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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 27.06.1995
Aktenzeichen: T-169/94
Rechtsgebiete: VO (EWG) Nr. 2423/88


Vorschriften:

VO (EWG) Nr. 2423/88 Art. 16
VO (EWG) Nr. 2423/88 Art. 14
VO (EWG) Nr. 2423/88 Art. 2 Abs.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Artikel 16 der Antidumping-Grundverordnung Nr. 2423/88 gibt dem antragstellenden Einführer die Möglichkeit, ausgehend von der allgemeinen Richtigkeit der entsprechenden Daten den Nachweis zu führen, daß in seiner besonderen Lage die tatsächliche Dumpingspanne im konkreten Fall geringer ist als diejenige, die für die Einführung der Antidumpingzölle zugrunde gelegt worden war, jedoch kann weder die Gültigkeit der Verordnung zur Einführung der Zölle in Frage gestellt noch eine erneute Überprüfung der in den vorangegangenen Untersuchungen festgestellten allgemeinen Daten verlangt werden.

Da die Frage, ob eine Schädigung im Sinne der Artikel 2 Absatz 1 und 4 der Grundverordnung vorliegt, nichts mit dem Verfahren zu tun hat, das durch einen Erstattungsantrag gemäß Artikel 16 eingeleitet wird, kann sie nicht im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung über einen solchen Antrag aufgeworfen werden.

2. Das Überprüfungsverfahren und das Erstattungsverfahren gemäß Artikel 14 bzw. Artikel 16 der Antidumping-Grundverordnung Nr. 2423/88 sind verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Zwecken. Wenn sich diese beiden Verfahren auch überlagern können, so ändert dies doch nichts daran, daß Handlungen oder Unterlassungen der Kommission im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach Artikel 14 nicht mit dem Mittel einer Klage gegen eine Entscheidung angefochten werden können, die im Rahmen eines Verfahrens zur Prüfung von Erstattungsanträgen nach Artikel 16 ergangen ist.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (DRITTE KAMMER) VOM 27. JUNI 1995. - PIA HIFI VERTRIEBS GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - ANTIDUMPINGZOELLE - ANTRAG AUF NICHTIGERKLAERUNG EINER ENTSCHEIDUNG UEBER ERSTATTUNGSANTRAEGE. - RECHTSSACHE T-169/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin ist unabhängige Einführerin von CD-Spielern, die von der japanischen Firma Accuphase Laboratory (nachstehend: Accuphase) hergestellt und exportiert werden.

2 Am 12. Juli 1989 erließ die Kommission aufgrund eines vom Committee of Mechophonics Producers and Connected Technologies (nachstehend: Compact) bei ihr eingereichten Antrags die Verordnung (EWG) Nr. 2140/89 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter CD-Spieler mit Ursprung in Japan und Südkorea (ABl. L 205, S. 5). Die endgültigen Zölle wurden später durch die Verordnung (EWG) Nr. 112/90 des Rates vom 16. Januar 1990 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter CD-Spieler mit Ursprung in Japan und der Republik Korea und zur endgültigen Vereinnahmung des vorläufigen Zolls (ABl. L 13, S. 21) festgesetzt. Für bestimmte Waren, darunter auch die Erzeugnisse von Accuphase, sah diese Verordnung einen Zollsatz von 32 % vor.

3 Die Klägerin und zwei weitere Importeure stellten ab November 1990 gemäß Artikel 16 der Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 209, S. 1) Anträge auf Erstattung endgültiger Antidumpingzölle, die mit der Verordnung Nr. 112/90 eingeführt worden waren und die sie für die Einfuhr der Accuphase-Erzeugnisse gezahlt hatten.

4 Im April 1991 beantragten die Klägerin und Accuphase gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2423/88 die Überprüfung der Verordnung Nr. 112/90.

5 Auf diese Anträge hin veröffentlichte die Kommission am 4. Juli 1991 eine Bekanntmachung über eine teilweise Überprüfung der betreffenden Antidumpingmaßnahmen (ABl. C 173, S. 3), in der sie mitteilte, daß sie gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2423/88 das Verfahren bezueglich der von Accuphase in Japan hergestellten und in die Gemeinschaft exportierten CD-Spieler wiederaufgenommen habe.

6 Aus dieser Bekanntmachung geht hervor, daß die Klägerin und Accuphase zur Begründung ihres Überprüfungsantrags zum einen geltend gemacht hatten, daß die Dumpingspanne von Accuphase erheblich niedriger sei als 32 %, und zum anderen, daß die in der Gemeinschaft und die von Accuphase hergestellten CD-Spieler keine gleichartigen Waren seien. In der Bekanntmachung führte die Kommission auch aus, ihre Dienststellen hätten bei der Prüfung eines von Accuphase gemäß Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 gestellten Erstattungsantrags festgestellt, daß die Dumpingspanne im Fall von Accuphase wesentlich niedriger als 32 % gewesen sei.

7 Fast gleichzeitig gab die Kommission aufgrund eines weiteren Antrags, mit dem Compact geltend machte, daß die mit der Verordnung Nr. 112/90 eingeführten Antidumpingzölle von den Ausführern getragen worden seien, mit einer Bekanntmachung vom 5. Juli 1991 (ABl. C 174, S. 15) die Einleitung einer Untersuchung gemäß Artikel 13 Absatz 11 der Verordnung Nr. 2423/88 bekannt.

8 In Anbetracht neuer Informationen, die ihre Dienststellen erhalten hatten, und um eine möglicherweise diskriminierende Maßnahme auszuschließen, gab die Kommission dann mit einer am 28. Dezember 1991 veröffentlichten Mitteilung (ABl. C 334, S. 8) bekannt, daß sie die Durchführung einer vollständigen Überprüfung der Verordnung Nr. 112/90 beschlossen habe.

9 Am 9. Juni 1993 erließ die Kommission die Entscheidung 93/363/EWG über Anträge auf Erstattung von Antidumpingzöllen, die auf Einfuhren bestimmter CD-Spieler mit Ursprung in Japan erhoben wurden (Amroh BV, PIA HiFi, MPI Electronic) (ABl. L 150, S. 44). Mit dieser Entscheidung gab die Kommission den genannten Erstattungsanträgen bis zur Höhe von 16,9 % des Wertes statt, den die zuständigen Behörden bei der Berechnung des betreffenden Antidumpingzolls zugrunde gelegt hatten.

10 Da der Rat Schutzmaßnahmen nicht länger für erforderlich hielt, weil zum einen die beiden grössten Gemeinschaftshersteller die Einstellung der Produktion von CD -Spielern angekündigt hatten und zum anderen der Antragsteller Compact seine Anträge zurückgezogen hatte, erließ er am 24. August 1993 die Verordnung (EWG) Nr. 2347/93 zur Aufhebung der Verordnung Nr. 112/90 (ABl. L 215, S. 4).

Verfahren

11 Unter diesen Umständen hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 12. August 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

12 Mit besonderem Schriftsatz, der am 13. September 1993 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Beklagte eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben mit der Begründung, daß die Klageschrift keinen Antrag enthalte und daher nicht den Anforderungen des Artikels 38 § 1 Buchstabe d der Verfahrensordnung des Gerichtshofes entspreche.

13 Mit Schriftsatz, der am 18. Oktober 1993 eingereicht worden ist, hat die Klägerin beantragt, die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

14 Mit Beschluß vom 7. Februar 1994 in der Rechtssache C-388/93 (PIA HiFi/Kommission, Slg. 1994, I-387) hat der Gerichtshof die Einrede der Unzulässigkeit zurückgewiesen. In Randnummer 10 dieses Beschlusses hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 93/363/EWG vom 9. Juni 1993 gerichtet ist, soweit darin die von der Klägerin verlangte Erstattung von Antidumpingzöllen auf 16,9 % des Wertes begrenzt wird, den die zuständigen Behörden bei der Berechnung des betreffenden Antidumpingzolls zugrunde gelegt haben.

15 Mit Beschluß vom 18. April 1994 hat der Gerichtshof die Rechtssache gemäß Artikel 4 des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 zur Änderung des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 144, S. 21) und gemäß Artikel 1 des Beschlusses 94/149/EGKS, EG des Rates vom 7. März 1994 zur Änderung des Beschlusses 93/350 (ABl. L 66, S. 29) an das Gericht verwiesen.

16 Das Gericht (Dritte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die mündliche Verhandlung hat am 4. April 1995 stattgefunden.

Anträge der Parteien

17 Da kein förmlicher Antrag vorliegt, geht das Gericht davon aus, daß die Klägerin, wie der Gerichtshof in seinem genannten Beschluß vom 7. Februar 1994 festgestellt hat, beantragt, die Entscheidung 93/363 vom 9. Juni 1993 für nichtig zu erklären, soweit darin die von ihr verlangte Erstattung von Antidumpingzöllen auf 16,9 % des Wertes begrenzt wird, den die zuständigen Behörden bei der Berechnung des betreffenden Antidumpingzolls zugrunde gelegt haben.

18 Die Beklagte beantragt in der Klagebeantwortung,

° die Klage als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abzuweisen;

° der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Sache

Vorbringen der Parteien

19 In ihrer Klageschrift bringt die Klägerin in erster Linie einen Klagegrund vor, mit dem sie eine Verletzung des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2423/88 rügt, wonach die Festsetzung eines Antidumpingzolls für eine Ware nur gerechtfertigt sei, wenn die betreffende Ware Gegenstand eines Dumpings sei und ihre Überführung in den freien Verkehr in der Gemeinschaft eine Schädigung verursache.

20 Die Klägerin ist der Ansicht, da die von ihr eingeführten CD-Spieler niemals eine Schädigung verursacht hätten, habe sie einen Anspruch auf Erstattung der gesamten Antidumpingzölle, die sie habe entrichten müssen.

21 Dazu macht die Klägerin erstens geltend, daß die von ihr eingeführten Accuphase-Erzeugnisse hochwertige und teure Geräte gewesen seien, die nur in geringen Mengen produziert worden seien. Zweitens seien die betreffenden Erzeugnisse auf dem Markt der Gemeinschaft zu Preisen vertrieben worden, die doppelt so hoch gewesen seien wie der Verkaufspreis des teuersten in der Gemeinschaft hergestellten Geräts. Drittens seien nur die "Spitzenmodelle" der Gemeinschaftshersteller den Erzeugnissen von Accuphase gleichartig gewesen, und in diesem Marktbereich sei niemals eine Schädigung eingetreten, wie in der 100. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2140/89 festgestellt worden sei. Nach den Kriterien des Artikels 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2423/88 hätten die Einfuhren von Accuphase daher keine Schädigung der Gemeinschaftserzeugung verursacht.

22 Die Klägerin führt weiter aus, daß sie die vorliegende Klage zur Wahrung ihrer rechtlichen Belange erhoben habe, da ihr kein anderer Rechtsweg offenstehe, der es ihr ermögliche, sich auf dieses Fehlen einer durch ihre Einfuhren verursachten Schädigung der Gemeinschaftsindustrie zu berufen.

23 Die Klägerin gesteht jedoch zu, daß der Normalwert der von Accuphase hergestellten CD-Spieler deren normalen Ausfuhrpreis überstiegen habe. Sie bestreitet weder das Vorliegen eines Dumpings noch die Höhe der von der Beklagten in der streitigen Entscheidung berechneten Dumpingspanne. Ausserdem stellt die Klägerin nicht die Feststellung der Beklagten in Frage, daß die Gemeinschaftsindustrie durch die Einfuhren gedumpter CD-Spieler aus Korea und Japan bei kumulativer Beurteilung geschädigt worden sei. Im übrigen hält sie es auch für zutreffend, daß die Kommission nicht verpflichtet ist, den Beitrag jedes einzelnen Einführers zur Schädigung der Gemeinschaftshersteller nachzuweisen.

24 Die Beklagte ist jedoch nach Auffassung der Klägerin nicht berechtigt, von vornherein die Prüfung der Frage abzulehnen, ob die individuellen Einfuhren eines Importeurs zu der Schädigung der Gemeinschaftsindustrie beigetragen haben können, wenn dieser Importeur Beweismittel dafür präsentiert, daß dies nicht der Fall sein kann.

25 Die Klägerin räumt unter Hinweis auf das Urteil des Gerichtshofes vom 24. Februar 1987 in der Rechtssache 312/84 (Continentale Produkten Gesellschaft/Kommission, Slg. 1987, 841) ein, daß im Verfahren zur Prüfung von Erstattungsanträgen nach Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 lediglich der Vergleich zwischen dem von dem Einführer erhobenen Betrag und der Dumpingspanne vorgesehen sei und die Gültigkeit einer Verordnung zur Einführung von Antidumpingzöllen nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden könne, sie beruhe auf unzutreffenden Feststellungen zum Vorliegen einer Schädigung der Gemeinschaftsindustrie. Die Klägerin verweist jedoch darauf, daß der Gerichtshof diese Auffassung damit begründet habe, daß die Betroffenen bereits die Möglichkeit gehabt hätten, entweder gegen die Rechtmässigkeit dieser Verordnung selbst oder gegen die aufgrund eines eventuellen Verfahrens zur Überprüfung der Antidumpingzölle ergangene Entscheidung gerichtlich vorzugehen.

26 Im vorliegenden Fall sei bis auf die streitige Entscheidung kein rechtsbehelfsfähiger Rechtsakt der Kommission ergangen, und diese habe sich auch nie mit ihrem Argument, daß keine Schädigung der Gemeinschaftsindustrie vorliege, auseinandergesetzt. Die Verordnung Nr. 112/90 betreffe sie nicht unmittelbar und individuell, und eine gerichtlich anfechtbare Entscheidung werde ihr im Überprüfungsverfahren nicht zugehen, da die Verordnung Nr. 112/90 durch die Verordnung Nr. 2347/93 aufgehoben worden sei. Ausserdem stuenden im vorliegenden Fall das Überprüfungsverfahren und das Verfahren wegen der Erstattungsanträge, die Gegenstand der streitigen Entscheidung seien, in einem engen und unmittelbaren Sachzusammenhang.

27 Ausserdem werde, soweit die streitige Entscheidung nur die Erstattung eines Teils der betreffenden Zölle vorsehe, dadurch de facto ein individueller endgültiger Antidumpingzoll auf die von ihr eingeführten CD-Spieler in Höhe von 15,1 % festgesetzt. Diese Entscheidung betreffe daher die von ihr eingeführten Waren, ohne daß ein angreifbarer Rechtsakt, nämlich eine endgültige Entscheidung im Sinne von Artikel 12 der Verordnung Nr. 2423/88, ergangen sei.

28 Die Beklagte sieht keine Veranlassung, zu den Tatsachenbehauptungen der Klägerin Stellung zu nehmen, da die Klage ihrer Meinung nach unzulässig oder jedenfalls unbegründet ist. Nach dem Urteil Continentale Produkten Gesellschaft/Kommission (a. a. O.) sei das Erstattungsverfahren nach Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 allein auf eine Überprüfung der konkreten Antidumpingspanne gerichtet und gestatte nicht, erneut in eine Überprüfung der Frage einzutreten, ob die Verhängung von Antidumpingzöllen überhaupt gerechtfertigt gewesen sei.

29 Die Tatsache, daß es nun nicht mehr zu einer förmlichen Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Überprüfung nach Artikel 14 der Verordnung Nr. 2423/88 komme, da die Antidumpingzölle durch die Verordnung Nr. 2347/93 aufgehoben worden seien, könne der Klägerin kein erweitertes Klagerecht nach Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 verschaffen, das es ihr ermöglichen würde, die Rechtmässigkeit der eingeführten Antidumpingzölle selbst in Frage zu stellen. Wollte man eine andere Auffassung vertreten, würde dies zu einer für die Rechtssicherheit bedenklichen Verdoppelung der Verfahren führen. Die Klägerin hätte nach Ansicht der Beklagten gegen die nationalen Durchführungsentscheidungen zur Festsetzung der Antidumpingzölle vor den nationalen Gerichten Klage erheben und so eine Anrufung des Gerichtshofes nach Artikel 177 EG-Vertrag erreichen können.

30 Die Beklagte führt dazu weiter aus, das Argument der Klägerin, daß durch die streitige Entscheidung zugleich de facto "individuelle" Antidumpingzölle in einer bestimmten Höhe eingeführt worden seien, sei abwegig, weil die Kommission im Verfahren zur Prüfung von Erstattungsanträgen nach Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 überhaupt nicht zur Festsetzung von Antidumpingzöllen ermächtigt sei.

31 Zur Frage des Vorliegens einer Schädigung der Gemeinschaftsindustrie weist die Kommission vorsorglich darauf hin, daß natürlich jeder einzelne Importeur, unabhängig von Qualität und Ausstattung der eingeführten Geräte, bei Dumpingpraktiken insofern zur Schädigung der Gemeinschaftsindustrie beitrage, als er weitere Dumpingpraktiken fördere. Dies sei der Fall, wenn hochwertige Geräte zu gedumpten Preisen verkauft würden, selbst wenn der betreffende Importeur nur einen geringen Marktanteil habe. Die Kommission äussert auch Einwände gegen die Relevanz der von der Klägerin angegebenen Verkaufspreise.

Würdigung durch das Gericht

32 Die streitige Entscheidung wurde aufgrund von Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 auf die Erstattungsanträge hin erlassen, die die Klägerin und zwei weitere Importeure gemäß Absatz 2 dieses Artikels gestellt hatten. Artikel 16 trägt die Überschrift "Rückerstattungen" und bestimmt in Absatz 1: "Kann ein Einführer nachweisen, daß der erhobene Zoll die tatsächliche Dumpingspanne... unter Berücksichtigung der Anwendung gewogener Durchschnitte übersteigt, so wird der Mehrbetrag erstattet..."

33 Wie der Gerichtshof in seinem Urteil Continentale Produkten Gesellschaft/Kommission (a. a. O., Randnr. 12) festgestellt hat, gibt Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 dem antragstellenden Einführer die Möglichkeit, ausgehend von der allgemeinen Richtigkeit der entsprechenden Daten den Nachweis zu führen, daß in seiner besonderen Lage die tatsächliche Dumpingspanne im konkreten Fall geringer ist als diejenige, die für die Einführung der Antidumpingzölle zugrunde gelegt worden war. Aufgrund dieser Vorschrift kann jedoch weder die Gültigkeit der Verordnung zur Einführung der Zölle in Frage gestellt noch eine erneute Überprüfung der in den vorangegangenen Untersuchungen festgestellten allgemeinen Daten verlangt werden.

34 Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Richtigkeit der in der streitigen Entscheidung vorgenommenen Neuberechnung der Dumpingspanne bei den Accuphase-Erzeugnissen, auf deren Grundlage die Kommission den anwendbaren Antidumpingzollsatz von 32 % auf 16,9 % gesenkt hat, nicht in Frage gestellt. Sie hat im Gegenteil ausdrücklich vorgetragen, sie erhebe "keine Einwendungen gegen die Feststellungen der Beklagten im Hinblick auf das Vorliegen und die ermittelte Höhe des Dumpings... Die Berechnung der Höhe der Dumpingspanne wird von der Klägerin als zutreffend angesehen" (Punkt 3 a der Klageschrift).

35 Demnach hat die Klägerin nichts vorgetragen, was die Rechtmässigkeit der streitigen Entscheidung, soweit mit dieser ihren gemäß Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 gestellten Anträgen teilweise stattgegeben wird, in Frage stellen könnte.

36 In Anbetracht des vom Gerichtshof in dem genannten Urteil Continentale Produkten Gesellschaft/Kommission näher erläuterten Zwecks des Artikels 16 der Verordnung Nr. 2423/88 ist die Klägerin im Rahmen einer Klage gegen eine Entscheidung über gemäß Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 gestellte Erstattungsanträge nicht berechtigt, die Frage aufzuwerfen, ob die Einfuhren von Accuphase eine Schädigung im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 4 dieser Verordnung verursacht haben. Diese Frage berührt nämlich in keiner Weise die Rechtmässigkeit der Entscheidung über die Erstattungsanträge, sondern bezieht sich auf die Rechtmässigkeit der Verordnung Nr. 112/90 selbst.

37 Das Argument der Klägerin, daß die Klage gegen die streitige Entscheidung für sie die einzige Möglichkeit darstelle, die Frage einer fehlenden Schädigung aufzuwerfen, kann es nicht rechtfertigen, sich über den eindeutigen Regelungsgehalt des Artikels 16 der Verordnung Nr. 2423/88 hinwegzusetzen, der nur eine Überprüfung der tatsächlichen Dumpingspanne, nicht aber eine erneute Prüfung der allgemeinen Frage der Schädigung zulässt.

38 Jedenfalls ist ° ohne daß geprüft werden müsste, ob die Klägerin gemäß Artikel 173 EG-Vertrag eine Nichtigkeitsklage gegen die Verordnung Nr. 112/90 hätte erheben können ° darauf hinzuweisen, daß die Klägerin die Frage der fehlenden Schädigung durch die von Accuphase stammenden Einfuhren dadurch hätte aufwerfen können, daß sie die nationalen Maßnahmen zur Durchführung der Verordnung vor den nationalen Gerichten mit der Einrede der Rechtswidrigkeit angegriffen hätte. Diese Gerichte hätten dann ihrerseits dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 des Vertrages eine Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit dieser Verordnung vorlegen können (Urteil Continentale Produkten Gesellschaft/Kommission, a. a. O., Randnr. 10, und Urteile des Gerichtshofes vom 11. Juli 1990 in der Rechtssache C-323/88, Sermes, Slg. 1990, I-3027, und vom 22. Oktober 1991 in der Rechtssache C-16/90, Nölle, Slg. 1991, I-5163).

39 Zu dem Vorbringen der Klägerin, daß einerseits in dem gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2423/88 durchgeführten Überprüfungsverfahren keine Entscheidung mehr ergehen werde und andererseits zwischen dem Überprüfungsverfahren und den von ihr gestellten Erstattungsanträgen ein enger und unmittelbarer Sachzusammenhang bestehe, ist festzustellen, daß Verordnungen zur Festsetzung von Antidumpingzöllen nach der Regelung des Artikels 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2423/88 im Bedarfsfall ganz oder teilweise einer Überprüfung unterzogen werden. Diese Überprüfung wird auf Antrag eines Mitgliedstaats oder auf Veranlassung der Kommission vorgenommen. Eine Überprüfung findet auch auf Antrag einer betroffenen Partei statt, wenn diese Beweismittel hinsichtlich veränderter Umstände vorlegt, die ausreichen, um die Notwendigkeit einer Überprüfung zu rechtfertigen, und sofern mindestens ein Jahr seit Abschluß der Untersuchung vergangen ist.

40 Daraus folgt, daß das Überprüfungsverfahren gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2423/88 und das Erstattungsverfahren gemäß Artikel 16 der Verordnung Nr. 2423/88 verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Zwecken sind. Wenn sich diese beiden Verfahren auch überlagern können (siehe Punkt 5 der am 22. Oktober 1986 veröffentlichten Bekanntmachung der Kommission über die Erstattung von Antidumpingzöllen, ABl. C 266, S. 2), so ändert dies doch nichts daran, daß die Klägerin Handlungen oder Unterlassungen der Kommission im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach Artikel 14 nicht mit dem Mittel einer Klage gegen eine Entscheidung anfechten kann, die im Rahmen eines Verfahrens zur Prüfung von Erstattungsanträgen nach Artikel 16 ergangen ist.

41 Ausserdem geht aus der am 4. Juli 1991 von der Kommission veröffentlichten Bekanntmachung über eine teilweise Überprüfung der Antidumpingmaßnahmen (siehe oben, Randnr. 5) hervor, daß der von der Klägerin eingereichte Antrag auf Überprüfung zum einen darauf gestützt war, daß die Dumpingspanne von Accuphase erheblich niedriger sei als der auf ihre Einfuhren erhobene Antidumpingzoll von 32 %, und zum anderen auf den Umstand, daß die von Accuphase und die von der Gemeinschaftsindustrie hergestellten Waren nicht gleichartig seien. Aus den Akten geht also nicht hervor, daß es im Überprüfungsantrag der Klägerin oder bei der Überprüfung selbst etwa unmittelbar um die Frage gegangen wäre, ob die Einfuhren der Klägerin eine solche Schädigung verursacht hatten.

42 Selbst wenn die Klägerin im Rahmen ihres gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2423/88 bei der Kommission eingereichten Überprüfungsantrags die Frage der fehlenden Schädigung der Gemeinschaftsindustrie aufgeworfen hätte und die Kommission es abgelehnt hätte, diese Rüge zu prüfen, hätte die Klägerin, wenn sie sich im Recht glaubte, die Entscheidung der Kommission, keine Überprüfung dieses Punkts vorzunehmen, durch Inanspruchnahme der im Vertrag dafür vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten anfechten können.

43 Ausserdem ergibt sich aus Randnummer 11 des Urteils Continentale Produkten Gesellschaft/Kommission (a. a. O.), wonach "die Betroffenen... die Ergebnisse [eines Überprüfungsverfahrens] gerichtlich anfechten [können]", implizit, aber notwendig, daß jeder Betroffene, wenn die Kommission ein Überprüfungsverfahren gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 2423/88 eingeleitet hat, darauf bestehen kann, daß die Kommission auch eine Entscheidung in dieser Sache trifft. Aus den Akten ergibt sich jedoch nicht, daß die Klägerin darauf gerichtete Schritte bei der Kommission unternommen hätte.

44 Schließlich ist auch das Argument der Klägerin, daß mit der streitigen Entscheidung de facto ein Antidumpingzoll in Höhe von 15,1 % erhoben worden sei, ohne daß eine endgültige Entscheidung im Sinne von Artikel 12 der Verordnung Nr. 2423/88 ergangen sei, nicht begründet. Der restliche Antidumpingzoll von 15,1 % hatte nämlich seine Rechtsgrundlage in der Verordnung Nr. 112/90, da mit der streitigen Entscheidung den von der Klägerin gestellten Erstattungsanträgen nur teilweise stattgegeben worden war.

45 Nach all dem ist die Klage abzuweisen, ohne daß über die Zulässigkeit entschieden zu werden braucht.

Kostenentscheidung:

Kosten

46 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen und ihren Anträgen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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