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Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 01.12.1994
Aktenzeichen: T-158/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verfahrensordnung EuGH


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 178
EWG-Vertrag Art. 215 Abs. 2
Verfahrensordnung EuGH Art. 87 § 5
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Zwar ist nach Artikel 87 § 5 der Verfahrensordnung im Falle der Klagerücknahme eine Verurteilung einer Partei zur Tragung der Kosten der Gegenseite nur möglich, wenn von der Gegenpartei ein Antrag in diesem Sinne gestellt wird, doch ergibt sich aus Artikel 87 § 5 Absatz 3, daß auch ohne einen Antrag der Gegenpartei darauf erkannt werden kann, daß eine Partei ihre eigenen Kosten zu tragen hat. Nimmt nämlich ein Kläger die Klage zurück, ohne einen Kostenantrag zu stellen, dann kann daraus zwar gefolgert werden, daß er darauf verzichtet, die Übernahme seiner eigenen Kosten durch die beklagte Partei zu verlangen, nicht aber, daß er bereit wäre, dieser auch deren Kosten zu erstatten. Da über die Streichung einer Rechtssache im Fall der Klagerücknahme und gegebenenfalls über einen Kostenantrag der beklagten Partei nach Absatz 1 Satz 2 ohne weiteres Verfahren zu entscheiden ist, erhält der Kläger nicht eigens Gelegenheit, diesem Kostenantrag zu widersprechen. Deshalb muß die Begründetheit der Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Kosten der beklagten Partei gegebenenfalls von Amts wegen gewürdigt werden, soweit dies nach Lage des Falles möglich ist.

Ergibt sich dabei, daß der Kläger aufgrund des Verhaltens der beklagten Partei Veranlassung zur Klageerhebung hatte und deshalb eine Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Kosten der beklagten Partei nicht gerechtfertigt ist, so ist dem Kostenantrag der beklagten Partei auch dann nicht stattzugeben, wenn der Kläger bei der Klagerücknahme darauf verzichtet hat, einen eigenen Kostenantrag zu stellen. Jede Partei hat in einem solchen Fall ihre eigenen Kosten zu tragen.

Diese Lösung ist im Falle der ohne Kostenantrag erfolgten Klagerücknahme durch eine Reihe von Klägern geboten, die Klage auf Ersatz des Schadens erhoben hatten, den sie durch die Anwendung bestimmter Vorschriften der Milchquotenregelung erlitten hatten. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatten der Rat und die Kommission nämlich noch nicht, wie dies später in einer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften geschah, ihre Haftung anerkannt und im Hinblick auf eine geplante Gesamtregelung auf die Geltendmachung der Verjährung verzichtet, so daß die Klageerhebung zur Verfolgung der inzwischen durch das ° von den Klägern angenommene ° Entschädigungsangebot anerkannten Ansprüche der Kläger gerechtfertigt war.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DER ERSTEN ERWEITERTEN KAMMER DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 1. DEZEMBER 1994. - DETLEF BRANDT UND ANDERE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STREICHUNG. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN T-158/93, T-161/93, T-163/93, T-175/93, T-176/93, T-177/93, T-186/93, T-203/93, T-206/93, T-208/93, T-209/93 UND T-216/93.

Entscheidungsgründe:

1 Mit den zwischen dem 5. Mai und dem 20. Juli 1992 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangenen Klageschriften haben die Kläger Klage gemäß Artikel 178 und Artikel 215 Absatz 2 EWG-Vertrag gegen die Kommission erhoben auf Ersatz des ihnen infolge der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 90, S. 13) entstandenen Schadens. Durch Beschluß des Gerichtshofs vom 27. September 1993 sind die Rechtssachen an das Gericht erster Instanz verwiesen worden.

2 Mit zwischen dem 19. und dem 30. September 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben haben die Kläger, die in der Zwischenzeit das ihnen aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 des Rates vom 22. Juli 1993 über das Angebot einer Entschädigung an bestimmte Erzeuger von Milch oder Milcherzeugnißsen, die vorübergehend an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert waren (ABl. L 196, S. 6), unterbreitete Entschädigungsangebot angenommen hatten, die Klagerücknahme erklärt. Die Kläger stellen keinen Kostenantrag.

3 Die Kommission hat im Hinblick auf die Klagerücknahmen beantragt, den Klägern gemäß Artikel 87 § 5 Absatz 1 Satz 1 der Verfahrensordnung die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Die Kommission hat dazu ausgeführt, in Ermangelung eines im Zusammenhang mit der Klagerücknahme gestellten gesonderten Kostenantrages der Kläger und angesichts des von der Kommission gestellten Kostenantrags sei die zu erlassende Kostenentscheidung in Absatz 1 Satz 1 zwingend vorgeschrieben und für eine Kostenentscheidung entsprechend Absatz 1 Satz 2 oder Absatz 3 kein Raum. Erwägungen, daß die Kommission Anlaß zur Klageerhebung gegeben habe, dürften im Rahmen einer Kostenentscheidung nur dann eine Rolle spielen, wenn ein Kläger einen Kostenantrag nach Absatz 1 Satz 2 gestellt habe.

4 Gemäß Artikel 87 § 5 der Verfahrensordnung wird diejenige Partei, die die Klage oder einen Antrag zurücknimmt, auf Antrag der Gegenpartei zur Kostentragung verurteilt. Die Kosten werden jedoch auf Antrag der Partei, die die Rücknahme erklärt, der Gegenpartei auferlegt, wenn dies wegen des Verhaltens dieser Partei gerechtfertigt erscheint. Werden keine Kostenanträge gestellt, so trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

5 Es ist zunächst festzustellen, daß der Rat und die Kommission zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht mit der Veröffentlichung vom 5. August 1992 im Amtsblatt (ABl. C 198, S. 4) ihre Haftung anerkannt und im Hinblick auf eine geplante Gesamtregelung auf die Geltendmachung der Verjährung verzichtet hatten. Die Klageerhebung war daher zur Verfolgung der inzwischen durch das Entschädigungsangebot anerkannten Ansprüche der Kläger gerechtfertigt.

6 Es ist sodann darauf hinzuweisen, daß zwar nach Artikel 87 § 5 der Verfahrensordnung im Falle der Klagerücknahme eine Verurteilung einer Partei zur Tragung der Kosten der Gegenseite nur möglich ist, wenn von der Gegenpartei ein Antrag in diesem Sinne gestellt wird, daß sich aber aus Artikel 87 § 5 Absatz 3 ergibt, daß auch ohne einen Antrag der Gegenpartei darauf erkannt werden kann, daß eine Partei ihre eigenen Kosten zu tragen hat. Nimmt nämlich ein Kläger die Klage zurück, ohne einen Kostenantrag zu stellen, dann kann daraus zwar gefolgert werden, daß er darauf verzichtet, die Übernahme seiner eigenen Kosten durch die beklagte Partei zu verlangen, nicht aber, daß er bereit wäre, dieser auch deren Kosten zu erstatten. Über die Streichung einer Rechtssache im Fall der Klagerücknahme und gegebenenfalls über einen Kostenantrag der beklagten Partei nach Absatz 1 Satz 2 ist ohne weiteres Verfahren zu entscheiden. Der Kläger erhält nicht eigens Gelegenheit, diesem Kostenantrag zu widersprechen. Deshalb muß die Begründetheit der Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Kosten der beklagten Partei gegebenenfalls von Amts wegen gewürdigt werden, soweit dies nach Lage des Falles möglich ist. Ergibt sich dabei, daß der Kläger aufgrund des Verhaltens der beklagten Partei Veranlassung zur Klageerhebung hatte und deshalb eine Verpflichtung des Klägers zur Tragung der Kosten der beklagten Partei nicht gerechtfertigt ist, dann ist dem Kostenantrag der beklagten Partei auch dann nicht stattzugeben, wenn der Kläger bei der Klagerücknahme darauf verzichtet hat, einen eigenen Kostenantrag zu stellen. Jede Partei hat in einem solchen Fall ihre eigenen Kosten zu tragen.

7 Aus dem Vorstehenden folgt, daß dem Antrag der Kommission, die Kläger zur Tragung aller Kosten des Verfahrens zu verurteilen, nicht stattzugeben und die Kostenentscheidung in dem Sinne zu treffen ist, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Diese Entscheidung ergeht unbeschadet des in den vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigenden Pauschalbetrags für die Kosten in Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 2187/93 aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 2648/93 der Kommission (ABl. L 243, S. 1).

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DER ERSTEN ERWEITERTEN KAMMER DES GERICHTS

beschlossen:

1) Die Rechtssachen T-158/93, T-161/93, T-163/93, T-175/93, T-176/93, T-177/93, T-186/93, T-203/93, T-206/93, T-208/93, T-209/93 und T-216/93 werden im Register des Gerichts gestrichen.

2) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 1. Dezember 1994

Ende der Entscheidung

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