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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 25.02.1997
Aktenzeichen: T-149/94
Rechtsgebiete: EAG, EWG


Vorschriften:

EAG Art. 60 Abs. 6
EAG Art. 53 Abs. 2
EAG Art. 162
EAG Art. 188 Abs. 2
EWG Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

6 Bei der Anwendung von Artikel 5bis der Vollzugsordnung der Euratom-Versorgungsagentur über das Verfahren betreffend die Gegenüberstellung von Angeboten und Nachfragen bei Erzen, Ausgangsstoffen und besonderen spaltbaren Stoffen, der im Rahmen eines "vereinfachten Verfahrens" vorsieht, daß jeder Liefervertrag der Agentur zur Unterzeichnung zum Zwecke des Vertragsabschlusses eingereicht werden muß und daß sich die Agentur dann innerhalb einer Frist von zehn Werktagen zu äussern hat, indem sie den Vertrag abschließt oder den Abschluß verweigert, nimmt der geographische Ursprung der zu liefernden Stoffe einen zentralen Platz unter den mitzuteilenden Elementen ein, da seine Kenntnis für die Agentur unerläßlich ist, um die angestrebte Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Daher ist ein uranverbrauchendes Unternehmen, das einen Liefervertrag eingereicht hatte, ohne den geographischen Ursprung der zu liefernden Stoffe anzugeben, obwohl sich die Vertragsparteien darüber zumindest impliziert geeinigt hatten, nicht berechtigt, sich auf die genannte Frist zu berufen. Dagegen ist die Agentur in einem solchen Fall vor Ablauf der Frist berechtigt, die Vertragsparteien zu ersuchen, ihr zur Vervollständigung der Akten den Ursprung der zu liefernden Stoffe mitzuteilen, und ihre Entscheidung sodann innerhalb einer angemessenen Frist zu treffen. Ein solches Vorgehen stellt weder eine Verletzung des Artikels 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung noch einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit oder der Rechtssicherheit dar.

7 Im Rahmen des EG-Vertrags, insbesondere gemäß Artikel 190 dieses Vertrages, muß die Begründung eines Rechtsakts die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben, daß es den Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme zu erkennen, und daß der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann; dabei ist der Umfang der Begründungspflicht nach ihrem Zusammenhang zu beurteilen. Da Artikel 162 EAG-Vertrag, der die Begründungspflicht betrifft, im wesentlichen den gleichen Wortlaut wie Artikel 190 EG-Vertrag hat, muß seine Auslegung derjenigen dieses Artikels entsprechen.

8 Der Begriff des Ermessensmißbrauchs hat im Gemeinschaftsrecht eine präzise Bedeutung; er bezieht sich auf eine Situation, in der eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck als demjenigen ausübt, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Eine Entscheidung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde.

9 Aus der Systematik des EAG-Vertrags und dem durch Kapitel 6 dieses Vertrages geschaffenen Versorgungssystem ergibt sich, daß die Euratom-Versorgungsagentur die Aufgabe hat, die Sicherheit der Versorgung mit Kernmaterial gemäß dem Grundsatz des gleichen Zugangs zu den Versorgungsquellen zu gewährleisten, und daß sie hierzu über das ausschließliche Recht verfügt, Verträge über die Lieferung dieser Erzeugnisse mit Ausländern innerhalb oder ausserhalb der Gemeinschaft abzuschließen. Insbesondere werden der Agentur durch das durch Artikel 5bis der Vollzugsordnung der Agentur über das Verfahren betreffend die Gegenüberstellung von Angeboten und Nachfragen bei Erzen, Ausgangsstoffen und besonderen spaltbaren Stoffen eingeführte vereinfachte Verfahren ihre ausschließlichen Rechte nicht genommen, so daß sie auch in diesem Rahmen berechtigt ist, einen Liefervertrag abzulehnen, der die Verwirklichung der Ziele des Vertrages beeinträchtigen könnte.

Zwar muß die Agentur bei der Ausübung ihres ausschließlichen Rechts zum Abschluß von Lieferverträgen den Grundsatz der Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage in der Regel einhalten, doch muß sie nach Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages auch in jedem Einzelfall prüfen, ob die Ausführung des Auftrags auf rechtliche oder sachliche Hindernisse stösst. Insoweit verfügt die Agentur, da es sich um Entscheidungen auf dem Gebiet der Wirtschafts-und Handelspolitik sowie der Kernenergiepolitik handelt, im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse über einen weiten Ermessensspielraum, so daß sich die Kontrolle durch das Gericht auf jeden Fall auf die Prüfung der Frage beschränken muß, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt.

Angesichts dieser Rechtslage kann die Agentur Einfuhren von Kernmaterial aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten zu Recht entgegentreten, wenn erstens bei einer Durchführung der Einfuhren in unbegrenzter Höhe die Diversifizierung der Versorgungsquellen ausserhalb der Gemeinschaft beeinträchtigt würde, wenn die Einfuhren zweitens, unter Verstoß gegen Artikel 14 des Handelsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken andererseits, nicht zu marktgerechten Preisen erfolgten und wenn sie drittens einem einzelnen Verbraucher gegenüber seinen Konkurrenten eine bevorzugte Stellung einräumten. Die Festsetzung eines Grenzwerts hinsichtlich der vertretbaren Abhängigkeit durch die Agentur nach Maßgabe der Marktlage ist eine zulässige Maßnahme, um den gleichen Zugang zu den Versorgungsquellen im Sinne von Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages zu garantieren.

10 Die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft ist an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft: Die den Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Handlung muß rechtswidrig sein, es muß ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein, und zwischen der Handlung und dem behaupteten Schaden muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 25. Februar 1997. - Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EAG-Vertrag - Nichtigkeitsklage und Schadensersatzklage - Abschluß eines Vertrages über die Lieferung von Uran - Vereinfachtes Verfahren - Befugnisse der Agentur - Frist für den Abschluß des Vertrages - Rechtliches Hindernis für den Abschluß - Diversifizierungspolitik - Ursprung des Urans - Marktgerechte Preise. - Verbundene Rechtssachen T-149/94 und T-181/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt, rechtlicher Rahmen und Verfahren

1 Die Kernkraftwerke Lippe-Ems GmbH (im folgenden: Klägerin) ist Eigentümerin und Betreiberin eines Kernkraftwerks in Niedersachsen (Deutschland). Nach ihrer Darstellung verfolgt sie eine mittelfristige Brennstoffbeschaffungspolitik; sie schließe in regelmässigen Abständen Lieferverträge ab, mit denen sie den Brennstoffbedarf von bis zu fünf Betriebsjahren decke.

2 Im Juni 1993 schrieb die Klägerin die Lieferung von Natururan in Form von Uranhexafluorid (im folgenden: UF6) aus. Am 10. und 22. November 1993 schloß sie einen Liefervertrag mit der British Nuclear Füls plc (im folgenden: BNFL), einer im Vereinigten Königreich niedergelassenen Gesellschaft, die das günstigste Angebot gemacht hatte. Nach diesem Vertrag sollten 400 t Natururan in Form von UF6 spätestens am 31. März 1995 an ein im Gemeinschaftsgebiet ansässiges Anreicherungsunternehmen geliefert werden. Es wurde ein Kaufpreis von 22 USD (ohne Mehrwertsteuer) pro kg vereinbart. Der Vertrag enthielt keine Angaben über das Ursprungsland des zu liefernden Urans, doch verpflichtet sich die BNFL, der Klägerin und der Euratom-Versorgungsagentur (im folgenden: Agentur) das Ursprungsland spätestens bei jeder Teillieferung mitzuteilen. Der Vertrag sollte nach seinem Wortlaut erst mit der Zustimmung durch die Agentur wirksam werden.

3 Artikel 5bis Buchstabe d der Vollzugsordnung der Agentur vom 5. Mai 1960 über das Verfahren betreffend die Gegenüberstellung von Angeboten und Nachfragen bei Erzen, Ausgangsstoffen und besonderen spaltbaren Stoffen (ABl. 1960, Nr. 32, S. 777; im folgenden: Vollzugsordnung), die auf der Grundlage von Artikel 60 Absatz 6 EAG-Vertrag (im folgenden: Vertrag) erlassen und durch die Verordnung der Agentur vom 15. Juli 1975 (ABl. L 193, S. 37) geändert wurde, sieht im Rahmen eines "vereinfachten Verfahrens" vor, daß Lieferverträge der Agentur zur Unterzeichnung zum Zwecke des Vertragsabschlusses eingereicht werden müssen. Nach Artikel 5bis Buchstabe f hat sich die Agentur dann innerhalb einer Frist von 10 Werktagen zu äussern, indem sie den Vertrag abschließt oder den Abschluß verweigert.

4 Am 29. November 1993 erhielt die Agentur den geplanten Vertrag zwischen der Klägerin und der BNFL zur Unterzeichnung.

5 Mit Schreiben vom 10. Dezember 1993, das am 13. Dezember 1993, d. h. am letzten Tag der für die Unterzeichnung vorgesehenen Frist von 10 Werktagen, zuging, bat die Agentur die Klägerin und die BNFL um Auskunft über den Ursprung des Urans, das Gegenstand des Vertrages war. Am 14. Dezember 1993 unterrichtete die BNFL die Agentur darüber, daß dieses Uran aus der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (im folgenden: GUS), vermutlich aus Rußland, stammen werde.

6 Mit Schreiben vom 20. Dezember 1993 teilte die Agentur den Vertragsparteien mit, daß ihre Politik darauf gerichtet sei, daß "die Verbraucher der Gemeinschaft [Europäische Atomgemeinschaft; im folgenden: Gemeinschaft oder EAG] nicht über ein vernünftiges Maß hinaus von einer einzelnen Versorgungsquelle abhängig werden und daß der Erwerb von Kernmaterial aus den Republiken der GUS zu marktgerechten Preisen (d. h. zu Preisen, die die Produktionskosten widerspiegeln und mit den Preisen in Ländern mit Marktwirtschaft vergleichbar sind) erfolgt". Sie legte dar, daß durch ihre Diversifizierungspolitik der Anteil der Lieferungen aus der GUS auf 20 % bis 25 % des Bedarfs der einzelnen Verbraucher der Gemeinschaft beschränkt werden solle. Der von der Klägerin vorgelegte Vertrag bringe die Gefahr mit sich, daß sie in eine zu grosse Abhängigkeit von Uran aus der GUS gerate. Nach ihren Berechnungen stehe der Klägerin in Anbetracht der in den letzten drei Jahren an sie gelieferten Gesamtmenge das Recht zu, pro Jahr ungefähr 45 t Natururan aus der GUS zu erwerben. Die Klägerin habe aber bereits Mengen erworben, die das Niveau einer vertretbaren Abhängigkeit deutlich und für mehrere Jahre überschritten. Ausserdem spiegelten die vorgeschlagenen Preise nicht die normalen Produktionskosten wider und seien nicht mit den Preisen in Ländern mit Marktwirtschaft vergleichbar. Die Agentur vertrat deshalb die Auffassung, daß der Abschluß des Vertrages unangemessen wäre, bat aber die Parteien noch, ihr vor Erlaß einer endgültigen Entscheidung ihre Bemerkungen mitzuteilen.

7 Am 29. Dezember 1993 wandte sich die Klägerin unter Berufung auf die Untätigkeit der Agentur gemäß Artikel 53 Absatz 2 des Vertrages an die Kommission.

8 Am 6. Januar 1994 wurde ihr die Entscheidung Nr. 1/94 der Agentur betreffend den am 29. November 1993 eingereichten Liefervertrag zugestellt. Nach dieser Entscheidung schloß die Agentur den Vertrag vom 10. und 22. November 1993 zwischen der Klägerin und der BNFL unter der Bedingung ab, daß das zu liefernde Natururan weder unmittelbar noch mittelbar aus der GUS stamme.

9 Am 10. Januar 1994 teilte die Kommission den Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin mit, daß die der Klägerin am 6. Januar übermittelte Entscheidung der Agentur fristgerecht ergangen sei, so daß das Unterbreitungsverfahren gegenstandslos geworden sei.

10 Mit Schreiben vom 20. Januar 1994 ergänzte die Klägerin ihr Vorbringen in dem am 29. Dezember 1993 eingeleiteten Verfahren, um der erwähnten Entscheidung Nr. 1/94 Rechnung zu tragen.

11 Ausserdem unterbreitete sie mit einem zweiten Schreiben vom selben Tag diese Entscheidung gemäß Artikel 53 Absatz 2 des Vertrages der Kommission.

12 In dem ersten, wegen der angeblichen Untätigkeit der Agentur eingeleiteten Verfahren erließ die Kommission am 4. Februar 1994 die Entscheidung 94/95/Euratom zur Anwendung von Artikel 53 Absatz 2 EAG-Vertrag (ABl. L 48, S. 45). Sie wies die Anträge der Klägerin ab, die auf dem Vorbringen beruhten, daß sich die Agentur nicht fristgerecht geäussert habe, und insbesondere darauf gerichtet waren, daß die Kommission die Agentur anweise, den Vertrag vom 10. und 22. November 1993 abzuschließen. Nach Auffassung der Kommission lag keine Untätigkeit der Agentur vor, weil diese berechtigt gewesen sei, ihre Akten zu vervollständigen, und weil die Frist von 10 Werktagen folglich erst zu dem Zeitpunkt, zu dem sie die erbetenen ergänzenden Angaben erhalten habe, d. h. am 14. Dezember 1993, in Lauf gesetzt worden und erst am 6. Januar 1994, dem Zeitpunkt, zu dem sie die Entscheidung Nr. 1/94 tatsächlich erlassen habe, abgelaufen sei.

13 In dem Verfahren, das die erwähnte Entscheidung Nr. 1/94 zum Gegenstand hatte, erließ die Kommission am 21. Februar 1994 die Entscheidung 94/285/Euratom zur Anwendung von Artikel 53 Absatz 2 EAG-Vertrag (ABl. L 122, S. 30). Sie vertrat die Ansicht, daß die Entscheidung der Agentur in der Sache rechtmässig sei, und wies die Anträge der Klägerin folglich ab.

14 Unter diesen Umständen gelangte die Klägerin zu der Auffassung, daß der in Rede stehende Liefervertrag nicht durchgeführt werden könne. Im Einvernehmen mit der BNFL nahm sie von diesem Vertrag Abstand.

15 Am 8. und 14. März 1994 schlossen die Klägerin und die BNFL einen neuen Vertrag über die Lieferung von 400 t Uran in Form von UF6 zum Preis von 27 USD pro kg, und zwar unter der Bedingung, daß das Material weder unmittelbar noch mittelbar aus der GUS stamme. Dieser Vertrag wurde von der Agentur am 30. März 1994 abgeschlossen.

16 Die Klägerin hat mit Klageschriften, die am 11. und 27. April 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegenden Klagen erhoben, die unter den Nummern T-149/94 und T-181/94 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden sind.

17 Mit Beschluß vom 23. März 1995 hat das Gericht (Erste erweiterte Kammer) diese beiden Rechtssachen zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

18 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die Klägerin hat vor der mündlichen Verhandlung die Fragen, die ihr vom Gericht im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen gestellt worden waren, schriftlich beantwortet. In der Sitzung vom 18. September 1996 haben die Parteien mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

19 In der Rechtssache T-149/94 beantragt die Klägerin,

- die Entscheidung 94/95 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens aufzuerlegen.

20 In dieser Rechtssache beantragt die Kommission,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

21 In der Rechtssache T-181/94 beantragt die Klägerin,

- die Entscheidung 94/285 für nichtig zu erklären;

- die Euratom zum Ersatz des Schadens der Klägerin in Höhe von 3 511 279,30 DM zuzueglich 6 % Zinsen seit dem 7. April 1994 zu verurteilen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens einschließlich des Vorverfahrens - soweit nicht im Rahmen des Schadensersatzantrags bereits berücksichtigt - aufzuerlegen.

22 In dieser Rechtssache beantragt die Kommission,

- die Nichtigkeitsklage abzuweisen;

- die Schadensersatzklage als unzulässig oder, hilfsweise, als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Klage T-149/94

23 Die Klägerin macht fünf Nichtigkeitsgründe geltend, nämlich eine Verletzung des Artikels 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung und der Bestimmungen über die Versorgung in Kapitel 6 des Vertrages, einen Verstoß gegen den Verhältnismässigkeitsgrundsatz und den Grundsatz der Rechtssicherheit, eine Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeitsverteilung, einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und einen Ermessensmißbrauch.

24 Mit dem ersten und dem zweiten Klagegrund wird der Agentur die Befugnis bestritten, ergänzende Auskünfte zu verlangen und eine abschließende Entscheidung erst dann zu treffen, wenn die Akten vollständig sind, d. h. die nach Artikel 5bis Buchstabe c der Vollzugsordnung erforderlichen Mindestangaben enthalten.

25 Diese beiden Klagegründe sind gemeinsam zu prüfen.

Erster und zweiter Klagegrund: Verletzung des Artikels 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung und Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und Rechtssicherheit

1. Zusammenfassung des Parteivorbringens

26 Die Klägerin macht erstens geltend, daß die streitige Entscheidung gegen Artikel 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung verstosse. Nach dieser Vorschrift müsse sich die Agentur innerhalb einer Frist von 10 Werktagen, gerechnet vom Erhalt des Vertrages an, äussern, indem sie den bei ihr eingereichten Vertrag abschließe oder den Abschluß verweigere. Nach Auffassung der Klägerin hätte die Agentur die abschließende Entscheidung spätestens am 13. Dezember 1993 treffen müssen; tatsächlich habe sie diese Entscheidung am 6. Januar 1994, d. h. beinahe 4 Wochen später, erlassen.

27 Eine fristgerechte Äusserung der Agentur könne nicht schon deshalb angenommen werden, weil sie innerhalb der vorgeschriebenen Frist um ergänzende Auskünfte gebeten habe.

28 Das Ermessen, das die Agentur auf der Grundlage von Artikel 5bis der Vollzugsordnung hinsichtlich ergänzender Auskunftsersuchen für sich in Anspruch nehme, widerspreche den Zielen des in der Vollzugsordnung vorgesehenen vereinfachten Verfahrens. Die Anforderungen an die zu schließenden Verträge würden durch Artikel 5bis vollständig und erschöpfend statuiert. Jedenfalls müsse die Agentur die für erforderlich gehaltenen Auskünfte so früh anfordern, daß es den Vertragsparteien möglich sei, sie innerhalb der Frist von 10 Werktagen zu erteilen.

29 Im übrigen habe die Agentur bereits am 29. November 1993 über alle nach Artikel 5bis der Vollzugsordnung erforderlichen Angaben verfügt. Nach Artikel 5bis Buchstabe c Nr. 5 sei es gestattet, daß in dem eingereichten Vertrag das Ursprungsland der zu liefernden Stoffe nicht angegeben werde, sofern sich der Lieferant gegenüber dem Verbraucher und der Agentur verpflichte, ihnen das Ursprungsland vor der Lieferung mitzuteilen. Der streitige Vertrag habe diese Anforderung erfuellt.

30 Zweitens trägt die Klägerin vor, daß es unverhältnismässig gewesen sei, ergänzende Angaben zu verlangen, denn die Agentur hätte keinesfalls den Vertrag unterzeichnet, ohne die Möglichkeit einer Lieferung von Uran aus der GUS auszuschließen. Ausserdem überschreite die Verzögerung beim Erlaß der Entscheidung die Grenzen dessen, was für die Erreichung des verfolgten Zieles, die Vervollständigung der Akten, erforderlich sei. Die Klägerin wirft der Kommission vor, sie einem in zeitlicher Hinsicht nicht kalkulierbaren Verfahren ausgesetzt zu haben, indem sie die Anforderung ergänzender Auskünfte durch die Agentur gebilligt habe. Es könne der Agentur nicht gestattet werden, die Frist nach Belieben zu verlängern und damit die Entscheidungen über den Abschluß von Verträgen willkürlich zu verzögern. In diesem Zusammenhang wirft die Klägerin der Kommission einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmässigkeit der Verwaltung in Verbindung mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vor.

31 Die Kommission trägt vor, daß der am Regelfall orientierte Wortlaut des Artikels 5bis Buchstabe c der Vollzugsordnung im Interesse einer zuegigen Verfahrensabwicklung nur gewisse Mindestangaben verlange, die in besonderen Fällen ergänzungsbedürftig sein könnten. Artikel 55 des Vertrages erkenne ausdrücklich das Recht der Agentur an, die Auskünfte einzuholen, die zur Ausübung ihres ausschließlichen Rechts zum Abschluß von Lieferverträgen erforderlich seien.

32 Die anwendbare Frist sei erst zu dem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden, zu dem die Agentur die ergänzenden Informationen erhalten habe. Es wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen kaum zu vereinbaren, wenn die Agentur um der Einhaltung dieser Frist willen auf diese erforderlichen ergänzenden Auskünfte verzichten und den Abschluß von Verträgen verweigern müsste. Jedenfalls handele es sich bei der Frist von 10 Werktagen nicht um eine imperative Ausschlußfrist, sondern um eine selbstauferlegte Verwaltungsfrist der Agentur.

33 Eine nachträgliche Mitteilung des Ursprungslands sei nur zulässig, wenn der Lieferant diese Angaben zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht habe machen können. Die BNFL habe den vorgesehenen Ursprung des Erzeugnisses aber bereits zu diesem Zeitpunkt gekannt, weil sie der Agentur einen Tag nach Eingang der entsprechenden Anfrage darüber Auskunft erteilt habe und weil ein Angebot, wie es die BNFL nach Preis und Präzisierung des Liefertermins abgegeben habe, nur von einem Unternehmen gemacht werden könne, das sehr genaue Vorstellungen davon habe, wo es selbst das zu liefernde Material herbekomme und wie sein Bezugsvertrag beschaffen sein werde.

2. Würdigung durch das Gericht

34 In Artikel 5bis Buchstabe c der Vollzugsordnung heisst es:

"der Liefervertrag muß mindestens folgende Angaben enthalten:

...

5. das Ursprungsland der zu liefernden Stoffe. Wenn der Lieferant diese Angaben nicht im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses machen kann, muß er sich gegenüber dem Verbraucher und der Agentur verpflichten, ihnen später das Ursprungsland für jede Teillieferung mitzuteilen,

..."

35 Der geographische Ursprung der zu liefernden Stoffe nimmt somit einen zentralen Platz unter den Elementen eines Liefervertrags ein, die der Agentur im Rahmen der Anwendung von Artikel 5bis der Vollzugsordnung mitgeteilt werden müssen. Die Versorgungssicherheit, die mit der Durchführung der Versorgungspolitik angestrebt wird, kann nämlich, wie die Prüfung der Klage T-181/94 bestätigen wird (vgl. insbesondere die Randnrn. 92 bis 94 dieses Urteils), nur dann gewährleistet werden, wenn die Agentur den geographischen Ursprung der Lieferungen kennt.

36 Ausserdem geht schon aus dem oben wiedergegebenen Wortlaut von Artikel 5bis Buchstabe c der Vollzugsordnung eindeutig hervor, daß eine spätere Mitteilung der Ursprungslands nur zulässig ist, wenn der Lieferant diese Angaben nicht zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses machen konnte.

37 Unter den Umständen des vorliegenden Falles steht aber fest, daß die Klägerin und ihr Lieferant zumindest implizit die Lieferung von Stoffen aus der GUS vereinbart hatten. Denn die BNFL teilte der Agentur den vermutlichen Ursprung des Urans einen Tag nach Eingang des Auskunftsersuchens mit. Ausserdem konnte, wie die Kommission zu Recht ausführt, ein Angebot, wie es die BNFL nach Preis und Präzisierung des Liefertermins abgegeben hat, nur von einem Unternehmen gemacht werden, das genaue Vorstellungen von der Herkunft des zu liefernden Erzeugnisses und den Bedingungen des Vertrages mit seinem eigenen Lieferanten hatte. Auch war, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung anerkannt hat, der von den Vertragsparteien vereinbarte Preis derart niedrig, daß es für jeden Wirtschaftsteilnehmer dieses Sektors sehr wahrscheinlich war, daß die Stoffe aus der GUS stammen würden. Schließlich kann angenommen werden, daß sich ein umsichtiger Wirtschaftsteilnehmer über die Herkunft des Urans, das Gegenstand eines Liefervertrags ist, unterrichten lässt.

38 Da die Klägerin in dem Liefervertrag den geographischen Ursprung des Urans nicht angegeben hat, obwohl sich die Vertragsparteien darüber zumindest implizit geeinigt hatten, hat sie die administrativen Schwierigkeiten, auf die die Agentur bei ihrer Äusserung gestossen ist, selbst verursacht. Unter diesen Umständen war die Klägerin nicht berechtigt, sich auf Artikel 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung zu berufen, der für problemlose Fälle ein beschleunigtes Verfahren mit einer Äusserungsfrist von 10 Werktagen für die Agentur vorsieht.

39 Im vorliegenden Fall war die Agentur aber vor Ablauf der Frist nach Artikel 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung berechtigt, die Vertragsparteien zu ersuchen, ihr zur Vervollständigung der Akten den Ursprung der zu liefernden Stoffe mitzuteilen. Weder Artikel 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung noch der Vertrag standen einem derartigen Ersuchen entgegen; vielmehr war eine solche Anfrage aufgrund der Umstände dieses Falles gerechtfertigt.

40 Aus den Akten geht hervor, daß die Agentur ihre Entscheidung am 6. Januar 1994 erlassen hat, d. h. am zehnten Werktag nach dem 14. Dezember 1993, dem Tag, an dem sie die erbetene Auskunft erhalten hatte. Eine solche Frist war angemessen und stellte weder eine Verletzung des Artikels 5bis Buchstabe f der Vollzugsordnung noch einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismässigkeit und Rechtssicherheit dar, auf die sich die Klägerin berufen hat.

41 Folglich sind der erste und der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

Dritter Klagegrund: Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeitsverteilung

42 Die Klägerin hat zu ihrem dritten Klagegrund, der Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeitsverteilung, keine Ausführungen gemacht.

43 Daher ist über diesen Klagegrund nicht zu entscheiden. Vierter Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

1. Zusammenfassung des Parteivorbringens

44 Die Klägerin trägt vor, daß in der streitigen Entscheidung keine Gesichtspunkte aufgezeigt würden, die das Hinausschieben des Beginns der der Agentur gesetzten Frist rechtfertigen könnten. Die Begründungspflicht sei auch wegen der Widersprüche und Lücken in der Argumentation der Agentur und der Kommission verletzt worden. So habe die Kommission nicht dargelegt, weshalb die von der Agentur begehrten und angeblich entscheidungserheblichen Informationen nicht innerhalb der in der Vollzugsordnung festgelegten Frist hätten angefordert werden können. Ausserdem habe sich die Kommission nicht zu bestimmten wesentlichen Punkten geäussert, auf die die Klägerin vor Erlaß der streitigen Entscheidung hingewiesen habe.

45 Die Kommission führt aus, daß weder die Agentur noch sie selbst die Klägerin über die Gründe ihrer Entscheidungen im unklaren gelassen hätten. Alle Schreiben und Entscheidungen stuenden in einem Begründungszusammenhang, dem die Klägerin unschwer die wesentlichen Gründe für das Handeln der Agentur und der Kommission habe entnehmen können.

2. Würdigung durch das Gericht

46 Nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des EG-Vertrags muß gemäß Artikel 190 dieses Vertrages die Begründung eines Rechtsakts die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben, daß es den Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme zu erkennen, und daß der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann; dabei ist der Umfang der Begründungspflicht nach ihrem Zusammenhang zu beurteilen (Urteil des Gerichts vom 24. April 1996 in den Rechtssachen T-551/93, T-231/94, T-232/94, T-233/94 und T-234/94, Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, Slg. 1996, II-247, Randnr. 140).

47 Artikel 162 EAG-Vertrag, der die Begründungspflicht betrifft, hat im wesentlichen den gleichen Wortlaut wie Artikel 190 EG-Vertrag. Seine Auslegung muß der von Artikel 190 EG-Vertrag entsprechen.

48 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der zehnten Begründungserwägung ihrer Entscheidung 94/95 folgende Ausführungen gemacht:

"Die Kenntnis des Ursprungs ist besonders wichtig angesichts der derzeitigen Lage auf dem Weltmarkt für Natururan, der durch erheblich erhöhte Lieferungen an Uran aus Ländern der GUS gekennzeichnet ist, die zu Preisen erfolgen, die in keinem Verhältnis zu marktwirtschaftlichen Produktionskosten stehen.... [D]erartige Lieferungen [können] die Diversifizierung der Versorgungsquellen in Frage stellen und damit das... Ziel einer regelmässigen und gerechten Versorgung... gefährden... Aus diesem Grunde wacht die Agentur... darüber, daß die Gemeinschaft nicht über ein vernünftiges Maß hinaus in Abhängigkeit von einzelnen Versorgungsquellen gerät, sowie darüber, daß die Lieferung von Kernmaterial aus der GUS zu Preisen erfolgt, die Marktpreisen entsprechen."

49 Die Kommission hat darauf hingewiesen, daß die Klägerin bereits zuvor grosse Mengen Natururan aus der GUS erworben hatte. Sie hat weiter ausgeführt, daß "die Angaben in Artikel 5bis Buchstabe c der Vollzugsordnung nur Mindestangaben darstellen", und daraus den Schluß gezogen, daß "die Agentur berechtigt [war], ihre Entscheidungsgrundlagen... zu ergänzen" (elfte Begründungserwägung der Entscheidung 94/95). Schließlich hat sie dargelegt, daß die Frist an dem Tag nach dem Tag, an dem die Agentur die verlangten ergänzenden Auskünfte erhalten habe, begonnen habe und an dem Tag, an dem die Agentur schließlich ihre Entscheidung getroffen habe, abgelaufen sei (zwölfte und dreizehnte Begründungserwägung).

50 Die Begründung der Entscheidung 94/95 gibt somit die Überlegungen, die dieser Entscheidung zugrunde lagen, klar und unzweideutig wieder.

51 Folglich greift der vierte Klagegrund nicht durch.

Fünfter Klagegrund: Ermessensmißbrauch

1. Zusammenfassung des Parteivorbringens

52 Die Klägerin stützt den Klagegrund des Ermessensmißbrauchs im wesentlichen darauf, daß die Agentur und die Kommission nicht über ein Ermessen verfügt hätten, sondern verpflichtet gewesen seien, den von ihr im Rahmen des vereinfachten Verfahrens nach Artikel 5bis der Vollzugsordnung eingereichten Vertrag abzuschließen.

2. Würdigung durch das Gericht

53 Der Begriff des Ermessensmißbrauchs hat im Gemeinschaftsrecht eine präzise Bedeutung; er bezieht sich auf eine Situation, in der eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck als demjenigen ausübt, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Es entspricht in diesem Zusammenhang ständiger Rechtsprechung, daß eine Entscheidung nur dann ermessensmißbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde (Urteil Industrias Pesqueras Campos u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 168).

54 Die Klägerin hat in keiner Weise dargetan, daß die Agentur und die Kommission ein anderes Ziel als das der Durchführung der Versorgungspolitik verfolgt hätten.

55 Aus diesem Grund ist auch der fünfte Klagegrund zurückzuweisen.

56 Nach alledem ist die Klage in der Rechtssache T-149/94 als unbegründet abzuweisen.

Klage T-181/94

Zum Antrag auf Nichtigerklärung

57 Die Klägerin macht fünf Nichtigkeitsgründe geltend, nämlich eine Verletzung von Artikel 5bis der Vollzugsordnung und der Bestimmungen über die Versorgung in Kapitel 6 des Vertrages, einen Verstoß gegen allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, eine Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeitsverteilung, einen Verstoß gegen die Begründungspflicht und einen Ermessensmißbrauch.

1. Erster Klagegrund: Verletzung des Artikel 5bis der Vollzugsordnung und der Bestimmungen über die Versorgung in Kapitel 6 des Vertrages

58 Der erste Klagegrund gliedert sich in vier Teile, die im folgenden nacheinander geprüft werden.

59 Sowohl mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, daß die Agentur gegen die Verpflichtung verstossen habe, den Vertrag gemäß Artikel 5bis der Vollzugsordnung abzuschließen, als auch mit dem zweiten Teil des ersten Klagegrundes, der auf die Feststellung gerichtet ist, daß die Versorgungspolitik, wie sie im vorliegenden Fall festgelegt und angewandt wurde, gegen die Artikel 61 Absatz 1, 60 und 65 Absatz 1 des Vertrages sowie gegen die Artikel 52 Absatz 2 und 64 des Vertrages verstösst, wird die Möglichkeit in Frage gestellt, bei der Ausübung des ausschließlichen Rechts zum Abschluß von Verträgen über die Lieferung von Uran von den Ergebnissen abzuweichen, zu denen das freie Spiel von Angebot und Nachfrage geführt hat.

60 Folglich sind diese beiden Teile des ersten Klagegrundes gemeinsam zu untersuchen.

Erster und zweiter Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Verpflichtung der Agentur zum Abschluß des Vertrages gemäß Artikel 5bis der Vollzugsordnung und Verstoß gegen die Artikel 61 Absatz 1, 60 und 65 Absatz 1 sowie gegen die Artikel 52 Absatz 2 und 64 des Vertrages

- Zusammenfassung des Parteivorbringens

61 Die Klägerin trägt vor, daß die Agentur bei der Ausübung ihrer Befugnisse marktwirtschaftliche Prinzipien einhalten müsse. Generalanwalt Römer habe in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache 7/71 (Kommission/Frankreich, Slg. 1971, 1003, 1032, Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1971) dargelegt, daß die Versorgungsregelung einen Kompromiß zwischen dirigistischen und marktwirtschaftlichen Tendenzen darstelle. Die Klägerin betont, daß der Grundsatz der Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage nach den Artikeln 60 und 65 des Vertrages unabhängig vom Ursprung des Urans gelte.

62 Für einen Markt, der durch einen Angebotsüberschuß gekennzeichnet sei und folglich von den Käufern dominiert werde, sei das in Artikel 60 des Vertrages vorgesehene Verfahren der Gegenüberstellung zu kompliziert, weshalb man das vereinfachte Verfahren des Artikels 5bis der Vollzugsordnung eingeführt habe. Die Kommission habe die Stellung dieser Vorschrift im System des Versorgungskapitels des Vertrages verkannt. Die Zielsetzung dieses vereinfachten Verfahrens, nämlich die Aufrechterhaltung unmittelbarer Beziehungen zwischen Verbrauchern und Erzeugern würde ad absurdum geführt, wenn die Agentur berechtigt wäre, den Abschluß der Lieferverträge zu verweigern, die ihr gemäß der Vollzugsordnung zur Unterzeichnung vorgelegt würden.

63 Folglich stehe der Agentur im Rahmen dieses Verfahrens kein Ermessen zu. Eine Abschlußverweigerung komme nur im Hinblick auf die in der Vollzugsordnung enumerativ aufgezählten allgemeinen Bedingungen in Betracht. Die Zuständigkeit der Agentur beschränke sich nämlich zum einen auf die Marktbeobachtung, mit der sich die dritte Begründungserwägung der erwähnten Verordnung der Agentur vom 15. Juli 1975 befasse, durch die Artikel 5bis in die Vollzugsordnung vom 5. Mai 1960 eingefügt worden sei, und zum anderen auf die Prüfung der Frage, ob die Parteien den in diesem Artikel festgelegten Informationspflichten nachgekommen seien. Indem die Agentur den Liefervertrag mit einer einschränkenden Bedingung versehen habe, obwohl er der Vollzugsordnung entsprochen habe, habe sie ihre Zuständigkeiten überschritten, was die Kommission hätte einräumen müssen.

64 Die Klägerin fügt hinzu, daß es die Bestimmungen des Vertrages der Agentur nicht gestatteten, eine Politik der Diversifizierung der Versorgungsquellen festzulegen und anzuwenden, Quoten festzusetzen und auf diese Weise die Freiheit der Wahl hinsichtlich der Herkunft des Urans zu beschränken.

65 Das Überangebot an Natururan auf dem Markt sei nicht nur auf die Staaten der früheren Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (im folgenden: UdSSR) zurückzuführen, sondern auch auf den Umstand, daß im Westen erhebliche Uranlager aufgelöst worden seien. Nach Auffassung der Klägerin ist es nur natürlich, daß im Falle eines Überangebots die tatsächliche Produktion der Minen mit hohen Betriebskosten zurückgehe. Doch habe diese Situation nichts mit einem "strukturellen Defizit" zu tun, weil als maßgebliche Grösse nicht die tatsächliche Produktion, die lediglich eine Momentaufnahme darstelle, sondern die verfügbare Produktionskapazität zu berücksichtigen sei. Im ganzen könne die Produktion so ausgeweitet werden, daß sich das "strukturelle Defizit" auf Null verringere. Der Umstand, daß es in Zeiten eines Überangebots zu erheblichen Preiseinbrüchen komme, sei Kennzeichen eines sensibel reagierenden Marktes.

66 Nach Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages sei die Agentur grundsätzlich verpflichtet, alle Aufträge unter den Bedingungen, die sich aus der in den Artikeln 60 und 65 Absatz 1 vorgesehenen Gegenüberstellung von Angeboten und Nachfragen ergäben, auszuführen, sofern ihrer Ausführung nicht rechtliche oder sachliche Hindernisse entgegenstuenden. Diese Einschränkung stelle eine Ausnahmevorschrift dar und sei deshalb eng auszulegen. Die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, da sie unter Berufung auf ihre Versorgungspolitik das Vorliegen eines rechtlichen Hindernisses bejaht habe, ohne daß sie geprüft habe, ob unter den Umständen des vorliegenden Falles wirklich ein Hindernis im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages bestehe.

67 Der geographische Ursprung des zu liefernden Urans stelle kein rechtliches oder sachliches Hindernis im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages dar. Lediglich die Ausnahmevorschrift des Artikels 65 Absatz 2 des Vertrages gewähre der Agentur das Recht, den Herkunftsort des zu liefernden Urans zu bestimmen. Nach dieser Vorschrift könne die Agentur den Herkunftsort bestimmen, soweit sie dem Verbraucher Lieferungsbedingungen zukommen lasse, die mindestens ebenso günstig seien wie die in dem Auftrag angegebenen. Die Agentur habe der Klägerin aber keinen Vertrag mit ebenso günstigen Lieferungsbedingungen wie in dem streitigen Vertrag angeboten.

68 Die Klägerin trägt weiter vor, daß die Agentur nicht das Recht habe, in die Preisbildung einzugreifen. Gemäß Artikel 67 des Vertrages könne der im vereinfachten Verfahren ausgehandelte Preis nur unter den im Vertrag vorgesehenen Umständen beanstandet werden. Mögliche Ausnahmen fänden sich in den Artikeln 68 und 69 des Vertrages. Es müsse nicht einmal geprüft werden, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 68 Absatz 1 erfuellt seien, der ein Preisgebaren betreffe, mit dem einzelnen Verbrauchern eine bevorzugte Stellung verschafft werden solle, weil der Agentur jedenfalls keine Kompetenz zur Verweigerung des Vertragsabschlusses auf der Grundlage von Artikel 68 zustehe. Nach den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels habe die Agentur nämlich allenfalls die Möglichkeit, ein derartiges Gebaren der Kommission anzuzeigen; allein dieser komme eine Eingriffsbefugnis zu. Das Recht zur Festsetzung der Preise stehe nach Artikel 69 des Vertrages nur dem Rat zu.

69 Nach Auffassung der Klägerin kann das von der Kommission angeführte Handelsabkommen, das am 18. Dezember 1989 unterzeichnet und gemäß dem Beschluß 90/117/Euratom der Kommission vom 27. Februar 1990 über den Abschluß des Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Atomgemeinschaft und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über den Handel und die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit im Namen der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. L 68, S. 2) geschlossen wurde (im folgenden: Handelsabkommen), einen Eingriff in die Preisbildung nicht rechtfertigen. Sie trägt zunächst vor, daß Artikel 14 des Handelsabkommens nicht unmittelbar anwendbar sei, denn diese Bestimmung sei nicht hinreichend klar und präzise und belasse den Gemeinschaftsorganen einen Ermessensspielraum. Ausserdem handele es sich nicht um eine im Vertrag vorgesehene Ausnahme im Sinne des Artikels 67, die einen Eingriff in die Preise erlauben würde. Im übrigen gestatte Artikel 14 des Handelsabkommens nicht einmal im Rahmen des Artikels 64 des Vertrages, nach dem die Agentur gegebenenfalls im Rahmen der zwischen der Gemeinschaft und einem dritten Staat abgeschlossenen Abkommen tätig werde, eine Festsetzung von Mindestpreisen, weil man hierfür das in Artikel 69 Absatz 1 des Vertrages vorgesehene ausschließliche Recht des Rates zur Preisfestsetzung umgehen müsste. Die Agentur könnte sich also nur dann auf diese Vorschrift berufen und ein Angebot zu angeblich nicht marktgerechten Preisen zurückweisen, wenn die Kompetenzordnung des Vertrages ihr hierfür eine Kompetenz verleihen würde; dies sei nicht der Fall.

70 Im vorliegenden Fall habe der tatsächliche Preis für das Natururankonzentrat (im folgenden: U3O8) unter Berücksichtigung der Zinsen und der Konversionskosten 20,86 USD pro kg - oder 8,02 USD pro lb - betragen. Dieser Preis sei mit den reinen Produktionskosten der leistungsfähigeren westlichen Uranminen vergleichbar gewesen. Er habe zwischen den Spotmarktpreisen für Uran aus der GUS und Uran anderen Ursprungs gelegen.

71 Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Kommission, daß ihr, wenn ihr der Bezug weiterer Uranmengen aus der GUS gestattet worden wäre, eine bevorzugte Stellung gesichert worden wäre und daß dies ein rechtliches Hindernis im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages dargestellt habe. Tatsächlich sei angesichts der den Verbrauchern eingeräumten Freiheit, die Lieferverträge mit einem Produzenten ihrer Wahl auszuhandeln, und angesichts des Angebotsüberhangs bei Uran die Möglichkeit des Zugangs zu den Versorgungsquellen für alle Verbraucher gleich gewesen.

72 Die Kommission hält dem entgegen, daß die Vollzugsordnung unter dem Vorbehalt der Bestimmungen des Vertrages stehe. In dem Urteil Kommission/Frankreich (a. a. O., Randnr. 43) habe der Gerichtshof anerkannt, daß "der Umstand, daß die Benutzung der im Vertrag vorgesehenen Versorgungseinrichtungen wegen der Marktverhältnisse zu einer bestimmten Zeit möglicherweise nicht so notwendig erschienen sein mag, für sich allein den diesbezueglichen Vorschriften ihre Verbindlichkeit nicht zu nehmen [vermag]". Nach Auffassung der Kommission schließt das ausschließliche Recht zum Vertragsabschluß, das der Agentur nach Artikel 52 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrages zustehe, das Recht zu dessen Verweigerung ein. Dieses Recht zur Verweigerung des Abschlusses umfasse als milderes Mittel die Befugnis, dem Vertragsabschluß unter Auferlegung näher definierter Bedingungen zuzustimmen.

73 Vor der Anwendung von Artikel 65 Absatz 1 des Vertrages, der auf das in Artikel 60 des Vertrages vorgesehene Verfahren der Gegenüberstellung von Angeboten und Nachfragen verweise, müsse geprüft werden, ob rechtliche Hindernisse für die Ausführung der Aufträge im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages vorlägen. Eine solche Analyse sei in der einundzwanzigsten Begründungserwägung der Entscheidung 94/285 vorgenommen worden. Artikel 61 Absatz 1 sei im übrigen keine Ausnahmevorschrift, sondern verpflichte die Agentur, jeden Auftrag zu prüfen und festzustellen, ob seiner Ausführung rechtliche oder sachliche Hindernisse entgegenstuenden.

74 Die Kommission verweist erstens auf die im Energiesektor verfolgte Politik der Diversifizierung der Versorgungsquellen ausserhalb der Gemeinschaft, die in der Entschließung 86/C 241/01 des Rates vom 16. September 1986 über neue energiepolitische Ziele der Gemeinschaft für 1995 und die Konvergenz der Politik der Mitgliedstaaten (ABl. C 241, S. 1; im folgenden: Entschließung des Rates) zum Ausdruck gebracht worden sei.

75 Sie legt dar, daß der Umfang der Lieferungen aus der GUS seit 1990 rapide angestiegen sei (1989: 0 t; 1990: 600 t; 1991: 2 100 t; 1992: 3 100 t).

76 Auch sei der Preis für Kernmaterial aus der GUS äusserst niedrig gewesen; dies habe sich erst nach dem entscheidungserheblichen Zeitraum geändert.

77 Angesichts der Entwicklung der Ausfuhren aus der GUS dürfe die Abhängigkeit von Lieferungen dieses Ursprungs ein vertretbares Ausmaß nicht überschreiten. Bei der Bestimmung dieses vertretbaren Grades der Abhängigkeit sei insbesondere auf die gegebenen und längerfristigen Produktionskapazitäten der GUS abzustellen. Da der Anteil der GUS an der Weltproduktion von Uran etwa 25 % betrage, habe die Agentur diesen Prozentsatz als Obergrenze einer vertretbaren Abhängigkeit von Lieferungen aus der GUS festgelegt.

78 Zweitens trägt die Kommission vor, daß sich aus einem Abkommen nach Artikel 64 oder Artikel 101 Absatz 2 des Vertrages Hindernisse im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages ergeben könnten. Sie weist im vorliegenden Fall auf das auf der Grundlage von Artikel 101 Absatz 2 des Vertrages geschlossene Handelsabkommen hin.

79 Hierzu führt die Kommission aus, daß nach Artikel 6 des Handelsabkommens "[v]orbehaltlich anderslautender Bestimmungen dieses Abkommens... der Handel und die sonstige handelspolitische Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien im Einklang mit ihren jeweiligen Rechtsvorschriften gestaltet [werden]" und daß nach Artikel 14 dieses Abkommens der "Handel zwischen den Vertragsparteien... zu marktgerechten Preisen [erfolgt]". Sie zieht daraus den Schluß, daß es nach Artikel 64 des Vertrages in Verbindung mit diesen beiden Bestimmungen des Handelsabkommens Sache der Agentur sei, sicherzustellen, daß die Lieferungen von Kernmaterial aus der GUS in die Gemeinschaft zu marktgerechten Preisen erfolgten. Das Handelsabkommen lege keine Importquoten fest, sondern solle die Einführung marktwirtschaftlicher Grundsätze in der GUS sowie die harmonische Entwicklung und Diversifizierung des Handels im Nuklearbereich fördern.

80 Drittens trägt die Kommission vor, daß Artikel 65 Absatz 2 des Vertrages im vorliegenden Fall unanwendbar sei, weil die Agentur den Herkunftsort der Stoffe nicht bestimmt habe.

81 Auf das Vorbringen der Klägerin zu den Vertragsvorschriften über die Preise erwidert die Kommission, daß Artikel 67 des Vertrages den Normalfall der Preisbildung regele. Es sei der Gemeinschaft jedoch keineswegs verboten, sich, insbesondere durch den Abschluß völkerrechtlicher Abkommen, gegen Lieferungen zu ruinösen Preisen aus Drittländern zu wehren. Das in Artikel 68 aufgestellte Verbot diskriminierenden Preisgebarens richte sich allein und ausschließlich gegen die Erzeuger in der Gemeinschaft, die einzigen Wirtschaftsteilnehmer, denen nach Artikel 67 des Vertrages Rechtspflichten auferlegt werden könnten.

82 Zum Preisniveau führt die Kommission aus, daß der Preis von 22 USD pro kg Uran in Form von UF6 ausserordentlich niedrig sei. Nach Abzug der Konversionskosten belaufe sich der Preis nur auf 18 USD pro kg - oder 6,93 USD pro lb - U3O8.

83 Die Kommission trägt vor, daß Verträge über Lieferungen aus der GUS zu sehr niedrigen Preisen im Interesse der Verbraucher hätten abgeschlossen werden können. Herkömmlicherweise deckten die Verbraucher ihren Hauptbedarf im Rahmen mehrjähriger Verträge, aber sie könnten ihren kurzfristigen Bedarf bis zur Höhe von etwa 10 % des Jahresbedarfs auch auf dem Spotmarkt decken. Die Klägerin habe sich aber zu mehr als 150 % ihres Jahresbedarfs mit GUS-Lieferungen am Spotmarkt eingedeckt.

84 Eine Durchbrechung der Grundsätze der Versorgungspolitik der Gemeinschaft zugunsten einzelner Verbraucher würde diesen Verbrauchern eine bevorzugte Stellung im Sinne von Artikel 52 Absatz 2 Buchstabe a des Vertrages verschaffen, da sie gegenüber ihren Konkurrenten unzulässige Preis- und Wettbewerbsvorteile erhielten.

- Würdigung durch das Gericht

85 Das durch Kapitel 6 des Vertrages geschaffene Versorgungssystem ist im Lichte der Ziele zu untersuchen, die der Gemeinschaft zugewiesen sind. Dabei ergibt sich aus der Systematik des Vertrages, daß die Aufgabe der Agentur darin besteht, die Erreichung eines der wesentlichen Ziele, die dieser Vertrag der Gemeinschaft in Artikel 2 Buchstabe d zuweist, nämlich das der Versorgungssicherheit, gemäß dem in Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages niedergelegten Grundsatz des gleichen Zugangs zu den Versorgungsquellen zu gewährleisten. Dies ergibt sich eindeutig aus Artikel 52 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrages, der die Schaffung dieser spezialisierten Einrichtung ausdrücklich zu diesem Zweck vorsieht und ihr grundsätzlich ausschließliche Rechte einräumt, um die regelmässige und gerechte Versorgung der Verbraucher der Gemeinschaft mit Kernmaterial aus der Gemeinschaft wie auch aus Drittländern zu gewährleisten. Die Versorgungsregelung muß nämlich nach dieser Vorschrift von der Agentur durchgeführt werden, die zur Erfuellung ihrer Aufgabe über das ausschließliche Recht verfügt, Verträge über die Lieferung dieser Erzeugnisse aus Ländern innerhalb oder ausserhalb der Gemeinschaft abzuschließen (Urteil des Gerichts vom 15. September 1995 in den Rechtssachen T-458/93 und T-523/93, ENU/Kommission, Slg. 1995, II-2459, Randnr. 57).

86 Insbesondere werden der Agentur durch das durch Artikel 5bis der Vollzugsordnung eingeführte vereinfachte Verfahren ihre ausschließlichen Rechte nicht genommen (Urteil ENU/Kommission, a. a. O., Randnr. 73). Auch im Rahmen des vereinfachten Verfahrens ist die Agentur also berechtigt, einen Liefervertrag abzulehnen, der die Verwirklichung der Ziele des Vertrages beeinträchtigen könnte.

87 Ausserdem muß der Grundsatz der Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage bei der Ausübung des ausschließlichen Rechts der Agentur zum Abschluß von Lieferverträgen in der Regel eingehalten werden. Diese grundsätzliche Verpflichtung ergibt sich insbesondere aus den Artikeln 60 und 65 Absatz 1 des Vertrages, die das Verfahren der Gegenüberstellung betreffen, aus Artikel 67 des Vertrages, nach dem sich die Preise aus dieser Gegenüberstellung ergeben, und aus Artikel 65 Absatz 2, wonach die Agentur, wenn sie den Herkunftsort von Stoffen aus dem Aufkommen ausserhalb der Gemeinschaft bestimmt, dem Verbraucher Lieferungsbedingungen zukommen lassen muß, die mindestens ebenso günstig sind wie die in dem Auftrag angegebenen.

88 Der Vertrag sieht jedoch eine genau bestimmte Ausnahme von dem Gesetz von Angebot und Nachfrage vor. Nach Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages ist die Agentur verpflichtet, alle Aufträge auszuführen, "es sei denn, daß rechtliche oder sachliche Hindernisse ihrer Ausführung entgegenstehen". Wie die Kommission zu Recht ausführt, muß die Agentur daher in jedem Einzelfall prüfen, ob die Ausführung des Auftrags auf rechtliche oder sachliche Hindernisse stösst.

89 Im vorliegenden Fall hat die Kommission das Bestehen von drei Hindernissen dieser Art geltend gemacht; das erste Hindernis resultiere aus den Erfordernissen der Politik der Diversifizierung der Versorgungsquellen ausserhalb der Gemeinschaft, während das zweite Hindernis das Preisniveau betreffe, das sich aus dem Handelsabkommen ergebe, und das dritte aus der Verpflichtung folge, den gleichen Zugang zu den Versorgungsquellen zu gewährleisten.

90 Hierzu ist vorab festzustellen, daß die Agentur, da es sich um Entscheidungen auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Handelspolitik sowie der Kernenergiepolitik handelt, im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse jedenfalls über einen weiten Ermessensspielraum verfügt. Unter diesen Umständen muß sich die Kontrolle durch das Gericht auf jeden Fall auf die Prüfung der Frage beschränken, ob ein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder ein Ermessensmißbrauch vorliegt (Urteil ENU/Kommission, a. a. O., Randnr. 67).

91 Zum ersten Hindernis vertritt die Kommission die Auffassung, daß die in der GUS geforderten Preise derart niedrig seien, daß die Verbraucher in der Gemeinschaft dazu veranlasst werden könnten, einen möglichst hohen Anteil ihres Bedarfs durch Kernmaterial aus der GUS zu decken. Würden unbegrenzte Einfuhren aus der GUS zugelassen, so würden die Unternehmen in der Gemeinschaft von dieser Versorgungsquelle abhängig. Daraus ergäben sich in zweifacher Hinsicht Nachteile. Zum einen könnte die Fortsetzung der Lieferungen langfristig nicht garantiert werden. Zum anderen bestuende die Gefahr des Wegfalls alternativer Versorgungsquellen. Die Kommission weist darauf hin, daß der Rat in seiner Entschließung vom 16. September 1986 eine Politik der Diversifizierung gebilligt habe. Daher stelle der Umstand, daß massive Einfuhren von Kernmaterial aus der GUS zu erheblich unter dem westlichen Niveau liegenden Preisen die Versorgungssicherheit in der Gemeinschaft gefährden könnten, ein Hindernis im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages dar.

92 Nach Auffassung des Gerichts kann die Agentur Einfuhren von Kernmaterial zu Recht entgegentreten, wenn die Gefahr besteht, daß diese Einfuhren, insbesondere durch ihre Auswirkungen auf die Versorgungsquellen, die Verwirklichung der Ziele des Vertrages beeinträchtigen. Eine solche Gefahr kann als ein rechtliches Hindernis angesehen werden, das der Ausführung eines Auftrags im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages entgegensteht (Urteil ENU/Kommission, a. a. O., Randnr. 64). Die Agentur kann, mit anderen Worten, zur Sicherung der geographischen Diversifizierung der Versorgungsquellen ausserhalb der Gemeinschaft - durch die Ausübung ihres ausschließlichen Rechts, Verträge über die Lieferung von Erzen und sonstigen Kernbrennstoffen abzuschließen, um damit entsprechend der ihr durch den Vertrag übertragenen Aufgabe die Versorgungssicherheit nach dem Grundsatz des gleichen Zugangs zu den Versorgungsquellen zu gewährleisten - nach ihrem Ermessen bestimmten Einfuhren von Uran entgegentreten, die diese Diversifizierung beeinträchtigen würden (Urteil ENU/Kommission, a. a. O., Randnr. 68).

93 Im vorliegenden Fall ist im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Gefahr für die Versorgungssicherheit besteht, nicht bestritten worden, daß der Umfang der Lieferungen aus der GUS in die Gemeinschaft seit 1990 erheblich zugenommen hat. Die Kommission hat auf ein strukturelles Defizit der Weltproduktion gegenüber dem Uranverbrauch hingewiesen, doch ist dies von der Klägerin bestritten worden. Nach einem von der Klägerin zu den Akten gegebenen Diagramm, in dem die Produktion und der Verbrauch von Natururan im Westen für den Zeitraum von 1994 bis 2004 dargestellt sind, wird die nominale Produktionskapazität die Nachfrage im Jahr 2000 übersteigen. Doch ist die Nachfrage nach diesem Diagramm vom Jahr 1994 bis zum Jahr 2000 stets höher als die Produktion.

94 Daher war es zu dem Zeitpunkt, zu dem die Kommission die Entscheidung 94/285 erlassen hat, nicht ausgeschlossen, daß die Gewährleistung einer regelmässigen und gerechten Versorgung im Sinne von Artikel 2 Buchstabe d des Vertrages gefährdet werden konnte, wenn die Fortsetzung der Einfuhren von Kernmaterial aus der GUS in unbegrenzter Höhe gestattet worden wäre und wenn diese Einfuhren für eine gewisse Zeit die Lieferungen anderen Ursprungs ersetzt hätten, ohne daß die Fortführung der Lieferungen aus der GUS langfristig garantiert werden konnte.

95 Das erste von der Kommission geltend gemachte rechtliche Hindernis besteht somit tatsächlich.

96 Zum zweiten Hindernis trägt die Kommission vor, daß mit dem durch den Vertrag eingeführten Versorgungssystem die Einfuhr von Kernmaterial in die Gemeinschaft zu marktgerechten Preisen erreicht werden solle. Die Geltung eines solchen Grundsatzes im Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und der UdSSR oder nachfolgend den Staaten der GUS sei insbesondere in Artikel 14 des Handelsabkommens anerkannt worden.

97 Wie die Kommission ausgeführt hat, hat der Gerichtshof entschieden, daß sich aus einem von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Abkommen Rechte und Pflichten für die Unternehmen ergeben können.

98 Er hat sich zu dem Übereinkommen über den Objektschutz von Kernmaterial, kerntechnischen Anlagen und Nukleartransporten folgendermassen geäussert (Beschluß 1/78 vom 14. November 1978, Slg. 1978, 2151, Randnr. 36):

"Die Aufgaben, die von der Gemeinschaft zu erfuellen sind, werden im wesentlichen mit dem Versorgungssystem und der Verwaltung des Gemeinsamen Marktes auf dem Kerngebiet... zusammenhängen. Die einschlägigen Vorschriften des Vertrages werden zusammen mit den Vorschriften des Übereinkommens - das, nachdem es von der Gemeinschaft abgeschlossen worden ist, Bestandteil des Gemeinschaftsrechts sein wird - eine angemessene Rechtsgrundlage für die erforderlichen Vollzugsmaßnahmen bilden."

99 Artikel 14 des Handelsabkommens ist somit Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. Zudem ist die Agentur nach Artikel 64 des Vertrages verpflichtet, gegebenenfalls im Rahmen der zwischen der Gemeinschaft und einem dritten Staat abgeschlossenen Abkommen tätig zu werden.

100 Damit festgestellt werden kann, ob Artikel 14 des Handelsabkommens von der Agentur und der Kommission im vorliegenden Fall zutreffend angewandt wurde, sind die verfügbaren Informationen über die Preise zu analysieren. Nach einer Tabelle, die dem Jahresbericht der Agentur für das Jahr 1993 beigefügt ist, lag der Durchschnittspreis im Zeitraum von 1990 bis 1993 bei langfristigen Mehrjahreslieferungen zwischen 29,39 und 21,17 USD pro lb U3O8 und bei Lieferungen auf den Spotmärkten zwischen 9,68 und 9,05 USD pro lb U3O8. Nach Darstellung der Klägerin betrug der in ihrem Vertrag vorgesehene tatsächliche Preis 8,02 USD pro lb U3O8, während er sich nach Auffassung der Kommission nur auf 6,93 USD pro lb U3O8 belief. Da die Klägerin, wie aus ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hervorgeht, versucht hat, mit dem fraglichen Liefervertrag nicht einen punktüllen Bedarf, sondern ihren Grundbedarf für einen Zeitraum von 15 Monaten zu decken, entsprach dieser Vertrag, in dem ein Preis vereinbart wurde, der sogar unter dem Durchschnittspreis auf den Spotmärkten lag, nicht der Regel, daß die Lieferungen zu marktgerechten Preisen erfolgen müssen.

101 Somit ist das Bestehen eines zweiten rechtlichen Hindernisses im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages dargetan.

102 Das dritte Hindernis für den Abschluß des Vertrages soll sich aus der Verpflichtung ergeben, gleichen Zugang zu den Versorgungsquellen zu gewährleisten und zu verhindern, daß einem Verbraucher gegenüber seinen Konkurrenten eine bevorzugte Stellung eingeräumt wird. Dazu ist festzustellen, daß, wenn die Einfuhren beschränkt werden müssen, die Anwendung einer nach Maßgabe der Marktlage auf einen bestimmten Prozentsatz des Verbrauchs der einzelnen Verbraucher festgesetzten Obergrenze der vertretbaren Abhängigkeit durch das Ziel gerechtfertigt ist, gemäß Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages gleichen Zugang zu den Versorgungsquellen zu sichern.

103 Die Agentur hat in den Grenzen ihres weiten Ermessens den Grad der vertretbaren Abhängigkeit auf höchstens 25 % festgesetzt, wobei sie insbesondere die bestehenden längerfristigen Produktionskapazitäten der GUS und den Umstand berücksichtigt hat, daß deren Anteil an der Weltproduktion ungefähr 25 % betrug.

104 Im vorliegenden Fall ist nicht bestritten worden, daß die Klägerin bereits mit ihren vorangegangenen Käufen von Uran aus der GUS diese Grenze überschritten hatte.

105 Die Kommission hat daher zu Recht insoweit das Bestehen eines rechtlichen Hindernisses im Sinne von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages festgestellt.

106 Auch können die besonderen Vorschriften des Vertrages über die Preise, d. h. die Artikel 67 bis 69, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht dahin ausgelegt werden, daß sie der Anwendung von Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages deshalb entgegenstuenden, weil die Agentur oder die Kommission im Rahmen des vereinfachten Verfahrens nur unter den Voraussetzungen des Artikels 68 oder des Artikels 69 auf die ausgehandelten Preise Einfluß nehmen könne. Artikel 61 soll es der Agentur nämlich gerade ermöglichen, in Fällen, in denen ein wie auch immer geartetes rechtliches oder sachliches Hindernis der Ausführung eines Auftrags entgegensteht, sich diesem Auftrag zu widersetzen und somit gegebenenfalls vom Grundsatz der Gegenüberstellung von Angebot und Nachfrage abzuweichen, der nach Artikel 67 insbesondere hinsichtlich der Preise gilt. Im übrigen hat die Agentur entgegen dem Vorbringen der Klägerin dadurch, daß sie den Liefervertrag mit einer Bedingung betreffend den Ursprung des zu liefernden Materials versehen hat, keineswegs den Preis festgesetzt.

107 Aus den oben dargelegten Gründen hat die Agentur dadurch, daß sie den vorbehaltlosen Abschluß des fraglichen Liefervertrags abgelehnt und diesem Vertrag die Bedingung hinzugefügt hat, daß das Uran nicht aus der GUS stammen darf, weder einen Rechtsirrtum noch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

108 Die Entscheidung der Kommission, mit der diese Entscheidung der Agentur bestätigt wurde, kann deshalb nicht für rechtswidrig erklärt werden.

109 Der erste und der zweite Teil des ersten Klagegrundes sind somit als unbegründet zurückzuweisen.

Dritter Teil des ersten Klagegrundes: Verletzung der Ziele des Artikels 1 des Vertrages

- Zusammenfassung des Parteivorbringens

110 Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Entscheidung 94/285 im Widerspruch zu der der Gemeinschaft nach Artikel 1 Absatz 2 des Vertrages obliegenden Aufgabe stehe, "durch die Schaffung der für die schnelle Bildung und Entwicklung von Kernindustrien erforderlichen Voraussetzungen zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten und zur Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern beizutragen". Die Kommission und die Agentur hätten sich einseitig an den Interessen der Erzeuger orientiert und die Verbraucherinteressen in Wirklichkeit nicht berücksichtigt. Ausserdem schütze die Politik der Agentur die gemeinschaftsansässigen Erzeuger, die gerade 20 % des Uranbedarfs der Gemeinschaft deckten, nur in geringem Masse; Nutznießer dieser Politik seien vielmehr die Erzeuger bestimmter Drittländer.

111 Die Kommission trägt vor, daß die Gemeinschaftsproduktion von Natururan dann, wenn sich alle Verbraucher von Natururan überwiegend oder vollständig aus dem Aufkommen der GUS versorgen würden, mangels Nachfrage innerhalb weniger Jahre zusammenbrechen würde, was dem Gemeinschaftsinteresse zuwiderliefe. Im übrigen würden durch Einfuhren zu nicht marktgerechten Preisen nicht nur die Industrieunternehmen beeinträchtigt, die UF6 in der Gemeinschaft herstellten, sondern auch all jene Unternehmen, deren Tätigkeit dieser Herstellung vorgelagert sei.

112 Ausserdem könne es sich die Gemeinschaft nicht erlauben, bestimmten Drittländern zum Nachteil aller anderen kurzfristig einen privilegierten Zugang zum Gemeinschaftsmarkt zu verschaffen, der es diesen Drittländern ermöglichen würde, eine dominierende Stellung zu erlangen und langfristig engagierte Partner, darunter auch Entwicklungsländer, vom Markt zu verdrängen. Auch müsse die Gemeinschaft den Gefahren entgegenwirken, die daraus entstuenden, daß strukturell die Nachfrage die Produktionskapazitäten bei weitem übersteige.

- Würdigung durch das Gericht

113 Die Agentur ist bestrebt, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und den Verbrauchern in der Gemeinschaft kontinuierliche Lieferungen zu garantieren. Es liegt insbesondere im Interesse der Kernindustrie der Gemeinschaft, daß eine bestimmte Lieferquelle nicht zu grosse Bedeutung gegenüber alternativen Quellen erlangt. Es liegt auch im Interesse der Gemeinschaft insgesamt und entspricht dem Ziel der Entwicklung der Beziehungen mit den anderen Ländern, daß die Einfuhren zu marktgerechten Preisen erfolgen, wie dies u. a. Artikel 14 des Handelsabkommens zeigt. Daher entspricht die Entscheidung 94/285, wie das Gericht oben bereits festgestellt hat, den Erfordernissen der Versorgungspolitik. Sie läuft der Aufgabe der Gemeinschaft also nicht zuwider.

114 Folglich ist der dritte Teil des ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

Vierter Teil des ersten Klagegrundes: Verstoß gegen die Vorschriften über das Funktionieren des gemeinsamen Marktes für Natururan, insbesondere gegen die Artikel 2 Buchstabe g und 92 ff. des Vertrages

- Zusammenfassung des Parteivorbringens

115 Die Klägerin trägt vor, daß nach der marktwirtschaftlichen Konzeption des Versorgungskapitels des Vertrages den Wirtschaftsteilnehmern soweit wie möglich die Freiheit gewährleistet werden müsse, sich ungehindert bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Lieferanten ihrer Wahl zu versorgen. Diese Freiheit werde durch die Artikel 2 Buchstabe g und 92 ff. des Vertrages geschützt. Da es sich bei dem in Rede stehenden Liefervertrag um ein rein innergemeinschaftliches Geschäft gehandelt habe, sei diese Freiheit im vorliegenden Fall beeinträchtigt worden.

116 Die Kommission ist der Ansicht, daß das Vorbringen der Klägerin auch in dieser Hinsicht jeder Grundlage entbehre.

- Würdigung durch das Gericht

117 Die den Unternehmen eingeräumte Freiheit, sich bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Lieferanten ihrer Wahl zu versorgen, muß in den vom Vertrag gezogenen und oben aufgezeigten Grenzen und insbesondere in der Weise ausgeuebt werden, daß die Versorgungssicherheit nicht gefährdet wird. Im vorliegenden Fall stieß der Liefervertrag der Klägerin auf bestimmte rechtliche Hindernisse, die diese Freiheit gemäß Artikel 61 Absatz 1 des Vertrages beschränken. Denn der Lieferant der Klägerin war zwar ein in der Gemeinschaft ansässiges Unternehmen, doch kam ihm nur die Rolle eines Zwischenhändlers zu, da die zu liefernden Stoffe aus der GUS stammten.

118 Unter diesen Umständen ist auch der vierte Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.

2. Zweiter Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit, des Gleichheitsgrundsatzes und des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit

Zusammenfassung des Parteivorbringens

119 Die Klägerin macht zunächst eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit geltend. Die Agentur habe es in ihrem Verhalten an Transparenz fehlen lassen, da sie ihre Entscheidungsmaßstäbe erst im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits offengelegt habe. Die Agentur habe die rechtlichen Anforderungen nicht eingehalten, denn sie habe nicht gemäß einer transparenten Regelung und nach transparenten Kriterien gehandelt.

120 Weiter macht die Klägerin im Zusammenhang mit den von der Agentur und der Kommission herangezogenen Beurteilungskriterien eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes geltend. Für die Beurteilung der Versorgungssicherheit komme es auf die Perspektive des Endverbrauchers der jeweiligen Energie an. Eine Abhängigkeit des Endverbrauchers von der Klägerin bestehe aber unter elektrizitätswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht. Die Elektrizitätserzeugung in Deutschland sei nämlich nur zu einem geringen Teil von der Kernenergie abhängig. Für die Abnehmer der Klägerin habe die Sicherheit der Versorgung mit Natururan eine geringere Bedeutung als für die Kunden eines Unternehmens, das die Stromversorgung eines Landes hauptsächlich mit der Kernenergie bestreite.

121 Schließlich macht die Klägerin eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit geltend. Das Ziel der Diversifizierung könnte unter Aufrechterhaltung des Wettbewerbs auf dem Gemeinschaftsmarkt auch mit Hilfe von Artikel 65 Absatz 2 des Vertrages erreicht werden. Ausserdem sähen die Artikel 70 und 72 des Vertrages Kompetenzen vor, die die Rechte der Verbraucher in der Gemeinschaft nicht beeinträchtigten und es der Kommission oder dem Rat ermöglichten, die von ihnen für richtig gehaltenen Ziele der Agentur zu verfolgen.

122 Die Kommission hält die auf die fehlende Transparenz gestützte Rüge für nicht begründet. Die Klägerin habe notwendigerweise alle wesentlichen Bedingungen der Politik der Diversifizierung der Versorgung kennen müssen.

123 Zu der zweiten, auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gestützten Rüge vertritt die Kommission die Ansicht, daß die Ausführungen der Klägerin neben der Sache lägen. Unabhängig vom Anteil des Nuklearstroms an der nationalen Stromversorgung gehe es im vorliegenden Fall darum, daß das Verhalten der Klägerin, würde es zur allgemeinen Regel erhoben, die gemeinschaftlichen Erzeuger von Natururan gefährden und durch die unvertretbar gesteigerte Abhängigkeit von den GUS-Staaten mittel- bis langfristig die Versorgungssicherheit der gesamten Gemeinschaft auf dem Gebiet der Kernenergie bedrohen würde.

124 Die Kommission führt aus, daß sie auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verstossen habe. Ein gesunder Wettbewerb, der die Ziele der Gemeinschaft verwirkliche, könne sich nur entfalten, wenn Angebote zu nicht marktgerechten Preisen vom Markt ferngehalten würden.

Würdigung durch das Gericht

125 Zu der gerügten Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit ist festzustellen, daß die Grundlagen für das Vorgehen der Agentur, nämlich die Entschließung des Rates, die in Nr. 5 Buchstabe a zweiter Gedankenstrich das Ziel der geographischen Diversifizierung der Versorgungsquellen ausserhalb der Gemeinschaft nennt, und das Handelsabkommen, nach dessen Artikel 14 die Preise marktgerecht sein müssen, jeweils im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurden. Der Grundsatz des gleichen Zugangs zu den Versorgungsquellen ist in Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages selbst niedergelegt worden.

126 Ausserdem ist in dem Jahresbericht der Agentur für das Jahr 1992 (vgl. den allgemeinen Überblick über die Versorgungssituation der Gemeinschaft) festgestellt worden, daß die Einfuhren von Natururan aus der GUS etwa 25 % des Nettobedarfs der Gemeinschaft entsprächen und daß bereits Verträge über die künftige Lieferung sehr grosser Mengen aus dieser Quelle abgeschlossen worden seien. Das Niveau der Lieferungen von Material aus der GUS wurde von der Agentur und der Kommission als kritisch eingeschätzt, da bei einer Fortsetzung des seit 1990 beobachteten Trends die Versorgungssicherheit in Zukunft in Frage gestellt werden könnte. In dem Bericht wurde weiter ausgeführt, daß eine im Rahmen des Beirats gebildete Arbeitsgruppe von Sachverständigen zu dem Ergebnis gekommen sei, daß Material und Dienstleistungen mit Ursprung in der GUS auf dem Gemeinschaftsmarkt zu Preisen angeboten würden, die in keiner Beziehung zu den im Westen festgestellten Produktionskosten stuenden. Nach dem Bericht vertraten die Kommission und die Agentur die Auffassung, daß korrigierende Maßnahmen, die im wesentlichen auf dem ausschließlichen Recht zum Abschluß von Verträgen beruhten, gerechtfertigt seien. In dem Bericht wurde noch festgestellt, daß das politische Vorgehen der Agentur im allgemeinen positiv aufgenommen worden sei.

127 Angesichts des Bestehens leicht zugänglicher Informationsquellen, von denen anzunehmen ist, daß sie ein hinreichend umsichtiger Wirtschaftsteilnehmer dieses sehr speziellen und genau bestimmten Sektors kennt, kann daher nicht von einem Mangel an Transparenz gesprochen werden.

128 Folglich ist die auf eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit gestützte Rüge zurückzuweisen.

129 Die Agentur selbst hat hinsichtlich des "Grades der vertretbaren Abhängigkeit" eine bezifferte interne Leitlinie festgelegt, nach der es jedem in der Gemeinschaft ansässigen Wirtschaftsteilnehmer gestattet ist, maximal etwa 25 % seines Bedarfs durch Material aus der GUS zu decken.

130 Zwar wurde diese Obergrenze der vertretbaren Abhängigkeit nicht als solche veröffentlicht, doch kann sich aus diesem Umstand nicht die Rechtswidrigkeit der Entscheidung 94/285 ergeben. Bei diesem Grenzwert handelte es sich lediglich um ein internes Beurteilungskriterium, das die Agentur berücksichtigt hat, um den gleichen Zugang der Gemeinschaftsverbraucher zu den Versorgungsquellen zu gewährleisten. Diese Obergrenze stellte keine starre Regel dar, da die Entwicklung der Lage auf diesem Markt eine flexible Vorgehensweise erforderte. Ausserdem hätte die Klägerin unter den Umständen des vorliegenden Falles, da sie bereits Material aus der GUS in grossen Mengen gekauft hatte, erkennen können, daß eine erneute Einfuhr für ihre Rechnung als den Gemeinschaftsinteressen zuwiderlaufend angesehen werden könnte.

131 Zum Grundsatz der Gleichbehandlung scheint die Klägerin in ihren Schriftsätzen die Auffassung zu vertreten, daß er verletzt sei, wenn bei der Beurteilung der Lage nicht berücksichtigt werde, daß die in den verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen in unterschiedlichem Masse von Kernmaterial aus der GUS abhingen. In der mündlichen Verhandlung hat sie jedoch vorgetragen, die rechtswidrige Ungleichbehandlung bestehe darin, daß die Kommission ihrer Pflicht nicht nachgekommen sei, dafür zu sorgen, daß alle Wirtschaftsteilnehmer der Agentur ihre Verträge über die Lieferung von Kernmaterial zum Zwecke des Abschlusses vorlegten. Auf dieses Vorbringen hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung erwidert, daß ihr kein Fall bekannt sei, in dem ein Vertrag nicht bei der Agentur eingereicht worden wäre.

132 Die Agentur wendet hinsichtlich der vertretbaren Abhängigkeit einen Grenzwert an, um den in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen den gleichen Zugang zu den Versorgungsquellen zu garantieren. Eine solche Vorgehensweise findet ihre Rechtfertigung in Artikel 52 Absatz 1 des Vertrages. Von der Agentur und der Kommission kann nicht verlangt werden, daß sie der in den verschiedenen Mitgliedstaaten jeweils bestehenden besonderen Situation Rechnung tragen. Auch hat die Klägerin nicht das Vorliegen von Fällen nachgewiesen, in denen die Agentur und die Kommission einem Verstoß gegen Artikel 5bis der Vollzugsordnung nicht entgegengetreten wären.

133 Unter diesen Umständen greift die Rüge einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht durch.

134 Zum Grundsatz der Verhältnismässigkeit führt die Klägerin aus, daß das angestrebte Ergebnis im Rahmen von Artikel 65 Absatz 2 - wonach die Agentur den Herkunftsort der Stoffe bestimmen könne, soweit sie dem Verbraucher Lieferungsbedingungen zukommen lasse, die mindestens ebenso günstig seien wie die in dem Auftrag angegebenen - oder im Rahmen der Artikel 70 und 72 des Vertrages - die Schürfungsvorhaben und das Anlegen von Handels- und Sicherheitsbeständen beträfen - hätte erreicht werden können.

135 Bei Anwendung dieser Vorschriften hätte das Problem jedoch nicht gelöst werden können, da die Agentur in Anbetracht der Ziele ihrer Versorgungspolitik Einfuhren aus der GUS zu nicht marktgerechten Preisen entgegentreten musste. Ausserdem wurde der Liefervertrag unter der Bedingung gebilligt, daß das Material nicht aus der GUS stamme. Eine solche Bedingung kann aus den oben, insbesondere in den Randnummern 92 bis 94, dargelegten Gründen nicht unverhältnismässig sein.

136 Auch die Rüge einer Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes muß daher zurückgewiesen werden.

3. Dritter Klagegrund: Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeitsverteilung

Zusammenfassung des Parteivorbringens

137 Die Klägerin trägt vor, daß es sich weder bei der Agentur noch bei dem Beirat um Organe der Gemeinschaft im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 des Vertrages handele. Die Ausarbeitung der gemeinsamen Versorgungspolitik sei den politischen Organen der Gemeinschaft, nämlich der Kommission und dem Rat, vorbehalten. Die Agentur sei lediglich mit der kaufmännischen Durchführung der Versorgung betraut. Insbesondere habe sie keine Zuständigkeit für die Festsetzung von Importquoten. Da das Handelsabkommen unter dem primären Gemeinschaftsrecht stehe, könne es der Agentur auch keine Kompetenzen zur Entwicklung einer Versorgungspolitik zuweisen.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0149.1

138 Die Kommission führt aus, daß die Agentur als eine im Vertrag vorgesehene Einrichtung im rechtlichen Rahmen der Gemeinschaft beauftragt sei, auf der Grundlage des Vertrages die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Die Aufgaben der Agentur erschöpften sich nicht allein im "Kaufmännischen", sondern umfassten auch die Befugnis, bestimmte "politische" Entscheidungen im Sinne des Vorbringens der Klägerin zu treffen. Die Exekutivmaßnahmen der Agentur und die Ausübung ihres Vertragsabschlußrechts würden von der Zustimmung der Kommission und des Rates getragen, die im vorliegenden Fall von den bestehenden Möglichkeiten zur Erhebung von Einwendungen keinen Gebrauch gemacht hätten. Im übrigen verfolge die Agentur keine "handelspolitischen" Ziele, sondern Ziele der Versorgungspolitik auf dem Kerngebiet, für die die Gemeinschaft sowohl im Innern als auch in den Aussenbeziehungen eine ausschließliche Zuständigkeit habe, wie der Gerichtshof in dem Beschluß 1/78 (a. a. O., Randnr. 14) bestätigt habe.

139 Der Beirat sei vom Rat eingesetzt worden, als dieser gemäß Artikel 54 Absatz 2 des Vertrages die Satzung der Agentur erlassen habe. Der Beirat habe die Aufgabe, die Agentur zu unterstützen und zu beraten. Er stelle ein Verbindungsorgan zwischen der Agentur einerseits und den Verbrauchern sowie den beteiligten Kreisen andererseits dar. Soweit die Klägerin Vorwürfe gegen den Beirat erhebe, seien diese an den Rat und nicht an die Agentur oder die Kommission zu richten.

Würdigung durch das Gericht

140 Auf der Grundlage der oben vorgenommenen Analyse (vgl. insbesondere die Randnrn. 85 bis 109) steht fest, daß die Agentur im vorliegenden Fall den vom Rat und von der Kommission vorgezeichneten Weg eingeschlagen und in den Grenzen des weiten Ermessensspielraums gehandelt hat, über den sie beim Erlaß von Entscheidungen auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Handelspolitik sowie der Kernenergiepolitik verfügt (Urteil ENU/Kommission, a. a. O., Randnr. 67). Jedenfalls ist, soweit die Klägerin die Befugnisse der Agentur in Zweifel zieht, darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung 94/285 von der Kommission stammt. Die Kommission hat sich nämlich bei der Überprüfung der Handlung der Agentur, die ihr von der Klägerin gemäß Artikel 53 Absatz 2 des Vertrages unterbreitet worden war, die Beurteilung der Agentur zu eigen gemacht. Sie hat somit die Kriterien der Versorgungspolitik und ihre Durchführung durch die Agentur gemäß dem durch den Vertrag eingeführten Verfahren gebilligt.

141 Der dritte Klagegrund ist daher ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

4. Vierter Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

Zusammenfassung des Parteivorbringens

142 Die Klägerin ist der Ansicht, daß in der Begründung der Entscheidung 94/285 eine systematische Herleitung der Kompetenzen der Agentur aus dem Vertrag fehle und daß nichts darauf hindeute, daß die Kommission die Rechtsausführungen der Klägerin berücksichtigt habe. Insbesondere habe die Kommission nicht dargelegt, wieso die Klägerin von Uran aus der GUS abhängig würde und inwiefern der im Liefervertrag vereinbarte Bezugspreis nicht marktwirtschaftlichen Verhältnissen entspreche oder nicht marktgerecht sei.

143 Die Kommission führt dazu aus, daß die Klägerin Sinn und Zweck des Unterbreitungsverfahrens verkenne. Da die Frist, innerhalb deren eine Handlung der Agentur von den Betroffenen der Kommission unterbreitet werden müsse, und die Frist für die Äusserung der Kommission knapp bemessen seien, könnten weder an die Begründung der Unterbreitungsschrift noch an die Begründung der Entscheidung der Kommission überzogene Anforderungen gestellt werden. Im vorliegenden Fall sei die Begründung der Kommission ausreichend gewesen. Im übrigen seien alle relevanten Rechtsausführungen der Klägerin bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

Würdigung durch das Gericht

144 Wie das Gericht bereits ausgeführt hat (siehe oben, Randnr. 46), muß die Begründung eines Rechtsakts die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben, daß es den Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme zu erkennen, und daß der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann; dabei ist der Umfang der Begründungspflicht nach ihrem Zusammenhang zu beurteilen.

145 Die Kommission hat in ihrer Entscheidung deutlich gemacht, daß die Agentur nicht verpflichtet sei, Aufträge auszuführen, wenn dem rechtliche oder sachliche Hindernisse entgegenstuenden (vierzehnte Begründungserwägung der Entscheidung 94/285). Danach ist sie auf die Versorgungspolitik sowie auf das allgemeine Ziel und die Grundlagen einer Diversifizierung der Versorgungsquellen wie etwa die Entschließung des Rates eingegangen (fünfzehnte und sechzehnte Begründungserwägung). Anschließend hat sie auf Artikel 64 des Vertrages, wonach die Agentur gegebenenfalls im Rahmen der zwischen der Gemeinschaft und einem dritten Staat abgeschlossenen Abkommen tätig werde, und auf das Handelsabkommen, insbesondere dessen Artikel 14, hingewiesen (einundzwanzigste Begründungserwägung). Schließlich hat die Kommission dargelegt, daß eine Erhöhung des Anteils der GUS-Staaten an den Gesamtlieferungen, der gegenwärtig auf 20 % bis 25 % festgesetzt sei, mit den langfristigen Versorgungsinteressen der Gemeinschaft nur schwer zu vereinbaren wäre (dreiunddreissigste Begründungserwägung).

146 Die Begründung der Entscheidung 94/285 lässt damit unter Berücksichtigung des Zusammenhangs und des Umstands, daß ihr das oben in Randnummer 6 erwähnte Schreiben vom 20. Dezember 1993 und die Entscheidung, die Gegenstand der ersten Klage ist, vorausgegangen sind, die wesentlichen Gründe für die Ablehnung des Abschlusses des von der Klägerin eingereichten Vertrages klar und unzweideutig erkennen.

147 Daher greift auch der vierte Klagegrund nicht durch.

5. Fünfter Klagegrund: Ermessensmißbrauch

Zusammenfassung des Parteivorbringens

148 Die Klägerin stützt den Klagegrund des Ermessensmißbrauchs auch im Rahmen der zweiten Klage im wesentlichen darauf, daß die Agentur und die Kommission über kein Ermessen verfügt hätten, sondern verpflichtet gewesen seien, den von der Klägerin eingereichten Vertrag abzuschließen.

Würdigung durch das Gericht

149 Wie oben (Randnr. 53) bereits festgestellt, hat der Begriff des Ermessensmißbrauchs im Gemeinschaftsrecht eine präzise Bedeutung; er bezieht sich auf eine Situation, in der eine Verwaltungsbehörde ihre Befugnisse zu einem anderen Zweck als demjenigen ausübt, zu dem sie ihr übertragen worden sind. Es entspricht in diesem Zusammenhang ständiger Rechtsprechung, daß eine Entscheidung nur dann ermessensmißbräuchlich ist, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie zu anderen als den angegebenen Zwecken getroffen wurde.

150 Die Klägerin hat nicht dargetan, daß die Agentur und die Kommission ein anderes Ziel als das der Durchführung der Versorgungspolitik der Euratom verfolgt hätten.

151 Aus diesem Grund muß der fünfte Klagegrund ebenfalls zurückgewiesen werden.

152 Folglich ist der vorliegende Antrag auf Nichtigerklärung in vollem Umfang als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Schadensersatzantrag

153 Die Klägerin beantragt im wesentlichen, die Gemeinschaft gemäß Artikel 188 Absatz 2 des Vertrages zum Ersatz des Schadens zu verurteilen, den sie zum einen aufgrund des Verhaltens der Agentur, die den Liefervertrag nicht so, wie er bei ihr eingereicht worden sei, abgeschlossen, sondern mit einer zusätzlichen Bedingung versehen habe, und zum anderen aufgrund des Verhaltens der Kommission erlitten habe, die ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nachgekommen sei.

154 Die Kommission nimmt zwar zur Sache Stellung, macht aber die Unzulässigkeit der vorliegenden Schadensersatzklage geltend, weil diese gegen die Agentur und nicht gegen die Kommission gerichtet werden müsse. Die Agentur sei von der Verantwortung für ihre Handlungen nicht allein deshalb freigestellt, weil diese der Kommission zur Kontrolle der Rechtmässigkeit unterbreitet werden könnten.

155 Nach Artikel 188 Absatz 2 EAG des Vertrages ist die ausservertragliche Haftung der Gemeinschaft an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft: Die den Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Handlung muß rechtswidrig sein, es muß ein tatsächlicher Schaden eingetreten sein, und zwischen der Handlung und dem behaupteten Schaden muß ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (Urteil ENU/Kommission, a. a. O., Randnr. 90, und Urteil des Gerichtshofes vom 27. März 1990 in der Rechtssache C-308/87, Grifoni/Kommission, Slg. 1990, I-1203, Randnr. 6).

156 Im vorliegenden Fall sind, wie oben entschieden worden ist, das beanstandete Verhalten der Agentur und die Weigerung der Kommission, den ihr von der Klägerin vorgelegten Anträgen stattzugeben, nicht rechtsfehlerhaft. Der Schadensersatzantrag muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden, ohne daß eine Entscheidung über seine Zulässigkeit erforderlich wäre.

Kostenentscheidung:

Kosten

157 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten beantragt hat, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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