Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 06.04.1995
Aktenzeichen: T-143/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 17/62


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 85
EWG-Vertrag Art. 86
VO (EWG) Nr. 17/62 Art. 14
VO (EWG) Nr. 17/62 Art. 11
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Für die Frage, ob einem Unternehmen ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag zur Last gelegt werden kann, ist einzig relevant, ob es sich an einer Vereinbarung mit anderen Unternehmen beteiligt hat, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte oder bewirkte, und ob diese Vereinbarung geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Irrelevant ist, ob die individuelle Beteiligung des betreffenden Unternehmens an der Vereinbarung trotz der geringen Bedeutung dieses Unternehmens den Wettbewerb einschränken oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnte.

Im übrigen fordert die vorgenannte Vorschrift nicht, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt haben, sondern verlangt nur den Nachweis, daß die Vereinbarung geeignet war, eine derartige Wirkung zu entfalten.

2. Für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag brauchen die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht in Betracht gezogen zu werden, wenn feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt.

3. Für einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag ist es nicht erforderlich, daß eine Absprache sowohl einen wettbewerbswidrigen Zweck als auch eine wettbewerbswidrige Wirkung hat, wie dies die italienische Fassung dieser Vorschrift nahelegt. Diese Fassung kann nämlich nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben, die durch die Verwendung des Wortes "oder" klar zum Ausdruck bringen, daß diese Merkmale nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen sind. Die einheitliche Auslegung der Gemeinschaftsbestimmungen gebietet nämlich, daß diese Bestimmungen im Licht der Fassungen in den anderen Gemeinschaftssprachen ausgelegt und angewandt werden.

4. Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag fordert nicht, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt haben, sondern verlangt nur den Nachweis, daß sie geeignet waren, eine derartige Wirkung zu entfalten.

5. Für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages ist es nicht erforderlich, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen diese Regeln bewusst gewesen ist; es genügt, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte.

6. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung setzt voraus, daß vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt worden sind.

7. Eine Handlung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel vorgenommen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 6. APRIL 1995. - FERRIERE NORD SPA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - VERSTOSS GEGEN ARTIKEL 85 EWG-VERTRAG. - RECHTSSACHE T-143/89.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Entscheidung 89/515/EWG der Kommission vom 2. August 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (ABl. L 260, S. 1; im folgenden: Entscheidung), mit der die Kommission gegen vierzehn Hersteller von Betonstahlmatten eine Geldbusse wegen Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag festsetzte. Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind Betonstahlmatten. Dabei handelt es sich um vorgefertigte Bewehrungen aus glatten oder gerippten kaltgezogenen Stahldrähten, die durch rechteckiges Punktschweissen zu einem Netz verbunden werden. Dieses Erzeugnis wird in fast allen Anwendungsgebieten des bewehrten Stahlbetonbaus eingesetzt.

2 Von 1980 an soll es in diesem Sektor auf dem deutschen, dem französischen und dem Benelux-Markt zu einer Reihe von Absprachen und Praktiken gekommen sein, die zu der Entscheidung führten.

3 Am 6. und 7. November 1985 wurden gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) von Beamten der Kommission gleichzeitig und ohne vorherige Ankündigung Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von sieben Unternehmen und zwei Unternehmensvereinigungen durchgeführt, und zwar bei Tréfilunion SA, Sotralentz SA, Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken SARL, Ferriere Nord SpA (Pittini), Baustahlgewebe GmbH, Thibodraad en Bouwstaalprodukten BV, NV Bekärt, Syndicat national du tréfilage d' acier (STA) und Fachverband Betonstahlmatten e. V.; am 4. und 5. Dezember 1985 erfolgten weitere Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Unternehmen ILRO SpA, G. B. Martinelli, NV Usines Gustave Boël (afdeling Trébos), Tréfileries de Fontaine-l' Evêque, Frère-Bourgeois Commerciale SA, Van Merksteijn Staalbouw SA und ZND Bouwstaal BV.

4 Aufgrund des im Rahmen dieser Prüfungen gefundenen Materials und der gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 erhaltenen Auskünfte kam die Kommission zu dem Schluß, daß die betreffenden Hersteller zwischen 1980 und 1985 durch eine Reihe von Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Lieferquoten und Preise für Betonstahlmatten gegen Artikel 85 EWG-Vertrag verstossen hätten. Die Kommission leitete das Verfahren nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 ein, und am 12. März 1987 wurde eine Mitteilung der Beschwerdepunkte den betroffenen Unternehmen übersandt, die hierzu Stellung nahmen. Eine Anhörung ihrer Vertreter fand am 23. und 24. November 1987 statt.

5 Am Ende dieses Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung. Darin heisst es (Punkt 22), daß es sich bei den Wettbewerbsbeschränkungen um eine Reihe von Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen handele, die die Festsetzung von Preisen und/oder Lieferquoten sowie die Aufteilung der Märkte für Betonstahlmatten zum Gegenstand hätten. Diese Absprachen hätten sich auf verschiedene Teilmärkte (französischer, deutscher oder Benelux-Markt) bezogen, jedoch hätten sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt, da an ihnen Unternehmen mit Sitz in mehreren Mitgliedstaaten beteiligt gewesen seien. In der Entscheidung wird ausgeführt: "Im vorliegenden Fall handelt es sich weniger um eine globale Absprache zwischen sämtlichen Herstellern aus allen betroffenen Mitgliedstaaten, sondern eher um einen Komplex mehrerer Absprachen mit teilweise wechselnden Beteiligten. Jedoch hat dieser Absprachenkomplex eine weitgehende Reglementierung eines wesentlichen Teils des Gemeinsamen Marktes durch die Reglementierung der einzelnen Teilmärkte bewirkt."

6 Die Entscheidung enthält folgenden verfügenden Teil:

"Artikel 1

Die Unternehmen Tréfilunion SA, Société Métallurgique de Normandie (SMN), CCG (TECNOR), Société de treillis et panneaux soudés (STPS), Sotralentz SA, Tréfilarbed SA bzw. Tréfilarbed Luxembourg/Saarbrücken Sarl, Tréfileries de Fontaine l' Evêque, Frère Bourgeois Commerciale SA (jetzt Steelinter SA), NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos, Thibo Draad- en Bouwstaalprodukten BV (jetzt Thibo Bouwstaal BV), Van Merksteijn Staalbouw BV, ZND Bouwstaal BV, Baustahlgewebe GmbH, ILRO SpA, Ferriere Nord SpA (Pittini) und GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA haben gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen, indem sie sich in dem Zeitraum vom 27. Mai 1980 bis zum 5. November 1985 in einem oder mehreren Fällen an einer oder mehreren Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen (Absprachen) beteiligten, die in der Festsetzung von Verkaufspreisen, der Einschränkung des Absatzes, der Aufteilung der Märkte sowie in Maßnahmen zur Anwendung dieser Absprachen und zu deren Kontrolle bestanden.

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Unternehmen, soweit sie nach wie vor auf dem Betonstahlmatten-Sektor in der EWG tätig sind, sind verpflichtet, die festgestellten Zuwiderhandlungen unverzueglich abzustellen (falls sie dies noch nicht getan haben) und in Zukunft bezueglich ihrer Betonstahlmatten-Aktivitäten von allen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die dasselbe oder ähnliches bezwecken oder bewirken, Abstand zu nehmen.

Artikel 3

Gegen die nachstehend aufgeführten Unternehmen werden wegen der in Artikel 1 festgestellten Zuwiderhandlungen folgende Geldbussen festgesetzt:

1. Tréfilunion SA (TU): eine Geldbusse von 1 375 000 ECU,

2. Société Métallurgique de Normandie (SMN): eine Geldbusse von 50 000 ECU,

3. Société des treillis et panneaux soudés (STPS): eine Geldbusse von 150 000 ECU,

4. Sotralentz SA: eine Geldbusse von 228 000 ECU,

5. Tréfilarbed Luxembourg-Saarbrücken Sarl: eine Geldbusse von 1 143 000 ECU,

6. Steelinter SA: eine Geldbusse von 315 000 ECU,

7. NV Usines Gustave Boël, afdeling Trébos: eine Geldbusse von 550 000 ECU,

8. Thibo Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 420 000 ECU,

9. Van Merksteijn Staalbouw BV: eine Geldbusse von 375 000 ECU,

10. ZND Bouwstaal BV: eine Geldbusse von 42 000 ECU,

11. Baustahlgewebe GmbH (BStG): eine Geldbusse von 4 500 000 ECU,

12. ILRO SpA: eine Geldbusse von 13 000 ECU,

13. Ferriere Nord SpA (Pittini): eine Geldbusse von 320 000 ECU,

14. GB Martinelli fu GB Metallurgica SpA: eine Geldbusse von 20 000 ECU.

..."

Verfahren

7 Unter diesen Umständen hat die Klägerin, die Ferriere Nord SpA, mit Klageschrift, die am 18. Oktober 1989 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben. Zehn der dreizehn anderen Adressaten dieser Entscheidung haben ebenfalls Klage erhoben.

8 Mit Beschluß vom 15. November 1989 hat der Gerichtshof die vorliegende Rechtssache und die zehn anderen Rechtssachen gemäß Artikel 14 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) an das Gericht verwiesen. Diese Klagen sind unter den Nummern T-141/89 bis T-145/89 und T-147/89 bis T-152/89 in das Register eingetragen worden.

9 Mit Beschluß vom 13. Oktober 1992 hat das Gericht die vorgenannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden.

10 Mit Schriftsätzen, die zwischen dem 22. April und dem 7. Mai 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Parteien auf die Fragen geantwortet, die ihnen das Gericht gestellt hatte.

11 In Anbetracht der Antworten auf diese Fragen hat das Gericht auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

12 Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung, die vom 14. bis 18. Juni 1993 stattgefunden hat, Ausführungen gemacht und auf die Fragen des Gerichts geantwortet.

Anträge der Parteien

13 Die Klägerin beantragt

in erster Linie,

° die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit ihre Vorschriften Ferriere Nord betreffen;

hilfsweise,

° die gegen Ferriere Nord festgesetzte Geldbusse aufzuheben oder auf einen angemessenen Betrag herabzusetzen;

° der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

14 Die Kommission beantragt,

° die Klage von Ferriere Nord als unbegründet abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Begründetheit

15 Das Gericht stellt fest, daß die Entscheidung (Punkte 23, 51, 159 und 160) der Klägerin vorwirft, sie habe sich an zwei Reihen von Absprachen über den französischen Markt beteiligt. Diese Absprachen hätten zum einen die französischen Hersteller (Tréfilunion, STPS, SMN, CCG und Sotralentz) und zum anderen die auf dem französischen Markt tätigen ausländischen Hersteller (ILRO, Ferriere Nord, Martinelli, Boël/Trebos, Tréfileries de Fontaine l' Évêque [TFE], Frère-Bourgeois Commerciale [FBC] und Tréfilarbed) einbezogen und im Hinblick auf eine Begrenzung der Einfuhren von Betonstahlmatten nach Frankreich die Festsetzung von Preisen und Quoten sowie den Austausch von Informationen zum Gegenstand gehabt. Die erste Reihe von Absprachen sei zwischen April 1981 und März 1982 durchgeführt worden. Die zweite Reihe von Absprachen sei zwischen Anfang 1983 und Ende 1984 durchgeführt worden. Diese zweite Reihe von Absprachen sei im Oktober 1983 durch das Zustandekommen eines "Protocole d' accord" formalisiert worden.

16 Die Klägerin stützt ihre Klage auf drei Klagegründe. Mit dem ersten macht sie einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, mit dem zweiten einen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und mit dem dritten das Vorliegen eines Ermessensmißbrauchs geltend.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

17 Die Klägerin räumt ihre Beteiligung an den beanstandeten Vereinbarungen ein; sie ist jedoch der Ansicht, daß diese Beteiligung "keinen konkreten Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag darstellte".

18 Sie trägt zunächst vor, sie nehme wegen der hohen Transportkosten für Betonstahlmatten und der Belegenheit ihrer Fabrikanlagen im Osten Italiens auf dem französischen Markt eine sehr schwache Stellung ein. Angesichts ihrer schwachen Stellung auf diesem Markt habe ihre Beteiligung an den Absprachen keine Auswirkung auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben können. Zum Beweis dafür führt sie an, die Absprachen hätten den insgesamt von den italienischen Herstellern gehaltenen Marktanteil nicht geändert und ihre Ausfuhren nach Frankreich seien weit unter der ihr zugeteilten Quote geblieben.

19 Die Klägerin führt weiter aus, die Absprachen hätten zwar, wie von der Kommission behauptet, zu einer Erhöhung der Preise auf dem französischen Markt geführt, jedoch habe diese Erhöhung eine Zunahme des Handels zwischen Mitgliedstaaten und des Wettbewerbs zur Folge gehabt. In Anbetracht der hohen Transportkosten, die sie habe aufbringen müssen, habe sie nämlich nur aufgrund hoher Preise in Frankreich in diesen Markt eindringen können. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes könne das Vorliegen einer Wettbewerbsstörung aber dann zweifelhaft erscheinen, wenn sich die Vereinbarung gerade für das Eindringen eines Unternehmens in ein Gebiet, in dem es bisher nicht tätig gewesen sei, als notwendig erweise oder wenn sie sich günstig auf den Handelsverkehr ausgewirkt habe (vgl. Urteil vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65, Société technique minière, Slg. 1966, 282).

20 In ihrer Erwiderung bestreitet die Klägerin die Angaben der Kommission in Punkt 25 der Entscheidung zum Umfang der Preiserhöhung, zu der die Absprachen geführt hätten, und macht geltend, die Kommission könne die fehlende Auswirkung der Absprachen nicht dadurch ausgleichen, daß sie auf ihren Zweck abstelle, da die italienische Fassung des Artikels 85 EWG-Vertrag verlange, daß die Vereinbarungen sowohl einen wettbewerbswidrigen Zweck als auch eine wettbewerbswidrige Auswirkung hätten, damit sie nach dieser Vorschrift geahndet werden könnten.

21 Ausserdem weist die Klägerin darauf hin, daß der Mehrwert von Betonstahlmatten verhältnismässig gering sei (20 % bis 25 %), verglichen mit dem Wert des Zwischenprodukts Walzdraht, das unter den EGKS-Vertrag falle. Der Preis für Betonstahlmatten richte sich daher weitgehend nach dem Preis für Walzdraht, wie die Kommission in Punkt 2 der Entscheidung selbst eingeräumt habe. Folglich sei der Wettbewerbsspielraum sehr gering und seine Beeinträchtigung unmöglich gewesen. Die Absprachen hätten zwar eine Erhöhung der Preise für Betonstahlmatten zur Folge gehabt, doch habe sich dieses Ergebnis mit dem von der Kommission im Rahmen ihrer Politik der Umstrukturierung der Stahlindustrie geäusserten Wunsch nach einem Anstieg des Preises für Walzdraht gedeckt, da dieser aufgrund der Erhöhung des Betonstahlmattenpreises habe steigen können. Hinzu komme, daß die Klägerin als Herstellerin von Walzdraht selbst dieses Bestreben der Kommission teile.

22 Die Kommission weist unter Bezugnahme auf Punkt 25 der Entscheidung darauf hin, daß die Absprachen aufgrund der Preis- und Quotenfestsetzung einen spektakulären Preisanstieg auf dem französischen Markt ermöglicht hätten und daß dies eine Änderung der Wettbewerbsbedingungen mit sich gebracht habe, so daß der Markt sogar für die Klägerin gewinnbringend geworden sei. Sie bemerkt, daß kein Dokument die Behauptung der Klägerin stütze, wonach der Preisanstieg auf dem Markt anders gewesen sei, als in Punkt 25 der Entscheidung angegeben.

23 Hinzu komme, daß die Verringerung der Ausfuhren der Klägerin nach Frankreich nur das Interesse unterstreiche, das sie an einer deutlichen Erhöhung der Preise in Frankreich gehabt habe, vor allem um in einen Markt einzudringen, der unter normalen Wettbewerbsverhältnissen nie wirklich gewinnbringend gewesen sei (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, BNIC, Slg. 1985, 391). Die Kommission bekräftigt, daß die widerrechtliche Absprache den französisch-italienischen Handel erheblich verändert habe, da sie eine Art "Isolierung" des französischen Marktes bezweckt habe, um eine deutliche Preiserhöhung zu ermöglichen. Jedenfalls ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, daß nicht der Nachweis erforderlich sei, daß die Vereinbarungen diesen Handel spürbar beeinträchtigt hätten, sondern daß sie geeignet seien, eine derartige Wirkung zu entfalten (vgl. Urteil vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131).

24 Die Kommission bemerkt, die Maßnahmen, die sie für bestimmte, unter den EGKS-Vertrag fallende Erzeugnisse erlassen habe, seien im Hinblick auf die Zuwiderhandlung, die die Klägerin auf dem Markt für Betonstahlmatten begangen habe, unerheblich. Die Tatsache, daß die Kommission den Markt dieser Erzeugnisse regele, erlaube es den Unternehmen nämlich nicht, Preise und Lieferquoten für ein anderes, unter den EWG-Vertrag fallendes Erzeugnis festzusetzen. Jedoch habe sie dem Einfluß, den der Walzdrahtpreis auf den Betonstahlmattenpreis ausübe, bei der Bestimmung der Höhe der Geldbusse gebührend Rechnung getragen (Punkt 201 der Entscheidung).

Würdigung durch das Gericht

25 Das Gericht stellt vorab fest, daß die Klägerin eingeräumt hat, an den zwischen Herstellern von Betonstahlmatten geschlossenen Vereinbarungen beteiligt gewesen zu sein, und daß sie deren Zweck, d. h. die Festsetzung der Preise und Quoten, nicht bestreitet.

26 Nach Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag sind mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, insbesondere die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen und die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen.

27 Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ergibt sich, daß die einzigen relevanten Fragen die sind, ob die Vereinbarungen, an denen die Klägerin mit anderen Unternehmen beteiligt war, eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten oder bewirkten, und ob sie geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Folglich ist die Frage irrelevant, ob die individuelle Beteiligung der Klägerin an diesen Vereinbarungen angesichts ihrer schwachen Stellung auf dem französischen Markt den Wettbewerb einschränken oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnte (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-6/89, Enichem Anic/Kommission, Slg. 1991, II-1623, Randnrn. 216 und 224).

28 Indem die Vereinbarungen, an denen die Klägerin beteiligt war, Preise und Quoten festsetzten, bezweckten sie aber eine Einschränkung des Wettbewerbs und waren geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Insoweit genügt für den Zeitraum 1981/1982 der Hinweis darauf, daß die Klägerin am 1. April 1981 in Paris einer Sitzung beiwohnte, an der französische, italienische und belgische Hersteller teilnahmen und in der für einen Zeitraum von 12 Monaten von April 1981 an eine Quote von 32 000/33 000 Tonnen für die italienischen Hersteller festgesetzt wurde, von der 4 000 Tonnen auf die Klägerin entfielen. In dieser Sitzung wurden auch die Preise der verschiedenen Arten von Betonstahlmatten, die Rabatte, Penetrationsrabatte und verschiedene Modalitäten des Austauschs von Informationen festgelegt. Dies ergibt sich aus dem Fernschreiben von Italmet, dem Agenten von Ferriere Nord und von Martinelli in Frankreich, vom 9. April 1981 an Martinelli (Punkt 33 der Entscheidung), dem Memorandum von Herrn Marie, Direktor bei Tréfilunion, Abteilung Betonstahlmatten, und ab 1983 Vorsitzender der Association technique pour le développement de l' emploi du treillis soudé, vom 9. April 1981 (Punkt 34 der Entscheidung), der Tréfilunion-Tabelle "Einfuhren von Betonstahlmatten aus Italien" (Punkt 35 der Entscheidung) und dem Schreiben von Herrn Cattapan, Vertreter von Ferriere Nord, vom 4. Mai 1981 an Herrn François von Italmet (Punkt 36 der Entscheidung), das sich auf die Annahme der Bedingungen dieser Vereinbarung bezieht. Ausserdem nahm die Klägerin für den Zeitraum 1983/1984 mit anderen italienischen und französischen Herstellern an einer Sitzung teil, die am 23. Februar 1983 stattfand und in der eine Aufteilung der Quoten (61 % für die französischen integrierten Hersteller, 19 % für die nicht integrierten französischen Hersteller, 3 % für Belgien, 7 % für Deutschland und 10 % für Italien) und eine Preiserhöhung (um 200 bis 300 FF ab April 1983 und 300 FF für Juli) beschlossen wurden. Dies ergibt sich aus den Vermerken von Herrn Cattapan über diese Sitzung (Punkt 53 der Entscheidung) und einem Vermerk von Herrn Haller, Vetreter von CCG (Punkt 54 der Entscheidung).

29 Was die Beeinträchtigung des Wettbewerbs angeht, so trifft es zwar zu, daß der Preis für Betonstahlmatten, wie die Klägerin vorträgt, weitgehend vom Preis für Walzdraht abhängt; dies bedeutet jedoch nicht, daß jede Möglichkeit für einen wirksamen Wettbewerb in diesem Bereich ausgeschlossen wäre. Den Herstellern blieb nämlich genügend Spielraum, um einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt zu ermöglichen. Folglich konnten die Absprachen eine spürbare Auswirkung auf den Wettbewerb haben (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnrn. 133 und 153).

30 Ausserdem brauchen für die Anwendung des Artikels 85 Absatz 1 EWG-Vertrag die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht in Betracht gezogen zu werden, wenn, wie bei den in der Entscheidung festgestellten Vereinbarungen, feststeht, daß diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 11. Januar 1990 in der Rechtssache C-277/87, Sandoz Prodotti Farmaceutici/Kommission, Slg. 1990, I-45).

31 Die Klägerin kann sich nicht auf die italienische Fassung des Artikels 85 EWG-Vertrag berufen, um von der Kommission den Nachweis zu verlangen, daß die Absprache sowohl einen wettbewerbswidrigen Zweck als auch eine wettbewerbswidrige Wirkung gehabt habe. Diese Fassung kann nämlich nicht allein gegenüber allen anderen Sprachfassungen den Ausschlag geben, die durch die Verwendung des Wortes "oder" klar zum Ausdruck bringen, daß diese Merkmale nicht kumulativ, sondern alternativ zu verstehen sind, wie der Gerichtshof seit seinem Urteil Société technique minière (a. a. O., 303) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat. Die einheitliche Auslegung der Gemeinschaftsbestimmungen gebietet nämlich, daß diese Bestimmungen im Licht der Fassungen in den anderen Gemeinschaftssprachen ausgelegt und angewandt werden (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 5. Dezember 1967 in der Rechtssache 19/67, Van der Vecht, Slg. 1967, 462, 473, und vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 283/81, Cilfit, Slg. 1982, 3415, Randnr. 18).

32 Bezueglich der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht fordert, daß die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen den Handel zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich spürbar beeinträchtigt haben, sondern nur den Nachweis verlangt, daß diese Vereinbarungen geeignet sind, eine derartige Wirkung zu entfalten (vgl. Urteil Miller/Kommission, a. a. O., Randnr. 15).

33 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die Tatsache, daß die Produktionseinheiten der Klägerin für Betonstahlmatten vom französischen Markt weit entfernt sind, für sich allein nicht geeignet ist, ihre Ausfuhren auf diesen Markt zu behindern. Insoweit zeigt das Vorbringen der Klägerin auch selbst, daß die Absprachen, soweit sie auf eine Erhöhung der Preise abzielten, ihre Ausfuhren nach Frankreich steigern und somit den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen konnten.

34 Hinzu kommt, daß, selbst wenn die Absprachen, wie die Klägerin behauptet, den gesamten Marktanteil der italienischen Hersteller nicht verändert haben und ihre Ausfuhren weit unter der ihr zugeteilten Quote geblieben sind, die festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen dennoch geeignet waren, die Handelsströme von der Richtung abzulenken, die sie andernfalls genommen hätten (vgl. Urteil Van Landewyck u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 172). Die Absprachen bezweckten nämlich eine Kontingentierung der Einfuhren auf den französischen Markt, um eine künstliche Erhöhung der Preise auf diesem Markt zu ermöglichen.

35 Aus dem Vorstehenden folgt, daß die Klägerin, wie in der Entscheidung festgestellt, gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag verstossen hat, indem sie sich an Vereinbarungen beteiligt hat, die eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckten und geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

36 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17

37 Dieser Klagegrund umfasst vier Teile. Der erste bezieht sich auf das Fehlen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei der Klägerin, der zweite auf die beschränkte Rolle, die die Klägerin gespielt habe, der dritte auf einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und der vierte schließlich auf eine unzureichende Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes.

I ° Zum Fehlen von Vorsatz oder Fahrlässigkeit bei der Klägerin

Vorbringen der Parteien

38 Die Klägerin trägt vor, sie habe nicht die Absicht gehabt, gegen Artikel 85 EWG-Vertrag zu verstossen, und ihr einziges Ziel bei der Beteiligung an den Vereinbarungen sei gewesen, in den französischen Markt eindringen zu können, was ohne Erhöhung der Preise nicht möglich gewesen sei.

39 Die Klägerin macht geltend, daß es ihr als Stahlherstellerin, deren Tätigkeiten sich nach dem EGKS-Vertrag richteten, der die Preisregelung und die Aufstellung von Quoten gestatte, nicht klar gewesen sei, daß die Vereinbarungen, an denen sie sich beteiligt habe, im Hinblick auf den EWG-Vertrag rechtswidrig gewesen seien.

40 Die Kommission entgegnet, Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verlange für die Festsetzung einer Geldbusse keineswegs das Vorliegen von Absicht, die im vorliegenden Fall jedenfalls gegeben sei. Ferriere Nord habe sich aktiv an der Vorbereitung, dem Abschluß, der Auslegung und der Verwirklichung der widerrechtlichen Absprachen beteiligt.

Würdigung durch das Gericht

41 Das Gericht erinnert daran, daß es für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht erforderlich ist, daß sich das Unternehmen des Verstosses gegen diese Regeln bewusst gewesen ist, sondern es genügt, daß es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, daß sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco/Kommission, Slg. 1989, 2117, Randnr. 41, und vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-279/87, Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261; Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-15/89, Chemie Linz/Kommission, Slg. 1992, II-1275, Randnr. 350).

42 Im vorliegenden Fall ist das Gericht angesichts der besonderen Schwere und der Offensichtlichkeit des Verstosses gegen Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag, insbesondere Buchstaben a und c, der Ansicht, daß die Klägerin nicht behaupten kann, sie habe nicht vorsätzlich gehandelt. Aus diesen Gründen kann die Klägerin auch nichts daraus herleiten, daß sie als Stahlherstellerin, deren Tätigkeiten sich gewöhnlich nach dem EGKS-Vertrag richteten, nicht gewusst habe, daß diese Vereinbarungen gegen den EWG-Vertrag verstießen.

43 Die Rüge kann daher nicht durchgreifen.

II ° Zum beschränkten Charakter der Rolle der Klägerin

Vorbringen der Parteien

44 Die Klägerin trägt vor, sie habe eine beschränkte Rolle gespielt, da sie lediglich die zustande gekommenen Vereinbarungen zur Kenntnis genommen habe, ohne je die Initiative zu ergreifen. Sie sei weder an den Vereinbarungen über den Benelux-Markt noch an den Vereinbarungen über den deutschen Markt beteiligt gewesen und habe keine Absprache über den italienischen Markt herbeigeführt.

45 Sie bemerkt, daß Italmet, die alle Transaktionen durchgeführt habe, entgegen der Behauptung der Kommission nicht ihr Agent, sondern ein selbständiger Vermittler sei.

46 Die Kommission entgegnet, die Geldbusse sei völlig gerechtfertigt, insbesondere wegen der Grösse der Klägerin und des Impulses, den sie sämtlichen widerrechtlichen Absprachen namentlich dadurch gegeben habe, daß sie sich zum Sprachrohr der italienischen Hersteller gemacht und sich in gewisser Weise bei den französischen Herstellern für die "korrekte" Durchführung der Vereinbarungen durch die italienischen Hersteller verbürgt habe.

Würdigung durch das Gericht

47 Das Gericht stellt fest, daß sich die Klägerin entgegen ihren Behauptungen nicht darauf beschränkt hat, die zustande gekommenen Vereinbarungen zur Kenntnis zu nehmen, sondern daß sie manchmal die Initiative dafür ergriffen hat, wie die in den Punkten 36 bis 45 der Entscheidung genannten Schriftstücke zeigen, unter denen sich ein Fernschreiben von Herrn Cattapan vom 19. April 1982 an Herrn Marie befindet, das einen Vorschlag für eine Verlängerung der Vereinbarungen für 1982 enthält (Punkt 42 der Entscheidung). In diesem Fernschreiben heisst es: "Aufgrund des bestehenden gemeinsamen Willens zur Unternehmung eines Versuches zur Verbesserung eines bereits wegen der schwachen Nachfrage unter Druck stehenden Sektors stimmen die italienischen Hersteller dem Vorschlag zu, einen Rabatt von 325 ffrs unter der Preisliste plus einen leichten sogenannten Penetrationsrabatt anzuwenden. Die Hoechstausfuhrmengen nach Frankreich, zu denen sich die italienischen Hersteller für die Monate April-Mai-Juni verpflichten, betragen eine Gesamtmenge von 7 200 Tonnen, d. h. dreimal 1 800 + 300 + 300, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß die obengenannten Vorausschätzungen realisiert werden und sich regelmässig entwickeln. Ich glaube versichern zu können, daß unser gemeinsames Ziel und unsere gemeinsame Hoffnung erfuellt worden sind. Folglich werden die getroffenen Beschlüsse von heute an angewandt, da sie mit unserer Vereinbarung übereinstimmen."

48 Die Tatsache, daß sich die Klägerin nicht an den Zuwiderhandlungen bezueglich des Benelux-Marktes und des deutschen Marktes beteiligt hat, ist in der Entscheidung berücksichtigt worden, da darin nicht angegeben wird, daß die Klägerin an ihnen beteiligt war. Die Entscheidung stellt auch nicht fest, daß Vereinbarungen für den italienischen Markt geschlossen wurden. Insoweit kann die Klägerin für ihre Forderung nach einer Herabsetzung der gegen sie festgesetzten Geldbusse nichts daraus herleiten, daß die von ihr begangene Zuwiderhandlung nicht schwerer war, als sie tatsächlich gewesen ist.

49 Bezueglich des Umstands, daß Italmet nicht Agent der Klägerin gewesen sein soll, ist darauf hinzuweisen, daß der Austausch von Vermerken und Fernschreiben zwischen der Klägerin und Italmet keinen Raum für irgendeinen Zweifel an der Natur der Vereinbarungen ließ, an denen sich die Klägerin u. a. durch Vermittlung von Italmet (siehe u. a. die in den Punkten 36, 41, 42 und 43 der Entscheidung genannten Schriftstücke), aber auch und vor allem ohne Einschaltung von Italmet beteiligte.

50 Folglich ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.

III ° Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung

Vorbringen der Parteien

51 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Höhe der Geldbusse, die sie gegen sie verhängt habe, allein auf der Grundlage ihres Umsatzes an Betonstahlmatten festgesetzt und damit gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstossen, wie er vom Gerichtshof im Urteil vom 7. Juni 1983 (Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825) ausgelegt worden sei. Nach diesem Urteil sei u. a. auch der wirtschaftliche Vorteil zu berücksichtigen, den die beteiligten Unternehmen aus den widerrechtlichen Vereinbarungen hätten ziehen können. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin von ihrer Beteiligung an den Absprachen aber nicht profitiert. Dieser Rechtsirrtum habe die Kommission veranlasst, gegen sie eine Geldbusse festzusetzen, deren Höhe, verglichen mit der der Geldbussen, die gegen die anderen italienischen Hersteller festgesetzt worden seien, diskriminierend sei.

52 Die Kommission führt aus, sie habe im vorliegenden Fall die vom Gerichtshof im Urteil Musique diffusion française (a. a. O.) festgelegten Kriterien angewandt. Die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse sei zwar sicher höher als die Geldbusse, die gegen die beiden anderen italienischen Unternehmen festgesetzt worden sei, doch folge dies insbesondere aus der Grösse des Unternehmens der Klägerin und dem Impuls, den sie sämtlichen rechtswidrigen Absprachen gegeben habe; in diesen Punkten unterscheide sich ihre Situation von der der anderen italienischen Unternehmen.

Würdigung durch das Gericht

53 Das Gericht stellt fest, daß die Tatsache, daß die Klägerin aus der Zuwiderhandlung keinen Vorteil gezogen hat, bei der Berechnung der gegen sie festgesetzten Geldbusse berücksichtigt wurde. Die Kommission hat nämlich den Umstand, daß die Ertragslage im Bereich der Betonstahlmatten in der Regel unbefriedigend ist (Punkt 201 der Entscheidung), und die finanzielle Stellung der Unternehmen berücksichtigt (Punkt 203 der Entscheidung). Ausserdem kann das Fehlen eines aus der Zuwiderhandlung gezogenen Vorteils nicht verhindern, daß bedeutende Geldbussen verhängt werden, sollen diese ihren abschreckenden Charakter nicht verlieren.

54 Nach Ansicht des Gerichts folgt aus dem Vorstehenden, daß die Kommission die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse nicht nur auf der Grundlage des Umsatzes der Klägerin an Betonstahlmatten festgesetzt hat. Es trifft zwar zu, daß es sich dabei um einen Gesichtspunkt handelt, den die Kommission unter anderen berücksichtigt hat, und daß dieser Gesichtspunkt dazu beigetragen hat, daß gegen die Klägerin eine ° absolut gesehen ° höhere Geldbusse festgesetzt wurde als gegen die anderen italienischen Hersteller; diese Vorgehensweise steht jedoch mit den vom Gerichtshof im Urteil Musique diffusion française (a. a. O., Randnrn. 120 und 121) gegebenen Leitlinien in Einklang, die es der Kommission erlauben, den Einfluß zu berücksichtigen, den das Unternehmen insbesondere wegen seiner Grösse und seiner Wirtschaftskraft, auf die der Umsatz an dem betroffenen Erzeugnis Hinweise gibt, auf den Markt ausüben konnte. Der Beweis dafür, daß es sich nicht um das einzige Kriterium gehandelt hat, das von der Kommission berücksichtigt wurde, ist die Tatsache, daß gegen die Klägerin relativ gesehen eine geringere Geldbusse verhängt wurde (1 %) als gegen Martinelli (1,5 %).

55 Was den Umstand angeht, daß die Klägerin gegenüber ILRO diskriminiert werde, so erinnert das Gericht daran, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts voraussetzt, daß vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt worden sind. Nach Auffassung der Kommission beruht der Unterschied zwischen der gegen die Klägerin und der gegen ILRO festgesetzten Geldbusse auf folgenden Faktoren: auf der Nichteinhaltung der geschlossenen Vereinbarungen durch ILRO, die dazu beigetragen habe, die Absprache zu erschüttern, auf der Tatsache, daß sie nicht habe nachweisen können, daß ILRO für die Verlängerung der Absprachen von 1981/1982 eingetreten sei, auf der Tatsache, daß ILRO der Kommission bei ihren Untersuchungen Unterstützung geleistet habe, indem sie an ihnen, wie in der mündlichen Verhandlung klargestellt worden sei, entscheidend mitgewirkt habe (Punkt 204 der Entscheidung), auf der Tatsache, daß sie Opfer von Vergeltungsmaßnahmen der französischen Behörden geworden sei, und schließlich auf der Tatsache, daß sie im Mai 1984 aufgehört habe, sich an der Absprache zu beteiligen (vgl. Punkte 44, 64, 65 und 66 der Entscheidung).

56 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, daß die von der Kommission aufgezeigten Unterschiede zwischen der Situation von ILRO und der der Klägerin ausreichen, um den bemerkten Unterschied in der Behandlung dieser beiden Unternehmen zu rechtfertigen.

57 Daraus folgt, daß die Rüge der Klägerin zurückzuweisen ist.

IV ° Zur unzureichenden Berücksichtigung des wirtschaftlichen und rechtlichen Kontextes

Vorbringen der Parteien

58 Die Klägerin trägt vor, die Kommission hätte den wirtschaftlichen und rechtlichen Kontext des der Herstellung von Betonstahlmatten vorgeschalteten Sektors, d. h. des Walzdrahtsektors, berücksichtigen müssen. Sie weist auf die enge Verbindung hin, die zwischen Betonstahlmatten und Walzdraht bestehe, für den ein Quotensystem und eine Preisregelung gegolten hätten. Hierzu bemerkt sie, daß sich diese Verbindung nicht wesentlich von derjenigen zwischen Zucker und Zuckerrüben unterscheide, die der Gerichtshof in seinem Urteil Suiker Unie u. a./Kommission (Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663) untersucht habe. In jenem Fall habe eine gemeinsame Marktorganisation für Zucker bestanden, die durch eine Preis- und Quotenregelung angemessene Erlöse für das Grunderzeugnis, die Zuckerrübe, gewährleisten solle. In der vorliegenden Rechtssache bestehe "eine gemeinsame Marktorganisation" für das Grunderzeugnis, den Walzdraht, die unmittelbar dieses Erzeugnis schützen solle, ohne daß für das verarbeitete Erzeugnis Vorschriften bestuenden. Ohne eine Regelung für die Lieferungen und die Preise des verarbeiteten Erzeugnisses, der Betonstahlmatten, hätte aber die Gefahr bestanden, daß der dem Walzdraht gewährte Schutz unwirksam gewesen wäre. Deshalb hätten die Hersteller freiwillig diese Lücke in dem System durch ihre eigene Regelung geschlossen. Folglich müsse das Gericht die Geldbusse erheblich herabsetzen, wie es der Gerichtshof in seinem Urteil Suiker Unie u. a./Kommission (a. a. O.) mit der Begründung getan habe, daß der Spielraum für die Anwendung der Wettbewerbsregeln in dem betreffenden Sektor äusserst begrenzt sei.

59 Die Klägerin weist darauf hin, daß die Absprache zwar eine Erhöhung der Preise für Betonstahlmatten bewirkt habe, daß sie aber auch, entsprechend dem von der Kommission geäusserten Wunsch, zu einer Erhöhung der Preise für Walzdraht geführt habe.

60 Die Klägerin ist schließlich der Ansicht, die Kommission habe mildernde Umstände wie ihre bedeutende Mitwirkung an den Nachprüfungen der Kommission und die bedeutenden Anstrengungen, die sie im Rahmen der Umstrukturierung des Stahlmarktes unternommen habe, nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.

61 Die Kommission entgegnet, sie habe, wie sie dies in der Entscheidung (Punkt 201) ausdrücklich angegeben habe, der Situation im Walzdrahtsektor bei der Bestimmung der Höhe der Geldbusse Rechnung getragen. Die im Urteil Suiker Unie u. a./Kommission (a. a. O.) beschriebene Situation auf dem Zuckermarkt unterscheide sich von der des Betonstahlmattenmarktes, da im vorliegenden Fall keine gemeinsame Marktorganisation für Betonstahlmatten bestehe. In diesem Urteil habe der Gerichtshof ausdrücklich festgestellt, daß, "[welche] Einwände sich auch immer gegen ein System vorbringen lassen, das insbesondere mittels nationaler Quoten der Abschottung der nationalen Märkte Vorschub leistet..., Tatsache ist, daß für die Wettbewerbsregeln ein echter, wenn auch schmaler Anwendungsbereich bleibt".

62 Die Kommission führt weiter aus, daß die Mitwirkung der Klägerin an ihren Nachprüfungen und der Umstrukturierung des Stahlmarktes nicht über das hinausgegangen sei, was von Rechts wegen erforderlich gewesen sei.

Würdigung durch das Gericht

63 In bezug auf die Verbindung zwischen dem Markt für Betonstahlmatten und dem für Walzdraht ist zunächst festzustellen, daß die Kommission ihr Rechnung getragen hat (Punkt 201 der Entscheidung). Im übrigen kann sich die Klägerin nicht auf das Urteil Suiker Unie u. a./Kommission (a. a. O.) berufen, da dieses Urteil einen Fall betrifft, der sich in zweierlei Hinsicht grundlegend von dem vorliegenden unterscheidet. Zum einen handelte es sich damals um eine gemeinsame Agrarmarktorganisation, die unter den EWG-Vertrag fiel, während es vorliegend um eine Preis- und Produktionsquotenregelung geht, die unter den EGKS-Vertrag fällt. Zum anderen war in der Rechtssache Suiker Unie u. a./Kommission das Folgeerzeugnis Gegenstand einer gemeinsamen Marktorganisation, während im vorliegenden Fall das Grunderzeugnis Gegenstand der Preis- und Produktionsquotenregelung ist. Daraus folgt, daß sich die Fälle, auf die sich das Urteil Suiker Unie u. a./Kommission bezieht, und die vorliegende Rechtssache in wirtschaftlicher Hinsicht grundlegend voneinander unterscheiden und daß sich die Klägerin somit für ihre Forderungen nicht auf dieses Urteil berufen kann.

64 Ausserdem kann die Klägerin, auch wenn die Durchführung der fraglichen Vereinbarungen mittelbar zu einer ° von der Kommission gewünschten ° Erhöhung des Walzdrahtpreises geführt hat, dies nicht als mildernden Umstand geltend machen. Unternehmen können sich nämlich nicht darauf berufen, daß ihre Preis- und Quotenvereinbarungen für ein Erzeugnis mittelbar einen positiven Einfluß auf die Preise eines anderen Erzeugnisses gehabt haben, für das eine von der Kommission eingeführte Produktionsquotenregelung gilt, wenn die Wirkung dieser Quotenregelung nicht übermässig verstärkt werden soll. Die von der Kommission nach dem EGKS-Vertrag eingeführte Quotenregelung für Walzdraht war auf dieses Erzeugnis beschränkt. Die Unternehmen waren nicht befugt, diese Regelung auf ein unter den EWG-Vertrag fallendes Erzeugnis, wie Betonstahlmatten, auszudehnen.

65 Schließlich ist das Gericht der Ansicht, daß die Mitwirkung der Klägerin an den Nachprüfungen der Kommission und der Umstrukturierung der Stahlindustrie nicht über das hinausging, was von Rechts wegen erforderlich war, und daß folglich keine Veranlassung bestand, sie als mildernden Umstand zu berücksichtigen.

66 Die Rüge kann daher nicht durchgreifen.

Zum Klagegrund des Ermessensmißbrauchs

67 Die Klägerin trägt vor, die Entscheidung sei ermessensmißbräuchlich, da die Kommission eine Zuwiderhandlung festgestellt habe, die nicht bestanden habe, und ihr eine Geldbusse auferlegt habe, ohne daß die Voraussetzungen dafür erfuellt gewesen seien. Zur Begründung dieses Vorbringens führt sie erneut die für die ersten beiden Klagegründe vorgetragenen Argumente an.

68 Das Gericht ist der Ansicht, daß, wenn ein so unpräzises Vorbringen überhaupt als Klagegrund angesehen werden kann, dieser zurückzuweisen ist. Eine Handlung ist nämlich nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel vorgenommen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 24).

69 Die Argumente, die die Klägerin für ihre ersten beiden Klagegründe vorgetragen hat, können aber in keiner Weise das Vorliegen eines Ermessensmißbrauchs belegen, da die Klägerin keineswegs näher ausführt, zu welchem anderen als dem in der Entscheidung genannten Zweck die Kommission die ihr durch den EWG-Vertrag übertragenen Befugnisse ausgeuebt habe.

70 Aus all diesen Erwägungen folgt, daß die Klage abzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

71 Nach Artikel 87 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück