Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 11.07.1996
Aktenzeichen: T-146/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 138e
EG-Vertrag Art. 173
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Klageschrift muß gemäß Artikel 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts den Streitgegenstand angeben, was bedeutet, daß dieser Gegenstand so genau beschrieben werden muß, daß der Beklagte sich sachgemäß verteidigen und das Gericht den Gegenstand der Klageanträge erfassen kann; Anträge auf Nichtigerklärung aller im Verfahren der Ernennung des Europäischen Bürgerbeauftragten getroffenen Rechtsakte, die sich nach dem Inhalt der Klageschrift nicht identifizieren lassen, sind daher mangels hinreichender Genauigkeit als unzulässig zurückzuweisen.

2. Die Nichtigkeitsklage einer natürlichen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Entscheidung ist nach Artikel 173 Absatz 4 des Vertrages nur zulässig, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft. Insoweit kann eine Person nur dann geltend machen, von der angefochtenen Entscheidung gemäß Artikel 173 Absatz 4 individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.

Deshalb ist eine Klage auf Nichtigerklärung eines Aufrufs zur Einreichung von Bewerbungen für die Ernennung des Europäischen Bürgerbeauftragten, der sich naturgemäß an eine unbestimmte Zahl von Personen richtet, als unzulässig abzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob es sich bei der betreffenden Handlung um eine Handlung des Europäischen Parlaments mit Rechtswirkung gegenüber Dritten im Sinne von Artikel 173 Absatz 1 handelt.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 11. Juli 1996. - Giorgio Bernardi gegen Europäisches Parlament. - Nichtigkeitsklage - Europäischer Bürgerbeauftragter - Bewerbung - Ernennungsverfahren - Unzulässigkeit - Diskriminierungsverbot. - Rechtssache T-146/95.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Durch Artikel 138e EG-Vertrag, eingefügt durch Artikel G Nummer 41 des Vertrages über die Europäische Union, wurde das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten geschaffen. Der Bürgerbeauftragte wird nach dieser Bestimmung vom Parlament ernannt.

2 Nachdem ein erstes Ernennungsverfahren im Juli 1994 ohne Ergebnis geblieben war, leitete das Parlament ein neues Verfahren ein.

3 Zu diesem Zweck beschloß es in seiner Plenarsitzung vom 16. Mai 1995 eine Änderung des Artikels 159 seiner Geschäftsordnung.

4 Dieser Artikel bestimmt seither:

"1. Der Präsident [des Parlaments] ruft... zu Bewerbungen für das Amt des Bürgerbeauftragten auf und legt die Frist für die Einreichung der Kandidaturen fest. Dieser Aufruf wird im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

2. Die Kandidaturen müssen von mindestens neunundzwanzig Mitgliedern des Parlaments aus mindestens zwei Mitgliedstaaten unterstützt werden.

Jedes Mitglied kann nur eine einzige Kandidatur unterstützen.

Den Kandidaturen müssen alle erforderlichen Belege beigefügt sein, aus denen sich mit Gewißheit feststellen lässt, daß der Bewerber die in den Regelungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten festgelegten Anforderungen erfuellt.

3. Die Kandidaturen werden dem zuständigen Ausschuß übermittelt; dieser kann verlangen, die Betreffenden zu hören.

..."

5 Am 23. Mai 1995 veröffentlichte das Parlament einen "Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen im Hinblick auf die Ernennung des Europäischen Bürgerbeauftragten" (ABl. C 127, S. 4, im folgenden: Aufruf oder Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen). Der einzige Artikel des Aufrufs gibt den Wortlaut des Artikels 159 Absatz 2 der Geschäftsordnung wieder und enthält in Absatz 3 die Aufforderung an die Kandidaten, ihre Bewerbungen bis zum 16. Juni 1995 einschließlich an den Präsidenten des Parlaments zu richten.

6 Der Kläger sandte am 9. Juni 1995 an den Präsidenten des Parlaments ein Schreiben, dem er ein Bewerbungsschreiben für das Amt des Europäischen Bürgerbeauftragten beifügte. Dabei äusserte er unter zwei Gesichtspunkten Einwände gegen das Erfordernis der Unterstützung einer Bewerbung durch 29 Mitglieder des Parlaments. Erstens machte er Bedenken formaler Art geltend: Es sei unklar, in welcher Art und Weise die Unterstützung zum Ausdruck gebracht werden müsse, welche Kategorien von Abgeordneten (europäische oder nationale Abgeordnete) die Bewerbung unterstützen müssten und zu welchem Zeitpunkt die Unterstützung erklärt sein müsse. Zweitens erhob er Einwände materiell-rechtlicher Art: Es bedeute eine Beeinträchtigung der in Artikel 138e EG-Vertrag niedergelegten Unabhängigkeit des Bürgerbeauftragten, wenn er durch 29 Parlamentsmitglieder unterstützt worden sei. Deshalb, so der Kläger weiter, enthalte seine Bewerbung nicht die Namen von 29 ihn unterstützenden Abgeordneten. Um dieser Anforderung zu genügen, bat er den Präsidenten des Parlaments, seine Bewerbung, sofern es ihm angebracht erscheine, nach Übersetzung in alle Amtssprachen der Union unverzueglich an die Abgeordneten und Fraktionen des Parlaments verteilen zu lassen.

7 Mit Fax vom 15. Juni 1995 teilte der Generalsekretär des Parlaments dem Kläger mit, daß seine Bewerbung in das Register eingetragen worden sei, daß aber die Kanzlei nicht befugt sei, "durch eine Verteilung von Bewerbungen bei den Mitgliedern zwecks Erlangung ihrer Unterstützung gemäß Artikel 159 Absatz 2 der Geschäftsordnung in das Verfahren einzugreifen".

8 Am gleichen Tag sandte der Kläger seine Bewerbung mit einem Anschreiben per Fax an die Fraktionsvorsitzenden und als Brief an die Parlamentsmitglieder aus den neuen Mitgliedstaaten der Union.

9 Mit handschriftlichem Schreiben vom 23. Juni 1995 bat er sodann den Parlamentspräsidenten um Beantwortung seines Schreibens vom 9. Juni 1995. In diesem Schreiben vom 23. Juni betonte er, nur durch die Verteilung seiner Bewerbung könne dem Erfordernis der Unterstützung durch 29 Parlamentsmitglieder ohne Preisgabe der Unabhängigkeit des Bürgerbeauftragten genügt werden. Mit Rücksicht auf die Unabhängigkeit des Bürgerbeauftragten trete er auch der Bewerbung von Persönlichkeiten des politischen Lebens entgegen.

10 Mit Schreiben vom 4. Juli 1995 bekräftigte der Generalsekretär des Parlaments seine Antwort vom 15. Juni 1995.

Verfahren

11 Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 2. Juli 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag erhoben. Die Rechtssache wurde unter der Nummer C-228/95 in das Register eingetragen.

12 Mit besonderem Schriftsatz, der am gleichen Tag bei der Kanzlei eingegangen ist, hat der Kläger gemäß den Artikeln 186 EG-Vertrag und 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt, der unter der Nummer C-228/95 R in das Register eingetragen worden ist.

13 Mit Beschluß vom 11. Juli 1995 hat der Gerichtshof festgestellt, daß sowohl für die Klage als auch für den Antrag auf einstweilige Anordnung das Gericht zuständig ist, und beide Rechtssachen gemäß Artikel 47 der EG-Satzung des Gerichtshofes an das Gericht verwiesen. Die beiden Rechtssachen sind am 13. Juli 1995 unter den Nummern T-146/95 und T-146/95 R in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden.

14 Der Präsident des Gerichts hat den Antrag auf einstweilige Anordnung mit Beschluß vom 18. August 1995 (Slg. 1995, II-2255) zurückgewiesen.

15 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

16 In der öffentlichen Sitzung vom 11. Juni 1996 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

17 Der Kläger beantragt in seiner Klageschrift,

die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

festzustellen,

° daß kein Ausschuß des Parlaments ausdrücklich und förmlich für "zuständig" im Hinblick auf Artikel 159 der Verfahrensordnung erklärt wurde;

° daß kein Beamter oder Abgeordneter ausdrücklich und förmlich mit der Prüfung der Bewerbungen betraut wurde;

° daß für etwaige Rechtsbehelfe gegen die Entscheidungen über die Unzulässigkeit oder Zulässigkeit der Bewerbungen keinerlei Frist festgelegt wurde;

° daß die Unabhängigkeit des Bürgerbeauftragten grundsätzlich unvereinbar ist mit dem Wirken als eine Persönlichkeit des politischen Lebens, die aktives Mitglied einer Partei und der Parteidisziplin sowie den verschiedenen politischen Bindungen unterworfen ist;

° daß die Kontrollaufgabe des Bürgerbeauftragten die vom Europäischen Parlament (und seinem Petitionsausschuß) wahrgenommene Aufgabe der politischen Kontrolle ergänzt;

den am 23. Mai 1995 veröffentlichten "Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen im Hinblick auf die Ernennung des Europäischen Bürgerbeauftragten" (ABl. C 127, S. 4) und alle damit zusammenhängenden und daraus folgenden Rechtsakte für nichtig zu erklären, so namentlich

° die Entscheidung Nr. 019473 des Generalsekretärs vom 15. Juni 1995, und zwar insbesondere insoweit, als mit ihr die Verteilung der Bewerbung des Klägers an die Mitglieder des Europäischen Parlaments abgelehnt wird;

° die schriftlich oder in sonstiger Form getroffenen Rechtsakte betreffend die Zulässigkeit der Bewerbungen der beteiligten Persönlichkeiten, insbesondere des politischen Lebens;

° die Verwaltungshandlungen aufgrund der öffentlichen Anhörung vom 28. und 29. Juni 1995;

zugleich festzustellen, daß die Bewerbung des Klägers zwar beim Europäischen Parlament tatsächlich eingegangen ist, daß ihm aber keine klare, schriftliche und begründete Entscheidung hierüber mitgeteilt und auch keine Gelegenheit gegeben worden ist, die etwaige Rechtswidrigkeit seines Ausschlusses festzustellen und gegebenenfalls zu rügen;

angesichts der Dringlichkeit auf jeden Fall

° das Verwaltungsverfahren der Ernennung des Europäischen Bürgerbeauftragten vor der für den 12. Juli 1995 in Straßburg vorgesehenen Abstimmung auszusetzen;

° den Anspruch des Klägers darauf festzustellen, daß seine Bewerbung und alle sie stützenden oder mit ihr zusammenhängenden Schriftstücke einschließlich der Klage und des Antrags auf einstweilige Anordnung in Kopie sämtlichen Mitgliedern des Parlaments zur Kenntnis gebracht werden; hilfsweise

° festzustellen, daß der Kläger Anspruch darauf hat, vor (hilfsweise während) der für den 12. Juli 1995 in Straßburg vorgesehenen Abstimmung des Europäischen Parlaments angehört zu werden;

die im "Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen im Hinblick auf die Ernennung des Europäischen Bürgerbeauftragten" festgelegten Fristen wieder zu eröffnen, bis die ° ordnungsgemäß in alle, hilfsweise die wichtigsten Amtssprachen übersetzte ° Bewerbung des Klägers (und der anderen Kandidaten) sowie die diesbezueglichen Schriftstücke an die Mitglieder des Europäischen Parlaments übrmittelt worden sind;

alle erforderlichen rechtlichen Maßnahmen anzuordnen;

mit Dringlichkeit den Anspruch des Klägers darauf festzustellen, daß das Europäische Parlament ° auf eigene Kosten ° den (im Verzeichnis des Parlaments vom März 1995 oder gegebenenfalls in aktuellerer Fassung aufgeführten) 626 Abgeordneten der fünfzehn Länder der Europäischen Union eine in die elf Amtssprachen übersetzte Kopie der Klage, des Antrags auf einstweilige Anordnung und ° am Tage ihres Erlasses ° der beantragten Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung übermittelt;

dem Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

andere Ansprüche, weiteres Vorbringen und weitere Anträge ausdrücklich und uneingeschränkt vorzubehalten.

18 In seiner Erwiderung beantragt der Kläger,

festzustellen, daß die Nichtanwendung des Artikels 36 der EG-Satzung des Gerichtshofes eine "Rechtsverweigerung" ihm gegenüber bedeutet;

festzustellen, daß der am 26. Juni 1995 eingereichte (und am selben Tag nachmittags sowie am 28. Juni und 2. Juli 1995 wiederholte) Dringlichkeitsantrag erst (und nur teilweise) am 11. Juli 1995 mit dem Verweisungsbeschluß und am 18. August 1995 mit dem Beschluß über die Zurückweisung berücksichtigt worden ist;

festzustellen, daß dadurch, insbesondere angesichts der gegebenen Dringlichkeit, der Grundsatz der "angemessenen Verfahrensdauer" verletzt worden ist;

festzustellen, daß das Grundrecht auf Verteidigung gemäß den Artikeln 6, 13 und 14 der Straßburger Konvention allgemein verletzt wurde;

die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

allen bereits gestellten Anträgen stattzugeben;

andere Ansprüche, weiteres Vorbringen und weitere Anträge uneingeschränkt vorzubehalten.

19 Der Beklagte beantragt,

° die Klage für unzulässig zu erklären;

° hilfsweise die Klage als unbegründet abzuweisen;

° über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Zur Zulässigkeit

20 Nach Auffassung des Parlaments sind die Nichtigkeitsanträge unzulässig, da der Kläger durch die angefochtenen Handlungen nicht im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag unmittelbar und individuell betroffen sei und deshalb kein Rechtsschutzinteresse habe. Ob die übrigen Anträge zulässig seien, werde der Prüfung von Amts wegen durch das Gericht überlassen.

21 Der Kläger macht geltend, als Unionsbürger und unabhängiger Kandidat habe er ohne weiteres und unmittelbar ein Rechtsschutzinteresse.

22 Gemäß Artikel 113 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Zulässigkeit der Klage unter allen Gesichtspunkten von Amts wegen prüfen, da sie eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung ist.

23 Zunächst ist festzustellen, daß im Rahmen einer Nichtigkeitsklage Anträge, mit denen lediglich die Feststellung tatsächlicher oder rechtlicher Verhältnisse begehrt wird, als solche nicht zulässig sein können.

24 Alle Anträge dieser Art sind deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

25 Zweitens muß der Kläger gemäß Artikel 44 Absatz 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung in seiner Klageschrift den Streitgegenstand angeben. Das bedeutet, daß der Streitgegenstand so genau beschrieben werden muß, daß der Beklagte sich sachgemäß verteidigen und das Gericht den Gegenstand der Klageanträge erfassen kann.

26 Nicht hinreichend genau ist der Antrag auf Nichtigerklärung "alle[r] damit zusammenhängenden und daraus folgenden Rechtsakte", namentlich der "schriftlich oder in sonstiger Form getroffenen Rechtsakte betreffend die Zulässigkeit der Bewerbungen der beteiligten Persönlichkeiten, insbesondere des politischen Lebens" und der "Verwaltungshandlungen aufgrund der öffentlichen Anhörung vom 28. und 29. Juni 1995" ; diese Rechtsakte und Handlungen lassen sich nach dem Inhalt der Klageschrift auch nicht identifizieren (vgl. Beschluß des Gerichts vom 29. November 1993 in der Rechtssache T-56/92, Kölmann/Kommission, Slg. 1993, II-1267, Randnr. 19).

27 Ebenfalls zu ungenau ist der Antrag, "alle erforderlichen rechtlichen Maßnahmen anzuordnen". Wenn er dahin auszulegen wäre, daß mit ihm die Erteilung einer Anordnung gegenüber dem Parlament begehrt wird, wäre er überdies deshalb unzulässig, weil das Gericht im Rahmen einer Klage nach Artikel 173 EG-Vertrag nicht befugt ist, an die Organe Anordnungen zu richten (vgl. Urteil Kölmann/Kommission, a. a. O., Randnr. 18).

28 Alle genannten Anträge sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

29 Drittens ist ein Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung mit besonderem Schriftsatz einzureichen.

30 Aus diesem Grund sind auch die in der Klageschrift gestellten Anträge auf einstweilige Anordnung unzulässig (vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Mai 1996 in der Rechtssache T-140/94, Enrique Gutiérrez de Quijano y Llorens/Parlament, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32). Über diese Anträge auf einstweilige Anordnung in der Klageschrift wäre ohnehin nicht mehr zu entscheiden, nachdem der Kläger bereits mit besonderem Schriftsatz vom 2. Juli 1995 identische Anträge gestellt hatte und diese vom Präsidenten des Gerichts mit Beschluß vom 18. August 1995 zurückgewiesen worden sind.

31 Viertens ergibt sich aus Artikel 19 der EG-Satzung des Gerichtshofes und Artikel 44 der Verfahrensordnung, daß neue Anträge in der Erwiderung des Klägers unzulässig sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 1993 in der Rechtssache T-22/92, Weissenfels/Parlament, Slg. 1993, II-1095, Randnr. 27).

32 Mit Ausnahme der Anträge, mit denen die Feststellung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage begehrt oder auf die Anträge in der Klageschrift Bezug genommen wird, weisen die Anträge des Klägers in der Erwiderung keinen Zusammenhang mit jenen in der Klageschrift auf. Sie sind deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

33 Was fünftens den Antrag auf Nichtigerklärung des Aufrufs zur Einreichung von Bewerbungen angeht, so ist die Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person gegen eine nicht an sie gerichtete Entscheidung nach Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag nur zulässig, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Kläger, der nicht Adressat einer Entscheidung ist, nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 211, 238).

34 Insoweit genügt die Feststellung, daß die angefochtene Handlung ein Aufruf zur Einreichung von Bewerbungen ist, der sich naturgemäß an eine unbestimmte Zahl von Personen richtet. Der Kläger ist daher nur so betroffen wie jeder andere potentielle Bewerber auch. Der Antrag auf Nichtigerklärung des Aufrufs ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob es sich bei dem Aufruf um eine Handlung des Europäischen Parlaments mit Rechtswirkung gegenüber Dritten im Sinne von Artikel 173 Absatz 1 EG-Vertrag handelt.

Zur Begründetheit

35 Nach den vorstehenden Ausführungen (Randnrn. 22 bis 34) ist ausser dem Kostenantrag nur der Antrag auf Nichtigerklärung des Schreibens des Generalsekretärs des Parlaments an den Kläger vom 15. Juni 1995 (vgl. oben, Randnr. 7) zulässig.

36 Soweit der Vortrag des Klägers überhaupt verständlich ist, stützt dieser den Antrag auf Nichtigerklärung dieser Entscheidung nur auf einen Klagegrund, nämlich einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, der darin liege, daß ihm eine wirksame Einreichung seiner Bewerbung für die Wahl in das Amt des Bürgerbeauftragten nicht möglich gewesen sei.

37 Nach ständiger Rechtsprechung untersagt es das Diskriminierungsverbot, vergleichbare Sachverhalte ohne objektiven Grund unterschiedlich zu behandeln (vgl. Urteil des Gerichts vom 24. April 1996 in den verbundenen Rechtssachen T-551/93, T-231/94, T-232/94, T-233/94 und T-234/94, Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 164).

38 Im vorliegenden Fall hat der Kläger nichts dafür vorgetragen, daß die übrigen Bewerber anders behandelt worden wären. Insbesondere hat er nicht belegt, daß die Kanzlei des Parlaments eine Verteilung anderer, unter vergleichbaren Umständen eingereichter Bewerbungen übernommen hätte.

39 Der einzige Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

40 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Parlament einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unbegründet abgewiesen, soweit mit ihr die Nichtigerklärung des Schreibens des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments vom 15. Juni 1995 begehrt wird.

2. Im übrigen wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück