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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.12.2003
Aktenzeichen: T-146/01
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen, Richtlinie 69/169/EWG des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr, Verordnung (EG) Nr. 3316/94 vom 22. Dezember 1994 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 355/94 durch die Einführung einer befristeten Ausnahmeregelung für Österreich im Bereich der Zollfreibeträge, Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, Zollrechts-Durchführungsgesetz (Österreich)


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen Art. 45
Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen Art. 47
Richtlinie 69/169/EWG des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr Art. 5 Abs. 8
Verordnung (EG) Nr. 3316/94 vom 22. Dezember 1994 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 355/94 durch die Einführung einer befristeten Ausnahmeregelung für Österreich im Bereich der Zollfreibeträge Art. 2
Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge Art. 151 Abs. 2
Zollrechts-Durchführungsgesetz (Österreich) § 97a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 17. Dezember 2003. - DLD Trading Co. gegen Rat der Europäischen Union. - Außervertragliche Haftung - Fehlender Kausalzusammenhang zwischen dem beanstandeten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden. - Rechtssache T-146/01.

Parteien:

In der Rechtssache T-146/01

DLD Trading Co. mit Sitz in Brno (Brünn) (Tschechische Republik), vertreten durch Rechtsanwälte J. Hintermayr, G. Minichmayr, P. Burgstaller und M. Krüger,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M.-C. Giorgi, A.-M. Colaert und J.-P. Hix als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer, W. Okresek und H. Dossi als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Schieferer als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferinnen,

wegen Ersatzes des aufgrund der angeblichen Rechtswidrigkeit der Verordnung (EG) Nr. 2744/98 des Rates vom 14. Dezember 1998 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 355/94 und zur Verlängerung der befristeten Ausnahmeregelung für Deutschland und Österreich (ABl. L 345, S. 9) und der Richtlinie 69/169/EWG des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (ABl. L 133, S. 6) in der geänderten Fassung angeblich erlittenen Schadens

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf, der Richterin P. Lindh und des Richters H. Legal,

Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die Sitzung vom 18. März 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Auf die Einfuhr von Waren aus Drittländern in die Gemeinschaft werden zum einen Zölle nach dem gemeinsamen Zolltarif und zum anderen Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern erhoben.

2 Sofern es sich jedoch um nicht kommerzielle Einfuhren handelt, können Waren im persönlichen Gepäck von Reisenden nach Artikel 45 der Verordnung (EWG) Nr. 918/83 des Rates vom 28. März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABl. L 105, S. 1) für private Zwecke zollfrei eingeführt werden.

3 Maßnahmen zur Liberalisierung des Systems der Besteuerung von Einfuhren im Reiseverkehr wurden auch durch die Richtlinie 69/169/EWG des Rates vom 28. Mai 1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Befreiung von den Umsatzsteuern und Sonderverbrauchsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (ABl. L 133, S. 6) eingeführt.

4 Je nach Art der Waren werden die Zoll- und Steuerbefreiungen wertmäßig oder mengenmäßig ausgedrückt. Bei der Ermittlung, ob die Einfuhren eines Reisenden die anwendbare Hoechstgrenze für die wertmäßig eingeräumte Befreiung erreichen, bleibt der Wert der Erzeugnisse, für die eine mengenmäßige Befreiung gewährt wird, unberücksichtigt.

5 Für den innergemeinschaftlichen Warenverkehr entfielen die den Reisenden nach der Verordnung Nr. 918/83 und der Richtlinie 69/169 gewährten Befreiungen mit Wirkung vom 1. Januar 1993. Für den Reiseverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern gelten sie dagegen weiter.

Wertmäßige Freibeträge für Einfuhren von anderen Waren als Tabakwaren, alkoholischen Erzeugnissen, Parfums und Toilettenwasser durch den Reisenden

6 Für andere Waren als Tabakwaren, alkoholische Getränke, Parfums und Toilettenwasser wurde der wertmäßige Freibetrag für Zölle durch Artikel 47 der Verordnung Nr. 918/83 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 355/94 des Rates vom 14. Februar 1994 (ABl. L 46, S. 5) mit Wirkung vom 1. April 1994 von bis dahin 45 auf 175 ECU je Reisenden angehoben.

7 Nach Artikel 151 Absatz 2 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 9) kann der Rat auf ordnungsgemäß begründeten Antrag eines der neuen Mitgliedstaaten einstimmig auf Vorschlag der Kommission vor dem 1. Januar 1995, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Beitrittsakte, Maßnahmen ergreifen, die zeitweilige Abweichungen von den Rechtsakten der Organe beinhalten, die - wie die Verordnung Nr. 355/94 - zwischen dem 1. Januar 1994 und dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags erlassen worden sind.

8 Aufgrund eines solchen von der Republik Österreich am 5. September 1994 gestellten Antrags erließ der Rat die Verordnung (EG) Nr. 3316/94 vom 22. Dezember 1994 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 355/94 durch die Einführung einer befristeten Ausnahmeregelung für Österreich im Bereich der Zollfreibeträge (ABl. L 350, S. 12).

9 Artikel 2 der Verordnung Nr. 355/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 3316/94 schob die Verpflichtung der Republik Österreich, den Gemeinschaftsfreibetrag von 175 ECU auf Gegenstände anzuwenden, die von Reisenden eingeführt werden, die in das österreichische Hoheitsgebiet über eine Landgrenze zu einem Drittland einreisen, das nicht Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) ist, bis zum 1. Januar 1998 hinaus.

10 Diese Bestimmung sah zudem vor, dass die Republik Österreich "mit dem Inkrafttreten des Beitrittsvertrags... einen Freibetrag von mindestens 75 ECU" gewährt.

11 Diese Ausnahme wurde wegen der erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewährt, die sich durch eine Anhebung des Freibetrags auf 175 ECU für Österreich angesichts des Preisgefälles zwischen Österreich und den angrenzenden Oststaaten hätten ergeben können.

12 Artikel 97a des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (BGBl. 1995 I/6672) wurde daher vom österreichischen Nationalrat wie folgt geändert:

"Für Waren, die von Reisenden eingeführt werden, die in das Anwendungsgebiet über eine Landgrenze zu anderen Staaten als den Mitgliedstaaten und den EFTA-Staaten einreisen, gilt vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beitrittsvertrages bis zum Ablauf des 31. Dezember 1997 ein Freibetrag von 75 ECU."

13 Mit Schreiben vom 23. Juli 1997 beantragte die Republik Österreich eine Verlängerung dieser Ausnahme, wobei sie sich darauf berief, dass die Schwierigkeiten, mit denen die Annahme dieser Regelung begründet worden sei, weiter bestuenden und sogar zugenommen hätten.

14 Die Ausnahmeregelung, die es der Republik Österreich gestattete, einen Zollfreibetrag von 75 ECU anzuwenden, lief am 31. Dezember 1997 ab, ohne dass der Rat über diesen Antrag entschieden hätte. Die Republik Österreich hob den Freibetrag jedoch nicht auf das Gemeinschaftsniveau von 175 ECU an. Der österreichische Nationalrat erließ nämlich kurz vor dem Jahreswechsel 1997/1998 eine geänderte Fassung des § 97a des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (BGBl. I 1998/441).

15 In seiner neuen Fassung sah diese Bestimmung vor:

"Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, den Reisefreibetrag für Waren, die von Reisenden eingeführt werden, die in das Anwendungsgebiet über eine Landgrenze zu anderen Staaten als den Mitgliedstaaten und den EFTA-Staaten einreisen, mit Verordnung bis auf 75 ECU herabzusetzen."

16 Durch die Verordnung (EG) Nr. 2744/98 vom 14. Dezember 1998 zur Änderung der Verordnung Nr. 355/94 (ABl. L 345, S. 9) verlängerte der Rat die der Republik Österreich gewährte befristete Ausnahme. Die Verordnung Nr. 2744/98 trat am 19. Dezember 1998, dem Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Sie sah jedoch vor, dass sie ab dem 1. Januar 1998 galt.

17 Nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 355/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 2744/98 wurde die Ausnahme, die die Republik Österreich von der Anwendung des Gemeinschaftsfreibetrags von 175 ECU freistellte, vom 1. Januar 1998 bis zum 1. Januar 2003 verlängert.

18 Die Republik Österreich war nach dieser Bestimmung verpflichtet, auf Einfuhren der fraglichen Waren bis zum 31. Dezember 1998 einen Freibetrag von mindestens 75 ECU und ab dem 1. Januar 1999 von mindestens 100 ECU anzuwenden und diesen Betrag stufenweise anzuheben, um auf diese Einfuhren spätestens ab dem 1. Januar 2003 den in der Gemeinschaft geltenden Betrag von 175 ECU anzuwenden.

Mengenmäßige Steuerfreibeträge für Einfuhren von Tabakwaren, alkoholischen Getränken, Parfums und Toilettenwasser durch Reisende

19 Die mengenmäßigen Steuerfreibeträge sind durch die Artikel 4 und 5 der Richtlinie 69/169 in ihrer geänderten Fassung geregelt. Diese bestimmen:

"Artikel 4

(1) Unbeschadet der einschlägigen einzelstaatlichen Bestimmungen für Reisende, die ihren Wohnsitz außerhalb Europas haben, wendet jeder Mitgliedstaat für die Befreiung von den Umsatzsteuern und den Sonderverbrauchssteuern bei der Einfuhr der nachstehend bezeichneten Waren folgende mengenmäßige Begrenzungen an:

Im Verkehr zwischen Drittländern und der Gemeinschaft

a) Tabakwaren

- Zigaretten200 Stück oder - Zigarillos (Zigarren mit einem Stückgewicht von höchstens 3 Gramm)100 Stück oder - Zigarren50 Stück oder - Rauchtabak250 Gramm

b) Alkohol und alkoholische Getränke

- destillierte Getränke und Spirituosen mit einem Alkoholgehalt von mehr alsinsgesamt 1 Liter 22 % vol; unvergällter Äthylalkohol mit einem Alkoholgehalt von 80 % vol und mehr, oder - destillierte Getränke und Spirituosen, Aperitifs aus Wein oder Alkohol, Tafia, Sake oder ähnliche Getränke, mit eineminsgesamt 2 Liter Alkoholgehalt von 22 % vol oder weniger; Schaumweine, Likörweine - nicht schäumende Weineinsgesamt 2 Liter

...

Artikel 5

...

(8) Die Mitgliedstaaten können die Warenmengen nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben a) und d) für Reisende, die aus einem Drittland in einen Mitgliedstaat einreisen, niedriger festsetzen."

20 Auf der Grundlage der letztgenannten Bestimmung wurde durch § 3a der Verordnung des österreichischen Bundesministers für Finanzen, mit der die Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung geändert wird (BGBl. II 1997/733), die mengenmäßige Befreiung mit Wirkung vom 1. Juli 1997 wie folgt reduziert:

"Für Tabakwaren, die im persönlichen Gepäck von Reisenden eingeführt werden, die ihren normalen Wohnsitz im Anwendungsgebiet haben und die über eine Landgrenze zu anderen Staaten als den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den EFTA-Staaten in das Anwendungsgebiet einreisen, ist die Verbrauchsteuerbefreiung auf

1. 25 Stück Zigaretten oder

2. 5 Stück Zigarren oder

3. 10 Stück Zigarillos (Zigarren mit einem Stückgewicht von höchstens 3 Gramm) oder

4. 25 Gramm Rauchtabak oder

5. eine anteilige Zusammenstellung dieser Waren bis zu 25 Gramm

beschränkt."

Vorgeschichte des Rechtsstreits

21 Die Klägerin betreibt in der Tschechischen Republik zwei Duty-free-Verkaufsstellen in Helvin und in Hate in unmittelbarer Nähe der österreichischen Grenze. Sie verkauft dort Tabakwaren, alkoholische Getränke, Parfums, Toilettenwasser, Kosmetika, Lebensmittel, Waren der Unterhaltungselektronik, Textilien, Zusatzstoffe, Spielwaren und Gebrauchsgegenstände. Ihre Kunden sind fast ausschließlich Reisende, die diese für den Eigenverbrauch bestimmten Waren in ihrem persönlichen Gepäck nach Österreich einführen.

22 Die Klägerin trägt vor, sie habe in der Erwartung, dass der in Österreich für die Einfuhren der fraglichen Waren durch Reisende geltende Freibetrag am 31. Dezember 1997 von 75 ECU auf 175 ECU angehoben würde, massive Investitionen getätigt, zu denen die Eröffnung ihres Geschäfts in Helvin im Dezember 1996 gehöre.

23 Die Klägerin sei dadurch, dass zum einen diese Anhebung verschoben worden sei und dass zum anderen Österreich die Mengen an Tabakerzeugnissen, die frei von Umsatz- und Sonderverbrauchsteuern eingeführt werden dürften, beschränkt habe, völlig überrascht worden, und es sei ihr ein erheblicher Schaden in Form von Gewinneinbußen entstanden.

Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof

24 Am 23. Januar 2001 erhob die Klägerin beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien (Österreich) eine Klage auf Verurteilung der Republik Österreich zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 726 728,34 Euro.

25 Mit Beschluss vom 5. November 2001 legte dieses Gericht dem Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsersuchens nach Artikel 234 EG u. a. die Frage vor, ob die österreichische Regelung gegen eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts verstoße, soweit sie den wertmäßigen Zollfreibetrag begrenze sowie bestimmte Beschränkungen der Tabakwarenmengen vorsehe, die von den betreffenden Reisenden unter Befreiung von den Umsatz- und Verbrauchsteuern eingeführt werden könnten (Rechtssache D. L. D. Trading Company Import-Export, in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen unter der Nummer C-447/01).

26 Mit Beschluss vom 21. März 2002 erklärte der Gerichtshof dieses Vorabentscheidungsersuchen mit der Begründung für unzulässig, dass die Angaben im Vorlagebeschluss es ihm nicht ermöglichten, im Hinblick auf die Sach- und Rechtslage, die Gegenstand des nationalen Rechtsstreits sei, eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorzunehmen.

Verfahren vor dem Gericht erster Instanz

27 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 2. Juli 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

28 Mit Beschlüssen des Präsidenten der Ersten Kammer vom 9. und vom 17. Januar 2002 sind die Kommission sowie die Republik Österreich und die Republik Finnland als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

29 Die Republik Österreich und die Kommission haben ihre Streithilfeschriftsätze am 28. Februar 2002 und am 5. März 2002 eingereicht.

30 Wegen Verhinderung eines der Richter der Ersten Kammer des Gerichts hat der Präsident des Gerichts am 9. Januar 2003 die Richterin Lindh nach Artikel 32 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts zu dem Richter bestimmt, durch den der Spruchkörper ergänzt wird.

31 Auf den Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

32 Die Klägerin, der Rat und die Kommission haben in der Sitzung vom 18. März 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

33 Die Klägerin beantragt,

- den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 726 728,34 Euro zu zahlen;

- die Verordnung (EG) Nr. 2744/98 und Artikel 5 Absatz 8 der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung für gemeinschaftsrechtswidrig zu erklären;

- dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

34 Der Rat, unterstützt von der Republik Österreich und der Kommission, beantragt,

- die Klage für unzulässig zu erklären;

- hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Zur Zulässigkeit der Klage

35 Der Rat und die Kommission sind der Ansicht, dass die Klage unzulässig sei, und machen das Fehlen zweier Prozessvoraussetzungen geltend.

Fehlende Übereinstimmung der Klageschrift mit den Vorgaben des Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung

36 Der Rat trägt vor, die Klägerin habe es unter Verstoß gegen die Anforderungen des Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung unterlassen, der Klageschrift ein Audit ihrer Verlustrechnungen beizufügen.

37 Das habe es ihm unmöglich gemacht, den genauen Streitgegenstand zu erfahren und die Begründetheit der Klage zu prüfen und somit eine sachgerechte Verteidigung zu gewährleisten.

38 Die Klägerin entgegnet, sie habe zum Nachweis ihres Schadens dem Grunde und der Höhe nach auf ihre Gewinn- und Verlustrechnungen und auf ihre Umsätze in den maßgeblichen Geschäftsjahren verwiesen. In ihrer Klageschrift habe sie zunächst auf die Feststellung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft dem Grunde nach abgestellt.

39 Nach ständiger Rechtsprechung ermangelt ein auf eine nicht weiter definierte Schadensersatzleistung gerichteter Antrag der notwendigen Bestimmtheit und ist deshalb unzulässig (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 1999 in der Rechtssache T-277/97, Ismeri Europa/Rechnungshof, Slg. 1999, II-1825, Randnr. 65, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 2001 in der Rechtssache C-315/99 P, Ismeri Europa/Rechnungshof, Slg. 2001, I-5281).

40 Die Klageschrift enthält in der Tat keine zuverlässige Bemessung des geltend gemachten Schadens. Die Klägerin hat lediglich eine Schätzung vorgenommen, die den Mindestschaden angeben soll.

41 Sie hat in ihrer Klageschrift jedoch immerhin Gesichtspunkte angeführt, die es ermöglichen, die Art und den Umfang des Schadens zu beurteilen. So hat sie ihren Schaden auf 20 % des Gesamtverlustes bemessen, den sie seit dem 1. Juli 1997 beim Verkauf der von den fraglichen Gemeinschaftsmaßnahmen erfassten Waren erlitten habe.

42 Außerdem konnte sich das Fehlen zuverlässiger Zahlen über den angeblich erlittenen Schaden im vorliegenden Fall auf die Wahrnehmung der Beklagtenrechte des Rates nicht auswirken. Die Klägerin hat diese Zahlen in ihrer Erwiderung ergänzt und es so dem Beklagten ermöglicht, sowohl in seiner Gegenerwiderung als auch in der mündlichen Verhandlung auf die Art und den Umfang des Schadens einzugehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Juni 1999, Ismeri Europa/Rechnungshof, Randnr. 67).

43 Im Übrigen hat der Rat in seiner Gegenerwiderung die Möglichkeit offen gelassen, die genaue Schadenshöhe nach einem Urteil zu klären, mit dem die Haftung der Gemeinschaft dem Grunde nach festgestellt werden sollte, und sich vorbehalten, erst in diesem späteren Stadium der von der Klägerin angeführten Schadensbemessung zu widersprechen.

44 Die Einrede der Unzulässigkeit ist daher zurückzuweisen, soweit gerügt wird, dass die Klageschrift nicht genau genug sei, um den Vorgaben des Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung zu entsprechen.

Zur fehlenden Klagebefugnis der Klägerin im Hinblick auf die Nichtigerklärung der Verordnungsbestimmungen

45 In ihrem Streithilfeschriftsatz wendet die Kommission die Unzulässigkeit der Klage ein, soweit diese so zu verstehen sei, dass mit ihr die Nichtigerklärung der Verordnung Nr. 2744/98 und des Artikels 5 Absatz 8 der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung begehrt werde. Da die Klägerin von diesen allgemeinen Vorschriften weder unmittelbar noch mittelbar betroffen sei, fehle ihr für die Nichtigkeitsklage die Klagebefugnis.

46 Der Rat griff dieses Vorbringen in seiner Gegenerwiderung auf, erklärte aber in der mündlichen Verhandlung, er verzichte darauf, es geltend zu machen.

47 Nach ständiger Rechtsprechung müssen Streithelfer nach Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet; nach Artikel 40 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes können sie mit den aufgrund ihres Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge der Partei unterstützen, zu deren Unterstützung sie beigetreten sind (Urteil des Gerichts vom 25. Juni 1998 in den Rechtssachen T-371/94 und T-394/94, British Airways u. a./Kommission, Slg. 1998, II-2405, Randnr. 75).

48 Als Streithelferin ist die Kommission demnach nicht befugt, einen Grund für die Unzulässigkeit der Klage geltend zu machen, der in den Anträgen des Beklagten nicht angeführt wird (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 21. Januar 1999 in den Rechtssachen T-185/96, T-189/96 und T-190/96, Riviera Auto Service/Kommission, Slg. 1999, II-93, Randnr. 25).

49 Der Rat hat im Laufe des Verfahrens auf die Rüge der fehlenden Klagebefugnis der Klägerin verzichtet, die er ohnehin erst im Stadium der Gegenerwiderung und damit verspätet erhoben hatte.

50 Der von der Kommission als Streithelferin erhobenen Einrede der Unzulässigkeit kann daher nicht stattgegeben werden.

51 Zudem kann die Klage der DLD Trading Co., anders als die Kommission vorträgt, nicht als auf die Nichtigerklärung der streitigen Gemeinschaftsbestimmungen nach Artikel 230 Absatz 4 EG gerichtet angesehen werden.

52 Soweit die Klägerin nämlich beantragt, die Verordnung Nr. 2744/98 und Artikel 5 Absatz 8 der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung als für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar zu erklären, geschieht dies nur zu dem Zweck, die Rechtsgrundlage für einen Schadensersatzantrag nach Artikel 288 Absatz 2 EG zu schaffen, nicht aber, um nach Artikel 230 Absatz 4 EG die Nichtigerklärung dieser Bestimmungen als solche zu erlangen.

53 Für die Zulässigkeit ihrer Schadensersatzklage und die Geltendmachung der ihrer Ansicht nach die Klage rechtfertigenden Rechtswidrigkeit der Verordnungsbestimmungen ist es nicht erforderlich, dass die Klägerin im Sinne des Artikels 230 Absatz 4 EG unmittelbar und individuell betroffen ist.

54 Das Vorbringen der fehlenden Klagebefugnis der Klägerin ist daher zurückzuweisen.

55 Nach alledem ist die Klage zulässig.

Zur Begründetheit der Klage

Vorbringen der Parteien

56 Die Klägerin macht zunächst geltend, dass die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Zoll- und Steuerbefreiungen gegen verschiedene Grundrechte und Rechtsgrundsätze verstießen, und sodann, dass diese Bestimmungen einen Rückgang ihrer Geschäftstätigkeit und somit einen Schaden verursacht hätten.

57 Sie trägt, erstens, vor, dass die Verordnung Nr. 2744/98 gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und gegen das Rückwirkungsverbot verstoße, da sie, am 19. Dezember 1998 in Kraft getreten, die Ausnahme, die es der Republik Österreich gestatte, den Freibetrag im Reiseverkehr auf 75 ECU zu begrenzen, mit Wirkung vom 1. Januar 1998 rückwirkend verlängere.

58 Damit habe der Rat die einseitige, rechtsgrundlose und offensichtlich gemeinschaftsrechtswidrige Vorgehensweise der österreichischen Finanzverwaltung im Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 19. Dezember 1998 gutgeheißen.

59 Artikel 5 Absatz 8 der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung verstoße insoweit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, als er die Mitgliedstaaten ohne Voraussetzungen oder Einschränkungen ermächtige, die Menge an Waren zu begrenzen, die von den Reisenden umsatz- und sonderverbrauchsteuerfrei eingeführt werden könnten.

60 Da sie allgemeine Rechtsgrundsätze und bestimmte von der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützte Grundrechte verletzten, stellten die beanstandeten Bestimmungen daher eine hinreichend qualifizierte Verletzung höherrangiger Normen dar.

61 Der Rat wendet ein, dass die Annahme des Gemeinsamen Zolltarifs es ihm nicht verbiete, davon abzuweichen, wenn die Wirtschaftslage dies verlange, wie es im Übrigen in Artikel 27 Buchstabe d EG vorgesehen sei.

62 Die rückwirkende Anwendung der Verordnung Nr. 2744/98 sei durch das mit ihr angestrebte Ziel gerechtfertigt gewesen und habe das berechtigte Vertrauen der Klägerin nicht enttäuschen können. Ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer habe durch die Verlängerung der streitigen gemeinschaftsrechtlichen Ausnahme nicht überrascht werden können.

63 Außerdem sei jede den Mitgliedstaaten in einer Richtlinie zugestandene Ausnahme in den vom EG-Vertrag gesetzten Grenzen und insbesondere unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durchzuführen.

64 Der Rat habe keineswegs eine Rechtsnorm verletzt, die bezwecke, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, sondern habe die unterschiedlichen öffentlichen und privaten Belange ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen. Im Übrigen solle die Zollbefreiung zugunsten der Reisenden nicht den Händlern, die - wie die Klägerin - in Drittstaaten ansässig seien, sondern nur den Reisenden selbst Rechte verleihen.

65 Die Klägerin macht, zweitens, geltend, dass ihr aufgrund der beanstandeten Rechtsverstöße ein schwerer Schaden entstanden sei, den der Rat, dem das haftungsbegründende Verhalten zuzurechnen sei, nach Artikel 288 Absatz 2 EG zu ersetzen habe.

66 Die rückwirkende Senkung des wertmäßigen Freibetrags nach der Verordnung Nr. 2744/98 von 175 auf 75 ECU mit Wirkung vom 1. Januar 1998 und die anschließende Anhebung auf 100 ECU mit Wirkung vom 1. Januar 1999 habe den gemeinschaftsrechtlichen Freibetrag von 175 ECU, der den Kunden der Klägerin zugestanden hätte, erheblich eingeschränkt. Dadurch sei der Klägerin seit dem 1. Januar 1998 ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden entstanden.

67 Auch die Begrenzung der Hoechstmengen für Tabakwaren, die umsatz- und sonderverbrauchsteuerfrei eingeführt werden könnten, durch Artikel 5 Absatz 8 der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung habe der Klägerin seit dem 1. Juli 1997 einen erheblichen Schaden verursacht.

68 Der Rat entgegnet, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass ihr tatsächlich ein Schaden entstanden sei, da sie keine beweiskräftigen Unterlagen vorgelegt habe. Hilfsweise weist der Rat die von der Klägerin vorgelegte Schadensbemessung zurück.

69 Die Klägerin macht schließlich geltend, dass der abweichende Freibetrag von 75 ECU in einer unmittelbar geltenden Gemeinschaftsverordnung vorgesehen sei und dass diese, soweit sie der Republik Österreich nicht gestatte, einen anderen Betrag festzulegen, die unmittelbare Ursache für den Schaden sei.

70 Der Rat wendet ein, dass die streitigen Gemeinschaftsbestimmungen den österreichischen Behörden, die den Freibetrag auch höher hätten festsetzen können, ein gewisses Ermessen gelassen hätten. Aufgrund des Spielraums, über den diese Behörden verfügt hätten, bestehe im vorliegenden Fall kein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem dem Rat vorgeworfenen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden.

Würdigung durch das Gericht

Zum Kausalzusammenhang zwischen dem dem Rat vorgeworfenen Verhalten und dem geltend gemachten Schaden

71 Nach ständiger Rechtsprechung setzt die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft voraus, dass derjenige, der Schadensersatz fordert, die Rechtswidrigkeit des dem Organ vorgeworfenen Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und dem geltend gemachten Schaden beweist (Urteile des Gerichtshofes vom 29. September 1982 in der Rechtssache 26/81, Oleifici Mediterranei/EWG, Slg. 1982, 3057, Randnr. 16, und vom 14. Januar 1993 in der Rechtssache C-257/90, Italsolar/Kommission, Slg. 1993, I-9, Randnr. 33).

72 Der nach Artikel 288 Absatz 2 EG erforderliche Kausalzusammenhang setzt voraus, dass ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des Verhaltens des betreffenden Organs und dem geltend gemachten Schaden besteht, d. h., dass sich der Schaden unmittelbar aus dem beanstandeten Verhalten ergibt (Urteile des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1979 in den Rechtssachen 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, Dumortier frères u. a./Rat, Slg. 1979, 3091, Randnr. 21, und vom 5. März 1996 in den Rechtssachen C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 51; Urteile des Gerichts vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache T-175/94, International Procurement Services/Kommission, Slg. 1996, II-729, Randnr. 55, und vom 25. Juni 1997 in der Rechtssache T-7/96, Perillo/Kommission, Slg. 1997, II-1061, Randnr. 41).

73 Für einen solchen unmittelbaren Zusammenhang trägt der Kläger die Beweislast (Urteil des Gerichts vom 18. September 1995 in der Rechtssache T-168/94, Blackspur u. a./Rat und Kommission, Slg. 1995, II-2627, Randnr. 40).

74 Da die drei Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft kumulativ sind, genügt es für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt (Urteil des Gerichtshofes vom 9. September 1999 in der Rechtssache C-257/98 P, Lucaccioni/Kommission, Slg. 1999, I-5251, Randnr. 14; Urteil des Gerichts vom 24. April 2002 in der Rechtssache T-220/96, EVO/Rat und Kommission, Slg. 2002, II-2265, Randnr. 39).

- Zum Schaden, der auf die Begrenzung des wertmäßigen Freibetrags für Einfuhren von anderen Waren als Tabakwaren, alkoholischen Erzeugnissen, Parfums und Toilettenwasser durch den Reisenden zurückzuführen sein soll

75 Aus der Wiedergabe des rechtlichen Rahmens des Rechtsstreits in den Randnummern 6 bis 20 geht hervor, dass die Republik Österreich zunächst durch Artikel 2 der Verordnung Nr. 355/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 3316/94 ermächtigt war, vor dem 1. Januar 1998 auf die fraglichen Waren nicht den Gemeinschaftsfreibetrag von 175 ECU, sondern vom 1. Januar 1995, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Beitrittsvertrags, bis zum 31. Dezember 1997 den abweichenden Freibetrag von 75 ECU anzuwenden.

76 Anschließend ist die der Republik Österreich gewährte Ermächtigung, den Gemeinschaftsfreibetrag von 175 ECU nicht anzuwenden, durch Artikel 2 der Verordnung Nr. 355/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 2744/98 rückwirkend ab dem 1. Januar 1998 bis zum 1. Januar 2003 verlängert worden; die Republik Österreich wurde nur dazu verpflichtet, einen Freibetrag anzuwenden, der bis zum 31. Dezember 1998 mindestens 75 ECU und ab 1. Januar 1999 mindestens 100 ECU betrug und dann stufenweise anzuheben war; spätestens am 1. Januar 2003 musste er 175 ECU erreichen.

77 Der Rat hat mit dem Erlass der von der Klägerin beanstandeten Verordnung Nr. 2744/98 Österreich daher lediglich dazu verpflichtet, einen Mindestbetrag für die Zollbefreiung zu beachten, der unterhalb des sonst geltenden Gemeinschaftsminimums lag. Damit hat er Österreich nicht dazu verpflichtet, von dieser Ausnahmeregelung Gebrauch zu machen.

78 Es stand Österreich somit jederzeit frei, den Freibetrag in innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf das gemeinschaftsrechtliche Niveau von 175 ECU anzuheben und so die Ausnahmesituation zu beenden, ohne den Ablauf der in Artikel 2 der Verordnung Nr. 355/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 2744/98 festgelegten Frist abzuwarten.

79 Die Verordnung Nr. 2744/98 stellte daher insoweit eine bloße Ermächtigung - aber keine Verpflichtung - Österreichs dar, niedrigere Mindestfreibeträge als die gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen vorzusehen.

80 Diese Verordnung war also für den geltend gemachten Schaden nicht unmittelbar ursächlich, da Österreich Freibeträge festlegte, die ihm gemeinschaftsrechtlich nicht vorgeschrieben waren.

81 Dabei kann die Klägerin aus der unmittelbaren Geltung von Gemeinschaftsverordnungen nicht ableiten, dass Österreich bei der Anwendung der fraglichen Bestimmungen nicht über ein Ermessen verfügt hätte.

82 Die unmittelbare Geltung einer Gemeinschaftsverordnung steht nämlich weder dem, dass im Text einer Verordnung ein Mitgliedstaat zum Erlass von Rechts-, Verwaltungs- und Finanzvorschriften zu ihrer Durchführung ermächtigt wird (vgl. Urteil vom 27. September 1979 in der Rechtssache 230/78, Eridania, Slg. 1979, 2749, Randnr. 34), noch dem entgegen, dass die Mitgliedstaaten dabei über ein Ermessen verfügen (Urteil des Gerichtshofes vom 30. November 1978 in der Rechtssache 31/78, Bussone, Slg. 1978, 2429, Randnr. 10).

83 Es ist jedoch weiter zu prüfen, ob überhaupt ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit der Verordnung Nr. 2744/98, die auf der Rückwirkung ihrer Bestimmungen zum 1. Januar 1998 beruhen soll, und dem Schaden bestehen kann, den die Klägerin vom 1. Januar 1998 bis zum 19. Dezember 1998, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung, erlitten zu haben behauptet.

84 Selbst wenn die Verordnung Nr. 2744/98, die am 19. Dezember 1998 in Kraft getreten ist, rechtswidrig gewesen wäre, weil sie die Ausnahme zugunsten der Republik Österreich rückwirkend zum 1. Januar 1998 verlängerte, hätte sie doch nicht unmittelbar den Schaden verursachen können, der der Klägerin zwischen dem 1. Januar und dem 19. Dezember 1998 angeblich entstanden ist.

85 Denn Österreich hat ohne vorherige Ermächtigung durch den Rat einseitig gemäß § 97a des Zollrechts-Durchführungsgesetzes (zitiert oben in Randnr. 15) beschlossen, den Freibetrag für die fraglichen Waren ab dem 1. Januar 1998 auf 75 ECU zu "senken".

86 Zu diesem Zeitpunkt war die Ausnahme, die Österreich in Artikel 2 der Verordnung Nr. 355/94 in der Fassung der Verordnung Nr. 3316/94 eingeräumt worden war, abgelaufen, so dass eigentlich der auf 175 ECU festgesetzte Gemeinschaftsfreibetrag hätte gelten müssen.

87 Für die Einfuhren nach Österreich, die die betreffenden Reisenden vom 1. Januar 1998 bis zum 19. Dezember 1998 tätigten, galt daher nur aufgrund von Vorschriften, die Österreich ohne vorherige gemeinschaftsrechtliche Ermächtigung erlassen hatte, ein auf 75 ECU begrenzter Freibetrag.

88 Da die Bestimmung der Verordnung Nr. 2744/98, die die Situation der Republik Österreich im Nachhinein gemeinschaftsrechtlich bereinigen sollte, indem sie diese rückwirkend ermächtigte, seinerzeit noch nicht erlassen war, wirkte sie sich auf die Entstehung des von der Klägerin geltend gemachten Schadens nicht aus.

89 Die Frage der Rechtswidrigkeit der in der Verordnung Nr. 2744/98 enthaltenen rückwirkenden Ausnahme ist demnach für die Prüfung des Schadensersatzantrags der Klägerin ohne Bedeutung.

90 Nach alledem ist der Schaden, der der Klägerin seit dem 1. Januar 1998 durch die Begrenzung der wertmäßigen Freibeträge für die Einfuhren der Reisenden angeblich entstanden ist, nicht die unmittelbare Folge der Gemeinschaftsvorschriften, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, und der Kausalzusammenhang zwischen dem dem Rat vorgeworfenen Fehlverhalten und dem geltend gemachten Schaden ist nicht eng genug, um die Haftung der Gemeinschaft zu begründen.

- Zum Schaden, der auf die Begrenzung der Mengen an Tabakwaren, alkoholischen Erzeugnissen, Parfums und Toilettenwasser, die von den Reisenden steuerfrei eingeführt werden können, zurückzuführen sein soll

91 Artikel 5 Absatz 8 der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung beschränkt sich ausdrücklich darauf, den Mitgliedstaaten die Befugnis einzuräumen, die Warenmengen nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben a und d dieser Richtlinie, für die die Befreiung gilt, niedriger festzusetzen.

92 Wie sich aus Randnummer 20 ergibt, wurden die Tabakwarenmengen, die steuerfrei eingeführt werden konnten, unter Inanspruchnahme der den Mitgliedstaaten in der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung erteilten Ermächtigung durch § 3a der Verordnung des österreichischen Bundesministers für Finanzen, mit der die Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung geändert wird, verringert.

93 Wie die Klägerin selbst in ihrer Klageschrift vorträgt, sind es also diese nationalen Vorschriften, durch die die Warenmengen, die die betreffenden Reisenden verbrauchsteuerfrei einführen konnten, erheblich verringert wurden.

94 Demnach kann das Verhalten des Rates nicht als unmittelbar ursächlich für den Schaden angesehen werden, der der Klägerin durch die Verringerung der Warenmengen, die verbrauchsteuerfrei eingeführt werden konnten, entstanden sein soll.

95 Die Republik Österreich hat dadurch, dass sie von einer ihr in den beiden beanstandeten Gemeinschaftsakten, nämlich der Verordnung Nr. 2744/98 und Artikel 5 Absatz 8 der Richtlinie 69/169 in der geänderten Fassung, eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht hat, zum einen wertmäßige Freibeträge angewandt, die unter dem Gemeinschaftsniveau von 175 ECU lagen, und zum anderen die Mengen der steuerfrei einführbaren Waren auf einen Bruchteil der vom Gemeinschaftsgesetzgeber zugelassenen Hoechstgrenze begrenzt.

96 Ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Rates und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden besteht daher nicht, so dass die Gemeinschaft nicht haftet.

97 Die Schadensersatzklage ist folglich abzuweisen, ohne dass zu prüfen wäre, ob die Klägerin ein Fehlverhalten des Rates nachgewiesen hat oder ob und in welcher Höhe ihr tatsächlich ein Schaden entstanden ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

98 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

99 Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Rates außer ihren eigenen Kosten die Kosten des Rates aufzuerlegen.

100 Nach Artikel 87 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaftsorgane, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

101 Demnach tragen die Kommission, die Republik Österreich und die Republik Finnland ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Rates.

3. Die Kommission, die Republik Österreich und die Republik Finnland tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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