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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 12.05.1999
Aktenzeichen: T-164/96
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Wenn eine Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag festgestellt wird, eigene rechtliche Wirkungen erzeugt, darunter die endgültige Ablehnung der Beihilfe, muß das beihilfeberechtigte Unternehmen eine Klagemöglichkeit gegen diese Entscheidung haben; dies schließt die Möglichkeit ein, sich zur Stützung einer Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung auf die Rechtswidrigkeit derjenigen Entscheidung zu berufen, auf der sie beruht, und zwar unabhängig davon, ob das betreffende Unternehmen die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zur Prüfung der streitigen Beihilfen angefochten hat.

2 Die Regelung des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag unterscheidet sich von der des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG). Die erstgenannte Regelung untersagt allgemein und unbedingt jede Beihilfe, da diese ihrem Wesen nach den Voraussetzungen für die Schaffung eines gemeinsamen Kohle- und Stahlmarktes zuwiderläuft. Die zweitgenannte verbietet eine Beihilfe dagegen nur insoweit, als sie durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.

Demgemäß fällt eine Schließungsbeihlfe, die ein Mitgliedstaat einem EGKS-Unternehmen gewährt, unter das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, ohne daß eine tatsächliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen festgestellt werden müsste.

3 Gemäß Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag ist jede Beihilfe von Mitgliedstaaten für die Stahlindustrie, in welcher Form auch immer sie gewährt wird, verboten. Ausnahmen von diesem Verbot, wie der aufgrund des Artikels 95 EGKS-Vertrag erlassene Fünfte Stahlbeihilfenkodex, sind eng auszulegen.

In Anbetracht der Allgemeinheit des Verbots in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag sowie des Ausnahmecharakters und der abschließenden Natur der vorgesehenen Ausnahmen hat die Kommission bei der Ausübung ihres Ermessens ohne offensichtlichen Rechtsverstoß oder Ermessensmißbrauch im Fünften Stahlbeihilfenkodex, der Beihilfen zugunsten der Unternehmen, die ihre Stahlproduktion endgültig einstellen, gewährt, davon ausgehen dürfen, daß eine Schließungsbeihilfe spürbare Auswirkungen auf den Markt haben müsse und deshalb nur Unternehmen gewährt werden dürfe, die zwar voraussichtlich weniger wettbewerbsfähig sind, gleichwohl aber eine regelmässige Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 des Fünften Kodex aufweisen. Ausserdem kann die Kommission in einer weiteren Entscheidung die Voraussetzungen für die Anwendung dieser letztgenannten Vorschrift festlegen.

4 Eine Verletzung des Diskriminierungsverbots durch die Kommission setzt voraus, daß sie gleiche Situationen ungleich behandelt und dadurch bestimmte Wirtschaftsteilnehmer gegenüber anderen benachteiligt hat, ohne daß diese Ungleichbehandlung durch objektive Unterschiede von einigem Gewicht gerechtfertigt gewesen wäre.

Im Rahmen der Beihilfen für die Stahlindustrie ist daher zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung von Unternehmen auf objektiven Unterschieden beruhte, die im Hinblick auf die Ziele, die die Kommission im Rahmen ihrer Industriepolitik für die europäische Eisen- und Stahlindustrie verfolgen darf, von Gewicht waren.

5 Da Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Stahlbeihilfenkodex die Voraussetzung einer regelmässigen Produktion aufstellt, sie aber nicht definiert, hat die Kommission bei der Genehmigung einer von einem Mitgliedstaat angemeldeten allgemeinen Beihilferegelung notwendig abstrakt Durchführungskriterien für diese Voraussetzung festzulegen, die es ihr dann ermöglichen, unter Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes eine einheitliche und vorhersehbare Beurteilung der einzelnen nach Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex angemeldeten Beihilfeanträge vorzunehmen.

Wenn erst einmal die Kriterien festgelegt sind und die allgemeine Regelung genehmigt ist, so hat sich die Kommission bei Anmeldung von auf der Grundlage der zuvor genehmigten Regelung bewilligten Beihilfen auf die Prüfung zu beschränken, ob die Beihilfen durch die allgemeine Regelung gedeckt sind und die in der Genehmigungsentscheidung festgelegten Kriterien erfuellen. Andernfalls könnte die Kommission bei der Prüfung der verschiedenen angemeldeten Einzelfälle ihre Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung wieder in Frage stellen. Dann wäre aber die Einhaltung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit gegenüber den Mitgliedstaaten und gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern gefährdet. Denn die einzelnen Beihilfen könnten so unter Verstoß gegen diese Grundsätze von der Kommission jederzeit wieder in Frage gestellt werden, selbst wenn sie der Entscheidung über die Genehmigung der Beihilferegelung in vollem Umfang entsprächen.

6 Die in den Artikeln 5 und 15 EGKS-Vertrag niedergelegte Begründungspflicht ist anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der vorgetragenen Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt betroffene Personen im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag an Erläuterungen haben können. Ferner ist die Kommission bei Rechtsakten, die für eine allgemeine Anwendung bestimmt sind, nach den Artikeln 5 und 15 EGKS-Vertrag verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die Gesamtlage anzugeben, die zu deren Erlaß geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihnen erreicht werden sollen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 12. Mai 1999. - Moccia Irme SpA, Prolafer Srl, Ferriera Acciaieria Casilina SpA, Dora Ferriera Acciaieria Srl, Ferriera Lamifer SpA und Nuova Sidercamuna SpA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Staatliche Beihilfen - EGKS-Vertrag - Fünfter Stahlbeihilfenkodex - Voraussetzungen der Regelmäßigkeit der Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 des Fünften Stahlbeihilfenkodex. - Verbundene Rechtssachen T-164/96, T-165/96, T-166/96, T-167/96, T-122/97 und T-130/97.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen 1 Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag bestimmt:

"Als unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl werden innerhalb der Gemeinschaft gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages aufgehoben und untersagt:

...

c) von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen oder von ihnen auferlegte Sonderlasten, in welcher Form dies auch immer geschieht;

..."

2 Gemäß Artikel 95 Absatz 1 EGKS-Vertrag erließ die Kommission mit einstimmiger Zustimmung des Rates und nach Anhörung des Beratenden Ausschusses die Entscheidung Nr. 257/80/EGKS vom 1. Februar 1980 zur Einführung von gemeinschaftlichen Regeln über spezifische Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 29, S. 5), die gemeinhin als Erster Stahlbeihilfenkodex bezeichnet wird. Nach dem Abschnitt I Absatz 2 ihrer Präambel betrifft das Verbot der Subventions- oder Beihilfegewährung von seiten der Staaten nur Maßnahmen, welche die Instrumente einer rein innerstaatlichen Stahlpolitik bilden, und gelangt nicht für Beihilfen zur Anwendung, mit denen eine gemeinschaftliche Stahlpolitik verfolgt werden soll, wie z. B. die Politik zur Umstrukturierung der Stahlindustrie, die das Ziel der Entscheidung Nr. 257/80/EGKS darstellte.

3 In der Folge wurde der Erste Stahlbeihilfenkodex durch neue Kodizes ersetzt, durch die im Rahmen der jeweils durch sie aufgestellten Regelung für staatliche Beihilfen an die Stahlindustrie Kriterien festgesetzt wurden, nach denen von einem Mitgliedstaat, in welcher Form auch immer, finanzierte Beihilfen als Gemeinschaftsbeihilfen und somit als vereinbar mit dem ordnungsgemässen Funktionieren des Gemeinsamen Marktes angesehen werden können.

4 1991 wurden durch die Entscheidung Nr. 3855/91/EGKS der Kommission vom 27. November 1991 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 362, S. 57) die neuen Vorschriften für die Gewährung von staatlichen Beihilfen in diesem Bereich ab 1. Januar 1992 bis 31. Dezember 1996 festgelegt (im folgenden: Fünfter Stahlbeihilfenkodex oder Fünfter Kodex). Der Fünfte Kodex wurde zum 1. Januar 1997 durch die Entscheidung Nr. 2496/96/EGKS der Kommission vom 18. Dezember 1996 zur Einführung gemeinschaftlicher Vorschriften über Beihilfen an die Eisen- und Stahlindustrie (ABl. L 338, S. 42) ersetzt, die den Sechsten Stahlbeihilfenkodex darstellt.

5 Der Fünfte Stahlbeihilfenkodex bestimmt

- in Artikel 4 Absatz 2:

"Beihilfen zugunsten der Unternehmen, die ihre Produktionstätigkeit endgültig einstellen, können unter den nachstehenden Voraussetzungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden:

-...

- sie haben bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der betreffenden Beihilfen regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert,

-..."

- in Artikel 6 Absatz 1:

"Die Kommission ist von allen Vorhaben zur Gewährung oder Umgestaltung von Beihilfen gemäß den Artikeln 2 bis 5 so rechtzeitig zu unterrichten, daß sie sich hierzu äussern kann."

- in Artikel 6 Absatz 4:

"Stellt die Kommission, nachdem sie die Beteiligten zur Stellungnahme aufgefordert hat, fest, daß eine Beihilfe nicht mit den Bestimmungen der vorliegenden Entscheidung vereinbar ist, so unterrichtet sie den betreffenden Mitgliedstaat von ihrer Entscheidung."

- in Artikel 6 Absatz 6:

"Jeder einzelne Fall einer Anwendung der in Artikel 4 und 5 genannten Beihilfen ist der Kommission... zu melden."

Sachverhalt

Mitteilung des Gesetzes Nr. 481/94 und des Dekrets Nr. 683/94 durch die italienische Regierung

6 Im Februar 1994 unterrichtete die italienische Regierung die Kommission gemäß Artikel 6 Absatz 1 des Fünften Stahlbeihilfenkodex über das Decreto-legge Nr. 103 vom 14. Februar 1994 mit Dringlichkeitsmaßnahmen zur Durchführung des Umstrukturierungsplans für den Stahlsektor. Dieses wurde durch das Decreto-legge Nr. 234 vom 14. April 1994 und nochmals durch das Decreto-legge Nr. 396 vom 20. Juni 1994 erneut in Kraft gesetzt und dann endgültig in das Gesetz Nr. 481 vom 3. August 1994 über die Umstrukturierung des privaten italienischen Stahlsektors umgewandelt (GURI Nr. 183 vom 6. August 1994, S. 12; nachstehend: Gesetz Nr. 481/94).

7 Dieses Gesetz sieht insbesondere die Gewährung von Schließungsbeihilfen für Stahlanlagen vor, falls diese zerstört werden. Gemäß Artikel 1 Absatz 3 dieses Gesetzes sind "Beihilfeanträge... bis zum 30. Juli 1994... einzureichen", während die "Zerstörung der Anlagen bis zum 31. März 1995 erfolgen [muß] und die vollständige Zahlung der Beihilfen... bis zum 31. Dezember 1996 [erfolgt]". Gemäß Artikel 1 Absatz 4 sind die technischen Modalitäten der Durchführung durch Dekret des Ministers für Industrie, Handel und Handwerk festzulegen. Die italienischen Behörden teilten in der Folge die Durchführungsverordnung zum Gesetz Nr. 481/94 mit, nämlich das Dekret Nr. 683 des Ministers für Industrie, Handel und Handwerk vom 12. Oktober 1994 (nachstehend: Durchführungsverordnung). Gemäß Artikel 1 Absatz 1 dieses Dekrets müssen die betreffenden Unternehmen, um Beihilfen nach Artikel 1 des Gesetzes Nr. 481/94 zu erhalten, die nachstehende Voraussetzung erfuellen:

"e) bis zum Tag des Erlasses des Decreto-legge Nr. 103 vom 14. Februar 1994... eine regelmässige Produktion aufgewiesen haben, die durch ein beeidigtes Gutachten eines in diesem Sektor erfahrenen Sachverständigen zu belegen ist, der in das Verzeichnis der Sachverständigen aufgenommen und von dem Gericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, bestellt ist".

Entscheidung der Kommission vom 12. Dezember 1994 zur grundsätzlichen Genehmigung der von der italienischen Regierung mitgeteilten Beihilferegelung

8 Mit Entscheidung vom 12. Dezember 1994 genehmigte die Kommission grundsätzlich die betreffende Beihilferegelung, machte allerdings gemäß Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Stahlbeihilfenkodex jede einzelne Beihilfegewährung von der vorherigen Anmeldung abhängig (ABl. 1994, C 390, S. 20; nachstehend: Entscheidung vom 12. Dezember 1994).

9 Die Kommission gab an, daß sie in jedem einzelnen Fall ihre Genehmigung von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig machen werde. Bezueglich der Voraussetzung der Regelmässigkeit der Produktion nach Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Stahlbeihilfenkodex wies sie darauf hin, daß ein Unternehmen, um eine Beihilfe erhalten zu können, im ganzen Jahr 1993 und bis zur Anmeldung des Decreto-legge Nr. 103 vom 14. Februar 1994 bei ihr im Februar 1994 durchschnittlich mindestens eine Schicht oder acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche produziert haben müsse.

10 Im übrigen führte die Kommission aus, daß es den italienischen Behörden aber freistehe, anhand objektiver Kriterien nachzuweisen, daß ein Unternehmen, das diese Voraussetzung nicht erfuelle, regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert habe.

Anmeldung der vorgesehenen Beihilfe für die Klägerinnen durch die italienische Regierung

11 Am 8. September 1995, am 23. November 1995 und am 11. März 1996 meldete die italienische Regierung bei der Kommission gemäß Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Stahlbeihilfenkodex die Beihilfen für die endgültige Schließung aufgrund des Gesetzes Nr. 481/94 an, die u. a. der jeweiligen Klägerin in den sechs Rechtssachen T-164/96, T-165/96, T-166/96, T-167/96, T-122/97 und T-130/97, also den Firmen Moccia Irme SpA (nachstehend: Moccia), Prolafer Srl (nachstehend: Prolafer), Ferriera Acciaieria Casilina SpA (nachstehend: Casilina), Dora Ferriera Acciaieria Srl (nachstehend: Dora), Ferriera Lamifer SpA (nachstehend: Lamifer) und Nuova Sidercamuna SpA (nachstehend: Sidercamuna) in Höhe der folgenden Beträge gewährt werden sollten:

Rechtssache / Klägerin / Beihilfebetrag (in ITL)

T-164/96 / Moccia / 3 509 Mio.

T-165/96 / Prolafer / 2 038 Mio.

T-166/96 / Casilina / 2 908 Mio.

T-167/96 / Dora / 3 438 Mio.

T-122/97 / Lamifer / 4 889 Mio.

T-130/97 / Sidercamuna / 16 127 Mio.

12 Die Klägerinnen sind Stahlunternehmen im Sinne des Artikels 80 EGKS-Vertrag, die Stahl oder Warmband herstellen. Ihre für 1993 erklärte Produktionskapazität, ihre tatsächliche Produktion während des Bezugszeitraums, d. h. vom 1. Januar 1993 bis 28. Februar 1994, sowie das Verhältnis der zweit- zur erstgenannten in Prozenten sind folgende:

Produktionskapazität (in Tonnen/Jahr) / Produktion effektiv (in Tonnen)

T-164/96 Moccia / 288 000 Rohstahl 165 000 Warmband / 0

T-165/96 Prolafer / 200 000 Stahl 150 000 Warmband / 0

T-166/96 Casilina / 80 000 Warmband / 11 356 Warmband (14,2 %)

T-167/96 Dora / 250 000 Warmband / 21 444 Warmband (8,6 %)

T-122/97 Lamifer / 154 560 Warmband / 23 542 Warmband (15,2 %)

T-130/97 Sidercamuna / 475 000 Betonstahl und sonstiger Stabstahl (Flachstahl) / 36 002 Betonstahl und sonstiger Stabstahl (Flachstahl) (7,6 %)

13 Insgesamt stellten 43 in Italien ansässige EGKS-Stahlunternehmen Beihilfeanträge nach dem Gesetz Nr. 481/94.

Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Stahlbeihilfenkodex durch die Kommission

14 Am 15. Dezember 1995, am 2. Februar und am 12. Juni 1996 teilte die Kommission mit Schreiben, die im wesentlichen in den Mitteilungen 96/C 101/05, 96/C 121/03 und 96/C 215/03 der Kommission (ABl. 1996, C 101, S. 4, ABl. C 121, S. 3 und ABl. C 215, S. 3) wiedergegeben sind, gemäß Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Stahlbeihilfenkodex an die Mitgliedstaaten und interessierte Dritte gerichtet waren und die von Italien beschlossene Beihilfen für Casilina, Acciaierie del Sud SpA, Officine Laminatoi Sebino SpA (OLS), Montifer Srl, Moccia und Mini Acciaierie Odolese SpA (MAO), Prolafer, Dora und Acciaierie San Gabriele SpA, Diano SpA, Lamifer, Ferriere Demafer Srl, Lavorazione Metalli Vari - LMV SpA und Sidercamuna betrafen, der italienischen Regierung ihre Entscheidung mit, bezueglich der insbesondere für die Klägerinnen vorgesehenen Beihilfen das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Stahlbeihilfenkodex einzuleiten.

15 Die Kommission legte in den genannten Mitteilungen dar, daß nach ihren Informationen keines der betreffenden Unternehmen, insbesondere keine der Klägerinnen, während des gesamten Jahres 1993 und bis 28. Februar 1994 durchschnittlich eine Schicht täglich, was mindestens acht Stunden täglicher Arbeit entspreche, an fünf Tagen in der Woche produziert habe.

16 Bezueglich Moccia und Casilina führte sie in der Mitteilung 96/C 101/05 aus:

"So hat [Casilina] (Beihilfe 777/95) knapp 11 356 t Warmband produziert, was 14,2 % der Gesamtkapazität des Unternehmens entspricht... Die Anlage von [Moccia] (Beihilfe 793/95) war nicht in Betrieb."

17 Zu Prolafer und Dora heisst es in der Mitteilung 96/C 121/03:

"Während die Anlagen von Prolafer (Beihilfe Nr. 977/95)... gar nicht in Betrieb waren, hat Dora (Beihilfe Nr. 978/95) lediglich 21 444 t Warmband - das sind 8,6 % der Gesamtkapazität des Unternehmens - hergestellt."

18 Schließlich führte sie bezueglich Lamifer und Sidercamuna in der Mitteilung 96/C 215/03 aus:

"[Lamifer] (Beihilfe Nr. 178/96) hat lediglich 23 542 t Warmband erzeugt und damit nur 15,2 % der vorhandenen Kapazitäten genutzt. Bei [Sidercamuna] (Beihilfe Nr. 182/96) waren die Kapazitäten mit einer Produktion von 36 002 t Warmband nur zu 7,6 % ausgelastet."

Entscheidungen vom 30. Juli und vom 18. Dezember 1996, mit denen die Beihilfen für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wurden

19 Mit der Entscheidung 96/678/EGKS vom 30. Juli 1996 über bestimmte Beihilfevorhaben Italiens im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms für den privaten italienischen Stahlsektor (ABl. L 316, S. 24) erklärte die Kommission die staatlichen Beihilfemaßnahmen, die die Italienische Republik für acht der neun betroffenen Unternehmen, darunter Moccia, Prolafer, Casilina und Dora, in Aussicht genommen habe, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag.

20 Mit der Entscheidung 97/258/EGKS vom 18. Dezember 1996 über bestimmte Beihilfevorhaben Italiens im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms für den privaten italienischen Stahlsektor (ABl. L 102, S. 42) erklärte die Kommission die staatlichen Beihilfemaßnahmen, die die Italienische Republik für vier der fünf betroffenen Unternehmen, darunter Lamifer und Sidercamuna, in Aussicht genommen habe, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag.

21 Die Kommission begründete diese Entscheidungen u. a. wie folgt (Entscheidung 97/258):

"... Deshalb muß festgestellt werden, daß in den zur Prüfung vorliegenden Fällen, abgesehen von dem Kriterium der Regelmässigkeit der Produktion, hinsichtlich dessen das Verfahren eröffnet wurde, alle Voraussetzungen erfuellt sind.

Der Stahlbeihilfenkodex macht zwar die Beihilfegewährung zugunsten eines Unternehmens davon abhängig, daß es zum Zeitpunkt der Schließung regelmässig produziert, enthält jedoch keine klare Definition des Begriffs Regelmässigkeit. Deshalb hatte die Kommission in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 erklärt, daß diese Anforderung erfuellt ist, wenn das Unternehmen durchschnittlich wenigstens eine Schicht oder acht Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche von Anfang 1993 bis zur Notifizierung des Gesetzesdekrets Nr. 103/94 in Betrieb gewesen ist. Die Kommission hatte ferner erklärt, daß die italienischen Behörden aufgrund objektiver Kriterien den Nachweis dafür hätten erbringen können, daß ein Unternehmen, das diese Anforderung nicht erfuellte, dennoch regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produzierte.

In diesem Fall hätte die Kommission die Beihilfe hinsichtlich ihrer Spezifizität geprüft, um die Einhaltung des Kriteriums der regelmässigen Produktion zu gewährleisten.

Die Zielsetzung des Artikels 4 Stahlbeihilfenkodex und der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 ist klar: Schließungsbeihilfen können nur an Unternehmen mit einer bedeutsamen Produktionskapazität, d. h. an Unternehmen mit einer regelmässigen Produktion auf dem Stahlmarkt, gewährt werden. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hielt es hingegen weder für notwendig noch für zweckdienlich, eine Ausnahme von dem allgemeinen Verbot des Artikels 4 EGKS-Vertrag zu genehmigen, da die Schließung eines Unternehmens, das nicht regelmässig produziert, keine bedeutsamen Auswirkungen auf den Markt hat.

Infolgedessen können andere als die von der Kommission in ihrer Entscheidung vorgesehenen Kriterien anerkannt werden, vorausgesetzt, daß sie den Nachweis für die Regelmässigkeit der Produktion erbringen. Indes muß festgestellt werden, daß die von der italienischen Regierung angeführten Kriterien (Fortführung des Stromversorgungsvertrags, Beschäftigung, Instandhaltungsmaßnahmen für die Werksanlagen usw.) nicht geeignet sind, um den Nachweis dafür zu erbringen. daß die betreffenden Unternehmen regelmässig produziert haben, sondern nur dafür, daß sie dazu in der Lage gewesen wären.

Artikel 4 Stahlbeihilfenkodex ist in einer Weise abgefasst, daß keine weite Auslegung dahin gehend zulässig ist, wonach zu den Unternehmen, die Anspruch auf eine Schließungsbeihilfe haben, diejenigen zu rechnen sind, die nicht regelmässig produziert haben, aber regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produzieren könnten."

Verfahren

22 Mit Klageschriften, die am 19. Oktober 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben Moccia, Prolafer, Casilina und Dora Klagen erhoben, die unter den Nummern T-164/96, T-165/96, T-166/96 und T-167/96 eingetragen worden sind.

23 Mit Klageschrift, die am 18. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Lamifer Klage erhoben, die unter der Nummer T-122/97 eingetragen worden ist.

24 Mit Klageschrift, die am 22. April 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Sidercamuna Klage erhoben, die unter der Nummer T-130/97 eingetragen worden ist.

25 Mit gesondertem Schriftsatz, der am 28. November 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Moccia gemäß Artikel 39 EGKS-Vertrag den Erlaß einstweiliger Anordnungen beantragt, mit denen der Vollzug der Entscheidung 96/678 und der Maßnahmen, auf denen sie beruht, ausgesetzt und der Kommission aufgegeben wird, die italienischen Behörden aufzufordern, die Auszahlung der staatlichen Schließungsbeihilfen nach dem Gesetz Nr. 481/94 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen, hilfweise, erneut in die Erörterung der für Moccia bestimmten Beihilfe einzutreten.

26 Mit Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 17. Dezember 1996 in der Rechtssache T-164/96 R (Moccia/Kommission, Slg. 1996, II-2261) ist dieser Antrag der Klägerin zurückgewiesen worden.

27 Das gegen diesen Beschluß eingelegte Rechtsmittel ist durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 30. April 1997 in der Rechtssache C-89/97 P (R) (Moccia Irme/Kommission, Slg. 1997, I-2327) zurückgewiesen worden.

28 Das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen.

29 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 17. November 1998 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

30 Mit Beschluß des Präsidenten der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts vom 18. Dezember 1998 sind die Rechtssachen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden.

Anträge der Parteien

31 Moccia beantragt,

- gemäß den Artikeln 33 und 36 EGKS-Vertrag die Entscheidung 96/678 für nichtig zu erklären und demgemäß, soweit erforderlich, allen anderen eine Voraussetzung für sie bildenden, mit ihr koordinierten oder zusammenhängenden Maßnahmen die Wirksamkeit zu nehmen;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

32 Prolafer beantragt,

- die Entscheidung 96/678, die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 und, soweit erforderlich, Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Stahlbeihilfenkodex sowie jedwede eine Voraussetzung für sie bildende, mit ihnen zusammenhängende oder aus ihnen folgende Maßnahme für nichtig zu erklären.

33 Casilina beantragt,

- die Entscheidung 96/678, die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 sowie jedwede eine Voraussetzung für sie bildende, mit ihnen zusammenhängende oder aus ihnen folgende Maßnahme für nichtig zu erklären.

- die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

34 Dora beantragt,

- die Entscheidung 96/678, die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 sowie jede andere eine Voraussetzung für sie bildende, mit ihnen zusammenhängende oder aus ihnen folgende Maßnahme für nichtig zu erklären.

- die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

35 Lamifer beantragt,

- die Entscheidung 97/258, die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 sowie jede andere eine Voraussetzung für sie bildende, mit ihnen zusammenhängende oder aus ihnen folgende Maßnahme für nichtig zu erklären.

36 Sidercamuna beantragt,

- die Entscheidung 97/258 für nichtig zu erklären;

- jede andere Maßnahme zum Schutz ihrer Interessen nach Recht und Billigkeit anzuordnen;

- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

37 Die Kommission beantragt in allen Rechtssachen,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

38 In den sechs Rechtssachen bestreitet die Kommission die Zulässigkeit der Klageanträge, die den Fünften Stahlbeihilfenkodex oder die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 betreffen.

Zu den Unzulässigkeitsgründen bezueglich der Anfechtung des Fünften Stahlbeihilfenkodex

39 Die Kommission bestreitet zum einen die Schlüssigkeit bestimmter Klageanträge, soweit sie sich formell gegen den Fünften Kodex richten. Zum anderen hält sie in der Rechtssache T-130/97 den Einwand der Rechtswidrigkeit gegen den Fünften Kodex für verspätet.

1. Zur Unzulässigkeitsrüge der fehlenden Erheblichkeit der formell gegen den Fünften Kodex gerichteten Klageanträge

40 Die Kommission weist darauf hin, daß Prolafer, Dora und Lamifer gemäß Artikel 36 Absatz 3 EGKS-Vertrag einredeweise die Rechtswidrigkeit aller vor der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 sowie vor den Entscheidungen 96/678 und 97/258 getroffenen Maßnahmen geltend machen und damit den Fünften Kodex anfechten. Das Vorbringen der Klägerinnen ziele aber nur darauf ab, die Verletzung dieses Kodex durch die Kommission nachzuweisen, und sei nicht darauf gerichtet, diesen in Frage zu stellen.

41 Diese Unzulässigkeitseinrede der Kommission gegen die Klagen, zu der die Klägerinnen nicht Stellung genommen haben, greift nicht durch. Zwar wird in diesen Rechtssachen nichts unmittelbar gegen den Fünften Kodex vorgebracht; dieser stellt vielmehr das Kriterium dar, anhand dessen die Rechtmässigkeit der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 sowie der Entscheidungen 96/678 und 97/258 in Frage gestellt wird. Dies für sich genommen macht aber die betreffenden Klageanträge nicht unzulässig.

2. Zur Unzulässigkeitsrüge der Verspätung des Rechtswidrigkeitseinwandes gegen den Fünften Kodex in der Rechtssache T-130/97

42 Die Kommission macht in der Rechtssache Sidercamuna geltend, der Rechtswidrigkeitseinwand gegen den Fünften Stahlbeihilfekodex sei unzulässig, da er erstmals mit der Erwiderung vorgebracht worden sei und daher ein neues Angriffsmittel darstelle.

43 Nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

44 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin in der Rechtssache T-130/97 in der Klageschrift geltend, daß es im Hinblick auf den vorrangigen Zweck des Beihilfenprogramms für den Stahlsektor, nämlich die Herabsetzung der Produktionskapazität, rechtswidrig sei, die Verwirklichung dieses Zweckes von Bedingungen abhängig zu machen, die, wie z. B. das Niveau der regelmässigen Produktion, damit nichts zu tun hätten. In der Erwiderung bezieht sie sich auf dieses Vorbringen, um damit zu belegen, daß sie bereits in der Klageschrift einen Rechtswidrigkeitseinwand gegen den Fünften Kodex erhoben habe.

45 Die Kommission meint demgegenüber, daß sich dieses Vorbringen in der Klageschrift nicht gegen den Fünften Kodex richte, sondern in Wahrheit bezwecke, dessen Verletzung oder falsche Auslegung in nachgeordneten Maßnahmen zu beanstanden.

46 Mit dem Vorbringen der Klägerin wird beanstandet, daß die Verwirklichung einer der Zwecke des Fünften Kodex, die Herabsetzung der Produktionskapazität, von einer Bedingung abhängig gemacht worden sei, die damit nichts zu tun habe, nämlich vom Vorliegen einer regelmässigen Produktion. Diese Voraussetzung wird aber, wie in Randnummer 5 dieses Urteils ausgeführt, in Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex aufgestellt. Somit wird mit dem Vorbringen diese Vorschrift des Fünften Kodex beanstandet.

47 Im übrigen findet sich dieses Vorbringen in dem Teil des ersten Klagegrundes, der sich auf eine Verletzung des Grundsatzes der praktischen Wirksamkeit durch die Kommission bezieht, nicht aber in dem Teil, in dem in besonderer Weise die Verletzung des Artikel 4 des Fünften Kodex durch nachgeordnete Maßnahmen gerügt wird.

48 Demzufolge stellt das betreffende Vorbringen einen Rechtswidrigkeitseinwand gegen Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex dar. Dieser Einwand ist, da bereits in der Klageschrift enthalten, nicht verspätet erhoben worden. Der von der Kommission geltend gemachte Unzulässigkeitsgrund ist daher zurückzuweisen.

Zu den Unzulässigkeitsrügen bezueglich der Anfechtung der Entscheidung vom 12. Dezember 1994

49 Vorab ist festzustellen, daß Prolafer, Casilina, Dora und Lamifer die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 als rechtswidrig angreifen und ihre Nichtigerklärung beantragen.

50 Die Klägerinnen wollen in Wahrheit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 inzident geltend machen, d. h. aus Anlaß und zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklagen gegen die Entscheidungen, die Beihilfen nicht zu genehmigen, mithin in Form eines Einwands der Rechtswidrigkeit.

51 Moccia und Sidercamuna haben formell einen Rechtswidrigkeitseinwand gegen die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 erhoben.

52 Die in den sechs Rechtssachen gegen die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 erhobenen Rechtswidrigkeitseinwände zielen allesamt darauf ab, das von der Kommission in dieser aufgestellte Kriterium für die in Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex enthaltene Voraussetzung einer regelmässigen Produktion zu beanstanden, wonach das Unternehmen, das eine Schließungsbeihilfe beantragt, während des gesamten Jahres 1993 und bis Februar 1994 durchschnittlich mindestens eine Schicht oder acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche produziert haben muß.

53 Die Kommission hält diese Rechtswidrigkeitseinwände für unzulässig.

54 Sie führt hierfür zwei Gründe an. Mit dem ersten macht sie in allen Rechtssachen geltend, die Entscheidungen 96/678 und 97/258 (nachstehend: angefochtene Entscheidungen) beruhten nicht auf der Entscheidung vom 12. Dezember 1994, sondern unmittelbar auf dem Fünften Stahlbeihilfekodex. Mit dem zweiten rügt sie in den Rechtssachen Lamifer und Sidercamuna, daß die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 allenfalls die Grundlage der Entscheidung zur Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex gewesen sei, nicht aber der späteren Entscheidung, die Beihilfe nicht zu genehmigen, durch die die erstgenannte lediglich bestätigt worden sei.

1. Zu der Unzulässigkeitsrüge, daß die angefochtenen Entscheidungen nicht auf der Entscheidung vom 12. Dezember 1994, sondern unmittelbar auf dem Fünften Kodex beruhten

55 Die Kommission macht geltend, im vorliegenden Fall bestehe keine Verbindung zwischen den angefochtenen Entscheidungen und der Entscheidung vom 12. Dezember 1994. Gemäß Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex müssten ihr nämlich alle konkreten Fälle der Gewährung von Beihilfen nach den Artikeln 4 und 5 dieses Kodex gemeldet werden, damit sie über sie befinden könne, und zwar unabhängig vom Erlaß einer Entscheidung, mit der eine allgemeine Beihilferegelung auf der Grundlage dieser Artikel genehmigt werde. Mithin könnten die angefochtenen Entscheidungen rechtlich gesehen nicht auf der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 beruhen, sondern lediglich, worauf es in den vorliegenden Fällen ankomme, auf Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex.

56 Der Kläger kann zwar im Rahmen einer gegen eine individuelle Entscheidung gerichteten Nichtigkeitsklage die Rechtswidrigkeit bestimmter Vorschriften allgemeiner Entscheidungen, die mit der angefochtenen Entscheidung angewandt werden, geltend machen; diese Möglichkeit bietet sich ihm jedoch nur dann, wenn die individuelle Entscheidung auf den Vorschriften beruht, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird (Urteile des Gerichtshofes vom 28. Oktober 1981 in den Rechtssachen 275/80 und 24/81, Krupp Stahl/Kommission, Slg. 1981, 2489, Randnr. 32, vom 16. Februar 1982 in der Rechtssache 258/80, Rumi/Kommission, Slg. 1982, 487, Randnr. 6, vom 21. Februar 1984 in den Rechtssachen 140/82, 146/82, 221/82 und 226/82, Walzstahl-Vereinigung und Thyssen/Kommission, Slg. 1984, 951, Randnr. 20, und vom 11. Oktober 1984 in der Rechtssache 151/83, Alpa/Kommission, Slg. 1984, 3519, Randnr. 9).

57 Im vorliegenden Fall verweisen die angefochtenen Entscheidungen ausdrücklich auf die Entscheidung vom 12. Dezember 1994, mit der das Gesetz Nr. 481/94 gebilligt wurde und gegen die sich der Rechtswidrigkeitseinwand richtet. In ihnen heisst es, der Fünfte Stahlbeihilfenkodex mache zwar die Beihilfegewährung davon abhängig, daß das Unternehmen bis zu seiner Schließung regelmässig produziert habe, enthalte jedoch keine klare Definition des Begriffes der Regelmässigkeit. Aus diesem Grund habe die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 die Gewährung von Schließungsbeihilfen davon abhängig gemacht, daß die Unternehmen durchschnittlich mindestens eine Schicht oder acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche produziert hätten. Die Klägerinnen hätten zwar die übrigen Voraussetzungen des Artikels 4 des Fünften Kodex, nicht aber dieses Kriterium erfuellt. Aufgrund dieser Feststellung sei das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex eröffnet worden. Die italienische Regierung habe auch nicht entsprechend der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 durch andere objektive Anhaltspunkte nachgewiesen, daß die Klägerinnen gleichwohl regelmässig EGKS-Erzeugnisse hergestellt hätten.

58 Folglich hat die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 ein Kriterium festgelegt, dessen Anwendung auf die Klägerinnen zur Eröffnung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex führte und anhand dessen die Beihilfen dann als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag erklärt wurden.

59 Die angefochtenen Entscheidungen beruhen somit insoweit auf der Festlegung des Erfordernisses einer regelmässigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex durch die Entscheidung vom 12. Dezember 1994. Diese Festlegung des Erfordernisses einer regelmässigen Produktion ist wiederum Gegenstand des Rechtswidrigkeitseinwandes gegen die Entscheidung vom 12. Dezember 1994. Folglich beruhen die angefochtenen Entscheidungen auf der Bestimmung, deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Die Unzulässigkeitsrüge der Kommission greift daher nicht durch.

60 Die Kommission wendet in den sechs Rechtssachen erstens ein, daß ihr gemäß Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex unabhängig vom Erlaß einer Entscheidung, mit der eine allgemeine Beihilferegelung genehmigt werde, alle konkreten Beihilfegewährungen gemeldet werden müssten, so daß die angefochtenen Entscheidungen rechtlich gesehen nicht auf der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 beruhen könnten, sondern lediglich auf Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex. Auch wenn es diese Entscheidung nicht gäbe, hätten die angefochtenen Entscheidungen wirksam erlassen werden und alle ihre Wirkungen entfalten können. Mit diesem Vorbringen wird indessen verkannt, daß die Kommission bei der Prüfung der konkreten Beihilfefälle, die ihr im Anschluß an die Genehmigung der allgemeinen Beihilfenregelung durch die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 gemeldet worden waren, die Einhaltung der Voraussetzung einer regelmässigen Produktion im Hinblick auf das in dieser Entscheidung festgelegte Kriterium untersucht hat, so daß diese insoweit die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidungen bildet.

61 Die Kommission wendet zweitens in den Rechtssachen T-164/96, T-165/96, T-166/96, T-167/96 und T-122/97 ein, daß das Erfordernis einer regelmässigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 mit Zustimmung der italienischen Regierung lediglich beispielshalber dargestellt worden sei. Damit wird indessen verkannt, daß die Kommission das in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 dargelegte Kriterium keineswegs als ein einfaches, nicht zwingendes Beispiel betrachtet hat, sondern aufgrund seiner Anwendung das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex eröffnet und dann die Beihilfevorhaben für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt hat.

62 Die Kommission wendet drittens in den Rechtssachen T-164/96, T-166/96, T-167/96, T-122/97 und T-130/97 ein, daß die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 zwar ein Kriterium festgelegt habe, mit dem das Erfordernis einer regelmässigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex erläutert worden sei, der italienischen Regierung aber zugestanden worden sei, anhand objektiver Kriterien nachzuweisen, daß ein Unternehmen, das dieses Kriterium nicht erfuellt, gleichwohl regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert hat, so daß der Hinweis auf diese Entscheidung in den angefochtenen Entscheidungen unerheblich gewesen sei. Die Beihilfe hätte also trotz der Nichterfuellung des in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 genannten Kriteriums genehmigt werden können, so daß diese nicht Grundlage der angefochtenen Entscheidungen sei. Damit wird indessen verkannt, daß den angefochtenen Entscheidungen zufolge die Kommission verlangte, die klagenden Unternehmen müssten das betreffende Kriterium erfuellen, die Nichteinhaltung dieses Kriteriums zur Einleitung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex führte und, weil die italienische Regierung nach Einschätzung der Kommission keine alternativen objektiven Kriterien nachgewiesen hatte, die beantragten Beihilfen als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wurden. Folglich beruht die Ablehnung der Beihilfen letztlich auf der Nichteinhaltung des in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegten Kriteriums, mit dem eine Vermutung begründet wurde, die im vorliegenden Fall von der italienischen Regierung nicht widerlegt worden ist. Die angefochtenen Entscheidungen beruhen daher insoweit auf dem betreffenden Kriterium.

63 Die Kommission wendet viertens in der Rechtssache T-164/96 ein, daß die blosse Erwähnung der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 in der Entscheidung 96/678 als solche insoweit nicht entscheidend sei, als Moccia im Bezugszeitraum überhaupt nicht produziert habe, so daß das in der erstgenannten Entscheidung festgelegte Kriterium keine Anwendung habe finden können. Damit wird indessen verkannt, daß formell gesehen die Entscheidung 96/678 die Anwendung dieses Kriteriums auf die Klägerin feststellt. Das Kriterium ist übrigens auch tatsächlich angewandt worden, denn die Produktion der Klägerin ist lediglich für den mit ihm festgelegten Zeitraum Januar 1993 bis Februar 1994 und nicht z. B. für die Zeit ab Inkrafttreten des Fünften Kodex am 1. Januar 1992 geprüft worden.

2. Zu der Unzulässigkeitsrüge, mit der geltend gemacht wird, die Entscheidung 97/258 stelle lediglich eine Bestätigung dar

64 In den Rechtssachen T-122/97 und T-130/97 bringt die Kommission vor, das in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegte Kriterium für die Voraussetzung einer regelmässigen Produktion sei gegenüber den Klägerinnen bereits vor Erlaß der Entscheidung 97/258 mit der früheren Entscheidung angewandt worden, durch die das Verfahren zur Prüfung der Beihilfen nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex eröffnet worden sei. In der letztgenannten Entscheidung sei festgestellt worden, daß die Klägerinnen das betreffende Kriterium nicht erfuellten; anschließend seien die italienischen Behörden aufgefordert worden, anhand anderer objektiver Kriterien das Vorliegen einer regelmässigen Produktion zu belegen. Mit der Entscheidung 97/258 habe festgestellt werden sollen, daß die italienischen Behörden diesen Beweis nicht erbracht hätten. Ausserdem sei mit ihr darauf hingewiesen worden, daß die Klägerinnen nicht das Kriterium der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 erfuellten; doch stelle sie insoweit lediglich eine Bestätigung dar. Da die Klägerinnen die Entscheidung, das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 der Fünften Kodex zu eröffnen, nicht fristgerecht angefochten und im Rahmen der Klage nicht den Rechtswidrigkeitseinwand gegen das Kriterium der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 erhoben hätten, könnten sie damit in dieser Rechtssache nicht gehört werden.

65 Die Klägerinnen berufen sich zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklagen auf die Rechtswidrigkeit der Entscheidung vom 12. Dezember 1994. Mit ihrer Unzulässigkeitsrüge streitet ihnen die Kommission die Befugnis dazu deshalb ab, weil sie die Möglichkeit gehabt hätten, sich darauf im Rahmen einer Klage gegen die Entscheidung zur Eröffnung des Prüfungsverfahrens zu berufen. Dazu genügt die Feststellung, daß die Entscheidung 97/258 eigene rechtliche Wirkungen erzeugt, darunter die endgültige Ablehnung der Beihilfe, und daß die Klägerinnen somit eine Klagemöglichkeit gegen diese Entscheidung haben müssen (vgl. analog Urteile des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 5, und vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92, TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833, Randnr. 14) und daß dies die Möglichkeit einschließt, sich zur Stützung einer Nichtigkeitsklage gegen die Entscheidung auf die Rechtswidrigkeit derjenigen Entscheidung zu berufen, auf der sie beruht, und zwar unabhängig davon, ob die Klägerinnen die Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens zur Prüfung der streitigen Beihilfen angefochten haben (Urteil des Gerichts vom 31. März 1998 in der Rechtssache T-129/96, Preussag Stahl/Kommission, Slg. 1998, II-609, Randnr. 31).

66 Demgemäß ist die zweite, gegen den Einwand der Rechtswidrigkeit der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 gerichtete Unzulässigkeitsrüge nicht begründet.

Zur Begründetheit

67 Die Klagegründe beziehen sich teils auf den materiellen Inhalt (I), teils auf die Pflicht zur Begründung (II) der angefochtenen Entscheidungen.

I - Zu den materiellen Klagegründen

Vorbemerkungen

68 Bei der Ausübung der Zuständigkeit für die Entscheidung über Nichtigkeitsklagen gegen Entscheidungen und Empfehlungen der Kommission darf sich nach Artikel 33 Absatz 1 Satz 2 EGKS-Vertrag "[d]ie Nachprüfung durch den Gerichtshof... nicht auf die Würdigung der aus den wirtschaftlichen Tatsachen oder Umständen sich ergebenden Gesamtlage erstrecken, die zu den angefochtenen Entscheidungen oder Empfehlungen geführt hat, es sei denn, daß der Kommission der Vorwurf gemacht wird, sie habe ihr Ermessen mißbraucht oder die Bestimmungen des Vertrags oder irgendeiner bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm offensichtlich verkannt".

69 Diese Begrenzung der Nachprüfungsbefugnis des Gemeinschaftsgerichts gilt auch für die Prüfung von Entscheidungen und Empfehlungen, deren Rechtswidrigkeit durch einen Einwand gemäß Artikel 36 Absatz 3 EGKS-Vertrag geltend gemacht wird. Dieser Bestimmung ist nämlich zu entnehmen, daß eine solche Beanstandung "nach Maßgabe des Artikels 33 Absatz 1" EGKS-Vertrag zu erfolgen hat (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichtshofes vom 18. März 1980 in den Rechtssachen 154/78, 205/78, 206/78, 226/78, 227/78, 228/78, 263/78, 264/78, 31/79, 39/79, 83/79 und 85/79, Ferriera Valsabbia u. a./Kommission, Slg. 1980, 907, Randnr. 10).

70 In dem Begriff der offensichtlichen Verkennung setzt das Wort "offensichtlich" voraus, daß die Verkennung der Bestimmungen des Vertrages einen gewissen Grad hat; sie muß nämlich in einer Beurteilung der der Entscheidung zugrunde gelegten wirtschaftlichen Lage bestehen, die, an den Bestimmungen des Vertrages gemessen, offensichtlich irrig ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 21. März 1955 in der Rechtssache 6/54, Niederlande/Hohe Behörde, Slg. 1954/55, 215, 237, und vom 12. Februar 1960 in den Rechtssachen 15/59 und 29/59, Société métallurgique de Knutange/Hohe Behörde, Slg. 1960, 11, 28, sowie Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 3. Mai 1996 in der Rechtssache C-399/95 R, Deutschland/Kommission, Slg. 1996, I-2441, Randnr. 62).

71 Ermessensmißbräuchlich ist eine Rechtshandlung nach ständiger Rechtsprechung nur dann, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel erlassen worden ist, ein zur Bewältigung der konkreten Situation speziell vorgesehenes Verfahren zu umgehen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. November 1990 in der Rechtssache C-331/88, Fedesa u. a., Slg. 1990, I-4023, Randnr. 24, und Urteil des Gerichts vom 24. September 1996 in der Rechtssache T-57/91, Naloo/Kommission, Slg. 1996, II-1019, Randnr. 327).

Zu den Klagegründen, mit denen die Unanwendbarkeit des EGKS-Vertrags geltend gemacht wird

72 Die Klägerinnen tragen Klagegründe vor, mit denen die Unanwendbarkeit des EGKS-Vertrags im vorliegenden Fall geltend gemacht wird.

A - Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, die Klägerinnen könnten nicht als Kohle- und Stahlunternehmen der EGKS eingestuft werden

73 Moccia und Sidercamuna machen geltend, ein Unternehmen, das die Schließung seiner Anlagen beabsichtige, sei kein Kohle- und Stahlunternehmen der EGKS im Sinne des Artikels 80 EGKS-Vertrag mehr; folglich gelte dieser Vertrag einschließlich des Verbots seines Artikels 4 Buchstabe c für sie nicht.

74 Ein Kohle- und Stahlunternehmen der EGKS, das Schließungsbeihilfen beantragt, behält diese Eigenschaft, solange seine Produktionstätigkeit nicht, gegebenenfalls nach Gewährung der genannten Beihilfen, vollständig und endgültig beendigt ist. Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Klägerinnen, als die Beihilfen beantragt wurden, entweder einer EGKS-Produktionstätigkeit nachgingen oder, soweit eine solche Tätigkeit nicht ausgeuebt wurde, noch keine endgültige Schließung vorgenommen hatten. Die Kommission konnte daher zu Recht davon ausgehen, daß die Klägerinnen EGKS-Unternehmen waren. Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

B - Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, eine Schließungsbeihilfe falle nicht unter das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, da sie den Wettbewerb nicht verfälschen könne

75 Moccia macht im wesentlichen geltend, daß der Fünfte Stahlbeihilfenkodex, der eine auf Artikel 95 EGKS-Vertrag beruhende Ausnahme vom Verbot des Artikels 4 Buchstabe c darstelle, die fundamentalen Grundsätze des Vertrages achten und sich insbesondere auf das beschränken müsse, was zur Verhinderung einer Verfälschung des Wettbewerbs erforderlich sei. Die Schließung eines nicht wettbewerbsfähigen Unternehmens könne aber den Wettbewerb nicht verfälschen. Folglich sei die Schließungsbeihilfe, die einem solchen Unternehmen gewährt werde, nicht verboten und könne daher nicht im Fünften Kodex geregelt sein.

76 Entsprechend trägt Sidercamuna vor, daß die unter solchen Umständen beantragte Schließungsbeihilfe aus den genannten Gründen nicht als Beihilfe im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag eingestuft werden könne. Jedenfalls sei sie, falls diese Einstufung doch zugrunde gelegt werden müsste, nicht verboten.

77 Zur Stützung dieses Klagegrundes bringen die Klägerinnen drei Argumente vor.

78 Moccia vertritt den Standpunkt, daß der Begriff der staatlichen Beihilfe im Sinne des EGKS-Vertrags mit dem des EG-Vertrags übereinstimme, so daß auch nach der Regelung des EGKS-Vertrags eine Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei, wenn es an abträglichen Auswirkungen auf den Wettbewerb fehle.

79 Sidercamuna verweist auf das Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-244/94 (Wirtschaftsvereinigung Stahl u. a./Kommission, Slg. 1997, II-1963), in dessen Randnummer 32 es heisse:

"Nach Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages sind staatliche Beihilfen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl grundsätzlich untersagt, da sie die Verwirklichung der im Vertrag festgelegten wesentlichen Ziele der Gemeinschaft, insbesondere die Einführung eines Systems des freien Wettbewerbs, beeinträchtigen können."

80 Daraus sei abzuleiten, daß eine Beihilfe nur insoweit durch Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag untersagt werde, als sie geeignet sei, sich auf eine Gleichgewichtssituation im Wettbewerb auszuwirken.

81 Sidercamuna bezieht sich ausserdem auf das Urteil des Gerichtshofes vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59 (De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3, insbesondere 44, Absatz 2), das zur Umschreibung des Begriffes der Beihilfe im Sinne des Vertrages auf den Inhalt des Artikels 5 Absatz 2 dritter Gedankenstrich EGKS-Vertrag verweise, der der Gemeinschaft vorschreibe, für Schaffung, Aufrechterhaltung und Beachtung normaler Wettbewerbsbedingungen zu sorgen.

82 Zweck des Artikels 4 EGKS-Vertrag ist, wie vorstehend erwähnt, die Sicherstellung von "Schaffung, Aufrechterhaltung und Beachtung normaler Wettbewerbsbedingungen" (Urteil De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, angeführt in Randnr. 81 dieses Urteils, S. 47). Diese Vorschrift (Buchstabe c) untersagt von den Staaten bewilligte Subventionen oder Beihilfen, "in welcher Form dies auch immer geschieht". Dieser Zusatz fehlt in Artikel 4 Buchstaben a, b und d EGKS-Vertrag und verleiht dem Verbot, auf das er sich bezieht, einen aussergewöhnlich weiten Wirkungsbereich (vgl. Urteil De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, S. 46). Dieses Verbot ist mit aussergewöhnlicher Strenge formuliert, weil es direkte Eingriffe in das Funktionieren des gemeinsamen Kohle- und Stahlmarkts betrifft, von denen angenommnen wird, daß sie als solche den Voraussetzungen für die Schaffung dieses gemeinsamen Marktes zuwiderlaufen. Die Beihilfen gelten deshalb als unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt, ohne daß es erforderlich wäre, nachzuweisen oder auch nur nachzuprüfen, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen gegeben ist oder aufzutreten droht (vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Lagrange in der Rechtssache De Gesamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Kommission, S. 63, 83).

83 Die Regelung des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag unterscheidet sich daher von der des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG). Die erstgenannte Regelung untersagt allgemein und unbedingt jede Beihilfe, da diese ihrem Wesen nach den Voraussetzungen für die Schaffung eines gemeinsamen Kohle- und Stahlmarktes zuwiderläuft. Die zweitgenannte verbietet eine Beihilfe dagegen nur insoweit, als sie durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht.

84 Demgemäß fällt eine Schließungsbeihlfe, die ein Mitgliedstaat einem EGKS-Unternehmen gewährt, unter das Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag, ohne daß eine tatsächliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen festgestellt werden müsste. Der Fünfte Kodex, der eine Ausnahmeregelung zu diesem Verbot enthält, kann daher auf eine solche Beihilfe angewandt werden.

85 Dies wird durch die Urteile Wirtschaftsvereinigung Stahl u. a./Kommission des Gerichts (zitiert in Randnr. 79 dieses Urteils) und das Urteil De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Kommission des Gerichtshofes (angeführt in Randnr. 81 dieses Urteils), auf die sich die Klägerinnen berufen, nicht in Frage gestellt.

86 Zwar wird im Urteil Wirtschaftsvereinigung Stahl u. a./Kommission (zitiert in Randnr. 79 dieses Urteils) ebenso wie in zwei weiteren Urteilen vom gleichen Tag (Urteile des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-239/94, EISA/Kommission, Slg. 1997, II-1839, Randnr. 61, und in der Rechtssache T-234/94, British Steel/Kommission, Slg. 1997, II-1887, Randnr. 40) ausgeführt, daß nach Artikel 4 Buchstabe c des Vertrages staatliche Beihilfen innerhalb der Gemeinschaft grundsätzlich untersagt sind, da sie die Verwirklichung der im Vertrag festgelegten wesentlichen Ziele der Gemeinschaft, insbesondere die Einführung eines Systems des freien Wettbewerbs, beeinträchtigen können. Doch heisst es dort weiter (vgl. Randnr. 33 sowie Urteile EISA/Kommission, Randnr. 62, und British Steel/Kommission, Randnr. 41), daß das Vorhandensein eines solchen Verbotes nicht bedeutet, daß jede staatliche Beihilfe im EGKS-Bereich als mit den Zielen des Vertrages unvereinbar anzusehen wäre.

87 Diese Ausführungen sollten indessen lediglich Grundlage für die Feststellung des Gerichts sein, daß Artikel 4 Buchstaben c EGKS-Vertrag nicht verhindern soll, daß die Gemeinschaftsorgane, die innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Beihilfen ausschließlich zuständig sind, aufgrund des Artikels 95 Absätze 1 und 2 von den Mitgliedstaaten geplante Beihilfen, die mit den Zielen des Vertrages vereinbar sind, ausnahmsweise genehmigen können, um unvorhergesehenen Situationen zu begegnen (Randnrn. 33 f. sowie Urteile EISA/Kommission, Randnrn. 62 f., und British Steel/Kommission, Randnrn. 41 f.).

88 Im Zusammenhang jenes Urteils sollte mit diesen Ausführungen entgegen der Auffassung von Sidercamuna mithin nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß mit den Zielen des Vertrages vereinbare Beihilfen ohne weiteres dem Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag entzogen wären.

89 Zwar ist, wie bereits in Randnummer 82 dieses Urteils bemerkt, im Urteil De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde (angeführt in Randnr. 81 dieses Urteils) entschieden worden, daß Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag den - in Artikel 5 Absatz 2 dritter Gedankenstrich des Vertrages dargelegten - Zweck hat, für die Schaffung, Aufrechterhaltung und Beachtung normaler Wettbewerbsbedingungen zu sorgen (Slg. 1961, S. 44, Absatz 2, und S. 47, Absatz 1).

90 Im Zusammenhang jenes Urteils war dieser Hinweis indessen nicht darauf gerichtet, eine Beschränkung des Geltungsbereichs des Beihilfenverbots zu rechtfertigen, sondern es sollte damit im Gegenteil dessen Ausweitung begründet werden. Denn der Gerichtshof wollte die Auslegung der Begriffe "Subventionen oder Beihilfen" im Sinne von Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag auf die Zahlung eines Teils der Produktionskosten durch eine andere Person als den Käufer oder Verbraucher ausdehnen, da diese Zahlung offensichtlich der Herstellung normaler Wettbewerbsbedingungen entgegenstand. Im gleichen Urteil wurde, wie bereits in Randnummer 82 dieses Urteils ausgeführt, mit Bedacht auf den aussergewöhnlich weiten Wirkungsbereich des in dieser Vorschrift verankerten Verbots hingewiesen. Folglich kommt in dem Hinweis auf Artikel 5 Absatz 2 dritter Gedankenstrich in jenem Urteil keine Beschränkung des Geltungsbereichs des Beihilfenverbots auf den Fall einer - konkret nachgewiesenen - Beeinträchtigung der Wettbewerbsbedingungen zum Ausdruck.

91 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen der Rechtswidrigkeit des Artikels 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Stahlbeihilfenkodex

92 Moccia macht geltend, daß ein gemeinschaftliches Kontrollsystem, das Mißbräuche insbesondere bei Schließung eines Unternehmens verhindern solle, auf die Festlegung von Bedingungen für die Durchführung der entsprechenden Kontrolle zu beschränken sei und nicht unnötig lästige Bedingungen einführen dürfe. Genau dies sei aber im vorliegenden Fall mit der Aufstellung der Voraussetzung geschehen, daß ein wenig wettbewerbsfähiges Unternehmen regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse hergestellt haben müsse.

93 Sidercamuna verweist darauf, daß die Anwendung des Gemeinschaftsrechts nach dem Grundsatz der praktischen Wirksamkeit der Verwirklichung der Ziele des Gemeinschaftsrechts untergeordnet bleiben müsse. Da die Herabsetzung der Produktionskapazität vorrangiger Zweck des Beihilfenprogramms für die Stahlindustrie sei, sei es rechtswidrig, die Verwirklichung dieses Zweckes von Bedingungen abhängig zu machen, die, wie z. B. die Einhaltung eines bestimmten regelmässigen Produktionsniveaus, mit diesem nichts zu tun hätten.

94 Die Kommission hat mit dem Erlaß des Fünften Kodex und der Rat mit seiner Zustimmung dazu für Unternehmen, die ihre Produktion von EGKS-Stahlerzeugnissen endgültig aufgeben, Beihilfen für den Fall genehmigt, daß die begünstigten Unternehmen bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der Beihilfen regelmässig EGKS-Erzeugnisse produziert haben. Ihr Ziel war es, wie den angefochtenen Entscheidungen zu entnehmen ist (vgl. Randnr. 21 dieses Urteils), eine Schließungsbeihilfe nur Unternehmen mit einer bedeutsamen Produktionskapazität zukommen zu lassen. Sie sahen es indessen weder für notwendig noch für angemessen an, eine Ausnahme vom allgemeinen Verbot des Artikels 4 EGKS-Vertrag für Unternehmen zuzulassen, die keine regelmässige Produktion aufweisen, da deren Schließung keine spürbare Auswirkung auf den Markt hätte.

95 Gemäß Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag ist aber jede Beihilfe von Mitgliedstaaten für die Stahlindustrie, in welcher Form auch immer sie gewährt wird, verboten. Ausnahmen von diesem Verbot, wie der aufgrund des Artikels 95 EGKS-Vertrag erlassene Fünfte Kodex, sind eng auszulegen (vgl. Urteil des Gerichts vom 25. September 1997 in der Rechtssache T-150/95, UK Steel Association/Kommission, Slg. 1997, II-1433, Randnr. 114).

96 Folglich hat die Kommission in Anbetracht der Allgemeinheit des Verbots in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag sowie des Ausnahmecharakters und der abschließenden Natur der vorgesehenen Ausnahmen bei der Ausübung ihres Ermessens ohne offensichtlichen Rechtsverstoß oder Ermessensmißbrauch davon ausgehen dürfen, daß eine Schließungsbeihilfe spürbare Auswirkungen auf den Markt haben müsse und deshalb nur Unternehmen gewährt werden dürfe, die zwar weniger wettbewerbsfähig sind, gleichwohl aber eine regelmässige Produktion aufweisen.

97 Diese Klagegründe sind daher zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen, mit denen die Auslegung des Erfordernisses einer regelmässigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex durch die Kommission gerügt wird

98 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 zwar die mit dem Gesetz Nr. 481/94 getroffene Beihilferegelung grundsätzlich genehmigte, alle konkreten Gewährungen aber von einer vorherigen Anmeldung abhängig machte und darauf hinwies, daß sie in jedem Fall ihre Genehmigung nur bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen erteilen werde. Als eine dieser Voraussetzungen wurde die der Regelmässigkeit der Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex dort von der Kommission dahin ausgelegt, daß ein Unternehmen, um die Beihilfe erhalten zu können, "im Jahr 1993 und bis zur Anmeldung des Decreto-legge Nr. 103 vom Februar 1994 bei der Kommission durchschnittlich mindestens eine Schicht oder acht Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche produziert haben" müsse.

99 Dieses Kriterium beruht auf der objektiven Feststellung, daß die Stahlproduktion aus technischen Gründen in einem kontinuierlichen Zyklus verläuft, im allgemeinen auf der Grundlage von drei Achtstundenschichten täglich an sieben Tagen in der Woche, also während 168 Stunden je Woche. Die nach diesem Kriterium erforderliche Mindestproduktion beläuft sich auf 40 Stunden je Woche, also ungefähr ein Viertel oder 25 % der höchstmöglichen Produktion (oder Produktionskapazität). Die Kommission vergleicht in den angefochtenen Entscheidungen bei jeder Klägerin die erklärte höchstmögliche Produktion mit der effektiven Produktion während des Bezugszeitraums (von Januar 1993 bis Februar 1994) und gibt dieses Verhältnis in Prozenten wieder. Das erforderliche Mindestniveau entspricht einer effektiven Produktion von 25 % der höchstmöglichen Produktion.

100 Auf jeden Fall hat die Kommission in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 den italienischen Behörden die Möglichkeit vorbehalten, anhand anderer objektiver Kriterien nachzuweisen, daß das Stahlunternehmen eine regelmässige Produktion aufrechterhalten hat. Die Kommission hat nämlich in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 hinzugefügt, daß die italienischen Behörden "anhand objektiver Kriterien nachweisen dürfen, daß ein Unternehmen, das diese Voraussetzung nicht erfuellt, regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert hat".

101 Ferner hat die Kommission ihre Festlegung des Hauptkriteriums und der Möglichkeit alternativer objektiver Kriterien in enger Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden getroffen, an die die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 gerichtet war. In dem Schreiben des Ministers für Industrie, Handel und Handwerk vom 5. Oktober 1994 an die Kommission heisst es nämlich: "Es wäre vernünftig, der Anregung der Kommission zu folgen, wonach eine regelmässige Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 des Beihilfenkodex bedeutet, daß ein Unternehmen, das Schließungsbeihilfen erhält, im Laufe des Jahres 1993 mit durchschnittlich einer Schicht täglich produziert haben muß. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Kommission damit einverstanden ist, daß auch anhand anderer objektiver Modalitäten nachgewiesen werden kann, daß ein Unternehmen, das das vorgenannte Kriterium nicht ganz erfuellt, gleichwohl zum Zeitpunkt der Anmeldung eine regelmässige Produktion aufgewiesen hat."

102 Demgemäß hat die Kommission, als sie in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 zum einen ein Hauptkriterium, das die Vermutung einer regelmässigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 des Fünften Kodex begründet, sowie zum anderen die Möglichkeit vorgesehen hat, diesen Nachweis durch andere objektive Kriterien zu erbringen, damit nicht ihr Ermessen mißbraucht oder Bestimmungen des Vertrages oder eine Vorschrift zu seiner Durchführung offensichtlich verkannt.

103 Zum Nachweis eines solchen Ermessensmißbrauchs oder eines solchen Rechtsverstosses seitens der Kommission bei der Anwendung des Hauptkriteriums auf ihre konkrete Situation machen die Klägerinnen gleichwohl Klagegründe geltend, mit denen sie im wesentlichen zum einen die Wahl des Hauptkriteriums und zum anderen die Weigerung der Kommission rügen, andere objektive Kriterien zu berücksichtigen.

A - Zu den Klagegründen, mit denen die Wahl des Kriteriums einer Mindestproduktion von acht Stunden pro Tag an fünf Tagen in der Woche gerügt wird

104 Die Klägerinnen rügen zum einen die Umstände, unter denen das Kriterium angewandt wurde, und zum anderen dessen Inhalt.

1. Zu den Klagegründen, mit denen die Umstände beanstandet werden, unter denen das Kriterium angewandt wurde

105 Moccia macht als Klagegrund die Verletzung der Grundsätze der Publizität und der Nichtrückwirkung von Rechtsnormen geltend.

106 Sie legt im wesentlichen dar, daß das betreffende Kriterium ein Rechtssatz sei, der zum ersten Mal in der Entscheidung 96/678 zur Anwendung gelangt sei. Er werde aber auf Tatsachen angewandt, die sich zwischen Januar 1993 und Februar 1994 zugetragen hätten. Somit sei der Grundsatz der Nichtrückwirkung von Rechtsnormen verletzt worden.

107 Dieser Rechtssatz sei vor seiner Anwendung nicht veröffentlicht worden. Daher sei auch der Grundsatz der Publizität von Rechtsnormen verletzt worden.

108 Mit diesem Klagegrund wird beanstandet, daß das in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegte Kriterium für die Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex die Produktion für einen zum Zeitpunkt der Festlegung und Anwendung des Kriteriums bereits abgelaufen Zeitraum, d. h. für die Zeit bis zur Anmeldung der italienischen Beihilferegelung bei der Kommission im Februar 1994, berücksichtigt.

109 Diese Festlegung des Zeitraums für die Prüfung der Produktion stellt aber lediglich eine Anwendung des Artikels 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex dar, wonach Schließungsbeihilfen nur dann als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden können, wenn das Unternehmen, das die Beihilfe beantragt, "bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der betreffenden Beihilfen" regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert hat.

110 Der Fünfte Stahlbeihilfenkodex ist im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 31. Dezember 1991 veröffentlicht worden. Er ist nach seinem Artikel 9 am 1. Januar 1992 in Kraft getreten.

111 Der Produktionszeitraum, der in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 für die Unternehmen, die Schließungsbeihilfen nach dem Gesetz Nr. 481/94 beanspruchten, berücksichtigt wurde, begann im Januar 1993 und endete im Februar 1994. Er liegt damit später als die Veröffentlichung und das Inkrafttreten des Fünften Kodex, mit dem die betreffende Prüfungsmodalität festgelegt wurde.

112 Diese Klagegründe sind daher zurückzuweisen.

2. Zu den Klagegründen, mit denen der Inhalt des Kriteriums gerügt wird

113 Die Klägerinnen beanstanden den Inhalt des in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegten Kriteriums unter drei Gesichtspunkten. Erstens verhindere das Kriterium dadurch, daß es eine objektiv hohe Produktion verlange, daß die Beihilfe weniger wetttbewerbsfähigen Unternehmen zugute kommen könne. Zweitens sei der festgelegte Bezugszeitraum unzureichend, und drittens stelle die höchstmögliche Produktion einen willkürlichen Parameter dar.

a) Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, das Kriterium verhindere dadurch, daß es eine objektiv hohe Produktion verlange, daß die Beihilfe weniger wetttbewerbsfähigen Unternehmen zugute kommen könne

114 Moccia und Lamifer tragen vor, daß nach Abschnitt I Absatz 4 der Begründungserwägungen des Fünften Kodex Schließungsbeihilfen den am wenigsten wettbewerbsfähigen Unternehmen zugute kommen sollten. Die Kommission habe aber bei der Auslegung des Kriteriums der Regelmässigkeit der Produktion für die Unternehmen, die solche Beihilfen beantragt hätten, objektiv hohe Produktionsniveaus gefordert. Damit habe sie nicht berücksichtigt, daß Schließungsbeihilfen für weniger wettwerbsfähige Unternehmen bestimmt seien.

115 Abschnitt I Absatz 4 der Begründungserwägungen des Fünften Kodex, auf den sich die Klägerinnen berufen, soll die Grundsätze zusammenfassen, die für die Entscheidungen Nr. 3484/85/EGKS der Kommission vom 27. November 1985 und Nr. 322/89/EGKS der Kommission vom 1. Februar 1989 zur Einführung von gemeinschaftlichen Regeln über Beihilfen zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie, den Dritten und den Vierten Stahlbeihilfenkodex, maßgebend gewesen waren. Er soll nicht die im Fünften Kodex vorgesehenen Schließungsbeihilfen speziell begründen. Da indessen der Fünfte Kodex die früheren, bereits abgelaufenen Kodizes ersetzen sollte und sich in keinem spezifischen Begründungspunkt ausdrücklich von den genannten Grundsätzen abwendet, kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese auch für den Fünften Kodex gelten. Dieses Verständnis wird dadurch bestätigt, daß der Sechste Stahlbeihilfenkodex in seiner dritten Begründungserwägung eine ähnliche Begründung enthält, die auf den Fünften Kodex verweist, um den es hier geht.

116 Diese Begründung muß indessen notwendig im Zusammenhang mit dem Wortlaut des Fünften Kodex und insbesondere mit dessen Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich gesehen werden, der bei Unternehmen, die eine Schließungsbeihilfe beantragen, eine regelmässige Produktion verlangt. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hatte mithin nicht die Absicht, sich unterschiedslos auf die Gruppe der weniger wettbewerbsfähigen Unternehmen zu beziehen, sondern nur auf die Unternehmen innerhalb dieser Gruppe, die eine "regelmässige Produktion" aufwiesen. Die Kommission hat daher, wie bereits ausgeführt (vgl. Randnrn. 94 bis 96 dieses Urteils), mit der Begrenzung der fraglichen Beihilfe auf Unternehmen, deren Schließung eine spürbare Auswirkung auf den Markt hätte, keinen offensichtlichen Fehler begangen.

117 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

b) Zu den Klagegründen, mit denen die Ungeeignetheit des Bezugszeitraums geltend gemacht wird

118 Casilina, Dora und Lamifer tragen vor, daß der Beginn des Bezugszeitraums für eine regelmässige Produktion auf den 1. Januar 1991 hätte festgelegt werden müssen und daß die unzureichende Dauer des Bezugszeitraums nicht die Feststellung zulasse, ob die Marktpräsenz eines Unternehmens spürbar sei.

- Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß der Beginn des Bezugszeitraums für eine regelmässige Produktion auf den 1. Januar 1991 hätte festgelegt werden müssen

119 Die Klägerinnen machen geltend, daß der Beginn des Bezugszeitraums für eine regelmässige Produktion auf den 1. Januar 1991 hätte festgelegt werden müssen, weil dieser Zeitpunkt in Artikel 4 Absatz 2 erster und dritter Gedankenstrich des Fünften Kodex genannt sei.

120 Die Voraussetzungen, unter denen eine Schließungsbeihilfe für ein Unternehmen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden kann, sind in Artikel 4 Absatz 2 des Fünften Kodex geregelt.

121 Nach dem ersten Gedankenstrich dieser Vorschrift muß das Unternehmen seine Rechtspersönlichkeit "vor dem 1. Januar 1991" erlangt haben. Im zweiten Gedankenstrich wird die Voraussetzung der regelmässigen Produktion von EGKS-Stahlerzeugnissen "bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der betreffenden Beihilfen" aufgestellt. Im dritten Gedankenstrich wird festgelegt, daß Produktions- und Anlagenstruktur des Unternehmen sich "seit dem 1. Januar 1991" nicht geändert haben darf.

122 Dieser Auflistung ist zu entnehmen, daß diese drei Voraussetzungen jeweils eine zeitliche Begrenzung aufweisen. Die drei Begrenzungen unterscheiden sich voneinander, denn die jeweilige Voraussetzung muß vor dem 1. Januar 1991, nach dem 1. Januar 1991 oder vor dem Zeitpunkt der Anmeldung erfuellt sein. Allein vom Wortlaut her kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzung in Absatz 2 zweiter Gedankenstrich weniger vollständig ist als die beiden anderen Voraussetzungen oder einer Ergänzung durch Verweisung auf diese bedürfte.

123 Ferner enthält zwar Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex keinen Zeitpunkt, zu dem die Regelmässigkeit der Produktion zu bemessen wäre. Wenn der Gemeinschaftsgesetzgeber aber hätte festlegen wollen, daß diese Voraussetzung zum 1. Januar 1991 zu prüfen gewesen wäre, so ist kaum vorstellbar, daß er dies vergessen hätte, zumal der genannte Tag dem Inkrafttreten des Fünften Kodex vorausging.

124 Schließlich weist die Kommission zu Recht darauf hin, daß die Zwecke des ersten und des dritten Gedankenstrichs des Artikels 4 Absatz 2 einerseits und die des zweiten Gedankenstrichs dieser Bestimmung andererseits unterschiedlich sind. Die beiden erstgenannten Regelungen sollen offensichtlich etwaigen Umgehungen vorbeugen, indem sie verhindern, daß Interessierte zu dem alleinigen Zweck, in den Genuß der Beihilfe zu kommen, eine Gesellschaft gründen, die Struktur ihrer Produktion ausdehnen oder ihre Anlagen erweitern. Demgegenüber ist es nicht der Hauptzweck der in Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich geregelten Voraussetzung, eine Umgehung zu verhindern. Es stellt nämlich keine Umgehung dar, wenn ein Unternehmen, das gemäß Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich des Fünften Kodex bereits vor dem 1. Januar 1991 und damit vor Erlaß des Fünften Kodex gegründet ist, Schließungsbeihilfen beantragt, obwohl es keine regelmässige Produktion mehr aufweist. Zweck des Erfordernisses einer regelmässigen Produktion ist es vielmehr sicherzustellen, daß die Gewährung von Schließungsbeihilfen zu einer spürbaren Herabsetzung der Produktion führt, was voraussetzt, daß diese Beihilfen nur Unternehmen gezahlt werden, die zum Zeitpunkt ihrer Schließung ein Produktionsniveau von einiger Bedeutung aufweisen.

125 Zwar stellt die Verhinderung der Gesetzesumgehung insofern einen Zusatzaspekt des Erfordernisses dar, daß diese Voraussetzung bis zur Anmeldung der Beihilfe, also zu einem bereits abgelaufenen und daher unverdächtigen Zeitpunkt, erfuellt sein muß, als so jede Erhöhung der Produktion zu dem Zweck, das Kriterium der regelmässigen Produktion zu erfuellen, verhindert wird. Dieses Erfordernis, das nur die Modalitäten für die Prüfung der entsprechenden Voraussetzung betrifft, hat dagegen mit deren Zweck nichts zu tun.

126 Es gibt folglich keinen zwingenden Grund für die Annahme, daß die in Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex festgelegte Regelmässigkeit der Produktion deshalb zum 1. Januar 1991 zu beurteilen wäre, weil dieser Zeitpunkt in Artikel 4 Absatz 2 erster und dritter Gedankenstrich genannt ist.

127 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

- Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß die unzureichende Dauer des Bezugszeitraums nicht die Feststellung zulasse, ob die Marktpräsenz eines Unternehmens spürbar sei

128 Die Klägerinnen verweisen darauf, daß es Zweck des betreffenden Kriteriums sei, nur den Unternehmen Beihilfen zukommen zu lassen, deren Präsenz auf dem Stahlmarkt spürbar sei. Die Marktpräsenz eines Unternehmens könne aber nicht bezueglich eines wie im vorliegenden Fall objektiv kurzen Zeitraums korrekt beurteilt werden. Denn sie sei dann spürbar, wenn das Unternehmen auf Dauer einen bestimmten Marktanteil habe, d. h. einen dynamisch zu verstehenden Marktanteil, der nicht willkürlich nur auf ein Jahr bezogen werde. Die Klägerinnen verweisen im Wege der Analogie auf die Entscheidung 89/467/EWG der Kommission vom 12. Juli 1989 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/30.566 - UIP) (ABl. L 226, S. 25), in der anerkannt worden sei, daß die beträchtlichen Schwankungen der Marktanteile der Vertriebshändler von einem Jahr zum anderen nicht notwendig deren wirtschaftliche Präsenz auf dem Markt widerspiegelten, die vielmehr in dynamischer Perspektive zu sehen sei.

129 Die Kommission weist darauf hin, daß der Fünfte Kodex nicht festlege, von welchem Zeitpunkt ab die Voraussetzung der regelmässigen Produktion zu beurteilen sei. Es sei daher ihre Aufgabe gewesen, den Beginn für diese Beurteilung und damit den zu berücksichtigenden Bezugszeitraum festzulegen. Sie habe dieses Problem unter Berücksichtigung des Zweckes dieser Vorschrift gelöst, daß Schließungsbeihilfen eine spürbare Auswirkung auf den Markt haben sollten. Um dies zu erreichen, habe zum einen ein Zeitraum festgelegt werden müssen, der so nahe wie möglich beim Zeitpunkt der Anmeldung der allgemeinen Regelung gelegen habe, damit die Beihilfen nur solchen Unternehmen gewährt würden, die zu diesem Zeitpunkt wirklich aktiv gewesen seien. Zum anderen habe dieser Zeitraum so lange sein müssen, daß man habe prüfen können, ob die Marktpräsenz des betreffenden Unternehmens als hinreichend spürbar angesehen werden könne. Sie habe es für angemessen gehalten, als Bezugszeitraum den zwischen dem Beginn des Jahres vor der Anmeldung der allgemeinen Regelung und der Anmeldung festzulegen.

130 Im Einklang mit der Kommission ist festzustellen, daß für den Fall, daß Unternehmen, die 1993 und im Januar und Februar 1994 nicht auf dem Markt vertreten waren, aber im Zweijahreszeitraums 1991/92 eine ausreichende Produktion aufwiesen, die betreffenden Beihilfen hätten erhalten können, die Herabsetzung der Produktion infolge ihrer Schließung rein virtüll oder jedenfalls erheblich geringer gewesen wäre. Auch wäre man ebenfalls zu einem den verfolgten Zielen widersprechenden Ergebnis gelangt, wenn Unternehmen, die 1993 eine spürbare Marktpräsenz gezeigt hätten, im Zeitraum 1991/92 aber unzureichend aktiv gewesen wären, von der Beihilfe ausgeschlossen worden wären.

131 Ausserdem konnten im vorliegenden Fall nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben der Kommission 33 der 43 italienischen Stahlunternehmen, die dies beantragt hatten, Schließungsbeihilfen für eine effektive Verringerung der Warmbandproduktion von über 5 Mio. t bewilligt werden, wobei diese Menge den Zielen entspricht, die sich die italienische Regierung im Rahmen der betreffenden Beihilfegewährung gesteckt haben soll. Folglich hat die Festlegung des Bezugszeitraums für die Beurteilung der Regelmässigkeit der Produktion seitens der Kommission nicht nur eine ordnungsgemässe Beurteilung der Marktpräsenz des zu schließenden Unternehmens, sondern auch die konkrete Verwirklichung der von der italienischen Regierung festgelegten Ziele der Produktionsverminderung möglich gemacht.

132 Auch das Vorbringen der Klägerinnen in Zusammenhang mit der Entscheidung 89/467/EWG der Kommission vom 12. Juli 1989 kann keine Berücksichtigung finden. Die Kommission hat in dieser nach Artikel 85 EWG-Vertrag erlassenen Entscheidung anerkannt, daß die beträchtlichen Schwankungen der Marktanteile der Vertriebshändler von einem Jahr zum anderen nicht notwendig deren wirtschaftliche Präsenz auf dem Markt widerspiegelten, die vielmehr in dynamischer Perspektive zu sehen sei. Mit der Kommission braucht hierzu nur darauf hingewiesen zu werden, daß es unangebracht ist, im vorliegenden Fall auf diese Entscheidung abzustellen, die im Bereich des Filmvertriebs ergangen ist. In jenem Fall ging es darum, im Hinblick darauf, daß möglicherweise der Wettbewerb für einen beträchtlichen Teil der fraglichen Erzeugnisse beseitigt würde, die Wirtschaftsmacht von Unternehmen, die auf dem Markt bleiben sollten, zu beurteilen und insbesondere die Auswirkungen der zwischen ihnen getroffenen Vereinbarung zu ermitteln. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um die Beurteilung der Marktpräsenz eines Stahlunternehmens im Hinblick auf seine endgültige Schließung und damit nach Maßgabe der möglicherweise durch diese bewirkten Reduzierung der Produktion. Die Wirkung dieser Schließung auf die Gesamtproduktion von Stahlerzeugnissen ist aber um so spürbarer, je mehr das Unternehmen während eines Zeitraums, der der Schließung so nahe wie möglich liegt, produziert hat.

133 Es ist mithin nicht belegt, daß die Kommission mit der Festlegung des Zeitraums, für den die Regelmässigkeit der Produktion zu beurteilen ist, die Vorschriften des Vertrages oder irgendeine bei seiner Durchführung anzuwendende Rechtsnorm offensichtlich verletzt oder einen Ermessensmißbrauch begangen hat.

134 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

c) Zu den Klagegründen, mit denen die Wahl der höchstmöglichen Produktion als Parameter für die Berechnung der regelmässigen Produktion beanstandet wird

135 Casalina, Dora und Lamifer beanstanden, daß sich das von der Kommission in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 erarbeitete Kriterium an der höchstmöglichen Produktion ausrichte. Bezugskriterium müsse nämlich die effektive reale Produktion sein. Auch sei der Rückgriff auf die höchstmögliche Produktion bei den Walzwerken anders als bei den Stahlwerken nicht geeignet, um die Produktion zu ermitteln.

- Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß die Regelmässigkeit der Produktion anhand der effektiven realen Produktion beurteilt werden müsse

136 Die Klägerinnen sind der Auffassung, daß die Heranziehung des Begriffes der höchstmöglichen Produktion willkürlich sei. Der im Fünften Kodex verwendete Ausdruck "Regelmässigkeit" der Produktion beziehe sich auf eine Produktionstätigkeit, die der von dem Unternehmen historisch entfalteten Produktionstätigkeit entspreche. Eine Produktion könne als eine regelmässige betrachtet werden, wenn sie sich nicht verhältnismässig stark von der Tendenz entferne, die in den voraufgegangenen und den folgenden Jahren zu beobachten gewesen sei. Dieser Faktor könne nur aufgrund tatsächlicher Gegebenheiten, nämlich der in den Vorjahren verwirklichten Produktion, beurteilt werden, nicht aber aufgrund theoretischer, potentieller Daten, wie etwa der Produktionskapazität.

137 Unter Bezugnahme auf das berechtigte Vorbringen der Kommission ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex das Ermessen der Kommission bezueglich der Auswahl des Parameters dafür, ob die Voraussetzung der regelmässigen Produktion tatsächlich erfuellt ist, nicht begrenzt. Eine solche Begrenzung kann sich nur daraus ergeben, daß geeignete Parameter festzulegen sind, die sich dazu eignen, die Verwirklichung des Zweckes der betreffenden Bestimmung einer effektiven Reduzierung der Produktion sicherzustellen.

138 Statt nun darzulegen, wieso das von der Kommission herangezogene Kriterium offensichtlich gegen die Bestimmungen des Fünften Kodex verstösst oder dessen Zwecken zuwiderläuft, begnügen sich die Klägerinnen mit dem Vorschlag eines alternativen Kriteriums. Bei diesem Kriterium, d. h. der effektiven Produktion des Unternehmens und deren Regelmässigkeit von einem Jahr zum anderen, bleibt indessen die Produktion, die das Unternehmen zu verwirklichen vermag, sowie das Verhältnis zwischen Produktionskapazität und effektiver Produktion ausser acht. Aufgrund dieses Kriteriums könnte eine Schließungsbeihilfe an ein Unternehmen gezahlt werden, dessen effektive und auch regelmässige Produktion nur einen geringen Bruchteil seiner Produktionskapazität ausmachte. Eine solche Auslegung hätte folglich im Gegensatz zu dem von der Kommission gewählten Kriterium dazu geführt, daß nicht eine rasche und gewichtige Verminderung der effektiven Produktion, sondern nur eine Herabsetzung der Produktionskapazität gewährleistet gewesen wäre. Wenn man gemäß dem Vorschlag der Klägerinnen die blosse Kontinuität des Produktionsstandards eines Unternehmens während eines gegebenen Zeitraums berücksichtigen würde, so käme der Vorteil der Beihilfen, wie die Kommission zu Recht bemerkt, im übrigen letztlich sogar Unternehmen zugute, die sich zwar in einer unumkehrbaren Krisenlage befanden, es aber gleichwohl vermochten, einige Jahre lang auf einem durchaus marginalen und damit für die Verwirklichung der mit diesen Beihilfen verfolgten Ziele nicht erheblichen Produktionsniveau auf dem Markt zu überleben. Da es der Zweck des Beihilfenkodex ist, über Schließungsbeihilfen eine spürbare Verringerung der Produktion zu erreichen, wäre dieses Kriterium offensichtlich weniger zur Verwirklichung dieses Zweckes geeignet als das von der Kommission festgelegte.

139 Folglich ist nicht belegt, daß die Kommission mit der Heranziehung des Kriteriums der höchstmöglichen Produktion die Vorschriften des Vertrages oder eine bei seiner Durchführung anzuwendende Rechtsnorm offensichtlich verletzt oder einen Ermessensmißbrauch begangen hat.

- Zum Klagegrund der Ungeeignetheit der höchstmöglichen Produktion als Kriterium für die Beurteilung der Produktion der Walzwerke

140 Die Klägerinnen sind der Auffassung, daß die höchstmögliche Produktion bei den Walzwerken anders als bei den Stahlwerken nicht geeignet sei, um die Produktion zu ermitteln. Dieser Begriff beruhe, so wie er im vorliegenden Fall von der Kommission verwandt worden sei, auf der Annahme einer Organisation der Produktion in drei Schichten, also einer Produktion von dreimal acht Stunden täglich. Dies seien in der Tat aus technischen Gründen die Produktionsbedingungen in den Stahlwerken. Demgegenüber seien die Walzwerke üblicherweise auf der Grundlage einer einzigen Schicht organisiert, also mit einer Produktion von acht Stunden täglich.

141 Die Behauptung der Klägerinnen, die Produktion der Walzwerke sei grundsätzlich auf der Grundlage einer einzigen Schicht organisiert, wird von der Kommission ausdrücklich bestritten. Diese trägt vor, daß Walzwerke normalerweise insbesondere aus Gründen der Effizienz des Wärmekreislaufs, d. h., um den bei einer Abkühlung des Ofens erforderlichen enormen Gasverbrauch zu vermeiden, in drei Schichten arbeiteten. Auch dem von Lamifer zu den Akten gereichten technischen Gutachten des Ingenieurs Renzo Dusi vom 16. Januar 1996 lässt sich entnehmen, daß die Beschränkung der Produktion von Lamifer auf Samstage und Sonntage im Jahr 1993 infolge der sehr geringen Effizienz des Wärmekreislaufs zu einer enormen Steigerung des Methanverbrauchs geführt hat. Es deutet somit einiges darauf hin, daß eine Organisation der Produktion auf einer anderen Grundlage als der von drei Schichten täglich auch für Walzwerke kein optimales Niveau darstellt.

142 Folglich ist die Behauptung der Klägerinnen, die sich auch auf keinen den Akten zu entnehmenden objektiven Gesichtspunkt stützen kann, nicht bewiesen.

143 Schließlich bietet der Parameter der auf der Grundlage von drei Schichten berechneten höchstmöglichen Produktion auch, wie die Kommission zu Recht bemerkt hat, den Vorzug, objektiv zu sein sowie allgemein und einheitlich auf alle Eisen- und Stahlunternehmen angewandt werden zu können.

144 Schließlich ermöglichte das streitige Kriterium, wie bereits in Randnummer 131 dieses Urteils dargelegt, nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Kommission eine effektive Reduzierung der Warmbandproduktion von über 5 Mio. t und die Verwirklichung der Ziele der italienischen Regierung. Das Kriterium hat daher offensichtlich der Gewährung von Schließungsbeihilfen an Walzwerke unter annehmbaren Bedingungen nicht im Wege gestanden.

145 Folglich ist nicht bewiesen, daß die Kommission mit ihrer Entscheidung, daß die höchstmögliche Produktion auch bei Walzwerken auf der Grundlage dreier Schichten zu berechnen sei, die Vorschriften des Vertrages oder eine bei seiner Durchführung anzuwendende Rechtsnorm offensichtlich verletzt oder einen Ermessensmißbrauch begangen hat.

146 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

B - Zu den Klagegründen, mit denen die Weigerung der Kommission gerügt wird, andere objektive Kriterien zu berücksichtigen

147 Moccia, Prolafer und Sidercamuna rügen, daß die Voraussetzung der regelmässigen Produktion im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex so ausgelegt worden sei, daß sie Unternehmen ausschließe, die zwar keine ausreichende effektive Produktion aufgewiesen hätten, gleichwohl aber produktionsfähig gewesen seien.

148 Die Klägerinnen machen erstens geltend, daß die Ablehnung des Kriteriums der Produktionsfähigkeit gegen den Zweck des Fünften Kodex verstossen habe, die Produktionskapazität herabzusetzen. Zweitens sei dieses Kriterium bereits in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 gebilligt worden. Drittens sei in den angefochtenen Entscheidungen zu Unrecht der Standpunkt der italienischen Regierung zurückgewiesen worden, wegen des Vorliegens einer schweren Krise des italienischen Marktes sei die Heranziehung dieses Kriteriums gerechtfertigt. Viertens hätten die angefochtenen Entscheidungen bei der Ablehnung dieses Kriteriums nicht die besondere Situation von Moccia, Prosafer, Lamifer und Sidercamuna berücksichtigt, auf die diese sich hätten berufen können.

1. Zu den Klagegründen eines Verstosses gegen den Zweck des Fünften Stahlbeihilfenkodex durch Ablehnung des Kriteriums der Produktionsfähigkeit

149 Sidercamuna macht geltend, die Ablehnung der Schließungsbeihilfe gegenüber Stahlunternehmen, die zwar nicht regelmässig produziert hätten, aber produktionsfähig gewesen seien, verstosse gegen Artikel 4 des Fünften Kodex. Zweck dieser Bestimmung sei nämlich die Beseitigung überschüssiger Produktionskapazitäten. Dieser Zweck werde aber nicht erreicht, wenn die genannte Kategorie von Unternehmen von der Beihilfegewährung ausgeschlossen werde. Es lasse sich insbesondere nicht ausschließen, daß diese Unternehmen ihre Produktionsanlagen später an andere noch aktive Unternehmen verkauften, damit auf den Markt zurückkehrten und langfristig die Produktionskapazitäten erhöhten.

150 Ausserdem hätte die Gewährung von Beihilfen an diese Kategorie von Unternehmen eine zwar weniger gut vorhersehbare, aber doch wichtigere Wirkung gehabt als die Beihilfegewährung allein an die Unternehmen, die das in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 und in Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex festgelegte Kriterium erfuellt hätten. Die Kommission habe damit eine Entscheidung getroffen, die in offenem Widerspruch zur praktischen Wirksamkeit stehe.

151 Mithin habe die Kommission in ihren Entscheidungen vom 12. Dezember 1994 und 97/258 nicht nur einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Ermessensmißbrauch begangen, sondern zugleich von ihrer Auslegungsbefugnis einen anderen als den nach dem Vertrag und dem Fünften Kodex angemessenen Gebrauch gemacht.

152 Moccia ist ebenfalls der Meinung, daß die Kommission einen Ermessensmißbrauch begangen habe, weil sie Schließungsbeihilfen für Unternehmen, die wie sie wegen der Marktkrise mit der Produktion hätten aussetzen müssen, abgelehnt habe.

153 Gemäß Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag sind staatliche Beihilfen untersagt. Da das Verbot von Beihilfen die Regel ist und der Fünfte Kodex lediglich eine Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt, ist er eng auszulegen (vgl. Urteil UK Steel Association/Kommission, angeführt in Randnr. 95 dieses Urteils, Randnr. 114). Folglich ist Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex, der eine regelmässige Erzeugung von EGKS-Produkten verlangt, wenn ein Unternehmen eine Schließungsbeihilfe beantragt, um so strenger auszulegen.

154 Diese Voraussetzung belegt, daß es nicht Zweck des Fünften Kodex ist, die Schließung irgendwelcher Unternehmen zu fördern und damit irgendeine Verringerung der Produktionskapazität zu erreichen. Sein Zweck besteht vielmehr darin, nur die Beihilfegewährung an Unternehmen zuzulassen, die spürbar auf dem Markt vertreten sind und deren Schließung zu einer Verringerung der effektiven Stahlerzeugung führt.

155 Mit der Festlegung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion, wie sie Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Stahlbeihilfenkodex vorsieht, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber daher die praktische Wirksamkeit der Schließungsbeihilfen verstärken und, wie die Kommission zu Recht bemerkt, sicherstellen wollen, daß diese hinreichend spürbare Auswirkungen im Hinblick nicht nur auf den Abbruch von Anlagen, sondern auch in bezug auf die Herabsetzung des derzeitigen Produktionsniveaus haben.

156 Dieses Ziel wurde auch erreicht, da es die von der Kommission zugrunde gelegte Auslegung, wie oben in den Randnummern 131 und 144 ausgeführt, ermöglichte, 33 der 43 italienischen Stahlunternehmen, die dies beantragt hatten, Schließungsbeihilfen für eine effektive Verringerung der Warmbandproduktion von über 5 Mio. t zu gewähren.

157 Demgegenüber wäre mit dem von den Klägerinnen alternativ vorgeschlagenen Parameter, der einfachen Produktionsfähigkeit, die genannte Voraussetzung offensichtlich verfehlt sowie die effektive und damit auch regelmässige Produktion ausser acht gelassen worden. Ausserdem wäre damit, worauf die Kommission zu Recht hingewiesen hat, unweigerlich die praktischen Wirksamkeit des verfolgten Zieles aufgehoben oder zumindest spürbar beeinträchtigt worden. Auf dieser Grundlage hätten die Beihilfen nämlich auch Unternehmen gewährt werden können, deren Anlagen nicht mehr in Betrieb waren. Das verfolgte Ziel konnte jedoch nur erreicht werden, wenn die Beihilfen Unternehmen gewährt werden konnten, die noch ausreichend aktiv am Markt waren.

158 Folglich hat die Kommission mit der Ablehnung des Kriteriums der Produktionsfähigkeit weder die Vorschriften des Vertrages oder eine bei seiner Durchführung anzuwendende Rechtsnorm offensichtlich verletzt noch einen Ermessensmißbrauch begangen.

2. Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe in ihrer Entscheidung 97/258 das Kriterium der Produktionsfähigkeit nicht ablehnen dürfen, während sie es mit ihrer Genehmigung der italienischen Regelung durch die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 bereits gebilligt habe

159 Sidercamuna trägt vor, die Kommission setze sich mit ihrer Weigerung, Unternehmen, die lediglich produktionsfähig seien, Schließungsbeihilfen zukommen zu lassen, in Widerspruch zu ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994, das Gesetz Nr. 481/94 und die Durchführungsverordnung, auf deren Grundlage die betreffenden Beihilfen beantragt wurden, zu genehmigen, und sie verstosse daher gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Die Durchführungsverordnung bestimme in Artikel 1 Absatz 5, daß die Einleitung eines Konkurs- oder Vergleichsverfahrens der Gewährung der Beihilfen nicht entgegenstehe, weil diese Anreiz zum Abbruch der Anlagen sein sollten, in denen EGKS-Stahlerzeugnisse produziert würden. Mit ihrer Genehmigung dieser Bestimmung habe die Kommission auch das Kriterium der Produktionsfähigkeit gebilligt.

160 Artikel 1 der Durchführungsverordnung mit der Überschrift "Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrags" bestimmt in Absatz 1 Buchstabe e, daß die Genehmigung von Schließungsbeihilfen ausnahmslos von der Voraussetzung abhänge, "regelmässig eine beglaubigte Produktion durchgeführt zu haben".

161 Angesichts der Allgemeinheit dieser Vorschrift ist deren Absatz 5 offensichtlich, wie die Kommission zu Recht bemerkt, auf die Feststellung gerichtet, daß ein Konkursverfahren der Gewährung von Schließungsbeihilfen nicht entgegensteht, also nicht a priori ein Grund ist, von dieser Maßnahme ausgeschlossen zu werden. Dies bedeutet hingegen nicht, daß ein im Konkurs stehendes Unternehmen Schließungsbeihilfen beanspruchen kann, ohne die Voraussetzung nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Durchführungsverordnung erfuellen zu müssen, d. h. ohne regelmässig eine beglaubigte Produktion durchgeführt zu haben.

162 Folglich hat die Kommission mit ihrer Genehmigung der italienischen Regelung, darunter der Durchführungsverordnung, durch ihre Entscheidung vom 12. Dezember 1994 nicht das Kriterium der Produktionsfähigkeit gebilligt und somit nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstossen.

163 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3. Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß die Kommission den Standpunkt der italienischen Regierung zum Vorliegen einer schweren Krise des italienischen Marktes zu Unrecht zurückgewiesen habe

164 Sidercamuna ist der Auffassung, die Kommission habe in ihrer Entscheidung 97/258 zu Unrecht den Standpunkt der italienischen Regierung abgelehnt, der Produktionsrückgang sei auf eine besonders ungünstige Konjunktur und eine schwere Krise des italienischen Marktes zurückzuführen.

165 Die Kommission habe eine gehörige Marktbetrachtung unterlassen und insbesondere grundlegende Faktoren wie die frühere Lage, die lang anhaltende Krise des Sektors und die Notwendigkeit der Umstrukturierung nicht berücksichtigt.

166 Schließlich habe sie zu Unrecht als Parameter Produktions- statt Verbrauchsdaten zugrunde gelegt.

167 In ihrer Entscheidung 97/258 (Abschnitt III der Begründungserwägungen) hat die Kommission dargelegt, daß der Behauptung der italienischen Behörden, die ungenügende Produktion der Unternehmen 1993 sei auf eine besonders ungünstige Konjunkturlage und eine beträchtliche Krise des Marktes für Langerzeugnisse zurückzuführen, nicht zugestimmt werden könne. Die Produktion von Langerzeugnissen sei nur ganz geringfügig reduziert worden, insbesondere im Teilbereich Walzdraht und andere Stab- und Profileisen. Zur Stützung ihrer Darlegung gibt die Kommission eine Tabelle wieder, der zu entnehmen ist, daß sich die Erzeugung (in Millionen Tonnen) von Langerzeugnissen von 13,3 im Jahr 1991 auf 13,2 im Jahr 1992 und 12,5 im Jahr 1993, die von Walzdraht von 3 im Jahr 1991 auf 3,2 im Jahr 1992 und 3,1 im Jahr 1993 und schließlich die von Stab- und Profileisen von 3,5 im Jahr 1991 auf 3,3 im Jahr 1992 und 3,2 im Jahr 1993 verändert habe. Das gelte auch für den Röhrenrundstahlmarkt für Beton, auf dem 1993 ein leichter Rückgang des Auslastungsgrads auf europäischer wie auch auf italienischer Ebene zu verzeichnen sei. Einer zweiten Tabelle lässt sich entnehmen, daß die Produktion von Röhrenrundstahl in Millionen Tonnen in Europa von 12,24 im Jahr 1991 auf 12,53 im Jahr 1992 und 12,92 im Jahr 1993 gestiegen ist. Eine dritte Tabelle zeigt schließlich, daß die Produktion von Röhrenrundstahl in Millionen Tonnen in Italien von 5,5 im Jahr 1991 auf 5,7 im Jahr 1992 gestiegen und auf 5,4 im Jahr 1993 zurückgegangen ist. Aus diesen Angaben hat die Kommission geschlossen, daß dem Vorbringen der italienischen Behörden, die ungenügende Produktion der in Rede stehenden Unternehmen sei auf die ungünstige Marktlage zurückzuführen, nicht zugestimmt werden könne.

168 Aufgrund dieser von Sidercamuna nicht bestrittenen Angaben konnte die Kommission ohne offensichtlichen Irrtum zu der genannten Schlußfolgerung gelangen.

169 Die Tabellen, die in der Entscheidung selbst wiedergegeben sind, zeigen auch, daß die Kommission die Produktionszahlen für Europa und Italien von 1993 mit denen der zwei Jahre davor verglichen hat. Sie hat mithin eine Marktbeurteilung vorgenommen, die nicht offensichtlich unzureichend ist, da sie eine angemessene Antwort auf das Vorbringen der italienischen Behörden ermöglichte.

170 Entgegen der Auffassung der Klägerin war die Kommission nicht zu einer Beurteilung verpflichtet, bei der die Dauer der Krise des Sektors und die Notwendigkeit einer Umstrukturierung berücksichigt wurden. Zum einen hätten diese Faktoren das Fehlen einer regelmässigen Produktion der Klägerin nicht rechtfertigen können. Zum anderen wurden sie vom Gemeinschaftsgesetzgeber beim Erlaß der aufeinanderfolgenden Stahlbeihilfenkodizes bewertet. Diese Bewertung konnte aber den Gemeinschaftsgesetzgeber nicht davon abhalten, die Genehmigung der Schließungsbeihilfen von der Voraussetzung einer regelmässigen Produktion abhängig zu machen.

171 Zum Vorbringen der Klägerin in bezug darauf, daß keine Verbrauchsdaten berücksichtigt worden seien, genügt der Hinweis, daß das betreffende Unternehmen als Produzent auf dem Produktions- und nicht auf dem Verbrauchsmarkt tätig war und daß die Schließungsbeihilfen zu einer Verringerung der Produktion und nicht des Verbrauchs führen sollten und die Kommission daher mit der Zugrundelegung der Situation der Stahlerzeugung statt der des Verbrauchs keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.

172 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

4. Zum Klagegrund der fehlenden Berücksichtigung der besonderen Situation bestimmter Klägerinnen

173 Moccia, Prolafer, Lamifer und Sidercamuna nehmen für sich das Vorliegen besonderer Situationen in Anspruch, die die Nichterfuellung der Voraussetzung einer regelmässigen Produktion rechtfertigten.

a) Der Fall des Unternehmens Moccia

174 Moccia ist der Meinung, die Kommission habe bei der Ablehnung der für sie geplanten Beihilfe verkannt, daß sie ihre Produktion habe aussetzen müssen, weil ihre Anlagen an die Umweltschutzvorschriften hätten angepasst werden müssen.

175 Den von der Klägerin hierzu vorgelegten Schriftstücken lässt sich indessen insoweit nur entnehmen, daß die Klägerin mit Dekret des italienischen Ministers für Industrie, Handel und Handwerk vom 6. Oktober 1992 für die Errichtung einer neuen Anlage zur Beseitigung und Wiederverwertung von Industrieabfällen eine Zinsgutschrift erhalten hat. Hingegen lässt sich den Akten nicht entnehmen, daß die Klägerin gezwungen gewesen wäre, während des Bezugszeitraums jede Produktionstätigkeit einzustellen, um ihre vorhandenen Anlagen an Umweltschutzvorschriften anzupassen.

176 Der Klagegrund ist daher nicht durch Tatsachen belegt und somit zurückzuweisen.

b) Der Fall des Unternehmens Prolafer

177 Prolafer akzeptiert zwar die Voraussetzung der regelmässigen Produktion, ist jedoch der Meinung, daß ein Unternehmen, das aus Gründen, die von seinem Willen wie von den Marktbedingungen unabhängig gewesen seien, zur Einstellung seiner Produktion gezwungen gewesen sei, die Beihilfe müsse erhalten können. Sie habe ihre Produktion auf richterliche Anordnung hin einstellen müssen, mit der eine Beschlagnahme ihrer Anlagen verfügt worden sei. Ein Unternehmen in einer solchen Situation könnte, wenn das Produktionshindernis behoben sei, auf einen Markt zurückkehren, der durch das Ausscheiden zahlreicher Wettbewerber, die Schließungsbeihilfen erhalten hätten, künstlich entlastet sei; eine solche Lösung verstosse gegen den Geist des Vertrages.

178 Aus den Anlagen zur Klageschrift ergibt sich allerdings, daß die Gerichte am 9. Januar 1991 die Produktionsanlagen der Klägerin aus Gründen der Umweltverschmutzung beschlagnahmt haben. Diese Beschlagnahme ist aber, wie eine Anlage zur Klagebeantwortung belegt, etwas mehr als einen Monat später, am 15. Februar 1991 und somit vor Beginn des Bezugszeitraums für die Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion, wieder aufgehoben worden.

179 Da der Klagegrund in tatsächlicher Hinsicht nicht zutrifft, ist er zurückzuweisen.

c) Der Fall des Unternehmens Lamifer

180 Lamifer will an der Erreichung des Mindestproduktionsniveaus im Bezugszeitraum gehindert gewesen sein, weil die örtlichen Behörden ihr jede Produktion während der Nachtstunden, die wegen der Stromkosten am wirtschaftlichsten seien, untersagt hätten.

181 Den Anlagen zur Klageschrift, insbesondere der Anordnung des Bürgermeisters von Travagliato (Italien) vom 30. März 1989, ist indessen zu entnehmen, daß mit den betreffenden Maßnahmen nicht etwa schlichtweg ein Verbot der Produktion während der Nachtzeit verhängt, sondern lediglich dem betroffenen Unternehmen die Verpflichtung auferlegt wurde, seine Anlagen anzupassen, um deren Geräuschniveau in annehmbaren Grenzen zu halten. Somit war die Klägerin dadurch nicht etwa gezwungen, ihren Produktionszyklus auf eine Tagesschicht umzustellen.

182 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

d) Der Fall des Unternehmens Sidercamuna

183 Sidercamuna beanstandet die Weigerung der Kommission, die von der italienischen Regierung vorgeschlagenen alternativen Kriterien zu berücksichtigen, mit denen statt der effektiven Produktion die Produktionsfähigkeit habe belegt werden sollen. Durch diese Weigerung sei sie von der Schließungsbeihilfe ausgeschlossen gewesen, obwohl sie doch auf dem Markt geblieben sei und eine Betriebsführung praktiziert habe, die trotz der Konjunkturkrise von 1993 auf die Fortführung einer regelmässigen Produktion ausgerichtet gewesen sei.

184 Wegen der Rechtmässigkeit der Zurückweisung des Kriteriums der Produktionsfähigkeit durch die Kommission wird auf die Randnummern 149 bis 158 dieses Urteils verwiesen.

185 Zum Zustand der Produktion der Klägerin in ihrem Betrieb in Berzo Inferiore (Brescia, Italien), auf den sich der Antrag auf Schließungsbeihilfe bezog, ergibt sich aus dem Bericht des Vorstands der Klägerin über die am 31. Dezember 1992 festgestellte Bilanz (Anlage 8 R), daß die Produktion der Klägerin wegen der gefährdeten Finanzlage und des dadurch bewirkten Misstrauens der Lieferanten einer fortschreitenden Lähmung unterlag. Aus dem Bericht des Rechnungsprüfers zu der am 31. Dezember 1992 festgestellten Bilanz (Anlage 8 R) ergibt sich sodann, daß die ausserordentliche Gesellschafterversammlung am 30. März 1993 beschloß, beim Tribunale Brescia u. a. zu beantragen: "3. die Aussetzung der Produktion von Stab- und Warmbandeisen im Betrieb Berzo Inferiore; 4. den Abbruch der Anlage von Berzo Inferiore entweder nach den Maßnahmen, die die EWG voraussichtlich bis zum kommenden September treffen wird, oder durch Verkauf an Dritte". Schließlich stellte die Klägerin am 5. April 1993 Antrag auf Anordnung der Zwangsverwaltung, dem durch Beschluß der Konkurskammer des Tribunale Brescia vom 28. April 1993 entsprochen wurde.

186 Mithin hat die Klägerin, die sich in einer schwierigen Finanzlage befand, schon im März 1993, also lange vor Ablauf des Bezugszeitraums für die Prüfung der Erfuellung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion, eine endgültige Aufgabe der Produktion und den Verkauf ihrer Anlagen im Betrieb in Berzo Inferiore, auf den sich der Antrag auf Schließungsbeihilfe bezog, ins Auge gefasst.

187 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen eines Verstosses gegen das Diskriminierungsverbot

188 Eine Verletzung des Diskriminierungsverbots durch die Kommission setzt voraus, daß sie gleiche Situationen ungleich behandelt und dadurch bestimmte Wirtschaftsteilnehmer gegenüber anderen benachteiligt hat, ohne daß diese Ungleichbehandlung durch objektive Unterschiede von einigem Gewicht gerechtfertigt gewesen wäre. Es ist daher insbesondere zu prüfen, ob die Ungleichbehandlung auf objektiven Unterschieden beruhte, die im Hinblick auf die Ziele, die die Kommission im Rahmen ihrer Industriepolitik für die europäische Eisen- und Stahlindustrie verfolgen darf, von Gewicht waren (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Juli 1962 in den Rechtssachen 17/61 und 20/61, Klöckner-Werke und Hoechst/Hohe Behörde, Slg. 1962, 655, und vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 250/83, Finsider/Kommission, Slg. 1985, 131, Randnr. 8).

189 Die Klägerinnen führen im wesentlichen sieben Klagegründe an, mit denen sie einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot rügen.

A - Zu den Klagegründen der Diskriminierung der Klägerinnen gegenüber bestimmten Stahlunternehmen, die ebenfalls Schließungsbeihilfen nach dem Gesetz Nr. 481/94 beantragt hatten

190 Die Klägerinnen halten sich für gegenüber anderen italienischen Stahlunternehmen diskriminiert. Diese Diskriminierung ergebe sich erstens daraus, daß bei bestimmten Unternehmen, die das Kriterium für die Erfuellung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion, als das die Kommission in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 eine Schicht von acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche festgelegt habe, nicht erfuellt hätten, gleichwohl anders als bei ihnen davon ausgegangen worden sei, daß sie diese Voraussetzung erfuellten. Sie ergebe sich zweitens daraus, daß bestimmte Unternehmen berücksichtigt worden seien, obwohl ihre Gesamtproduktion unter der ihren gelegen habe. Sie folge schließlich drittens daraus, daß eine von ihnen, die eine effektive Produktion innerhalb des Bezugszeitraums aufgewiesen habe, nicht anders als bestimmte Unternehmen ohne jegliche Produktion so behandelt worden sei, als ob sie die Voraussetzung der regelmässigen Produktion nicht erfuelle.

1. Zu den Klagegründen, mit denen geltend gemacht wird, daß bei bestimmten Unternehmen, die das Kriterium für die Erfuellung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion, das die Kommission in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 definiert habe, nicht erfuellt hätten, gleichwohl anders als bei den Klägerinnen davon ausgegangen worden sei, daß sie diese Voraussetzung erfuellten

a) Die Klagegründe im einzelnen

191 Mit diesen Klagegründen wird gerügt, daß die von den Unternehmen OLS, Diano und MAO beantragten Beihilfen von der Kommission als für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, die von den Klägerinnen beanspruchten hingegen nicht genehmigt wurden.

- Der Fall des Unternehmens OLS

192 In der Entscheidung 96/678 (Abschnitt III der Begründungserwägungen) heisst es:

"Gleichwohl stellt die Kommission fest, daß im Fall der Officine Laminatoi Sebino SpA (OLS) - das Unternehmen hatte 1993 57 000 t Warmband entsprechend 21 % seiner Kapazität hergestellt - im ersten Quartal 1993 die elektrischen und elektronischen Teile der Warmwalzanlage für die Herstellung von Röhrenrundstahl modernisiert wurden. In dieser Zeit unterbrach OLS die Produktion völlig, um sie anschließend wieder regelmässig aufzunehmen. Tatsächlich hätte die Produktion von OLS auf Jahresbasis 1993 mindestens 76 000 t, d. h. 28 % seiner Kapazität, betragen müssen. Gemessen daran, insbesondere an der Produktionsquote, die das Unternehmen ohne die vorerwähnten beträchtlichen Maßnahmen auf der eigenen Walzstrasse erreichen hätte können, besteht für die Kommission Grund zu der Annahme, daß OLS zur Zeit seiner Schließung regelmässig produzierte (bzw. durchschnittlich eine Produktion von mindestens einer Schicht täglich an fünf Tagen in der Woche fuhr)."

193 Prolafer und Casilina betrachten sich aus diesem Grunde als diskriminiert.

194 Prolafer, die während des Bezugszeitraums nicht produzierte, legt hierzu dar, daß die Kommission, wenn sie schon die von dem betreffenden Unternehmen geltend gemachten Gründe für erheblich angesehen habe, erst recht die Auswirkung des Ereignisses hätte berücksichtigen müssen, das sie selbst betroffen habe, nämlich die vorsorgliche Beschlagnahme ihrer Anlagen.

195 Casilina, deren Produktion sich während des Bezugszeitraums auf 14,2 % belief, weist darauf hin, daß die Kommission, wie der Fall des Unternehmens OLS zeige, unter bestimmten Voraussetzungen den Nachweis der abstrakten Produktionskapazität für ausreichend erachtet habe. Die Kommission sei davon ausgegangen, daß das Mindestproduktionsniveau erreicht worden wäre, wenn nicht bestimmte Eingriffe an den Anlagen dieses Unternehmens vorgenommen worden wären, d. h., wenn die Produktion nicht drei Monate lang unterbrochen worden wäre. Dementsprechend hätte aber auch sie selbst ein Niveau von 25 % erreicht oder sogar übertroffen, wenn sie nicht im Jahr 1993 einen sieben Monate langen technischen Betriebsstillstand eingelegt hätte. Einen Unterschied zwischen den beiden Unternehmen könne man nicht darin sehen, daß die Produktion bei OLS unterbrochen worden sei, um die Anlagen zu modernisieren, und in ihrem Fall, um der Konjunkturlage zu begegnen. In beiden Fällen handele es sich um eine Produktion, die unter dem Mindestniveau liege, weil die Produktion 1993 mehrere Monate lang unterbrochen gewesen sei. In beiden Fällen zeige das jeweils erreichte Produktionsniveau während der Monate der Tätigkeit, daß die beiden Unternehmen bei durchgehendem Betrieb das Mindestniveau erreicht oder sogar übertroffen hätten. Es gebe keinen plausiblen Grund, der ihre weniger günstige Behandlung rechtfertigen könnte.

- Der Fall des Unternehmens Diano

196 In der Entscheidung 97/258 (Abschnitt III der Begründungserwägungen) wird ausgeführt:

"Nichtsdestoweniger stellt die Kommission fest, daß im Fall des Unternehmens Diano - das Unternehmen hatte 1993 16 807 Tonnen Warmband, entsprechend 21 % seiner Kapazität hergestellt - im Verlauf von 1993 erheblichen Instandhaltungsarbeiten an der Warmwalzanlage durchgeführt wurden, so daß die Produktion wiederholt ausgesetzt wurde. Im Grunde hätte die Produktion von Diano auf Grund der Jahresproduktion und der genannten Instandhaltungsarbeiten 1993 mehr oder weniger ihrer Produktion von 1993 entsprechen müssen; in dem Jahr hatte das Unternehmen 24 765 Tonnen, entsprechend 31 % seiner Kapazität, erzeugt. Gemessen daran, insbesondere an dem Auslastungsgrad, den das Unternehmen ohne die vorerwähnten beträchtlichen Arbeiten an der eigenen Walzstrasse hätte erreichen können, besteht für die Kommission Grund zu der Annahme, daß das in Rede stehende Unternehmen zur Zeit seiner Schließung regelmässig produzierte (bzw. durchschnittlich eine Produktion von mindestens einer Schicht täglich an fünf Tagen in der Woche)."

197 Casilina, Dora, Lamifer und Sidercamuna sehen sich insoweit als Opfer einer Diskriminierung an.

198 Casilina und Dora legen dar, daß es die Kommission im Fall Diano für richtig gehalten habe, besondere Umstände in Rechnung zu stellen, und sei so zu dem Schluß gekommen, daß das Unternehmen, wenn es auch während seines Betriebsstillstands hätte produzieren können, ein so hohes Mindestproduktionsniveau erreicht hätte, daß es die Genehmigung seiner Beihilfe hätte durchsetzen können. Sie fänden daher unverständlich, wieso die Kommission die günstige Behandlung, die sie Diano habe angedeihen lassen, nicht auch auf sie ausgedehnt habe. Auch sie hätten nachgewiesen, daß zufällige und von ihrem Willen unabhängige Faktoren sie gezwungen hätten, ihre Produktion - unter Aufrechterhaltung eines objektiv durchaus bedeutsamen Produktionsniveaus - zu drosseln.

199 Lamifer hält zwar die für das betreffende Unternehmen gefundene Lösung für sachgerecht, meint indessen, daß sie die gleiche Behandlung verdient hätte, vor allem wenn man die Äusserung der Kommission in der Entscheidung 97/258 bedenke, daß mit den von der italienischen Regierung vorgeschlagenen Alternativkriterien nicht lediglich die abstrakte Produktionskapazität hätte belegt werden dürfen. Der Fall Diano zeige, daß die Kommission unter bestimmten Bedingungen den Nachweis einer abstrakten Produktionskapazität für ausreichend erachtet habe. Sie habe unterstellt, daß das Mindestproduktionsniveau erreicht worden wäre, wenn an den Anlagen nicht bestimmte Eingriffe vorgenommen worden wären, d. h., wenn die Produktion nicht mehrmals unterbrochen worden wäre. Wenn aber die Klägerin ganz ähnlich nicht eine schwierige Konjunkturlage vorgefunden und während der Woche hätte produzieren können, hätte auch sie den Schwellenwert von 25 % erreicht oder sogar übertroffen. Es lasse sich nicht sagen, daß der Unterschied zwischen den beiden Unternehmen auf den unterschiedlichen Prozentsätzen der höchstmöglichen Produktion beruhe, denen die ihrer effektiven Produktion (21 % bei Diano, 15,2 % bei ihr) entsprächen. In beiden Fällen zeigten die während der Monate der Tätigkeit erreichten Produktionsniveaus, daß die beiden Unternehmen bei vollem Betrieb das Mindestniveau erreicht oder sogar übertroffen hätten. Es gebe keinen plausiblen Grund, der ihre Schlechterbehandlung rechtfertigen könnte.

200 Sidercamuna erläutert in diesem Zusammenhang, daß Diano sich wegen der Krise des Sektors und der unzureichenden Absatzmärkte für Unterhaltungsarbeiten entschieden habe, die nicht nur eine potentiell grössere Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt bewirken könnten, sondern auch den Vorteil böten, die Produktion zu straffen und die Lagerbestände an unverkaufter Ware zu vermindern. Sie selbst habe Unterhaltungs- und Modernisierungsarbeiten der Produktionsstrassen in den Jahren 1990 und 1991 durchgeführt und 1993 entschieden, die Produktion zu drosseln, um nicht infolge Überproduktion in eine Krisensituation zu geraten. Bereits im Urteil des Gerichtshofes vom 30. November 1983 in der Rechtssache 234/82 (Ferriere di Roè Volciano/Kommission, Slg. 1983, 3921) sei das Problem der Angemessenheit einer Entscheidung aufgeworfen worden, die den Unternehmer strafe, der für einen bestimmten Zeitraum nach dem Grundsatz einer gesunden Unternehmensführung eine Reduzierung der Produktion beschlossen habe. Die Kommission, die die Beihilfe für Diano genehmigt und die Gewährung an sie abgelehnt habe, habe damit zwei im wesentlichen gleiche Verhaltensweisen ungleich behandelt.

- Der Fall des Unternehmens MAO

201 Mit der Entscheidung 97/332/EGKS vom 26. Februar 1997 über Schließungsbeihilfen, die Italien dem Stahlunternehmen Mini Acciaieria Odolese im Rahmen des Programms zur Schließung privater Stahlwerksanlagen in Italien zu gewähren beabsichtigt (ABl. L 139, S. 27), erklärte die Kommission eine Schließungsbeihilfe in Höhe von 5 437 Millionen LIT, die MAO auf der Grundlage der entsprechenden allgemeinen italienischen Beihilferegelung beantragt hatte, für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt. Sie wies dort darauf hin, daß sie wegen dieser Beihilfe das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex eröffnet habe, weil das Unternehmen die Voraussetzung der regelmässigen Produktion nicht erfuelle, wie sie in Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex in der Auslegung durch die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegt sei. Zum Zeitpunkt der Entscheidung war der Fünfte Stahlbeihilfenkodex bereits durch den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Sechsten Kodex ersetzt worden. In dessen Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b war die Voraussetzung der regelmässigen Produktion, die bereits Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex vorgesehen hatte, übernommen worden.

202 Die Kommission begründet in der Entscheidung 97/332 die Vereinbarkeit der von dem Unternehmen beantragten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt wie folgt (Abschnitt III Absatz 7 der Begründungserwägungen):

"Aufgrund der zusätzlichen Angaben, die die italienische Regierung im vorliegenden Fall gemacht hat, konstatiert die Kommission jedoch folgendes:

- Das maximale Produktionsniveau, das es zu berücksichtigen gilt, lag 1993 bei 139 000 Tonnen, woraus sich für MAO ein Auslastungsgrad von 22,3 % errechnet.

- Im Juli und August 1993 kam die Produktion aber aufgrund umfangreicher Investitionen des Unternehmens - Bau eines neuen Kühlbetts im Warmwalzwerk - fast völlig zum Stillstand.

- Der monatliche Produktionsverlust infolge des Kühlbettbaus kann allein für 1993 mit durchschnittlich 5 166 Tonnen veranschlagt werden.

- Hieraus ergibt sich für MAO, gemessen am Produktionspotential, ein Auslastungsgrad von 26 %.

Angesichts der möglichen Mehrauslastung, die das Unternehmen hätte erzielen können, wenn die umfangreichen Arbeiten an dem Walzwerk nicht durchgeführt worden wären, besteht Grund zu der Annahme, daß MAO zum Zeitpunkt der Schließung durchaus imstande gewesen wäre, regelmässig - d. h. im Durchschnitt mindestens eine Schicht pro Tag an fünf Tagen in der Woche - zu produzieren."

203 Casilina, Dora und Lamifer sehen darin eine Diskriminierung zu ihren Lasten.

204 Die Auslastung der Produktionskapazität von MAO im Bezugszeitraum habe bei 22,3 % gelegen, also unter dem geforderten Mindestniveau von 25 %. Die Kommission habe unter Berücksichtigung besonderer Umstände, nämlich der Vornahme von Unterhaltungsarbeiten an der Anlage, die Beihilfe trotzdem genehmigt. Bei diesem Unternehmen habe es die Kommission für richtig gehalten, besondere Umstände in Rechnung zu stellen, und sei so zu dem Schluß gekommen, daß das Unternehmen, wenn es auch während seines Betriebsstillstands hätte produzieren können, ein so hohes Mindestproduktionsniveau erreicht hätte, daß es die Genehmigung seiner Beihilfe hätte durchsetzen können. Sie fänden daher unverständlich, wieso die Kommission die günstige Behandlung, die sie MAO habe angedeihen lassen, nicht auch auf sie ausgedehnt habe. Auch sie hätten nachgewiesen, daß zufällige und von ihrem Willen unabhängige Faktoren sie gezwungen hätten, ihre Produktion - unter Aufrechterhaltung eines objektiv durchaus bedeutsamen Produktionsniveaus - zu drosseln.

205 Lamifer bringt in der Erwiderung ferner vor, die Kommission habe sie mit ihrer Entscheidung 97/258 diskriminiert, weil sie bei MAO eine Berichtigung der höchstmöglichen Produktion vorgenommen, dies aber bei ihr abgelehnt habe, obwohl sich die in ihrem Antrag auf Beihilfe angegebene höchstmögliche Produktion (51 000 t) von der Menge, die dann in einem Sachverständigengutachten vom 16. Januar 1996 festgestellt worden sei (154 560 t), unterschieden habe.

b) Würdigung durch das Gericht

206 Den Entscheidungen 96/678, 97/258 und 97/332 ist zu entnehmen, daß die Unternehmen OLS, Diano und MAO während des Bezugszeitraums 57 000, 16 807 und 139 000 t Warmband hergestellt haben. Das entsprach bei den beiden ersten 21 %, bei dem dritten 22,3 % ihrer Kapazität, d. h. einem Prozentsatz, der um 4 bzw. 2,7 Prozentpunkte unter dem aufgrund der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegten Mindestniveau lag.

207 Demgegenüber produzierten Prolafer, Casilina, Dora, Lamifer und Sidercamuna in diesem Zeitraum nur in einem Umfang, der 0 %, 14,2 %, 8,6 %, 15,2 % und 7,6 % ihrer Kapazität entsprach.

208 Wie die Kommission zu Recht bemerkt, ist angesichts dessen, daß es im Rahmen der strengen Regelung des Fünften Kodex Zweck der Voraussetzung der regelmässigen Produktion war, sicherzustellen, daß sich Schließungsbeihilfen in der Praxis maximal auf den Markt auswirken, damit die Stahlproduktion möglichst effektiv verringert wird, die Ablehnung einer Beihilfengewährung an Prolafer, Casilina, Dora, Lamifer und Sidercamuna, deren Produktion im Bezugszeitraum um 25, 10,8, 16,4, 9,8 und 17,4 Prozentpunkte unter dem Mindestniveau von 25 % lag, vollkommen gerechtfertigt.

209 Die unterschiedliche Behandlung von OLS, Diano und MAO einerseits und der Klägerinnen andererseits beruht folglich auf objektiven tatsächlichen Kriterien, die den Zielen entsprechen, die die Kommission im Rahmen ihrer EGKS-Industriepolitik zu verfolgen hat.

210 Die Nichteinhaltung des in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegten Kriteriums von 25 % (vgl. Randnr. 99 dieses Urteils) wird in den angefochtenen Entscheidungen und der Entscheidung 97/332 aufgrund zusätzlicher Angaben, die die italienischen Behörden der Kommission übermittelt hatten, wie folgt gerechtfertigt:

- bei dem Unternehmen OLS durch die Erneuerungsarbeiten an den elektrischen und elektronischen Teilen von dessen Warmwalzanlage zum Zweck der Herstellung von Röhrenrundstahl, wobei die Produktion während des ersten Quartals 1993 unterbrochen war;

- bei dem Unternehmen Diano durch erhebliche Instandhaltungsarbeiten an dessen Warmwalzanlagen, wobei die Produktion 1993 wiederholt ausgesetzt wurde;

- bei dem Unternehmen MAO durch beträchtliche Investitionen in dessen Anlagen - Bau eines neuen Kühlbetts im Warmwalzwerk -, wobei die Produktion im Juli und August 1993 ausgesetzt wurde.

211 Die Nichteinhaltung des Kriteriums durch die Klägerinnen wird von diesen wie folgt erklärt:

- bei Prolafer mit einer gerichtlichen Beschlagnahme ihrer Produktionsanlagen, die sich während des gesamten Bezugszeitraums ausgewirkt habe; das Gericht hat indessen festgestellt (Randnr. 178 dieses Urteils), daß die entsprechenden Anlagen zwar am 9. Januar 1991 beschlagnahmt worden sind, diese Beschlagnahme jedoch schon einen Monat später, am 15. Februar 1991 und somit vor Beginn des Bezugszeitraums für die Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion, wieder aufgehoben worden ist;

- bei Casilina mit einem technischen Betriebsstillstand während sieben Monaten des Jahres 1993 infolge der Nichtverfügbarkeit von Walzknüppeln zu einem in angemessenem Verhältnis zu den Kosten des Endprodukts stehenden Preis;

- bei Dora mit einem technischen Betriebsstillstand wegen der Konjunkturlage;

- bei Lamifer mit Verwaltungsmaßnahmen der örtlichen Behörden, durch die ihr jede Produktion zur Nachtzeit untersagt worden sei; das Gericht hat indessen in Randnummer 181 festgestellt, daß die betreffenden Maßnahmen nicht etwa ein Verbot der Produktion während der Nachtzeit verhängt, sondern lediglich dem betreffenden Unternehmen die Verpflichtung auferlegt wurde, seine Anlagen anzupassen, um deren Geräuschniveau in annehmbaren Grenzen zu halten.

212 Folglich sind bei den Unternehmen OLS, Diano und MAO die Gründe für die Aussetzung der Produktion ordnungsgemäß nachgewiesen, beruhen auf einem objektiven Anlaß, sind zeitlich beschränkt und sind durch das Erfordernis, weiter zu produzieren, und den Wunsch, auf dem Markt zu bleiben, gerechtfertigt.

213 Demgegenüber ist der behauptete Grund für die Produktionsaussetzung bei Prolafer und Lamifer nicht bewiesen. Im übrigen ist keiner der von den fünf Klägerinnen angeführten Gründe durch das Erfordernis gerechtfertigt, die Produktion fortzuführen oder deren Effizienz zu verbessern.

214 Demgemäß ist die unterschiedliche Behandlung von OLS, Diano und MAO einerseits und der Klägerinnen andererseits auch bezueglich des Grundes der Produktionsunterbrechung objektiv gerechtfertigt.

215 Zu dem Vorbringen von Lamifer, die Kommission habe bei MAO eine Berichtigung der höchstmöglichen Produktion vorgenommen, dies bei ihr aber abgelehnt, ist schließlich festzustellen, daß der Ingenieur Renzo Dusi in seinem amtlichen Sachverständigengutachten vom 16. Januar 1996, das der Kommission von der italienischen Regierung übermittelt wurde, die höchstmögliche Produktion der Klägerin auf 154 560 t auf der Grundlage von drei Schichten täglich geschätzt und zugleich festgestellt hat, daß die Produktion der Klägerin tatsächlich aber auf der Grundlage einer einzigen Schicht täglich, entsprechend 51 000 t, durchgeführt werde.

216 Anders als bei MAO haben weder die italienische Regierung noch die Klägerin der Kommission während des Verfahrens zur Prüfung der Beihilfe Erklärungen vorgelegt, in denen diese amtliche Ermittlung angezweifelt worden wäre. Die Kommission hatte daher keinen Anlaß, sie in Zweifel zu ziehen und eine Berichtigung der höchstmöglichen Produktion der Klägerin ins Auge zu fassen.

217 Auf jeden Fall ist diese Rüge aber deshalb unbegründet, weil die Rechtmässigkeit einer Entscheidung im Bereich der Beihilfen aufgrund der Informationen zu beurteilen ist, über die die Kommission bei Erlaß der Entscheidung verfügte (Urteil des Gerichtshofes vom 26. September 1996 in der Rechtssache C-241/94, Frankreich/Kommission, Slg. 1996, I-4551, Randnr. 33, und Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-126/96 und T-127/96, BFM und EFIM/Kommission, Slg. 1998, II-3442, Randnr. 88).

218 Die Klagegründe sind daher zurückzuweisen.

2. Zu dem Klagegrund, mit dem gerügt wird, daß die Beihilfen für bestimmte Unternehmen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden seien, obwohl deren Produktion mengenmässig der der Klägerinnen entsprochen habe

219 Dora und Lamifer weisen darauf hin, daß eine Beihilfe an das Unternehmen Diano mit einer effektiven Produktion von 16 807 t im Jahr 1993 und einer im Hinblick auf Zeiten der Unterbrechung ihres Betriebs infolge von Unterhaltungsarbeiten korrigierten Produktion von 24 765 t durch die Entscheidung 97/258 genehmigt worden sei. Im Gegensatz hierzu sei eine Beihilfe an Dora mit einer effektiven Produktion von 21 444 t und an Lamifer mit einer effektiven Produktion von 23 542 t im Jahr 1993 abgelehnt worden. Damit seien auf Unternehmen mit mengenmässig gleichwertiger Produktion im Jahr 1993 unterschiedliche Bewertungskriterien angewandt worden.

220 Dieser Klagegrund beruht auf der Annahme, die Kommission hätte bei der Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion, ein rein quantitatives Kriterium heranziehen müssen, das ausschließlich auf die Produktionsmenge an Warmband absolut gesehen abstelle. Wie die Kommission zu Recht darlegt, unterscheidet sich aber das angewandte Kriterium von acht Arbeitsstunden täglich an fünf Tagen in der Woche durch seine grössere Objektivität von diesem Lösungsansatz. Mit seiner Hilfe lässt sich jede Diskriminierung der Unternehmen aufgrund ihrer besonderen Produktionskapazitäten und insbesondere eine ungerechtfertigte Benachteiligung kleinerer Stahlunternehmen vermeiden.

221 So entspricht hier die berichtigte Produktion von Diano in Höhe von 24 765 t 31 % ihrer Produktionskapazität. Demgegenüber entsprechen die Produktion von Dora mit 21 444 t und die von Lamifer mit 23 542 t wegen der relativ gesehen bedeutenderen Grösse dieser Unternehmen lediglich 8,6 % und 15,2 % ihrer Produktionskapazität. Aufgrund des Kriteriums, das nur Unternehmen mit einer Produktion von 25 % oder mehr ihrer Produktionskapazität berücksichtigt, ist dem Antrag von Diano entsprochen worden, den Anträgen von Dora und Lamifer hingegen nicht.

222 Die Kommission hat sich somit für einen objektiven und allgemein anwendbaren Parameter entschieden und dabei die besonderen Dimensionen jedes Unternehmens berücksichtigt, um Diskriminierungen aufgrund der unterschiedlichen Produktionskapazität zu vermeiden.

223 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3. Zu dem Klagegrund, mit dem gerügt wird, daß die Klägerinnen, die während des Bezugszeitraums produziert hätten, in gleicher Weise behandelt worden seien wie Unternehmen, die in diesem Zeitraum nicht produziert hätten

224 Sidercamuna macht geltend, die Kommission habe bei der Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion ungleiche Sachverhalte gleich behandelt. Die Kommission vergleiche nämlich in der Entscheidung 97/258 die Situation der Klägerin mit der zweier anderer Stahlunternehmen, die ebenfalls für eine Beihilfe in Frage gekommen seien (Demafer Srl und Lavorazione Metali Vari SpA), bei denen die Beihilfegewährung aber ebenfalls abgelehnt worden sei. Die Kommission stelle in dieser Entscheidung selbst fest, daß keines der beiden Unternehmen im Jahr 1993 produziert habe. Somit habe sie diese Unternehmen, die überhaupt nicht produziert hätten, mit ihr gleichgestellt, die immerhin eine Produktion von 36 002 t Warmband im Jahr 1993 aufzuweisen habe. Das aber bedeute eine offensichtliche Diskriminierung der Klägerin.

225 Wie die Kommission mit Recht geltend macht, waren die Situationen der drei so von der Beihilfengewährung ausgeschlossenen Unternehmen unter dem Blickwinkel des für die Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion festgelegten Parameters vollkommen gleich, weil keines von ihnen während des Bezugszeitraums regelmässig produziert oder seine Unfähigkeit dazu objektiv belegt hatte. Die Klägerin befand sich daher in der gleichen Situation wie die beiden Unternehmen und durfte daher ebenso wie diese behandelt werden. Dafür sprechen objektive Gründe, insbesondere die Notwendigkeit eines einheitlichen Kriteriums für die Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion im Einzelfall.

226 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

B - Zum Klagegrund der Diskriminierung von Unternehmen mit einer Anlage gegenüber denen mit mehreren Anlagen

227 Moccia legt dar, daß die Durchführungsverordnung in Artikel 1 Absatz 2 den Ausdruck "Produktionsstätte" als "Produktionseinheit, die... bewerkstelligen kann", definiere. Als die Kommission mit ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 die betreffende Beihilferegelung genehmigt habe, habe sie zugleich stillschweigend diese Definition gebilligt. Bei der Schließung einer Anlage eines Unternehmens könne mithin für diese Anlage, die nur produktionsfähig sei, eine Schließungsbeihilfe genehmigt werden, während einem Unternehmen mit einer einzigen Anlage eine Beihilfe nur gewährt werden könne, wenn es nachweise, daß es bis zum Zeitpunkt der Anmeldung der Beihilferegelung regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse hergestellt habe. Die Voraussetzung der Regelmässigkeit der Produktion gelte also nicht für Unternehmen der ersten, wohl aber für die der zweiten Kategorie. Zwischen diesen beiden Arten von Unternehmen werde daher diskriminierend unterschieden.

228 Nach Artikel 1 Absatz 1 der Durchführungsverordnung müssen Stahlunternehmen, um Beihilfen zu erhalten, bis zum Tag des Erlasses des Decreto-legge Nr. 103 vom 14. Februar 1994 eine regelmässige Produktion aufgewiesen haben, die durch ein beeidigtes Gutachten eines in diesem Sektor erfahrenen Sachverständigen zu belegen ist, der in das Verzeichnis der Sachverständigen aufgenommen und von dem Gericht, in dessen Bezirk die Gesellschaft ihren Sitz hat, bestellt ist. In Artikel 1 Absätze 2 und 4 heisst es:

"Unter Produktionsstätte ist eine Produktionseinheit zu verstehen, die einen vollständigen Walzzyklus und einen vollständigen Zyklus der Rohstahlproduktion oder einen der beiden Zyklen in einer einzigen Industrieanlage bewerkstelligen kann.

...

Unternehmen, die Beihilfen zur Reduzierung der Produktionskapazitäten erhalten, haben eine freiwillige Liquidation nach folgenden Modalitäten durchzuführen:

...

b) Schlägt eine Konzerngesellschaft oder eine einzelne Gesellschaft den Abbruch einer oder mehrerer Produktionsstätten vor, so hat sie eine neue Rechtspersönlichkeit zu begründen, die Eigentümer aller verbleibenden Anlagen wird und die mit diesen zusammenhängenden Verbindlichkeiten übernimmt."

229 Mithin soll Artikel 1 Absatz 1 der Durchführungsverordnung die Voraussetzungen festlegen, die ein Stahlunternehmen erfuellen muß, wenn es eine Schließungsbeihilfe erhalten will. Eine der Voraussetzungen besteht nach Absatz 1 Buchstabe e darin, regelmässig produziert zu haben.

230 Artikel 1 Absatz 2 der Durchführungsverordnung soll den Begriff "Produktionsstätte" definieren. Dieser Begriff wird in Artikel 4 der Verordnung wiederaufgenommen, der die rechtliche Neuordnung regelt, die ein Unternehmen vorzunehmen hat, das mehrere Produktionsstätten betreibt, von denen eine oder mehrere aufgrund der Gewährung einer Schließungsbeihilfe abgebrochen werden.

231 Die Zwecke der beiden Bestimmungen sind somit verschieden. Artikel 1 Absatz 2 im besonderen will nicht formell eine Ausnahme von den Voraussetzungen des Artikels 1 Absatz 1 festlegen, die die Stahlunternehmen, die eine Schließungsbeihilfe erhalten wollen, einzuhalten haben. Insbesondere ergibt sich aus dem Wortlaut des Artikels 1 Absatz 2 der Verordnung nicht, daß ein Unternehmen, das die Schließung einer seiner Produktionsstätten plant, die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung aufgestellte Voraussetzung der regelmässigen Produktion nicht einzuhalten braucht.

232 Aus beiden genannten Vorschriften zusammen in Verbindung mit Artikel 4 der Verordnung ergibt sich vielmehr, daß eine Schließungsbeihllfe nicht nur bei völliger Stillegung eines Unternehmens, sondern bei Unternehmen mit mehreren Produktionsstätten auch dann gewährt werden kann, wenn eine dieser Stätten allein geschlossen werden soll. Im letztgenannten Fall kann die Beihilfe dem Unternehmen allerdings nur gewährt werden, wenn die betreffende Produktionsstätte für sich betrachtet regelmässig produziert hat und diese Produktion zum anderen von dieser Produktionsstätte unabhängig und vollständig durchgeführt worden ist, was voraussetzt, daß sie in der Lage war, einen vollständigen Walzzyklus und einen vollständigen Zyklus der Rohstahlproduktion zu bewerkstelligen.

233 Artikel 1 Absatz 2 der Durchführungsverordnung macht daher nicht etwa eine Ausnahme vom Erfordernis einer regelmässigen Produktion bei der Beurteilung der Beihilfen, die ein Unternehmen anläßlich der Schließung einer seiner Produktionsstätten beantragt, sondern will sicherstellen, daß die - regelmässige - Produktion dieser Produktionsstätte nicht nur auf einen Teil eines vollständigen Walz- oder Rohstahlproduktionszyklus beschränkt ist.

234 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

C - Zum Klagegrund der Diskriminierung der Unternehmen, die ihre Produktion während des Bezugszeitraums aussetzen mussten, um neuen Umweltschutzvorschriften nachzukommen

235 Moccia sieht sich als durch die Entscheidung 96/678 diskriminiert an. Diese habe die Einhaltung des Kriteriums der regelmässigen Produktion selbst für den Fall vorgeschrieben, daß ein Unternehmen wie sie seine Produktion während des Bezugszeitraums habe aussetzen müssen, um neuen Umweltschutzvorschriften nachzukommen, und die Aussetzung folglich auf die Arbeiten zur Anpassung seiner Anlagen zurückzuführen sei. Gemäß Artikel 4 des Fünften Kodex müsse die Produktionsfähigkeit dann einer regelmässigen Produktion gleichgestellt werden, wenn die Produktion infolge von Anforderungen in Rechtsvorschriften unterbrochen werden müsse. In der sozio-ökonomischen Wirklichkeit werde ein Unternehmen, das seine Produktion aus diesen Gründen ausgesetzt habe und bei dem die Gewährung einer Schließungsbeihilfe abgelehnt werde, nach Beendigung der Aussetzung auf dem Markt bleiben.

236 Aus den Akten lässt sich nicht entnehmen (vgl. Randnr. 175 dieses Urteils), daß die Klägerin gezwungen gewesen wäre, während des Bezugszeitraums jede Produktionstätigkeit einzustellen, um ihre vorhandenen Anlagen an neue Umweltschutzvorschriften anzupassen. Die Klägerin hat daher nicht nachgewiesen, daß der von ihr vorgebrachte Klagegrund begründet ist.

237 Ausserdem haben nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen der Kommission während des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex weder die italienischen Behörden noch die Klägerin deren fehlende Produktion mit Gründen zu rechtfertigen versucht, die mit der angeblichen Notwendigkeit in Verbindung standen, die Produktion auszusetzen, um Arbeiten zur Anpassung der Anlagen an neue Umweltschutzvorschriften durchführen zu können.

238 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

D - Zum Klagegrund der Diskriminierung der Unternehmen, die wegen nicht mehr wettbewerbsfähiger Kosten im Vergleich zu gewandteren oder chancenreicheren Unternehmen keine grösseren Mengen auf den Markt bringen konnten

239 Moccia ist der Auffassung, daß die im Fünften Kodex vorgesehene Voraussetzung der regelmässigen Produktion unter Beachtung der marktwirtschaftlichen Gesetze ausgelegt und angewandt werden müsse. Das erste dieser Gesetze erlege es einem Unternehmen auf, seine Produktion unter Berücksichtigung der Produktionskosten auf die Nachfrage abzustimmen. Sie habe daher ihre Produktion 1993 ausgesetzt, weil sie nicht mehr in der Lage gewesen sei, grössere Produktmengen auf dem Markt abzusetzen, und weil ihre Produktionskosten nicht mehr wettbewerbsfähig gewesen seien. Es sei aber eine Diskriminierung, sie genauso zu behandeln wie Unternehmen, die nur deshalb regelmässig produziert hätten, weil sie gewandter oder einfach stärker vom Glück begünstigt oder aber im Gegenteil weniger vorsichtig gewesen seien.

240 Dieser Klagegrund beruht auf der Annahme, daß Schließungsbeihilfen auch Unternehmen zustehen sollten, die zwar produktionsfähig sind, aber im Bezugszeitraum nicht regelmässig produziert haben. Diese Annahme ist aber unzutreffend, wie bereits in den Randnummern 149 bis 158 dieses Urteils ausgeführt worden ist.

241 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

E - Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß die Unternehmen, bei denen die Gewährung von Schließungsbeihilfen in der Entscheidung 96/678 abgelehnt worden seien, zusammen eine grössere Produktionskapazität gehabt hätten als die Unternehmen, deren Schließungsbeihilfen mit früheren Entscheidungen der Kommission genehmigt worden seien

242 Moccia verweist darauf, daß laut der Entscheidung 96/678 die Schließung eines Unternehmens, das keine regelmässige Produktion aufweise, keine spürbare Auswirkung auf den Markt habe. Mit der Ablehnung von Beihilfen für sie und fünf andere Unternehmen durch diese Entscheidung habe die Kommission zugleich die Reduzierung einer Jahresproduktionskapazität von insgesamt 908 000 t Rohstahl und 950 000 t Warmband abgelehnt. Gleichwohl habe die Kommission Teilschließungs-Beihilfen für Unternehmen mit einer wesentlich niedrigeren Produktionskapazität nicht abgelehnt (Entscheidungen 94/258/EGKS, 94/260/EGKS und 94/261/EGKS der Kommission vom 12. April 1994 über ein Beihilfevorhaben von Spanien zugunsten des öffentlichen spanischen Stahlunternehmens Corporación de la Siderurgía Integral [CSI], über ein Beihilfevorhaben von Deutschland zugunsten des Stahlunternehmens Sächsische Edelstahlwerke GmbH, Freital/Sachsen, und über ein Beihilfevorhaben von Spanien zugunsten des Edelstahlherstellers Sidenor [ABl. L 112, S. 58, 71 und 77]).

243 Die Kommission ist, wie sie selbst zu Recht geltend gemacht hat, nicht befugt, Schließungsbeihilfen auf der Grundlage eines Kriteriums zu genehmigen, das auf den kumulierten Kapazitäten mehrerer Stahlunternehmen beruht. Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex schreibt nämlich die Anmeldung und Beurteilung jedes einzelnen Beihilfenfalls vor. Im übrigen zählt Artikel 4 Absatz 2 des Fünften Kodex abschließend eine Reihe von Voraussetzungen auf, die nur im Zusammenhang mit jedem betroffenen Unternehmen beurteilt werden können. Ausserdem sind die drei von der Klägerin angeführten Entscheidungen nicht aufgrund des Fünften Kodex, sondern unmittelbar aufgrund von Artikel 95 Absätze 1 und 2 EGKS-Vertrag ergangen, so daß die Voraussetzungen des Fünften Kodex nicht zur Anwendung gelangt sind.

244 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

F - Zum Klagegrund der Diskriminierung der italienischen Unternehmen gegenüber anderen Gemeinschaftsunternehmen

245 Nach Auffassung von Sidercamuna hat die Kommission aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminiert. Der Fünfte Stahlbeihilfenkodex lege lediglich den allgemeinen Grundsatz fest, daß das Stahlunternehmen, wenn es Schließungsbeihilfen erhalten wolle, bis zur Anmeldung der Beihilfen regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert haben müsse. Mit ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 habe die Kommission, obwohl sie keine Einwände erhoben und die Gewährung von Schließungsbeihilfen nach dem Gesetz Nr. 481/94 genehmigt habe, eine zusätzliche Voraussetzung in Form der Aufrechterhaltung einer Produktionstätigkeit während mindestens einer Schicht täglich oder acht Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche eingeführt.

246 Diese besondere Voraussetzung gelte nur für italienische Unternehmen, die allein Beihilfen nach dem Gesetz Nr. 481/94 erhalten könnten. Für diese Voraussetzung, die eine Handlungspflicht darstelle, gebe es in der für die Unternehmen anderer Mitgliedstaaten geltenden allgemeinen Regelung kein Äquivalent; für diese Unternehmen gelte ohne weitere Konkretisierung nur die allgemeine, im Fünften Kodex festgelegte Voraussetzung des Vorliegens einer regelmässigen Produktion.

247 Ausserdem habe die Kommission zwar in der gleichen Entscheidung zugestanden, daß die italienischen Behörden anhand objektiver Kriterien nachweisen könnten, daß ein Unternehmen, das diese Voraussetzung nicht erfuelle, gleichwohl so behandelt werden dürfe, als erfuelle es die Voraussetzung der regelmässigen Produktion, und daß sie in diesem Fall die betreffende Beihilfe anhand der spezifischen Faktoren prüfen werde. Eine solche Aussage sei indessen ohne Interesse. Die Kommission habe nämlich im vorliegenden Fall die von den italienischen Behörden insoweit vorgetragenen Argumente überhaupt nicht beachtet, sondern sich auf einen Formalismus zurückgezogen, dessen alleiniges Ergebnis darin bestanden habe, auf italienische Unternehmen andere Kriterien anzuwenden, als auf Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten angewandt würden.

248 Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich des Fünften Kodex stellt zwar die Voraussetzung einer regelmässigen Produktion auf, definiert sie aber nicht. Folglich hat die Kommission bei der Genehmigung einer von einem Mitgliedstaat angemeldeten allgemeinen Beihilferegelung notwendig abstrakt Durchführungskriterien für diese Voraussetzung festzulegen, die es ihr dann ermöglichen, unter Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes eine einheitliche und vorhersehbare Beurteilung der einzelnen nach Artikel 6 Absatz 6 des Fünften Kodex angemeldeten Beihilfeanträge vorzunehmen.

249 Wenn erst einmal die Kriterien festgelegt sind und die allgemeine Regelung genehmigt ist, so hat sich die Kommission bei Anmeldung von auf der Grundlage der zuvor genehmigten Regelung bewilligten Beihilfen auf die Prüfung zu beschränken, ob die Beihilfen durch die allgemeine Regelung gedeckt sind und die in der Genehmigungsentscheidung festgelegten Kriterien erfuellen. Andernfalls könnte die Kommission bei der Prüfung der verschiedenen angemeldeten Einzelfälle ihre Entscheidung über die Genehmigung der allgemeinen Regelung wieder in Frage stellen. Dann wäre aber die Einhaltung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit gegenüber den Mitgliedstaaten und gegenüber den Wirtschaftsteilnehmern gefährdet. Denn die einzelnen Beihilfen könnten so unter Verstoß gegen diese Grundsätze von der Kommission jederzeit wieder in Frage gestellt werden, selbst wenn sie der Entscheidung über die Genehmigung der Beihilferegelung in vollem Umfang entsprächen (vgl. sinngemäß Urteile des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-47/91, Italien/Kommission, Slg. 1994, I-4635, Randnr. 24, und vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache C-278/95 P, Siemens/Kommission, Slg. 1997, I-2507, Randnr. 31).

250 Das in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 definierte Kriterium stellt also keine neue Voraussetzung dar, die zu der im Fünften Kodex festgelegten Voraussetzung der regelmässigen Produktion hinzukäme, sondern stellt eine Notwendigkeit für eine einheitliche und vorhersehbare Anwendung dieser Voraussetzung auf die von den italienischen Behörden angemeldeten Beihilfeanträge dar.

251 Im übrigen ist das betreffende Kriterium entgegen dem Vorbringen der Klägerin keineswegs das einzige, das von der Kommission bei der Prüfung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion herangezogen worden ist. Die Kommission war nämlich in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 darauf bedacht, es den italienischen Behörden freizustellen, jederzeit anhand objektiver Kriterien nachzuweisen, daß ein Unternehmen, das diese Voraussetzung nicht erfuellt, regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert hat. Diese Festlegung war, anders als die Klägerin meint, durchaus nicht ohne Belang, weil die Kommission, wie in den Randnummern 191, 195, 200 und 201 dieses Urteils ausgeführt, anhand solcher alternativer Kriterien, die die italienischen Behörden vorgeschlagen hatten, die von den Unternehmen OLS, Diano und MAO beanspruchten Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt hat.

252 Schließlich hat die Klägerin nicht dargetan, ob und in welchem Umfang die Kommission bei der Anwendung des in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 festgelegten Kriteriums die Unternehmen, für die die von den italienischen Behörden angemeldete allgemeine Beihilferegelung galt, ungünstiger behandelt hat, als sie Unternehmen in gleicher Lage, für die eine von einem anderen Mitgliedstaat angemeldete allgemeine Beihilferegelung galt, behandelt hätte.

253 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

G - Zum Klagegrund der Diskriminierung wegen unterlassener Anwendung des Artikels 95 EGKS-Vertrag

254 Sidercamuna trägt vor, die Kommission habe sie dadurch diskriminiert, daß sie ihren Fall anders als gleiche Situationen in der Vergangenheit behandelt habe.

255 Sie verweist auf das in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag enthaltene allgemeine Verbot von Subventionen oder Beihilfen. Hiervon seien zwei Arten von Ausnahmen gemacht worden, nämlich zum einen die verschiedenen aufeinanderfolgenden Stahlbeihilfenkodizes und zum anderen Einzelfallentscheidungen der Kommission aufgrund des Artikels 95 EGKS-Vertrag, wonach sie zur Schließung etwaiger Lücken des Vertrages Entscheidungen treffen oder Empfehlungen aussprechen dürfe.

256 In der Vergangenheit habe die Kommission aufgrund des Artikels 95 EGKS-Vertrag Beihilfen für den Stahlsektor genehmigt, die wie im vorliegenden Fall mit der endgültigen und unwiderruflichen Schließung von Anlagen, also mit der Produktionsminderung, begründet worden seien. Dies gelte etwa für die Entscheidung 94/261 vom 12. April 1994 (angeführt in Randnr. 242 dieses Urteils) und die Entscheidung 89/218/EGKS der Kommission vom 23. Dezember 1988 betreffend Beihilfen der italienischen Regierung an staatseigene Stahlunternehmen (ABl. L 86, S. 76). Mit der Entscheidung 96/315/EGKS vom 7. Februar 1996 über Beihilfen, die Irland dem Stahlunternehmen Irish Steel gewähren will (ABl. L 121, S. 16), habe die Kommission sogar eine Entscheidung nach Artikel 95 EGKS-Vertrag unter Hinweis darauf getroffen, daß es wegen der aussergewöhnlichen technischen Situation nicht möglich sei, im Gegenzug für die Beihilfe die Überkapazität durch Schließung von Produktionsstrassen abzubauen, daß es aber wichtig sei, eine Verpflichtung der irischen Stahlwirtschaft zu erreichen, ihre Produktionskapazität nicht zu erhöhen.

257 Im vorliegenden Fall habe die Kommission einerseits beschlossen, die ihr nach dem Fünften Kodex zur Verfügung stehenden Instrumente nicht zu nutzen, und die Schließungsbeihilfen aufgrund einer streng formalistischen Auslegung der Voraussetzungen für ihre Zulassung für unzulässig erklärt. Andererseits habe sie trotz ihrer Einräumung, daß die genannten Instrumente keine ausreichende Rechtsgrundlage abgäben und demnach eine Lücke bestehe, keinen Gebrauch von Artikel 95 EGKS-Vertrag gemacht. Damit habe sie gleiche Situationen ungleich behandelt und so die Klägerin benachteiligt.

258 Nach der Systematik des EGKS-Vertrags steht es nicht im Widerspruch zu Artikel 4 Buchstabe c, wenn die Kommission auf der Grundlage des Artikels 95 Absätze 1 und 2 von den Mitgliedstaaten geplante Beihilfen, die mit den Zielen des Vertrages vereinbar sind, ausnahmsweise genehmigt, um unvorhergesehenen Situationen zu begegnen (vgl. Urteil EISA, angeführt in Randnr. 86 dieses Urteils, Randnr. 63, Urteil British Steel/Kommission, angeführt in Randnr. 86 dieses Urteils, Randnr. 42, und Urteil Wirtschaftsvereinigung Stahl u. a./Kommission, zitiert in Randnr. 79 dieses Urteils, Randnr. 34); allerdings müssen die Beihilfen notwendig sein, um eines der in den Artikeln 2 bis 4 EGKS-Vertrag näher bezeichneten Ziele zu erreichen.

259 Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob eine Stahlbeihilfe, die die im Fünften Kodex für die betreffende Kategorie von Beihilfen vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfuellt, durch Einzelfallentscheidung unmittelbar auf der Grundlage des Artikels 95 EGKS-Vertrag genehmigt werden kann, genügt hier die Feststellung, daß die Klägerin jedenfalls nicht belegt hat, daß die streitige Beihilfe den Voraussetzungen für die Anwendung dieses Artikels entspricht. Denn die Klägerin, die eine Schließungsbeihilfe nach dem Fünften Kodex beansprucht, aber eine der dort vorgesehenen Voraussetzungen für diese Art von Beihilfen - eine regelmässige Produktion - nicht erfuellt, hat keine besonderen Umstände nachgewiesen, die im Sinne des Artikels 95 EGKS-Vertrag die Notwendigkeit belegen könnten, eine Entscheidung zu erlassen, um eines der in den Artikeln 2 bis 4 EGKS-Vertrag näher bezeichneten Ziele zu erreichen.

260 Schließlich hat die Klägerin keine ausreichenden Angaben gemacht, die dem Gericht ermöglichen würden, über die Vergleichbarkeit ihrer besonderen Situation mit der Lage derjenigen Unternehmen zu befinden, die Gegenstand der von ihr angeführten Entscheidungen gewesen sind.

261 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

II - Zu den Klagegründen wegen Verletzung der Begründungspflicht

262 Gemäß Artikel 5 Absatz 2 vierter Gedankenstrich EGKS-Vertrag "gibt [die Gemeinschaft] die Gründe für ihr Handeln bekannt". In Artikel 15 Absatz 1 EGKS-Vertrag heisst es, daß "[d]ie Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen der Kommission... mit Gründen zu versehen [sind] und... auf die pflichtgemäß eingeholten Stellungnahmen Bezug zu nehmen [haben]". Aus diesen Vorschriften sowie aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertrages ergibt sich, daß für die Kommission immer dann eine Begründungspflicht besteht, wenn sie allgemeine oder individuelle Entscheidungen erlässt, unabhängig von der Rechtsgrundlage, die sie dafür wählt (Urteil British Steel/Kommission, angeführt in Randnr. 86 dieses Urteils, Randnr. 159).

263 Nach ständiger Rechtsprechung muß die Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden. Sie ist nicht nur im Hinblick auf ihren Wortlaut zu beurteilen, sondern auch anhand ihres Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-56/93, Belgien/Kommission, Slg. 1996, I-723, und Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-266/94, Skibsvärftsforeningen/Kommission, Slg. 1996, II-1399, Randnr. 230). Ausserdem ist die in den Artikeln 5 und 15 EGKS-Vertrag niedergelegte Begründungspflicht anhand der Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsakts, der Art der vorgetragenen Gründe und des Interesses zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt betroffene Personen im Sinne von Artikel 33 Absatz 2 EGKS-Vertrag an Erläuterungen haben können. Ferner ist die Kommission bei Rechtsakten, die für eine allgemeine Anwendung bestimmt sind, nach den Artikeln 5 und 15 EGKS-Vertrag verpflichtet, in der Begründung ihrer Entscheidung die Gesamtlage anzugeben, die zu deren Erlaß geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die mit ihnen erreicht werden sollen (Urteil des Gerichtshofes vom 19. September 1985 in den Rechtssachen 172/83 und 226/83, Hoogovens Gröp/Kommission, Slg. 1985, 2831, Randnrn. 24 f.).

264 Die Klägerinnen beanstanden das Fehlen einer Begründung der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 und der angefochtenen Entscheidungen.

Zu den Klagegründen wegen fehlender Begründung der Entscheidung vom 12. Dezember 1994

265 Casilina, Dora und Lamifer sind der Auffassung, daß die Verwendung der höchstmöglichen Produktion als Parameter ungerechtfertigt und folglich die Entscheidung vom 12. Dezember 1994 in diesem Punkt nicht ausreichend begründet sei.

266 Mit der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 sollte die von der italienischen Regierung vorgesehene allgemeine Beihilferegelung festgehalten, die Erfuellung der u. a. in Artikel 4 Absatz 2 des Fünften Kodex festgelegten Voraussetzungen geprüft und ferner entschieden werden, daß diese Regelung mit der Regelung im Fünften Kodex grundsätzlich vereinbar ist. Zur Voraussetzung der regelmässigen Produktion im besonderen stellte die Kommission fest, daß diese als erfuellt anzusehen sei, da aufgrund der übermittelten Angaben feststehe, daß das Unternehmen, um eine Beihilfe erhalten zu können, im ganzen Jahr 1993 und bis zur Anmeldung des Decreto-legge Nr. 103 bei ihr im Februar 1994 durchschnittlich mindestens eine Schicht täglich an fünf Tagen in der Woche produziert haben müsse. In der Entscheidung heisst es im übrigen, daß es den italienischen Behörden freistehe, "anhand objektiver Kriterien nachzuweisen, daß ein Unternehmen, das diese Voraussetzung nicht erfuellt, regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert hat".

267 Diese Entscheidung war an die italienische Regierung gerichtet. Die dort zugrunde gelegte Auslegung der Voraussetzung einer regelmässigen Produktion war erst nach Zustimmung der italienischen Regierung festgelegt worden, die in einem Schreiben des italienischen Ministers für Industrie, Handel und Handwerk vom 5. Oktober 1994 an die Kommission Ausdruck gefunden hatte. Da der Adressat der Entscheidung über den Inhalt dieser Auslegung informiert war und dazu vor ihrer Festlegung seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hatte, war die Kommission unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht verpflichtet, diese Auslegung in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 in besonderer Weise zu begründen.

268 Allerdings erlegte es die Beachtung der Interessen der Unternehmen, die Schließungsbeihilfen beantragt hatten, der Kommission auf, die von ihr zugrunde gelegte Auslegung der Voraussetzung der regelmässigen Produktion in den Entscheidungen zu begründen, mit denen individuelle Beihilfenanträge nicht genehmigt wurden, die Gegenstand eines Prüfungsverfahrens gewesen waren.

269 In diesen Entscheidungen, deren wichtigste Abschnitte in Randnummer 21 dieses Urteils wiedergegeben sind, wird nach dem Hinweis, daß der Beihilfenkodex keine Definition des Begriffes der regelmässigen Produktion enthält, ausgeführt, daß es Zweck dieser Voraussetzung sei, eine Schließungsbeihilfe nur den Unternehmen mit einer bedeutsamen Produktionskapazität zukommen zu lassen, deren Schließung bedeutsame Auswirkungen auf den Markt haben werde. Ferner wird festgestellt, daß Artikel 4 des Stahlbeihilfenkodex so abgefasst sei, daß er keine weite Auslegung dahin zulasse, wonach zu den Unternehmen, die Beihilfen erhalten könnten, auch diejenigen zählten, die nicht regelmässig produziert hätten, aber regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse herstellen könnten.

270 Die Kommission hat damit die von ihr in der Entscheidung vom 12. Dezember 1994 zugrunde gelegte Voraussetzung der regelmässigen Produktion hinreichend begründet.

271 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zu den Klagegründen wegen fehlender Begründung der angefochtenen Entscheidungen

272 Die Klägerinnen machen Klagegründe geltend, mit denen das Fehlen einer Begründung der Nichtberücksichtigung ihrer Darlegungen durch die Kommission, das Fehlen der Angabe von Gründen für die Ablehnung der von der italienischen Regierung vorgeschlagenen Ersatzkriterien und eine Unrichtigkeit der Entscheidung 96/678 bezueglich der Stahlproduktion von 1993 gerügt werden.

1. Zum Klagegrund betreffend die Nichtberücksichtigung der Darlegungen der Klägerinnen

273 Moccia, Casilina, Dora und Lamifer bringen vor, sie hätten vor und während des Prüfungsverfahrens schriftliche Erklärungen eingereicht und darin Gründe angeführt, die sie daran gehindert hätten, das erforderliche Mindestproduktionsniveau zu erreichen. Die Kommission habe unmittelbar oder mittelbar über die italienische Regierung sowohl die dem Beihilfeantrag beigefügte Dokumentation als auch die Erklärungen der Unternehmen während des Prüfungsverfahrens erhalten. Damit habe sie auch Kenntnis von den besonderen Argumenten der Klägerinnen erlangt. In den angefochtenen Entscheidungen werde auf diese Erklärungen in keiner Weise eingegangen. Folglich habe die Kommission offensichtlich gegen die ihr obliegende Begründungspflicht verstossen.

274 Erstens war die Kommission im Rahmen der angefochtenen Entscheidungen lediglich verpflichtet, die Ablehnung der von der italienischen Regierung vorgeschlagenen alternativen Kriterien zu begründen. Sie war hingegen nicht verpflichtet, zu den von betroffenen Dritten vorgetragenen Argumenten mit Gründen Stellung zu nehmen.

275 Der Fünfte Stahlbeihilfenkodex stellt nämlich im Verhältnis zum kategorischen Beihilfenverbot in Artikel 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag eine Ausnahmeregelung dar. Geplante Beihilfen können daher nur genehmigt werden, wenn sie die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung buchstabengetreu erfuellen. Im vorliegenden Fall war in den angefochtenen Entscheidungen die Frage zu beantworten, ob die Klägerinnen die in Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich aufgestellte Voraussetzung der regelmässigen Produktion erfuellten. Da diese Voraussetzung im Fünften Kodex nicht definiert war, legte die Kommission sie in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 dadurch aus, daß sie ein Hauptkriterium festgelegt und es den italienischen Behörden gestattet hat, alternative objektive Kriterien vorzubringen. Da die Klägerinnen nach Feststellung der Kommission das definierte Hauptkriterium nicht erfuellten, eröffnete diese das Verfahren nach Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex und gab der italienischen Regierung Gelegenheit zur Stellungnahme.

276 Im Rahmen des Prüfungsverfahrens hatte die Kommission mithin ausschließlich zu prüfen, ob die italienische Regierung aufgrund objektiver Kriterien erfolgreich belegt hatte, daß die Klägerinnen, die das festgelegte Hauptkriterium nach Ansicht der Kommission nicht erfuellten, gleichwohl regelmässig EGKS-Stahlerzeugnisse produziert hatten. Vorbehaltlich dessen, was in Randnummer 268 dieses Urteils ausgeführt ist, bestand auch keinerlei Notwendigkeit, etwas anderes als die Beurteilung der insoweit von der italienischen Regierung vorgetragenen Argumente zu begründen (vgl. sinngemäß Urteil des Gerichtshofes vom 18. Mai 1993 in den Rechtssachen C-356/90 und C-180/91, Belgien/Kommission, Slg. 1993, I-2323, Randnr. 36).

277 Zwar hat die Kommission auch die anderen Mitgliedstaaten und interessierte Dritte durch Veröffentlichung der Entscheidung über die Eröffnung des Prüfungsverfahrens im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften informiert und ihnen gemäß Artikel 6 Absatz 4 des Fünften Kodex Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Zweck dieser Mitteilung war es indessen lediglich, von den Beteiligten alle Auskünfte zu erhalten, die dazu beitragen konnten, der Kommission Klarheit über ihr weiteres Vorgehen zu verschaffen und sich vor Erlaß ihrer Entscheidung umfassend über alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu unterrichten (vgl. sinngemäß Urteil Skibsvärftsforeningen/Kommission, angeführt in Randnr. 263 dieses Urteils, Randnr. 256). Die Kommission war daher nicht verpflichtet, diesen Beteiligten gegenüber unter Angabe von Gründen Stellung zu nehmen.

278 Mithin war die Kommission nicht verpflichtet, unter Angabe von Gründen auf die Erklärungen einzugehen, die die Klägerinnen ihr unmittelbar oder über die italienische Regierung hatten zukommen lassen.

279 Zweitens war die Kommission nicht verpflichtet, in der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu allen von der italienischen Regierung ihr gegenüber vorgetragenen Argumente Stellung zu nehmen, sondern sie brauchte lediglich die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen anzuführen, denen im Aufbau dieser Entscheidungen wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. sinngemäß Urteil des Gerichts vom 8. Juni 1995 in der Rechtssache T-459/93, Siemens/Kommission, Slg. 1995, II-1675, Randnr. 31, insoweit bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1997 in der Rechtsmittelsache C-278/95 P, Siemens/Kommission, Slg. 1997, I-2507, Randnrn. 10 bis 19).

280 In den angefochtenen Entscheidungen hat die Kommission die Hauptargumente der italienischen Regierung aufgeführt (vgl. Abschnitt II der Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidungen) und die Gründe angegeben, die den Gemeinschaftsgesetzgeber bewogen haben, keine Ausnahmen von dem allgemeinen Verbot des Artikels 4 Buchstabe c EGKS-Vertrag für Schließungsbeihilfen zuzulassen, die keine bedeutsamen Auswirkungen auf den betreffenden Markt haben können (vgl. Abschnitt III der Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidungen). Sie hat darauf hingewiesen, daß andere als die in ihrer Entscheidung vom 12. Dezember 1994 aufgeführten Kriterien berücksichtigt werden könnten, falls sie die Regelmässigkeit der Produktion des Unternehmens belegen, und sie hat festgestellt, daß anhand der von der italienischen Regierung vorgeschlagenen Kriterien nicht bewiesen werden könne, daß die Unternehmen regelmässig produziert hätten, sondern lediglich, daß sie dies hätten tun können. Der Wortlaut des Artikels 4 des Fünften Kodex lasse keine weite Auslegung zu, nach der zu den Unternehmen, die Anspruch auf eine Beihilfe haben könnten, auch diejenigen zu zählen seien, die nicht regelmässig produziert hätten, sondern lediglich produktionsfähig seien. Die Auslegung des Begriffes Regelmässigkeit durch die italienischen Behörden sei folglich rechtlich unzutreffend und daher abzulehnen.

281 Demgemäß hat die Kommission in den angefochtenen Entscheidungen hinreichend und vollständig die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen angeführt, die bei deren Erlaß von grundlegender Bedeutung waren.

282 Folglich war sie nicht verpflichtet, in besonderer Weise auf die Erklärungen der Klägerinnen einzugehen, die diese der italienischen Regierung übermittelt hatten und dann von dieser in ihren eigenen Erklärungen wiedergegeben worden waren.

283 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

2. Zum Klagegrund des Fehlens einer Begründung für die Ablehnung des von der italienischen Regierung vorgeschlagenen alternativen Kriteriums

284 Nach Auffassung von Moccia ist in der Entscheidung 96/678 nicht angegeben, aus welchen Gründen das von der italienischen Regierung vorgeschlagene alternative Kriterium der Produktionsfähigkeit nicht ausreichen soll, um die Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt beurteilen zu können. Dieses Kriterium scheine nämlich durchaus dazu angemessen, die Situation von Unternehmen zu berücksichtigen, die wie sie objektiv und unvermeidlich gezwungen seien, ihre Produktion zeitweilig auszusetzen, um ihre Anlagen umzustrukturieren. In einem Fall wie dem ihren, bei dem sich die Notwendigkeit einer Produktionsunterbrechung aus der Notwendigkeit ergeben habe, zwingenden Vorschriften nachzukommen, sei dieses alternative Kriterium ein so grundlegendes Argument, daß es bei der Ablehnung in besonderer, erschöpfender und ausdrücklicher Weise hätte zurückgewiesen werden müssen.

285 Sidercamuna macht geltend, die Entscheidung der Kommission, das von der italienischen Regierung vorgeschlagene Kriterium nicht zu billigen, sei unter Verstoß gegen Artikel 15 EGKS-Vertrag nicht ausreichend begründet worden. Die Kommission habe es nämlich unterlassen, anhand des relevanten wirtschaftlichen Kontextes, d. h. des italienischen Marktes, nachzuweisen, daß das Kriterium der täglichen Achtstundenschicht das einzig mögliche und unerläßliche Kriterium für die Klärung der Frage gewesen sei, ob ein Unternehmen regelmässig produziere.

286 Das Gericht ist unter Hinweis auf seine Ausführungen in den Randnummern 279 bis 281 dieses Urteils der Auffassung, daß angesichts der in den angefochtenen Entscheidungen aufgeführten Gründe (vgl. Abschnitte II und III ihrer Begründungserwägungen), die in Randnummer 280 dieses Urteils zusammengefasst worden sind, davon auszugehen ist, daß die Kommission dort hinreichend und vollständig die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen angeführt hat, die bei Erlaß dieser Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ablehnung des von den italienischen Behörden vorgeschlagenen Kriteriums der Produktionsfähigkeit von grundlegender Bedeutung waren.

287 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3. Zum Klagegrund der unzutreffenden Begründung der Entscheidung 96/678 bezueglich der Stahlproduktion von 1993

288 Moccia macht geltend, die Begründung der Entscheidung 96/678 sei unzutreffend. Die Kommission habe dort den Standpunkt der italienischen Regierung abgelehnt, die geringe Produktion einiger italienischer Stahlunternehmen sei auf eine ungünstige Konjunktur und eine schwere Marktkrise zurückzuführen. Sie habe dort darauf hingewiesen, daß bei Beton-Rundstahl sowohl in Europa als auch in Italien nur ein leichter Rückgang des Auslastungsgrades zu verzeichnen sei. Dies habe sie durch die Wiedergabe einer Statistik in Tabellenform zu belegen versucht.

289 Die Klägerin macht hierzu erstens geltend, daß diese Tabelle die Entwicklung des das Verhältnis zwischen der effektiven und der höchstmöglichen Produktion ausdrückenden Grades der Auslastung der Produkionskapazität für Beton-Rundstahl in Europa und in Italien für die Jahre 1992 und 1993 unrichtig wiedergebe. In Wahrheit sei dieser Auslastungsgrad in Europa um 10 % und in Italien um 11,55 % zurückgegangen.

290 Die Klägerin macht zweitens geltend, daß der Maßstab, den die Kommission zur Messung der Konjunkturentwicklung herangezogen habe, nämlich der Auslastungsgrad der Produktionskapazität, wenig geeignet sei, um die Konjunkturlage auf dem Markt und deren Einfluß auf ein kleineres Unternehmen wie sie zu beurteilen, das sich nur auf dem lokalen Markt oder höchstens auf einem unbedeutenden Teil des nationalen Marktes betätigen könne. Für eine realitätsnahere Beurteilung wäre es vorzuziehen gewesen, sich auf die Entwicklung der Verbrauchsdaten innerhalb dieses Zeitraums zu stützen, da diese Daten genau die möglichen Absatzmärkte für die Erzeugnisse des betreffenden Unternehmens erkennen ließen. Die Klägerin erstellt nach dieser Methode eine Tabelle über die Entwicklung der Nachfrage nach Beton-Rundstahl auf dem italienischen Markt, der zufolge diese 1992 um 1,7 %, 1993 um 20 % und 1994 um 7 % zurückgegangen ist. Aus dieser leitet sie ab, daß besonders für kleinere italienische Unternehmen eine schwere Marktkrise bestanden habe.

291 Der Vorwurf einer fehlenden oder unzureichenden Begründung stellt einen Klagegrund dar, mit dem die Verletzung wesentlicher Formvorschriften geltend gemacht wird; als solcher ist er von dem im Rahmen der inhaltlichen Überprüfung einer Entscheidung zu untersuchende Klagegrund zu unterscheiden, mit dem die Fehlerhaftigkeit ihrer Gründe gerügt wird (Urteile des Gerichts vom 7. November 1997 in der Rechtssache T-84/96, Cipeke/Kommission, Slg. 1997, II-2081, Randnr. 47, und vom 14. Mai 1998 in den Rechtssachen T-295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II-813, Randnr. 45, T-310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 41, und T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II-1229, Randnr. 66).

292 Den Ausführungen in den Randnummern 279 bis 281 dieses Urteils ist zu entnehmen, daß in der Begründung der angefochtenen Entscheidungen klar und zusammenhängend die Tatsachen und die rechtlichen Erwägungen angeführt worden sind, die für die Rechtfertigung der Ablehnung der von der italienischen Regierung vorgeschlagenen alternativen Kriterien und der Feststellung der Unvereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt maßgebend waren; dies ist unabhängig von der Berechtigung dieser Erwägungen in der Sache, die, wie ausgeführt, nicht zur Prüfung der Zulänglichkeit der Begründung, sondern zur inhaltlichen Prüfung des Streitstoffs gehört.

293 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

294 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen ihre eigenen Kosten sowie gesamtschuldnerisch die der Kommission aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten sowie gesamtschuldnerisch die der Kommission.

Ende der Entscheidung

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