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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 16.12.1999
Aktenzeichen: T-158/96
Rechtsgebiete: Entscheidung 96/617/EGKS, EGKS-Vertrag, G Nr. 25/81 der autonomen Provinz Bozen über Finanzzuwendungen an die Industrie


Vorschriften:

Entscheidung 96/617/EGKS
EGKS-Vertrag Art. 95
G Nr. 25/81 der autonomen Provinz Bozen über Finanzzuwendungen an die Industrie
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Das Verwaltungsverfahren in Beihilfesachen wird lediglich gegen den betroffenen Mitgliedstaat eingeleitet; der Beihilfeempfänger gilt in diesem Verfahren nur als "interessierter Dritter". Weder aus dem Wortlaut von Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Stahlbeihilfenkodex oder aus einer anderen Vorschrift über staatliche Beihilfen noch aus der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte ergibt sich eine Verpflichtung der Kommission, den Empfänger staatlicher Beihilfen dazu anzuhören, wie sie diese Beihilfen rechtlich beurteilt. Der Beihilfeempfänger kann nicht die Rechte der Verteidigung geltend machen, die denjenigen zustehen, gegen die ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden ist, sondern er hat nur Anspruch darauf, an dem Verfahren so weit beteiligt zu werden, wie es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen ist.

2 Im Gegensatz zu den Vorschriften des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen, die der Kommission die ständige Befugnis verleihen, über deren Vereinbarkeit mit dem Vertrag zu entscheiden, können die durch die Stahlbeihilfenkodexe gewährten Ausnahmen vom Grundsatz des absoluten Beihilfenverbots gemäß Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag nur für die Zeiträume gewährt werden, die die Stahlbeihilfenkodexe vorsehen. Nach Ablauf der Geltungsdauer eines Stahlbeihilfenkodex darf die Kommission deshalb nicht mehr nach dessen Ausnahmeregelungen eine Stahlbeihilfe genehmigen, die nicht gemäß dem Stahlbeihilfenkodex angemeldet worden war.

Wurden die Beihilfen nicht angemeldet, so kann der Mitgliedstaat, der seine Anmeldepflicht versäumt hat, von der Kommission nicht verlangen, daß sie die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt anhand eines Stahlbeihilfenkodex prüft, der nicht mehr in Kraft ist. Ebensowenig kann sich der Mitgliedstaat, der die im Stahlbeihilfenkodex festgelegten Voraussetzungen nicht eingehalten hat, mit Erfolg auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen, um in den Genuß der im Stahlbeihilfenkodex festgelegten Ausnahmen zu kommen.

3 Beihilfebegünstigte Unternehmen dürfen auf die Ordnungsmässigkeit einer Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Beachtung des vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde, worüber sich ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer vergewissern können muß. Der Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes nur unter aussergewöhnlichen Umständen berufen, aufgrund deren er auf die Ordnungsmässigkeit der Beihilfe vertrauen durfte.

4 Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt, daß die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist.

Da die Aufhebung einer rechtswidrigen Beihilfe im Wege der Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ist, kann die Rückforderung grundsätzlich nicht als eine Maßnahme betrachtet werden, die in keinem Verhältnis zu den Zielen der Bestimmungen des EGKS-Vertrags über staatliche Beihilfen steht. Selbst wenn eine solche Maßnahme erst lange Zeit nach der Gewährung der Beihilfe getroffen wird, kann sie keine nicht im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Sanktion darstellen.

Da die praktische Wirksamkeit des EGKS-Vertrages vereitelt würde, wenn die begünstigten Unternehmen von der Verfügbarkeit des Geldes in der Zeit zwischen der Gewährung und der tatsächlichen Rückzahlung von Beihilfen profitieren könnten, kann eine Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen angeordnet wird, zur Erhebung von Zinsen auf die gewährten Beträge verpflichten, um die mit diesen Beihilfen verbundenen finanziellen Vorteile zu beseitigen.

Was den Zeitpunkt angeht, von dem an die Zinsen zu berechnen sind, so ist zu berücksichtigen, daß sie den Gegenwert für den finanziellen Vorteil aufgrund der kostenlosen Zurverfügungstellung des fraglichen Kapitals für einen bestimmten Zeitraum darstellen. Die Kommission darf die Zinsen daher vom Zeitpunkt der Beihilfenauszahlung an berechnen.

5 Da unter den EGKS-Vertrag fallende Beihilfen als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt gelten, ohne daß nachgewiesen oder auch nur geprüft werden müsste, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen gegeben ist oder aufzutreten droht, begeht die Kommission keinen Rechtsfehler, wenn sie feststellt, daß die fraglichen Beihilfen in den Geltungsbereich des EGKS-Vertrags fallen, ohne zuvor zu prüfen, ob sie "Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel" haben.

6 Der Gemeinschaftsrichter darf bei der Ausübung seiner Zuständigkeit für die Entscheidung über Nichtigkeitsklagen gegen Entscheidungen und Empfehlungen der Kommission seine Prüfung nach Artikel 33 Absatz 1 Satz 2 EGKS-Vertrag nicht auf die Beurteilung der sich aus den wirtschaftlichen Tatsachen oder Umständen ergebenden Situation erstrecken, die zu den angefochtenen Entscheidungen oder Empfehlungen geführt hat, es sei denn, daß der Kommission vorgeworfen wird, sie habe einen Ermessensmißbrauch begangen oder die Bestimmungen des Vertrages oder irgendeine bei seiner Durchführung anzuwendende Rechtsnorm offensichtlich verletzt.

Um festzustellen, ob die Kommission die Bestimmungen des EGKS-Vertrags oder einen Stahlbeihilfenkodex so offensichtlich verletzt hat, daß eine Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerechtfertigt wäre, müssen die von der Klägerin beigebrachten Beweiselemente ausreichen, um die Würdigung des Sachverhalts in der Entscheidung als unplausibel erscheinen zu lassen.

7 Die Gewährung einer Ausnahme von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag erfordert eine Prüfung, die von der Kommission in einem gemeinschaftlichen Zusammenhang vorzunehmende Beurteilungen impliziert. Die Tatsache, daß die Ausgaben für Sachanschaffungen im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften in die Bilanz eingestellt und dort als Investitionen für Forschung und Entwicklung oder sonstwie ausgewiesen werden, beweist für sich allein nicht, daß die fraglichen Beihilfen auf der Grundlage des EGKS-Vertrags freigestellt werden können.

8 In Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen über das Verfahren zur Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge muß die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beihilfen nach den im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten erfolgen. Die Anwendung des nationalen Rechts darf jedoch die Tragweite und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigen. Mit anderen Worten, die Anwendung der nationalen Bestimmungen darf nicht die Rückforderung der unrechtmässig gewährten Beträge praktisch unmöglich machen, und sie darf nicht gegenüber vergleichbaren Fällen, für die nur die nationalen Rechtsvorschriften gelten, diskriminierend sein.

Mit der Rückforderung einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren staatlichen Beihilfe wird bezweckt, die vorherige Lage wiederherzustellen, was voraussetzt, daß alle sich aus der Beihilfe ergebenden finanziellen Vorteile, die wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt haben, beseitigt worden sind. Deshalb kann eine Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen angeordnet wird, zur Erhebung von Zinsen auf die gewährten Beträge verpflichten, um die mit diesen Beihilfen verbundenen finanziellen Vorteile zu beseitigen.

Würden nämlich bei der Rückforderung keine Zinsen auf die rechtswidrig gewährten Beträge verlangt, so würde dies bedeuten, daß dem Unternehmen, das diese Beträge empfangen hat, auf die Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe zurückzuführende finanzielle Vorteile, die in der Gewährung eines zinslosen Darlehens bestehen, erhalten blieben. Somit würde es sich eigentlich um eine Beihilfe handeln, die den Wettbewerb verfälschte oder zu verfälschen drohte.


Urteil des Gerichts Erster Instanz (Fünfte erweiterte Kammer) vom 16. Dezember 1999. - Acciaierie di Bolzano SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EGKS-Vertrag - Nichtigkeitsklage - Staatliche Beihilfen - Entscheidung, mit der die Unvereinbarkeit von Beihilfen festgestellt und ihre Rückzahlung angeordnet wird - Anwendbarer Stahlbeihilfenkodex - Verteidigungsrechte - Berechtigtes Vertrauen - Anwendbare Zinssätze - Begründung. - Rechtssache T-158/96.

Parteien:

In der Rechtssache T-158/96

Acciaierie di Bolzano SpA, Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Bozen (Italien), Prozeßbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte Giulio Macrì, Bruno Nascimbene, Mailand, und Rechtsanwalt Massimo Condinanzi, Biella, sodann Rechtsanwalt Nascimbene, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Franco Colussi, 36, rue de Wiltz, Luxemburg,

Klägerin,

unterstützt durch

Falck SpA, Gesellschaft italienischen Rechts mit Sitz in Mailand (Italien), Prozeßbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte Giulio Macrì und Franco Colussi, Mailand, sodann Rechtsanwälte Macrì und Massimo Condinanzi, Biella, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Franco Colussi, 36, rue de Wiltz, Luxemburg,

und

Italienische Republik, vertreten durch Umberto Colesanti, Servizio del contenzioso diplomatico, als Bevollmächtigten im Beistand von Avvocato dello Stato Aiello Giacomo, Zustellungsanschrift: Italienische Botschaft, 5, rue Marie-Adélaïde, Luxemburg,

Streithelferinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Enrico Traversa und Paul Nemitz, Juristischer Dienst, und Enrico Altieri, Richter an der Corte di Cassazione, als Bevollmächtigte, und in der mündlichen Verhandlung durch Rechtsanwalt Tito Ballarino, Mailand, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 96/617/EGKS der Kommission vom 17. Juli 1996 über Beihilfen der autonomen Provinz Bozen (Italien) an das Stahlunternehmen Acciaierie di Bolzano (ABl. L 274, S. 30)

erläßtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. D. Cooke, des Richters R. García-Valdecasas, der Richterin P. Lindh sowie der Richter J. Pirrung und M. Vilaras,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 1999,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen, Sachverhalt und Verfahren

Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 4 EGKS-Vertrag bestimmt:

"Als unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl werden innerhalb der Gemeinschaft gemäß den Bestimmungen dieses Vertrags aufgehoben und untersagt:

...

c) von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer geschieht".

2 Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag lautet:

"In allen in diesem Vertrag nicht vorgesehenen Fällen, in denen eine Entscheidung oder Empfehlung der Kommission erforderlich erscheint, um eines der in Artikel 2, 3 und 4 näher bezeichneten Ziele der Gemeinschaft auf dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl gemäß Artikel 5 zu erreichen, kann diese Entscheidung oder Empfehlung mit einstimmiger Zustimmung des Rates und nach Anhörung des Beratenden Ausschusses ergehen.

Die gleiche, in derselben Form erlassene Entscheidung oder Empfehlung bestimmt gegebenenfalls die anzuwendenden Sanktionen."

3 Um den Erfordernissen einer Umstrukturierung der Eisen- und Stahlindustrie gerecht zu werden, erließ die Kommission auf der Grundlage des Artikels 95 EGKS-Vertrag zu Beginn der achtziger Jahre eine gemeinschaftliche Regelung, mit der in bestimmten, abschließend aufgezählten Fällen staatliche Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie zugelassen wurden. Diese Regelung wurde später mehrfach geändert, um den konjunkturellen Schwierigkeiten der Eisen- und Stahlindustrie zu begegnen. Die verschiedenen in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen werden gemeinhin als "Stahlbeihilfenkodexe" bezeichnet.

4 Den Ersten Stahlbeihilfenkodex bildet die Entscheidung Nr. 257/80/EGKS der Kommission vom 1. Februar 1980 zur Einführung von gemeinschaftlichen Regeln über spezifische Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 29, S. 5). Dieser Kodex galt bis zum 31. Dezember 1981. Er wurde ersetzt durch die Entscheidung Nr. 2320/81/EGKS der Kommission vom 7. August 1981 zur Einführung gemeinschaftlicher Regeln für Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 228, S. 14) in der Fassung der Entscheidung Nr. 1018/85/EGKS der Kommission vom 19. April 1985 (ABl. L 110, S. 5; im folgenden: Zweiter Kodex). Dieser Kodex galt bis zum 31. Dezember 1985.

5 Der Dritte Stahlbeihilfenkodex (Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften für die Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie, ABl. L 340, S. 1; im folgenden: Dritter Kodex) galt vom 1. Januar 1986 bis 31. Dezember 1988. Der Vierte Stahlbeihilfenkodex (Entscheidung Nr. 322/89/EGKS der Kommission vom 1. Februar 1989 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie, ABl. L 38, S. 8) galt vom 1. Januar 1989 bis 31. Dezember 1991.

6 Der Fünfte Stahlbeihilfenkodex, der durch die Entscheidung 3855/91/EGKS der Kommission vom 27. November 1991 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 362, S. 57; im folgenden: Fünfter Kodex) geschaffen wurde, galt vom 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996. Er wurde am 1. Januar 1997 durch die Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 338, S. 42) abgelöst, die den Sechsten Stahlbeihilfenkodex bildet.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

7 Die Klägerin, die Acciaierie di Bolzano (im folgenden: Klägerin oder ACB), ist ein Unternehmen, das Spezialstahlerzeugnisse herstellt, die unter der Kennzahl 4400 der Anlage I zum EGKS-Vertrag aufgeführt sind und damit unter dessen Vorschriften fallen. Bis zum 31. Juli 1995 wurde die ACB von dem Stahlkonzern Falck SpA, einer Gesellschaft italienischen Rechts (im folgenden: Falck), kontrolliert. Zu diesem Zeitpunkt wurde die klagende Gesellschaft an die Valbruna Srl veräußert.

8 Mit Schreiben vom 5. Juli 1982 unterrichtete die Kommission die italienische Regierung von ihrem Beschluß, die Regelung regionaler Beihilfen zu genehmigen, die durch das Gesetz Nr. 25/81 der autonomen Provinz Bozen vom 8. September 1981 über Finanzzuwendungen an die Industrie (im folgenden: Provinzgesetz Nr. 25/81) eingeführt worden war. In dem Schreiben wies die Kommission jedoch darauf hin, daß sie auch über die sektorielle Anwendung des in diesem Bereich einschlägigen nationalen Gesetzes Nr. 675 vom 12. August 1977 zur Koordinierung der Industriepolitik und zur Restrukturierung, Umwandlung und Entwicklung des Sektors (1/a) (im folgenden: nationales Gesetz Nr. 675/77) zu entscheiden habe und sich deshalb nach Maßgabe der von ihr auf nationaler Ebene noch zu treffenden Entscheidung eine nähere Festlegung der Bedingungen vorbehalte, die für die Durchführung der Regelung in der Provinz Bozen gelten sollten. Sie wies außerdem darauf hin, daß die Behörden der Provinz Bozen in vollem Umfang die Vorschriften der gemeinschaftlichen Stahlbeihilfenkodexe einzuhalten hätten.

9 Artikel 1 der Entscheidung 91/176/EGKS der Kommission vom 25. Juli 1990 über die von der Provinz Bozen für das Stahlwerk Bozen gewährten Beihilfen (ABl. L 86, S. 28) lautet: "Die Zinsverbilligung eines im Dezember 1987 dem Unternehmen Acciaierie di Bolzano von der Provinz Bozen in Italien in Anwendung des Provinzgesetzes Nr. 25 vom 8. September 1981 gewährten Darlehens [in Höhe von 6 Milliarden ITL] ist eine unrechtmäßig gewährte Beihilfe, weil sie ohne vorherige Genehmigung der Kommission durchgeführt worden und außerdem mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne der Entscheidung Nr. 3484/85/EGKS [Dritter Kodex] unvereinbar ist." Die Kommission verlangte in dieser Entscheidung allerdings nicht die Erstattung der bereits gezahlten Beträge, sondern gab den Behörden der Provinz Bozen nur auf, die Zinsverbilligung der Jahresraten des streitigen Darlehens bis zu dessen Auslaufen einzustellen.

10 Im zweiten Absatz des Abschnitts II der Begründung dieser Entscheidung erinnerte die Kommission daran, daß sie am 25. Mai 1983 auf der Grundlage des Zweiten Kodex für die Umstrukturierung bestimmter privater italienischer Unternehmen Beihilfen in der Größenordnung von 40 Milliarden ITL genehmigt habe, darunter einen Betrag in Höhe von 2 Milliarden ITL, der dem Stahlwerk Bozen aufgrund des nationalen Gesetzes Nr. 675/77 gewährt werden sollte. In diesem Rahmen sollte für das spezielle Vorhaben, die Erzeugnisse der Bozener Walzdrahtstraße qualitativ zu verbessern, ein verbilligtes Darlehen in Höhe von 6 Milliarden ITL bereitgestellt werden. Im folgenden Absatz der Entscheidungsbegründung wies die Kommission allerdings darauf hin, daß ihr die italienische Regierung mitgeteilt habe, daß das nationale Gesetz Nr. 675/77 aufgrund der Verwaltungsstruktur Italiens, die eine weitgehende Autonomie insbesondere für die Provinzen Trentino und Bozen vorsehe, in diesen Gebieten nicht gelte und daß in der Provinz Bozen statt dessen das Provinzgesetz Nr. 25/81 gelte. Die Kommission führte aus, daß sich die tatsächliche Gewährung der Beihilfe dadurch verzögert habe. Im zweiten Absatz des Abschnittes III der Entscheidungsbegründung kam sie sodann zu dem Ergebnis, daß die genehmigte Beihilfe, da sie nicht bis zu dem gemäß Artikel 2 Absatz 1 fünfter Gedankenstrich des Zweiten Kodex verbindlichen Zeitpunkt des 31. Dezember 1985 ausgezahlt und weder erneut angemeldet noch von ihr nach dem Dritten Kodex genehmigt worden sei, zu einer unrechtmäßig gewährten Beihilfe geworden sei.

11 Auf eine förmliche Beschwerde ersuchte die Kommission am 21. Dezember 1994 die italienischen Behörden um Auskunft über öffentliche Zuschüsse zugunsten der Klägerin. Die italienische Regierung antwortete hierauf mit Schreiben vom 6. April und 2. Mai 1995.

12 Mit Schreiben vom 1. August 1995 unterrichtete die Kommission die italienische Regierung, daß sie die Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex beschlossen habe, und ersuchte sie um Stellungnahme. Der Beschluß über die Einleitung des Verfahrens wurde am 22. Dezember 1995 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 344, S. 8; im folgenden: Beschluß über die Einleitung des Verfahrens) veröffentlicht; den anderen Mitgliedstaaten und interessierten Dritten wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

13 Mit Schreiben vom 18. Januar 1996 beantragte die Klägerin als interessierte Dritte bei der Kommission, in dem eingeleiteten Verfahren hinzugezogen und angehört zu werden. Nachdem dieses Schreiben ohne Antwort geblieben war, bat die Klägerin mit einem zweiten Schreiben vom 28. März 1996 um Auskunft über den Verfahrensstand und insbesondere auch darüber, ob es die Kommission als ihre Pflicht ansehe, die Klägerin anzuhören oder bei ihr Informationen einzuholen.

14 Mit Schreiben vom 19. und 22. Januar 1996 nahmen der Verband der deutschen Stahlhersteller, die Wirtschaftsvereinigung Stahl, und der britische Stahlherstellerverband, die British Iron and Steel Producers Association, gegenüber der Kommission Stellung. Die Kommission übermittelte diese Schreiben den italienischen Behörden mit Begleitschreiben vom 20. Februar 1996.

15 Mit Schreiben vom 27. März 1996 nahmen auch die italienischen Behörden gegenüber der Kommission Stellung.

Die angefochtene Entscheidung

16 Am 17. Juli 1996 erließ die Kommission die Entscheidung Nr. 96/617/EGKS über Beihilfen der autonomen Provinz Bozen (Italien) an das Stahlunternehmen Acciaierie di Bolzano (ABl. L 274, S. 30; im folgenden: angefochtene Entscheidung).

17 Im dritten Absatz des Abschnitts I der Begründung der angefochtenen Entscheidung werden die staatlichen Zuwendungen, die der Klägerin im Zeitraum 1982 bis 1990 gemäß dem Provinzgesetz Nr. 25/81 von der autonomen Provinz Bozen gewährt wurden, wie folgt aufgelistet:

- mit Beschluß Nr. 784 vom 14. Februar 1983:

- ein Darlehen in Höhe von 5,6 Milliarden ITL und

- ein nicht rückzahlbarer Zuschuß in Höhe von 8 Milliarden ITL;

- mit Beschluß Nr. 3082 vom 1. Juli 1985:

- ein Darlehen in Höhe von 12,941 Milliarden ITL;

- mit Beschluß Nr. 6346 vom 3. Dezember 1985:

- ein nicht rückzahlbarer Zuschuß in Höhe von 10,234 Milliarden ITL;

- mit Beschluß Nr. 7673 vom 14. Dezember 1987:

- ein Darlehen in Höhe von 6,321 Milliarden ITL;

- mit Beschluß Nr. 2429 vom 2. Mai 1988:

- ein nicht rückzahlbarer Zuschuß in Höhe von 3,750 Milliarden ITL;

- mit Beschluß Nr. 4158 vom 4. Juli 1988:

- ein Darlehen in Höhe von 987 Millionen ITL und

- ein nicht rückzahlbarer Zuschuß in Höhe von 650 Millionen ITL.

18 In der angefochtenen Entscheidung wird an gleicher Stelle weiter ausgeführt, daß die vorgenannten Beihilfen zum einen als zinsgünstige Darlehen in der Gesamthöhe von 25,849 Milliarden ITL (12,025 Millionen ECU) mit einer Laufzeit von 10 Jahren und zum Zinssatz von 3 % - d. h. zu einer um rund 9 Prozentpunkte unter dem in Italien seinerzeit marktüblichen Satz von 12 % liegenden Verzinsung - und zum anderen als verlorene, also nicht rückzahlbare Zuschüsse in der Gesamthöhe von 22,634 Milliarden ITL (10,5 Millionen ECU) gewährt worden seien.

19 Die Kommission war der Auffassung, daß die vor dem 31. Dezember 1985 gewährten Beihilfen selbst bei ihrer Prüfung auf der Grundlage des Zweiten Kodex nicht als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könnten. Nach Artikel 2 Absatz 1 des Zweiten Kodex könnten Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie u. a. als mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes vereinbar angesehen werden, wenn das begünstigte Unternehmen ein Umstrukturierungsprogramm durchführe, das geeignet sei, seine Wettbewerbsfähigkeit und Rentabilität ohne Beihilfen unter normalen Marktbedingungen wiederherzustellen, und das einen Abbau der Produktionskapazität des Unternehmens bewirke. Im gegebenen Fall sei jedoch keine dieser beiden Bedingungen erfuellt.

20 Die Kommission wies sodann darauf hin, dass der beim Erlaß der Entscheidung geltende Stahlbeihilfenkodex alle bestehenden Ausnahmen von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag aufführe, nämlich Beihilfen zur Deckung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, Umweltschutzbeihilfen und Schließungsbeihilfen. Diese Ausnahmen griffen aber im zu beurteilenden Fall nicht ein.

21 Jedoch seien bei den öffentlichen Zuwendungen, die vor dem 1. Januar 1986 gewährt worden seien, besondere Umstände zu berücksichtigen, die bei den italienischen Behörden einen Irrtum über die Regelung, nach der die fraglichen Beihilfen anzumelden gewesen seien, bewirkt haben könnten. Die Kommission verzichtete deshalb auf die Rückforderung der vor dem 1. Januar 1986 gewährten Beihilfen.

22 Die angefochtene Entscheidung bestimmt:

"Artikel 1

Die Beihilfemaßnahmen, die das Unternehmen Acciaierie di Bolzano gemäß dem Provinzgesetz Nr. 25/81 in Anspruch genommen hat, wurden unrechtmäßig, da ohne vorherige Notifizierung gewährt und sind nach Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Artikel 2

Italien fordert die Beihilfen, die dem Unternehmen Acciaierie di Bolzano seit 1. Januar 1986 auf der Grundlage des Provinzgesetzes Nr. 25/81 sowie der Beschlüsse Nr. 7673 vom 14. Dezember 1987, Nr. 2429 vom 2. Mai 1988 und Nr. 4158 vom 4. Juli 1988 gewährt wurden, gemäß den in Italien geltenden gesetzlichen Bestimmungen über die Einziehung staatlicher Forderungen zurück. Als Ausgleich für die Auswirkungen der fraglichen Beihilfen erfolgt die Rückzahlung einschließlich Zinsen ab dem Zeitpunkt der Gewährung bis zur vollständigen Rückzahlung und in Höhe des Zinssatzes, den die Kommission bei der Bemessung des Nettosubventionsäquivalents von Regionalbeihilfen in dem betreffenden Zeitraum zugrunde gelegt hat.

... "

Verfahren

23 Mit Klageschrift, die am 12. Oktober 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

24 Mit Schriftsätzen, die am 17. und 28. Mai 1997 bei der Kanzlei eingegangen sind, haben Falck und die Italienische Republik beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden.

25 Mit Beschluß des Präsidenten der Vierten erweiterten Kammer vom 11. Juli 1997 ist diesen Anträgen stattgegeben worden.

26 Mit am 25. September und 27. Oktober 1997 eingegangenen Schriftsätzen haben Falck und die Italienische Republik ihre Erklärungen eingereicht. Die Klägerin und die Kommission haben am 16. März 1998 zu diesen Streithilfeschriftsätzen Stellung genommen.

27 Das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, einige Verfahrensbeteiligte im Wege verfahrensleitender Maßnahmen um schriftliche Beantwortung von Fragen und die Vorlage von Schriftstücken zu ersuchen sowie die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

28 Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 25. März 1999 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

29 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, festzustellen, daß eine Rückforderungspflicht nicht besteht und daß demgemäß die in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung vorgeschriebene Rückforderung der nach dem 1. Januar 1986 gewährten Beihilfen und die in diesem Artikel festgelegten Zinsen nicht geschuldet sind;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

30 Falck und die Italienische Republik unterstützen als Streithelferinnen die Anträge der Klägerin. Sie beantragen ferner, der Beklagten alle Kosten des Verfahrens einschließlich der Streithilfekosten aufzuerlegen.

31 Die Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der Streithilfe

32 Die Kommission ist dem Antrag von Falck auf Zulassung als Streithelferin anfänglich nicht entgegengetreten. In ihrer Stellungnahme zu den Streithilfeschriftsätzen macht sie jedoch geltend, Falck habe an der Streithilfe kein unmittelbares, konkretes und rechtlich beachtliches Interesse mehr, und beantragt deshalb, ihren Streithilfeantrag für unzulässig zu erklären.

33 Zwar ist das Gericht auch nach der Zulassung von Falck als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerin nicht daran gehindert, die Zulässigkeit der Streithilfe neu zu prüfen (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in der Rechtssache 138/79, Roquette Frères/Rat, Slg. 1980, 3333). Nach den Umständen des vorliegenden Falles ist eine solche erneute Prüfung aber nicht angezeigt.

34 Daß das klagende Unternehmen Falck nicht mehr gehörte, war nämlich schon bekannt, als Falck ihre Zulassung als Streithelferin beantragt hat, ohne daß die Kommission dem widersprochen hätte. Der Umstand, daß die Klägerin Falck nicht mehr gehörte, ist im übrigen in der Begründung des Beschlusses des Präsidenten der Vierten erweiterten Kammer vom 11. Juli 1997, mit dem Falck als Streithelferin zugelassen wurde, bereits berücksichtigt worden; dort heißt es:

"Zur Begründung ihres Antrags trägt die Falck SpA vor, im von der Entscheidung der Kommission betroffenen Zeitraum habe sie die Klägerin, die die laut der Entscheidung mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfen empfangen habe, unmittelbar kontrolliert. Am 31. Juli 1995 hätten die Falck SpA und die Stahlwerke Valbruna Srl eine Übertragung des Kapitals der Klägerin vereinbart. Werde die vorliegende Klage abgewiesen und käme es, wie in der Entscheidung der Kommission vorgesehen, zur Rückforderung der der Klägerin als Beihilfen gezahlten Beträge, so könnten die Valbruna Srl oder die Klägerin nach der erwähnten Vereinbarung gegen die Falck SpA eine Rückgriffsklage erheben."

35 Es besteht deshalb für das Gericht kein Anlaß, das Interesse von Falck an der Streithilfe wieder in Frage zu stellen.

Zum Nichtigkeitsantrag

36 Die Klägerin stützt ihren Nichtigkeitsantrag auf sechs Gründe, nämlich im wesentlichen eine Verletzung der Rechte der Verteidigung, die rückwirkende Anwendung von Gemeinschaftsvorschriften, einen Verstoß gegen die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit, des guten Glaubens, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit, einen Rechtsfehler bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem gemeinsamen Stahlmarkt und eine fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts, eine fehlerhafte Festsetzung des Zinssatzes und schließlich Mängel der Begründung.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Rechte der Verteidigung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

37 Die Klägerin macht geltend, sobald sie von dem im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22. Dezember 1995 veröffentlichten Beschluß über die Einleitung des Verfahrens Kenntnis erlangt habe, habe sie die Kommission mit Schreiben vom 18. Januar und 28. März 1996 auf die Notwendigkeit hingewiesen, sie in dem Verfahren hinzuzuziehen und anzuhören. Da sie auf beide Schreiben keine Antwort erhalten habe, habe sie von den Stellungnahmen der italienischen Regierung und der beiden Stahlherstellerverbände erst aus der angefochtenen Entscheidung erfahren. In ihrer Erwiderung hebt sie hervor, sie habe im Schreiben vom 18. Januar 1996 ihre Hinzuziehung zum Verfahren ausdrücklich beantragt, um ein Recht auf Akteneinsicht zu erlangen.

38 Die Rechte der Verteidigung seien nur gewahrt, wenn demjenigen, gegen den die Kommission ein Verwaltungsverfahren eingeleitet habe, im Laufe dieses Verfahrens Gelegenheit gegeben werde, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der behaupteten Tatsachen und Umstände sowie zu den von der Kommission für ihre Behauptung einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts herangezogenen Unterlagen Stellung zu nehmen (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1986 in der Rechtssache 234/84, Belgien/Kommission, Slg. 1986, 2263, Randnr. 27).

39 Daß gegen diese Grundsätze verstoßen worden sei, liege hier um so klarer zutage, als sie nicht einfach untätig geblieben sei, sondern ihr Interesse, am Verfahren beteiligt zu werden, zweimal bekundet habe.

40 Die Kommission hält dem entgegen, daß die Klägerin keine Akteneinsicht beantragt habe. Mit ihren Schreiben vom 18. Januar und 28. März 1996 habe sie sich nur nach dem Stand des Verfahrens erkundigt und lediglich mitgeteilt, daß sie bereit sei, mit der Kommission bei deren Untersuchung zusammenzuarbeiten.

41 Die Kommission habe auch nicht gegen die Verfahrensrechte der Klägerin verstoßen, denn sie brauche interessierten Dritten nur Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, um sich alle für den Erlaß ihrer Entscheidung erforderlichen Informationen zu verschaffen (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 1973 in der Rechtssache 70/72, Kommission/Deutschland, Slg. 1973, 813, Randnr. 19). Anders als der betroffene Mitgliedstaat, der allein Adressat der Entscheidung sei, hätten Dritte im Verfahren weder ein Recht auf Akteneinsicht noch auf Anhörung (Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1984 in der Rechtssache 84/82, Deutschland/Kommission, Slg. 1984, 1451, Randnr. 13).

Würdigung durch das Gericht

42 Das Verwaltungsverfahren in Beihilfesachen wird lediglich gegen den betroffenen Mitgliedstaat eingeleitet. Der Empfänger der Beihilfe, hier die Klägerin, gilt in diesem Verfahren nur als "interessierter Dritter".

43 So bestimmt Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex: "Stellt die Kommission, nachdem sie die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert hat, fest, daß eine Beihilfe nicht mit den Bestimmungen der vorliegenden Entscheidung vereinbar ist, so unterrichtet sie den betreffenden Mitgliedstaat von ihrer Entscheidung."

44 Weder aus dem Wortlaut dieses Artikels oder einer anderen Vorschrift über staatliche Beihilfen noch aus der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte ergibt sich eine Verpflichtung der Kommission, den Empfänger staatlicher Beihilfen dazu anzuhören, wie sie diese Beihilfen rechtlich beurteilt.

45 Denn der Beihilfenempfänger kann nicht die Rechte der Verteidigung geltend machen, die denjenigen zustehen, gegen die ein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden ist, sondern er hat nur Anspruch darauf, an dem Verfahren so weit beteiligt zu werden, wie es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen ist (vgl. analog Urteil des Gerichts vom 25. Juni 1998 in den verbundenen Rechtssachen T-371/94 und T-394/94, British Airways u. a. und British Midland Airways/Kommission, Slg. 1998, II-2405, Randnr. 60).

46 Im vorliegenden Fall wurde der Klägerin Gelegenheit gegeben, zu den im Beschluß über die Einleitung des fraglichen Verfahrens dargelegten Tatsachen und Erwägungen der Kommission Stellung zu nehmen, auch wenn sie von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht hat.

47 Die Kommission hat daher kein Verfahrensrecht der Klägerin verletzt.

48 Der erste Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Rückwirkende Anwendung von Gemeinschaftsvorschriften

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

49 Die Klägerin rügt, die angefochtene Entscheidung lasse nicht klar erkennen, welche Vorschriften anwendbar seien. Sie sei offensichtlich auf der Grundlage des im Zeitpunkt ihres Erlasses geltenden Stahlbeihilfenkodex erlassen worden, schließe aber nicht aus, daß der im Zeitpunkt der Gewährung der fraglichen Beihilfen geltende Kodex anwendbar sei. Auch die in der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS dargelegten Erwägungen, die künstlich zwischen dem Zeitpunkt der Gewährung und dem der Auszahlung der Beihilfe unterschieden, seien nicht beachtet worden.

50 Die Anwendung des Kodex, der im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung gegolten habe, widerspreche im vorliegenden Fall den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, die dem Handeln der Kommission im Bereich staatlicher Beihilfen bestimmte Grenzen setzten (Urteile des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 310/85, Deufil/Kommission, Slg. 1987, 901, Randnrn. 20 ff., und vom 24. November 1987 in der Rechtssache 223/85, RSV/Kommission, Slg. 1987, 4617, Randnrn. 15 ff.). Die Vorgehensweise der Kommission im vorliegenden Fall habe für die Beteiligten eine Lage geschaffen, in der das auf sie anwendbare Recht für sie nicht mehr feststellbar gewesen sei.

51 Nach der Verwaltungspraxis der Kommission habe der bei der Gewährung der Beihilfe geltende Kodex angewandt werden müssen; dies sei der maßgebende Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, wie sich die Beihilfe auf den Gemeinsamen Markt auswirke.

52 Die Kommission vertrete auch zu Unrecht die Auffassung, daß sie ihre Befugnisse ohne jede zeitliche Grenze, wie es eine Verjährungsfrist sei, ausüben dürfe und daß ihre Prüfungs- und Überwachungsbefugnis von dem Zeitraum abhänge oder begrenzt werde, in dem die für die Beihilfenregelung maßgebende Vorschrift in Kraft sei. Eine solche Auffassung sei mit dem Wesen der Gemeinschaft als "Rechtsgemeinschaft" unvereinbar (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339).

53 Die italienische Regierung macht geltend, daß die Vereinbarkeit angemeldeter Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt anhand der Vorschriften zu beurteilen sei, die zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beihilfen zu gewähren seien, in Kraft seien. Demgemäß müsse auch die nachträgliche Prüfung der Vereinbarkeit nicht angemeldeter Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt trotz deren Rechtswidrigkeit gemäß den im Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfen geltenden Vorschriften geprüft werden.

54 Die Kommission bestreitet, daß sie rückwirkend eine neue Regelung angewandt habe.

55 Das Verbot von Beihilfen in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag gelte im Unterschied zum Beihilfenverbot des EG-Vertrags allgemein und absolut. Zwar legten die Stahlbeihilfenkodexe bestimmte Ausnahmen von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag fest, in denen unter ganz bestimmten Umständen befristet eine spezielle Genehmigung der Kommission erwirkt werden könne. Eine solche Genehmigung gelte aber nur für den Zeitraum, für den ihr unter ganz außergewöhnlichen Umständen eine Ausnahme vom absoluten Verbotsgrundsatz erforderlich erscheine.

56 Mit Ablauf des Zeitraums, für den der Kodex gelte, ende die Befugnis der Kommission, als Ausnahme vom allgemeinen Verbot eine Stahlbeihilfe zu genehmigen. Solle diese Befugnis erneut ausgeübt werden, so setze dies den Erlaß neuer Ausnahmebestimmungen voraus, die sie dann einzuhalten habe. Ein Mitgliedstaat, der seiner Anmeldepflicht nicht innerhalb der im Kodex festgesetzten Frist nachgekommen sei, könne von der Kommission deshalb nicht die Ausübung einer Befugnis verlangen, die sie nicht mehr besitze. Er setze sich somit der Gefahr aus, daß die Beihilfenregelung eingeschränkt oder sogar ganz verboten werde. Selbst wenn die streitigen Beihilfen ausschließlich nach dem Fünften Kodex geprüft worden wären, läge hierin keineswegs eine rückwirkende Anwendung von Vorschriften, die im Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfen noch nicht in Kraft gewesen seien, sondern damit wären nur die Bestimmungen angewandt worden, die allein der Kommission eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot von Stahlbeihilfen gestatteten.

57 Auch das Vorbringen der Klägerin, die Kommission dürfe ihre Befugnisse nur innerhalb einer Verjährungsfrist ausüben, greife nicht durch. Insoweit hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung auf die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 EG-Vertrag (ABl. L 83, S. 1) verwiesen, nach dessen Artikel 15 Absatz 1 für die Befugnisse der Kommission zur Rückforderung von Beihilfen eine Frist von zehn Jahren gelte. Da es aber im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch keine Verjährungsvorschriften gegeben habe, habe damals keine Verjährung existiert.

58 Schließlich lasse sich, anders als die Klägerin meine, auch aus der Verwaltungspraxis der Kommission nicht herleiten, daß der im Zeitpunkt der Beihilfengewährung geltende Kodex anzuwenden sei. Nur unter ganz besonderen Umständen habe die Kommission beim Erlaß einer Entscheidung noch Vorschriften zu berücksichtigen, die zur Zeit des Erlasses nicht mehr in Geltung seien. Jedenfalls sei der Zeitpunkt der Beihilfenauszahlung für die Frage der anwendbaren Vorschriften ohne Bedeutung. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission allerdings eingeräumt, daß die Entscheidung Nr. 91/176/EGKS einen solchen irrigen Schluß nahelege.

Würdigung durch das Gericht

59 Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag untersagt alle von den Mitgliedstaaten - in welcher Form auch immer - bewilligten Subventionen oder Beihilfen.

60 Zwar sind auf der Grundlage von Artikel 95 EGKS-Vertrag, insbesondere durch die Stahlbeihilfenkodexe, bestimmte Ausnahmen von diesem Verbot zugelassen worden. Die Kodexe sollen aber Ausnahmen vom Beihilfeverbot unter bestimmten Voraussetzungen nur zugunsten einzelner Kategorien von Beihilfen ermöglichen, die sie abschließend aufzählen. Beihilfen, die nicht zu diesen im anwendbaren Kodex vom Verbot ausgenommenen Kategorien gehören, fallen somit weiterhin ausschließlich unter Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-239/94, EISA/Kommission, Slg. 1997, II-1839, Randnr. 72).

61 Im Gegensatz zu den Vorschriften des EG-Vertrags über staatliche Beihilfen, die der Kommission die ständige Befugnis verleihen, über deren Vereinbarkeit zu entscheiden, können die durch die Kodexe gewährten Ausnahmen vom Grundsatz des absoluten Beihilfenverbots gemäß Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag nur für die Zeiträume gewährt werden, die die Kodexe vorsehen (Urteil des Gerichts vom 31. März 1998 in der Rechtssache T-129/96, Preussag Stahl/Kommission, Slg. 1998, II-609, Randnr. 43).

62 Nach Ablauf der Geltungsdauer des Kodex darf die Kommission deshalb nicht mehr nach dessen Ausnahmeregelungen eine Stahlbeihilfe genehmigen, die nicht gemäß dem Kodex angemeldet worden ist (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 214/83, Deutschland/Kommission, Slg. 1985, 3053, Randnr. 47).

63 Im vorliegenden Fall wurden die fraglichen Beihilfen unstreitig nicht angemeldet.

64 In einem solchen Fall kann der Mitgliedstaat, der seine Anmeldepflicht versäumt hat, nicht von der Kommission verlangen, daß sie die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt anhand eines Kodex prüft, der nicht mehr in Kraft ist. Ebensowenig kann sich ein Mitgliedstaat, der die im Kodex festgelegten Voraussetzungen nicht eingehalten hat, mit Erfolg auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen, um in den Genuß der im Kodex festgelegten Ausnahmen zu kommen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Oktober 1997 in der Rechtssache T-331/94, IPK/Kommission, Slg. 1997, II-1665, Randnr. 45).

65 Das gleiche gilt für die Klägerin. Sie kann nicht verlangen, daß die Kommission die Vereinbarkeit der ihr gewährten Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt auf der Grundlage eines nicht mehr geltenden Kodex prüft. Vielmehr hat die Kommission ihre Prüfung auf der Grundlage des einzigen Kodex durchgeführt, der sie dazu ermächtigte. Die Kommission macht daher zu Recht geltend, daß sie im vorliegenden Fall keineswegs rückwirkend Vorschriften angewandt habe, die im Zeitpunkt der Beihilfengewährung noch nicht in Kraft waren.

66 Die Klägerin beruft sich außerdem auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

67 Zwar kann sich der Empfänger einer Beihilfe, die für rechtswidrig oder für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden ist, gegen die Rückforderung unter außergewöhnlichen Umständen auf diesen Grundsatz berufen. Diese Frage hängt aber nicht mit der Frage nach dem hier anwendbaren Kodex zusammen und ist deshalb im Rahmen des dritten Klagegrundes zu prüfen.

68 Demnach brauchte die Kommission die früheren Stahlbeihilfenkodexe nicht zu berücksichtigen. Daß sie auf diese zusätzlich Bezug nahm, kann an dieser Rechtslage nichts ändern.

69 Dem Argument der Klägerin, daß die Entscheidung über die Rückforderung der Beihilfen deshalb rechtswidrig gewesen sei, weil die Kommission eine Verjährungsfrist mißachtet habe, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung hatte der Gemeinschaftsgesetzgeber für Maßnahmen der Kommission im Fall nicht angemeldeter staatlicher Beihilfen noch keine Verjährungsfrist festgelegt. Folglich war für die Kommission beim Erlaß ihrer Entscheidung keine Verjährungsfrist zu beachten (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den verbundenen Rechtssachen T-126/96 und T-127/96, BFM und EFIM/Kommission, Slg. 1998, II-3437, Randnr. 67).

70 Der zweite Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit, des guten Glaubens, des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

71 Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung sei zusammen mit der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS zu prüfen, denn beiden Entscheidungen lägen die gleichen Tatsachen und Erwägungen zugrunde. Die in dieser Entscheidung behandelte Beihilfe sei nur deshalb für unvereinbar mit dem gemeinsamen Stahlmarkt erklärt worden, weil das als Beihilfe gewährte Darlehen nach dem Außerkrafttreten des Zweiten Kodex am 31. Dezember 1985 ausgezahlt worden sei. Damit habe ein rein formaler Gesichtspunkt substantielle Bedeutung erlangt, denn die fragliche Beihilfe sei nach dem am 1. Januar 1986 in Kraft getretenen Dritten Kodex geprüft worden.

72 Sie habe 1982 im Rahmen des Provinzgesetzes Nr. 25/81 einen Umstrukturierungsplan erarbeitet, den die Kommission im folgenden Jahr gebilligt habe. Außerdem habe die Provinz Bozen die Kommission gefragt, ob Beihilfenvorhaben gemäß dem Provinzgesetz Nr. 25/81 angemeldet werden müßten. Da die Frage unbeantwortet geblieben sei, habe die Provinz eine Anmeldung für nicht erforderlich gehalten. Dies sei um so verständlicher, als sich die Kommission zwar mit Schreiben vom 5. Juli 1982 gegenüber der italienischen Regierung das Recht vorbehalten habe, "nach Maßgabe der von ihr auf nationaler Ebene noch zu treffenden Entscheidung eine nähere Festlegung der Bedingungen [vorzunehmen], die für die Durchführung der Regelung in der Provinz Bozen gelten sollten", aber diese Bedingungen nie präzisiert habe.

73 Die Provinz Bozen habe schon vor dem Erlass der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS am 25. Juli 1990 alle Beschlüsse gefaßt und gewährten Beihilfen ausgezahlt. Es sei anormal, daß die Kommission diese Beschlüsse trotz der verstrichenen Zeit, nämlich sieben Jahre seit dem ersten und zwei Jahre seit dem letzten Beschluß, offenbar weder gekannt noch berücksichtigt habe.

74 Die Kommission habe deshalb erstens den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verletzt (vgl. Artikel 86 EGKS-Vertrag, der im wesentlichen mit Artikel 5 EG-Vertrag [jetzt Artikel 10 EG] übereinstimme). Die Kommission habe die im EGKS-Vertrag vorgeschriebene erforderliche Zusammenarbeit vermissen lassen, indem sie nicht nur die Kooperation mit den nationalen Behörden versäumt, sondern auch trotz Kenntnis der Umstände, die eine Einleitung des Verfahrens geboten hätten, diese Einleitung aufgeschoben und sodann auch den Abschluß des Verfahrens durch eine negative Entscheidung zur Vertragswidrigkeit verzögert habe.

75 Zweitens habe die Kommission gegen die Grundsätze des guten Glaubens und des Vertrauensschutzes verstoßen. Ihr Verhalten, insbesondere die lange Verfahrensdauer, habe bei den nationalen Behörden und der Klägerin ein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit der streitigen Beihilfen geschaffen. Die Behörden hätten ihrerseits im Einklang mit dem Grundsatz des guten Glaubens gehandelt, da sie vernünftigerweise nicht damit hätten rechnen müssen, daß die Kommission die Beihilfen beanstanden würde. Die Kommission habe nicht nur keinerlei Einwände geäußert, als ihr die Frage gestellt worden sei, sondern sie habe auch noch lange nach Gewährung der Beihilfen eine Beanstandung nicht für erforderlich gehalten (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Januar 1986 in der Rechtssache 52/84, Kommission/Belgien, Slg. 1986, 89, Randnr. 16, und Urteil RSV/Kommission).

76 Falck schließt sich diesem Vorbringen der Klägerin mit dem Hinweis an, die von der Klägerin vorgelegten Verfahrensschriftstücke belegten, daß diese völlig zu Recht auf die Legalität der ausgezahlten Beihilfen vertraut habe, nachdem sie der Kommission den Umstrukturierungsplan mitgeteilt und die Kommission hierauf (trotz verschiedener Initiativen der Provinz Bozen und der italienischen Regierung) nie reagiert habe. Der ursprüngliche und der ergänzende Umstrukturierungsplan fügten sich zweifelsfrei in den einheitlichen Rahmen eines Vorhabens und eines Zuschußprogramms ein. Die Ergänzung und Durchführung dieses Planes nach der "bestehenden" Regelung hätten deshalb keine Unterrichtung oder Anmeldung erfordert, denn es habe sich nicht um "neue" Beihilfen gehandelt (Urteil des Gerichtshofes vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-44/93, Namur-Les assurances du crédit, Slg. 1994, I-3829).

77 Die Klägerin trägt weiter vor, sie habe durch die wiederholte Kontrolle der ihr gewährten Beihilfen ihren Sorgfaltspflichten genügt. Die Kommission habe auch nichts vorgetragen, was das Gegenteil bewiese. Ihr berechtigtes Vertrauen und ihre Gutgläubigkeit seien deshalb zu vermuten.

78 Daß zwischen der Gewährung der Beihilfen und dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung ein so langer Zeitraum verstrichen sei, verwandele die Rückforderung der Beihilfen in eine vom Gemeinschaftsrecht nicht vorgesehene Sanktion. Die Rückforderung der Beihilfen diene nicht mehr dem Zweck, das Gleichgewicht des Marktes wiederherzustellen und verfälschende Auswirkungen der gezahlten Beihilfen zu beseitigen, denn in diesem Zeitraum hätten sich die Marktbedingungen und die tatsächlichen, ja sogar rechtlichen Verhältnisse geändert. In der Zwischenzeit sei möglicherweise auch eine Verjährung nach nationalem Recht eingetreten.

79 Daß die Rückforderung inzwischen den Charakter einer Sanktion angenommen habe, wirke sich um so stärker aus, als sie mit einer Verzinsung nicht erst ab Erlaß der angefochtenen Entscheidung, sondern ab der Gewährung der Beihilfen verbunden sei. Dies widerspreche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn selbst wenn die Rückforderung als solche begründet wäre, würde doch der Klägerin nach den Umständen des vorliegenden Falles ein übermäßiges und somit unverhältnismäßiges Opfer abverlangt.

80 Aus den gleichen Gründen der Billigkeit, Zweckmäßigkeit und Gerechtigkeit, aus denen die Kommission nicht die Rückforderung der ersten drei Beihilfen angeordnet habe, hätte sie auch die Rückforderung der letzten drei Beihilfen nicht anordnen dürfen. Allein wegen der inzwischen verstrichenen Zeit, nämlich dreizehn Jahre seit dem ersten und acht Jahre seit dem letzten Beschluß, hätte die Kommission zu einer anderen Entscheidung gelangen müssen.

81 Die Kommission tritt diesem Vorbringen insgesamt entgegen. Daß sie im Mai 1983 gemäß dem Zweiten Stahlbeihilfenkodex die Investitionsbeihilfen genehmigt habe, die der Klägerin im Rahmen eines im September 1980 angemeldeten Umstrukturierungsplans gemäß dem Provinzgesetz Nr. 25/81 gewährt worden seien, könne nicht als Genehmigung sämtlicher nach diesem Plan gewährter Beihilfen betrachtet werden. Es bedürfe in jedem Einzelfall einer spezifischen Genehmigung der Kommission.

82 In ihrer Entscheidung von 1983 habe sie für die Gewährung der Beihilfe in Form eines verbilligten, den Marktzins um zwei Milliarden unterschreitenden Darlehens in Höhe von 6,5 Milliarden ITL als verbindliches Datum, nach dem eine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt nicht mehr gegeben wäre, den 31. Dezember 1985 festgelegt. Die verspätete Gewährung des Darlehens habe sodann zur Entscheidung Nr. 91/176/EGKS geführt, mit der die Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt worden sei. Gleichwohl habe sie wegen der Gutgläubigkeit der italienischen Behörden und der technischen Schwierigkeiten infolge der Kompetenzverteilung zwischen Provinz- und nationalen Behörden nicht die Rückforderung der Beihilfen angeordnet. Es habe sich folglich um eine negative Entscheidung gehandelt, mit der keinerlei Beihilfe genehmigt und hinsichtlich künftiger Unterstützungsmaßnahmen - abgesehen vom Vorliegen besonderer, einen Verzicht auf die Rückforderung rechtfertigender Umstände - keinerlei Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei.

Würdigung durch das Gericht

83 In erster Linie ist die von der Klägerin gerügte Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes zu prüfen.

84 Nach ständiger Rechtsprechung dürfen beihilfebegünstigte Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit einer Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Beachtung des vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde, worüber sich ein sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer vergewissern können muß (Urteil des Gerichtshofes vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-5/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437, Randnr. 14, und Urteil Preussag Stahl/Kommission, Randnr. 77). Der Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe kann sich auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes nur unter außergewöhnlichen Umständen berufen, aufgrund deren er auf die Ordnungsmäßigkeit dieser Beihilfe vertrauen durfte (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juni 1993 in der Rechtssache C-183/91, Kommission/Griechenland, Slg. 1993, I-3131, Randnr. 18).

85 Wie oben in Randnummer 63 festgestellt, waren die fraglichen Beihilfen nicht angemeldet und somit nicht unter Beachtung des vorgesehenen Verfahrens gewährt worden. Die Klägerin hat auch nichts dafür vorgetragen, daß ein außergewöhnlicher Umstand vorgelegen hätte, aufgrund dessen sie auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfen hätte vertrauen dürfen.

86 Erstens steht fest, daß nach dem Inkrafttreten des Dritten Kodex am 1. Januar 1986 die Verpflichtung zur Anmeldung finanzieller Zuwendungen von keiner Bedingung abhing. Gemäß Artikel 6 des Dritten Kodex war die Kommission von allen Vorhaben zur Gewährung oder Umgestaltung von Beihilfen sowie über alle sonstigen geplanten Finanzierungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten, nachgeordneter Gebietskörperschaften oder sonstiger Organe unter Einsatz öffentlicher Mittel zugunsten der Stahlindustrie so rechtzeitig zu unterrichten, daß sie sich hierzu äußern konnte. Nach diesem Artikel waren ihr auch alle Einzelfälle der Anwendung der Beihilfen zu melden.

87 Die Klägerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, daß ihr die Anmeldepflicht des Staates für alle konkreten Beihilfeprojekte im Rahmen ihres Umstrukturierungsplans nach dem 1. Januar 1986 nicht bekannt gewesen sei oder keine Notwendigkeit bestanden habe, die Kommission über die Entwicklung der Umstrukturierung des Unternehmens, insbesondere über das ergänzende Umstrukturierungsprogramm vom 26. Juni 1986, zu unterrichten.

88 Zweitens hat die Kommission in ihrem Schreiben vom 5. Juli 1982 darauf hingewiesen, daß sie noch über die sektorielle Anwendung des nationalen Gesetzes Nr. 675/77 zu entscheiden habe und sich deshalb nach Maßgabe der von ihr auf nationaler Ebene zu treffenden Entscheidung eine nähere Festlegung der Bedingungen vorbehalte, die für die Durchführung der Regelung in der Provinz Bozen gelten sollten. In diesem Schreiben hat die Kommission auch klargestellt, daß die Bozener Behörden die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen und Kodexe über die Gewährung von Stahlbeihilfen in vollem Umfang einzuhalten hätten (vgl. oben, Randnr. 8).

89 Darüber hinaus hat die Kommission in ihrer Entscheidung von 1983 hervorgehoben, daß die Genehmigung der von dieser Entscheidung betroffenen Beihilfen von den Ergebnissen der von ihr veranlaßten Kontrollen abhänge und daß außerdem jede Auszahlung von Beihilfen nach dem 31. Dezember 1984 ausgeschlossen sei.

90 Daraus folgt, daß die Kommission keineswegs eine endgültige Genehmigung für alle im Rahmen der fraglichen allgemeinen Regelung gewährten Beihilfen erteilt hat und daß die erteilte Genehmigung befristet war. Unter diesen Umständen läßt sich die Verletzung der Anmeldepflicht nicht damit rechtfertigen, daß die Kommission auf ein Schreiben der Provinz Bozen nicht antwortete, zumal die Voraussetzungen für die Zulassung von Stahlbeihilfen inzwischen geändert worden waren.

91 Drittens war die Befugnis der Kommission, gemäß dem Zweiten Kodex eine Beihilfe zu genehmigen, bis zum 31. Dezember 1985 befristet. Nach dem 1. Januar 1986 ausgezahlte Beihilfen, deren Rückforderung die Kommission verlangt hat, fallen somit nicht mehr unter den Zweiten Kodex, so daß die Klägerin aus diesem Kodex kein berechtigtes Vertrauen in die Rechtmäßigkeit solcher Beihilfen herzuleiten vermag.

92 Viertens schließlich wurde mit der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS festgestellt, daß die Zinsverbilligung für ein im Dezember 1987 gewährtes Darlehen eine rechtswidrige staatliche Beihilfe gewesen sei, da sie ohne vorherige Genehmigung der Kommission durchgeführt worden und außerdem nach dem Dritten Kodex mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei. Es besteht somit kein Widerspruch zwischen dieser und der angefochtenen Entscheidung, weshalb die Klägerin auch aus ihr kein berechtigtes Vertrauen herzuleiten vermag. Daß es der Kommission wegen der in der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS dargelegten besonderen Umstände nicht angemessen erschien, die Rückforderung der in dieser Entscheidung behandelten Beihilfe anzuordnen, kann nicht bedeuten, daß sie durch diese Erwägungen bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt im vorliegenden Fall gebunden wäre.

93 In zweiter Linie ist das Argument der Klägerin zurückzuweisen, daß sie Sorgfalt an den Tag gelegt habe. Insoweit genügt der Hinweis, daß sie als einzigen Beleg dafür eine Erklärung ihres Geschäftsführers Sergio Moresetti vom 2. Februar 1999 vorgelegt hat, wonach er in Kontakt mit den Bozener Behörden gestanden habe. Durch die bloße Kontaktaufnahme mit den örtlichen Behörden hat sich die Klägerin nach den Umständen des vorliegenden Falles jedoch noch keineswegs darüber vergewissert, daß das Anmeldeverfahren eingehalten worden war.

94 In dritter Linie kann die Klägerin nach den Umständen des vorliegenden Falles auch nicht mit Erfolg einen Verstoß gegen die Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit und des guten Glaubens geltend machen. Die Überwachung von Beihilfen setzt nämlich voraus, daß die Mitgliedstaaten ihrer Anmeldepflicht genügen. Die Klägerin kann deshalb nicht daraus herleiten, daß die Kommission das Bestehen rechtswidriger Beihilfen nicht bereits vorher entdeckt hatte. Andernfalls würde den Vorschriften des EGKS-Vertrags über staatliche Beihilfen jede praktische Wirksamkeit genommen. Jedenfalls ist für die Behauptung, die Kommission hätte von den fraglichen Beihilfen Kenntnis haben müssen, keinerlei Beweis erbracht worden.

95 Was schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angeht, so verlangt er nach ständiger Rechtsprechung, daß die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was für die Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist (z. B. Urteile des Gerichtshofes vom 17. Mai 1984 in der Rechtssache 15/83, Denkavit Nederland, Slg. 1984, 2171, Randnr. 25, und vom 11. Juni 1989 in der Rechtssache 265/87, Schräder, Slg. 1989, 2237, Randnr. 21).

96 Da die Aufhebung einer rechtswidrigen Beihilfe im Wege der Rückforderung die logische Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ist (Urteile des Gerichtshofes vom 21. März 1990 in der Rechtssache C-142/87, Belgien/Kommission, Slg. 1990, I-959, Randnr. 66, vom 21. März 1991 in der Rechtssache C-305/89, Italien/Kommission, Slg. 1991, I-1603, Randnr. 41, und des Gerichts vom 8. Juli 1995 in der Rechtssache T-459/93, Siemens/Kommission, Slg. 1995, II-1675, Randnr. 96), kann die Rückforderung grundsätzlich nicht als eine Maßnahme betrachtet werden, die in keinem Verhältnis zu den Zielen der Bestimmungen des EGKS-Vertrags über staatliche Beihilfen steht. Selbst wenn eine solche Maßnahme erst lange Zeit nach Gewährung der Beihilfe getroffen wird, kann sie keine nicht im Gemeinschaftsrecht vorgesehene Sanktion darstellen.

97 Das gleiche gilt für die Rückforderung von Zinsen. Da die praktische Wirksamkeit des EGKS-Vertrags vereitelt würde, wenn die begünstigten Unternehmen von der Verfügbarkeit des Geldes in der Zeit zwischen der Gewährung und der tatsächlichen Rückzahlung der Beihilfen profitieren könnten (vgl. analog Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1995 in der Rechtssache T-275/94, CB/Kommission, Slg. 1995, II-2169, Randnrn. 46 bis 54), kann eine Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen angeordnet wird, zur Erhebung von Zinsen auf die gewährten Beträge verpflichten, um die mit diesen Beihilfen verbundenen zusätzlichen finanziellen Vorteile zu beseitigen (Urteil Siemens/Kommission, Randnr. 97).

98 Was den Zeitpunkt angeht, von dem an diese Zinsen zu berechnen sind, so ist zu berücksichtigen, daß sie den Gegenwert für den finanziellen Vorteil aufgrund der kostenlosen Zurverfügungstellung des fraglichen Kapitals für einen bestimmten Zeitraum darstellen. Die Kommission hat daher zu Recht die Ansicht vertreten, daß die Zinsen vom Zeitpunkt der Beihilfenauszahlung an zu berechnen sind (vgl. Urteil Siemens/Kommission, Randnr. 101).

99 Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Rechtsfehler bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem gemeinsamen Stahlmarkt und fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

100 Die Klägerin rügt, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, als sie angenommen habe, daß für die Anwendung des EGKS-Vertrags im Unterschied zum EG-Vertrag die "Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel" keine Rolle spielten. Diese Voraussetzung müsse erfuellt sein, um Beihilfen im Rahmen des EG-Vertrags für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären. Da aber beide Verträge gemeinsame Ziele verfolgten, verstoße es gegen den Geist und die Ratio des Gemeinschaftsrechts, wenn die "EGKS-Vorschriften" anders als die "EG-Vorschriften" und getrennt von diesen ausgelegt würden (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juni 1958 in der Rechtssache 9/56, Meroni/Hohe Behörde, Slg. 1958, 11, vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, und vom 22. Februar 1990 in der Rechtssache C-221/88, Busseni, Slg. 1990, I-495). Die Kommission hätte deshalb die Höhe und Intensität der Beihilfen, ihr Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf der Klägerin sowie die Tatsache berücksichtigen müssen, daß die Beihilfen weder Wettbewerbsverzerrungen noch dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufende Veränderungen der Handelsbedingungen bewirkt hätten (vgl. Artikel 2 des Zweiten Kodex).

101 Die Kommission habe auch nicht berücksichtigt, daß die Klägerin gegenüber der staatlichen Stahlindustrie, die wesentlich höhere Beihilfen erhalten habe, erheblich diskriminiert worden sei. Die später der Industrie gewährten Beihilfen seien ein unzureichender Versuch, die - durch die Gemeinschaftsvorschriften ebenfalls garantierte - Gleichbehandlung zwischen den beiden Kategorien von Wirtschaftsteilnehmern wiederherzustellen.

102 Die Klägerin, unterstützt von der italienischen Regierung, rügt außerdem eine fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts. Die vorgenommenen Investitionen hätten dazu gedient, Energie einzusparen, den Umweltschutz, die Sicherheit bei der Arbeit und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Forschung und Entwicklung zu fördern und die Rentabilität des Unternehmens zu erhöhen, was durch die der Klageschrift beigefügten Tabellen belegt werde. Gleichwohl habe es die Kommission abgelehnt, diese Investitionen als mit dem gemeinsamen Stahlmarkt vereinbare Beihilfen einzustufen, ohne die Gesamtinvestitionen, die durchgeführten Investitionen und die der Beihilfe zuzurechnenden Investitionen miteinander zu vergleichen. Sie habe in der angefochtenen Entscheidung einfach behauptet, "der größte Teil" der Aufwendungen für Forschung und Entwicklung sei als Investitionsbeihilfen "einzustufen". Die Kommission habe somit den Sachverhalt fehlerhaft beurteilt, indem sie das Vorbringen, das den Einsatz der Investitionen für Forschung und Entwicklung sowie für den Umweltschutz belege, als unzureichend betrachtet habe.

103 Zum Nachweis dafür, daß die der Klägerin gewährten Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gewesen seien, hat die Streithelferin Falck zur Vorlage beim Gericht ein Gutachten der Firma Arthur Andersen in Auftrag gegeben (im folgenden: Andersen-Bericht). Dieser Bericht belege, daß die von der Klägerin vorgenommenen Investitionen zum großen Teil mit den Beihilfenkodexen vereinbar seien, da sie zur Deckung von Kosten für Forschung und Entwicklung, Umweltschutz, Energieeinsparungen, Qualitätsverbesserungen der Produkte und/oder Produktionstechnik und für die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit und einer gesunden Finanzlage, auch durch Senkung der Produktionskosten, bestimmt gewesen seien.

104 Falck macht weiter geltend, die Kommission habe zu Unrecht auch die Beihilfen berücksichtigt und für vertragswidrig erklärt, die nach ihrer Auffassung bereits durch die Entscheidung Nr. 91/176/EGKS erfaßt worden seien. Dabei handele es sich u. a. um die Beihilfen gemäß den Beschlüssen Nr. 7673 vom 14. Dezember 1987 (6,321 Milliarden ITL) und Nr. 4158 vom 4. Juli 1988 (987 Millionen ITL). Die letztgenannte Beihilfe, die irrtümlich dem Beschluß von 1988 zugeordnet worden sei, beruhe in Wirklichkeit auf dem Beschluß vom 14. Dezember 1987. Schließlich sei der Beschluß Nr. 2429 vom 2. Mai 1988 fehlerhaft beurteilt worden. Im Ergebnis hätte daher höchstens ein Betrag von 4,4 Milliarden ITL zurückgefordert werden dürfen.

105 Die Kommission tritt diesem Vorbringen insgesamt entgegen.

106 Sie bestreitet zunächst, daß ihr bei der Auslegung des EGKS-Vertrags ein Fehler unterlaufen sei. Anders als der EG-Vertrag bezögen sich die EGKS-Bestimmungen über Beihilfen nicht auf die Beeinträchtigung des Handels oder die Verzerrung des Wettbewerbs und ermächtigten die Kommission auch nicht zu einer Abwägung der wettbewerbswidrigen Auswirkungen und der Gemeinschaftsinteressen. Im Rahmen des EGKS-Vertrags verfüge die Kommission vor allem wegen der besonderen Anfälligkeit dieses Sektors über keinerlei Ermessen, um die Rechtmäßigkeit von Beihilfen mit einer gewissen Flexibilität zu beurteilen.

107 Auch wenn es im übrigen eine Ungleichbehandlung des privaten und des öffentlichen Sektors der Stahlindustrie in Italien gebe, so sei ihr diese doch nicht zuzurechnen.

108 Ihre Beurteilung der fraglichen Beihilfen sei fehlerfrei. Sie habe festgestellt, daß die Beihilfen weder der Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben noch dem Umweltschutz gedient hätten. Das Vorbringen, mit den Beihilfen hätte Energie eingespart und die Produktqualität verbessert werden sollen, sei unbeachtlich, da insoweit nichts Konkretes vorgetragen worden sei.

109 Aus dem Andersen-Bericht ergebe sich nichts anderes. Zunächst habe der Streithelfer den Rechtsstreit in der Lage anzunehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befinde. Nichts lasse aber darauf schließen, daß die Klägerin ein Gutachten angefordert hätte, um ihr Vorbringen durch Beweise zu untermauern. Die Vorlage des Andersen-Berichts falle auch nicht unter die "Bezeichnung der Beweismittel" im Sinne von Artikel 116 § 4 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts. Der Bericht enthalte nämlich eine Reihe apodiktischer Behauptungen, mit denen eine Feststellung ersetzt werden solle, die die Kommission zu treffen habe.

110 Schließlich bestreitet die Kommission die Behauptung von Falck, das Darlehen in Höhe von 6,321 Milliarden vom Dezember 1987 sei bereits Gegenstand der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS gewesen, und die sonstigen von Falck angeführten angeblichen Beurteilungsfehler. Sie habe alle in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Beihilfen ordnungsgemäß beurteilt. Im übrigen überrasche es, daß weder die Klägerin noch die italienische Regierung diese Frage jemals im Verwaltungsverfahren aufgeworfen hätten, obgleich auch sie Gegenstand des Beschlusses über die Einleitung des Verfahrens gewesen sei.

Würdigung durch das Gericht

111 Erstens ist das Argument der Klägerin zu prüfen, die Kommission habe mit ihrer Annahme einen Rechtsfehler begangen, daß für die Durchführung des EGKS-Vertrages "Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel" nicht zu berücksichtigen seien.

112 Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag untersagt staatliche Subventionen oder Beihilfen "in welcher Form... auch immer". Da dieser Zusatz in Artikel 4 Buchstaben a, b und d fehlt, verleiht Buchstabe c dem in ihm enthaltenen Verbot, auf das er sich bezieht, einen außergewöhnlich weiten Wirkungsbereich (Urteil des Gerichtshofes vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3, 46).

113 Im Unterschied zu Artikel 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) gilt dieses Verbot allgemein und unbedingt. Unter den EGKS-Vertrag fallende Beihilfen gelten deshalb als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, ohne daß nachgewiesen oder auch nur geprüft werden müßte, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen gegeben ist oder aufzutreten droht (Schlußanträge von Generalanwalt Lagrange in der Rechtssache Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 63, 83).

114 Die Kommission hat deshalb keinen Rechtsfehler begangen, als sie festgestellt hat, daß die fraglichen Beihilfen in den Geltungsbereich des EGKS-Vertrags fielen, ohne zuvor zu prüfen, ob sie "Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel" haben.

115 Zweitens ist das Argument der Klägerin zu prüfen, die Kommission habe die Ausnahmen des Fünften Kodex fehlerhaft angewandt, die einzigen Ausnahmen vom Beihilfeverbot gemäß Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, die sie im vorliegenden Fall anwenden durfte (vgl. oben, Randnr. 68).

116 Insoweit ist zunächst unstreitig, daß es sich bei den fraglichen Maßnahmen um Beihilfen handelt, die gegenüber der Kommission anmeldepflichtig waren und die zwischen 1983 und 1988, also acht bis dreizehn Jahre vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung, gewährt wurden. Unter diesen Umständen waren die Klägerin als Empfängerin der Beihilfen und die italienische Regierung offensichtlich am besten in der Lage, die notwendigen Daten einzuholen und zu überprüfen, die belegen konnten, daß die Beihilfen den im Fünften Kodex festgelegten Voraussetzungen entsprachen. In dem Beschluß über die Einleitung des Verfahrens hat die Kommission außerdem hervorgehoben, daß sie die staatlichen Beihilfen nach Maßgabe der bei Erlaß der Entscheidung geltenden Bestimmungen und Auslegungskriterien und anhand der zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Daten und Informationen zu beurteilen habe. Sie hat auch darauf hingewiesen, daß die fraglichen Beihilfen auf der Grundlage des Fünften Kodex zu prüfen seien.

117 Damit oblag es der italienischen Regierung und der Klägerin, im Verwaltungsverfahren die Beweiselemente dafür beizubringen, daß die fraglichen Beihilfen unter die Ausnahmen gemäß diesem Kodex fielen (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 28. April 1993 in der Rechtssache C-364/90, Italien/Kommission, Slg. 1993, I-2097, Randnrn. 35 und 36).

118 Sodann ist daran zu erinnern, daß der Gemeinschaftsrichter bei der Ausübung seiner Zuständigkeit für die Entscheidung über Nichtigkeitsklagen gegen Entscheidungen und Empfehlungen der Kommission seine Prüfung nach Artikel 33 Absatz 1 Satz 2 EGKS-Vertrag nicht auf die Beurteilung der sich aus den wirtschaftlichen Tatsachen oder Umständen ergebenden Situation erstrecken darf, die zu diesen Entscheidungen oder Empfehlungen geführt hat, es sei denn, daß der Kommission vorgeworfen wird, sie habe einen Ermessensmißbrauch begangen oder die Bestimmungen des Vertrages oder irgendeine bei seiner Durchführung anzuwendende Rechtsnorm offensichtlich verletzt.

119 Um festzustellen, ob die Kommission die Bestimmungen des EGKS-Vertrags oder den Fünften Beihilfekodex so offensichtlich verletzt hat, daß eine Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung gerechtfertigt wäre, müssen die von der Klägerin beigebrachten Beweiselemente ausreichen, um die Würdigung des Sachverhalts in der Entscheidung als unplausibel erscheinen zu lassen (vgl. analog Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in der Rechtssache T-380/94, AIUFFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 59).

120 Das Vorbringen, die Kommission habe die Ausnahmeregelungen des Fünften Kodex fehlerhaft angewandt, ist im Licht dieser Erwägungen zu prüfen.

121 Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei gegenüber der öffentlichen Stahlindustrie, die wesentlich höhere Beihilfen erhalten habe, erheblich diskriminiert worden, ist dieses Argument als irrelevant zurückzuweisen. Selbst wenn nämlich eine Ungleichbehandlung zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor der Stahlindustrie in Italien bestuende, so wäre sie ohne Einfluß darauf, wie die Kommission die Frage beurteilt, ob in einem bestimmten Fall von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfen rechtmäßig sind.

122 Zwar stellte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung lediglich fest, daß der größte Teil der Investitionsausgaben der Klägerin und die entsprechenden Beihilfen nicht unter die Ausnahme für Forschung und Entwicklung fielen, sondern offenbar produktionsbezogene Investitionen seien, die als solche nach den Gemeinschaftsbestimmungen über staatliche Beihilfen für Forschung und Entwicklung von keiner der Ausnahmen von dem in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag normierten Verbot erfaßt würden.

123 Diese Feststellung war aber bereits im Beschluß über die Verfahrenseinleitung enthalten. Damit oblag es der italienischen Regierung und der Klägerin, Umstände darzulegen, die diese Feststellung entkräften konnten; andernfalls mußten sie davon ausgehen, daß diese von der Kommission auch in die endgültige Entscheidung übernommen würde.

124 In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß nach dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen für Forschung und Entwicklung (ABl. 1986, C 83, S. 2), auf den der Fünfte Kodex verweist, die mit einem Programm für Forschung und Entwicklung verfolgten Ziele klar anzugeben sind. Weiterhin sind die verschiedenen Arten von Kosten, die durch die Beihilfen verringert werden sollen, im einzelnen so genau anzugeben, daß ihre Intensität im Verhältnis zu diesen Kosten berechnet werden kann (Randnr. 4.31). Schließlich hat die Kommission nach dem Gemeinschaftsrahmen besondere Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, daß solche Beihilfen nicht Betriebsbeihilfen gleichkommen (Randnr. 8.2).

125 Im Verwaltungsverfahren hat die italienische Regierung jedoch lediglich angegeben, daß die mit den Beschlüssen Nr. 7673 vom 14. Dezember 1987, Nr. 2429 vom 2. Mai 1988 und Nr. 4158 vom 4. Juli 1988 gewährten Beihilfen den Vorschriften über Forschung und Entwicklung genügten, ohne zu erläutern, weshalb die Anwendung dieser Ausnahme gerechtfertigt sei.

126 Die Kommission durfte deshalb auf der Grundlage der für sie verfügbaren und u. a. durch das Schreiben der italienischen Regierung vom 27. März 1996 ergänzten Informationen zu dem Ergebnis gelangen, daß es keinen Beleg dafür gebe, daß die fraglichen Beihilfen unter die Ausnahmeregelung des Fünften Kodex für Forschung und Entwicklung fielen.

127 Das Vorbringen der Klägerin kann diese Feststellung nicht in Frage stellen. Sie trägt zum einen vor, zum großen Teil müßten die nach dem 1. Januar 1986 gewährten Beihilfen, obgleich sie mangels Anmeldung bei der Kommission rechtswidrig seien, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten, da sie für Investitionen insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung bestimmt gewesen seien. Zum anderen seien in Forschung und Entwicklung nahezu 32 Milliarden ITL investiert worden, also mehr als die Hälfte des Gesamtbetrags der gewährten Beihilfen (55 Milliarden ITL). Als Beleg für diese Behauptung hat die Klägerin nur ihre Bilanz vorgelegt, in der ihre Investitionen aufgeschlüsselt und insbesondere die Investitionen für Forschung und Entwicklung ausgewiesen sind.

128 Dieses Vorbringen widerlegt jedoch keineswegs die Feststellung der Kommission, daß die Investitionsausgaben der Klägerin für Forschung und Entwicklung offenbar zum großen Teil produktionsbezogene Investitionen seien, die als solche unter keine Ausnahme vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag fallen könnten.

129 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung weiter festgestellt, daß die Klägerin etwa 15 Milliarden ITL für Investitionen mit Auswirkungen im Bereich des Umweltschutzes ausgegeben habe. Jedoch hätten die italienischen Behörden nicht nachweisen können, daß die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 des Fünften Kodex vorgelegen hätten.

130 Die Klägerin macht insbesondere geltend, die Kommission habe den Sachverhalt fehlerhaft gewürdigt, als sie die Angaben der Klägerin und der italienischen Regierung als unzureichend betrachtet habe.

131 Die Angaben der italienischen Regierung im Verwaltungsverfahren erlauben jedoch nicht den Schluß, daß die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmeregelung über den Umweltschutz tatsächlich vorlagen. In ihrem Schreiben vom 27. März 1996 führte die italienische Regierung nämlich nur eine Reihe von Rechtsakten auf, die in der Zeit vor der Gewährung der Beihilfen im Bereich des Umweltschutzes durchgeführt worden waren. Dies beweist aber nicht, daß die vorgenommenen Investitionen hauptsächlich dem Umweltschutz und insbesondere dazu dienten, die Anlagen, die schon mehr als zwei Jahre vor Inkrafttreten dieser Rechtsakte in Betrieb gewesen waren, so auszustatten, wie es die neuen Bestimmungen verlangten. Diese Bedingungen sind in Artikel 3 des Fünften Kodex vorgesehen und wurden von der Kommission in ihrem Beschluß über die Einleitung des Verfahrens genannt, aus dem sich ergibt, daß die italienischen Behörden bis dahin die Erfuellung dieser Bedingungen nicht nachgewiesen hatten.

132 Die Kommission ist schließlich zu dem Ergebnis gelangt, daß die Investitionen für Energieeinsparungen und die Verbesserung der Produktqualität nach dem Fünften Kodex unter keine der Ausnahmen von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag fallen konnten. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was dieser Feststellung der Kommission widerspräche.

133 Drittens ist das Vorbringen in bezug auf das von Falck vorgelegte Gutachten zu prüfen. Dazu ist vorab festzustellen, daß Falck entgegen der Auffassung der Kommission den Rahmen des Rechtsstreits nicht im Sinne von Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung überschritten hat.

134 Allerdings enthält der Andersen-Bericht mit dem Titel "Bericht über die gewählten und angewandten Prüfungsverfahren für die analytische Aufstellung der Investitionen im Zeitraum vom 1. Januar 1986 bis 30. Juni 1988" in Wirklichkeit nur eine rein buchmäßige Überprüfung einer von Falck vorgelegten Aufstellung bestimmter Investitionen. Die Firma Arthur Andersen hat somit die Investitionen nicht als solche analysiert. Sie hat insbesondere nicht geprüft, ob sie auf der Grundlage des Fünften Kodex unter eine der Ausnahmen vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag fallen konnten.

135 Dazu ist klarzustellen, daß die Tatsache, daß die Ausgaben für Sachanschaffungen im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften in die Bilanz eingestellt und dort als Investitionen für Forschung und Entwicklung oder sonstwie ausgewiesen werden, für sich allein nicht beweist, daß die fraglichen Beihilfen auf der Grundlage des EGKS-Vertrags freigestellt werden können. Die Gewährung einer Ausnahme von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag erfordert nämlich eine Prüfung, die von der Kommission in einem gemeinschaftlichen Zusammenhang vorzunehmende Beurteilungen impliziert (vgl. analog Urteil des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 24, und Urteil Siemens/Kommission, Randnr. 53).

136 Der Andersen-Bericht belegt somit nicht, daß die fraglichen Investitionen unter eine Ausnahme vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag fallen können, und entkräftet folglich auch nicht die oben getroffene Feststellung, daß die Kommission mit ihrer Schlußfolgerung, daß die fraglichen Beihilfen nicht unter eine der Ausnahmen gemäß dem Fünften Kodex fielen, keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

137 Was viertens das Vorbringen von Falck in bezug auf die Beurteilungsfehler angeht, die die Kommission dadurch begangen habe, daß sie die Rückforderung der im Beschluß von 1987 erwähnten Beihilfe zu Unrecht verlangt habe, weil diese Beihilfe unter die Entscheidung Nr. 91/176/EGKS falle, und daß sie außerdem die in den Beschlüssen von 1988 erwähnten Beihilfen unzutreffend beurteilt habe, so ist festzustellen, daß bereits der Kommissionsbeschluß über die Einleitung des Verfahrens eine Auflistung aller in der vorliegenden Rechtssache in Frage stehenden Beihilfen enthielt und daß es damit Falck oblag, ihre Kritik bereits in diesem Stadium vorzubringen.

138 Im übrigen hat die italienische Regierung sowohl in ihren Antwortschreiben vom 6. April und 2. Mai 1995 auf das Auskunftsersuchen der Kommission als auch in ihrem Schreiben vom 27. März 1996 nach dem Kommissionsbeschluß über die Verfahrenseinleitung auf die Beschlüsse Nr. 7673 vom 14. Dezember 1987, Nr. 2429 vom 2. Mai 1988 und Nr. 4158 vom 4. Juli 1988 Bezug genommen, ohne den geringsten Hinweis darauf zu geben, daß die im Beschluß von 1987 erwähnte Beihilfe bereits von der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS erfaßt sei, und ohne erkennen zu lassen, daß die in den Beschlüssen von 1988 erwähnten Beihilfen fehlerhaft gewürdigt worden seien. In ihrem Schreiben vom 27. März 1996 (S. 4) hat die italienische Regierung sogar eingeräumt, daß ein Teil der von diesen Beschlüssen betroffenen Beihilfen zurückgefordert werden dürfe, indem sie ausgeführt hat:

"Die zu Recht erhobenen Rügen, zu denen noch Erläuterungen zu geben wären, betreffen ausschließlich die Zuwendungen der autonomen Provinz Bozen nach dem Jahr 1985, die auf den Beschlüssen Nr. 7673 vom 14. [Dezember] 1987, Nr. 2429 vom 2. Mai 1988 und Nr. 4158 vom 4. Juli 1988 beruhen und unter Berücksichtigung der Differenz zwischen dem Referenzzins und dem Zinssatz von 3 % hinsichtlich der Darlehen einen Gesamtvorteil von 8,704 Milliarden ergeben."

139 Die Kritik von Falck ist demnach unbeachtlich, da das Gericht zu prüfen hat, ob sich die Kommission auf einen zutreffenden Sachverhalt gestützt hat und diesen nach der Lage im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung und nur nach den ihr in diesem Zeitpunkt verfügbaren Informationen nicht offensichtlich fehlerhaft beurteilt hat (Urteil des Gerichts vom 22. Januar 1997 in der Rechtssache T-115/94, Opel Austria/Rat, Slg. 1997, II-39, Randnr. 87, und Urteil British Airways u. a. und British Midland Airways/Kommission, Randnr. 81).

140 Das Vorbringen von Falck zu den angeblichen Fehlern bei der Beurteilung der in den Beschlüssen von 1987 und 1988 erwähnten Beihilfen ist demgemäß nicht zu berücksichtigen.

141 Selbst wenn Falck mit ihrer Behauptung recht hätte, daß die im Beschluß von 1987 erwähnte Beihilfe, bereits von der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS erfaßt war, so ändert dies doch nichts daran, daß die Kommission in ihrer Entscheidung Nr. 91/176/EGKS davon ausgegangen ist, daß ein Darlehen in Höhe von 6 Milliarden ITL, obgleich es bereits 1983 bewilligt worden sei, erst 1987 ausgezahlt worden und bei seiner Bereitstellung wegen der verschiedenen aufeinanderfolgenden Stahlbeihilfenkodexe vertragswidrig geworden sei. Nach dem Vorbringen von Falck wurden jedoch mit dem Beschluß Nr. 7673 vom 14. Dezember 1987 Beihilfen gewährt, und diese Entscheidung wurde durch Beschluß vom 10. März 1988 bestätigt. Das Argument von Falck legt deshalb nahe, daß die "Gewährung" der von der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS erfaßten Beihilfe im Jahr 1987 in Wirklichkeit eine neue, autonome Entscheidung dargestellt habe und daß diese Beihilfe somit nicht allein wegen ihrer verzögerten Auszahlung vertragswidrig geworden sei. Eine solche These läßt vermuten, daß die Kommission beim Erlaß der Entscheidung Nr. 91/176/EGKS nicht zutreffend unterrichtet war, und kann deshalb von Falck nicht mit Erfolg zur Unterstützung der Anträge der Klägerin im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden.

142 Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum fünften Klagegrund: Rechtsfehler bei der Festsetzung des Zinssatzes

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

143 Die Klägerin macht geltend, der von der Kommission festgesetzte Zinssatz sei zum einen nicht bestimmbar und zum anderen ohne Rechtsgrundlage.

144 Eine Entscheidung, mit der die Rückforderung einer rechtswidrigen Beihilfe angeordnet werde, dürfe nur Zinsen auf ausgezahlte Beträge festsetzen, um die mit den Beihilfen verbundenen finanziellen Vorteile zu beseitigen; dabei müsse die Zinsfestsetzung strikt im Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die das betroffene Unternehmen rechtswidrig erlangt habe (Urteil Siemens/Kommission, Randnrn. 95 ff.). Demgemäß hätte die Kommission die Zinsen auf der Grundlage der nationalen Rechtsvorschriften oder gemäß dem Marktzins, den die Klägerin bei fehlender Gewährung der Beihilfen zu zahlen gehabt hätte, festsetzen müssen.

145 In ihrer Erwiderung führt die Klägerin aus, die Kommission könne keine Verpflichtungen auf der Grundlage einer Mitteilung vorsehen, die weder ein typischer noch ein verpflichtender Rechtsakt im Sinne der Artikel 14, 15 und 33 EGKS-Vertrag sei. Es sei jedenfalls widersprüchlich, daß sich die Kommission zum einen im Wege der Analogie auf gemeinschaftliche Kriterien beziehe und zum anderen auf die nationale Rechtsordnung verweise. Das Zusammenspiel zwischen der gemeinschaftlichen und der nationalen Regelung verlange, daß es bei Fehlen einer Gemeinschaftsvorschrift dem nationalen Gericht überlassen werde, den zu zahlenden Zins im Einklang mit dem nationalen Recht zu bestimmen und zu erheben.

146 Auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Klägerin mitgeteilt, daß der Zinssatz anzuwenden sei, den sie im fraglichen Zeitraum in Deutschland hätte erhalten können. Da sie damals in Deutschland sehr aktiv gewesen sei, sei der richtige Referenzmarkt der deutsche Markt.

147 Die Kommission trägt vor, im Zusammenhang mit regionalen Beihilfen entspreche der Zins, wie sich aus ihrer Mitteilung vom 21. Dezember 1978 über regionale Beihilferegelungen (ABl. 1979, C 31, S. 9; im folgenden: Mitteilung über regionale Beihilfen) ergebe, den Kosten des Geldes im fraglichen Mitgliedstaat und Zeitraum. Im Anhang dieser Mitteilung seien die Methoden zur Anwendung der Koordinierungsgrundsätze der regionalen Beihilferegelungen dargelegt. Gemäß Nummer 14 dieses Anhangs sei der anwendbare Bezugssatz der "durchschnittliche Bezugssatz für von der Zentralregierung an Kreditanstalten gewährte Zinsermäßigungen". Daß das angewandte Kriterium sachgerecht sei, hätten die italienischen Behörden selbst anerkannt, denn sie hätten die Zinsen in der Aufforderung zur Rückzahlung der Beihilfen nach Maßgabe der von der Banca d'Italia mitgeteilten Sätze für die verschiedenen Zeiträume berechnet.

Würdigung durch das Gericht

148 Nach ständiger Rechtsprechung muß die Rückforderung unrechtmäßig gewährter Beihilfen in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen über das Verfahren zur Wiedereinziehung zu Unrecht gezahlter Beträge nach den im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten erfolgen. Die Anwendung des nationalen Rechts darf jedoch die Tragweite und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts nicht beeinträchtigen. Mit anderen Worten, die Anwendung der nationalen Bestimmungen darf nicht die Rückforderung der unrechtmäßig gewährten Beträge praktisch unmöglich machen, und sie darf nicht gegenüber vergleichbaren Fällen, für die nur die nationalen Rechtsvorschriften gelten, diskriminierend sein (Urteile des Gerichtshofes vom 21. September 1983 in den verbundenen Rechtssachen 205/82 bis 215/82, Deutsche Milchkontor u. a./Deutschland, Slg. 1983, 2633, Randnrn. 18 bis 25, vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 94/87, Kommission/Deutschland, Slg. 1989, 175, Randnr. 12, und Urteil Siemens/Kommission, Randnr. 82).

149 Im übrigen wird mit der Rückforderung einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren staatlichen Beihilfe bezweckt, die vorherige Lage wiederherzustellen, was voraussetzt, daß alle sich aus der Beihilfe ergebenden finanziellen Vorteile, die wettbewerbswidrige Auswirkungen auf den Gemeinsamen Markt haben, beseitigt worden sind. Deshalb kann eine Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung rechtswidriger Beihilfen angeordnet wird, zur Erhebung von Zinsen auf die gewährten Beträge verpflichten, um die mit diesen Beihilfen verbundenen finanziellen Vorteile zu beseitigen (Urteil Siemens/Kommission, Randnr. 97).

150 Würden nämlich bei der Rückforderung keine Zinsen auf die rechtswidrig gewährten Beträge verlangt, so würde dies bedeuten, daß dem Unternehmen, das diese Beträge empfangen hat, auf die Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe zurückzuführende finanzielle Vorteile, die in der Gewährung eines zinslosen Darlehens bestehen, erhalten blieben. Somit würde es sich eigentlich um eine Beihilfe handeln, die den Wettbewerb verfälschte oder zu verfälschen drohte (Urteil Siemens/Kommission, Randnr. 98).

151 Die Vereinnahmung von Zinsen darf jedoch nur zum Ausgleich der finanziellen Vorteile erfolgen, die sich tatsächlich aus der Zurverfügungstellung der Beihilfen an den Empfänger ergeben, und muß im Verhältnis zu diesen Vorteilen stehen (Urteil Siemens/Kommission, Randnr. 99).

152 Im Licht dieser Erwägungen ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, die Kommission habe den Zinssatz im vorliegenden Fall fehlerhaft festgesetzt.

153 Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung bestimmt:

"Italien fordert die Beihilfen, die dem Unternehmen Acciaierie di Bolzano... gewährt wurden, gemäß den in Italien geltenden gesetzlichen Bestimmungen über die Einziehung staatlicher Forderungen zurück. Als Ausgleich für die Auswirkungen der fraglichen Beihilfen erfolgt die Rückzahlung einschließlich Zinsen ab dem Zeitpunkt der Gewährung bis zur vollständigen Rückzahlung und in Höhe des Zinssatzes, den die Kommission bei der Bemessung des Nettosubventionsäquivalents von Regionalbeihilfen in dem betreffenden Zeitraum zugrunde gelegt hat."

154 Da die Klägerin dadurch einen Vorteil erlangt hat, daß sie eine Zeit lang kostenlos über einen bestimmten Betrag verfügte, entspricht die ihr auferlegte Pflicht zur Zahlung von Zinsen dem Erfordernis, einen mit den ursprünglich gewährten Beihilfen verbundenen Vorteil zu beseitigen.

155 Auch wenn die angefochtene Entscheidung die Annahme nahelegt, daß der zur Beseitigung des Vorteils anwendbare Zinssatz unmittelbar von der Kommission bestimmt wird, so ist doch dieser Satz der durchschnittliche Bezugssatz, der für die von der Zentralregierung den Kreditanstalten gewährten Zinsermäßigungen gilt. Die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Formulierung "in Höhe des Zinssatzes, den die Kommission bei der Bemessung des Nettosubventionsäquivalents von Regionalbeihilfen... zugrunde gelegt hat", geht nämlich auf die Mitteilung über regionale Beihilfen zurück. Gemäß Nummer 14 des Anhangs dieser Mitteilung ist der für Italien geltende Bezugssatz der "durchschnittliche Bezugssatz für von der Zentralregierung an Kreditanstalten gewährte Zinsermäßigungen". Jedenfalls ist unstreitig, daß der im vorliegenden Fall angewandte Satz auf der Grundlage von Angaben der Banca d'Italia berechnet wurde.

156 Unter diesen Umständen hat die Kommission nicht die Durchführungsmodalitäten für die Verpflichtung des Staates zur Zinserhebung festgesetzt, da das Verfahren der Rückforderung der zu Unrecht gezahlten Beträge weiterhin dem nationalen Recht unterliegt. Die Bezugnahme auf den Zinssatz, der bei der Bemessung des Nettosubventionsäquivalents von Regionalbeihilfen zugrunde gelegt wird, soll lediglich sicherstellen, daß ein Zinssatz festgesetzt wird, der das Äquivalent des finanziellen Vorteils infolge der kostenlosen Zurverfügungstellung des fraglichen Kapitals darstellt, wobei die Bedingungen des italienischen Marktes und die Grundsätze des italienischen Rechts über die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge beachtet werden.

157 Die Kommission verpflichtete deshalb die italienische Regierung zu Recht zur Anwendung des Zinssatzes, der bei der Bemessung des Nettosubventionsäquivalents von Regionalbeihilfen zugrunde gelegt wird.

158 Was schließlich das Vorbringen der Klägerin angeht, der richtige Referenzmarkt sei der deutsche Markt, so ist die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung in Beihilfesachen anhand der Informationen zu beurteilen, über die die Kommission im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung verfügte (vgl. oben, Randnr. 139).

159 Im vorliegenden Fall war der Klägerin Gelegenheit gegeben worden, zu den von der Kommission im Beschluß über die Einleitung des Verfahrens zugrunde gelegten Tatsachen und vorgenommenen Bewertungen Stellung zu nehmen. Darin hat die Kommission ausgeführt, daß die Klägerin staatliche Zuwendungen in Form von Darlehen für die Dauer von zehn Jahren zu einem Zinssatz, der etwa 10 % unter dem Marktzins lag, erhalten habe. Für die Klägerin war damit klar erkennbar, daß sich die Kommission auf den Marktzins in Italien gestützt hatte, um die Höhe der fraglichen Beihilfen zu berechnen. Die Kommission konnte deshalb auch hinsichtlich der Rückforderung dieser Beihilfen vom italienischen Marktzins ausgehen.

160 Da die Klägerin gegenüber der Kommission insoweit nicht Stellung genommen hatte, kann sie ihr nicht vorwerfen, daß sie nicht die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, den deutschen Markt als Bezugsmarkt anzusehen.

161 Jedenfalls hat die Klägerin mit ihrem Argument nicht dargetan, daß die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie für die Rückforderung der fraglichen Beihilfen auf den italienischen Marktzins Bezug nahm.

162 Der fünfte Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

Zum sechsten Klagegrund: Begründungsmangel

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

163 Die Klägerin macht geltend, aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung ergebe sich weder, warum die Kommission als Stichtag für die Erstattung der Beihilfen den 31. Dezember 1985, also das Ende des Geltungszeitraums des Zweiten Kodex, angesehen habe, noch, warum nach Ansicht der Kommission auf die Beschlüsse Nrn. 7673, 2429 und 4158 der Provinz Bozen der Fünfte Kodex anwendbar sei.

164 Die Kommission habe den Zinssatz außerdem nach einer unerklärlichen Formel und ohne Begründung, warum dieser Satz angesichts der von der Klägerin erlangten Vorteile verhältnismäßig sei, festgesetzt.

165 Die Kommission trägt vor, das Datum des 31. Dezember 1985 sei nicht willkürlich gewählt worden, denn dies sei, wie sich klar aus der angefochtenen Entscheidung ergebe, der Tag vor Inkrafttreten des Dritten Kodex am 1. Januar 1986. Dieser Kodex schreibe ausdrücklich die Anmeldung jeder den Stahlunternehmen gewährten öffentlichen Zuwendung vor, was - stets im Zusammenhang mit rechts- und vertragswidrigen Beihilfen - erkläre, warum sie das Vorbringen der italienischen Behörden, die Provinzbehörden und das betroffene Unternehmen seien gutgläubig gewesen, von diesem Zeitpunkt an für nicht mehr stichhaltig und eine Rückforderung der Beihilfen für erforderlich gehalten habe. Was das Kriterium der Zinsberechnung angehe, so habe sie in Ermangelung einer speziellen Regelung das für regionale Beihilfen maßgebende Kriterium angewandt. Es gebe keine Vorschrift oder keinen Grundsatz, wonach die Festsetzung des Zinssatzes dem nationalen Gericht zu überlassen sei.

Würdigung durch das Gericht

166 Gemäß Artikel 5 Absatz 2 vierter Gedankenstrich EGKS-Vertrag gibt die Gemeinschaft "die Gründe für ihr Handeln bekannt". Nach Artikel 15 Absatz 1 EGKS-Vertrag sind die "Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der Kommission... mit Gründen zu versehen und haben auf die pflichtgemäß eingeholten Stellungnahmen Bezug zu nehmen".

167 Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepaßt sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle ausüben kann. Es wird nicht verlangt, daß alle tatsächlich und rechtlich relevanten Gesichtspunkte in der Begründung genannt sind. Diese ist nicht nur anhand des Wortlauts des Rechtsakts zu beurteilen, sondern auch anhand seines Kontextes und sämtlicher Rechtsvorschriften, die für das betreffende Gebiet gelten (Urteile des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, Randnr. 86, und des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsværftsforeningen u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 230).

168 Im vorliegenden Fall ist der angefochtenen Entscheidung klar zu entnehmen, daß das Datum des 31. Dezember 1985 wegen des Inkrafttretens des Dritten Kodex gewählt wurde, der eine ausdrückliche Pflicht zur vorherigen Meldung jeder Beihilfe, die Stahlunternehmen gewährt wird, normiert. Insoweit enthält die Begründung keinen Mangel.

169 Zwar hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht erläutert, aus welchen Gründen sie den Fünften Kodex anwandte; sie hat aber ausgeführt, "daß die Frage der italienischen Behörden, welche Rechtsvorschriften auf die fraglichen Maßnahmen und insbesondere auf die vor 1985 gewährten Beihilfen Anwendung finden, im vorliegenden Fall unerheblich ist. Denn selbst wenn die vor dem 31. Dezember 1985 gewährten Beihilfen von der Kommission auf der Grundlage der Entscheidung Nr. 2320/81 [Zweiter Kodex] geprüft würden, wären sie als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar anzusehen, weil sie die Bedingungen dieser Entscheidung nicht erfuellen."

170 Außerdem hat die Kommission im Beschluß über die Einleitung des Verfahrens ausgeführt, sie sei gehalten, "staatliche Beihilfen, d. h. Einzelbeihilfen oder Beihilferegelungen, anhand der Bestimmungen und Auslegungskriterien, die zum Zeitpunkt der Entscheidung gelten,... zu bewerten. Dies bedeutet, daß die fraglichen Beihilfen nach dem derzeit geltenden Stahlbeihilfenkodex - der Entscheidung Nr. 3855/91 [Fünfter Kodex] - zu beurteilen sind."

171 Da die angefochtene Entscheidung nicht nur anhand ihres Wortlauts, sondern auch ihres Kontextes zu beurteilen ist, ist klar, daß die Kommission diese Entscheidung auf der Grundlage des Fünften Kodex erlassen hat.

172 In der angefochtenen Entscheidung heißt es weiter, daß der Zinssatz anwendbar sei, "den die Kommission bei der Bemessung des Nettosubventionsäquivalents von Regionalbeihilfen in dem betreffenden Zeitraum zugrunde gelegt hat".

173 Diese Berechnungsweise ist in der im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlichten Mitteilung über regionale Beihilfen vorgesehen. Im Beschluß über die Einleitung des Verfahrens wird zudem ausgeführt, daß die Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen auch "Zinsen ab dem Zeitpunkt der Gewährung und in Höhe des bei der Berechnung von Regionalbeihilfen zugrunde gelegten Satzes [einschließe], um jedwede Begünstigung des Unternehmens infolge der vorschriftswidrigen Beihilfegewährung auszuschließen".

174 Unter diesen Umständen brauchte die Kommission ihre Erwägungen zum anwendbaren Zinssatz in der angefochtenen Entscheidung nicht eingehender darzulegen, um der Klägerin deren Nachprüfung zu ermöglichen.

175 Die Kommission hat somit die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, die für den Erlaß der angefochtenen Entscheidung von wesentlicher Bedeutung waren, hinreichend und vollständig dargelegt. Die Entscheidung enthielt also die für die Klägerin erforderlichen Angaben und ermöglichte dem Gemeinschaftsrichter die Ausübung seiner Kontrolle.

176 Der sechste Klagegrund ist deshalb zurückzuweisen.

177 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

178 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

179 Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung trägt die Italienische Republik als Streithelferin ihre eigenen Kosten.

180 Das Gericht kann nach Artikel 87 § 4 Absatz 3 der Verfahrensordnung entscheiden, daß ein anderer Streithelfer als die Mitgliedstaaten, die EWR-Vertragsstaaten und die EFTA-Überwachungsbehörde seine eigenen Kosten trägt.

181 Im vorliegenden Fall sind Falck, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Klägerin als Streithelferin beigetreten ist, ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT

(Fünfte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Kosten der Kommission.

3. Die Streithelferinnen tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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