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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 06.12.1989
Aktenzeichen: T-131/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 17, VerfO Gerichtshof


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85 Abs. 1
EWG-Vertrag Art. 173
EWG-Vertrag Art. 176
Verordnung Nr. 17Art. 3 Abs. 1
Verordnung Nr. 17Art. 3 Abs. 2
VerfO Gerichtshof Art. 83 § 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Es ist Sache der Kommission, in Ausübung der ihr im EWG-Vertrag und in der Verordnung Nr. 17 verliehenen Kontrollbefugnis in Wettbewerbsangelegenheiten nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 zu entscheiden, ob aufgrund eines bei ihr anhängigen Antrags einstweilige Maßnahmen zu erlassen sind.

Es wäre nicht mit den Grundsätzen der von den Verfassern des EWG-Vertrags gewollten Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gemeinschaftsorganen vereinbar, wenn das Gericht der Kommission aufgeben könnte, den bei ihr mit dem Ziel des einstweiligen Verbotes der Fortführung des behaupteten Verstosses gestellten Antrag auf Erlaß einstweiliger Maßnahmen neu zu bescheiden.

Ausserdem würde es Artikel 176 in Verbindung mit Artikel 173 EWG-Vertrag ausschließen, daß das Gericht den Rahmen festlegt, in dem die Kommission einen Antrag auf Erlaß einstweiliger Maßnahmen neu zu bescheiden hat, ohne daß es zuvor die Handlung aufgehoben hätte, mit der gegebenenfalls der Erlaß der fraglichen einstweiligen Maßnahmen abgelehnt wurde.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 6. DEZEMBER 1989. - COSIMEX GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - VORLAEUFIGE MASSNAHMEN - WETTBEWERB. - RECHTSSACHE T-131/89.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Klageschrift, die am 16. August 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften eingegangen ist, hat die Cosimex GmbH gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Juni 1989 in der Sache IV/32.724, Moll ( Cosimex)/Vichy, soweit dadurch ihr Antrag in der Beschwerdeschrift vom 13. Mai 1988 abgelehnt worden ist.

2 Mit am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenem besonderen Schriftsatz hat die Cosimex GmbH ferner gemäß Artikel 186 EWG-Vertrag einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt, durch die der Kommission aufgegeben werden soll, den mit Beschwerdeschrift vom 13. Mai 1988 gestellten Antrag, der Société d' hygiène dermatologique de Vichy ( im folgenden : "Firma Vichy ") im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Belieferung der Antragstellerin mit Vichy-Erzeugnissen durch Dritte in irgendeiner Weise zu behindern, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtshofes binnen angemessener Frist neu zu bescheiden.

3 Mit Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 15. November 1989 ist die Rechtssache an das Gericht erster Instanz verwiesen worden.

4 Die Kommission hat am 15. September 1989 eine Stellungnahme abgegeben. Die Parteien haben am 21. November 1989 mündlich verhandelt.

5 Es erscheint zweckmässig, vor der Prüfung der Begründetheit des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung kurz den Hintergrund der Rechtssache und insbesondere die verschiedenen Tatsachen darzustellen, die die Kommission veranlasst haben, der Antragstellerin das streitige Schreiben vom 7. Juni 1989 zu übersenden.

6 Am 13. Mai 1988 reichte die Antragstellerin ( unter ihrer damaligen Firma Kosmetik Moll GmbH ) bei der Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie beantragte, gemäß Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 des Rates, der ersten Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages ( ABl. 1962, S. 204 ), festzustellen, daß die Firma Vichy gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie Druck auf Großhändler in Frankreich und Belgien ausgeuebt hat, damit diese die Antragstellerin nicht mit Vichy-Erzeugnissen beliefern, und demgemäß die Firma Vichy zu verpflichten, diese Zuwiderhandlung abzustellen. Die Antragstellerin beantragte ferner, die Kommission möge der Firma Vichy im Wege der einstweiligen Anordnung aufgeben, es zu unterlassen, die Belieferung der Antragstellerin mit Vichy-Erzeugnissen durch Dritte in irgendeiner Weise zu behindern.

7 Nachdem mehrere Gespräche zwischen der Antragstellerin und Beamten der Generaldirektion "Wettbewerb" der Kommission stattgefunden hatten und die Kommission ein Auskunftsverlangen an die Firma Vichy gerichtet hatte, bat die Antragstellerin die Kommission mit Schreiben vom 17. Februar 1989, nunmehr eine Entscheidung darüber zu treffen, ob sie gemäß den Anträgen in der Beschwerde vom 13. Mai 1988 gegen die Firma Vichy einschreite oder nicht. Für den Fall, daß sich die Kommission dafür entscheiden sollte, nicht einzuschreiten, bat die Antragstellerin um eine mit Gründen versehene Entscheidung. Gleichzeitig teilte sie mit, daß sie beabsichtige, gegen diese Entscheidung Klage nach Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag zu erheben.

8 In ihrem Antwortschreiben vom 7. Juni 1989 erklärte die Kommission, bisher sei nicht ausreichend nachgewiesen, daß die Lieferverweigerungen, die Gegenstand der Beschwerde seien, auf eine Absprache im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zurückzuführen seien; das Anliegen der Beschwerde werde aber bei der Überprüfung des Vertriebssystems der Firma Vichy, das Gegenstand von inzwischen bei ihr eingegangenen oder demnächst bei ihr eingehenden Notifikationen sei, berücksichtigt; es sei jedoch kurzfristig nicht mit einer Entscheidung zu rechnen.

9 Nach Artikel 186 EWG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses des Rates vom 24. Oktober 1988 ( Beschluß 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, ABl. L 319, S. 1, wie im ABl. L 241 vom 17. 8. 1989, S. 4, berichtigt ) kann das Gericht in den bei ihm anhängigen Sachen die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

10 Nach Artikel 83 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, die bis zum Inkrafttreten der Verfahrensordnung des Gerichts für das Verfahren vor diesem entsprechend gilt ( Artikel 11 Absatz 3 des genannten Beschlusses des Rates ), müssen die Anträge auf eine einstweilige Anordnung im Sinne von Artikel 186 EWG-Vertrag die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.

11 Wie der Gerichtshof in seinem Beschluß vom 17. Januar 1980 in der Rechtssache 792/79 R ( Camera Care/Kommission, Slg. 1980, 119 ) entschieden hat, ist es Sache der Kommission, in Ausübung der ihr im Vertrag und in der Verordnung Nr. 17 verliehenen Kontrollbefugnis in Wettbewerbsangelegenheiten nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 zu entscheiden, ob aufgrund eines bei ihr anhängigen Antrags einstweilige Maßnahmen zu ergreifen sind.

12 Es kann dahinstehen, ob es sich bei dem Schreiben der Kommission vom 7. Juni 1989 - insofern, als die Kommission damit angeblich den Erlaß der von der Antragstellerin beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt hat - um eine im Klagewege anfechtbare Entscheidung handelt, denn es wäre jedenfalls nicht mit den Grundsätzen für die von den Verfassern des Vertrages gewollte Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Gemeinschaftsorganen vereinbar, wenn das Gericht der Kommission aufgeben könnte, den bei ihr gestellten Antrag auf einstweilige Anordnung neu zu bescheiden.

13 Ausserdem würde es Artikel 176 in Verbindung mit Artikel 173 EWG-Vertrag ausschließen, daß das Gericht den Rahmen festlegt, in dem die Kommission einen Antrag auf einstweilige Anordnung neu zu bescheiden hat, ohne daß es vorher die Handlung aufgehoben hätte, mit der gegebenenfalls der Erlaß der fraglichen einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist.

14 Nach alledem liegen die rechtlichen Voraussetzungen für den Erlaß der beantragten einstweiligen Anordnung nicht vor, so daß der Antrag zurückzuweisen ist, ohne daß die Umstände untersucht zu werden brauchten, aus denen sich angeblich die Dringlichkeit und die Erforderlichkeit ergeben.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

im Verfahren der einstweiligen Anordnung

beschlossen :

1 ) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 6. Dezember 1989.

Ende der Entscheidung

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