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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.04.1995
Aktenzeichen: T-141/89
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Markt der verschiedenen Typen von Betonstahlmatten (Lagermatten, Lettermatten, Listenmatten und Zeichnungsmatten) stellt hinsichtlich der Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag einen einzigen Betonstahlmattenmarkt dar, da zum einen ein Preisrückgang bei den Lagermatten dazu führen kann, daß diese die Listenmatten und Zeichnungsmatten substituieren können, und eine Verschiebung der Kundschaft zu den Lagermatten zur Folge haben kann, und zum anderen in dem betreffenden Industriezweig eine gewisse Fähigkeit vorhanden ist, die Produktionsanlagen anzupassen, um die verschiedenen in Rede stehenden Arten von Betonstahlmatten herzustellen.

2. Die Beeinträchtigung eines wesentlichen Teiles des Gemeinsamen Marktes durch Absprachen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und damit des innergemeinschaftlichen Handels kann nicht deswegen ausgeschlossen werden, weil der Wettbewerb für das fragliche Produkt im wesentlichen in den verschiedenen Grenzgebieten der betreffenden Mitgliedstaaten stattfindet. Vielmehr bedeutet dies zwangsläufig, daß der nationale Markt im natürlichen Absatzgebiet betroffen ist, und der Umstand, daß dieses Gebiet nur einen Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats ausmacht, schließt es nicht aus, daß der nationale Markt insgesamt beeinträchtigt wird.

3. Der Umstand, daß eine Vereinbarung zwischen Unternehmen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zu einer selbst beträchtlichen Ausweitung des Handelsvolumens zwischen Mitgliedstaaten führt, schließt es noch nicht aus, daß die Vereinbarung den Handel in einer der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen diesen Mitgliedstaaten nachteiligen Weise beeinträchtigen kann.

4. Ein Unternehmen, das sich mit anderen Unternehmen an wettbewerbsfeindlichen Aktivitäten beteiligt, deren Zweck in der Festsetzung von Preisen und Quoten liegt, kann sich nicht darauf berufen, daß dies unter dem Zwang der anderen Teilnehmer geschehe. Denn anstatt sich an diesen Aktivitäten zu beteiligen, könnte dieses Unternehmen den auf es ausgeuebten Druck bei den zuständigen Behörden zur Anzeige bringen und bei der Kommission eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 einlegen.

5. Für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag brauchen die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht in Betracht gezogen zu werden, wenn feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt. Insoweit kann es ein Unternehmen, das sich an einer Vereinbarung über die Aufteilung des Marktes beteiligt, nicht entlasten, wenn es sich später nicht an die vereinbarten Preise und Quoten hält.

6. Nimmt ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Sitzungen zwischen Unternehmen teil, die den Zweck haben, die Preise ihrer Erzeugnisse festzusetzen, und distanziert es sich nicht offen vom Inhalt dieser Sitzungen, wodurch es den anderen Teilnehmern Anlaß zu der Annahme gibt, daß es dem Ergebnis der Sitzungen zustimmt und sich daran halten wird, so kann der Nachweis als erbracht angesehen werden, daß es sich an der aus diesen Sitzungen resultierenden Absprache beteiligt.

7. Für die Annahme einer Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag reicht es aus, daß die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten, zum Ausdruck gebracht haben. Dies ist der Fall, wenn zwischen mehreren Unternehmen ein Gentlemen's Agreement besteht, das einen derartigen gemeinsamen Willen getreu zum Ausdruck bringt und eine Beschränkung des Wettbewerbs zum Gegenstand hat.

8. Im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens wegen einer Absprache im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag können Zusicherungen von Beamten der Kommission nicht den Eindruck einer verbindlichen Erklärung der Kommission erwecken, wenn diese Beamten nicht ermächtigt sind, eine derartige verbindliche Erklärung abzugeben.

9. Der Geist der Verordnung Nr. 67/67, wie er sich in ihren Begründungserwägungen und in ihrem Artikel 3 Buchstabe b Nr. 2 widerspiegelt, besteht darin, die in der Verordnung vorgesehene Freistellung von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß durch die Möglichkeit von Parallelimporten gewährleistet wird, daß die Verbraucher angemessen an den durch den Alleinvertrieb entstehenden Vorteilen beteiligt werden. Dementsprechend kann einer Alleinvertriebsvereinbarung, die kein Ausfuhrverbot enthält, nicht die Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung Nr. 67/67 zugute kommen, wenn die betreffenden Unternehmen an einer abgestimmten Verhaltensweise teilnehmen, die Paralleleinfuhren verhindern soll.

10. Für die Frage, ob einem Unternehmen ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zur Last gelegt werden kann, ist einzig relevant, ob es sich an einer Vereinbarung mit anderen Unternehmen beteiligt hat, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte oder bewirkte, und ob diese Vereinbarung geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Irrelevant ist, ob die individuelle Beteiligung des betreffenden Unternehmens an der Vereinbarung trotz der geringen Bedeutung dieses Unternehmens den Wettbewerb einschränken oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnte.

Im übrigen fordert die vorgenannte Vorschrift nicht, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt haben, sondern verlangt nur den Nachweis, daß die Vereinbarung geeignet war, eine derartige Wirkung zu entfalten.

11. Artikel 85 EWG-Vertrag ist zwar nicht auf Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen anwendbar, zu denen es zwischen Unternehmen kommt, die als Mutter- und Tochtergesellschaft ein und demselben Konzern angehören und die eine wirtschaftliche Einheit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann, doch ist eine solche Sachlage nicht gegeben, wenn ein Unternehmen über ein anderes nur die Kontrolle ausübt, die es aufgrund einer Beteiligung an dessen Kapital innehat, die von der Mehrheit sehr weit entfernt ist.

12. In einem Kaufvertrag enthaltene Ausfuhrklauseln, die den Zwischenhändler verpflichten, die betreffende Ware in einem bestimmten Land zu verkaufen, stellen einen Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag dar, wenn sie im wesentlichen den Zweck haben, die Wiederausfuhr der Ware in das Herstellungsland zu verhindern, um ein System doppelter Preise im Gemeinsamen Markt aufrechtzuerhalten und so den Wettbewerb innerhalb dieses Marktes einzuschränken.

13. Die Kommission darf in Anwendung von Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 für mehrere Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbusse verhängen. Dies hat erst recht zu gelten, wenn die verschiedenen Zuwiderhandlungen die gleiche Art von Verhaltensweisen auf den verschiedenen Märkten, insbesondere die Festlegung von Preisen und Quoten und einen Informationsaustausch, bezweckten und wenn an diesen Zuwiderhandlungen weitgehend dieselben Unternehmen beteiligt waren.

Ausserdem wird durch die Verhängung einer einzigen Geldbusse weder dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit genommen, zu prüfen, ob die Kommission die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlungen zutreffend gewürdigt hat, noch dem Gemeinschaftsrichter die Möglichkeit, seine Rechtmässigkeitskontrolle auszuüben, wenn die betreffende Entscheidung insgesamt gesehen dem Unternehmen die erforderlichen Angaben mitteilt, so daß dieses die verschiedenen Zuwiderhandlungen, die ihm vorgeworfen werden, sowie die spezifischen Umstände seines Verhaltens erkennen kann.

14. Für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages ist es nicht erforderlich, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen diese Regeln bewusst gewesen ist; es genügt, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte.

15. Aufgrund des besonderen Systems der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auf kartellrechtlichem Gebiet besteht zwar die Möglichkeit einer Doppelsanktion im Anschluß an zwei Parallelverfahren, die verschiedenen Zielen dienen, doch gebietet es ein allgemeiner Billigkeitsgedanke, daß die Kommission verpflichtet ist, bei der Zumessung der Geldbusse gemäß Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 die einem Unternehmen für dieselbe Tat bereits auferlegten Sanktionen zu berücksichtigen, wenn es sich um Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Kartellrecht eines Mitgliedstaats - also im Gebiet der Gemeinschaft begangene Rechtsverletzungen - handelt.

16. Die Ähnlichkeiten, die möglicherweise zwischen den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaats und der Regelung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag bestehen, können weder die Unabhängigkeit der Kommission bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 einschränken noch sie dazu zwingen, die Beurteilung der für die Anwendung der entsprechenden nationalen Vorschriften zuständigen Stellen zu übernehmen


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 6. APRIL 1995. - TREFILEUROPE SALES SARL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ZUWIDERHANDLUNG GEGEN ARTIKEL 85 EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE T-141/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.553 - Betonstahlmatten, ABl. L 260, S. 1; im folgenden: Entscheidung), mit der die Kommission gegen vierzehn Hersteller von Betonstahlmatten eine Geldbusse wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag festsetzte. Gegenstand der Entscheidung sind Betonstahlmatten. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Bewehrungen aus glatten oder gerippten kaltgezogenen Stahldrähten, die durch rechteckiges Punktschweissen zu einem Netz verbunden werden. Dieses Erzeugnis wird in fast allen Anwendungsgebieten des bewehrten Stahlbetonbaus eingesetzt.

2 Von 1980 an soll es in diesem Sektor auf dem deutschen, dem französischen und dem Benelux-Markt zu einer Reihe von Absprachen und Praktiken gekommen sein, die zu der Entscheidung führten.

3 Für den deutschen Markt erteilte das Bundeskartellamt am 31. Mai 1983 die Erlaubnis zur Bildung eines Strukturkrisenkartells der deutschen Betonstahlmattenhersteller, die nach einmaliger Verlängerung im Jahr 1988 ablief. Das Kartell bezweckte einen Kapazitätsabbau und sah ausserdem Lieferquoten und eine Preisregelung vor, die allerdings nur für die ersten beiden Jahre der Anwendung des Kartellvertrags genehmigt wurde (vgl. Punkte 126 und 127 der Entscheidung).

4 Die französische Wettbewerbskommission gab am 20. Juni 1985 eine Stellungnahme zur Lage des Wettbewerbs auf dem Betonstahlmattenmarkt in Frankreich ab, worauf die Entscheidung Nr. 85 - 6 DC des französischen Ministers für Wirtschaft, Finanzen und Haushalt vom 3. September 1985 erging, mit der verschiedenen französischen Gesellschaften Geldbussen auferlegt wurden, weil sie in der Zeit von 1982 bis 1984 Maßnahmen und Praktiken durchgeführt hatten, die eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs und eine Behinderung des normalen Funktionierens des Marktes bezweckten und bewirkten. Gegen die Klägerin wurde wegen ihrer Beteiligung von Ende September 1983 bis April 1984 an einer Absprache, die eine Verfälschung des Wettbewerbs bezweckte und bewirkte, eine Geldbusse von 10 000 FF verhängt.

5

Am 6. und 7. November 1985 führten Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) gleichzeitig und ohne vorherige Ankündigung Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von sieben Unternehmen und zwei Unternehmensvereinigungen durch, und zwar bei Tréfilunion SA, Sotralentz SA, Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken SARL, Ferriere Nord SpA (Pittini), Baustahlgewebe GmbH (BStG), Thibo Draad- en Bouwstaalprodukten BV (Thibodraad), NV Bekärt, Syndicat national du tréfilage d'acier (STA) und Fachverband Betonstahlmatten e. V.; am 4. und 5. Dezember 1985 erfolgten weitere Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Unternehmen ILRO SpA, G. B. Martinelli, NV Usines Gustave Boël (afdeling Trébos), Tréfileries de Fontaine-l'Evêque (TFE), Frère-Bourgeois Commerciale SA (FBC), Van Merksteijn Staalbouw BV und ZND Bouwstaal BV.

6 Aufgrund des im Rahmen dieser Prüfungen gefundenen Materials und der gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 erhaltenen Auskünfte gelangte die Kommission zu der Schlußfolgerung, daß die betreffenden Hersteller zwischen 1980 und 1985 durch eine Reihe von Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen betreffend Lieferquoten und Preise für Betonstahlmatten gegen Artikel 85 EWG-Vertrag verstossen hätten. Die Kommission leitete das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ein, und am 12. März 1987 wurde die Mitteilung der Beschwerdepunkte den betroffenen Unternehmen übersandt, die hierzu Stellung nahmen. Eine Anhörung ihrer Vertreter fand am 23. und 24. November 1989 statt.

7 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung. Darin heisst es (Punkt 22), daß es sich bei den Wettbewerbsbeschränkungen um eine Reihe von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen handele, die die Festsetzung von Preisen und/oder Lieferquoten sowie die Aufteilung der Märkte für Betonstahlmatten zum Gegenstand hätten. Diese Absprachen hätten sich auf verschiedene Teilmärkte (französischer, deutscher oder Benelux-Markt) bezogen, doch hätten sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, da an ihnen Unternehmen mit Sitz in mehreren Mitgliedstaaten beteiligt gewesen seien. Es wird weiter ausgeführt: "Im vorliegenden Fall handelt es sich weniger um eine globale Absprache zwischen sämtlichen Herstellern aus allen betroffenen Mitgliedstaaten, sondern eher um einen Komplex mehrerer Absprachen mit teilweise wechselnden Beteiligten. Jedoch hat dieser Absprachenkomplex eine weitgehende Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes durch die Reglementierung der einzelnen Teilmärkte bewirkt."

8 Die Entscheidung enthält folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

Die Unternehmen Tréfilunion SA, Société Métallurgique de Normandie (SMN), CCG (TECNOR), Société de treillis et panneaux soudés (STPS), Sotralentz SA, Tréfilarbed SA bzw. Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken Sarl, Tréfileries de Fontaine l'Evêque, Frère Bourgeois Commerciale SA (jetzt Steelinter SA), NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos, Thibodraad- en Bouwstaalprodukten BV (jetzt Thibo Bouwstaal BV), Van Merksteijn Staalbouw BV, ZND Bouwstaal BV, Baustahlgewebe GmbH, ILRO SpA, Ferriere Nord SpA (Pittini) und GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie sich in dem Zeitraum vom 27. Mai 1980 bis zum 5. November 1985 in einem oder mehreren Fällen an einer oder mehreren Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen (Absprachen) beteiligten, die in der Festsetzung von Verkaufspreisen, der Einschränkung des Absatzes, der Aufteilung der Märkte sowie in Maßnahmen zur Anwendung dieser Absprachen und zu deren Kontrolle bestanden.

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Unternehmen, soweit sie nach wie vor auf dem Betonstahlmatten-Sektor in der EWG tätig sind, sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie dies noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Betonstahlmatten-Aktivitäten von allen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen.

Artikel 3

Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlungen folgende Geldbussen festgesetzt:

1. Tréfilunion SA (TU): eine Geldbusse von 1 375 000 ECU,

2. Société Métallurgique de Normandie (SMN): eine Geldbusse von 50 000 ECU,

3. Société des treillis et panneaux soudés (STPS): eine Geldbusse von 150 000 ECU,

4. Sotralentz SA: eine Geldbusse von 228 000 ECU,

5. Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken Sarl: eine Geldbusse von 1 143 000 ECU,

6. Steelinter SA: eine Geldbusse von 315 000 ECU,

7. NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos: eine Geldbusse von 550 000 ECU,

8. Thibo Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 420 000 ECU,

9. Van Merksteijn Staalbouw BV: eine Geldbusse von 375 000 ECU,

10. ZND Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 42 000 ECU,

11. Baustahlgewebe GmbH (BStG): eine Geldbusse von 4 500 000 ECU,

12. ILRO SpA: eine Geldbusse von 13 000 ECU,

13. Ferriere Nord SpA (Pittini): eine Geldbusse von 320 000 ECU,

14. GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA: eine Geldbusse von 20 000 ECU.

..."

9 Vor dem 1. August 1984 war die Tréfilarbed SA, eine Tochtergesellschaft des Arbed-Konzerns, ein Verwaltungs- und Vertriebsunternehmen, das die Betonstahlmatten herstellenden Unternehmen in Gent (Belgien), Rörmond (Niederlande) und St. Ingbert (Deutschland) sowie andere Drahtziehereien und Vertriebsstellen insbesondere in Paris und Gent kontrollierte. Tréfilarbed SA wurde 1984 in eine Vetriebsgesellschaft unter der Firma Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken SARL umgewandelt, deren Kapital zu gleichen Teilen von Arbed SA und Techno Saarstahl GmbH (einer 100%igen Tochtergesellschaft von Saarstahl) gehalten wurde. Nach der Entscheidung (Punkt 195 Buchstabe d) ist Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken daher als Rechtsnachfolgerin von Tréfilarbed SA zu betrachten und für deren Handlungen wie auch für die eigenen Handlungen nach dem 1. August 1984 verantwortlich zu machen. Die Handlungen, für die Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken verantwortlich gemacht werde, umfassten auch die Handlungen ihrer Tochtergesellschaften in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, weil Tréfilarbed SA bzw. Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken SARL mit diesen als Unternehmenseinheit zu betrachten sei. Im Anschluß an die Entscheidung des Arbed- und des Usinor-Sacilor/Saarstahl-Konzerns, ihre von Schmerbeck & Kuhlmann, Techno Saarstahl, Tréfilarbed Bissen und Tréfileurope France geleiteten Aktivitäten im Drahtbereich neu zu ordnen, firmierte Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken SARL 1993 in Tréfileurope Sales SARL (nachstehend: Tréfilarbed) um.

Verfahren

10 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 13. Oktober 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Zehn der dreizehn anderen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Klage erhoben.

11 Mit Beschlüssen vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die vorliegende Rechtssache und die zehn anderen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) an das Gericht verwiesen. Diese Klagen sind unter den Nummern T-141/89 bis T-145/89 und T-147/89 bis T-152/89 in das Register eingetragen worden.

12 Mit Beschluß vom 13. Oktober 1992 hat das Gericht die vorgenannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden.

13 Mit Schriftsätzen, die zwischen dem 22. April und dem 7. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien auf die Fragen geantwortet, die ihnen das Gericht gestellt hatte.

14 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

15 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 14. bis 18. Juni 1993 stattgefunden hat, Ausführungen gemacht und auf die Fragen des Gerichts geantwortet.

Anträge der Parteien

16 Die Klägerin beantragt,

- die Artikel 1 und 3 der Entscheidung ganz oder teilweise für nichtig zu erklären, soweit sie sich gegen Tréfilarbed richten;

- falls das Gericht diesem Antrag nicht entsprechen sollte, Artikel 3 der Entscheidung so abzuändern, daß die gegen Tréfilarbed festgesetzte Geldbusse entfällt oder wesentlich herabgesetzt wird;

- der Kommission sämtliche, im einzelnen später nachzuweisenden Kosten und Aufwendungen aufzuerlegen.

17 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründetheit

18 Die Klägerin stützt ihre Klage im wesentlichen auf zwei Klagegründe. Mit dem ersten macht sie einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag und mit dem zweiten einen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 geltend.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

I - Zum relevanten Markt

A - Zum Produktmarkt

Vorbringen der Parteien

19 Die Klägerin trägt vor, daß die Marktanalyse, die die Kommission in ihrer Entscheidung vorgenommen habe, allgemein und oberflächlich sei und daß der Kommission bei der Bestimmung des relevanten Marktes ein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei.

20 In der Entscheidung (Punkt 3) werde ausgeführt, daß es verschiedene Typen von Betonstahlmatten gebe: Lagermatten, Listenmatten und Zeichnungsmatten. Anders als in der Entscheidung behauptet, stuenden diese drei Typen von Betonstahlmatten nicht zueinander im Wettbewerb und stellten nicht ein und denselben Markt dar. Nach Auffassung der Klägerin bestehen zwei verschiedene Märkte, nämlich der für Lagermatten und der für Zeichnungsmatten. Diese beiden Mattentypen unterschieden sich in der Art ihrer Herstellung, ihren äusseren Merkmalen, den Bedürfnissen, denen sie für die Verbraucher zu genügen hätten, und in ihrem Preis. Bei den Lagermatten handele es sich um flache, in Format und Netzwerk standardisierte Matten, die auf vollautomatischen Maschinen hergestellt würden und bis zum Verkauf eingelagert werden könnten. Zeichnungsmatten seien Matten, die nach den besonderen Angaben des Planungsbüros für das Vorhaben, für das sie bestimmt seien, angefertigt würden; sie seien nicht lagerbar, sondern würden unmittelbar auf der Baustelle angeliefert, und müssten häufig auf Wunsch des Bauunternehmens "just in time" geliefert werden, was den Lieferanten besondere Zwänge beim Transport auferlege. Die sogenannten Listenmatten entsprächen nicht dem gleichen Mattentyp und stellten keine homogene Kategorie dar. Der Begriff der Listenmatten umfasse grundsätzlich den der Zeichnungsmatten. Allerdings gebe es Listenmatten einfacher Art, die zwar keine Lagermatten, wohl aber standardisierte Matten seien.

21 Die Klägerin weist auf den Preisunterschied bei diesen beiden Mattenkategorien hin, der auf dem unterschiedlichen Mehrwert beruhe, der bei Lagermatten mit 20 % bis 25 % des Verkaufspreises sehr gering und bei Zeichnungsmatten mit 50 % bis 80 % oder gar 100 % sehr viel höher sei. Ausserdem seien die Kostenbestandteile bei Lagermatten recht einfach, während sie bei Zeichnungsmatten je nach der erforderlichen Arbeit schwankten. Hierzu legt die Klägerin auf der Grundlage einer der Klageschrift beigefügten Grafik dar, daß die Preisentwicklung bei beiden Mattentypen zwar nicht völlig getrennt verlaufe, daß sich beide Preise aber dennoch unabhängig voneinander entwickelten. Zum Einfluß des Preises für Lagermatten auf den für Zeichnungsmatten weist die Klägerin darauf hin, daß ein Verbraucher nur unter völlig anormalen Umständen - wie etwa bei einem radikalen Preissturz für Lagermatten - auf die Bestellung von Zeichnungsmatten zugunsten von Lagermatten verzichten würde; diese Situation sei aber im Zeitraum von 1980 bis 1985 nicht eingetreten.

22 Für die Klägerin sind die beiden vorstehend beschriebenen Mattenkategorien vom Standpunkt des Verbrauchers aus nicht austauschbar und stellen daher unterschiedliche Märkte dar; mit den Zeichnungsmatten im Wettbewerb stehe in Wahrheit Betonstabstahl.

23 Nach Auffassung der Kommission widerspricht die Marktbeschreibung der Klägerin der ihren in keiner Weise. Sie habe den Unterschied zwischen Lagermatten und Zeichnungsmatten insbesondere hinsichtlich ihres Gestehungspreises anerkannt und sei aus diesem Grund in Punkt 3 der Entscheidung davon ausgegangen, daß die Zeichnungsmatten einen Untermarkt darstellten. Allerdings handele es sich ihres Erachtens nicht um zwei unterschiedliche Märkte. Bezueglich der wechselseitigen Beeinflussung der Preise für die verschiedenen Matten weist die Kommission darauf hin, daß nach den Darlegungen der Klägerin eine Substitution von Zeichnungsmatten durch Lagermatten technisch möglich sei, was ihre Austauschbarkeit belege. Daß solche Substitutionen nicht stattgefunden hätten, sei, wie die Klägerin selbst einräume, darauf zurückzuführen, daß die Preise für Lagermatten nicht so stark gefallen seien, daß sie wirksam in Wettbewerb mit den Zeichnungsmatten hätten treten können. Einem Hersteller von Zeichnungsmatten sei daran gelegen, sich an der Festlegung der Preise für Lagermatten zu beteiligen, und genau das sei der Zweck der Festlegung von Mindestpreisen im Rahmen der Preisabsprachen für den Benelux-Markt gewesen, bezueglich deren der Klägerin vorgeworfen werde, sich beteiligt zu haben.

Würdigung durch das Gericht

24 Das Gericht stellt fest, daß die Beschreibung des Marktes, die die Klägerin vornimmt, keineswegs der Beschreibung der Kommission widerspricht. Die Klägerin unterscheidet nämlich zwischen Lagermatten, "panneaux lettrés" oder teilstandardisierten Matten, Listenmatten und Zeichnungsmatten und trägt vor, daß die ersten beiden Typen ganz ähnlich seien und daß die letzten beiden Typen ebenfalls ähnlich seien, sich aber wesentlich von den ersten beiden unterschieden. Nach Ansicht des Gerichts besagt die Entscheidung im Ergebnis nichts anderes, wenn sie in Punkt 3 ausführt, daß "eine weitgehende Substituierbarkeit... hauptsächlich zwischen Lagermatten und Listenmatten [besteht]" und "man hinsichtlich des relevanten Produktmarktes allgemein vom Markt für Betonstahlmatten sprechen [kann], innerhalb dessen ein Untermarkt für Zeichnungsmatten besteht".

25 Bezueglich der Preise von Lagermatten und Zeichnungsmatten, auf die sich die Klägerin bezieht, stellt das Gericht fest, daß sie nicht sehr weit auseinanderliegen. Diese Preisannäherung beruht offensichtlich, wie die Klägerin selbst einräumt, auf objektiven Faktoren, die diese beiden Mattenmärkte beeinflussen, nämlich auf dem Preis von Walzdraht, dem Rohstoff für diese beiden Erzeugnisse, und auf der Entwicklung der Nachfrage auf dem Verbrauchermarkt, nämlich dem Baumarkt, der die allgemeine Konjunktur widerspiegelt.

26 Nach diesen Feststellungen ist eine Frage zu prüfen, die eng mit ihnen zusammenhängt, nämlich die nach dem Einfluß des Lagermattenpreises auf den Preis von Listenmatten und Zeichnungsmatten. Es handelt sich mit anderen Worten darum, ob ein Preisrückgang bei den Lagermatten dazu führen kann, daß diese die Listenmatten und Zeichnungsmatten substituieren können, und eine Verschiebung der Kundschaft zu den Lagermatten zur Folge haben kann. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Verwendung von Lagermatten auf bestimmten Baustellen, auf denen Listenmatten oder Zeichnungsmatten verwendet werden müssten, nur dann, wenn die äussere Form der zu errichtenden Bewehrung dies erlaubt, und jedenfalls nur unter der Voraussetzung möglich ist, daß auf den Baustellen Anpassungen vorgenommen werden, die technisch keine Schwierigkeit darstellen und auch keine zu hohen zusätzlichen Kosten verursachen. Insoweit ist ausserdem festzustellen, daß die Klägerin eingeräumt hat, daß die Verwendung von Lagermatten auf einer Baustelle, auf der normalerweise Zeichnungsmatten verwendet werden müssten, tatsächlich möglich ist, wenn der Lagermattenpreis so niedrig ist, daß er dem Bauherrn eine bedeutende Einsparung verschafft, die die zusätzlichen Kosten deckt und die technischen Nachteile ausgleicht, die mit dem Wechsel des verwendeten Materials verbunden sind. Zudem hat sich in der mündlichen Verhandlung ergeben, daß diese Situation während eines Teils des von den Absprachen erfassten Zeitraums bestanden hat.

27 Das Gericht stellt weiter fest, daß bestimmte von der Entscheidung betroffene Unternehmen, zu denen die Klägerin gehört, fähig sind, verschiedene Typen von Betonstahlmatten herzustellen, woraus sich vernünftigerweise schließen lässt, daß in dem Industriezweig eine gewisse Fähigkeit vorhanden ist, die Produktionsanlagen anzupassen, um die verschiedenen in Rede stehenden Arten von Betonstahlmatten herzustellen.

28 Die Möglichkeit, verschiedene Typen von Betonstahlmatten herzustellen, und die gegenseitige Beeinflussung der Preise bei diesen verschiedenen Typen werden nämlich durch mehrere Schriftstücke belegt, auf die sich die Entscheidung stützt. Insoweit ist auf das Schreiben von Tréfilunion vom 6. Juni 1980 an STA über die Sitzung vom 27. Mai 1980 in Brüssel zwischen Thibodraad, Arbed, Van Merksteijn, Tréfilunion und TFE (Anlage 55 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 79 der Entscheidung) hinzuweisen, nach dem "die Firma Van Merksteijn, die den Markt der Standarderzeugnisse ganz eindeutig beherrscht und nur diese Produktpalette herstellt, offensichtlich die Preise niedrig halten [will], um in diesem Bereich ihre Vormachtstellung gegenüber den Einfuhren und den übrigen lokalen Herstellern zu festigen, zu denen Herr Bakker selbst zählt, der offenbar - wie übrigens auch Arbed - die Lagermatten praktisch bereits zugunsten der Halbstandard- und Zeichnungsmatten aufgegeben hat". Ferner ergibt sich aus einem Fernschreiben der Klägerin vom 22. Juni 1983 (Anlage 33 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 55 der Entscheidung), daß diese ebenfalls die Zeichnungsmatten in die Vereinbarung über den französischen Markt für den Zeitraum 1983/84 einbezogen hat. Ausserdem heisst es in einem Schreiben von Tréfilarbed France vom 4. November 1983 an Tréfilarbed Luxemburg (Anlage 36 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 59 der Entscheidung): "Der einzunehmende Standpunkt war der, der bei unserer Sitzung in Paris vom 28.03.1983 mit Herrn Marie dargelegt wurde, nämlich die Vereinbarungen auf Lager- und Normmatten zu begrenzen, die mindestens 95 % des aktuellen Marktes ausmachen." Ferner ist darauf hinzuweisen, daß ein interner Bericht von Thibodraad vom 3. März 1980 über eine Besprechung mit Arbed am 27. Februar 1980 vorliegt (Anlage 83 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 117 der Entscheidung), in dem es als wünschenswert bezeichnet wird, bei allen Mattentypen mit Basispreisen und mit Hoechstpreisen zu arbeiten. Ausserdem ist auf den Wortlaut eines Reiseberichts von Tréfilarbed vom 7. Mai 1980 über einen Besuch bei Van Merksteijn am 28. April 1980 (Anlage 81 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 114 der Entscheidung) hinzuweisen: "Da die Herstellung auf Lagermatten ausgerichtet ist und der Absatz an den Handel uns nicht interessiert, gibt es keinen unmittelbaren Wettbewerb zwischen Van Merksteijn und Thibo/Staalmat oder Tréfilarbed; trotzdem hat das von Van Merksteijn praktizierte Preisniveau für Lagermatten einen gewissen Einfluß auf das Preisniveau für Listenmatten." Die Möglichkeit für bestimmte Hersteller, auf den angeblich verschiedenen Stahlmattenmärkten tätig zu werden, ergibt sich auch aus einer internen Kurznotiz von Tréfilarbed vom 18. Dezember 1981 über einen weiteren Besuch bei Van Merksteijn am 1. Dezember 1981 (Anlage 82 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 116 der Entscheidung). Schließlich stellt das Gericht fest, daß sich die Lieferverträge vom 24. November 1976 und 22. März 1982 zwischen BStG einerseits und Baustahl Rörmond BV sowie Arbed SA Afdeling Nederland andererseits (Anlagen 109 und 109 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte) auf Lagermatten und Nichtlagermatten beziehen.

29 Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, daß die von der Kommission vorgenommene Analyse des Produktmarktes nicht unrichtig ist und daß daher die Rüge der Klägerin zurückzuweisen ist.

B - Zum räumlichen Markt

Vorbringen der Parteien

30 Nach Auffassung der Klägerin hat die Kommission zu Recht drei nationale Märkte getrennt betrachtet: den französischen, den deutschen und den Benelux-Markt. Diese drei Märkte wiesen sowohl in wirtschaftlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die von den einzelnen Mitgliedstaaten auferlegten Verwaltungszwänge unterschiedliche Merkmale auf. So sei die Einfuhr in einen Mitgliedstaat ohne Einhaltung der geltenden Normen und ohne Zulassung oder Genehmigung praktisch unmöglich, obwohl die betreffenden Erzeugnisse, wie einzuräumen sei, auf zwei Märkten abgesetzt werden könnten, wenn die Produktionsanlagen den Erfordernissen jedes dieser Märkte angepasst seien. Gleichwohl sei der wahre Betonstahlmattenmarkt ein regionaler Markt. Das natürliche Absatzgebiet für Stahlmatten liege nämlich in einem Umkreis von 150 km um den Herstellungsort und könne selbst durch eine Grenze geteilt sein. Der Grund hierfür sei, daß die Transportkosten im Vergleich zum Preis des Erzeugnisses aussergewöhnlich hoch seien. Dies führe dazu, daß Wettbewerb nur innerhalb des natürlichen Absatzgebiets und zwischen Herstellern stattfinde, deren Herstellungs-, Transport- und Vertriebskosten hinreichend gleich seien, um eine gewisse Durchdringung zu ermöglichen. Der Wettbewerb finde daher nicht nach nationalen Märkten statt.

31 Infolgedessen werde in Punkt 22 der Entscheidung zu Unrecht festgestellt, daß "dieser Absprachenkomplex eine weitgehende Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes... bewirkt [hat]". Die Regelung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes, wie sie sich die Kommission vorstelle, habe sich praktisch auf ergänzende Schutzmaßnahmen hinsichtlich einer Marktdurchdringung in den Grenzgebieten beschränkt, und die angebliche Abschottung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes habe lediglich Absatzmengen betroffen, die in wirtschaftlicher Nähe zur Grenze produziert worden seien. Die Klägerin selbst habe sich bemüht, sich aus nationalen Absprachen herauszuhalten, um ihre Freiheit zu behalten, da ihre Fabriken im Grenzgebiet lägen und sich ihr Absatzgebiet auf die Grenzregionen mehrerer Mitgliedstaaten erstrecke. Der grenzueberschreitende Aspekt dieser Absprachen habe lediglich einen Schutz der einzelnen nationalen Systeme in den Grenzregionen bezweckt und bewirkt.

32 Die Kommission stimmt der Darstellung der Klägerin zu, daß der Betonstahlmattenmarkt im wesentlichen eher regional und grenzueberschreitend als national sei. Anders als die Klägerin schließt sie jedoch daraus, daß der Handel zwischen Mitgliedstaaten ganz offensichtlich durch die Absprachen über diesen Markt beeinträchtigt werden konnte und daß auf sie folglich Artikel 85 EWG-Vertrag anzuwenden war.

33 Zu den Ausführungen der Klägerin über den grenzueberschreitenden Aspekt der nationalen Absprachen stellt die Kommission fest, daß Tréfilarbed lediglich darlege, daß die Absprachen, an denen sie beteiligt gewesen sei, bezweckt und bewirkt hätten, die nach dem EWG-Vertrag gewollte wirtschaftliche Interpenetration zu behindern. Ausserdem sei Tréfilarbed von dem Zeitpunkt an, zu dem sie auf dem französischen, dem deutschen und dem Benelux-Markt tatsächlich präsent gewesen sei und sich an Absprachen über diese Märkte beteiligt habe, zugleich Teilnehmer an den Wettbewerb im Gemeinsamen Markt verfälschenden und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigenden Abreden gewesen. Die Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Marktdurchdringung in den Grenzgebieten seien nicht ergänzend getroffen worden, sondern gerade der Sinn der betreffenden Absprachen gewesen.

34 Bezueglich der von der Klägerin erwähnten unterschiedlichen Zulassungsnormen führt die Kommission aus, daß diese - von den besonderen Fällen der Zulassung für öffentliche Aufträge abgesehen - keine zwingenden Spezifizierungen seien und auch keine unüberwindbare Schranke darstellten, wie die in Frage stehenden Absprachen zeigten; im übrigen sei der innergemeinschaftliche Handel mit Betonstahlmatten zwischen 1980 und 1985 von 8,5 % auf 15 % der Produktion angestiegen. Die Kommission weist darauf hin, daß das Bestehen eines solchen Handelshemmnisses, das bis zum Erlaß einer Gemeinschaftnorm hinzunehmen sei, zur Forderung an die Unternehmen führen müsse, den verbleibenden wirksamen Wettbewerb nicht zu beeinträchtigen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnrn. 133 und 134).

Würdigung durch das Gericht

35 Das Gericht stellt vorab fest, daß die Auffassung der Klägerin keineswegs der Auffassung der Kommission widerspricht. In Punkt 5 der Entscheidung wird nämlich dargelegt, daß der innergemeinschaftliche Handel mit Betonstahlmatten in den Grenzregionen am intensivsten ist und die Transportkosten zwar hoch sind, jedoch kein unüberwindliches Hindernis darstellen, wenn der Preis des Produktes auf dem betreffenden Markt verhältnismässig hoch ist.

36 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission in Punkt 22 der Entscheidung nicht zu Unrecht festgestellt hat, daß ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes durch die verschiedenen Absprachen reglementiert worden ist. Daß der Wettbewerb für das betreffende Produkt, wie die Parteien einvernehmlich einräumen, im wesentlichen in den verschiedenen Grenzgebieten stattfindet, bedeutet zwangsläufig, daß der nationale Markt im natürlichen Absatzgebiet betroffen ist, und der Umstand, daß dieses Gebiet nur einen Teil des Hoheitsgebiets eines Mitgliedstaats ausmacht, schließt es nicht aus, daß der nationale Markt insgesamt beeinträchtigt wird. Auch kann das grenzueberschreitende Element in den Absprachen, das in einem Schutz der Grenzgebiete zum Ausdruck kommt, nicht als ein ergänzendes Merkmal betrachtet werden, sondern stellt vielmehr, wie die Kommission zu Recht betont hat, den Sinn der betreffenden Absprachen dar. Die Klägerin räumt selbst ein, daß der grenzueberschreitende Aspekt der Absprachen den Schutz nationaler Systeme bezweckte und bewirkte. Daraus ergibt sich, daß die verschiedenen Absprachen den innergemeinschaftlichen Handel doch beeinträchtigt haben.

37 Sodann ist hervorzuheben, daß die Klägerin in ihrer Klageschrift einräumt, daß die einzelnen nationalen Märkte von Gemeinschaftsherstellern versorgt werden können, die ihre Produktionsanlagen auf die betreffenden Normen eingestellt haben, und sie auch nicht bestreitet, daß eine Zulassung nur bei öffentlichen Aufträgen erforderlich ist.

38 Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, daß die Analyse des räumlichen Marktes durch die Kommission nicht unrichtig ist und die Rüge der Klägerin folglich zurückzuweisen ist.

II - Zum Nachweis der Absprachen

A - Zum französischen Markt

1. Zeitraum 1981/82

Angefochtene Handlung

39 In der Entscheidung (Punkte 23 bis 50 und 159) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich zwischen April 1981 und März 1982 an einer ersten Reihe von Absprachen über den französischen Markt beteiligt. Diese Absprachen hätten zum einen die französischen Hersteller (Tréfilunion, STPS, SMN, CCG und Sotralentz) und zum anderen die auf dem französischen Markt tätigen ausländischen Hersteller (ILRO, Ferriere Nord, Martinelli, Boël/Trébos, TFE, FBC und Tréfilarbed) einbezogen und im Hinblick auf eine Begrenzung der Einfuhren von Betonstahlmatten nach Frankreich die Festsetzung von Preisen und Quoten zum Gegenstand gehabt.

Vorbringen der Parteien

40 Die Klägerin räumt ein, an den Sitzungen über die Absprachen teilgenommen und Unterredungen über die Quoten geführt zu haben, streitet aber ab, sich an einer Vereinbarung beteiligt und an sie gehalten zu haben. Die Kommission schließe zu Unrecht aus ihrer Teilnahme an den Sitzungen auf ihre Beteiligung an den Absprachen.

41 Die Klägerin macht erstens geltend, sie habe an den Sitzungen nur gezwungenermassen teilgenommen, um negative Reaktionen zu vermeiden, da die französischen Hersteller auf sie beträchtlichen Druck ausgeuebt hätten.

42 Sie legt zweitens dar, daß die Stellungnahme der französischen Wettbewerbskommission vom 20. Juni 1985 zur Lage des Wettbewerbs auf dem Betonstahlmattenmarkt in Frankreich und die auf der Grundlage dieser Stellungnahme ergangene Entscheidung der französischen Behörden vom 3. September 1985 Absprachen für die Zeiträume 1981/82 und 1983/84 betroffen hätten, daß aber für den Zeitraum 1981/82 keine Zuwiderhandlung von Tréfilarbed festgestellt worden sei.

43 Sie ist drittens der Auffassung, daß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag auf Verhandlungen zwischen Unternehmen, selbst wenn sie in Zuwiderhandlungsabsicht geführt würden, nicht anzuwenden sei, sofern sie nicht zu einer Vereinbarung geführt hätten.

44 Die Klägerin bestreitet schließlich viertens die Auslegung und die Schlußfolgerungen, die die Kommission aus den Schriftstücken ziehe, die den Beweis für ihre angebliche Beteiligung an den Vereinbarungen erbringen sollten.

45 Bezueglich der Sitzung mit Tréfilunion am 20. Oktober 1981 (Tréfilunion-Aufzeichnung vom 23. Oktober 1981, Anlage 1 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 46 der Entscheidung) räumt die Klägerin ein, daß Tréfilunion ihr bei dieser Sitzung eine Quote von monatlich 1 300 Tonnen vorgeschlagen habe, die sie aber nicht angenommen habe, weil ihr tatsächlicher Marktanteil in Frankreich grösser gewesen sei. Dieses Schriftstück belege ausserdem, daß ihr die Quote von FBC nicht bekannt gewesen sei, was nicht der Fall hätte sein können, wenn sie an der Absprache beteiligt gewesen wäre.

46 Bezueglich der Sitzung mit allen französischen Herstellern (ausgenommen Sotralentz) vom 21. April 1982 (Anlage 24 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 45 der Entscheidung) räumt die Klägerin ihre Teilnahme ein, behauptet aber, daß der einzige Beschluß, dem sie zugestimmt habe, nur die Höhe der Rabatte für die Monate Mai und Juni 1982 betroffen habe. Die Niederschrift über diese Sitzung zeige, daß sie zu diesem Zeitpunkt an keine Quote gebunden gewesen sei; wie daraus ersichtlich, habe sie nämlich auf den Antrag von Tréfilunion, die Vereinbarungen des Vorjahres weiterzuführen, geantwortet, daß eine Quotenvereinbarung nicht erforderlich sei.

47 Unter Bezugnahme auf ihr Fernschreiben vom 25. Mai 1983 an den Vertreter von Sacilor, Herrn Chopin de Janvry (Anlage 31 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 55 der Entscheidung), legt die Klägerin dar, daß die darin enthaltene Wendung "schon damals hat man uns genötigt, einer Vereinbarung zuzustimmen", nicht die Zustimmung zu irgendeiner Vereinbarung belege, sondern vielmehr auf eine Absicht hinweise.

48 Die Tabelle in Anlage 6 der Mitteilung der Beschwerdepunkte (Punkt 29 der Entscheidung) lasse von 1980 bis 1981 eine Erhöhung der Ausfuhren (von 24,28 % auf 26,95 %) auf den französischen Markt erkennen, was der Behauptung der Kommission widerspreche, die Einfuhren nach Frankreich seien kontingentiert worden. Der Prozentsatz von 7,4, der sich aus einem Vergleich der letzten beiden Spalten dieser Tabelle ergebe, stelle keine Quote dar, die ihr zugeteilt worden sei, sondern eine Einschätzung ihrer Stellung auf dem betreffenden Markt. Die Klägerin legt eine Tabelle ihrer Versandzahlen vor, um zu zeigen, daß sie keine Quote vereinbart oder eingehalten habe.

49 Schließlich weist die Klägerin darauf hin, daß die Kommission keinen Zusammenhang zwischen den Preiserhöhungen und den angeblichen Absprachen bewiesen habe; die Einfuhren nach Frankreich hätten nur deshalb zugenommen, weil die Importeure, insbesondere Tréfilarbed, Wettbewerbspreise angewandt hätten, um ihre Marktanteile zu vergrössern.

50 Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin ihre Teilnahme an den Sitzungen im Rahmen der Absprachen zugestanden habe und deren wettbewerbswidrigen Zweck nicht bestreite. Daß diese Teilnahme einen Meinungsaustausch über die ideale Verteilung der Erzeugnisse bezweckt habe, nehme ihr nicht den Charakter einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, da eine derartige Teilnahme schon für sich mit dieser Vorschrift unvereinbar sei.

51 Hinzu komme, daß die in der Entscheidung angeführten Schriftstücke hinreichend belegten, daß sich die Klägerin aktiv an den Absprachen beteiligt habe. Daß sie sich nicht an die Preise und Quoten gehalten habe, ändere nichts am Vorliegen einer Zuwiderhandlung.

52 Die Kommission bemerkt, daß sie an die Schlußfolgerungen der französischen Behörden nicht gebunden sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1985 in der Rechtssache 298/83, CICCE/Kommission, Slg. 1985, 1105, Randnr. 27) und bestimmte Beweismittel sichergestellt habe, die diesen Behörden nicht zur Verfügung gestanden hätten (insbesondere Anlagen 1 und 24 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

Würdigung durch das Gericht

53 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin ihre Teilnahme an den Sitzungen einräumt, daß sie aber bestreitet, Preis- und Quotenvereinbarungen getroffen zu haben. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht bestreitet, daß in den Sitzungen, an denen sie teilgenommen hat, Preise und Quoten festgesetzt werden sollten. Daher ist zu prüfen, ob die Kommission aus der Teilnahme der Klägerin an diesen Sitzungen zu Recht auf deren Beteiligung an den Absprachen geschlossen hat.

54 Das Gericht ist der Auffassung, daß die von der Kommission beigebrachten Schriftstücke belegen, daß sich die Klägerin 1981 und 1982 an den Absprachen über den französischen Markt beteiligt hat. Aus der Tréfilunion-Aufzeichnung vom 23. Oktober 1981 (Anlage 1 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 46 der Entscheidung) ergibt sich nämlich, daß die Klägerin an einer Sitzung mit Tréfilunion teilgenommen hat, die am 20. Oktober 1981 in Paris stattfand. In dieser Sitzung hat sich Tréfilarbed nicht gegen eine grundsätzliche Aufteilung der Märkte ausgesprochen und sich auch nicht wie ein Wirtschaftsteilnehmer geäussert, der sich an der laufenden Vereinbarung nicht beteiligt hätte. Sie hat sich nämlich ausdrücklich auf die "letzten Verabredungen" mit den italienischen und belgischen Herstellern bezogen und deren Anteil im Vergleich zu ihrem eigenen als "übermässig" eingeschätzt. Aus dieser Aufzeichnung ergibt sich, daß der Vertreter der Klägerin sodann den Anteil von Tréfilarbed angesprochen hat. In der Aufzeichnung wird auch eine Quote von 1 300 Tonnen für die Klägerin erwähnt: "Tréfilunion erklärt, daß Tréfilarbed monatlich ca. 500 Tonnen an Woippy und Straßburg... liefern muß, so daß ihr rund 800 Tonnen für die anderen Abnehmer übrigbleiben."

55 Ein weiterer Vermerk von Tréfilarbed vom 23. April 1982 über eine Sitzung mit den französischen Herstellern vom 21. April 1982 zeigt, daß eines der Ziele "die Weiterführung der Vereinbarungen des Vorjahres" war, ohne daß erkennbar wäre, daß zwischen bisherigen Beteiligten an diesen Vereinbarungen und etwaigen neuen, darunter Tréfilarbed, unterschieden worden wäre, die aufgefordert worden wären, sich künftig zu beteiligen. Zwar trifft es zu, daß sich Tréfilarbed für die Zukunft für die Festlegung einer absoluten Tonnage statt für die Zuteilung von Quoten ausgesprochen hat, doch steht dieser Umstand nicht im Widerspruch zum Bestehen einer Absprache für den vorangegangenen Zeitraum, weil es sich um eine Erklärung für die Zukunft handelt und weil sie jedenfalls zu einer Marktaufteilungsabsprache gehört, die eine mengenmässige Begrenzung bezweckt hat.

56 Die Beteiligung der Klägerin an den Absprachen wird durch das Fernschreiben von Tréfilarbed vom 25. Mai 1983 an Sacilor erhärtet, in dem der Vertreter der Klägerin darauf hinweist, daß "[man uns] schon damals... genötigt [hat], einer Vereinbarung zuzustimmen, die uns nicht gefallen hat", und sich darüber beschwert, daß Tréfilarbed nur "über eine Quote von 6,3 % für St. Ingbert und von 0,75 % für Gent" verfüge, weil sie Beschränkungen hingenommen habe, die die französischen Hersteller den italienischen Herstellern und der Klägerin auferlegt hätten.

57 Zum Vorbringen der Klägerin bezueglich der Erhöhung der Ausfuhren ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung der Umstand, daß eine Vereinbarung zu einer selbst beträchtlichen Ausweitung des Handelsvolumens zwischen Mitgliedstaaten führt, es noch nicht ausschließt, daß die Vereinbarung den Handel in einer der Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen diesen Staaten nachteiligen Weise beeinträchtigen kann (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 321, 389).

58 Die Klägerin kann sich nach Auffassung des Gerichts nicht darauf berufen, sie habe an den Sitzungen unter Zwang teilgenommen. Die Klägerin hätte nämlich, anstatt an diesen Sitzungen teilzunehmen, den auf sie ausgeuebten Druck bei den zuständigen Behörden zur Anzeige bringen und bei der Kommission eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 einlegen können (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-9/89, Hüls/Kommission, Slg. 1992, II-499, Randnr. 128).

59 Bezueglich der Stellungnahme der französischen Wettbewerbskommission kann das Gericht dem Vorbringen der Klägerin nicht folgen. Zum einen konnte die Kommission, wie sie zu Recht betont, aufgrund der ihr vorliegenden Beweise, die nicht notwendig die gleichen waren, über die die französische Wettbewerbskommission verfügte, zu eigenen Schlußfolgerungen gelangen; zum anderen kann die Kommission nicht an die Schlußfolgerungen nationaler Behörden gebunden sein.

60 Schließlich ist der Umstand, daß sich die Klägerin nicht an die Preise und Quoten gehalten hat, nicht geeignet, die Klägerin zu entlasten. Denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes brauchen die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden, "wenn feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt" (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87, Sandoz prodotti farmaceutici/Kommission, Slg. 1990, I-45, Randnr. 15).

61 Aus alledem ergibt sich, daß der Kommission rechtlich der Beweis für die Beteiligung der Klägerin an den Absprachen gelungen ist, die eine Festlegung der Preise und Quoten für den französischen Markt in der Zeit von April 1981 bis März 1982 bezweckten.

62 Demnach ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

2. Zeitraum 1983/84

Angefochtene Handlung

63 In der Entscheidung (Punkte 51 bis 76 und 160) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an einer zweiten Reihe von Absprachen beteiligt, die zum einen die französischen Hersteller (Tréfilunion, STPS, SMN, CCG und Sotralentz) und zum anderen die auf dem französischen Markt tätigen ausländischen Hersteller (ILRO, Ferriere Nord, Martinelli, Boël/Trébos, TFE, FBC - die die Produktion von TFE vermarktet habe - und Tréfilarbed) einbezogen hätten. Diese Absprachen hätten im Hinblick auf eine Begrenzung der Einfuhren von Betonstahlmatten nach Frankreich die Festsetzung von Preisen und Quoten zum Gegenstand gehabt. Diese Reihe von Absprachen sei zwischen Anfang 1983 und Ende 1984 durchgeführt worden und im Oktober 1983 durch das Zustandekommen eines "Protocole d'accord" für den Zeitraum vom 1. Juli 1983 bis 31. Dezember 1984 formalisiert worden. Dieses Protokoll fasse die Ergebnisse der verschiedenen Verhandlungen zwischen den französischen, italienischen und belgischen Herstellern sowie Arbed über die Quoten und Preise für den französischen Markt zusammen und setze die Quoten für Belgien, Italien und Deutschland "im Rahmen eines zwischen diesen Herstellern und den französischen Herstellern getroffenen Übereinkommens" auf 13,95 % des Verbrauchs im französischen Markt fest.

Vorbringen der Parteien

64 Die Klägerin räumt ihre Beteiligung an diesen Absprachen ein. Sie macht aber geltend, sie habe starken Widerstand geleistet und sei nur unter Zwang beigetreten, um Repressalien zu entgehen.

65 Ausserdem habe sie die Vereinbarungen nicht eingehalten und stets über ihre Quote hinaus geliefert.

66 Zu den Preisen führt die Klägerin aus, zwar sei im Protocole d'accord von "Preisdirektiven" die Rede, doch werde in der Entscheidung nicht dargetan, daß solche Direktiven erlassen oder befolgt worden seien.

67 Bezueglich der Dauer der Zuwiderhandlung bestreitet die Klägerin die Behauptung in Punkt 76 der Entscheidung, daß sie die Absprachen nach Juni 1984 nicht mehr eingehalten habe. Sie habe die ihr zugeteilten Quoten bereits seit Mitte 1983 überschritten. Zur Stützung ihres Vortrags legt die Klägerin eine Tabelle mit den Zahlen ihrer Einfuhren nach Frankreich von Juli 1983 bis März 1984 vor, die zeigen sollen, daß die von ihr gelieferten Mengen 8,33 % entsprochen hätten, womit sie ihre Quote von 7,55 % überschritten habe.

68 Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin ihre Beteiligung an den Absprachen eingeräumt habe. Auch wenn Tréfilarbed starken Widerstand gegen die Höhe der ihr vorgeschlagenen Quoten geleistet habe, so habe sie sich doch der grundsätzlichen Marktaufteilung nicht widersetzt. Herr Buck, der Vertreter der Klägerin, habe im Gegenteil bei seiner Zustimmung zu den Bedingungen der Absprache darauf hingewiesen, daß "die Vereinbarung... m. E. insofern nicht streng genug [ist], als weder eine Strafe noch eine Garantie vorgesehen ist" (Anlage 33 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 55 der Entscheidung).

69 Bezueglich der Preise verweist die Kommission darauf, daß im Protocole d'accord eine Klausel enthalten sei, wonach sich die Beteiligten verpflichteten, die vom Sekretariat festgesetzten Preisdirektiven einzuhalten.

Würdigung durch das Gericht

70 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin einräumt, sich im Zeitraum 1983/84 an den Absprachen über den französischen Markt beteiligt zu haben, und daß sie deren Zweck, nämlich die Festsetzung von Preisen und Quoten, nicht bestreitet.

71 Das Gericht ist der Auffassung, daß sich die Klägerin aus den gleichen Gründen, wie sie oben in Randnummer 58 dargelegt werden, nicht darauf berufen kann, sie habe sich an den Absprachen unter Zwang beteiligt. Das Gericht ist weiterhin der Auffassung, daß der Wortlaut des Fernschreibens, das der Vertreter der Klägerin an Tréfilunion gerichtet hat, mit der Wendung "die Vereinbarung ist m. E. insofern nicht streng genug, als weder eine Strafe noch eine Garantie vorgesehen ist", gegen das Vorbringen der Klägerin in diesem Zusammenhang spricht.

72 Das Gericht weist schließlich darauf hin, daß der Umstand, daß sich die Klägerin nicht an die Preise und Quoten gehalten hat, aus den gleichen Gründen, wie sie oben in Randnummer 60 dargelegt werden, nicht geeignet ist, die Klägerin zu entlasten.

73 Bezueglich der Dauer der Beteiligung der Klägerin an den Absprachen ist auf die fehlende Klarheit der Zahlenangaben zu den Mengen hinzuweisen, die die Klägerin von Juli 1983 bis März 1984 nach Frankreich geliefert haben will, nämlich 12 373 Tonnen nach der Klageschrift und 900 Tonnen nach der Erwiderung. Jedenfalls genügt, selbst wenn man davon ausgeht, daß die in der Klageschrift genannten Zahlen, also 12 373 Tonnen, die richtigen sind, die Feststellung, daß die Klägerin keinen Beweis für ihr Vorbringen liefert und daß der von Tréfilarbed behauptete Prozentsatz von 8,33 nicht sehr weit von dem in Punkt 65 der Entscheidung angegebenen Prozentsatz von 7,71 entfernt ist.

74 Daraus folgt, daß der Kommission der Beweis für die Beteiligung der Klägerin im Zeitraum 1983/84 an den Absprachen über den französischen Markt, die eine Festlegung der Preise und Quoten im Hinblick auf eine Beschränkung der Einfuhren von Betonstahlmatten nach Frankreich bezweckten, rechtlich gelungen ist.

75 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

B - Zum Benelux-Markt

76 In der Entscheidung wird der Klägerin vorgeworfen, sich an Absprachen über den Benelux-Markt beteiligt zu haben, die Quoten- und Preisabsprachen umfasst hätten.

1. Die Quotenabsprachen

77 In der Entscheidung (Punkte 78 Buchstabe b und 171) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen zwischen deutschen Herstellern und Benelux-Herstellern ("Gesprächskreis von Breda") beteiligt, die die Anwendung mengenmässiger Beschränkungen auf die deutschen Ausfuhren nach Belgien und in die Niederlande sowie die Übermittlung der Exportzahlen bestimmter deutscher Hersteller an die belgisch-niederländische Gruppe vorgesehen hätten.

78 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin ihre Beteiligung an den Absprachen über mengenmässige Beschränkungen der deutschen Ausfuhren in die Benelux-Länder sowie über die Mitteilung der Exportzahlen nicht bestreitet.

2. Die Preisabsprachen

Angefochtene Handlung

79 In der Entscheidung (Punkte 78 Buchstabe b, 163 und 168) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Preisabsprachen zwischen den wichtigsten Marktteilnehmern auf dem Benelux-Markt einschließlich der Nicht-Benelux-Hersteller sowie an Absprachen zwischen deutschen Herstellern, die nach Benelux exportierten, und den übrigen Marktteilnehmern auf dem Benelux-Markt über die Respektierung der festgesetzten Preise für den Benelux-Markt beteiligt. Diese Absprachen seien in Sitzungen getroffen worden, die zwischen August 1982 und November 1985 in Breda und Bunnik (Niederlande) stattgefunden hätten und an denen (Punkt 168 der Entscheidung) zumindest die Unternehmen Thibodraad, Tréfilarbed, Boël/Trébos, FBC, Van Merksteijn, ZND, Tréfilunion und von den deutschen Herstellern zumindest BStG teilgenommen hätten. Die Entscheidung stützt sich auf zahlreiche Fernschreiben des Agenten von Tréfilunion in den Benelux-Ländern an Tréfilunion. Diese Fernschreiben enthielten genaue Angaben über jede Sitzung (Zeitpunkt, Ort, Beteiligte, Abwesende, Ziel der Sitzung [Besprechung der Marktsituation, Vorschläge bzw. Beschlüsse bezueglich der Preise], Festlegung des Datums und des Ortes der nächsten Sitzung).

Vorbringen der Parteien

80 Die Klägerin räumt ein, an allen Sitzungen zum Benelux-Markt teilgenommen zu haben, in denen Informationen über die Lage und die Perspektiven dieses Marktes ausgetauscht und Vereinbarungen über die Preise für Lager- und Listenmatten getroffen worden seien. Sie habe jedoch nur teilgenommen, um sich über die Marktbedingungen zu unterrichten, eine rein passive Rolle gespielt, sich nie gegenüber den anderen Teilnehmern verpflichtet und keinerlei Interesse an den Vereinbarungen gehabt, weil sie nur Zeichnungsmatten verkauft habe, die nicht in unmittelbarem Wettbewerb zu Lager- und Listenmatten stuenden. Sie räumt aber ein, daß sie eine Restmenge Lager- und Listenmatten geliefert habe, allerdings zu einem eindeutig höheren als dem bei den Sitzungen festgelegten Preis, weil die Herstellung von Lagermatten auf - Tréfilarbed in Gent und Rörmond allein zur Verfügung stehenden - Maschinen zur Herstellung von Zeichnungsmatten mit erheblichen Mehrkosten verbunden sei.

81 Die Kommission fragt sich, weshalb die Klägerin daran interessiert gewesen sein sollte, über mehrere Jahre an den Sitzungen teilzunehmen, und weshalb sie am 31. August 1984 den Vorsitz der Gruppe hätte übernehmen sollen, wenn sie von den Vereinbarungen nicht betroffen gewesen wäre. Ausserdem beeinflusse das Preisniveau der Lagermatten das der Zeichnungsmatten, so daß die Hersteller von Zeichnungsmatten ein unmittelbares Interesse hätten, sich an der Festlegung der Preise für Lagermatten zu beteiligen, damit diese so wenig niedrig wie möglich gehalten würden. Die Klägerin selbst habe ihr erklärt, daß ein Verbraucher nur unter völlig anormalen Umständen - wie etwa bei einem radikalen Preissturz für Lagermatten - zugunsten von Lagermatten auf die Bestellung von Zeichnungsmatten verzichte.

Würdigung durch das Gericht

82 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß das Vorbringen der Klägerin zu der angeblich unrichtigen Marktanalyse der Kommission bereits oben zurückgewiesen wurde.

83 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin ihre Teilnahme an den Sitzungen einräumt, daß sie aber bestreitet, Preisabsprachen getroffen zu haben. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Klägerin nicht bestreitet, daß die Sitzungen, an denen sie teilgenommen hat, den Zweck hatten, Preise festzusetzen. Daher ist zu prüfen, ob die Kommission aus der Teilnahme der Klägerin an diesen Sitzungen zu Recht auf deren Beteiligung an den Absprachen geschlossen hat.

84 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin sich entgegen ihrer Behauptung bei den Sitzungen nicht darauf beschränkt hat, Marktinformationen zu sammeln, sondern sich aktiv an ihnen beteiligt hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin stets als eine übliche Teilnehmerin an den Sitzungen betrachtet worden ist. Ausserdem ist die Klägerin von ihren Partnern als ein Unternehmen eingestuft worden, dessen Meinung man kennen musste, um einen gemeinsamen Standpunkt festzulegen. Diese Betrachtungsweise ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben von Thibodraad vom 16. Dezember 1983 an Tréfilarbed (Anlage 65 [a] der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 93 der Entscheidung), mit dem Tréfilarbed das Fernschreiben von Herrn Müller, dem Geschäftsführer von BStG, vom 15. Dezember 1983 übermittelt wurde. Schließlich ergibt sich aus dem Fernschreiben von Tréfilunion vom 31. August 1984 (Anlage 74 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), daß die Klägerin am 24. August 1984 den Vorsitz bei den Sitzungen von Breda und Bunnik übernommen hatte, nachdem der Vertreter von Thibodraad, der den Vorsitz geführt hatte, ausgeschieden war.

85 Das Gericht ist jedenfalls, selbst wenn sich die Klägerin zumindest teilweise nicht aktiv an den Sitzungen beteiligt hat, der Auffassung, daß sie angesichts des offensichtlich wettbewerbsfeindlichen Charakters des Zweckes der Sitzungen, der durch die zahlreichen, in der Entscheidung angeführten Fernschreiben von Herrn Peters an Tréfilunion belegt wird, dadurch, daß sie an den Sitzungen teilgenommen hat, ohne sich offen von ihrem Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlaß zu der Annahme gegeben hat, daß sie dem Ergebnis der Sitzungen zustimme und sich daran halten werde (vgl. Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 232, und vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 98 bis 100).

86 Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Kommission der Beweis für die Beteiligung der Klägerin an den Preisabsprachen für den Benelux-Markt in der Zeit vom August 1982 bis November 1985 rechtlich gelungen ist.

87 Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

3. Gentlemen's Agreement zwischen Tréfilarbed und Thibodraad auf der einen und Van Merksteijn auf der anderen Seite

Angefochtene Handlung

88 In der Entscheidung (Punkte 114 bis 116 und 172) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an einem Gentlemen's Agreement beteiligt, wonach Van Merksteijn keine Listenmatten und Tréfilarbed in Gent und Rörmond sowie Thibodraad keine Lagermatten herstellen sollten. Nach der Entscheidung ist diese Vereinbarung als eine Einschränkung des Wettbewerbs zwischen den Beteiligten zu bewerten, die geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da jede der Parteien dadurch auf die Herstellung und den Verkauf des der anderen Partei zugestandenen Produkts über das eigene Vertriebsnetz, das sich über mehrere Mitgliedstaaten erstrecke und mit dem Vertriebsnetz des anderen nicht identisch sei, verzichtet habe. Diese Absprache habe bereits vor dem 1. Dezember 1981 oder spätestens von diesem Zeitpunkt an bestanden und zumindest bis zum Beginn der Untersuchungen der Kommission (6. und 7. November 1985) gedauert. In Punkt 191 der Entscheidung wird festgestellt, daß das Gentlemen's Agreement nicht als eine freistellungsfähige Vereinbarung betrachtet werden könne, da der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen einschließlich der Konzernumsätze von Arbed und Hoogovens (siehe Artikel 4 der Verordnung [EWG] Nr. 2779/72 der Kommission vom 21. Dezember 1972, Artikel 4 Absatz 3 und Artikel 5 der Verordnung [EWG] Nr. 3604/82 der Kommission vom 23. Dezember 1982 und Artikel 6 und 7 der Verordnung [EWG] Nr. 417/85 der Kommission vom 19. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Spezialisierungsvereinbarungen, ABl. 1972, L 292, S. 23, ABl. 1982, L 376, S. 33, und ABl. 1985, L 53, S. 1) die in Artikel 3 der während der Dauer der Absprache jeweils geltenden Verordnung festgesetzte Obergrenze von 150, 300 bzw. 500 Millionen ECU überschreite.

Vorbringen der Parteien

89 Die Klägerin räumt ein, daß Unterredungen zwischen den Vertretern der drei Unternehmen stattgefunden hätten; diese hätten jedoch in einem blossen Informations- und Meinungsaustausch bestanden, der für keine der Parteien Verpflichtungen begründet habe. Die Parteien hätten sich darauf beschränkt, ihre jeweiligen Produktionskapazitäten zur Kenntnis zu nehmen und ihre Absicht zu bekunden, die gleiche Produktionspolitik weiterzuverfolgen.

90 Die Kommission habe weder einen Beweis noch ein Indiz dafür beigebracht, daß die an den Unterredungen Beteiligten sich im Anschluß daran zu einer abgestimmten Verhaltensweise zu dem Zweck verbunden hätten, ihre jeweiligen Investitionen zur Schaffung neuer Kapazitäten für die Produktion der von den anderen Partnern hergestellten Erzeugnisse zu begrenzen.

91 Die Klägerin beanstandet, daß die Kommission die Verordnungen Nr. 3604/82 und Nr. 417/85 nicht angewandt habe, weil der Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen einschließlich der Konzernumsätze von Arbed und Hoogovens die Obergrenze von 150, 300 bzw. 500 Millionen ECU überschritten habe. Dies sei eine recht formale Begründung, weil die Obergrenzen der Umsätze bei grossen Stahlkonzernen, um die es hier gehe, fast zwangsläufig überschritten würden, während die zu prüfende Vereinbarung einem wirklichen Bedürfnis und der wirtschaftlichen Vernunft entsprechen könne.

92 Nach Auffassung der Kommission bringt die Klägerin nichts vor, was ihre Behauptung stützen könnte, bei dem Gentlemen's Agreement habe es sich nicht um eine echte Vereinbarung gehandelt.

93 Jedenfalls lasse die Beschreibung, die die Klägerin von ihrem Zusammentreffen mit Van Merksteijn gebe, eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73 (Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 173 bis 175) erkennen, die gleichfalls unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag falle.

94 Die Beachtung der in den Gruppenfreistellungsverordnungen vorgesehenen Obergrenzen sei ausserdem nicht aus formellen Gründen, sondern aufgrund einer zwingenden Vorschrift geboten, mit der sichergestellt werden solle, daß der Wettbewerb nicht für einen wesentlichen Teil der betreffenden Produkte ganz beseitigt werde (6. Begründungserwägung der Verordnungen Nrn. 2779/72, 3604/82 und 417/85). Die Kommission weist darauf hin, daß die betreffenden Unternehmen ihre Spezialisierungsvereinbarungen dennoch bei ihr hätten anmelden und eine Einzelfreistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag hätten beantragen können.

Würdigung durch das Gericht

95 Das Gericht weist darauf hin, daß es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes für die Annahme einer Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ausreicht, daß die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen, sich auf dem Markt in bestimmter Weise zu verhalten, zum Ausdruck gebracht haben (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnr. 112, und vom 29. Oktober 1980, Van Landewyck u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 86).

96 Nach Auffassung des Gerichts konnte die Kommission mit vollem Recht davon ausgehen, daß das Gentlemen's Agreement den gemeinsamen Willen der an der Absprache Beteiligten hinsichtlich ihres Verhaltens auf dem Gemeinsamen Markt getreu zum Ausdruck brachte und damit eine Vereinbarung im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag war (vgl. Urteil Chemiefarma/Kommission, a. a. O., Randnr. 112). Das Gericht weist insoweit darauf hin, daß der Wortlaut der Kurznotiz der Klägerin vom 18. Dezember 1981 über den Besuch bei Van Merksteijn, ZND und Thibodraad vom 1. Dezember 1981 (Anlage 82 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 116 der Entscheidung) keinen Zweifel am Bestehen der Vereinbarung lässt. In der Kurznotiz heisst es nämlich: "Unser Gentlemen's Agreement: Merksteijn produziert keine Listenmatten, Tréfilarbed keine Lagermatten (in Gent und Rörmond), wurde bestätigt", sowie: "Van Merksteijn hielt es für erforderlich, uns mitzuteilen, daß TM (Thy Marcinelle) dabei sei, sich ebenfalls auf den Markt für Listenmatten zu begeben." Ferner erklärt sich die Klägerin ihrerseits bereit, "auf Thibodraad Einfluß zu nehmen, nicht auf dem Markt für Lagermatten einzusteigen", und stellt schließlich fest: "Es wurde Thibodraad noch einmal empfohlen, unser Gentlemen's Agreement mit Firma Merksteijn auch ihrerseits streng einzuhalten." Nach Auffassung des Gerichts sind die Ausführungen der Klägerin in ihren Schriftsätzen angesichts dieser von ihr selbst stammenden Beweiselemente tatsächlich unzutreffend.

97 Folglich ist der Kommission rechtlich der Beweis für das Bestehen einer Vereinbarung zwischen Tréfilarbed und Thibodraad auf der einen und Van Merksteijn auf der anderen Seite gelungen, aufgrund deren Van Merksteijn keine Listenmatten, Tréfilarbed (in Gent und Rörmond) und Thibodraad hingegen keine Lagermatten herstellen sollten. Diese Vereinbarung stellt aufgrund ihrer besonderen Schwere und ihrer Offensichtlichkeit eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1, insbesondere Buchstabe c, EWG-Vertrag dar und war folglich geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes einzuschränken.

98 Zur Beachtung der Umsatz-Obergrenzen nach den Gruppenfreistellungsverordnungen weist das Gericht im übrigen darauf hin, daß diese Obergrenzen, wie die Kommission zu Recht geltend macht, eine zwingende Vorschrift darstellen, mit der sichergestellt werden soll, daß der Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Erzeugnisse nicht ganz beseitigt wird. Darüber hinaus ist festzustellen, daß die Klägerin bei der Kommission keine Einzelfreistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag beantragt hat.

99 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

4. Bilaterale Kontakte und Absprachen zwischen Tréfilarbed und Thibodraad

100 In der Entscheidung (Punkte 117 bis 124 und 173) wird der Klägerin vorgeworfen, sich mit Thibodraad spätestens seit dem 1. Januar 1982 an einer Preisabsprache über Listenmatten und spätestens seit dem 1. Oktober 1983 an einer Preisabsprache über Zeichnungsmatten beteiligt zu haben. Nach der Entscheidung wurden die bilaterale Preisabsprache über Listenmatten durch globale Preisabsprachen in Breda und Bunnik ersetzt und die Preisabsprache über Zeichnungsmatten bis Ende 1984 fortgesetzt. Diese Absprachen sollen bezweckt und bewirkt haben, daß der Wettbewerb zwischen den Beteiligten weitgehend ausgeschaltet bzw. erheblich eingeschränkt wurde, und geeignet gewesen sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, da beide Unternehmen erhebliche Exportvolumen getätigt hätten und Tréfilarbed darüber hinaus in mehreren Mitgliedstaaten ansässig gewesen sei.

101 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin ihre Beteiligung an den genannten bilateralen Absprachen nicht bestreitet.

C - Zum deutschen Markt

102 In der Entscheidung (Punkte 147 und 182) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an Absprachen über den deutschen Markt beteiligt, die zum einen eine Regulierung der Ausfuhren von Benelux-Herstellern nach Deutschland und zum anderen die Respektierung der auf dem deutschen Markt geltenden Preise bezweckt hätten. In der Entscheidung heisst es, daß sich an diesen Absprachen die Klägerin, BStG, Boël/Trébos, TFE/FBC und Thibodraad beteiligt hätten.

1. Die Alleinvertriebsverträge zwischen BStG auf der einen und Bouwstaal Rörmond BV sowie Arbed SA Afdeling Nederland auf der anderen Seite

a) Angefochtene Handlung

103 In der Entscheidung (Punkt 148) heisst es, das Interesse von BStG, ausländische Importe nach Deutschland einzuschränken oder zu regulieren, finde bezueglich der Niederlande seinen Ausdruck in den beiden Lieferverträgen zwischen BStG und Bouwstaal Rörmond BV (später Tréfilarbed Bouwstaal Rörmond) bzw. Arbed SA Afdeling Nederland vom 24. November 1976 (Anlage 109 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und 22. März 1982 (Anlage 109 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Dem letztgenannten Vertrag sei eine unterzeichnete Aktennotiz gleichen Datums beigefügt gewesen, in der sich Arbed SA Afdeling Nederland verpflichtet habe, während der Laufzeit des Vertrages weder direkt noch indirekt Lieferungen nach Deutschland zu tätigen. In diesen Verträgen habe BStG den ausschließlichen Vertrieb einer bestimmten jährlichen Menge von Betonstahlmatten aus dem Werk Rörmond in Deutschland zu einem nach bestimmten Kriterien festzusetzenden Preis übernommen. Bouwstaal Rörmond und Arbed SA Afdeling Nederland hätten sich verpflichtet, während der Dauer dieser Verträge weder direkt noch indirekt Lieferungen nach Deutschland zu tätigen.

104 In der Entscheidung (Punkt 189) wird festgestellt, daß diese Alleinvertriebsverträge nicht die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 67/67/EWG der Kommission vom 22. März 1967 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen (ABl. 1967, Nr. 57, S. 849) erfuellt hätten, zumindest seit dem Bestehen der Absprachen über den Interpenetrationsverkehr zwischen Deutschland und Benelux. Seit diesem Zeitpunkt seien diese Vereinbarungen als Teil einer globalen Marktaufteilungsabsprache zu betrachten, an der mehr als zwei Unternehmen beteiligt gewesen seien; demnach sei die Verordnung Nr. 67/67 auf die Vereinbarungen nicht anwendbar (Artikel 1 in Verbindung mit Artikel 8 der Verordnung Nr. 67/67).

105 Nach Punkt 178 der Entscheidung stellten diese Alleinvertriebsvereinbarungen eine Einschränkung des Wettbewerbs zwischen zwei (konkurrierenden) Unternehmen aus zwei Mitgliedstaaten dar, die geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Das Argument von BStG und Tréfilarbed, daß es sich dabei um einen reinen konzerninternen Vorgang gehandelt habe, weil Arbed an BStG mit 25,001 % beteiligt gewesen sei, könne die Kommission nicht gelten lassen. Eine blosse Beteiligung von 25,001 % begründe angesichts der höheren Beteiligung von anderen Gesellschaftern (Thyssen 34 % und Klöckner 33,5 %) kein Mutter- und Tochterverhältnis mit der Folge, daß eine wettbewerbsbeschränkende Absprache zwischen diesen Unternehmen nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag falle.

106 Das Gericht stellt fest, daß sich die Klägerin zum einen gegen die Weigerung der Kommission wendet, die Verordnung Nr. 67/67 auf die betreffenden Verträge anzuwenden, und zum anderen gegen ihre Weigerung, diese Verträge als eine interne Vereinbarung im Rahmen des Konzerns, zu dem die betroffenen Unternehmen gehört hätten, anzusehen. Diese beiden Teile des Klagegrunds sind getrennt zu untersuchen.

b) Zur Anwendung der Verordnung Nr. 67/67

Vorbringen der Parteien

107 Die Klägerin macht geltend, BStG sei vor 1972 eine Gesellschaft gewesen, die die Produktion ihrer Gesellschafter, zu denen Arbed gehört habe, vertrieben habe. 1972 sei BStG auf Vorschlag des Bundeskartellamts selbst Hersteller geworden und habe einige der Maschinen gekauft, die sich in den Werken, die ihren Gesellschaftern gehört hätten - einschließlich des im Eigentum von Arbed stehenden Werkes von Felten & Guillaume in Köln (Deutschland), das 1976 geschlossen worden sei -, befunden hätten, und Maschinen von BStG seien in das ebenfalls im Eigentum von Arbed stehende Werk Rörmond überführt worden. Von diesem Zeitpunkt an hätten die Gesellschafter, darunter Arbed, auf der Grundlage von Fertigungsverträgen für Rechnung von BStG auf den Maschinen produziert, die im Eigentum von BStG gestanden hätten. Die gesamte Produktion auf Maschinen von BStG habe somit BStG gehört. Gleichzeitig habe Bouwstaal Rörmond über eigene Maschinen verfügt, deren Produktion von Betonstahlmatten auf der Grundlage der in Rede stehenden Alleinvertriebsverträge in den Benelux-Ländern von Tréfilarbed und in Deutschland über BStG vertrieben worden sei.

108 Nach Punkt 189 der Entscheidung erfuellten die Alleinvertriebsvereinbarungen nur deshalb nicht die Voraussetzungen der Verordnung Nr. 67/67, weil sie "als Teil einer globalen Marktaufteilungsabsprache zu betrachten [sind], an der mehr als zwei Unternehmen beteiligt sind". Zu Unrecht werde in der Entscheidung behauptet, die Vereinbarungen seien Teil einer Absprache gewesen; die Verordnung Nr. 67/67 sei sehr wohl auf sie anzuwenden gewesen, so daß für ihre gesamte Dauer die in der Verordnung vorgesehene Gruppenfreistellung hätte gewährt werden können.

109 Die Kommission habe "miteinander nicht in Zusammenhang stehende Verhaltensweisen", für die es andere objektive Rechtfertigungsgründe als das Vorliegen einer Absprache gegeben habe, willkürlich zusammengefügt. So seien die betreffenden Vereinbarungen, die 1976 getroffen worden seien, also zu einem Zeitpunkt, zu dem von einer Absprache keine Rede gewesen sei, lediglich aus der geschichtlichen Entwicklung der Beteiligung von Arbed am Kapital von BStG hervorgegangene Geschäftsvereinbarungen klassischen Typs gewesen, deren Zweck es gewesen sei, den deutschen Markt in befriedigender und wirksamer Weise zu beliefern, ohne daß Arbed für die Vermarktung der in Rörmond auf ihren eigenen Maschinen hergestellten Mengen ein paralleles Vertriebsnetz hätte schaffen und ihrer eigenen Tochtergesellschaft Konkurrenz hätte machen müssen. In diesem Zusammenhang macht die Klägerin geltend, daß das Verbot für Baustahl Rörmond, während der Dauer des Vertrages andere Mengen nach Deutschland zu liefern, lediglich Ausdruck der dem deutschen Vertriebsunternehmen eingeräumten Ausschließlichkeit sei, damit seine Stellung nicht durch unmittelbaren oder mittelbaren Wettbewerb geschwächt würde.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 689A0141.1

110 Die Klägerin widerspricht auch der Auffassung der Kommission, wonach ein Vertriebsvertrag seinen bilateralen Charakter verliere, sobald parallel zu ihm eine Absprache unter mehreren Unternehmen zustande komme.

111 Diese Vereinbarungen hätten lediglich einen sehr kleinen Teil des deutschen Marktes, nämlich 0,60 % des Gesamtumfangs dieses Marktes, betroffen; folglich hätten die in Rörmond auf ihren Maschinen hergestellten und über BStG gelieferten Mengen keinen wirklichen Einfluß auf den Wettbewerb und seine Struktur in Deutschland haben können.

112 Die Klägerin bekräftigt ferner, daß ihr, nachdem sie nach Empfang der Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission gegenüber ihre Bereitschaft erklärt habe, die beanstandete Situation bezueglich der Alleinlieferungsverträge zu bereinigen, und tatsächlich auch eine andere Lösung ins Werk gesetzt habe, seitens der zuständigen Beamten der Dienststellen der Kommission während des Verwaltungsverfahrens in der vorliegenden Sache versichert worden sei, daß die Kommission auf diese Frage nicht mehr zurückkommen werde.

113 Für die Kommission handelt es sich nicht um Geschäftsvereinbarungen klassischen Typs, sondern um Verträge über die Festlegung von Einfuhrquoten für Bouwstaal Rörmond auf den deutschen Markt in Verbindung mit einem ausschließlichen Vertrieb dieser Quoten durch BStG. Denn in diesen Verträgen habe BStG den ausschließlichen Vertrieb einer jährlichen Hoechstmenge von Betonstahlmatten aus dem Werk Rörmond in Deutschland übernommen und hätten sich Bouwstaal Rörmond sowie Arbed SA Afdeling Nederland für die Dauer dieser Verträge verpflichtet, weder direkt noch indirekt Lieferungen nach Deutschland durchzuführen.

114 Die Lieferverträge müssten in ihrem Gesamtzusammenhang gesehen werden; abzulehnen sei daher die Auffassung der Klägerin, daß eine Alleinvertriebsvereinbarung ohne Rücksicht auf die übrigen Absprachen unter den an der Vereinbarung Beteiligten als eine rein bilaterale Beziehung betrachtet werden müsse. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil vom 12. Dezember 1967 in der Rechtssache 23/67, Brasserie de Hächt, Slg. 1967, 544) seien nämlich bei Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag die Wirkungen der Vereinbarungen in dem Rahmen zu betrachten, in dem sie aufträten, d. h. in dem wirtschaftlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang, in dem sie stuenden. Sie müssten daher in Verbindung mit der Gesamtabsprache geprüft werden, mit der sie zusammenhingen, also der Absprache über die Preise und die mengenmässigen Beschränkungen der belgisch/niederländischen Ausfuhren nach Deutschland. Insoweit verweist die Kommission auf das an Thibodraad gerichtete und von dieser an Tréfilarbed weitergeleitete Fernschreiben vom 15. Dezember 1983 (Anlage 65 [b] der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 92 der Entscheidung), in dem Herr Müller von der "engen Abstimmung" zwischen Boël/Trébos und BStG spreche und hinzufüge: "Die Bereitschaft, Exporte in Nachbarländer auf dem Status quo festzuhalten bzw. nicht mehr zu steigern als Importe aus diesen Ländern, ist grundsätzlich unverändert gegeben." Die Liefervereinbarungen zwischen Tréfilarbed Rörmond und BStG müssten daher wieder in diesen allgemeinen Zusammenhang gestellt werden; dann erkenne man, daß es sich nicht um "verschiedene, miteinander nicht in Zusammenhang stehende Verhaltensweisen" handele, sondern um ein sehr kohärentes Verhaltensmuster. In diesem Zusammenhang und im Lichte der angeführten Rechtsprechung sei der Marktanteil, den allein die Verkäufe der auf den Maschinen von Tréfilarbed Rörmond hergestellten Mengen nach Deutschland ergäben, ohne Bedeutung für die Beurteilung der Anwendbarkeit des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag.

115 Schließlich räumt die Kommission ein, daß die Alleinvertriebsvereinbarung zwischen Tréfilarbed Rörmond und BStG mit ihren Beamten vor dem Erlaß ihrer Entscheidung erörtert worden sei. Diese Erörterungen hätten sich indessen auf die Beseitigung dieser Vereinbarung und auf die neuen Vertriebsmodalitäten für die in Rörmond hergestellten Erzeugnisse in Deutschland im Anschluß an Umstrukturierungen innerhalb des Arbed-Konzerns und bei BStG bezogen. In seinem Schreiben vom 11. August 1988 habe sich der zuständige Beamte in der Tat positiv zu den von Tréfilarbed und BStG geplanten zukünftigen Vereinbarungen geäussert, allerdings unbeschadet des Standpunkts der Kommission bezueglich der in der Vergangenheit festgestellten Handlungen und Praktiken. Ihre Dienststellen hätten Tréfilarbed somit nie eine Zusicherung hinsichtlich der in der Vertriebsvereinbarung zwischen Tréfilarbed Rörmond und BStG festgelegten Quoten gegeben.

Würdigung durch das Gericht

116 Vorab weist das Gericht darauf hin, daß, selbst wenn die Behauptungen der Klägerin bezueglich der - von der Kommission energisch bestrittenen - angeblichen Stellungnahme von Beamten der Kommission zu den betreffenden Absprachen als nachgewiesen gelten könnten, unter solchen Umständen zum Ausdruck gebrachte Meinungen jedenfalls nicht den Eindruck einer verbindlichen Erklärung der Kommission erwecken konnten, zumal diese Beamten nicht ermächtigt waren, eine derartige verbindliche Erklärung abzugeben (vgl. Urteil vom 15. Mai 1975 in der Rechtssache 71/74, Frubo/Kommission, Slg. 1975, 563, Randnr. 20).

117 Das Gericht ist der Auffassung, daß die fraglichen Alleinvertriebsverträge nicht die in der Verordnung Nr. 67/67 aufgestellten Voraussetzungen erfuellen. Ziffer 9 des Vertrages vom 24. November 1976 zwischen BStG und Bouwstaal Rörmond bestimmt nämlich, daß "[Bouwstaal Rörmond]... während der Dauer dieses Vertrages weder direkt noch indirekt Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland tätigen [wird]". In bezug auf den bereits genannten Vertrag vom 22. März 1982 (Anlage 109 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zwischen BStG und Arbed SA Afdeling Nederland ist auf eine diesem Vertrag beigefügte Klausel (Anlage 109 B der Mitteilung der Beschwerdepunkte) hinzuweisen, wonach "die Vertragspartner... übereinstimmend davon aus[gehen], daß ARBED SA während der Laufzeit dieses Vertrages weder direkt noch indirekt Lieferungen in die Bundesrepublik Deutschland tätigt. Als Ausgleich für diesen Lieferverzicht werden ARBED SA..."

118 Nach Auffassung des Gerichts geht die Bedeutung der Wendung "weder direkt noch indirekt" im vorliegenden Fall über eine blosse Verpflichtung des Lieferanten, Erzeugnisse zum Zweck des Weiterverkaufs nur an BStG zu liefern, hinaus. Diese Beurteilung stützt sich auf zwei Faktoren. Erstens bestand auf seiten von Tréfilarbed Rörmond ein ausdrücklicher Verzicht auf alle Arten von Lieferungen - für den ein Ausgleich vorgesehen war, wie sich aus dem als Nachtrag zum Vertrag vom 22. März 1982 getrennt unterzeichneten Dokument ergibt -, auch auf die Lieferungen, deren Zweck nicht der Weiterverkauf sein würde. Zweitens konnte das Wort "indirekt" vom Weiterverkäufer dahin ausgelegt werden, daß der Lieferant verpflichtet sei, das Erforderliche zu tun, um Lieferungen aus anderen Ländern nach Deutschland zu verhindern, d. h. die anderen Alleinvertriebshändler zu überwachen, um ihnen den Export nach Deutschland zu verbieten.

119 Das Gericht stellt fest, daß der Geist der Verordnung Nr. 67/67, wie er sich in ihren Begründungserwägungen und in ihrem Artikel 3 Buchstabe b Nr. 2 widerspiegelt, darin besteht, die in der Verordnung vorgesehene Freistellung von der Voraussetzung abhängig zu machen, daß durch die Möglichkeit von Parallelimporten gewährleistet wird, daß die Verbraucher angemessen an den durch den Alleinvertrieb entstehenden Vorteilen beteiligt werden. Dies steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, nach der einer Alleinvertriebsvereinbarung, die kein Ausfuhrverbot enthält, nicht die Gruppenfreistellung gemäß der Verordnung Nr. 67/67 zugute kommen kann, wenn die betreffenden Unternehmen an einer abgestimmten Verhaltensweise teilnehmen, die für einen nicht zugelassenen Zwischenhändler bestimmte Paralleleinfuhren verhindern soll (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 86/82, Hasselblad/Kommission, Slg. 1984, 883, Randnr. 35, und Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 88).

120 Diese Erwägungen gelten um so mehr im vorliegenden Fall, wenn man die genannten Vertragsklauseln unter Berücksichtigung der Beschwerden von BStG in ihrem Schreiben vom 26. September 1979 (Anlage 110 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; Punkt 148 der Entscheidung) auslegt, in dem sie Arbed indirekte Lieferungen nach Deutschland "über die Firma Eurotrade, Alkmaar", vorwirft, wodurch das Bestehen eines absoluten Gebietsschutzes, der gegen Geist und Wortlaut der Verordnung Nr. 67/67 verstösst, erwiesen ist.

121 Die fraglichen Verträge haben infolgedessen nicht die in der Verordnung Nr. 67/67 aufgestellten Voraussetzungen erfuellt.

122 Im übrigen kann sich die Klägerin nach Auffassung des Gerichts nicht darauf berufen, daß die Vereinbarungen nur einen sehr kleinen Teil des deutschen Marktes betroffen hätten und daß die Lieferungen von Tréfilarbed Rörmond über BStG keinen wirklichen Einfluß auf den Wettbewerb hätten nehmen können. Aus der Fassung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ergibt sich nämlich, daß die einzigen relevanten Fragen die sind, ob die Vereinbarungen, an denen die Klägerin mit anderen Unternehmen beteiligt war, eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten oder bewirkten und ob sie geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Folglich ist die Frage irrelevant, ob die individuelle Beteiligung der Klägerin an diesen Vereinbarungen ungeachtet ihrer geringen Grösse den Wettbewerb einschränken oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnte (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-6/89, Enichem Anic/Kommission, Slg. 1991, II-1623, Randnrn. 216 und 224). Überdies ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht fordert, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt haben, sondern nur den Nachweis verlangt, daß diese Vereinbarungen geeignet sind, eine derartige Wirkung zu entfalten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131, Randnr. 15).

123 Dieser Teil des Klagegrundes ist daher zurückzuweisen.

c) Zum Vorliegen einer Konzernbeziehung

Vorbringen der Parteien

124 Die Klägerin tritt der Weigerung der Kommission entgegen, die in Rede stehenden Verträge als eine rein konzerninterne Angelegenheit zu betrachten. Zu dem Umstand, daß Arbed 25 % des Kapitals von BStG halte, kämen weitere Gesichtspunkte hinzu, die es ermöglichten, die Beziehungen zwischen den beiden Unternehmen wie konzerninterne Beziehungen zu behandeln. Obwohl nämlich BStG als GmbH eine Kapitalgesellschaft sei, bestehe zwischen ihren Gesellschaftern und ihr selbst eine Mehrmütterorganschaft mit Beherrschungsvertrag, wodurch sich ihre Struktur der einer Personengesellschaft - bei der das deutsche Gesellschaftsrecht eindeutig jeden Wettbewerb des einzelnen Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft untersage - annähere, und aufgrund deren Arbed eng an der Geschäftsführung beteiligt und für diese mitverantwortlich sei. Auch bestehe ein "Ergebnisabführungsvertrag zugunsten der Gesellschafter", der jedem von ihnen ein unmittelbares Interesse daran verleihe, die Rentabilität des gemeinsamen Unternehmens bestmöglich zu fördern. Gegen dieses Interesse würde verstossen, wenn man das gemeinsame Unternehmen durch Wettbewerb von aussen schwächte. Infolge dieses Vertrages müssten die Geschäftsbeziehungen, die zwischen BStG und Tréfilarbed bestanden hätten, als konzerninterne Beziehungen bewertet werden und müsse angenommen werden, daß die Vereinbarungen zur Begründung dieser Beziehungen nicht in den Anwendungsbereich des Verbotes nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fielen.

125 Die Kommission legt dar, es sei zwar richtig, daß das deutsche Gesellschaftsrecht in grösserem Umfang als in den meisten anderen Mitgliedstaaten unterschiedliche Beherrschungsformen, insbesondere bei der GmbH, zulasse, gleichwohl sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 31. Oktober 1974 in der Rechtssache 15/74, Centrafarm und Peijper, Slg. 1974, 1147) Artikel 85 EWG-Vertrag bei Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen von Unternehmen, die ein und demselben Konzern angehörten, nur dann nicht einschlägig, wenn die Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bildeten, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen könne, und wenn ferner diese Vereinbarungen oder Verhaltensweisen dem Zweck dienten, die interne Aufgabenverteilung zwischen den Unternehmen zu regeln. Die Kommission wirft der Klägerin ausserdem vor, sie habe die Faktoren, die ihrer Ansicht nach für die Beurteilung ihrer Rechtsbeziehungen zu BStG von Bedeutung seien, erstmals vor dem Gericht genannt, noch dazu in Form blosser Behauptungen und ohne Angabe von Einzelheiten, die es widerlegen könnten, daß eine blosse Beteiligung von 25,001 % kein Mutter- und Tochterverhältnis begründe.

Würdigung durch das Gericht

126 Auf Ersuchen des Gerichts hat die Klägerin einen Ergebnisabführungsvertrag zwischen den - in der Vereinigung der Gesellschafter der Bau-Stahlgewebe (nachstehend: Vereinigung) zusammengeschlossenen - Gesellschaftern von BStG und BStG selbst (August 1962), den Gesellschaftsvertrag der Vereinigung nebst Anlagen (13. Juli 1970) und die Vereinbarung betreffend den Eintritt der Arbed Saarstahl GmbH in die Vereinigung (Januar/Februar 1986) vorgelegt. Die Parteien haben Inhalt und Zweck dieses Vertrages in der mündlichen Verhandlung erörtert.

127 Das Gericht weist darauf hin, daß nach dem Ergebnisabführungsvertrag BStG ausschließlich nach dem einheitlichen Willen der Gesellschafter handelt und ihre Gewinne auf die Vereinigung übertragen werden, die gegebenenfalls ihre Verluste übernimmt.

128 Das Gericht weist ferner darauf hin, daß nach dem Gesellschaftsvertrag der Vereinigung ihre Gesellschafter sämtliche Inhaber von Geschäftsanteilen von BStG sind und sich die Mitgliedschaft nach dem jeweiligen Stand der Inhaberschaft an den Geschäftsanteilen von BStG richtet. Die Vereinigung versteht sich als gewerbliches Unternehmen zum Zwecke der wirtschaftlichen Betätigung auf allen Gebieten von BStG. Jeder Gesellschafter hat bei den Beschlußfassungen der Vereinigung so viele Stimmen, wie ihm nach den Vorschriften des Gesellschaftsvertrags der BStG in deren Gesellschafterversammlung zustehen. Die Beschlüsse der Vereinigung bedürfen der Zustimmung der einfachen Mehrheit der nach dem Stammkapital vorhandenen Stimmen, sofern diese von mindestens zwei Gesellschaftern abgegeben werden. Soweit nach dem Gesetz oder dem Gesellschaftsvertrag für den Gegenstand der Beschlußfassung in einer Gesellschafterversammlung der BStG eine grössere Mehrheit vorgeschrieben ist, ist diese Mehrheit auch für die entsprechenden Beschlüsse der Vereinigung erforderlich.

129 Die Prüfung der vorgenannten Schriftstücke ergibt, daß die Beziehung zwischen Arbed und BStG nicht die Voraussetzungen dafür erfuellte, daß die zwischen den beiden Gesellschaften getroffenen Vereinbarungen der Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag entzogen waren. Insoweit ist daran zu erinnern, daß Artikel 85 EWG-Vertrag nicht auf Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen anwendbar ist, zu denen es zwischen Unternehmen kommt, die als Mutter- und Tochtergesellschaft ein und demselben Konzern angehören und die eine wirtschaftliche Einheit bilden, in deren Rahmen die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht wirklich autonom bestimmen kann (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 134, und vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Ahmed Säed Flugreisen u. a., Slg. 1989, 803, Randnr. 35). Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, daß die Kontrolle, die Arbed über BStG ausübte, dem Prozentsatz entsprach, mit dem sie am Gesellschaftskapital beteiligt war, also 25,001 %, was von der Mehrheit sehr weit entfernt ist. Eine solche Beteiligung kann aber keineswegs den Schluß rechtfertigen, daß Arbed und BStG einem Konzern angehörten, in dessen Rahmen sie eine wirtschaftliche Einheit mit der Folge bildeten, daß eine den Wettbewerb zwischen diesen beiden Unternehmen einschränkende Absprache nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fiele.

130 Diese Feststellung wird durch den Vortrag von BStG in der mündlichen Verhandlung erhärtet, wonach der Beherrschungsvertrag und der Ergebnisabführungsvertrag im wesentlichen aus steuerlichen Gründen geschlossen worden seien, weil der letztgenannte Vertrag es ermögliche, die Verluste und Gewinne von BStG auf ihre Gesellschafter zu übertragen. Aufgrund der Vorgaben des deutschen Steuerrechts müssten alle Gesellschafter Deutsche sein. Aus diesem Grund habe sich Arbed nicht unmittelbar an diesem Vertrag beteiligt, sondern sei durch den deutschen Partner St. Ingbert (und zuvor durch Felten & Guillaume) vertreten worden.

131 Schließlich stellt das Gericht fest, daß BStG selbst erklärt hat, daß sie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen darstelle und daß sie, weil jeder ihrer vier Gesellschafter nur eine Minderheitsbeteiligung besitze, nicht als Konzernunternehmen behandelt werden könne.

132 Nach alledem ist der Schluß zu ziehen, daß die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten hat, daß die Alleinvertriebsverträge gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstießen; daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

133 Demnach ist auch der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

2. Die Absprache zwischen BStG und Tréfilarbed (St. Ingbert)

Angefochtene Handlung

134 In der Entscheidung (Punkte 152 und 180) wird der Klägerin vorgeworfen, sie habe sich an einer Absprache mit BStG über die Abstellung der Reimporte von Betonstahlmatten des Werkes St. Ingbert über Luxemburg nach Deutschland beteiligt. Diese Absprache habe eine Einschränkung des Wettbewerbs dargestellt, die geeignet gewesen sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Vorbringen der Parteien

135 Die Klägerin weist darauf hin, daß BStG vor 1972 eine Gesellschaft gewesen sei, die die Produktion ihrer Gesellschafter, zu denen Arbed gehört habe, vertrieben habe. 1972 sei BStG auf Vorschlag des Bundeskartellamts selbst Hersteller geworden und habe einige der Maschinen gekauft, die sich in den Werken, die ihren Gesellschaftern gehört hätten - einschließlich des im Eigentum von Arbed stehenden Werkes St. Ingbert -, befunden hätten und die dort auch geblieben seien. Von diesem Zeitpunkt an hätten die Gesellschafter, darunter Arbed, auf der Grundlage von Fertigungsverträgen für Rechnung von BStG auf den Maschinen produziert, die im Eigentum von BStG gestanden hätten. Die gesamte Produktion von St. Ingbert auf Maschinen von BStG habe somit BStG gehört und sei von ihr auf dem deutschen Markt vertrieben worden. Gleichzeitig habe St. Ingbert eigene Maschinen gehabt, deren Betonstahlmattenproduktion für den Export, hauptsächlich nach Frankreich, bestimmt gewesen sei.

136 Die Klägerin bemerkt, im Rahmen dieser Fertigungsverträge sei sie berechtigt gewesen, begrenzte Mengen von Lagermatten zu entnehmen, um sie nach Luxemburg zu liefern, wo die deutschen Normen gälten; diese Matten seien auf den Maschinen von BStG hergestellt worden, den einzigen im Werk St. Ingbert, auf denen den deutschen Normen entsprechende Betonstahlmatten hätten produziert werden können. Nachdem die Verantwortlichen von Tréfilarbed die Möglichkeit gesehen hätten, auf dem deutschen Markt, auf dem die Preise wegen des Strukturkrisenkartells relativ hoch gewesen seien, Gewinne zu erzielen, hätten sie den Lagerbeständen, die BStG gehört hätten, gewisse Mengen von Betonstahlmatten entnommen, als wären sie für Luxemburg bestimmt gewesen. Durch die Vermittlung eines luxemburgischen Händlers seien diese Mengen von Luxemburg zurück nach Deutschland gesandt worden. Auch wenn die so den Lagerbeständen von BStG entnommenen Mengen diesen Beständen in der Folge aus einer späteren Produktion wieder zugeführt worden seien, habe BStG nach Meinung der Klägerin völlig zu Recht das angewandte Verfahren beanstandet, bei dem die zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung nicht eingehalten worden sei. Die Urheber der Aktion hätten zwar keinen "Diebstahl" zum Nachteil von BStG begangen, doch hätten sie insbesondere Erzeugnisse deutscher Herkunft in Deutschland absetzen können, für die sie nicht die BStG geschuldeten, im Kartell festgelegten Strafzahlungen entrichtet hätten.

137 In diesem Sinne erklärten sich die Schreiben von Herrn Müller vom 27. April 1984 an Herrn Rimbeaux von Tréfilarbed St. Ingbert und an Herrn Schürr von Tréfilarbed Luxembourg (Anlage 110 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 152 der Entscheidung). Die "klaren und eindeutigen Vereinbarungen", die Herr Müller anführe, seien zum einen die von BStG mit St. Ingbert getroffenen Vereinbarungen über Herstellung, Lagerung, Vertrieb, Verwaltung und sonstige Maßnahmen bezueglich der BStG gehörenden Maschinen und zum anderen die Vereinbarungen mit Tréfilarbed über die Lieferungen von den deutschen Normen entsprechenden Matten auf den luxemburgischen Markt sowie die Zusage aus dem Vorjahr, die beanstandeten Handlungen nicht wieder aufzunehmen.

138 Die Kommission weist darauf hin, daß sich aus diesen Darlegungen ergebe, daß nach der Vereinbarung zwischen BStG und Tréfilarbed bezueglich der Lieferungen von den deutschen Normen entsprechenden Matten nach Luxemburg Parallelimporte nach Deutschland verboten gewesen seien. Folglich habe es sich dabei doch um eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag gehandelt.

139 Ausserdem sei in dem Schreiben von Herrn Müller vom 27. April 1984 von einer Vereinbarung die Rede, und Herr Müller selbst habe in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert, daß diese Bekämpfung von Reimporten den Zweck gehabt habe, die Einhaltung der durch das Kartell festgelegten Lieferquoten zu überwachen.

Würdigung durch das Gericht

140 Das Gericht stellt fest, daß die Klägerin einräumt, eine Vereinbarung mit BStG getroffen zu haben, wonach sie berechtigt war, bestimmte Mengen von Betonstahlmatten, die in St. Ingbert auf BStG gehörenden Maschinen hergestellt wurden, zu entnehmen, sofern sie in Luxemburg weiterverkauft würden; mit dieser Bedingung sollte die Wiederausfuhr von Betonstahlmatten nach Deutschland verhindert werden. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Schreibens von Herrn Michäl Müller vom 27. April 1984 an Tréfilarbed, in dem sich Herr Müller über Wiederausfuhren nach Deutschland "unterhalb der Kartell-Mindestpreise" unter Verstoß gegen "diesbezueglich klare und eindeutige Vereinbarungen" beklagt (Anlage 110 A der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

141 Es ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof entschieden hat, daß in einem Kaufvertrag enthaltene Ausfuhrklauseln, die den Zwischenhändler verpflichten, die betreffende Ware in einem bestimmten Land zu verkaufen, einen Verstoß gegen Artikel 85 EWG-Vertrag darstellen, wenn sie im wesentlichen den Zweck haben, die Wiederausfuhr der Ware in das Herstellungsland zu verhindern, um ein System doppelter Preise im Gemeinsamen Markt aufrechtzuerhalten und so den Wettbewerb innerhalb dieses Marktes einzuschränken (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83, CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnrn. 24 und 28).

142 Dazu ist festzustellen, daß die zwischen der Klägerin und BStG getroffenen Vereinbarungen eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten und bewirkten, indem sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten und so die innerhalb des Gemeinsamen Marktes praktizierten Preisunterschiede schützten, und daß sie daher mit Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag unvereinbar sind.

143 Der Tatsache, daß die von der Klägerin entnommenen Betonstahlmatten, deren Wiedereinfuhr nach Deutschland verboten war, auf Maschinen hergestellt wurden, die BStG gehörten, kommt nach Auffassung des Gerichts im vorliegenden Fall keine Bedeutung zu. Denn da die fraglichen Erzeugnisse von Tréfilarbed entnommen wurden, ist das Eigentumsrecht an den für ihre Herstellung verwendeten Maschinen ein unerheblicher Umstand, der dem Eigentümer nicht das Recht verleihen konnte, zu bestimmen, wohin die Erzeugnisse weiterverkauft werden durften.

144 Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Kommission der Beweis für eine Beteiligung der Klägerin an einer Absprache mit BStG, die das Verbot von Wiederausfuhren von Betonstahlmatten aus dem Werk St. Ingbert nach Deutschland bezweckte, rechtlich gelungen ist und daß diese Absprache gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstieß.

145 Daher ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

146 Überdies ist darauf hinzuweisen, daß das Gericht im Urteil vom gleichen Tag in der Rechtssache T-145/89 (BStG/Kommission) in bezug auf BStG entschieden hat, daß das Verbot der Wiederausfuhr nach Deutschland, auch wenn es gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstieß, in dem Strukturkrisenkartell-Vertrag eine Erklärung fand. Denn die blosse Durchfuhr von Betonstahlmatten, die von BStG hergestellt worden waren und ihr Walzzeichen trugen, durch Luxemburg nach Deutschland stellte einen Kartellverstoß dar, da diese Produktion der Kontrolle der Lieferquoten, die BStG zugeteilt waren, entging. Daher sah sich BStG vor die Alternative gestellt, entweder die Klauseln des Kartellvertrags einzuhalten, wonach sie die Höhe ihrer auf dem deutschen Markt abgesetzten Produktion zu kontrollieren und zu deklarieren hatte, oder die Wettbewerbsregeln des EWG-Vertrags einzuhalten, wonach sie keine Klausel vorschreiben konnte, die der Klägerin die Ausfuhr verbot. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß damals für das Krisenkartell die Vermutung der Rechtmässigkeit bestand, da sich die Kommission nicht gegenteilig geäussert hatte, ist das Gericht nach allem zu der Auffassung gelangt, daß die ganz spezifischen Umstände des konkreten Falles als ein mildernder Umstand für das Verhalten von BStG anzusehen sei.

147 Das Gericht ist jedoch der Auffassung, daß die Umstände des vorliegenden Falles es nicht rechtfertigen, diesen mildernden Umstand auch für die Klägerin gelten zu lassen. Auch wenn anzunehmen wäre, daß die Umstände des Falles es rechtfertigten, der Klägerin einen mildernden Umstand zuzubilligen, so würde dieser jedenfalls mit dem von der Kommission in Punkt 206 der Entscheidung zugunsten aller nichtdeutschen Hersteller berücksichtigten Umstand abgegolten sein. In Punkt 206 der Entscheidung wird nämlich ausgeführt, daß das Bestehen des deutschen Strukturkrisenkartells als mildernder Umstand zugunsten der nichtdeutschen Hersteller berücksichtigt wurde.

3. Zu den Absprachen zum Schutz des deutschen Marktes

Vorbringen der Parteien

148 Die Klägerin verweist darauf, daß die Kommission in den Punkten 182 und 183 der Entscheidung verschiedene Verhaltensweisen, die die Beziehungen zwischen den Benelux-Ländern und Deutschland betroffen hätten und an denen sich nahezu sämtliche belgischen und niederländischen Hersteller sowie BStG beteiligt hätten, aufgrund einer willkürlichen Verallgemeinerung zu einem Komplex zusammenziehe. Sie macht geltend, daß diese Beschuldigungen vage seien, da sie ausserstande sei, festzustellen, ob sie hiervon betroffen sei, und daß sie sich abgesehen von den Alleinvertriebsverträgen mit BStG weder an den Preis- und Mengenbeschränkungsabsprachen für die belgisch-niederländischen Ausfuhren nach Deutschland beteiligt habe noch von ihnen betroffen gewesen sei.

149 Sie sei in Deutschland nicht geschäftlich tätig geworden, weil alle im Werk Rörmond - auf den Maschinen von BStG oder auf ihren eigenen - hergestellten Mengen von Betonstahlmatten auf dem deutschen Markt von BStG vertrieben worden seien.

150 An den Sitzungen in Breda und Bunnik habe sie zwar teilgenommen, aber nur als Beobachter; an den Verhaltensabstimmungen habe sie sich nicht beteiligt, sondern ihnen gegenüber Abstand und Unabhängigkeit gewahrt. Daß Thibodraad ihr das Fernschreiben von Herrn Müller vom 15. Dezember 1983 übermittelt habe, sei normal, da sie an den Sitzungen teilgenommen und Herr Müller Thibodraad gebeten habe, seine Stellungnahme mit den Kollegen aus dem Gesprächskreis von Breda zu erörtern.

151 Die Kommission legt dar, daß sich die Beteiligung der Klägerin an den Absprachen zum Schutz des deutschen Marktes aus ihrer üblichen Teilnahme an den Sitzungen von Breda und Bunnik ergebe, an denen auch BStG teilgenommen habe, um die gegenseitige Durchdringung des Benelux- und des deutschen Marktes zu erörtern, wie sich aus den zahlreichen in der Entscheidung angeführten Schriftstücken ergebe. Ausserdem zeige der Umstand, daß das Fernschreiben von Herrn Müller vom 15. Dezember 1983 von Thibodraad an die Klägerin weitergeleitet worden sei, daß diese in die Absprachen verwickelt gewesen sei.

152 Daß die Klägerin wegen ihres Alleinvertriebsvertrags mit BStG nicht selbst in Deutschland tätig geworden sei, ändere nichts an ihrer Stellung als Hersteller in den Niederlanden, der einen Teil seiner Produktion in Deutschland verkaufe.

Würdigung durch das Gericht

153 Das Gericht hat bereits entschieden (siehe Randnrn. 117 ff. und 126 ff. dieses Urteils), daß die Alleinvertriebsverträge zwischen BStG und der Klägerin (Rörmond) nicht die in der Verordnung Nr. 67/67 aufgestellten Voraussetzungen erfuellten und gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstießen, daß sich die Klägerin (St. Ingbert) an einer Absprache mit BStG über die Wiederausfuhren von Betonstahlmatten nach Deutschland beteiligt hat, die ebenfalls (siehe Randnrn. 140 ff. dieses Urteils) gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstieß, und daß diese beiden Absprachen den deutschen Markt schützen sollten.

154 Weiter ist darauf hinzuweisen, daß sich die Verwicklung der Klägerin in die Absprachen zum Schutz des deutschen Marktes aus dem Fernschreiben von Herrn Müller vom 15. Dezember 1983 ergibt. Das an Thibodraad gerichtete Fernschreiben bezieht sich auf die Sitzung in Breda vom 5. Dezember 1983, an der die Klägerin, Thibodraad, Van Merksteijn, FBC, Boël/Trébos, ZND, Tréfilunion und BStG teilgenommen hatten. Herr Müller erklärt darin: "Die Bereitschaft, Exporte in Nachbarländer auf dem Status quo festzuhalten bzw. nicht mehr zu steigern als Importe aus diesen Ländern, ist grundsätzlich unverändert gegeben." Eine Kopie dieses Fernschreibens hatte Thibodraad der Klägerin mit Schreiben vom 16. Dezember 1983 übermittelt (Anlage 65 [a] der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 93 der Entscheidung), "damit wir im Anschluß daran Herrn Müller unseren Standpunkt mitteilen können".

155 Die Verwicklung der Klägerin in die Absprachen ergibt sich ebenfalls aus dem Fernschreiben von Herrn Peters von Tréfilunion vom 11. Januar 1984 an Herrn Marie von Tréfilunion (Anlage 66 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkte 95 und 153 der Entscheidung), das sich auf eine Sitzung in Breda vom 5. Januar 1984 bezieht, an der die Klägerin, Boël/Trébos, FBC, BStG, Tréfilunion und andere niederländische Unternehmen teilgenommen haben. In diesem Fernschreiben wird folgendes ausgeführt: "Die üblichen Teilnehmer verlangen von den BStG-Vertretern, die Benelux-Märkte nicht mehr durch erhebliche Exporte nach diesen Märkten zu sehr niedrigen Preisen zu stören. Die Deutschen verteidigen sich unter Hinweis darauf, daß die Belgier (Boël und jüngst Frère-Bourgeois) vergleichbare Mengen nach Deutschland exportierten. Die Belgier stellen klar, daß sie die deutschen Marktpreise respektierten und daß man von Prozenten des Marktvolumens und nicht von Tonnen sprechen sollte. Es wurde kein konkreter Beschluß gefasst."

156 Angesichts dieser Beweismittel kann das Gericht dem Vorbringen der Klägerin, daß sie in Deutschland nicht geschäftlich tätig geworden sei, nicht folgen, denn der Umstand, daß sie in Rörmond Betonstahlmatten herstellte und diese Matten in Deutschland durch BStG abgesetzt wurden, zeigt, daß sie nach wie vor daran interessiert war, von den hohen Preisen auf dem deutschen Markt zu profitieren.

157 Schließlich hat das Gericht oben bereits festgestellt, daß die Klägerin an den Sitzungen in Breda und Bunnik teilgenommen und sich entgegen ihrer Behauptung auch aktiv beteiligt hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin stets als eine übliche Teilnehmerin an den Sitzungen betrachtet worden ist. Ausserdem ist die Klägerin von ihren Partnern als ein Unternehmen eingestuft worden, dessen Meinung man kennen musste, um einen gemeinsamen Standpunkt festzulegen. Diese Betrachtungsweise ergibt sich insbesondere aus dem Schreiben von Thibodraad vom 16. Dezember 1983 an Tréfilarbed (Anlage 65 [a] der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 93 der Entscheidung), mit dem dieser das Fernschreiben von Herrn Müller vom 15. Dezember 1983 übermittelt wurde. Schließlich ergibt sich aus dem erwähnten Fernschreiben von Tréfilunion vom 31. August 1984, daß die Klägerin am 24. August 1984 den Vorsitz bei den Sitzungen von Breda und Bunnik übernommen hatte, nachdem der Vertreter von Thibodraad, der den Vorsitz geführt hatte, ausgeschieden war

158 Das Gericht ist jedenfalls, selbst wenn sich die Klägerin zumindest teilweise nicht aktiv an den Sitzungen beteiligt hat, der Auffassung, daß sie angesichts des offensichtlich wettbewerbsfeindlichen Charakters des Zweckes der Sitzungen dadurch, daß sie an den Sitzungen teilgenommen hat, ohne sich offen von ihrem Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlaß zu der Annahme gegeben hat, daß sie dem Ergebnis der Sitzungen zustimme und sich daran halten werde (vgl. Urteile Hercules Chemicals/Kommission, a. a. O., Randnr. 232, und Solvay/Kommission, a. a. O., Randnrn. 98 bis 100).

159 Aus dem Vorstehenden folgt, daß der Kommission der Beweis für die Beteiligung der Klägerin an den Absprachen zum Schutz des deutschen Marktes rechtlich gelungen ist.

160 Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17

I - Zur fehlenden Individualisierung der Kriterien für die Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlungen und für die Bemessung der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

161 Die Klägerin macht in der Klageschrift geltend, daß die Kommission eine fehlerhafte Qualifizierung vornehme, wenn sie verschiedene Verstösse, die nicht miteinander verbunden und auf verschiedenen Märkten erfolgt seien, als eine einzige Zuwiderhandlung betrachte. Auf die Antwort der Kommission, daß sie nie von einer einzigen, generellen Absprache, sondern von einer Gesamtheit verschiedener Absprachen zu verschiedenen Zeiten und auf räumlich verschiedenen Märkten ausgegangen sei, hat die Klägerin in ihrer Erwiderung geltend gemacht, die Kommission habe ihr eine einzige Geldbusse für die Gesamtheit der vorgeworfenen Handlungen auferlegt, ohne den Teil der Geldbusse oder den Prozentsatz anzugeben, der auf die einzelnen Verstösse entfalle. Diese Vorgehensweise verhindere jede vergleichende Prüfung der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen, die die Klägerin und die übrigen Einzelunternehmen begangen hätten, durch die Kommission. Damit habe die Kommission gegen ihre Begründungspflicht verstossen.

162 Zu Unrecht werde in Punkt 22 der Entscheidung festgestellt, daß die Absprachen eine Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes bewirkt hätten. Es habe sich um in Charakter, Tragweite und "Timing" recht unterschiedliche nationale Verhaltensabstimmungen gehandelt; die Kommission habe aber diese Gesamtheit ungleichartiger Elemente aufgrund des ihnen gemeinsamen grenzueberschreitenden Charakters miteinander verbunden, was bei ihrer Würdigung zu einer für die Klägerin besonders nachteiligen "Überzeichnung" geführt habe. Die Regelung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes, wie sie sich die Kommission vorstelle, habe sich praktisch auf ergänzende Schutzmaßnahmen hinsichtlich einer Marktdurchdringung in den Grenzgebieten beschränkt, und die angebliche Abschottung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes habe lediglich Absatzmengen betroffen, die in wirtschaftlicher Nähe zur Grenze produziert worden seien.

163 Die Kommission erwidert, die gegen Tréfilarbed festgesetzte Geldbusse sei nicht die arithmetische Summe mehrerer Geldbussen für mehrere Zuwiderhandlungen, weil es sich nicht um mehrere Absprachen handele, sondern, wie sie in Punkt 22 der Entscheidung dargelegt habe, um einen Komplex von Absprachen, die durch ihr Zusammentreffen eine Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes bewirkt hätten. Die Unternehmen hätten sich nämlich gleichzeitig an mehreren Absprachen für räumlich unterschiedliche Teilmärkte beteiligt, so daß zu einem bestimmten Zeitpunkt im Ergebnis eine Abschottung des Gemeinschaftsmarktes eingetreten sei. So habe sich Tréfilarbed 1982 gleichzeitig an einer Absprache über den französischen Markt, einer Absprache über den Benelux-Markt und an einer Absprache über den deutschen Markt beteiligt. Unter diesen Umständen könne man der Kommission keine künstliche Pauschalierung der Zuwiderhandlungen vorwerfen.

164 Darüber hinaus seien die Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Marktdurchdringung in den Grenzgebieten nicht "zur Ergänzung" getroffen worden, sondern gerade der Sinn der betreffenden Absprachen gewesen. Daß diese Maßnahmen in erster Linie der Durchdringung in den Grenzgebieten gegolten hätten, ändere am Vorliegen einer Zuwiderhandlung nichts, sondern sei ganz einfach darauf zurückzuführen, daß der innergemeinschaftliche Handel mit Betonstahlmatten wegen der Transportkosten für das Produkt im wesentlichen in diesen Gebieten stattfinde.

Würdigung durch das Gericht

165 Das Gericht weist darauf hin, daß die Kommission nach ständiger Rechtsprechung für mehrere Zuwiderhandlungen eine einzige Geldbusse verhängen darf (vgl. Urteile des Gerichtshofes in der Rechtssache Suiker Unie u. a./Kommission, a. a. O., vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, und vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825), und daß dies erst recht zu gelten hat, wenn, wie im vorliegenden Fall, die in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen die gleiche Art von Verhaltensweisen auf den verschiedenen Märkten, insbesondere die Festlegung von Preisen und Quoten und einen Informationsaustausch, bezweckten und wenn an diesen Zuwiderhandlungen weitgehend dieselben Unternehmen beteiligt waren. Insoweit lässt sich nicht übersehen, daß die Klägerin zu einem bestimmten Zeitpunkt an Absprachen über mehrere Märkte wie den französischen, den deutschen und den Benelux-Markt beteiligt war.

166 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß durch die Verhängung einer einzigen Geldbusse der Klägerin nicht die Möglichkeit genommen wurde, zu beurteilen, ob die Kommission die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlungen zutreffend gewürdigt hat. Die Klägerin interpretiert nämlich die Entscheidung in einer Weise, die einen ihrer Teile künstlich isoliert, obwohl jeder Teil der Entscheidung, da diese ein Ganzes darstellt, im Licht der anderen Teile gesehen werden muß. Insgesamt gesehen hat aber die Entscheidung der Klägerin die erforderlichen Angaben mitgeteilt, so daß diese die verschiedenen Zuwiderhandlungen, die ihr vorgeworfen wurden, sowie die spezifischen Umstände ihres Verhaltens erkennen konnte, und das Gericht in die Lage versetzt, seine Rechtmässigkeitskontrolle auszuüben.

167 Das Vorbringen der Klägerin bezueglich des räumlich relevanten Marktes ist bereits oben zurückgewiesen worden.

168 Das Gericht kann dem Vorbringen der Klägerin nicht folgen, daß die Kommission dadurch, daß sie sämtliche Absprachen aufgrund des ihnen gemeinsamen grenzueberschreitenden Charakters miteinander verbunden habe, eine unangemessene "Überzeichnung" bewirkt habe. Denn die Kommission hat zwar das Vorliegen eines Komplexes mehrerer Absprachen zu verschiedenen Zeiten und über verschiedene Märkte festgestellt; sie hat jedoch auch festgestellt, daß der Zweck der Absprachen der gleiche war, nämlich die Festlegung von Preisen und Quoten, und daß dieselben Unternehmen gleichzeitig an verschiedenen Absprachen über mehrere Märkte beteiligt waren.

169 In Anbetracht all dessen ist festzustellen, daß der Kommission, wenn sie in Punkt 22 der Entscheidung davon ausgegangen ist, daß der Komplex der betreffenden Absprachen eine weitgehende Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes durch die Reglementierung der einzelnen Teilmärkte bewirkt hat, kein Fehler in der rechtlichen Beurteilung unterlaufen ist.

170 Nach alledem ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

II - Zum Fehlen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei der Klägerin

Vorbringen der Parteien

171 Die Klägerin beruft sich auf ihren guten Glauben und streitet ein vorsätzliches Handeln ab. Insoweit macht sie geltend, daß sich die meisten Unternehmen, die auf dem Betonstahlmattenmarkt tätig seien, als Stahlunternehmen und als unter den EGKS-Vertrag fallend betrachteten und demnach davon ausgingen, daß sie unter die von der Gemeinschaft geschaffene Regelung zur Krisenvorbeugung fielen, zu der eine Festsetzung von Preisen und Erzeugungsquoten gehört habe. Ausserdem habe für den deutschen Betonstahlmattenmarkt selbst ein vom Bundeskartellamt genehmigtes und von der Kommission geduldetes Strukturkrisenkartell bestanden. Unbestreitbar habe das Bestehen des Kartells die Hersteller dieses Sektors veranlasst, Maßnahmen zur Kontrolle der Preise und Quoten zu treffen, entsprechend dem Gedanken, daß das, was in Deutschland rechtens sei, auch anderswo rechtens sein müsse. Diese beiden Umstände hätten den Unternehmen dieses Sektors das Gefühl vermittelt, daß ihr Verhalten jeder Kritik standhalten werde.

172 Die Klägerin macht geltend, daß ihr von den französischen Herstellern mit der Entziehung der Zulassung gedroht worden sei und daß ihr kooperatives Verhalten durch diesen stetigen Druck zu erklären sei.

173 Nach Auffassung der Kommission ist die Entschuldigung, die Unternehmen hätten geglaubt, sie fielen bezueglich der Betonstahlmatten unter den EGKS-Vertrag, nicht annehmbar. Wenn dies der Fall wäre - was aber nicht wahrscheinlich sei, da sie sich bewusst gewesen seien, daß es anders als bei den "EGKS-Erzeugnissen" auf Gemeinschaftsebene weder festgesetzte Preise noch Umlagen nach Maßgabe des Artikels 49 EGKS-Vertrag gegeben habe -, hätten sie zumindest fahrlässig gehandelt, was gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ebenfalls die Festsetzung von Geldbussen rechtfertigen würde.

174 Zu dem deutschen Krisenkartell macht die Kommission geltend, es sei in Punkt 206 ihrer Entscheidung bei der Bemessung der Geldbusse als mildernder Umstand berücksichtigt worden. Das Kartell sei erst 1983 zustande gekommen, d. h., nachdem bereits mehrere der beanstandeten Zuwiderhandlungen begangen worden seien. Schließlich könne man eine Zuwiderhandlung nicht durch Hinweis auf das Verhalten anderer Unternehmen rechtfertigen, ob dieses nun einen Verstoß darstelle oder nicht.

175 Zu der Erklärung von Tréfilarbed, daß sie durch ihre "Kooperation" mit den französischen Herstellern die Entziehung der Zulassung vermieden habe, weist die Kommission darauf hin, daß auch ein solcher Handel unter Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag falle und daß die Klägerin, wie wirklich und wie intensiv die angeblich gegen sie gerichteten Drohungen auch immer gewesen seien, nichts dafür vorgebracht habe, daß sie dem unter Beachtung des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft entgegengetreten sei.

Würdigung durch das Gericht

176 Das Gericht erinnert daran, daß es für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht erforderlich ist, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen diese Regeln bewusst gewesen ist; es genügt, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco/Kommission, Slg. 1989, 2117, Randnr. 41, und vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-279/87, Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261; Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-15/89, Chemie Linz/Kommission, Slg. 1992, II-1275, Randnr. 350).

177 Das Gericht weist ferner darauf hin, daß die Kommission eine Reihe von für alle Unternehmen geltenden Umständen berücksichtigt hat, weshalb sie die Geldbussen auf einen Betrag festgesetzt hat, der erheblich unterhalb des unter normalen Umständen gerechtfertigten Betrages liegt (Punkt 208 der Entscheidung). Zu diesen Umständen gehören die Tatsache, daß der Preis für Betonstahlmatten zu 75 % bis 80 % von dem Preis für Walzdraht abhängt, für den Produktionsquoten bestanden, der strukturelle Nachfragerückgang, überschüssige Kapazitäten, kurzfristige Marktschwankungen und die unbefriedigende Ertragslage des Sektors (Punkt 201 der Entscheidung) sowie die Wechselwirkungen zwischen Betonstahlmatten und Betonstabstahl (Punkt 202 der Entscheidung). Als mildernder Umstand ist in der Entscheidung weiter das Strukturkrisenkartell in Deutschland berücksichtigt worden, das für die Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten Veranlassung war, sich ihrerseits um Absicherung zu bemühen, ohne daß dadurch jedoch die von ihnen unrechtmässig getroffenen Maßnahmen gerechtfertigt gewesen wären (Punkt 206 der Entscheidung).

178 Daß die Klägerin befürchtete, Opfer von Vergeltungsmaßnahmen ihrer Konkurrenten zu werden, kann ihre Beteiligung an den Absprachen ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn wenn diese Befürchtungen begründet gewesen wären, hätte die Klägerin den auf sie ausgeuebten Druck bei den zuständigen Behörden zur Anzeige bringen und bei der Kommission eine Beschwerde nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 einlegen können, anstatt sich an den erwähnten Absprachen zu beteiligen (vgl. Urteil Hüls/Kommission, a. a. O., Randnr. 128).

179 Die Rüge ist daher zurückzuweisen.

III - Zur Unverhältnismässigkeit der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

180 Die Klägerin hält den Betrag der gegen sie verhängten Geldbusse von 1 143 000 ECU für überhöht und unverhältnismässig. Der auf sie angewandte Prozentsatz vom Umsatz, nämlich 3 %, liege über dem Durchschnittssatz von 2,5 %, der gegenüber den anderen Unternehmen angewandt worden sei; es sei ungerechtfertigt und ungerecht, daß sie strenger als die anderen Unternehmen behandelt worden sei. Die Kommission habe sie strenger bestraft, weil sie bei der Würdigung der Schwere der angeblichen Zuwiderhandlungen die nationalen Märkte zu den Absprachen in bezug auf die Grenzen hinzugerechnet habe. Insoweit macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nicht die räumliche Lage ihrer Werke berücksichtigt, die alle in der Nähe der Grenzen der drei Märkte lägen, woraus sich der Eindruck ergeben habe, daß sie sich zwangsläufig an allen Verhaltensabstimmungen in bezug auf den Grenzhandel habe beteiligen müssen. Aufgrund dessen habe die Kommission ihr eine schwerere Schuld als den anderen Unternehmen, die wegen der Lage ihrer Werke nur auf ein oder zwei nationalen Märkten tätig seien, angelastet, obwohl sie nicht die geringste Absicht gehabt habe, Marktabschottungen vorzunehmen, die ihr im Gegenteil im Wege gestanden hätten, da sie ihre Erzeugnisse zwangsläufig exportieren müsse. Da sich ihr natürlicher räumlicher Markt beiderseits der Grenzen erstrecke und praktisch das Kerngebiet der Gemeinschaft einnehme, habe sich jede Absprache, an der sie beteiligt gewesen sei, nur in diesem räumlich festgelegten Absatzgebiet auswirken können.

181 Die Kommission legt dar, daß sie Tréfilarbed keine "schwerere Schuld" angelastet habe als den Unternehmen, die bei der Organisation der Absprachen eine führende Rolle gespielt hätten, und daß in Punkt 207 a. E. der Entscheidung genau das Gegenteil zu lesen sei. Gegen Tréfilarbed sei, in Prozenten des Umsatzes gemessen, eine höhere Geldbusse als im Durchschnitt gegen die anderen festgesetzt worden, weil nicht alle Unternehmen wie Tréfilarbed an allen beanstandeten Absprachen beteiligt gewesen seien. Der gegenüber Tréfilarbed angewandte Satz liege unter dem höchsten angewandten Satz von 3,6 %, und zwei weitere Unternehmen hätten höhere Geldbussen erhalten als die Klägerin.

182 Die räumliche Lage von Tréfilarbed führe nicht zwangsläufig zu ihrer Beteiligung an grenzueberschreitenden Absprachen; es sei geradezu paradox, wenn sich ein Unternehmen, das notwendig auf dem Markt mehrerer Mitgliedstaaten präsent sei, gerade auf diese Situation berufe, um der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu entgehen. Wenn man der Argumentation von Tréfilarbed folgen würde, müsse man zu dem Schluß gelangen, daß die im EWG-Vertrag verankerten Grundsätze des freien Verkehrs nicht für die Grenzgebiete gälten.

Würdigung durch das Gericht

183 Das Gericht erinnert daran, daß die Kommission nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 Geldbussen in Höhe von eintausend bis einer Million ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen kann. Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse innerhalb dieser Grenzen sind nach dieser Vorschrift die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Da der Begriff des Umsatzes vom Gerichtshof so ausgelegt worden ist, daß er sich auf den Gesamtumsatz bezieht (vgl. Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 119), ist der Schluß zu ziehen, daß die Kommission, die nicht den Gesamtumsatz der Klägerin, sondern nur den Umsatz an Betonstahlmatten in den sechs ursprünglichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft berücksichtigt und die 10%-Grenze nicht überschritten hat, angesichts der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung somit nicht gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 verstossen hat.

184 Im übrigen stellt das Gericht fest, daß die Klägerin nicht genügend Indizien für den Nachweis beigebracht hat, daß sie angesichts der Dauer und der besonderen Schwere der ihr gegenüber festgestellten Zuwiderhandlungen strenger als andere von der Entscheidung betroffene Unternehmen behandelt worden wäre.

185 Den Unterschied zwischen dem auf die Klägerin angewandten Prozentsatz von 3 und dem auf Tréfilunion angewandten von 3,6 %, d. h. dem höchsten in der Entscheidung angewandten Prozentsatz, hält das Gericht nämlich nicht für unverhältnismässig. Denn für Tréfilunion wird zwar ein erschwerender Umstand herangezogen - die Tatsache, daß sie einer der Initiatoren und Hauptakteure geahndeter Verhaltensweisen war -, doch wird andererseits der Klägerin in der Entscheidung die Beteiligung an einer grösseren Anzahl von Zuwiderhandlungen vorgeworfen, als Tréfilunion zur Last gelegt wurden. Ebenso ist der Unterschied zwischen dem auf die Klägerin angewandten und dem auf die übrigen beteiligten Unternehmen angewandten - niedrigeren - Prozentsatz dadurch gerechtfertigt, daß bei diesen - im Gegensatz zur Klägerin - mildernde Umstände berücksichtigt werden konnten.

186 Das Gericht weist schließlich darauf hin, daß sich die Klägerin für ihre Behauptung, sie habe sich nicht an den Absprachen beteiligt, nicht auf die räumliche Lage ihrer Werke berufen kann. Die Kommission hat der Klägerin ihre Beteiligung an den Absprachen nicht wegen der Lage ihrer Werke in Grenznähe, sondern deshalb vorgeworfen, weil eine Reihe von Beweisen ihre Beteiligung belegt haben. Die räumliche Lage der Werke der Klägerin hat nicht zwangsläufig zu ihrer Beteiligung an grenzueberschreitenden Absprachen geführt, sondern offensichtlich ihre Beteiligung an den Absprachen über die verschiedenen Märkte erleichtert.

187 Folglich ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

IV - Zur Berücksichtigung der von den französischen Behörden verhängten Geldbusse

Vorbringen der Parteien

188 Die Klägerin macht geltend, sie sei von den französischen Behörden als Importeur nach Frankreich bestraft worden, weshalb es nicht Sache der Kommission gewesen sei, gegen sie für die gleichen Handlungen auf demselben Markt eine weitere Strafe zu verhängen, nur weil die ihr vorgeworfenen Verhaltensweisen "grenzueberschreitenden" Charakter gehabt hätten. Die Kommission habe nicht bewiesen, daß sie andere Handlungen habe bestrafen wollen oder daß sie neue Zuwiderhandlungen entdeckt habe. Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie habe eine 800mal höhere Geldbusse als die französischen Wettbewerbsbehörden gegen sie verhängt. Dieser gewaltige Unterschied in der Bewertung sei von der Kommission nur mit einem vagen Hinweis auf die "allgemeinen Auswirkungen dieser [französischen] Absprachen und dabei insbesondere ihre Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten" (Punkt 205 der Entscheidung) erklärt worden. Daß sich die Kommission darauf beschränkt habe, den Betrag der von ihr gegen die Klägerin verhängten Geldbusse um den gegen sie in Frankreich verhängten Betrag zu ermässigen, entspreche nicht der vom Gerichtshof im Urteil vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68 (Walt Wilhelm u. a., Slg. 1969, 1) festgelegten Art und Weise, bei der eine vorherige nationale Entscheidung zu berücksichtigen sei. Bei korrekter Auslegung dieses Urteils habe eine Gemeinschaftsbehörde, wenn sie nach einer nationalen Behörde entscheide, die gesamte Begründung der nationalen Entscheidung und nicht nur den Betrag der von dieser verhängten Geldbusse zu berücksichtigen.

189 Die Kommission hält den Vergleich mit der Entscheidung der französischen Behörden für unerheblich, weil diese lediglich einen nationalen Markt betreffe und sie selbst bei der Anwendung des Artikels 85 EWG-Vertrag nicht an Entscheidungen nationaler Behörden gebunden sei.

190 Die Kommission macht ferner geltend, in der französischen Entscheidung sei nur die Beteiligung der Klägerin an der Absprache über den französischen Markt während des Zeitraums 1983/84 festgestellt worden. Daher sei der bedeutende Unterschied zwischen der von den französischen Behörden festgesetzten Geldbusse und derjenigen, die sie gegen Tréfilarbed wegen der langen Liste der ihr angelasteten Zuwiderhandlungen verhängt habe, nicht weiter erstaunlich. Sie habe anders als die französischen Behörden Beweise für eine Zuwiderhandlung von Tréfilarbed auf dem französischen Markt während des Zeitraums 1981/82 finden können. Im übrigen könne sie der Auslegung des Urteils Walt Wilhelm u. a. durch die Klägerin nicht folgen, weil sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofes stehe. Bei Zugrundelegung des Urteils Walt Wilhelm u. a. habe die Kommission demnach nur den Betrag der bereits in Frankreich verhängten Geldbusse abziehen können.

Würdigung durch das Gericht

191 Das Gericht weist darauf hin, daß der Gerichtshof die Möglichkeit einer Doppelsanktion im Anschluß an zwei Parallelverfahren, die verschiedenen Zielen dienen und deren Zulässigkeit aus dem besonderen System der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten auf kartellrechtlichem Gebiet folgt, bejaht hat. Der Gerichtshof hat allerdings ausgeführt, daß ein allgemeiner Billigkeitsgedanke es gebietet, daß die Kommission verpflichtet ist, bei der Zumessung der Geldbusse die einem Unternehmen für dieselbe Tat bereits auferlegten Sanktionen zu berücksichtigen, wenn es sich um Sanktionen wegen Zuwiderhandlungen gegen das Kartellrecht eines Mitgliedstaats - also im Gebiet der Gemeinschaft begangene Rechtsverletzungen - handelt (vgl. Urteil Walt Wilhelm u. a., a. a. O., Randnr. 11, und Urteil vom 14. Dezember 1972 in der Rechtssache 7/72, Böhringer/Kommission, Slg. 1972, 1281, Randnr. 3). Es ist festzustellen, daß im vorliegenden Fall dementsprechend verfahren wurde, da die Kommission in Punkt 205 der Entscheidung die von den französischen Behörden bereits verhängte Geldbusse berücksichtigt hat.

192 Bezueglich des Unterschieds zwischen der von der Kommission verhängten und der von den französischen Wettbewerbsbehörden festgesetzten Geldbusse ist das Gericht der Auffassung, daß die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Beweise, die nicht notwendig die gleichen waren, über die die französischen Wettbewerbsbehörden verfügten, zu Schlußfolgerungen gelangen konnte und daß sie nicht an die Schlußfolgerung dieser Behörden gebunden sein kann. Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung, daß die Ähnlichkeiten, die möglicherweise zwischen den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften eines Mitgliedstaats und der Regelung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag bestehen, weder die Unabhängigkeit der Kommission bei der Anwendung der Artikel 85 und 86 einschränken noch sie dazu zwingen können, die Beurteilung der für die Anwendung der entsprechenden nationalen Vorschriften zuständigen Stellen zu übernehmen (vgl. Urteil CICCE/Kommission, a. a. O., Randnr. 27).

193 Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

194 Aus allen vorstehenden Erwägungen folgt, daß die Klage insgesamt abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

195 Nach Artikel 87 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen, sind ihr die Kosten aufzuerlegen

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens

Ende der Entscheidung

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