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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 15.04.1991
Aktenzeichen: T-13/91 R
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Beamtenstatut


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 185
Beamtenstatut Art. 59 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 15. APRIL 1991. - MICHAEL HARRISON GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - VORLAEUFIGER RECHTSSCHUTZ. - RECHTSSACHE T-13/91 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Der Antragsteller hat mit Klageschrift, die am 26. Februar 1991 bei der Kanzlei des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 4. Oktober 1990, die Zahlung seiner Dienstbezuege vom 19. Oktober 1990 an nach Artikel 60 Absatz 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften auszusetzen, hilfsweise auf Abänderung der genannten Entscheidung. Er hat ferner die Bewilligung des Armenrechts beantragt.

2 Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller nach den Artikeln 185 EWG-Vertrag und 83 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung beantragt. Er hat auch insoweit die Bewilligung des Armenrechts beantragt.

3 Die Kommission hat zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung am 11. März 1991 schriftlich Stellung genommen. Die Parteien haben am 20. März 1991 mündlich verhandelt.

4 Vor der Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung ist der Sachverhalt, der der Klage zugrundeliegt, kurz wiederzugeben.

5 Der Antragsteller, der seit dem 11. August 1980 Beamter der Kommission ist, wurde nach häufiger Inanspruchnahme von Krankheitsurlaub dem Verfahren nach Artikel 59 Absatz 1 Unterabsatz 4 des Statuts auf Feststellung einer etwaigen Dienstunfähigkeit unterzogen. Der mit seinem Fall befasste Invaliditätsausschuß entschied in seiner Sitzung vom 16. Juni 1990, daß der Antragsteller nicht dauernd voll dienstunfähig sei - mit der Folge, daß er ein Amt seiner Laufbahn nicht wahrnehmen könne -, und daß er infolgedessen seine Tätigkeit fortsetzen müsse.

6 Diese Entscheidung wurde dem Antragsteller am 11. Juli 1990 an seine Anschrift im Vereinigten Königreich übermittelt; nach Artikel 60 Absatz 2 des Statuts war ihm gestattet worden, dort vom 25. Juni 1990 bis 29. Juni 1990 fünf Tage Krankheitsurlaub zu verbringen.

7 Am 6. August 1990 übersandte ihm der Vertrauensarzt der Kommission ein Schreiben, mit dem er aufgefordert wurde, sich in dessen Sprechstunde in Luxemburg zum Zweck einer Unterredung über seine Abwesenheiten wegen Krankheit einzufinden.

8 Mit Schreiben vom 10. August 1990 teilte ihm der Leiter der Personalabteilung mit, daß er nicht beabsichtige, seine Zustimmung zum Aufenthalt ausserhalb Luxemburgs über den 27. August 1990 hinaus zu verlängern, es sei denn, die Ergebnisse der Untersuchung durch den Vertrauensarzt rechtfertigten eine derartige Verlängerung.

9 Mit Schreiben vom 25. August 1990 teilte der Antragsteller dem medizinischen Dienst mit, es sei ihm unmöglich, zu reisen, um sich der für den 28. August 1990 vorgesehenen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Zur Begründung fügte er ein ärztliches Zeugnis bei, das bescheinigte, daß er wegen Sehstörungen untersucht werde und bis auf weiteres arbeitsunfähig sei ("... is under investigation for visual disturbance and is unable to attend work until further notice"). Am Ende des zitierten Satzes hatte der Arzt in Klammern hinzugefügt, daß der Kläger nicht reisefähig sei ("cannot travel").

10 Der Leiter der Personalabteilung teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. September 1990 mit, daß die Anstellungsbehörde seine ärztlichen Bescheinigungen nicht mehr anerkennen könne und daß sie entschieden habe, die ihm erteilte Zustimmung, seinen Krankheitsurlaub im Ausland zu verbringen, zu widerrufen. Dem Antragsteller wurde eine Frist für die Wiederaufnahme seines Dienstes am 24. September 1990 gesetzt. Ihm wurde mitgeteilt, daß er nach Artikel 60 Absatz 1 Satz 3 des Statuts den Anspruch auf seine Dienstbezuege verwirke, falls er seinen Dienst nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt wieder aufnehme.

11 Mit Schreiben vom 4. Oktober 1990 teilte der Leiter der Personalabteilung dem Antragsteller mit, er habe Anweisung gegeben, die Zahlung seiner Dienstbezuege vom 19. Oktober 1990, dem Zeitpunkt des Endes seines Krankheitsurlaubs, an auszusetzen. Er forderte ihn ferner auf, sich einer ärztlichen Kontrolle in Luxemburg nach seiner Wahl am 9. oder am 16. Oktober zu unterziehen.

12 Nachdem der Antragsteller zu der für den 9. Oktober vorgesehenen Kontrolle nicht erschienen war, übersandte er der Verwaltung am 12. Oktober ein ärztliches Zeugnis vom 9. Oktober, mit dem ihm die Unfähigkeit, in Luxemburg zu arbeiten, bescheinigt wurde, in dem aber keine mangelnde Reisefähigkeit erwähnt wurde.

13 Die Verwaltung der Kommission setzte die Zahlung der Dienstbezuege des Antragstellers tatsächlich vom 19. Oktober 1990 an aus.

14 Gegen diese Entscheidung der Personalabteilung legte der Kläger nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eine Verwaltungsbeschwerde ein, die am 21. Dezember 1990 beim Generalsekretariat der Kommission einging.

15 Mit Schreiben vom 11. Januar 1991 wurde der Antragsteller erneut aufgefordert, sich einer ärztlichen Kontrolle zu unterziehen. Als Antwort übersandte er ein neues Zeugnis seines behandelnden Arztes, mit dem ihm bescheinigt wurde, daß er nicht fähig sei, in Luxemburg zu arbeiten.

16 Mit Telegramm vom 18. Februar 1991 unterrichtete die Kommission den Antragsteller von ihrer Absicht, am 21. Februar 1991 an seinem Aufenthaltsort in der Wohnung seiner Eltern eine ärztliche Kontrolle vorzunehmen.

17 Die Kontrolle wurde am 21. Februar 1991 vom Vertrauensarzt der Kommission und einem von der Kommission beauftragten britischen Arzt durchgeführt, die beide zu dem Ergebnis gelangten, daß der Antragsteller arbeits- und reisefähig war.

Entscheidungsgründe

18 Nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die für das Verfahren vor dem Gericht entsprechend gilt, muß der Antragsteller die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit der beantragten Anordnung ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.

19 Nach Ansicht des Antragstellers stellt die Entscheidung, die ihm von der Personalabteilung am 4. Oktober 1990 zugeleitet wurde, einen schwerwiegenden Verstoß zum einen gegen Artikel 9 der Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften dar, indem sie die freie Wahl des Arztes und der Krankenanstalt durch den Beamten in Frage stelle; zum anderen stelle sie einen Verstoß gegen Artikel 59 des Statuts dar, den er beachtet habe, indem er sein Organ unverzueglich von seiner Dienstunfähigkeit unterrichtet und dabei seinen Aufenthaltsort angegeben habe. Es sei deshalb völlig ungerechtfertigt und mißbräuchlich, die Zahlung seiner Dienstbezuege ab dem 19. Oktober 1990 ohne vorheriges ärztliches Gutachten auszusetzen, da ihm der britische Arzt, den er konsultiert habe, von einer neuen Reise ins Ausland strikt abgeraten habe, bis sich sein Gesundheitszustand verbessert habe.

20 Der Antragsteller meint, daß diese Entscheidung ihm schweren Schaden zufüge. Die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission sei dringlich, da er zur Zeit mittellos sei.

21 Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen. Ob ein Fernbleiben vom Dienst unter Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses gerechtfertigt sei, könne ein Organ nur mittels einer Kontrolle feststellen. Diese Kontrolle sei am 21. Februar 1991 durchgeführt worden, und nachdem der Antragsteller erklärt habe, er sei in der Lage, seinen Dienst wiederaufzunehmen, folge daraus, daß er seit diesem Zeitpunkt dem Dienst unbefugt fernbleibe, es sei denn, er könne dies mit medizinischen Gründen widerlegen.

22 Was die Zeit vom 28. August 1990 bis zum 21. Februar 1991 angehe, so sei die vom Antragsteller behauptete Unfähigkeit, zu reisen, um sich einer ärztlichen Kontrolle in Luxemburg zu unterziehen, nur in einem einzigen Zeugnis, nämlich dem vom 20. August 1990 erwähnt. Im übrigen habe der Umstand, daß sich der Antragsteller den verschiedenen ärztlichen Kontrollen nicht unterzogen habe, zu denen zu erscheinen er aufgefordert worden sei, und daß er ohne Zustimmung der Anstellungsbehörde im Vereinigten Königreich geblieben sei (nachdem die Zustimmung am 27. August 1990 abgelaufen sei), dazu führen müssen, daß die Tage des unbefugten Fernbleibens vom Dienst auf den Rest seiner Urlaubstage angerechnet worden seien und daß nach deren Verbrauch die Zahlung seiner Dienstbezuege ausgesetzt worden sei.

23 Angesichts dieser rechtlichen und tatsächlichen Umstände ist vorab festzustellen, daß das Vorbringen des Antragstellers, es liege ein Verstoß gegen Artikel 9 der Regelung zur Sicherstellung der Krankheitsfürsorge für die Beamten der Europäischen Gemeinschaften vor, nicht stichhaltig ist. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es nämlich nicht um die freie Wahl des Arztes und der Krankenanstalt durch den Beamten (diese Wahl übt der Antragsteller jedenfalls seit langem aus), sondern um die Anwendung der Bestimmungen des Statuts betreffend den Krankheitsurlaub der Beamten.

24 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 59 Absatz 1 Unterabsatz 2 des Statuts ein Beamter, der behauptet, wegen Krankheit seinen Dienst nicht ausüben zu können, und der zu diesem Zweck ein ärztliches Zeugnis vorlegt, jeder ärztlichen Kontrolle unterstellt werden kann, die von dem Organ eingerichtet wird. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß der Antragsteller nicht hinreichend glaubhaft gemacht hat, daß es ihm unmöglich war, nach Luxemburg zu reisen, um sich der von der Kommission eingerichteten ärztlichen Kontrolle zu unterziehen. Das ärztliche Zeugnis vom 20. August 1990, das angibt, daß sich der Antragsteller Untersuchungen wegen Sehstörungen unterziehen müsse, und in dem es heisst, daß er nicht reisefähig sei, ist nicht hinreichend schlüssig abgefasst, um für sich allein eine Reiseunfähigkeit von unbestimmter Dauer zu belegen. Nichtsdestoweniger hat die Kommission offensichtlich darin eingewilligt, daß sich der Antragsteller weiterhin bis zum 24. September ausserhalb Luxemburgs aufhielt. Das ärztliche Zeugnis vom 9. Oktober 1990 führt jedoch eine Reiseunfähigkeit nicht mehr an. Die Beweiskraft der zu den Akten gereichten Unterlagen erscheint daher von vornherein nicht ausreichend, um den Verstoß des Antragstellers gegen seine Pflicht, sich der von der Beklagten nach Artikel 59 Absatz 1 Unterabsatz 2 des Statuts eingerichteten ärztlichen Kontrolle zu unterziehen, zu rechtfertigen.

25 Ferner lässt sich mit den bei den Akten befindlichen Unterlagen, insbesondere den ärztlichen Zeugnissen, im Hinblick auf Artikel 60 des Statuts auch nicht glaubhaft machen, daß die dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. September 1990 mitgeteilte Entscheidung der Kommission unbegründet sei, mit der die ihm erteilte Zustimmung, seinen Krankheitsurlaub ausserhalb Luxemburgs zu verbringen, aufgehoben und ihm aufgegeben wurde, seine Tätigkeit am 24. September wieder aufzunehmen, anderenfalls er den Anspruch auf seine Dienstbezuege verwirke.

26 Nach alledem hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, daß seine Klage begründet ist. Deshalb ist der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen, ohne daß die Voraussetzungen der Dringlichkeit und des Vorliegens eines nicht wiedergutzumachenden Schadens geprüft zu werden brauchen.

27 Zum Antrag des Antragstellers auf Bewilligung des Armenrechts ist darauf hinzuweisen, daß mit diesem Antrag entgegen Artikel 76 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes keine Unterlagen eingereicht worden sind, aus denen sich die Bedürftigkeit des Antragstellers ergibt, insbesondere fehlt es an einem Armutszeugnis der zuständigen Behörde. Ferner prüft nach Artikel 76 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes die Kammer, bevor sie entscheidet, ob das Armenrecht zu versagen oder ganz oder teilweise zu bewilligen ist, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos ist. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller die Begründetheit der Klage nicht glaubhaft gemacht. Unter diesen Umständen ist der Antrag auf Bewilligung des Armenrechts für das vorliegende Verfahren der einstweiligen Anordnung zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

im Verfahren der einstweiligen Anordnung

beschlossen:

1) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2) Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung des Armenrechts wird zurückgewiesen.

3) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 15. April 1991.

Ende der Entscheidung

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