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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 15.09.1998
Aktenzeichen: T-126/96
Rechtsgebiete: Entscheidung 96/614/EG, EGV


Vorschriften:

Entscheidung 96/614/EG
EGV Art. 92 Abs. 3 a
EGV Art. 93 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Die Entscheidung der Kommission über die Einleitung des Verfahrens zur kontradiktorischen Prüfung der Vereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages erzeugt Rechtswirkungen, soweit sie eine Qualifizierung der Beihilfe als bestehend oder neu und eine Wahl der anwendbaren Verfahrensregeln enthält. Sie stellt somit eine anfechtbare Handlung im Sinne des Artikels 173 des Vertrages dar.

2 Aus Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages geht hervor, daß die Kommission auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen erst entscheidet, nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äusserung gesetzt hat. Insoweit dient die Mitteilung über die Einleitung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens lediglich dem Zweck, von den Beteiligten im Sinne dieses Artikels alle Auskünfte zu erhalten, die dazu beitragen können, der Kommission Klarheit über ihr weiteres Vorgehen zu verschaffen. Es kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, daß sie in dieser Mitteilung in allgemeinen Worten die beanstandeten Beihilfemaßnahmen in Frage gestellt und den genauen Betrag dieser Beihilfen nicht vor der endgültigen Entscheidung angegeben hat, wenn die Kommission sich im Stadium der erwähnten Verfahrenseinleitung in Ermangelung einer vorherigen Mitteilung und eines Umstrukturierungsplans kein genaues Bild von den betreffenden Beihilfemaßnahmen machen konnte, jedoch eine ausreichende Unterrichtung über die besagten Beihilfen vorgenommen und die Betroffenen somit in angemessener Weise in die Lage versetzt hat, sich zu äussern.

3 Die den Gemeinschaftsorganen nach Artikel 190 des Vertrages obliegende Verpflichtung, ihre Entscheidungen zu begründen, soll dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner Rechtmässigkeitskontrolle ermöglichen und es dem Betroffenen gestatten, Kenntnis von den Gründen für die getroffenen Maßnahmen zu erlangen, damit er seine Rechte verteidigen und prüfen kann, ob die Entscheidung berechtigt ist.

4 Hat der Gemeinschaftsgesetzgeber keine Verjährungsfrist für Maßnahmen der Kommission gegenüber nicht mitgeteilten staatlichen Beihilfen festgelegt, kann sich der Empfänger einer Beihilfe gegenüber einer Entscheidung über die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe nicht auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen, wonach eine Verjährungsfrist grundsätzlich im voraus festgelegt werden muß. Im übrigen kann sich der Empfänger einer Beihilfe, abgesehen von aussergewöhnlichen Umständen, nur dann auf ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmässigkeit einer Beihilfe berufen, wenn diese unter Beachtung der Bestimmungen des Artikels 93 des Vertrages gewährt wurde. Ausserdem dürfen einem Mitgliedstaat keinesfalls die Folgen seines Verstosses gegen die in Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages vorgesehene Meldepflicht zugute kommen.

5 Um festzustellen, ob die Kapitalzuweisung der öffentlichen Hand an ein Unternehmen, in welcher Form sie auch erfolgt, den Charakter einer staatlichen Beihilfe in Sinne des Artikels 92 des Vertrages hat, ist zu prüfen, ob ein privater Investor in vergleichbarer Lage hätte veranlasst werden können, Kapitalhilfen dieses Umfangs zu gewähren. Insoweit hat das Verhalten des privaten Investors, mit dem die Intervention des öffentlichen Investors, der wirtschaftspolitische Ziele verfolgt, verglichen werden muß, auch wenn es nicht zwangsläufig das eines gewöhnlichen Investors sein muß, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung anlegt, doch wenigstens das einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe zu sein, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt. So kann ein privater Anteilseigner vernünftigerweise einem Unternehmen das Kapital zuführen, das zur Sicherstellung seines Fortbestandes erforderlich ist, wenn es sich in vorübergehenden Schwierigkeiten befindet, aber seine Rentabilität - gegebenenfalls nach einer Umstrukturierung - wieder zurückgewinnen kann. Eine Muttergesellschaft kann somit während eines beschränkten Zeitraums auch Verluste einer ihrer Tochtergesellschaften übernehmen, um dieser die Einstellung ihrer Tätigkeit unter möglichst günstigen Bedingungen zu ermöglichen. Wenn Kapitalzuschüsse eines öffentlichen Kapitalgebers jedoch selbst langfristig von jeder Aussicht auf Rentabilität absehen, sind sie als Beihilfen im Sinne des Artikels 92 des Vertrages anzusehen. Im übrigen umfasst die von der Kommission vorzunehmende Prüfung der Frage, ob eine bestimmte Maßnahme als Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages anzusehen ist, weil der Staat nicht "wie ein normaler Wirtschaftsteilnehmer" gehandelt hat, eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung. Der Kommission steht jedoch, wenn sie eine Handlung vornimmt, die eine solche Beurteilung einschließt, ein weites Ermessen zu, und die gerichtliche Kontrolle dieser Handlung muß sich demnach auf die Prüfung der Fragen beschränken, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt. Insbesondere darf das Gericht die wirtschaftliche Beurteilung des Urhebers der Entscheidung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen. Die Kommission ist bei der Ausübung ihres weitgehenden Ermessens nicht gehalten, die negative Beurteilung der beanstandeten Maßnahmen, zu der sie gelangt ist, durch Berücksichtigung einiger Anzeichen und Perspektiven der Verbesserung abzuschwächen, die angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des begünstigten Unternehmens als unwesentlich, ja sogar als künstlich betrachtet werden können. Kapitalzuführungen durch einen Mitgliedstaat an ein Unternehmen, dessen Wirtschafts- und Finanzlage rundherum prekär ist, stellen Beihilfen in Sinne von Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages dar, wenn ein Umstrukturierungsplan fehlt, durch den das Unternehmen Rentabilität erlangen könnte.

6 Beihilfen für notleidende Unternehmen können nur dann für mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages vereinbar erklärt werden, wenn sie mit einem Umstrukturierungsplan verbunden sind, der dazu dient, die Tätigkeit dieser Unternehmen zu verringern oder umzuorientieren. Somit weisen staatliche Unternehmensbeihilfen, die zur Kompensierung der Verluste des Unternehmens verwendet werden, ohne daß sie Teil eines zufriedenstellenden Umstrukturierungsprogramms sind, Merkmale auf, die sie von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme vom Beihilfeverbot ausschließen. Was die Regionalbeihilfen angeht, so führt Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrages zwei Ausnahmen vom freien Wettbewerb ein, die auf der gemeinschaftlichen Solidarität beruhen, die ein grundlegendes Ziel des Vertrages darstellt, wie aus dessen Präambel hervorgeht. Es ist Sache der Kommission, in Ausübung ihres Ermessens unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit auf einen Ausgleich zwischen den Zielen des freien Wettbewerbs und der gemeinschaftlichen Solidarität hinzuwirken. In diesem Rahmen hat die Kommission die sektoriellen Auswirkungen der geplanten Regionalbeihilfe auch bezueglich der Regionen, die unter Absatz 3 Buchstabe a fallen können, abzuschätzen, um zu verhindern, daß durch die Beihilfemaßnahme auf Gemeinschaftsebene ein sektorielles Problem entsteht, das schwerer wiegt als das ursprüngliche regionale Problem. Somit ist das Kriterium der Existenzfähigkeit auch bei dieser Untersuchung von Bedeutung. Im übrigen kann aus dem Unterschied in der Formulierung zwischen Buchstabe a und Buchstabe c des Artikels 92 Absatz 3 nicht abgeleitet werden, daß die Kommission bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a das gemeinsame Interesse ausser acht lassen darf und sich darauf zu beschränken hat, die regionale Spezifizität der fraglichen Maßnahmen zu prüfen, ohne ihre Auswirkungen auf den oder die relevanten Märkte in der gesamten Gemeinschaft zu untersuchen. Demgemäß hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie die Gewährung der genannten Ausnahmeregelung einem Unternehmen verweigert hat, das zwar in einem Gebiet, dem nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a des Vertrages Regionalbeihilfen zugute kommen können, ansässig ist, jedoch offensichtlich nicht existenzfähig und in einem Sektor mit gewaltiger Überkapazität tätig war. Konnte sich ein solches durch rechtswidrige Beihilfen begünstigtes Unternehmen nur durch diese Beihilfen auf dem Markt halten, können diese nicht als Beihilfen zur Förderung der regionalen wirtschaftlichen Entwicklung angesehen werden.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 15. September 1998. - Breda Fucine Meridionali SpA (BFM) und Ente partecipazioni e finanziamento industria manifatturiera (EFIM) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag - Mitteilung über die Eröffnung eines Verfahrens - Nicht ausdrücklich erwähnte Beihilfen - Beihilfe für Unternehmen in den benachteiligten Gebieten - Umstrukturierung - Rückforderung der Beihilfe - Verjährung. - Verbundene Rechtssachen T-126/96 und C-127/96.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die 1961 gegründete Gesellschaft Breda Fucine Meridionali (im folgenden: BFM) ist eine Gießerei für den zweiten Schmelzvorgang. Sie hat sich namentlich auf die Lieferung von Bahnmaterial, insbesondere Herzstücke für Kreuzungen, spezialisiert. Ihr Sitz ist in Bari im italienischen Mezzogiorno, also in einer Gegend, für die gegebenenfalls regionalbedingte Beihilfen gemäß Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag gewährt werden können.

2 BFM wurde bis Ende 1986 von zwei Gesellschaften (Oto Melara SpA und Breda Meccanica Bresciana SpA) kontrolliert, die - wie BFM behauptet - auf dem Verteidigungssektor tätig waren. Zu dieser Zeit nahm das Unternehmen angeblich eine Reihe von Investitionen insbesondere im Bereich der Verteidigung, der Kernenergie und der Stromversorgung vor. Die Beklagte bestreitet jedoch die Zugehörigkeit von BFM zum Verteidigungssektor. BFM wird seit 1987 von der Gesellschaft Finanziaria Ernesto Breda (im folgenden: FEB), die ihrerseits der Staatsholding Ente partecipazioni e finanziamento industria manifatturiera (im folgenden: EFIM) gehört.

3 Mit Gesetzesdekret Nr. 340 vom 18. Juli 1992, das durch das Gesetzesdekret Nr. 362 vom 14. August 1992 (im folgenden: Gesetzesdekret Nr. 362/92) bestätigt wurde, ordnete die italienische Regierung die Liquidation von EFIM mit Wirkung vom gleichen Zeitpunkt an. Für den Liquidationsvorgang galten mehrere Gesetzesdekrete, darunter Nr. 414 vom 20. Oktober 1992 (im folgenden: Gesetzesdekret Nr. 414/92) und Nr. 487 vom 19. Dezember 1992 (im folgenden: Gesetzesdekret Nr. 487/92), das mit einigen Änderungen in das Gesetz Nr. 33 vom 17. Februar 1993 (im folgenden: Gesetz Nr. 33/93) umgewandelt wurde. Dieses Liquidationsverfahren wurde von Beihilfemaßnahmen begleitet, die von den italienischen Behörden nicht mitgeteilt wurden. Die Kommission leitete daher mit Entscheidung vom 23. Dezember 1992, die den italienischen Behörden am 24. Februar 1993 bekanntgegeben wurde, insbesondere gegenüber den Gesetzesdekreten Nrn. 362/92 und 414/92 das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages ein (Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag an die übrigen Mitgliedstaaten und sonstigen Beteiligten betreffend Beihilfen an EFIM, ABl. 1993, C 75, S. 2). Dieses Verfahren wurde durch die Entscheidung vom 26. Januar 1993, die der italienischen Regierung am 10. März 1993 bekanntgegeben wurde, insbesondere auf das Gesetzesdekret Nr. 487/92 erweitert (Mitteilung der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag an die übrigen Mitgliedstaaten und anderen Beteiligten über Beihilfen, die Italien EFIM zu gewähren beabsichtigt, ABl. 1993, C 78, S. 4). EFIM wurde durch Erlaß des italienischen Schatzministers vom 21. Januar 1995 zwangsliquidiert. Dieses Verfahren wurde durch Entscheidung vom 27. Dezember 1996 endgültig abgeschlossen. FEB wurde ihrerseits durch Dekret des italienischen Schatzministers vom 11. März 1994 zwangsliquidiert.

4 Am 5. Oktober 1994 legte eine französiche Wettbewerberin von BFM, die Gesellschaft Manoir industries (im folgenden: Manoir), bei der Kommission Beschwerde gegen Beihilfen ein, die BFM angeblich vom italienischen Staat in Anspruch genommen hatte. Die Kommission ersuchte die italienischen Behörden mit Schreiben vom 17. Oktober 1994 um Auskunft über diese Zuwendungen.

5 Anhand der verfügbaren Informationen gelangte die Kommission insbesondere zu dem Schluß, daß FEB und EFIM die Gesellschaft BFM von 1985 bis 1994 wiederholt durch Kapitalzuführungen, Verlustausgleichszahlungen und Darlehen unterstützt hätten und BFM u. a. durch eine Sonderbestimmung des Gesetzes Nr. 33/93 habe fortbestehen und die Liquidation vermeiden können.

6 Da die Kommission erhebliche Schwierigkeiten hatte, festzustellen, ob die betreffenden Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar waren, teilte sie der italienischen Regierung durch Schreiben vom 10. März 1995 mit, daß sie beschlossen habe, in bezug auf die genannten Maßnahmen das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten, und forderte sie auf, sich zu der Angelegenheit zu äussern. Die italienische Regierung nahm zu diesem Schreiben am 3. Mai 1995 Stellung, wobei sie betonte, daß die Bemerkungen der Kommission vage und ungenau seien, da sie keine konkreten Angaben über die Höhe der fraglichen Beihilfe enthielten. Sie wies jedenfalls die Feststellungen der Kommission zurück.

7 Mit Schreiben vom 12. September 1995 ersuchte die Kommission die italienischen Behörden um Übermittlung der Bilanzen von BFM für die Jahre 1985 bis 1994.

8 Durch Mitteilung gemäß Artikel 93 Absatz 2 EG-Vertrag an die übrigen Mitgliedstaaten und sonstigen Beteiligten über eine Beihilfe der italienischen Regierung an BFM (ABl. 1995, C 293, S. 8; im folgenden: Eröffnungsmitteilung) unterrichtete die Kommission die Mitgliedstaaten und die beteiligten Dritten von der Einleitung des Verfahrens nach der genannten Bestimmung.

9 In Absatz 6 dieser Mitteilung erklärt die Kommission folgendes:

"Aus den Unterlagen geht... hervor, daß einerseits EFIM BFM Mittel in Höhe von 52 Mrd. Lit zugeführt hat und andererseits die Banken staatlich verbürgte Darlehen von 10 Mrd. Lit an BFM gewährt haben. Schließlich hat sich gezeigt, daß infolge des für das Liquidierungsverfahren von EFIM vorgesehenen Ad-hoc-Gesetzes keine Liquidierung für BFM eröffnet wurde, obgleich in der Regel die Liquidierung eines Mutterunternehmens mit der Liquidierung der Töchter verbunden ist. Aufgrund einer weiteren Ad-hoc-Bestimmung des italienischen Gesetzes vom 17. Februar 1993, Nr. 33, Artikel 7 Absatz 2, die ausschließlich auf Unternehmen unter Kontrolle von EFIM Anwendung findet, gelang es BFM auch, die Auflösung zu vermeiden und sich weiter am Markt zu halten. Diese Bestimmung stellt eine Ausnahme von den verbindlichen Vorschriften des Artikels 2448 des italienischen Zivilgesetzbuches dar, wonach das Herabsinken des Kapitals unter den gesetzlichen Mindestbetrag (200 Mio. Lit) ein Auflösungsgrund ist."

10 In Absatz 10 der Eröffnungsmitteilung stellt die Kommission folgendes fest:

"Nach den vorliegenden Angaben hatte BFM in den letzten drei Jahren beträchtliche Verluste und hat die Verschuldung des Unternehmens inzwischen das Fünffache seines Gesellschaftskapitals erreicht. Hierzu ist festzustellen, daß BFM sich an dem in Rede stehenden Markt ausschließlich durch die staatlichen Investitionen sowie die Mittel von EFIM und von [FEB] und die staatlichen Bürgschaften für Lieferanten und Gläubiger von BFM halten konnte."

11 Nach Schätzung der Kommission anhand der verfügbaren Informationen beliefen sich nämlich am Ende des Geschäftsjahres 1993 die Gesamtschulden von BFM auf 88,7 Milliarden LIT gegenüber einem Gesellschaftskapital von 17 Milliarden LIT.

12 Aufgrund einer Analyse der Sachlage kam die Kommission vorläufig zu dem Schluß, daß "die Interventionen des italienischen Staates zugunsten von BFM, insbesondere die Nichtanwendung der allgemeinen Vorschriften über die Liquidierung und Auflösung von Gesellschaften sowie die Bürgschaft für die Schulden von BFM und die Maßnahmen der... EFIM sowie der... [FEB], insbesondere in Form von Finanzierungen und Bürgschaften, die Möglichkeit zur künstlichen Erhaltung von BFM am Markt geboten [haben] und folglich als staatliche Beihilfen zu betrachten [sind], die den Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Markt verfälschen" (Absatz 12 der Eröffnungsmitteilung). Sie betonte erneut, daß sie ernsthafte Schwierigkeiten habe, festzustellen, "ob die in Rede stehenden Beihilfen, insbesondere die Bürgschaft des italienischen Staates für die Schulden von BFM, die Finanzierungen und Bürgschaften der EFIM und [FEB] für BFM, die Nichtanwendung der Vorschriften des italienischen Zivilgesetzbuches über die Liquidierung und Auflösung der Gesellschaften sowie jede andere öffentliche Intervention zugunsten BFM mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind" (Absatz 16 der Eröffnungsmitteilung).

13 Die Erklärungen, die Manoir und die deutsche Regierung gegenüber der Kommission mit Schreiben vom 21. November 1995 und 6. November 1995 abgaben, wurden der italienischen Regierung mit Schreiben vom 31. Januar 1996 mitgeteilt. Die Regierung hat hierzu nicht Stellung genommen.

14 Am 27. Februar 1996 fand eine Sitzung statt, in der BFM den Vertretern der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission ihren Standpunkt darlegte. Diese ersuchten um Vorlage eines Rechnungsberichts über die wirtschaftliche und finanzielle Lage von BFM mit weiteren Einzelheiten über die gemachten Angaben. Der angeforderte Bericht wurde der Kommission am 4. April 1996 von den italienischen Behörden übermittelt.

15 Am 29. Mai 1996 erließ die Kommission die Entscheidung 96/614/EG über Maßnahmen Italiens zugunsten von BFM (ABl. L 272, S. 46; im folgenden: streitige Entscheidung).

16 Artikel 1 der streitigen Entscheidung lautet wie folgt:

"Die staatlichen Beihilfemaßnahmen, die das Unternehmen BFM in Anspruch genommen hat, nämlich:

a) Kapitalzuführungen in Höhe von 12 Mrd. Lit, d. h. 7 Mrd. Lit 1986, 5 Mrd. Lit 1987;

b) Ausgleich von Verlusten in Höhe von 50,8 Mrd. Lit, insbesondere 7,1 Mrd. Lit 1985, 11,2 Mrd. Lit 1987, 3,9 Mrd. Lit 1988, 11,6 Mrd. Lit 1990 und 17 Mrd. Lit 1991;

c) Darlehen der [FEB] und der Holding EFIM an BFM, wodurch diese sich in Höhe von 63 Mrd. Lit gegenüber ihren Muttergesellschaften verschuldet hat;

d) Artikel 7 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 33/1993, verlängert durch den Ministerialerlaß vom 24. Januar 1996, aufgrund dessen BFM sich der Tilgung seiner Schulden gegenüber der öffentlichen Hand und gegenüber öffentlichen Unternehmen, einschließlich seiner Verbindlichkeiten gegenüber öffentlichen Kreditinstituten, entziehen und den Betrieb fortsetzen konnte, ohne die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren öffentlichen Zuwendungen zurückzahlen zu müssen und ohne abgewickelt zu werden;

e) Bestimmungen des Gesetzes Nr. 33/1993, aufgrund deren BFM die Tilgung der Darlehen der öffentlichen Kreditinstitute ISVEIMER und IMI in Höhe von 6,609 Mrd. Lit aussetzen konnte,

sind zu Unrecht gewährt worden, weil sie der Kommission nicht gemäß Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag vor der Gewährung gemeldet wurden.

Die Maßnahmen sind nach Artikel 92 EG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar."

17 Die Entscheidung sieht in Artikel 2 vor, daß Italien die an BFM gezahlten Beihilfen zurückfordert, und zwar einschließlich Zinsen ab dem Zeitpunkt der Gewährung bis zur Rückzahlung. Ferner muß Italien gemäß Artikel 3 der Entscheidung die Bestimmungen über die Verlängerung der vom allgemeinen Recht abweichenden Regelung betreffend die Verbindlichkeiten gegenüber der öffentlichen Hand und gegenüber öffentlichen Unternehmen sowie die Bestimmungen über die Aussetzung der Tilgung der von öffentlichen Kreditinstituten gewährten Darlehen gegenüber BFM unverzueglich aussetzen und sie aufheben.

18 Am 21. August 1996 wurde die verwaltungsmässige Zwangsliquidation von BFM angeordnet. Die Vermögensgegenstände des Unternehmens wurden versteigert und der Firma Finmeccanica übertragen.

Verfahren

19 Unter diesen Umständen haben BFM und EFIM mit Klageschriften, die am 12. August 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegenden Klagen erhoben, die unter den Nummern T-126/96 und T-127/96 eingetragen worden sind.

20 Manoir und die Französische Republik haben mit Antragsschriften, die am 18. Dezember 1996 und 30. Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, ihre Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Beklagten in den beiden Rechtssachen beantragt.

21 Die Italienische Republik hat mit am 6. Februar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Telefaxen ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen in den beiden Rechtssachen beantragt.

22 Mit Schreiben, die am 20. Februar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Klägerinnen in den beiden Rechtssachen beantragt, daß bestimmte in den Akten enthaltene Informationen gegenüber der Französischen Republik und Manoir vertraulich behandelt werden.

23 Mit Beschlüssen vom 11. März 1997 hat der Präsident des Gerichts die Streithilfeanträge der Italienischen Republik wegen verspäteter Einreichung zurückgewiesen.

24 Mit Beschlüssen vom 16. Juli 1997 hat der Präsident des Gerichts den Anträgen der Französischen Republik und von Manoir auf Zulassung als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Beklagten in den beiden Rechtssachen und zum Teil den Anträgen der Klägerinnen auf vertrauliche Behandlung stattgegeben.

25 Mit Beschluß vom 30. September 1997 hat der Präsident des Gerichts nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten die Rechtssachen T-126/96 und T-127/96 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

26 Die Streithelferinnen haben ihre Streithilfeschriftsätze am 15. Oktober 1997 eingereicht.

27 Die Kommission hat mit Schreiben, das am 5. Dezember 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, darauf verzichtet, sich zu diesen Schriftsätzen zu äussern. Die Klägerinnen haben sich am 16. Februar 1998 zu den Streithilfeschriftsätzen geäussert. Das schriftliche Verfahren ist zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden.

28 Das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet. Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 26. Mai 1998 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet. Das Gericht hat die Verfahrensbeteiligten im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen um bestimmte Angaben ersucht.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

29 BFM beantragt,

- die streitige Entscheidung in vollem Umfang oder, hilfsweise, zum Teil für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

30 EFIM beantragt,

- die streitige Entscheidung in vollem Umfang oder, hilfsweise, zum Teil für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

31 Die Kommission beantragt in den beiden Rechtssachen,

- die Klagen abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

32 Die französische Regierung unterstützt die Anträge der Kommission und beantragt zudem, den zweiten Klagegrund zurückzuweisen.

33 Manoir beantragt,

- die Klagen als unbegründet abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Streithilfekosten aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

34 Die Klägerinnen machen fünf Klagegründe zur Stützung ihrer Anträge geltend. Der erste Klagegrund, der aus zwei Teilen besteht, bezieht sich zum einen auf eine Verletzung der Verfahrensrechte der Klägerinnen, da die angefochtene Entscheidung im wesentlichen Maßnahmen für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erkläre, die von der Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens nicht betroffen gewesen seien, und zum anderen auf eine Verletzung der Begründungspflicht. Der zweite Klagegrund stützt sich auf einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie auf die Nichtbeachtung einer fünfjährigen Verjährungsfrist. Der dritte Klagegrund beruht auf einem Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages, da die Kommission nicht dargetan habe, daß die streitigen Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellten. Mit dem vierten Klagegrund wird ein Fehler bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrages gerügt. Der fünfte Klagegrund schließlich betrifft die angebliche Rechtswidrigkeit des Artikels 2 der streitigen Entscheidung. Bei dem zweiten und dem fünften Klagegrund geht es im wesentlichen um die Frist zwischen der Gewährung der streitigen Beihilfen und deren Bemängelung durch die Kommission in der angefochtenen Entscheidung; diese beiden Klagegründe werden daher zusammen geprüft.

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Verfahrensrechte

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

35 Die Klägerinnen führen aus, die Kommission habe in der Eröffnungsmitteilung lediglich erklärt, daß BFM von EFIM Beträge in Höhe von 52 Milliarden LIT und staatlich verbürgte Darlehen in Höhe von 10 Milliarden LIT erhalten habe, ohne in irgendeiner Weise auf andere vermutliche Kapitalzufluesse oder deren Zeitpunkt hinzuweisen. Sie betonen, daß die Kommission in dieser Mitteilung somit die meisten in der streitigen Entscheidung bemängelten Beihilfen keineswegs erwähnt habe.

36 Die Kommission habe, indem sie erstmals in der endgültigten Entscheidung Beihilfen gerügt habe, die von ihr zuvor nicht bemängelt worden seien, zum einen die Verteidigungsrechte der Klägerinnen verletzt und zum anderen gegen den Geist des in Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages vorgesehenen Verfahrens verstossen, der u. a. dem betroffenen Mitgliedstaat und den beteiligten Unternehmen sowie den übrigen Mitgliedstaaten und den interessierten Kreisen die Möglichkeit verschaffen solle, sich zu äussern.

37 Das Verbot, die in der Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens vorgebrachten Beanstandungen in der endgültigen Entscheidung zu ändern oder in dieser gar neue Rügen hinzuzufügen, gelte für alle entsprechenden Verfahren des Gemeinschaftsrechts.

38 Demnach sei die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, und zwar schon wegen der angeblichen Beihilfen, die in der Eröffnungsmitteilung nicht ausdrücklich beanstandet worden seien.

39 Die Kommission legt zunächst dar, daß die Rügen bezueglich der Eröffnungsmitteilung unzulässig seien, da die Klägerinnen nicht Klage wegen dieser anfechtbaren Handlung erhoben hätten, die endgültige Beurteilungen bezueglich der Natur der Beihilfen zum Ausdruck gebracht habe (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 30. Juni 1992 in der Rechtssache C-312/90, Spanien/Kommission, Slg. 1992, I-4117).

40 Die Kommission betont, sie habe in Absatz 16 ihrer Eröffnungsmitteilung den Untersuchungsgegenstand in der Weise definiert, daß er sich auf alle Interventionen der öffentlichen Hand erstrecke, die BFM zugute gekommen seien (siehe oben, Randnr. 12 a. E.).

41 Sie habe jedenfalls den Gegenstand ihrer Untersuchung genau umrissen, indem sie mit Telefax vom 1. Dezember 1994 zum einen den Liquidator von EFIM aufgefordert habe, "alle erforderlichen Angaben zu machen, um die Angelegenheit aufzuklären", und zum anderen die italienischen Behörden um Vorlage der Bilanzen der letzten zehn Jahre ersucht habe und ihnen ferner eine Abschrift der Erklärungen von Manoir und der deutschen Regierung mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet habe. Im übrigen hätten BFM und EFIM genau gewusst, welche Beihilfen ihnen zugute gekommen seien.

42 Die Klägerinnen erwidern, eine Klage gegen eine Mitteilung über die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages sei nur zulässig, wenn die Kommission eine bereits bestehende Beihilfe zu Unrecht als neu bezeichnet habe. Da dies hier nicht zutreffe, seien die Rügen bezueglich der Eröffnungsmitteilung zulässig.

Würdigung durch das Gericht

43 Zur Zulässigkeit dieses Klagegrundes ist zunächst festzustellen, daß eine Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages zwar Rechtswirkungen erzeugt und somit eine anfechtbare Handlung darstellt, soweit sie eine Qualifizierung der Beihilfe als bestehend oder neu und eine Wahl der anwendbaren Verfahrensregeln enthält (Urteil Spanien/Kommission, Randnrn. 17, 20 und 24). Sie kann indessen nur in diesem Maß eine anfechtbare Handlung im Sinne des Artikels 173 des Vertrages darstellen. Der Gerichtshof hat nämlich in dem genannten Urteil ausgeführt, daß sich seine Prüfung nicht auf die von der Kommission in dieser Eröffnungsmitteilung vorgenommene Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Vertrag erstreckt (Randnr. 10 des Urteils). Der Klagegrund ist somit zulässig.

44 Ist die Kommission aufgrund einer ersten Prüfung zu der Überzeugung gelangt, daß eine staatliche Beihilfe mit dem Vertrag unvereinbar ist, oder hat sie hierbei nicht alle Schwierigkeiten hinsichtlich der Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt ausräumen können, so ist sie nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet, alle erforderlichen Stellungnahmen einzuholen und zu diesem Zweck das Verfahren des Artikels 93 Absatz 2 des Vertrages einzuleiten (siehe insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95, Kommission/Sytraval u. a., Slg. 1998, I-1719, Randnr. 39).

45 Aus Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages geht nämlich hervor, daß die Kommission entscheidet, "nachdem sie den Beteiligten eine Frist zur Äusserung gesetzt hat". Der Gerichtshof hat festgestellt, daß die Eröffnungsmitteilung lediglich dem Zweck dient, von den Beteiligten alle Auskünfte zu erhalten, die dazu beitragen können, der Kommission Klarheit über ihr weiteres Vorgehen zu verschaffen (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 70/72, Kommission/Deutschland, Slg. 1973, 813, Randnr. 19).

46 Es ist festzustellen, daß die beanstandeten Maßnahmen entgegen dem Erfordernis des Artikels 93 Absatz 3 des Vertrages der Kommission nicht vor ihrer Durchführung gemeldet wurden. Diese Meldepflicht soll der Kommission jedoch Gelegenheit geben, ihre Kontrolle über jede beabsichtigte Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen rechtzeitig und im allgemeinen Interesse der Gemeinschaften auszuüben (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-301/87, Frankreich/Kommission, Slg. 1990, I-307, Randnr. 17).

47 Insoweit ist das Argument der Klägerinnen zurückzuweisen, daß eine Maßnahme mit genau den gleichen Auswirkungen auf die rechtliche und finanzielle Situation von BFM wie Artikel 7 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 33/93, nämlich das Gesetzesdekret Nr. 414/92, der Kommission bereits gemeldet und von ihr stillschweigend genehmigt worden sei. Die Kommission hat nämlich bei der Untersuchung der Unterlagen über die Beihilfen Italiens an EFIM festgestellt, daß die Übermittlung einer Abschrift des Gesetzesdekrets Nr. 414/92 durch die italienischen Behörden nicht als gültige Anmeldung eingestuft werden konnte, da sie keine ausdrückliche Bezugnahme auf Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages enthielt und nicht dem Generalsekretariat vorgelegt wurde, so daß die betreffenden Maßnahmen als nicht angemeldet anzusehen waren (siehe Nr. 1 Absätze 8 bis 10 der vorgenannten Mitteilung der Kommission).

48 Ferner haben die italienischen Behörden nicht die Auskünfte erteilt, um die sie die Kommission am 17. Oktober 1994 vor Einleitung des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages gebeten hatte (siehe oben, Randnr. 4). So musste sich die Kommission in diesem Stadium mit den Informationen begnügen, die sie von der Beschwerdeführerin erhalten hatte.

49 Die Kommission konnte sich somit im Stadium der Verfahrenseinleitung insbesondere in Ermangelung einer vorherigen Mitteilung kein genaues Bild von den staatlichen Beihilfemaßnahmen machen, die BFM in Anspruch genommen hatte. Es kann ihr daher nicht vorgeworfen werden, daß sie in der Eröffnungsmitteilung in allgemeinen Worten ausser Artikel 7 Absatz 2 des Gesetzes N. 33/93 "die Mittel von EFIM und von [FEB] und die staatlichen Bürgschaften für Lieferanten und Gläubiger von BFM" (siehe oben, Randnr. 12) sowie "die Maßnahmen der... EFIM sowie der... [FEB], insbesondere in Form von Finanzierungen und Bürgschaften" (siehe oben, Randnr. 8), in Frage gestellt hat. Ferner konnten die Betroffenen unbedingt aufgrund des Hinweises auf den Wiederholungscharakter der Maßnahmen (siehe insbesondere Absatz 10 der Eröffnungsmitteilung) erkennen, daß die Untersuchung der Kommission alle Beihilfemaßnahmen der Vorjahre umfasste.

50 Das Gericht stellt jedenfalls fest, daß die von der streitigen Entscheidung erfassten Beihilfen (siehe oben, Randnr. 16), nämlich die Kapitalzuführungen, Verlustausgleichszahlungen und Finanzierungen von FEB und EFIM zugunsten von BFM, ferner Artikel 7 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 33/93, aufgrund dessen BFM insbesondere die Schulden gegenüber öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Kreditinstituten nicht zu tilgen brauchte, sowie Bestimmungen des Gesetzes Nr. 33/93, aufgrund deren BFM die Tilgung von Darlehen öffentlicher Kreditinstitute aussetzen konnte, sind zweifellos gleicher Art wie die in vorstehender Randnummer dargelegten Maßnahmen, die in der Eröffnungsmitteilung in Frage gestellt wurden.

51 Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, insbesondere in Anbetracht der fehlenden Anmeldung der Beihilfen und in Ermangelung eines Umstrukturierungsplans (siehe oben, Randnr. 46, und unten, Randnrn. 87 und 88), ist es unerheblich, daß der genaue Betrag der Beihilfen erst in der endgültigen Entscheidung angegeben wurde, da die genaue Bezifferung der Beihilfen vor allem erforderlich war, um den Rückforderungsbetrag zu bestimmen. Ebenso konnte die Kommission die betreffenden Jahre zu Recht in der endgültigen Entscheidung angeben, da sie erst anhand der auf ihr Ersuchen während der Untersuchung vorgelegten Bilanzen von BFM feststellen konnte, wann die Maßnahmen erfolgten.

52 Im übrigen konnte es BFM zweifellos nicht unbekannt bleiben, welche staatlichen Maßnahmen ihr in den betreffenden Jahren zugute gekommen waren.

53 Da schließlich die Eröffnungsmitteilung eine ausreichende Unterrichtung über die Beihilfen enthielt, die später in der endgültigen Entscheidung als rechtswidrig und unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt angesehen wurden, wurden die Betroffenen, darunter BFM und EFIM, durch diese Mitteilung in angemessener Weise in die Lage versetzt, sich zu äussern.

54 Somit ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Begründungspflicht

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

55 Die Klägerinnen machen geltend, daß die streitige Entscheidung höchst unzureichend begründet sei, und zwar insbesondere bezueglich des Staatsbeihilfecharakters der in Frage stehenden Interventionen und ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt; dies habe unmittelbaren Einfluß auf die Schlußfolgerungen der Kommission und die logische Kohärenz der Entscheidung, wodurch die Klägerin daran gehindert werde, die Gründe zu erfassen, auf denen die Entscheidung beruhe.

56 Diese Rüge ist nach Ansicht der Kommission ebenfalls zurückzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

57 Die den Gemeinschaftsorganen nach Artikel 190 des Vertrages obliegende Verpflichtung, ihre Entscheidungen zu begründen, soll dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner Rechtmässigkeitskontrolle ermöglichen und es dem Betroffenen gestatten, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit er seine Rechte verteidigen und prüfen kann, ob die Entscheidung berechtigt ist (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-358/94, Air France/Kommission, Slg. 1996, II-2109, Randnr. 161).

58 Die streitige Entscheidung enthält im ganzen eine Begründung, die ausreicht, um Artikel 1 dieser Entscheidung zu stützen, wonach die in Rede stehenden Interventionen zu Unrecht gewährte staatliche Beihilfen darstellen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind. Die Entscheidung ist nicht inkohärent, da die Kommission genügend erklärt hat, daß jeder Kapitalzuschuß BFM den Fortbestand auf dem Markt erlaubt hat, obwohl das Unternehmen seit seiner Gründung offensichtlich unrentabel war und sein Stammkapital bereits seit langem durch die Verluste aufgebraucht war. Die Kommission hat auch genügend erklärt, warum sie die Sonderregelung als nicht gerechtfertigt angesehen hat. Ferner hat sie erklärt, daß die Rückforderung der Beihilfe nach dem Gemeinschaftsrecht erforderlich ist, womit sie die Artikel 2 und 3 begründet hat, denen zufolge die Wirkungen der Beihilfe aufzuheben sind.

59 Somit ist auch der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

60 Demgemäß ist der erste Klagegrund im ganzen als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

Zum zweiten und zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und Nichtbeachtung einer fünfjährigen Verjährungsfrist sowie Rechtswidrigkeit des Artikels 2 der streitigen Entscheidung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

61 Die Klägerinnen machen im Rahmen ihres zweiten Klagegrundes erstens geltend, daß die Kommission gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstossen habe, indem sie ihre rechtliche Bewertung ab 1995 auf Handlungen und Beziehungen ausgeweitet habe, die zum Teil bis 1985 zurückreichten. Eine Entscheidung, mit der die Rechtswidrigkeit und die Unvereinbarkeit so weit zurückliegender Maßnahmen festgestellt würden, könne nämlich schwerwiegende und nicht gerechtfertigte Auswirkungen auf die Sicherheit der rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen haben. Zweitens habe die Kommission eine Verjährungsfrist nicht beachtet, die entsprechend der Regelung in anderen Bereichen fünf Jahre betragen müsse.

62 Im Rahmen des fünften Klagegrundes wegen des angeblich rechtswidrigen Charakters von Artikel 2 der streitigen Entscheidung machen die Klägerinnen geltend, daß auch die in diesem Artikel auferlegte Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfen gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und der Verjährung sowie gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und der Nichtdiskriminierung verstosse.

63 Die Klägerinnen vertreten daher die Auffassung, daß die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären sei, und zwar schon wegen der angeblichen Beihilfen, die mehr als fünf Jahre vor der Eröffnungsmitteilung gewährt worden seien.

64 Die Kommission betont, daß es keine Bestimmung gebe, die eine Verjährungs- oder Ausschlußfrist für ihre Maßnahmen auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen vorschreibe. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf die herangezogenen Grundsätze berufen.

65 Die Rückforderung sei im übrigen die logische Folge der Feststellung der Rechtswidrigkeit der betreffenden Beihilfe (Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 66). Die Wiederherstellung der vorherigen Lage, die durch die Rückforderungsanordnung erreicht werden solle, bringe es notwendigerweise auch mit sich, daß diese Anordnung sich auf die Erhebung der Zinsen auf die seit der Zahlung gewährten Beträge erstrecke (Urteil des Gerichts vom 8. Juni 1995 in der Rechtssache T-459/93, Siemens/Kommission, Slg. 1995, II-1675, Randnrn. 96 bis 103).

66 Die französische Regierung räumt ein, daß die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unter bestimmten Umständen bewirken könnten, daß eine Entscheidung, mit der die Rechtswidrigkeit oder die Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt werde, nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr erlassen werden könne. In Ermangelung einer vom Gemeinschaftsgesetzgeber festgelegten Verjährung sei vorzugsweise von Fall zu Fall zu prüfen, ob der Grundsatz der Rechtssicherheit eingehalten worden sei. Die Anwendung dieses Grundsatzes dürfe die Betroffenen indessen keinesfalls veranlassen, gegen die Bestimmungen des Artikels 93 des Vertrages zu verstossen. Im vorliegenden Fall können sich die Klägerinnen nach Ansicht der französischen Regierung nicht auf eine Verjährung berufen.

Würdigung durch das Gericht

67 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber bisher keine Verjährungsfrist für Maßnahmen der Kommission gegenüber nicht mitgeteilten staatlichen Beihilfen festgelegt hat. Eine Verjährungsfrist muß jedoch, um ihre Aufgabe, die Rechtssicherheit zu gewährleisten, erfuellen zu können, vom Gemeinschaftsgesetzgeber grundsätzlich im voraus festgelegt werden (z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnrn. 19 und 20, und vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnrn. 47 und 48, sowie Urteil des Gerichts vom 17. Oktober 1991 in der Rechtssache T-26/89, De Compte/Parlament, Slg. 1991, II-781, Randnr. 68).

68 Zudem kann weder die Frist der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) noch die Frist des Artikels 43 der EG-Satzung des Gerichtshofes entsprechend angewandt werden, die eine Verjährungsfrist für aus ausservertraglicher Haftung der Gemeinschaft hergeleitete Ansprüche vorsehen.

69 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß die in Rede stehenden Maßnahmen der Kommission nicht gemeldet wurden. Wie die französische Regierung bemerkt, kann sich der Begünstigte, abgesehen von aussergewöhnlichen Umständen, nur dann auf ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmässigkeit einer Beihilfe berufen, wenn diese unter Beachtung der Bestimmungen des Artikels 93 des Vertrages gewährt wurde (Urteile des Gerichtshofes vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-5/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437, Randnr. 17, und vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-169/95, Spanien/Kommission, Slg. 1997, I-135, Randnr. 48). Ausserdem dürfen einem Mitgliedstaat keinesfalls die Folgen seines Verstosses gegen die in Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages vorgesehene Meldepflicht zugute kommen (Urteil Frankreich/Kommission, Randnr. 11).

70 Aus diesen Gründen sind diese beiden Klagegründe zurückzuweisen, zumal auch nicht nachgewiesen worden ist, daß aussergewöhnliche Umstände vorlagen.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 92 Absatz 1 des Vertrages, da die Kommission angeblich nicht den Beihilfecharakter der in Rede stehenden Interventionen dargetan hat

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

71 Die Klägerinnen bemerken, daß die beanstandeten Interventionen keine Beihilfen im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages darstellten. Es handele sich um Investitionen, die zum einen ein privater Investor hätte realisieren können und die zum anderen im Rahmen des Umstrukturierungsplans gerechtfertigt gewesen seien und dazu gedient hätten, dem Unternehmen die Rückgewinnung der Existenzfähigkeit und seine bestmögliche Veräusserung zu erlauben.

72 Sie beanstanden, daß die Kommission die betreffenden Maßnahmen nicht anhand der Situation bewertet habe, die bestanden habe, als die Maßnahmen getroffen worden seien. Hätte die Kommission nämlich die mögliche Erklärung der Interventionen und die Lage von BFM zur Zeit des Erlasses der Maßnahmen berücksichtigt, so wäre ihre Entscheidung anders, und zwar zugunsten der Klägerinnen, ausgefallen.

73 Hierzu führen die Klägerinnen in erster Linie aus, daß die Verschuldung aufgrund der Betriebsbelastungen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten, die BFM vor 1987 auf dem Verteidigungssektor ausgeuebt habe, die Ergebnisse der nachfolgenden Zeit erheblich beeinflusst habe. Im übrigen fielen die Interventionen in der Zeit, als BFM für die Verteidigung tätig gewesen sei, nicht unter Artikel 92, sondern unter die Ausnahmeregelung des Artikels 223 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages.

74 Die nach 1987 getätigten Interventionen ließen sich durch die von der Muttergesellschaft verfolgte "Gruppenpolitik" erklären, die von dem Bestreben getragen gewesen sei, den Ruf und die Glaubwürdigkeit der Unternehmensgruppe sowie den Wert der vorherigen Investitionen zu sichern. Schließlich sei das System des Artikels 7 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 33/93 (siehe oben, insbesondere Randnr. 5) notwendig gewesen, um die Sanierung und die Umstrukturierung von BFM zu gewährleisten, und habe es dem Unternehmen ermöglicht, die Betriebsfähigkeit wieder zu erlangen.

75 Die Klägerinnen weisen darauf hin, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 14. November 1984 in der Rechtssache 323/82 (Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809, Randnr. 39) ausgeführt habe, daß "die Begleichung alter Schulden zu dem Zweck, den Bestand eines Unternehmens zu sichern, die Handelsbedingungen nicht notwendigerweise im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert, z. B. wenn eine Aktion mit einem Umstrukturierungsplan einhergeht".

76 BFM habe schon im September 1984 einen Umstrukturierungsplan erstellt, und der Sanierungsprozeß habe sich seit 1985 wie vorgesehen entwickelt. 1988 sei das Betriebsergebnis fast ausgeglichen gewesen. Die positive Tendenz sei zwar 1989 wegen "aussergewöhnlicher Faktoren" unterbrochen worden, seit 1992 habe aber eine neue Umstrukturierungsphase radikale Senkungen der Kapazität und des Personalbestands mit sich gebracht, und ein Gutachten zeige eine eindeutige Verbesserung der Betriebsindikatoren. BFM sei durchaus betriebsfähig gewesen, als die Kommission die streitige Entscheidung erlassen habe.

77 Die Kommission erklärt, dieses Vorbringen sei nicht begründet. Es sei ihr kein Umstrukturierungsplan zugegangen. Derjenige, an den sich eine Entscheidung richte, die eine Beihilfe für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erkläre, müsse aber beweisen, daß die beanstandeten Maßnahmen dazu dienten, die strukturellen Probleme des Unternehmens zu lösen, dem diese Beihilfe zugute komme. Jedenfalls sei die Dauer - über vier Jahre - der betreffenden Ausnahmeregelung des Gesetzes Nr. 33/93 übermässig lang gewesen.

78 Zudem habe BFM seit der Unternehmensgründung keinen Gewinn zu verzeichnen. Unter diesen Umständen könne das Verhalten von EFIM und FEB gegenüber BFM selbst unter dem Gesichtspunkt einer Rettung der Unternehmensgruppe nicht dem Verhalten eines gewöhnlichen Investors gleichgestellt werden, da für das Unternehmen keinerlei ernsthafte Aussicht auf Rentabilität bestanden habe. Im übrigen seien die Argumente der Klägerinnen bezueglich der Verschuldungsgründe in keiner Weise stichhaltig. Die Beurteilung der Kommission sei nämlich nicht moralischer Art, sondern beschränke sich auf die Bewertung der Fähigkeit des Unternehmens, dank der Stützungsmaßnahmen kurzfristig unter marktwirtschaftlichen Bedingungen arbeiten zu können.

Würdigung durch das Gericht

79 Nach ständiger Rechtsprechung können Kapitalzuweisungen der öffentlichen Hand an Unternehmen, in welcher Form sie auch erfolgen, staatliche Beihilfen darstellen, wenn die Voraussetzungen des Artikels 92 des Vertrages erfuellt sind. Um festzustellen, ob solche Maßnahmen den Charakter staatlicher Beihilfen haben, ist zu prüfen, ob ein privater Investor in vergleichbarer Lage hätte veranlasst werden können, Kapitalhilfen dieses Umfangs zu gewähren. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof klargestellt, daß, auch wenn das Verhalten des privaten Investors, mit dem die Intervention des öffentlichen Investors, der wirtschaftspolitische Ziele verfolgt, verglichen werden muß, nicht zwangsläufig das eines gewöhnlichen Investors sein muß, der Kapital zum Zweck seiner mehr oder weniger kurzfristigen Rentabilisierung anlegt, es doch wenigstens das einer privaten Holding oder einer privaten Unternehmensgruppe zu sein hat, die eine globale oder sektorale Strukturpolitik verfolgt und sich von längerfristigen Rentabilitätsaussichten leiten lässt (siehe insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1994 in den verbundenen Rechtssachen C-278/92, C-279/92 und C-280/92, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4103, Randnrn. 20 bis 22).

80 Wie der Gerichtshof ferner festgestellt hat, "kann ein privater Anteilseigner vernünftigerweise einem Unternehmen das Kapital zuführen, das zur Sicherstellung seines Fortbestandes erforderlich ist, wenn es sich in vorübergehenden Schwierigkeiten befindet, aber seine Rentabilität - gegebenenfalls nach einer Umstrukturierung - wieder zurückgewinnen kann. Eine Muttergesellschaft kann somit während eines beschränkten Zeitraums auch Verluste einer ihrer Tochtergesellschaften übernehmen, um dieser die Einstellung ihrer Tätigkeit unter möglichst günstigen Bedingungen zu ermöglichen.... Wenn Kapitalzuschüsse eines öffentlichen Kapitalgebers jedoch selbst langfristig von jeder Aussicht auf Rentabilität absehen, sind sie als Beihilfen im Sinne des Artikels 92 EWG-Vertrag anzusehen" (Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-303/88, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1433, Randnrn. 21 und 22).

81 Vor der Untersuchung des vorliegenden Falles ist darauf hinzuweisen, daß die von der Kommission vorzunehmende Prüfung der Frage, ob eine bestimmte Maßnahme als Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages anzusehen ist, weil der Staat nicht "wie ein normaler Wirtschaftsteilnehmer" gehandelt hat, eine komplexe wirtschaftliche Beurteilung umfasst (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, Randnrn. 10 und 11). Nach ständiger Rechtsprechung steht der Kommission jedoch ein weites Ermessen zu, wenn sie eine Handlung vornimmt, die eine solche Beurteilung einschließt, und die gerichtliche Kontrolle dieser Handlung muß sich demnach auf die Prüfung der Fragen beschränken, ob die Vorschriften über das Verfahren und die Begründung eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der getroffenen Entscheidung zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung dieses Sachverhalts oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt (Urteil vom 29. Februar 1996, Belgien/Kommission, Randnr. 11, und Urteil Air France/Kommission, a. a. O., Randnrn. 71 und 72). Insbesondere darf das Gericht die wirtschaftliche Beurteilung des Urhebers der Entscheidung nicht durch seine eigene Beurteilung ersetzen (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-380/94, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 56).

82 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß BFM nach Aktenlage seit der Gründung des Unternehmens keinen Gewinn zu verzeichnen hat. Die Klägerinnen machen jedoch geltend, daß das Betriebsergebnis im Jahr 1988 fast ausgeglichen gewesen sei, nach einer schwierigen Periode eine eindeutige Verbesserung der Betriebsindikatoren habe festgestellt werden können und BFM lebensfähig, strukturell gesund und gewinnfähig geworden sei. Die Kommission hat indessen, ohne daß die Klägerinnen dem widersprochen hätten, in der streitigen Entscheidung folgendes festgestellt:

- 1990 wies BFM bei einem Umsatz von 14,6 Milliarden LIT Verluste in Höhe von 18 Milliarden LIT auf;

- 1991 beliefen sich die Verluste von BFM bei einem Umsatz in Höhe von 18,4 Milliarden LIT auf 14 Milliarden LIT;

- 1992 verzeichnete BFM bei einem Umsatz in Höhe von 19,9 Milliarden LIT Verluste in Höhe von 27,6 Milliarden LIT;

- 1993 erhöhten sich die Verluste bei einem verringerten Umsatz in Höhe von 14,7 Milliarden LIT auf 36,1 Milliarden LIT;

- 1994 erreichten die Verluste bei einem Umsatz von 20,6 Milliarden LIT einen Betrag von 13,8 Milliarden LIT;

- 1995 betrugen die Verluste bei einem Umsatz von 28,1 Milliarden LIT 15 Milliarden LIT;

- Ende 1994 beliefen sich die Schulden von BFM auf über 85 Milliarden LIT und entsprachen bei Erlaß der streitigen Entscheidung dem Fünffachen des Stammkapitals von BFM in Höhe von 17 Milliarden LIT.

83 Ferner ist festzustellen, daß die Bilanz von BFM, wie die Klägerinnen vortragen, zwar "durch ausserordentliche Posten aus früherer Geschäftsführung belastet" war, daß die entsprechende Verschuldung jedoch bei der Beurteilung der Wirtschafts- und Finanzlage des Unternehmens zu berücksichtigen ist, die nach dem von den Klägerinnen selbst vorgelegten Gutachten "zweifellos prekär" war, sofern nicht zwischen "gewöhnlicher" und "ausserordentlicher" Geschäftsführung unterschieden wird. Wie die Kommission in der streitigen Entscheidung betont hat, sind bei der Beurteilung der Rentabilität des Unternehmens nicht nur das Betriebsergebnis, sondern auch die finanziellen Lasten zu berücksichtigen, die das Unternehmen normalerweise zu tragen hat. In diesem Zusammenhang haben die Klägerinnen in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts eingeräumt, daß die Tilgungen und finanziellen Belastungen von BFM ungewöhnlich hoch seien und von den "ausserordentlichen" Belastungen abzusehen sei, um das Unternehmen als existenzfähig betrachten zu können.

84 Schließlich war die Kommission unter diesen Umständen bei der Ausübung des ihr auf diesem Gebiet zustehenden weitgehenden Ermessens nicht gehalten, die negative Beurteilung aller beanstandeten Maßnahmen, zu der sie gelangt war, durch Berücksichtigung einiger Anzeichen und Perspektiven der Verbesserung, auf die sich die Klägerinnen berufen, abzuschwächen, da diese angesichts der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Lage von BFM zum Zeitpunkt der Interventionen als unwesentlich, in Anbetracht einer getrennt erstellten Bilanz für die "gewöhnliche Geschäftsführung" sogar als künstlich betrachtet werden konnten (siehe Urteil des Gerichtshofes vom 3. Oktober 1991 in der Rechtssache C-261/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-4437, Randnr. 14, und Urteil Air France/Kommission, Randnr. 98).

85 Somit ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß ein privater Investor nicht die Kapitalzuschüsse und sonstigen Finanzierungsmaßnahmen vorgenommen hätte, die die italienischen Behörden im vorliegenden Fall gewährt haben.

86 Das Gericht vertritt ebenso wie die Kommission in ihrer streitigen Entscheidung die Auffassung, daß ein privater Investor, der Finanzierungshilfen und Kapitalzuführungen in der vorliegenden Grössenordnung in Betracht zieht, einen Umstrukturierungsplan verlangen würde, durch den das Unternehmen seine Rentabilität erlangt.

87 Die Klägerinnen haben jedoch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß kein konkreter und detaillierter Umstrukturierungsplan für die Zeit nach 1987 vorhanden war.

88 Für die Zeit vor 1987 wird von den Parteien nicht bestritten, daß das Dokument, das die Klägerinnen auf Ersuchen des Gerichts erstellt haben und das den Titel "Fünfjahresplan 1983-1987" trägt, der Kommission nicht im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zugeleitet wurde. Die Klägerinnen können sich vor dem Gericht nicht auf ein derartiges Dokument berufen, das der Kommission nicht im vorprozessualen Stadium vorgelegt wurde, da die Rechtmässigkeit einer Entscheidung im Bereich staatlicher Beihilfen aufgrund der Informationen zu beurteilen ist, über die die Kommission bei Erlaß der Entscheidung verfügte (Urteil des Gerichtshofes vom 29. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I-4551, Randnr. 33). Selbst wenn dieses Dokument berücksichtigt werden könnte, hätte sie angesichts seines Inhalts offensichtlich nicht als echter Umstrukturierungsplan angesehen werden können. Es ist darin nämlich keine besondere Maßnahme vorgesehen, um die speziellen Probleme von BFM zu bewältigen. Die Beihilfen der öffentlichen Hand waren somit nicht an konkrete Umstrukturierungsmaßnahmen gebunden, die in einem hierzu erstellten Programm vorgesehen sind, was aber als unerläßliche Voraussetzung anzusehen ist, damit ein Plan als Umstrukturierungsplan betrachtet werden kann.

89 Bezueglich des Arguments, daß die Interventionen in der Zeit, als BFM angeblich für den Verteidigungssektor tätig war, also vor 1986, nicht unter Artikel 92, sondern unter die Ausnahmeregelung des Artikels 223 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages fielen, ist vor allem darauf hinzuweisen, daß sich der italienische Staat nie auf die Bestimmungen dieses Artikels berufen hat. Ferner ergibt sich aus den Antworten der Klägerinnen auf die schriftlichen und mündlichen Fragen des Gerichts, daß keine der von der Kommission beanstandeten Beihilfen speziell an militärische Vorhaben gebunden war, die in den Rahmen der nationalen Verteidigungspolitik fallen. Die Klägerinnen behaupten nämlich zwar, daß bestimmte Interventionen "im Zusammenhang mit einem Ungleichgewicht stehen", das auf die Tätigkeit von BFM auf dem Verteidigungssektor zurückzuführen sei, sie räumen jedoch ein, daß es "nicht möglich ist, einen Kausalzusammenhang zwischen dem Zuschuß frischen Kapitals und seiner Zweckbestimmung herzustellen". Somit kann, selbst wenn man annimmt, daß BFM tatsächlich dem Verteidigungssektor zuzurechnen war, jedenfalls nicht davon ausgegangen werden, daß die Interventionen aus dieser Zeit nicht unter Artikel 92, sondern unter die Ausnahmeregelung des Artikels 223 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrages fielen.

90 Aus den vorstehend dargelegten Gründen hat die Kommission keine offensichtlich fehlerhafte Beurteilung vorgenommen, als sie die in Rede stehenden Interventionen als staatliche Beihilfen im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat.

91 Der dritte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Fehlerhafte Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrages

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

92 Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, die Kommission habe gegen Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrages verstossen, da sie weder die Sanierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen von BFM noch den Umstand richtig gewürdigt habe, daß dieses Unternehmen in einem besonders benachteiligten Gebiet niedergelassen sei. Hätte die Kommission die genannten Bestimmungen richtig angewandt, so hätte sie nach Ansicht der Klägerinnen die Vereinbarkeit der in Rede stehenden Interventionen mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt.

93 Die beanstandeten Maßnahmen hätten jedenfalls, so führen die Klägerinnen aus, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden müssen, da sie zur Anpassung der Strukturen von BFM im Rahmen eines Programms zur Wiederherstellung der Existenzfähigkeit des Unternehmens beitrügen, da sie ein Unternehmen beträfen, das sich in einem Unterstützungsgebiet befinde, in dem die Erhaltung von Produktionstätigkeiten von vorrangiger Bedeutung sei, und da sie einem kleinen Unternehmen zugute kämen, auf das als solches die Bestimmungen über die staatlichen Beihilfen flexibel anzuwenden seien.

94 Die Kommission weist vor allem darauf hin, daß der Vorbehalt des Artikels 92 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrages einen wirklichen Umstrukturierungsplan voraussetze, damit die positiven Wirkungen der Beihilfe für die regionale Entwicklung dauerhaft sein könnten und somit die Auswirkungen einer Wettbewerbsverzerrung ausgeglichen würden (Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1603, Randnr. 36).

95 Die Kommission betont, daß hier kein Umstrukturierungsplan vorliege und keine Ausnahme zum Zuge komme.

96 Die Streithelferin Manoir fügt hinzu, daß Beihilfen für ein Unternehmen in einem Unterstützungsgebiet nicht mit grösserem Entgegenkommen betrachtet werden dürften als bei nicht unterstützten Regionen. Das betreffende Unternehmen müsse nämlich stets nach dem Umstrukturierungsvorgang wirtschaftlich existenzfähig sein und wirklich zur Entwicklung der Region beitragen, ohne daß es ständig unterstützt werden müsse.

Würdigung durch das Gericht

97 Nach Artikel 92 Absatz 3 des Vertrages kann die Kommission in Abweichung vom Verbot staatlicher Beihilfen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen können, folgende Beihilfen für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklären:

"a) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung aussergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;

...

c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft."

98 Wie die Kommission bemerkt, können Beihilfen für notleidende Unternehmen nur dann für mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages vereinbar erklärt werden, wenn sie mit einem Umstrukturierungsplan verbunden sind, der dazu dient, die Tätigkeit dieser Unternehmen zu verringern oder umzuorientieren (Urteil vom 14. September 1994, Spanien/Kommission, Randnr. 67). Somit weisen staatliche Unternehmensbeihilfen, die zur Kompensierung der Verluste des Unternehmens verwendet werden, ohne daß sie Teil eines zufriedenstellenden Umstrukturierungsprogramms sind, Merkmale auf, die sie von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausnahme vom Beihilfeverbot ausschließen (Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1994 in der Rechtssache C-42/93, Spanien/Kommission, Slg. 1994, I-4175, Randnrn. 26 bis 29).

99 Zudem musste und konnte dieses Erfordernis, die Beihilfemaßnahmen mit einem zufriedenstellenden Umstrukturierungsplan zu verbinden, den Klägerinnen vernünftigerweise bekannt sein. Die Kommission hat nämlich schon in ihrem Achten Bericht über die Wettbewerbspolitik von 1979 (Nr. 228) betont, daß sie die vorherige Mitteilung eines Umstrukturierungsplans verlangt, wenn es sich um einen wichtigen Einzelanwendungsfall handelt. Diese Regel findet ihre Bestätigung und noch stärkere Verdeutlichung in den Gemeinschaftsrichtlinien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 1994, C 368, S. 12), in denen ausdrücklich verlangt wird, daß der Kommission ein tragfähiges Umstrukturierungs- oder Sanierungsprogramm im nötigen Detail vorgelegt wird (Nr. 3.2.2, A) und das Unternehmen den von der Kommission genehmigten Umstrukturierungsplan vollständig durchführt (Nr. 3.2.2, D), und in denen vorgesehen ist, daß die Durchführung des Umstrukturierungsplans in den einzelnen Abschnitten und Ergebnissen anhand eines der Kommission jährlich vorzulegenden ausführlichen Berichts kontrolliert wird (Nr. 3.2.2, E).

100 Im vorliegenden Fall ist jedoch unbestritten, daß der Kommission im Verwaltungsverfahren kein Umstrukturierungsplan von BFM vorgelegt wurde (siehe oben, Randnrn. 81 und 82). Somit war die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrages zugunsten von BFM auf jeden Fall ausgeschlossen.

101 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die in Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrages zugunsten der Regionalbeihilfen vorgesehenen Ausnahmen vom freien Wettbewerb auf der gemeinschaftlichen Solidarität beruhen, die ein grundlegendes Ziel des Vertrages darstellt, wie aus dessen Präambel hervorgeht. Es ist Sache der Kommission, in Ausübung ihres Ermessens unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit auf einen Ausgleich zwischen den Zielen des freien Wettbewerbs und der gemeinschaftlichen Solidarität hinzuwirken. In diesem Rahmen hat die Kommission die sektoriellen Auswirkungen der geplanten Regionalbeihilfe auch bezueglich der Regionen, die unter Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a des Vertrages fallen können, abzuschätzen, um zu verhindern, daß durch die Beihilfemaßnahme auf Gemeinschaftsebene ein sektorielles Problem entsteht, das schwerer wiegt als das ursprüngliche regionale Problem. Somit ist das Kriterium der Existenzfähigkeit auch bei dieser Untersuchung von Bedeutung (siehe Urteil AIUFFASS und AKT/Kommission, Randnrn. 54 und 120). Ferner hat der Gerichtshof betont, daß aus dem Unterschied in der Formulierung zwischen Buchstabe a und Buchstabe c des Artikels 92 Absatz 3 nicht abgeleitet werden kann, daß die Kommission bei der Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a das gemeinsame Interesse ausser acht lassen darf und sich darauf zu beschränken hat, die regionale Spezifizität der fraglichen Maßnahmen zu prüfen, ohne ihre Auswirkungen auf den oder die relevanten Märkte in der gesamten Gemeinschaft zu untersuchen (Urteil Spanien/Kommission vom 14. Januar 1997, Randnr. 17).

102 BFM befindet sich zwar in einem Gebiet, das zu den Regionen gehört, denen nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a des Vertrages Regionalbeihilfen zugute kommen können. In dem betreffenden Wirtschaftszweig bestand jedoch eine gewaltige Überkapazität (siehe die unbestrittene Feststellung unter Titel VI der streitigen Entscheidung). Im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Rechtsprechung hat die Kommission keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung vorgenommen, als sie die Gewährung der genannten Ausnahmeregelung unter Berücksichtigung dieser Marktlage und zugleich der offensichtlich mangelnden Existenzfähigkeit des Unternehmens verweigert hat. Somit können unter den gegebenen Umständen, unter denen sich das durch rechtswidrige Beihilfen begünstigte Unternehmen offensichtlich nur durch diese Beihilfen auf dem Markt halten könnte, regionale Erwägungen nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a keine Ausnahme von dem grundsätzlichen Verbot von Beihilfen rechtfertigen, die den Wettbewerb verfälschen können. Derartige Beihilfen können nämlich nicht als "Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung" des betreffenden Gebietes im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe a des Vertrages angesehen werden.

103 Demgemäß hat die Kommission keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie zu der Auffassung gelangte, daß im vorliegenden Fall keine in Artikel 92 Absatz 3 Buchstaben a und c des Vertrages vorgesehene Ausnahmeregelung vom Beihilfeverbot angewandt werden konnte.

104 Danach ist dieser Klagegrund ebenfalls zurückzuweisen.

105 Da kein Klagegrund durchgreifen konnte, sind die Klagen abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

106 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind sie als Gesamtschuldner zur Tragung der Kosten der Kommission und der Streithelferin Manoir auf deren Antrag zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung trägt die Französische Republik als Streithelferin ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen die Kosten der Kommission und der Manoir industries SA als Gesamtschuldner.

3. Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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