffende Organ die Grenzen seiner Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten habe. Unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Dezember 1979 in der Rechtssache 143/77 (Scholten-Honig/Rat und Kommission, Slg. 1979, 3583) fügt die Beklagte hinzu, die Haftung der Gemeinschaft werde nur durch ein Verhalten ausgelöst, das "an Willkür grenze".

73 Somit ist die Frage zu beantworten, ob der Begriff des die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehlers in Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag unter Rückgriff auf die Kriterien in der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Haftungsregelung nach Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag zu bestimmen ist oder ob das unterschiedliche Wesen von EGKS- und EWG-Vertrag unterschiedliche Haftungsregelungen mit sich bringt.

74 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes liegt ein die Haftung der Gemeinschaft begründender Fehler im Sinne des Artikels 215 Absatz 2 EWG-Vertrag nur vor, wenn die rechtswidrige Handlung eine hinreichend schwerwiegende Verletzung einer höherrangigen, die einzelnen schützenden Rechtsnorm darstellt (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 2. Dezember 1971 in der Rechtssache 5/71, Aktien-Zuckerfabrik Schöppenstedt/Rat, Slg. 1971, 975; vom 24. Oktober 1973 in der Rechtssache 43/72, Merkur-Aussenhandels-GmbH/Kommission, Slg. 1973, 1055; vom 13. November 1973 in den Rechtssachen 63/72 bis 69/72, Wilhelm Werhahn Hansamühle u. a./Rat, Slg. 1973, 1229; vom 2. Juli 1974 in der Rechtssache 153/73, Holtz u. a./Rat und Kommission, Slg. 1974, 675; vom 31. März 1977 in den verbundenen Rechtssachen 54/76 bis 60/76, Compagnie Industrielle et Agricole du Comté de Loheac u. a./Rat und Kommission, Slg. 1977, 645; und vom 25. Mai 1978 in den verbundenen Rechtssachen 83 und 94/76, 4, 15 und 40/77, Bayerische HNL Vermehrungsbetriebe GmbH und Co. KG u. a./Rat und Kommission, Slg. 1978, 1209) oder wenn das Organ bei Erlaß der rechtswidrigen Handlung die Grenzen seiner Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten hat (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 25. Mai 1978, Bayerische HNL; vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 238/78, Ireks-Arkady GmbH/Rat und Kommission, Slg. 1979, 2955; vom 4. Oktober 1979 in den verbundenen Rechtssachen 241/78, 242/78, 245/78 bis 250/78, DGV Deutsche Getreideverwertung und Rheinische Kraftfutterwerke GmbH u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 3017; vom 5. Dezember 1979 in den verbundenen Rechtssachen 116/77 und 124/77, G. R. Amylum NV u. a./Rat und Kommission, Slg. 1979, 3497; und vom 26. Juni 1990 in der Rechtssache C-152/88, Sofrimport sàrl/Kommission, Slg. 1990, I-2477).

75 Betrachtet man nun die Artikel 33 und 34 EGKS-Vertrag im Zusammenhang, so ergibt sich, daß die Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission nach Artikel 33 nicht auf der Würdigung der aus den wirtschaftlichen Tatsachen oder Umständen sich ergebenden Gesamtlage beruhen darf, die zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, es sei denn, daß der Kommission der Vorwurf gemacht wird, sie habe ihr Ermessen mißbraucht oder die Bestimmungen des Vertrages oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm offensichtlich verkannt, und daß die Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission die Haftung der Gemeinschaft gemäß Artikel 34 nur dann begründet, wenn sie zu einem unmittelbaren und besonderen Schaden geführt und das zuständige Gericht festgestellt hat, daß die für nichtig erklärte Entscheidung mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet war.

76 Allein aus der Tatsache, daß der Gerichtshof eine Rechtsnorm der Kommission für nichtig erklärt hat, folgt somit nicht die Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag.

77 Dieses Ergebnis, das bereits aus dem Wortlaut des EGKS-Vertrags folgt, steht demjenigen sehr nahe, das der Gerichtshof im Rahmen des EWG-Vertrags für die Auslösung der Haftung der Gemeinschaft wegen rechtswidriger Normen entwickelt hat.

78 Aufgrund der Notwendigkeit, im Rahmen einer einheitlichen, wenn auch mit drei verschiedenen Verträgen errichteten Rechtsordnung die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Bereich der ausservertraglichen Haftung der Gemeinschaft für rechtswidrige Normen sowie die Kohärenz des Rechtsschutzsystems der verschiedenen Verträge bestmöglich sicherzustellen (vgl. zuletzt das Urteil vom 22. Februar 1990 in der Rechtssache C-221/88, EGKS/Busseni, Slg. 1990, I-519, Randnrn. 13 bis 16), erscheint es angemessen, den Begriff des die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehlers im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag im Hinblick auf eine rechtswidrige Norm im Lichte der Kriterien auszulegen, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag entwickelt hat.

Die Folgen der mit dem Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 (Peine-Salzgitter) festgestellten Rechtswidrigkeit

79 Die Klägerin macht geltend, die Entscheidung der Kommission vom 11. Juni 1985, mit der diese es abgelehnt habe, gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 die Quoten der Klägerin für Erzeugnisse der Gruppe III für das erste Quartal 1985 anzupassen, und die der Gerichtshof mit Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 (Peine-Salzgitter) aufgehoben habe, weil sie auf einer irrigen Auslegung dieses Artikels 14 beruhe, sei mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet. Die irrige Auslegung, die die Kommission den Begriffen der "aussergewöhnlichen Schwierigkeiten" und der "Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten" in Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 gegeben habe, stelle einen die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler dar.

80 Im übrigen seien auch die - nicht gerichtlich angefochtenen - Entscheidungen, mit denen die Kommission es abgelehnt habe, die Quoten der Klägerin für das zweite, das dritte und das vierte Quartal 1985 anzupassen, mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet, da sie aus denselben Gründen wie die Entscheidung vom 11. Juni 1985 rechtswidrig seien.

81 Die Klägerin bringt zum einen vor, es hätte für die Beklagte offenkundig sein müssen, daß sie bei der Bestimmung der aussergewöhnlichen Schwierigkeiten im Sinne des Artikels 14 weder die Lage bei anderen Produktgruppen noch den Umstand habe berücksichtigen dürfen, daß das Unternehmen insgesamt Gewinn erwirtschaftete, da der Gerichtshof bereits in seinem Urteil vom 22. Juni 1983 in der Rechtssache 317/82 (Usines Gustave Boël und Fabrique de fer de Maubeuge/Kommission, Slg. 1983, 2041) entschieden habe, daß die Kommission unter ausserordentlichen Umständen eine Quotenanpassung vornehmen dürfe, wenn eine solche Anpassung für die Gruppen erforderlich sei, die Gegenstand einer hohen prozentualen Kürzung seien.

82 Ausserdem habe die Kommission den fraglichen Begriff in mehreren anderen Fällen richtig ausgelegt und gewinnbringenden Unternehmen Zusatzquoten gewährt; das belege, daß der Kommission im vorliegenden Fall ihr Fehler habe bewusst sein müssen.

83 Zum anderen habe es für die Kommission offenkundig sein müssen, daß die der Klägerin gemäß der Richtlinie des deutschen Bundesministers für Wirtschaft über die Gewährung von Strukturverbesserungshilfen an Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie vom 28. Dezember 1983 gewährten Beihilfen, die der Strukturverbesserung und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit hätten dienen sollen, nicht als Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne des Artikels 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 betrachtet werden konnten, da diese Beihilfen in den Worten des Urteils des Gerichtshofes vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 250/83 (Finsider/Kommission, Slg. 1985, 131) nicht geeignet gewesen seien, die gewünschte Umstrukturierung zu verzögern. Daß die Kommission diese Beihilfen als solche zur Deckung von Betriebsverlusten angesehen habe, stelle eine offenkundig irrige Auslegung des Begriffes der Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne des Artikels 14 dar.

84 Die Beklagte trägt vor, ihr sei bei der Auslegung des Merkmals "aussergewöhnliche Schwierigkeiten" kein offensichtlicher Fehler unterlaufen. In seinem Urteil vom 22. Juni 1983 in der Rechtssache 317/82 (Usines Gustave Boël) habe der Gerichtshof nur entschieden, daß bei der Anwendung von Artikel 14 allein die Schwierigkeiten in Betracht gezogen werden dürften, die eine unmittelbare Folge der Einführung und Anwendung des Quotensystems seien und daß infolgedessen nur für die Gruppen, die Gegenstand einer hohen prozentualen Kürzung seien, unter ausserordentlichen Umständen eine Korrektur erforderlich werden könne. Der Gerichtshof habe die neu eingeführten Begriffe der "unmittelbaren Folge" und der "ausserordentlichen Umstände" nicht weiter konkretisiert. Nach dem Vorbringen der Beklagten haben sie gewichtige Indizien zu der Annahme gebracht, daß die Schwierigkeiten der Klägerin nicht auf dem Quotensystem, sondern auf strukturellen Schwächen des Unternehmens beruhten, insbesondere auf den Überkapazitäten einer in den siebziger Jahren gebauten Universalträgerstrasse.

85 Es sei keineswegs offenkundig gewesen, daß die Strukturverbesserungsbeihilfen nach der genannten Richtlinie des deutschen Bundeswirtschaftsministers als nicht zur Deckung von Betriebsverlusten bestimmte Subventionen zu qualifizieren gewesen seien. Zwar habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 250/83 (Finsider) den Grundsatz festgelegt, daß alle Formen von Beihilfen, die den Umstrukturierungsprozeß effektiv förderten, einer Anpassung der Quoten nicht entgegenstuenden. Der Gerichtshof habe aber keine klare Antwort auf die Frage gegeben, ob die streitigen Beihilfen zur Strukturverbesserung wirklich diesen Zweck gefördert hätten. Daß die Beihilfen auf nicht voll ausgelastete Anlagen anwendbar gewesen seien, habe die Kommission zu der berechtigten Annahme gebracht, daß es sich um versteckte Beihilfen zur Deckung von Betriebsverlusten gehandelt habe, da nach der allgemeinen Entscheidung Nr. 2320/81/EGKS der Kommission vom 7. August 1981 zur Einführung gemeinschaftlicher Regeln für Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 228, S. 14; Beihilfekodex) nur endgültige Schließungen als echte Restrukturierungsmaßnahmen anerkannt werden können.

86 Es ist davon auszugehen, daß die individuelle Entscheidung vom 11. Juni 1985, mit der die Kommission es ablehnte, gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 die Quoten der Klägerin für das erste Quartal 1985 anzupassen, wurde vom Gerichtshof gemäß Artikel 33 EGKS-Vertrag wegen Verletzung einer bei der Durchführung dieses Vertrages anzuwendenden Rechtsnorm aufgehoben wurde. Nach Artikel 34 ist aber die Haftung der Gemeinschaft wegen einer vom Gerichtshof aufgehobenen individuellen Entscheidung nur begründet, wenn festgestellt wird, daß diese Entscheidung darüber hinaus mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet ist.

87 Der individuellen Entscheidung für das erste Quartal 1985 müssen die individuellen Entscheidungen für die letzten drei Quartale 1985 gleichgestellt werden, da die Kommission verpflichtet war, für diese Entscheidungen dieselben Konsequenzen zu ziehen wie für die aufgehobene Entscheidung.

88 Die Haftung der Gemeinschaft wegen dieser individuellen Entscheidungen, mit denen die Anpassung der Quoten für die vier Quartale 1985 abgelehnt wurde, ist nur begründet, wenn die Beklagte die Grenzen ihrer Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten hat.

89 Hierzu ist festzustellen, daß die Beklagte nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 22. Juni 1983 in der Rechtssache 317/82 (Usines Gustave Boël) bei Erlaß der Entscheidungen, mit denen sie die Anpassung der Quoten ablehnte, wissen musste, daß sie nicht befugt war, bei der Feststellung aussergewöhnlicher Schwierigkeiten die Lage bei anderen Erzeugnisgruppen zu berücksichtigen; sie musste daher auch wissen, daß sie ihre Ablehnung nicht rechtmässig darauf stützen durfte, daß das Unternehmen insgesamt Gewinn erwirtschaftete.

90 Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung beruhte deshalb nach dem Wortlaut des Artikels 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 und der ihm vom Gerichtshof gegebenen Auslegung auf einem offenkundigen Irrtum.

91 Zwei weitere Umstände vergrössern ausserdem die Schwere des von der Beklagten begangenen Irrtums: Nachdem sie zum einen die fragliche Bestimmung im Jahre 1984 ohne Rücksicht darauf ausgelegt hat, daß die Klägerin insgesamt Gewinn erwirtschaftete, hat sie diese Haltung ab 1985 ohne erkennbaren Grund geändert; zum anderen ergibt sich, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in der Rechtssache 103/85 (Peine-Salzgitter) festgestellt hat, aus den zu den Akten eingereichten Unterlagen, daß die Beklagte in mehreren Fällen gemäß Artikel 14 Zusatzquoten gewährt hat, obwohl die begünstigten Unternehmen Gewinne erwirtschafteten.

92 Daraus ist zu schließen, daß die Beklagte den Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsunternehmen offenkundig verletzt hat.

93 Weiter hatte das Urteil des Gerichtshofes vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 250/83 (Finsider) eindeutig den Grundsatz aufgestellt, daß nur Unternehmen, die Beihilfen erhalten haben, die ihrer Art nach geeignet sind, die Umstrukturierung zu verzögern, von dem Vorteil von Zusatzquoten ausgeschlossen werden können, deren Gewährung den Anreiz für diese Umstrukturierung ebenfalls verringern kann.

94 Damit musste die Beklagte bei Erlaß der Entscheidungen, mit denen sie die Anpassung der Quoten für die vier Quartale 1985 ablehnte, wissen, daß die Wirkung, die eine Beihilfe auf die Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens haben kann, kein brauchbares Kriterium zur Bestimmung der Beihilfen darstellt, die zur Deckung von Betriebsverlusten im Sinne des Artikels 14 bestimmt sind, da jede Beihilfe im Ergebnis etwaige Betriebsverluste ganz oder teilweise ausgleichen kann.

95 Somit ist die irrige Auslegung des Begriffes der Betriebsverluste durch die Beklagte als nicht entschuldbar anzusehen.

96 Nach alledem hat die Beklagte die Grenzen ihres Ermessens bei der Durchführung des auf Artikel 58 § 2 EGKS-Vertrag gestützten Erzeugungsquotensystems offenkundig und erheblich überschritten, als sie es ablehnte, Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 für die vier Quartale 1985 zugunsten der Klägerin anzuwenden, und folglich einen die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag begangen.

Die Folgen der vom Gerichtshof in seinen Urteilen vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) und vom 14. Juni 1989 in den verbundenen Rechtssachen 218/87 und 223/87 sowie 72/88 und 92/88 (Hoogovens u. a.) festgestellten Rechtsfehler

97 Nach Auffassung der Klägerin sind die allgemeine Entscheidung Nr. 3485/85 sowie die auf diese gestützten individuellen Entscheidungen mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet. Der Gerichtshof habe nämlich in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) festgestellt, daß die Kommission ein anderes Ziel als nach Artikel 58 § 2 EGKS-Vertrag vorgeschrieben verfolgt habe, als sie die von ihr für die Festsetzung angemessener Quoten gemäß Artikel 58 § 2 EGKS-Vertrag für erforderlich erachtete Änderung der I:P-Relation nicht vorgenommen habe, und damit einen offenkundigen Ermessensmißbrauch gegenüber der Klägerin begangen. Aufgrund dieser Feststellung habe der Gerichtshof Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 für nichtig erklärt und die individuellen Entscheidungen, die auf dieser Grundlage die Lieferquoten der (damaligen) Klägerinnen für die ersten beiden Quartale 1986 festgesetzt hätten, aufgehoben.

98 Die Kommission habe besonders schwer gegen Artikel 58 § 2 EGKS-Vertrag verstossen, indem sie die I:P-Relation der Klägerin nicht von sich aus geändert habe, da sie einerseits mit ihrem Vorgehen ihrer eigenen Mitteilung an den Rat vom 25. September 1985 zuwider gehandelt habe, in der sie die Anpassungen der Referenzen für die Berechnung der Lieferquoten für unerläßlich erklärt habe, und da sie zum anderen die Zustimmung des Rates eingeholt und dabei die Urteile des Gerichtshofes vom 11. Mai 1983 in der Rechtssache 244/81 (Klöckner-Werke AG/Kommission, Slg. 1983, 1451) und vom 21. Februar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 140/82, 146/82, 221/82 und 226/82 (Walzstahl-Vereinigung und Thyssen AG/Kommission, Slg. 1984, 951) ausser acht gelassen habe.

99 Die Klägerin bestreitet ferner die Behauptung, die Kommission sei einem Rechtsirrtum erlegen. Die Rechtslage sei angesichts der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere des Urteils vom 11. Mai 1983 in der Rechtssache 244/81 (Klöckner-Werke), vollkommen klar gewesen. Im übrigen habe die Kommission die allgemeine Entscheidung Nr. 1433/87/EGKS vom 20. Mai 1987 zur Umwandlung eines Teils der Produktionsquoten in Quoten für Lieferungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes (ABl. L 136, S. 37) erlassen, ohne die Zustimmung des Rates einzuholen.

100 Unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 238/78 (Ireks-Arkady) führt die Klägerin aus, die Kommission habe die Grenzen ihrer Befugnisse offenkundig und erheblich überschritten, da ihr Verhalten nicht zu rechtfertigen sei.

101 Selbst wenn eine erhebliche Überschreitung der Grenzen der Befugnisse der Kommission nur vorliegen sollte, wenn ihr Verhalten an Willkür grenze, so sei doch im vorliegenden Fall dargetan, daß die Beklagte die Klägerin benachteiligt, sie vorsätzlich aus Gründen politischer Opportunität geschädigt und die von ihr anerkannten Ansprüche der Klägerin unter politischem Druck geopfert habe.

102 Im übrigen erreiche die Beklagte mit der Berufung auf einen Rechtsirrtum in keinem Fall die Haftungserleichterung, auf die sie sich bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen im Rahmen des ihr im EGKS-Vertrag eingeräumten weiten Ermessens berufen könne. Die rechtliche Beurteilung gehöre nämlich nicht mehr zu dem der Kommission vorbehaltenen Gebiet von wirtschaftspolitischen Entscheidungen.

103 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weiter vorgetragen, diese Haftungserleichterung der Gemeinschaft könne nur im Hinblick auf Rechtsnormen geltend gemacht werden, für die ein weites Ermessen kennzeichnend sei. Der Gerichtshof habe aber in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) die Quotenanpassung als Detailausgestaltung des Systems angesehen. Damit sei Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 keine Norm, für die die Ausübung eines weiten Ermessens kennzeichnend sei.

104 Die Beklagte hält dem entgegen, ihr Vorgehen beruhe auf einem Rechtsirrtum. Der Gerichtshof habe in seinem Urteil vom 11. Mai 1983 in der Rechtssache 244/81 (Klöckner-Werke) für Recht erkannt, daß die Kommission die Einzelheiten des Quotensystems in eigener Zuständigkeit ausgestalten könne, ohne aber die Grenzen dieser Kompetenzen der Kommission klar festzulegen. Die Beklagte meint, sie sei berechtigt gewesen, die Anpassung der I:P-Relation nicht als eine Einzelheit, sondern als eine grundsätzliche Frage anzusehen, die der Zustimmung des Rates bedurft hätte.

105 Erst das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) habe die Anpassung der I:P-Relation als Ausgestaltung des auf der Grundlage des Artikels 58 EGKS-Vertrag eingerichteten Systems der Erzeugungsquoten im Detail qualifiziert.

106 Die Beklagte macht weiter geltend, ein Organ überschreite die Grenzen seiner Befugnisse nur dann erheblich, wenn sein Verhalten an Willkür grenze. In keinem Fall könne der Kommission hier Willkür im Sinne einer bewussten und gewollten Benachteiligung der Klägerin vorgeworfen werden, da sie den Rat um Zustimmung zu einer Neuregelung der I:P-Relation ersucht und sich damit bemüht habe, den Vorstellungen der Klägerin zu entsprechen.

107 Wie bereits dargelegt, ist die Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag wegen einer vom Gerichtshof für nichtig erklärten Entscheidung nur begründet, wenn der Gerichtshof darüber hinaus festgestellt hat, daß diese Entscheidung mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet ist; die schlichte Nichtigerklärung reicht hierfür nicht aus.

108 Zu prüfen ist somit, ob die aufgehobene Entscheidung der Kommission auf einer irrigen, aber entschuldbaren Auffassung zu einer ungelösten Rechtsfrage beruht oder im Gegenteil auf einer offenkundigen und erheblichen und damit nicht entschuldbaren Befugnisüberschreitung der Kommission.

109 In seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Kommission dadurch, daß sie die von ihr selbst für die Festsetzung angemessener Quoten für erforderlich erachtete Änderung der I:P-Relation nicht vorgenommen hat, einen Ermessensmißbrauch begangen hat. Mit dem Erkenntnis, daß Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 aufgrund eines Ermessensmißbrauchs rechtswidrig sei, hat der Gerichtshof ganz offenkundig gemäß Artikel 33 Absatz 1 Satz 2 EGKS-Vertrag einen normativen Akt mißbilligt, der auf der Ausübung einer freien Ermessensbefugnis beruhte. Dasselbe gilt für Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 194/88, die der Gerichtshof aus denselben Gründen mit Urteil vom 14. Juni 1989 in den verbundenen Rechtssachen 218/87 und 223/87 sowie 72/88 und 92/88 (Hoogovens) für nichtig erklärt hat, da dieser Artikel 5 mit Artikel 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 identisch war.

110 Der Gerichtshof hat entschieden, daß die vierteljährlich zur Festsetzung der Erzeugungs- und Lieferquoten der Klägerin auf der Grundlage des Artikels 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 bzw. des Artikels 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 194/88 erlassenen individuellen Entscheidungen Durchführungsentscheidungen zu diesen allgemeinen Entscheidungen darstellten und daher aufzuheben waren. Hieraus folgt, daß die individuellen Entscheidungen notwendig von demselben Ermessensmißbrauch betroffen waren wie die allgemeinen Entscheidungen, die ihre Rechtsgrundlagen darstellten.

111 Das Gericht geht davon aus, daß unter den Umständen des vorliegenden Falles sowohl der vom Gerichtshof festgestellte Ermessensmißbrauch als auch die offenkundige Verletzung des Artikels 58 § 2 EGKS-Vertrag und des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen die Haftung der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag begründenden Fehler darstellen.

112 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. Mai 1983 in der Rechtssache 244/81 (Klöckner) klar festgestellt hat, daß die Zustimmung des Rates nur für die Einführung des Erzeugungsquotensystems auf der Grundlage des Artikels 58 EGKS-Vertrag erforderlich sei und daß die Kommission die ihr nach Artikel 58 zustehenden Befugnisse nicht überschreite, wenn sie unterschiedliche vierteljährliche Vergleichsproduktionen und -mengen zur Anwendung der prozentualen Kürzungen für die Bestimmung der Produktionsquote bzw. des Teils der Produktion festsetze, der innerhalb des Gemeinsamen Marktes geliefert werden dürfe.

113 Ferner hat die Kommission selbst in der Rechtssache 119/81 (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juli 1982 in der Rechtssache 119/81, Klöckner/Kommission, Slg. 1982, 2627) ausgeführt, "dem Zustimmungserfordernis des Artikels 58 sei daher Genüge getan, sobald sich der Rat... im Grundsatz mit der Einführung einer Quotenregelung einverstanden erklärt habe. Hingegen sei es nicht erforderlich, daß der Rat sich zur Ausgestaltung dieser Regelung im einzelnen äussere."

114 Endlich ist zu bemerken, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 21. Februar 1984 in den verbundenen Rechtssachen 140, 146, 221 und 226/82 (Walzstahl u. a./Kommission, Slg. 1984, 951) klar darauf hingewiesen hat, daß die Kommission die ihr im EGKS-Vertrag übertragenen Befugnisse ihrem gesetzlichen Zweck entfremde, wenn sie sie ausschließlich oder zum mindesten vorwiegend dazu verwende, ein spezielles Verfahren zu umgehen, das der EGKS-Vertrag für die Sachlage vorsehe, die von der Kommission zu bewältigen sei.

115 Das Gericht stellt fest, daß die Kommission im vorliegenden Fall zunächst den Sonderfall der Klägerin und der Hoogovens Gröp geprüft hat und dabei nach Erörterungen mit den betroffenen Unternehmen im Rahmen des beratenden Ausschusses sowie insbesondere in ihrer Mitteilung an den Rat vom 25. September 1985 zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die I:P-Relationen dieser Unternehmen zur Festsetzung angemessener Quoten angepasst werden müssten. Gleichwohl hat sie es unterlassen, gemäß Artikel 58 § 2 EGKS-Vertrag diejenigen Bestimmungen zu erlassen, die zur Durchführung dieses Ergebnisses erforderlich waren. Obwohl der Rat bereits im Grundsatz der Einführung einer Quotenregelung zugestimmt hatte, hat sich die Kommission darauf beschränkt, dem Rat auf der Grundlage des Artikels 58 § 1 einen Entwurf zu unterbreiten, während sie wissen musste, daß eine Äusserung des Rates zur Festsetzung der Vergleichsproduktionen und -mengen zur Anwendung der prozentualen Kürzungen für die Bestimmung der Produktions- und Lieferquoten der Unternehmen nicht notwendig war.

116 Da die Beklagte die Zustimmung des Rates nicht erlangte, erließ sie die allgemeinen Entscheidungen Nrn. 3485/85 und 194/88, ohne die Lieferquotenregelung zu ändern.

117 Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission wissen musste, daß sie verpflichtet war, in eigener Verantwortung angemessene Lieferquoten festzusetzen und dabei den Grundsatz der Gleichheit vor den öffentlichen Lasten jederzeit auf das genaueste zu beachten (vgl. Urteil vom 13. Juli 1961 in den verbundenen Rechtssachen 14/60, 16/60, 17/60, 20/60, 24/60, 26, 27/60 und 1/61, Meroni u. a./Hohe Behörde, Slg. 1961, 345). Sie musste auch wissen, daß die Verletzung dieser Verpflichtung für eine begrenzte Zahl von Unternehmen, deren I:P-Relation aussergewöhnlich ungünstig war, einen Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Verteilung der Lieferquoten zur Folge hatte.

118 Somit hat die Kommission mit dem Erlaß des Artikels 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 und der zur Durchführung dieses Artikels ergangenen individuellen Entscheidungen sowie des Artikels 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 194/88 und der zur Durchführung dieses Artikels ergangenen individuellen Entscheidungen das ihr im Rahmen der Durchführung der Produktionsquotenregelung nach Artikel 58 § 2 EGKS-Vertrag eingeräumte Ermessen offenkundig und erheblich überschritten; damit hat sie einen die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag begangen.

Der Schaden

119 Zu prüfen bleibt, ob die Klägerin aufgrund der Entscheidungen, die, wie oben festgestellt, mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet sind, einen unmittelbaren und besonderen Schaden erlitten hat, der in der Differenz zwischen den Erlösen besteht, die sie hätte erzielen können, wenn die Kommission ihr pflichtgemäß eine höhere Lieferquote für den Gemeinschaftsmarkt zugewiesen hätte, auf dem die Preise höher sind, und den Erlösen, die sie tatsächlich erzielt hat, da sie zu niedrigeren Preisen in Drittländer verkaufen musste.

Der unmittelbare Schaden

120 Die Klägerin macht geltend, zu prüfen sei, ob derselbe Schaden auch ohne die fehlerbehaftete Handlung eingetreten wäre. Die rechtswidrigen Entscheidungen der Kommission hätten den Schaden der Klägerin unmittelbar verursacht, da sie diese daran gehindert hätten, für diejenigen zusätzlichen Mengen höhere Preise zu verlangen, die sie ohne die rechtswidrigen Entscheidungen in der Gemeinschaft hätte absetzen können.

121 Die Beklagte trägt vor, der angebliche Schaden beruhe auf anderen Ursachen als den rechtswidrigen Entscheidungen der Kommission, insbesondere auf der Höhe der Preise auf dem Weltmarkt, die die Beklagte nicht habe kontrollieren können. Der Kausalzusammenhang müsse im übrigen in den nicht angefochtenen individuellen Entscheidungen und nicht in den für nichtig erklärten allgemeinen Entscheidungen gesucht werden. Da die Klägerin im übrigen dank des Quotensystems unbeschädigt aus der Krise hervorgegangen sei, könne sie nach Ablauf der Quotenregelung in einem Zeitpunkt keinen Schaden mehr geltend machen, in dem sie wieder kräftige Gewinne erziele.

122 Nach Ansicht des Gerichts können die Unternehmen einen Schadensersatzanspruch nicht auf Einschränkungen stützen, die im Rahmen der Quotenregelung zur Gesundung des Marktes und im Interesse einer langfristigen Rentabilität der Unternehmen verhängt worden sind. Die Kommission kann sich jedoch ihrer Haftung nicht einfach mit der Begründung entziehen, daß beim Auslaufen der Quotenregelung eine günstige Konjunktur im Stahlsektor den unbeschädigt aus der Krise hervorgegangenen Unternehmen wieder Gewinne ermöglicht hat.

123 Wenn auch der ursprüngliche Schaden unter anderem von den als rechtswidrig erkannten allgemeinen Entscheidungen Nrn. 3485/85 und 194/88 verursacht wurde, so wurden doch auch bestimmte individuelle Entscheidungen vom Gerichtshof aufgehoben, weil sie aus denselben Gründen wie die allgemeine Entscheidung Nr. 3485/85 rechtswidrig waren; ferner waren sämtliche anderen individuellen Entscheidungen, obwohl sie nicht aufgehoben wurden, aus denselben Gründen rechtswidrig und wären deswegen aufgehoben worden, wenn sie vor dem Gerichtshof angefochten worden wären. Für das Jahr 1985 wurde der Schaden zudem von einer vom Gerichtshof aufgehobenen individuellen Entscheidung sowie von drei weiteren individuellen Entscheidungen verursacht, die zwar nicht aufgehoben wurden, aber aus denselben Gründen rechtswidrig waren.

124 Im übrigen beruht der Schaden der Klägerin nicht auf einem Rückgang der Stahlpreise auf bestimmten Märkten von Drittländern, sondern im Gegenteil darauf, daß sie aufgrund einer Reihe rechtswidriger Entscheidungen der Kommission verpflichtet war, ihre Erzeugnisse auf diesen Märkten zu nicht gewinnbringenden Konditionen abzusetzen.

125 Schließlich verlangt die Klägerin nicht die Zuteilung der relativen Marktanteile, die sie im Verhältnis zu ihren Konkurrenten verloren haben will, denen zu Unrecht Lieferquoten zugeteilt wurden, die ihr rechtswidrig verweigert wurden, sondern einen finanziellen Ausgleich des unmittelbaren Schadens, den die rechtswidrigen, mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behafteten Entscheidungen ihr verursachten.

126 Somit ist festzustellen, daß das fehlerbehaftete Verhalten der Kommission Ursache des von der Klägerin geltend gemachten Schadens war.

Der besondere Schaden

127 Die Klägerin trägt vor, der im vorliegenden Fall erlittene Schaden gehe über die "gêne commune" hinaus, die von allen Wirtschaftsteilnehmern gleichmässig zu tragen sei. Nur die Klägerin und die Hoogovens Gröp hätten nämlich durch die von der Kommission abgelehnte Anpassung ihrer I:P-Relationen Einkommenseinbussen erlitten.

128 Der Gerichtshof habe im übrigen in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.) die "aussergewöhnlichen Schwierigkeiten" bei der Klägerin ausdrücklich festgestellt.

129 Schließlich gehe es nicht darum, ob die Klägerin seit dem Auslaufen des Quotensystems Gewinne erwirtschaften könne, sondern darum, ob sie während der Anwendung dieses Systems diskriminiert worden sei. Die mit ihr konkurrierenden Unternehmen hätten durch das Verhalten der Kommission auf dem Gemeinschaftsmarkt Mehrerlöse erzielt, die der Klägerin zugestanden hätten. Die aufgrund der fehlerbehafteten Entscheidungen der Kommission im Zeitraum zwischen dem ersten Quartal 1985 und dem zweiten Quartal 1988 erlittenen Erlöseinbussen der Klägerin hätten Investitionen und Schuldentilgung der Klägerin dauerhaft beeinträchtigt. Die Klägerin sei benachteiligt worden, weil sie seit dem Auslaufen des Quotensystems in einer neuen Wettbewerbssituation stehe und gleichzeitig die Last der in der Vergangenheit erlittenen Verluste tragen müsse.

130 Nach Auffassung der Kommission ist im vorliegenden Fall kein nach Artikel 34 EGKS-Vertrag zu ersetzender Schaden gegeben, da dieser nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Beschluß vom 2. Mai 1988 in der Rechtssache 92/88 R, Assider/Kommission, Slg. 1988, 2425) eine dauerhafte "Verschlechterung der relativen Marktstellung" verlange. Ein solcher dauerhafter Schaden fehle aber nach der Aufhebung des Quotensystems, da die Unternehmen nunmehr wieder dem Wettbewerb ausgesetzt seien und damit die Möglichkeit hätten, ihre Marktanteile zu erhöhen und so die während des Quotensystems entstandenen Einbussen wettzumachen. Dank des Quotensystems und des von der Gemeinschaft erzeugten positiven wirtschaftlichen Klimas sei die Klägerin in die Lage versetzt worden, nunmehr wieder kräftige Gewinne auf einem wiederhergestellten Markt zu erwirtschaften.

131 Hierzu ist darauf hinzuweisen, daß der Begriff des besonderen Schadens einmal auf die spezielle Intensität des Schadens abstellt und zum anderen darauf, daß eine beschränkte, abgrenzbare Zahl von Wirtschaftsteilnehmern betroffen ist.

132 Was die Besonderheit des durch die Anwendung des Artikels 5 der allgemeinen Entscheidung Nr. 3485/85 verursachten Schadens angeht, so lässt sich aus der Feststellung des Gerichtshofes in seinem Urteil vom 14. Juli 1988 in den verbundenen Rechtssachen 33/86, 44/86, 110/86, 226/86 und 285/86 (Peine-Salzgitter u. a.), die ungünstigen I:P-Relationen verursachten den (damaligen) Klägerinnen unstreitig aussergewöhnliche wirtschaftliche Schwierigkeiten, schließen, daß der durch die haftungsbegründende Rechtswidrigkeit der Entscheidungen der Kommission verursachte Schaden bei weitem das übersteigt, was den einzelnen zugemutet werden darf, nämlich in vernünftigen Grenzen gewisse schädliche Auswirkungen einer fehlerhaften Rechtsvorschrift auf ihre Wirtschaftsinteressen ohne Anspruch auf Entschädigung aus öffentlichen Mitteln hinzunehmen.

133 Auch das Tatbestandsmerkmal, daß eine beschränkte, abgrenzbare Zahl von Wirtschaftsteilnehmern betroffen ist, ist erfuellt: Neun Unternehmen der Stahlindustrie, die namentlich bezeichnet waren, hatten aufgrund einer aussergewöhnlich ungünstigen I:P-Relation erhebliche Schwierigkeiten.

134 Die Besonderheit des Schadens, den die aufgehobene Entscheidung vom 11. Juni 1985 und die Entscheidungen für die letzten drei Quartale 1985 verursachten, mit denen die Anpassung der Lieferquoten gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 abgelehnt wurde, ergibt sich zum einen daraus, daß die Kommission in einem Schreiben vom Dezember 1988 an die Klägerin selbst die Zuschläge unter Artikel 14 auf etwa 7 000 t pro Quartal 1985 geschätzt hat, was mit der Schätzung der Klägerin für die zusätzliche Menge übereinstimmt. Dieser Schaden übersteigt bei weitem das, was einem einzelnen in vernünftigen Grenzen zugemutet werden kann.

135 Zum anderen ist auch das Tatbestandsmerkmal der beschränkten, abgrenzbaren Zahl der von den fehlerbehafteten Entscheidungen betroffenen Wirtschaftsteilnehmer aufgrund der - von der Beklagten nicht bestrittenen - Tatsache erfuellt, daß die Kommission es nur dem Unternehmen Peine-Salzgitter gegenüber abgelehnt hat, die I:P-Relation für 1985 gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84 anzupassen.

136 Somit ist bewiesen, daß die Kommission ohne rechtfertigenden Grund gegen die Gleichbehandlung der Wirtschaftsunternehmer verstossen hat, daß dieser Verstoß eine beschränkte, klar abgegrenzte Zahl von Wirtschaftsunternehmern betraf und daß der geltend gemachte Schaden die Grenzen der wirtschaftlichen Risiken überschreitet, die eine Betätigung in dem betroffenen Wirtschaftszweig mit sich bringt (vgl. Urteile vom 4. Oktober 1979 in der Rechtssache 238/78, Ireks-Arkady, in den verbundenen Rechtssachen 241/78, 242/78, 245/78 bis 250/78, DGV, sowie in den verbundenen Rechtssachen 261/78 und 262/78, Interquell und Diamalt/Rat und Kommission, Slg. 1979, 3045).

137 Nach alledem sind die individuellen Entscheidungen für die vier Quartale 1985, 1986 und 1987 sowie für die ersten beiden Quartale 1988 im Sinne des Artikels 34 Absatz 1 EGKS-Vertrag mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet; diese Entscheidungen haben der Klägerin einen unmittelbaren und besonderen Schaden verursacht.

138 Somit ist die Sache an die Kommission zurückzuverweisen. Diese hat die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um eine angemessene Wiedergutmachung des durch sämtliche aufgeführten individuellen Entscheidungen unmittelbar verursachten Schadens und, soweit erforderlich, eine billige Entschädigung zu gewähren.

Kostenentscheidung:

Kosten

139 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend gilt, ist die unterliegende Partei auf Antrag in die Kosten zu verurteilen. Die Beklagte ist mit ihrem Vorbringen, soweit es nicht den Antrag auf Zahlung von 77 603 528 DM betrifft, im wesentlichen unterlegen. Sie hat damit ihre eigenen Kosten sowie neun Zehntel der Kosten der Klägerin zu tragen. Diese trägt ein Zehntel ihrer eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Folgende Entscheidungen der Kommission sind mit einem die Haftung der Gemeinschaft begründenden Fehler behaftet:

a) die Entscheidungen der Kommission, mit denen diese es ablehnte, gemäß Artikel 14 der allgemeinen Entscheidung Nr. 234/84/EGKS die Lieferquoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppe III für die vier Quartale 1985 anzupassen;

b) die Entscheidungen der Kommission, mit denen gemäß den Artikeln 5 der allgemeinen Entscheidungen Nrn. 3485/85/EGKS und 194/88/EGKS die Lieferquoten der Klägerin für die Erzeugnisse der Gruppen I a, I b, I c und III vom ersten Quartal 1986 bis zum zweiten Quartal 1988 festgesetzt wurden.

2) Diese Entscheidungen haben der Klägerin einen unmittelbaren und besonderen Schaden verursacht.

3) Der Antrag auf Zahlung von 77 603 528 DM zuzueglich Zinsen wird als verfrüht zurückgewiesen.

4) Die Sache wird an die Kommission zurückverwiesen, die die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen hat, um eine angemessene Wiedergutmachung des durch die vorstehend aufgeführten Entscheidungen unmittelbar verursachten Schadens und, soweit erforderlich, eine billige Entschädigung zu gewähren.

5) Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten sowie neun Zehntel der Kosten der Klägerin. Die Klägerin trägt ein Zehntel ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück