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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 17.06.1998
Aktenzeichen: T-174/95
Rechtsgebiete: EG, Beschluss 93/731, Dienstanweisung für den Kanzler vom 3. März 1994


Vorschriften:

EG Art. 173
EG Art. 190
Beschluss 93/731 Art. 4 Abs. 1
Dienstanweisung für den Kanzler vom 3. März 1994 Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

7 Die Gemeinschaftsregelung über die Verfahrensfristen ist zum Schutz der Rechtssicherheit und wegen der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz zu vermeiden, strikt einzuhalten. Daher konnte, wenn Artikel 1 der Anlage II zur Verfahrensordnung des Gerichtshofes eine Frist mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung von zehn Tagen für bestimmte, namentlich bezeichnete Länder vorsah, zu denen Schweden nicht gehörte, die Frist mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung für diesen Mitgliedstaat nur die Frist von zwei Wochen sein, die für die anderen Länder und Gebiete Europas galt.

8 Eine Person, der vom Rat der Zugang zu einem von dessen Dokumenten verweigert wird, hat bereits aus diesem Grund ein Interesse an der Nichtigerklärung der ablehnenden Entscheidung.

Der Beschluß 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten dient der Umsetzung des Grundsatzes eines weitestmöglichen Zugangs der Bürger zur Information zum Zweck der Stärkung des demokratischen Charakters der Organe sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Verwaltung und macht diesen Zugang nicht von einer besonderen Begründung abhängig. Daß die beantragten Dokumente allgemein bekannt sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

9 Nach Artikel 37 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 46 der Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist, können mit den aufgrund eines Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Ein Streithelfer kann daher keine Einrede der Unzulässigkeit erheben, die nicht im schriftlichen Verfahren erhoben worden ist, und das Gericht ist somit nicht verpflichtet, auf die in diesem Zusammenhang vorgebrachten Gründe einzugehen.

Das Gericht kann jedoch nach Artikel 113 der Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen einschließlich der von den Streithelfern geltend gemachten fehlen.

10 Eine auf Nichtigerklärung einer Entscheidung des Rates, mit der dem Kläger der Zugang zu Dokumenten verweigert wird, gerichtete Klage fällt auch dann in die Zuständigkeit des Gerichts, wenn die Dokumente auf der Grundlage der Bestimmungen des Titels VI des Vertrages über die Europäische Union verabschiedet wurden, der die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres betrifft.

Denn zum einen geht aus Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 93/731 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten ausdrücklich hervor, daß dieser für alle Dokumente des Rates gilt und daß seine Anwendung daher unabhängig vom Gegenstand des Dokuments ist. Zum anderen muß der Beschluß 93/731, da gemäß Artikel K.8 Absatz 1 des Vertrages über die Europäische Union die in Durchführung von Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag, der die Rechtsgrundlage des Beschlusses 93/731 bildet, erlassenen Maßnahmen auf die Bestimmungen über die in Titel VI Vertrages über die Europäische Union genannten Bereiche Anwendung finden und, da dieser Beschluß keine entgegenstehende Bestimmung enthält, für die Dokumente gelten, die zu Titel VI gehören. Der Umstand, daß das Gericht gemäß Artikel L des Vertrages über die Europäische Union nicht für die Beurteilung der Rechtmässigkeit von Maßnahmen zuständig ist, die zu Titel VI dieses Vertrages gehören, steht seiner Zuständigkeit für Entscheidungen auf dem Gebiet des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen Maßnahmen nicht entgegen.

11 Die aus Artikel 190 des Vertrages folgende Verpflichtung zur Begründung von Einzelfallentscheidungen soll es zum einen den Betroffenen ermöglichen, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die ergriffene Maßnahme kennenzulernen, und zum anderen dem Gemeinschaftsrichter, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu kontrollieren. Die Begründung einer Entscheidung des Rates, mit der der Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten verweigert wird, muß somit - zumindest für jede betroffene Gruppe von Dokumenten - die spezifischen Gründe enthalten, aus denen die Offenlegung der gewünschten Dokumente nach Ansicht des Rates unter eine der Ausnahmen nach Artikel 4 Absätze 1 und 2 des Beschlusses 93/731, Schutz des öffentlichen Interesses einerseits und Geheimhaltung der Beratungen andererseits, fällt.

Den angegebenen Erfordernissen genügt eine Entscheidung, mit der dem Kläger der Zugang zu einer Reihe von Dokumenten des Rates verweigert wird, nicht, wenn diese Entscheidung nur angibt, daß die Verbreitung der betreffenden Dokumente das öffentliche Interesse (öffentliche Sicherheit) beeinträchtigen könnte und daß diese Dokumente Erörterungen des Rates einschließlich der von dessen Mitgliedern vertretenen Ansichten beträfen, die daher der Geheimhaltungspflicht unterlägen.

Da zum einen nicht die Gründe angegeben wurden, aus denen die Offenlegung der Dokumente tatsächlich irgendeinen Aspekt der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigen könnte, konnte der Kläger somit nicht die Gründe für die getroffene Maßnahme erkennen und damit seine Rechte nicht wahrnehmen, und folglich kann auch das Gericht nicht die Gründe beurteilen, aus denen die verweigerten Dokumente unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit) und nicht unter die Ausnahme zur Geheimhaltung der Erörterungen des Rates fallen sollten. Zum anderen ermöglicht in bezug auf die letztgenannte Ausnahme der Inhalt der angefochtenen Entscheidung dem Kläger und daher dem Gericht nicht die Prüfung, ob der Rat seine Verpflichtung aus Artikel 4 Absatz 2 des Beschlusses 93/731 erfuellt hat, das Interesse der Bürger, Informationen zu erhalten, gegen die Notwendigkeit der Geheimhaltung seiner Beratungen abzuwägen.

12 Die Bestimmungen über das Verfahren in Rechtssachen vor dem Gericht, zu denen Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz 3 der Dienstanweisung für den Kanzler und Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung gehören, wonach die Parteien Schutz gegen unangemessene Verwendung von Verfahrensstücken genießen, sind Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes einer geordneten Rechtspflege, daß die Parteien das Recht haben, ihre Interessen unabhängig von jeder äusseren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten.

Daher darf eine Partei, die Zugang zu den Verfahrensstücken der anderen Parteien hat, von diesen Stücken nur für die Vertretung ihrer eigenen Interessen und zu keinem anderen Zweck wie etwa dem Gebrauch machen, die Öffentlichkeit zur Kritik am Vorbringen der anderen Verfahrensbeteiligten zu bewegen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte erweiterte Kammer) vom 17. Juni 1998. - Svenska Journalistförbundet gegen Rat der Europäischen Union. - Zugang zu Informationen - Beschluß 93/731/EG des Rates - Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Ratsdokumenten - Nichtigkeitsklage - Zulässigkeit - Titel VI des Vertrages über die Europäische Union - Umfang der Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit - Geheimhaltung der Erörterungen des Rates - Begründung - Veröffentlichung der Klagebeantwortung im Internet - Verfahrensmißbrauch. - Rechtssache T-174/95.

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Die Mitgliedstaaten nahmen in die Schlussakte des Vertrages über die Europäische Union (im folgenden: EU-Vertrag), unterzeichnet in Maastricht am 7. Februar 1992, eine Erklärung (Nr. 17) zum Recht auf Zugang zu Informationen auf, die wie folgt lautet:

"Die Konferenz ist der Auffassung, daß die Transparenz des Beschlußverfahrens den demokratischen Charakter der Organe und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung stärkt. Die Konferenz empfiehlt daher, daß die Kommission dem Rat spätestens 1993 einen Bericht über Maßnahmen vorlegt, mit denen die den Organen vorliegenden Informationen der Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht werden sollen."

2 Am 8. Juni 1993 veröffentlichte die Kommission die Mitteilung 93/C 145/05 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Gemeinschaftsorgane befinden (ABl. C 156, S. 5), die am 5. Mai 1993 dem Rat, dem Parlament sowie dem Wirtschafts- und Sozialausschuß vorgelegt worden war. Am 17. Juni 1993 veröffentlichte sie die Mitteilung 93/C 166/04 über die Transparenz in der Gemeinschaft (ABl. C 166, S. 4), die am 2. Juni 1993 ebenfalls dem Rat, dem Parlament sowie dem Wirtschafts- und Sozialausschuß vorgelegt worden war.

3 Am 6. Dezember 1993 billigten der Rat und die Kommission einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. L 340, S. 41; im folgenden: Verhaltenskodex) und verpflichteten sich, vor dem 1. Januar 1994 die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung der im Kodex aufgestellten Grundsätze zu ergreifen.

4 Zur Erfuellung dieser Verpflichtung erließ der Rat am 20. Dezember 1993 den Beschluß 93/731/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (ABl. L 340, S. 43), um die im Verhaltenskodex aufgestellten Grundsätze durchzuführen. Er stützte sich für den Erlaß dieses Beschlusses auf Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag, der lautet: "Der Rat gibt sich eine Geschäftsordnung."

5 Artikel 1 des Beschlusses 93/731 lautet wie folgt:

"(1) Die Öffentlichkeit erhält Zugang zu den Dokumenten des Rates gemäß den Bedingungen dieses Beschlusses.

(2) Als Dokument des Rates gilt vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 2 unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz des Rates befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen."

6 Nach Artikel 2 Absatz 2 sind Anträge auf Zugang zu Dokumenten, deren Urheber nicht der Rat ist, direkt an den Urheber des Dokuments zu richten.

7 Artikel 4 Absatz 1 lautet wie folgt:

"(1) Der Zugang zu einem Ratsdokument darf nicht gewährt werden, wenn durch die Verbreitung des Dokuments folgendes verletzt werden könnte:

- der Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten);

- der Schutz des einzelnen und der Privatsphäre;

- der Schutz des Geschäfts- und Industriegeheimnisses;

- der Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft;

- die Wahrung der Vertraulichkeit, wenn dies von der natürlichen oder juristischen Person, die eine in dem Dokument enthaltene Information zur Verfügung gestellt hat, beantragt wurde oder aufgrund der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der eine der betreffenden Informationen bereitgestellt hat, erforderlich ist."

8 In Artikel 4 Absatz 2 heisst es weiter: "Der Zugang zu einem Ratsdokument kann zwecks Geheimhaltung der Erörterungen des Rates verweigert werden."

9 Artikel 2 Absatz 1 sowie die Artikel 3, 5 und 6 regeln namentlich das Verfahren, das bei der Einreichung von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten und der Antwort des Rates auf diese Anträge zu befolgen ist.

10 Artikel 7 lautet:

"(1) Die zuständigen Dienststellen des Generalsekretariats teilen dem Antragsteller innerhalb einer Frist von einem Monat schriftlich mit, ob seinem Antrag stattgegeben wird oder ob die Absicht besteht, ihn abzulehnen. Im letzteren Fall wird dem Antragsteller ausserdem mitgeteilt, welches die Gründe für die beabsichtigte Ablehnung sind, und daß er binnen eines Monats durch Einreichung eines Zweitantrags um Überprüfung dieses Standpunkts ersuchen kann und daß andernfalls davon ausgegangen wird, daß er seinen Erstantrag zurückgezogen hat.

(2) Ergeht innerhalb des auf die Einreichung des Antrags folgenden Monats keine Antwort, so gilt der Antrag als abgelehnt, es sei denn, der Antragsteller reicht innerhalb des folgenden Monats einen Zweitantrag gemäß Absatz 1 ein.

(3) Die Ablehnung eines Zweitantrags muß innerhalb eines Monats nach Antragstellung erfolgen und ist ordnungsgemäß zu begründen. Sie ist dem Antragsteller so bald wie möglich schriftlich mitzuteilen, wobei er zugleich über den Inhalt der Artikel 138e und 173 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zu unterrichten ist, die die Bedingungen für die Befassung des Bürgerbeauftragten durch natürliche Personen bzw. die Überwachung der Rechtmässigkeit der Handlungen des Rates durch den Gerichtshof betreffen.

(4) Ergeht innerhalb des auf die Einreichung des Zweitantrags folgenden Monats keine Antwort, so gilt der Antrag als abgelehnt."

Sachverhalt

11 Nach dem Beitritt des Königreichs Schweden zur Europäischen Union am 1. Januar 1995 beschloß der Kläger, zu prüfen, wie die schwedischen Behörden das Recht der schwedischen Bürger auf Information in bezug auf Dokumente handhabten, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Europäischen Union standen. Er setzte sich zu diesem Zweck mit 46 schwedischen Behörden, u. a. dem schwedischen Ministerium der Justiz und der nationalen Polizeidirektion (Rikspolisstyrelsen), in Verbindung. Er beantragte bei ihnen den Zugang zu einer Reihe von Dokumenten des Rates im Zusammenhang mit der Einrichtung des Europäischen Polizeiamtes (im folgenden: Europol), von denen sich 8 Dokumente im Besitz der nationalen Polizeidirektion und 12 im Besitz des Ministeriums der Justiz befanden. In Beantwortung dieses Antrags wurde dem Kläger Zugang zu 18 der 20 verlangten Dokumente gewährt. Der Zugang zu zwei Dokumenten wurde ihm vom Ministerium der Justiz wegen ihres Bezugs zu dem Standpunkt verweigert, den die niederländische und die deutsche Regierung bei den Verhandlungen eingenommen hätten. Ferner waren bestimmte Teile der Dokumente, zu denen der Zugang gewährt wurde, unleserlich gemacht worden. Bei bestimmten Dokumenten war schwer zu erkennen, ob Teile unleserlich gemacht worden waren.

12 Am 2. Mai 1995 beantragte der Kläger auch beim Rat den Zugang zu den gleichen 20 Dokumenten.

13 Mit Schreiben vom 1. Juni 1995 gab das Generalsekretariat des Rates dem Antrag auf Zugang nur für zwei Dokumente statt, die Mitteilungen über die Prioritäten einer künftigen französischen Ratspräsidentschaft auf dem Gebiet des Asyl- und Einwanderungswesens sowie der Justiz enthielten. Er verweigerte den Zugang zu den 18 anderen Dokumenten mit der Begründung, daß "die Dokumente 1 bis 15 und 18 bis 20 dem Grundsatz der Vertraulichkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses [93/731] [unterliegen]".

14 Am 8. Juni 1995 stellte der Kläger beim Rat einen Zweitantrag auf Überprüfung der Entscheidung, mit der der Zugang verweigert worden war.

15 Die zuständige Stelle des Generalsekretariats bereitete daraufhin zusammen mit dem Juristischen Dienst des Rates einen Vermerk für die Arbeitsgruppe "Information" des Ausschusses der Ständigen Vertreter (im folgenden: AStV) und des Rates vor. Ein Entwurf einer Antwort wurde zusammen mit dem vorherigen Schriftwechsel zwischen dem Kläger und dem Generalsekretariat des Rates neben einem Vermerk des Leiters der Generaldirektion Justiz und Inneres (GD H) des Rates, Elsen, das bei der Prüfung des Erstantrags vorbereitet worden war (im folgenden: Vermerk Elsen), verbreitet. Dieser Vermerk gab eine kurze Übersicht über den Inhalt der Dokumente und enthielt eine vorläufige Beurteilung der Möglichkeit ihrer Offenlegung. Er wurde dem Kläger erstmals im vorliegenden Verfahren als Anlage zur Klagebeantwortung des Rates übermittelt. Am 3. Juli 1995 entschied die Arbeitsgruppe "Information", zwei weitere Dokumente offenzulegen, den Zugang zu den 16 übrigen jedoch zu verweigern. In einer Sitzung vom 5. Juli 1995 genehmigte der AStV den von der Gruppe vorgelegten Entwurf einer Antwort.

16 Der Rat macht geltend, daß sich sämtliche betroffenen Dokumente im Besitz der Mitglieder des Rates befänden und daß Kopien der Dokumente auch in der Sitzung der Arbeitsgruppe "Information" vom 3. Juli hätten geprüft werden können.

17 Nach der Sitzung des AStV antwortete der Rat auf den Zweitantrag mit Schreiben vom 6. Juli 1995 (im folgenden: angefochtene Entscheidung); in diesem Schreiben gewährte der Rat Zugang zu zwei weiteren Dokumenten, lehnte jedoch den Antrag in bezug auf die 16 verbleibenden Dokumente ab.

18 Er führte aus:

"Nach Ansicht des Rates kann der Zugang zu diesen Dokumenten nicht gewährt werden, weil ihre Verbreitung das öffentliche Interesse (öffentliche Sicherheit) beeinträchtigen könnte und weil diese Dokumente Erörterungen des Rates einschließlich der von den Mitgliedern des Rates vertretenen Ansichten betreffen, die der Geheimhaltungspflicht unterliegen.

Schließlich möchte ich Sie auf die Artikel 138e und 173 EG-Vertrag hinweisen, die die Voraussetzungen regeln, unter denen eine natürliche Person gegen Handlungen des Rates eine Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einlegen oder eine Klage beim Gerichtshof erheben kann."

Verfahren

19 Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 22. September 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

20 Das Europäische Parlament hat mit Schriftsatz, der am 9. Februar 1996 eingegangen ist, seine Zulassung als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers beantragt. Später hat es seinen Antrag auf Zulassung als Streithelfer zurückgenommen.

21 Das Königreich Dänemark, das Königreich der Niederlande und das Königreich Schweden sind mit Beschluß des Präsidenten der Vierten Kammer des Gerichts vom 23. April 1996 als Streithelfer zur Unterstützung des Klägers zugelassen worden, während die Französische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Beklagten zugelassen worden sind.

22 Mit Schriftsatz, der am 3. April 1996 eingegangen ist, hat der Rat das Gericht darauf hingewiesen, daß bestimmte streitgegenständliche Dokumente, insbesondere seine Klagebeantwortung in der vorliegenden Rechtssache, im Internet verbreitet worden seien. Das Verhalten des Klägers stelle eine Beeinträchtigung des ordnungsgemässen Ablaufs des Verfahrens dar. Er hat beantragt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ähnliche Handlungen des Klägers in Zukunft zu verhindern.

23 Das Gericht hat entschieden, diesen Vorgang als Zwischenstreit im Sinne von Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung zu behandeln, und die Parteien aufgefordert, zu diesem Zwischenstreit Stellung zu nehmen. Bis zu ihrer Antwort ist das schriftliche Verfahren ausgesetzt worden. Der Kläger sowie die dänische, die französische, die niederländische, die schwedische und die Regierung des Vereinigten Königreichs haben Stellungnahmen eingereicht.

24 Aufgrund dieser Stellungnahmen hat das Gericht beschlossen, die Aussetzung unbeschadet der weiteren Behandlung dieses Zwischenstreits (siehe im folgenden Randnrn. 135 bis 139) zu beenden.

25 Das Gericht hat die Rechtssache mit Beschluß vom 4. Juni 1996 der Vierten erweiterten Kammer zugewiesen. Es hat einem Antrag des Rates vom 20. Juni 1996 auf Verweisung an das Plenum nicht stattgegeben.

26 Das schriftliche Verfahren ist am 7. April 1997 abgeschlossen worden.

Anträge der Parteien

27 Der Kläger, unterstützt durch das Königreich Dänemark und das Königreich der Niederlande, beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

28 Das Königreich Schweden beantragt, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

29 Der Rat beantragt,

- die Klage als insgesamt unzulässig abzuweisen;

- hilfsweise, die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie Dokumente betrifft, die sich bereits im Besitz des Klägers befinden und keine unleserlich gemachten Teile enthalten;

- weiter hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

- dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

30 Die Französische Republik beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

31 Das Vereinigte Königreich beantragt, die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen.

Zur Zulässigkeit

32 Der Rat erhebt mehrere Einreden der Unzulässigkeit, die in der Identität des Klägers, der Nichteinhaltung der Klagefrist, in fehlendem Rechtsschutzinteresse des Klägers und in der Unzuständigkeit des Gerichts ihren Grund haben. Diese Einreden sind zunächst zu erörtern.

Zur Identität des Klägers

33 Der Kläger, Svenska Journalistförbundet, ist der schwedische Journalistenverband. Er ist Eigentümer und Verleger einer Zeitung, der Tidningen Journalisten. Im Rubrum der Klageschrift sind "Svenska Journalistförbundets tidning" und "Tidningen Journalisten" angeführt. In der Klageschrift heisst es, daß der Kläger die Zeitschrift des Svenska Journalistförbundet sei, doch wird die Beziehung zwischen den beiden Einrichtungen nicht klar erläutert. Im schriftlichen Verfahren ist Tidningen Journalisten daher als "Klägerin" bezeichnet worden.

Vorbringen der Parteien

34 In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts haben die Prozeßbevollmächtigten des Klägers per Telefax vom 4. August 1997 erklärt, daß die Klage als Klage des Svenska Journalistförbundet als Eigentümer der Zeitschrift zu betrachten sei, denn nach schwedischem Recht sei nur der Verband zur Klageerhebung befugt.

35 In der mündlichen Verhandlung haben sie weiter erklärt, daß jede Unterscheidung zwischen Svenska Journalistförbundet und Tidningen Journalisten gekünstelt sei. Der Erst- und der Zweitantrag, die an den Rat gerichtet worden seien, seien auf Papier mit dem Briefkopf von Svenska Journalistförbundet und Tidningen Journalisten geschrieben worden, und der Rat habe Svenska Journalistförbundet geantwortet. Svenska Journalistförbundet sei daher von Anfang an an der Angelegenheit beteiligt gewesen.

36 Die niederländische Regierung führt aus, die Ansicht, eine von einer unabhängigen Abteilung einer juristischen Person erhobene Klage könne dieser juristischen Person nicht zugerechnet werden, beweise übermässigen Formalismus, da nunmehr klar sei, daß ein ordnungsgemässes Mandat für die Klageerhebung erteilt worden sei und daß die Belange der Verfahrensbeteiligten in keiner Weise verletzt worden seien.

37 Mit Schreiben vom 9. September 1997 hat der Rat geltend gemacht, daß Tidningen Journalisten, die er als Klägerin des vorliegenden Verfahrens betrachtet habe, nach der Antwort der Prozeßbevollmächtigten des Klägers nach schwedischem Recht nicht klagebefugt sei.

38 Selbst wenn Svenska Journalistförbundet an die Stelle von Tidningen Journalisten treten könne, könne er nicht als Adressat der Antwort des Rates vom 6. Juli 1995 betrachtet werden; er sei von dieser Entscheidung auch nicht unmittelbar und individuell betroffen.

39 Der Rat beantragt daher, die Klage als unzulässig abzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

40 Auf der ersten Seite der Klageschrift sind Tidningen Journalisten und "Svenska journalistförbundets tidning" angegeben.

41 Die den Prozeßbevollmächtigten des Klägers erteilte, gemäß Artikel 44 § 5 Buchstabe b der Verfahrensordnung nachgewiesene Prozeßvollmacht wurde von Lennart Lund, Chefredakteur der Zeitschrift Tidningen Journalisten, im Namen von Svenska Journalistförbundet unterzeichnet. Hierzu ist als Anlage zum Telefax vom 4. August 1997 (siehe oben, Randnr. 34) eine Bestätigung zu den Akten gereicht worden, wonach der Svenska Journalistförbundet tatsächlich Lennart Lund beauftragt habe, die vorliegende Klage einzureichen.

42 Daher ist die Klage in Wirklichkeit von Svenska Journalistförbundet in seiner Eigenschaft als Eigentümer von Tidningen Journalisten erhoben worden.

43 Da Svenska Journalistförbundet eine juristische Person ist, die nach schwedischem Recht klagebefugt ist, kann der Rat insoweit nicht die Unzulässigkeit der Klage einwenden.

44 Da er im übrigen seine beiden ablehnenden Entscheidungen vom 1. Juni und vom 6. Juli 1995 an "Herrn Christoph Andersson, Svenska Journalistförbundets tidning" richtete, kann er nicht geltend machen, daß Svenska Journalistförbundet nicht Adressat der angefochtenen Entscheidung sei.

Zur Klagefrist

Vorbringen der Parteien

45 Der Rat bezweifelt, daß die Klage fristgerecht eingereicht worden sei. Der Kläger habe die angefochtene Entscheidung am 10. Juli 1995 erhalten. Er habe für die Erhebung einer Nichtigkeitsklage über eine Frist von zwei Monaten von diesem Zeitpunkt an verfügt.

46 Artikel 1 der Anlage II zur Verfahrensordnung habe in ihrer damals geltenden Fassung für Parteien, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Großherzogtum Luxemburg gehabt hätten, eine Verlängerung der Verfahrensfristen

- für das Königreich Belgien um zwei Tage;

- für die Bundesrepublik Deutschland, das europäische Gebiet der Französischen Republik und das europäische Gebiet des Königreichs der Niederlande um sechs Tage;

- für das europäische Gebiet des Königreichs Dänemark, das Königreich Spanien, Irland, die Griechische Republik, die Italienische Republik, die Portugiesische Republik (mit Ausnahme der Azoren und Madeiras) und das Vereinigte Königreich um zehn Tage;

- für die anderen Länder und Gebiete Europas um zwei Wochen

vorgesehen.

47 Der Rat, unterstützt von der französischen Regierung, bezweifelt, daß die für die anderen Länder geltende Regelung auch für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gelte und vertritt die ¶nsicht, der Kläger habe seine Klage unter Wahrung einer Frist mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung von zehn Tagen einreichen müssen, um eine Diskriminierung von Klägern aus Ländern zu vermeiden, die von Luxemburg weiter entfernt seien als Schweden und die nur über eine Frist von zehn Tagen verfügten.

48 Der Kläger vertritt unter Berufung auf Artikel 1 der Anlage II in der wiedergegebenen Fassung die Ansicht, daß diese Bestimmung das Vorbringen des Rates nicht stütze. "Mitgliedstaaten" oder "Nichtmitgliedstaaten" würden nicht erwähnt. Da keine bestimmte Frist mit Rücksicht auf die Entfernung für Schweden festgesetzt gewesen sei, sei diesem die für alle nicht eigens aufgeführten europäischen Staaten geltende Frist von zwei Wochen zugute gekommen. Das Vorbringen des Rates in bezug auf eine Diskriminierung könne nicht überzeugen, denn zahlreiche Ortschaften in Belgien seien weiter von Luxemburg entfernt als bestimmte Ortschaften in den Niederlanden, doch verfügten sämtliche Einwohner Belgiens über eine Frist von zwei Tagen, während sämtlichen Einwohnern der Niederlande eine Frist von sechs Tagen zugute komme. Nur die Auslegung des Klägers könne die Anforderungen der Rechtssicherheit erfuellen.

49 Die schwedische und die niederländische Regierung unterstützen diese Auslegung. In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der schwedischen Regierung erklärt, diese habe früher über eine Frist von zwei Wochen verfügt.

Würdigung durch das Gericht

50 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Gemeinschaftsregelung über die Verfahrensfristen zum Schutz der Rechtssicherheit und wegen der Notwendigkeit, jede Diskriminierung oder willkürliche Behandlung bei der Gewährung von Rechtsschutz zu vermeiden, strikt einzuhalten (vgl. Beschluß des Gerichtshofes vom 5. Februar 1992 in der Rechtssache C-59/91, Slg. 1992, I-525, Randnr. 8).

51 Der Wortlaut von Artikel 1 der Anlage II zur Verfahrensordnung in der im Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung erlaubt nicht den Schluß, daß die für Schweden geltende Verfahrensfrist mit Rücksicht auf die räumliche Entfernung zehn Tage und nicht zwei Wochen betrug. Denn die Frist von zehn Tagen galt nur für bestimmte, namentlich bezeichnete Länder, zu denen Schweden nicht gehörte. Die Frist von zwei Wochen galt daher für die Länder und Gebiete Europas, für die keine kürzere Frist festgesetzt war, also auch für Schweden.

52 Somit ist die Klage fristgerecht erhoben worden.

Zum Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Nichtigkeitsklage

Vorbringen der Parteien

53 Der Rat bezweifelt auch die Zulässigkeit der Klage in bezug auf Dokumente, die der Kläger bereits von den schwedischen Behörden erhalten hatte, zumindest, soweit diese keine unleserlich gemachten Teile enthielten. Der Rat sei nicht davon unterrichtet worden, daß der Zweck des Antrags des Klägers darin bestanden habe, unleserlich gemachte Teile dieser Dokumente zu erhalten. Das Interesse des Klägers sei allgemeiner und politischer Art, da seine Absicht dahin gehe, zu gewährleisten, daß der Rat seinen eigenen Verhaltenskodex und den Beschluß 93/731 richtig durchführe.

54 Zwar sei sich der Rat dessen bewusst, daß der Kläger Adressat der angefochtenen Entscheidung sei, er bezweifle jedoch, daß der Beklagte von dieser Entscheidung tatsächlich im Sinne von Artikel 173 EG-Vertrag betroffen sei, der keine einzelnen Klagen im öffentlichen Interesse erlaube, sondern es nur Einzelpersonen ermögliche, Handlungen anzufechten, die sie im Vergleich zu anderen besonders beträfen.

55 Im vorliegenden Fall könne der Kläger keinen Vorteil aus der Erlangung des Zugangs zu Dokumenten ziehen, die sich bereits in seinem Besitz befänden. Das unzureichende Interesse daran, dieses Ergebnis zu erlangen, stelle einen Verfahrensmißbrauch dar.

56 Unterstützt von der französischen Regierung macht der Rat ferner geltend, daß die Weitergabe der in Rede stehenden Dokumente durch die schwedischen Behörden an den Kläger einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dargestellt habe, denn er habe nicht zuvor entschieden, diese Offenlegung zu genehmigen, und sei nicht einmal aufgefordert worden, darüber zu entscheiden. Einen Vorteil aus einer Zuwiderhandlung gegen das Gemeinschaftsrecht zu ziehen und anschließend beim Gericht auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zu klagen, deren Wirkungen durch diese Zuwiderhandlung umgangen worden seien, verletze das Rechtsbehelfssystem des Gemeinschaftsrechts. Der Umstand, daß die fraglichen Dokumente aufgrund einer gegen das Gemeinschaftsrecht verstossenden Maßnahme allgemein bekannt geworden seien, müsse daher den Kläger daran hindern, in dieser Angelegenheit Klage zu erheben.

57 Der Kläger erwidert, der Rat verwechsele die für Nichtigkeitsklagen gegen Entscheidungen, die von den Adressaten dieser Entscheidungen erhoben würden, geltenden Zulässigkeitsregeln mit denjenigen, die die von bestimmten Privatpersonen erhobenen Nichtigkeitsklagen gegen Verordnungen beträfen. Die Adressaten von Entscheidungen müssten ein Interesse an der Klageerhebung nachweisen, bräuchten jedoch nicht darzulegen, daß sie individuell betroffen seien.

58 Im vorliegenden Fall habe der Kläger ein ausreichendes Rechtsschutzinteresse, und dieses Interesse sei weder politisch noch allgemein. Tidningen Journalisten veröffentliche Artikel über bestimmte Themen von allgemeinem Interesse sowie über das Funktionieren der öffentlichen Verwaltungen und andere Fragen, die die Art und Weise beträfen, auf die die schwedischen Journalisten ihre Tätigkeit ausüben könnten. Aus diesem Grund habe der Kläger ein unmittelbares Interesse daran, Zugang zu den Dokumenten des Rates zu erhalten und im Fall der Weigerung aus Gründen, die eine falsche Anwendung der einschlägigen Bestimmungen bewiesen, die Nichtigerklärung der betreffenden Entscheidung zu erwirken, um sich davon zu vergewissern, daß das Organ seinen Standpunkt in Zukunft ändern werde. Der Umstand, daß der Kläger die Dokumente aus einer anderen Quelle erhalten habe, bedeute daher nicht, daß es ihm am Rechtsschutzinteresse fehle.

59 Da der Rat meine, daß die von den schwedischen Behörden ohne seine vorherige Genehmigung erhaltenen Dokumente rechtswidrig erlangt worden seien, verfüge der Kläger über einen zusätzlichen Grund, der die Feststellung der Zulässigkeit seiner Klage auch in bezug auf die Dokumente, die von den schwedischen Behörden vollständig übermittelt worden seien, rechtfertige. Anderenfalls würde jeder Gebrauch, den der Kläger von diesen Dokumenten mache, in Zweifel gezogen.

60 Der Kläger weist auch das Vorbringen des Rates zurück, daß das unzureichende Rechtsschutzinteresse in der vorliegenden Rechtssache einen Verfahrensmißbrauch darstelle. Zu dem Zeitpunkt, zu dem er Zugang zu den Dokumenten des Rates beantragt habe, habe er von der nationalen Polizeidirektion nur 8 der 20 in Rede stehenden Dokumente beantragt und erhalten. Die anderen 12 Dokumente seien am selben Tag, an dem der Antrag beim Rat auf Zugang zu den 20 Dokumenten eingereicht worden sei, beim schwedischen Ministerium der Justiz angefordert worden. Im übrigen enthalte ein erheblicher Teil der erhaltenen Dokumente unleserlich gemachte Teile. Der Kläger habe somit keine Garantie dafür gehabt, daß er sämtliche Dokumente in vollständiger Fassung erhalten habe. Der Rat habe vor dem Gericht nicht angegeben, welche Dokumente unleserlich gemachte Teile enthielten, obwohl er beantragt habe, die Klage als unzulässig abzuweisen, soweit sie übermittelte Dokumente betreffe, die solche Teile nicht enthielten. Dem Kläger habe daher nicht bekannt sein können, welche Dokumente keine unleserlich gemachten Teile enthalten hätten.

61 Die schwedische Regierung unterstützt das Vorbringen des Klägers zur Zulässigkeit. Sie teilt nicht die Ansicht des Rates zur Rechtswidrigkeit der Weiterleitung der Dokumente in Schweden nach dem Gemeinschaftsrecht. Es gebe keine implizite, auf einer gemeinsamen Rechtstradition beruhende Gemeinschaftsregel, wonach der Urheber eines Dokuments allein für die Entscheidung über die Weiterleitung dieses Dokuments zuständig sei.

62 Die niederländische Regierung wendet sich gegen das Vorbringen des Rates zum mangelnden Rechtsschutzinteresse des Klägers. Der Beschluß 93/731 sei ausdrücklich im öffentlichen Interesse erlassen worden. Der Kläger müsse daher kein besonderes Interesse nachweisen, um sich auf diesen Beschluß zu berufen. Mit der vorliegenden Klage sei sein Schutz als Adressat der streitigen Entscheidung bezweckt. Es handele sich nicht um eine im allgemeinen Interesse erhobene Klage. Der Kläger habe ein Interesse an der Verhinderung einer zukünftigen restriktiven Politik des Rates in bezug auf seine Anträge auf Zugang zu Dokumenten. Ferner indiziere die Ansicht des Rates, der Kläger habe Dokumente unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht in seinem Besitz, bereits das Vorliegen eines berechtigten Rechtsschutzinteresses. Es verstehe sich von selbst, daß das Interesse, das der Beschluß 93/731 anerkenne, den rechtmässigen Zugang zu einem Dokument betreffe.

63 Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs ist die Klage unzulässig, da der Kläger kein hinreichendes Interesse an der Entscheidung des Rechtsstreits habe. Die Klage stelle daher einen Verfahrensmißbrauch dar. Keiner der vom Kläger angegebenen Gründe reiche aus, um ein Interesse an der Erhebung einer Klage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag zu rechtfertigen.

Würdigung durch das Gericht

64 Der Kläger ist Adressat der angefochtenen Entscheidung. Als solchem obliegt ihm nicht der Nachweis, daß die Entscheidung ihn individuell und unmittelbar betrifft. Es genügt, daß er ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung dartut.

65 In bezug auf den Beschluß 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58) hat das Gericht bereits entschieden, daß dieser seinem Sinn und Zweck nach allgemein für Anträge auf Zugang zu Dokumenten gelten soll und daß nach diesem Beschluß jedermann die Einsicht in ein unveröffentlichtes Kommissionsdokument beantragen kann, ohne seinen Antrag begründen zu müssen (Urteil des Gerichts vom 6. Februar 1998 in der Rechtssache T-124/96, Interporc/Kommission, Slg. 1998, II-231, Randnr. 48).

66 Der Beschluß 93/731 dient der Umsetzung des Grundsatzes eines weitestmöglichen Zugangs der Bürger zur Information zum Zweck der Stärkung des demokratischen Charakters der Organe sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Verwaltung. Ebensowenig wie der Beschluß 94/90 macht er den Zugang der Öffentlichkeit zu den beantragten Dokumenten von einer besonderen Begründung abhängig.

67 Daher hat eine Person, der der Zugang zu einem Dokument oder zu einem Teil eines Dokuments verweigert wird, bereits aus diesem Grund ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung.

68 Im vorliegenden Fall ist mit der angefochtenen Entscheidung der Zugang zu 16 der beantragten 20 Dokumente verweigert worden. Daher hat der Kläger ein Interesse an der Nichtigerklärung dieser Entscheidung.

69 Daß die beantragten Dokumente allgemein bekannt sind, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Zur Zuständigkeit des Gerichts

Vorbringen der Parteien

70 Die französische Regierung macht geltend, die angefochtene Entscheidung falle unter die Regelung des Zugangs zu Dokumenten, die auf der Grundlage der Bestimmungen des Titels VI des EU-Vertrags verabschiedet worden seien. Keine Bestimmung dieses Titels regele die Voraussetzungen des Zugangs zu den aufgrund seiner Bestimmungen verabschiedeten Dokumenten. Da es an einer ausdrücklichen Bestimmung fehle, sei der Beschluß 93/731, der aufgrund von Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag erlassen worden sei, nicht auf Maßnahmen anwendbar, die aufgrund des Titels VI des EU-Vertrags erlassen worden seien.

71 Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht geltend, die Zuständigkeit des Gerichts erstrecke sich nicht auf den Bereich des Titels VI des EU-Vertrags und somit auf die Frage des Zugangs zu Dokumenten, die diese Gebiete beträfen. Justiz und Inneres fielen nicht in den Geltungsbereich des EG-Vertrags, sondern unterlägen der Zusammenarbeit zwischen den Regierungen. Aus Artikel E EU-Vertrag gehe eindeutig hervor, daß die erwähnten Organe ihre Befugnisse in bezug auf Justiz und Inneres nach Maßgabe und im Sinne des Titels VI des EU-Vertrags ausübten. Wenn sie diese Befugnisse ausübten, fielen sie in den Bereich des letztgenannten Titels und nicht in denjenigen des EG-Vertrags. Nach Artikel L EU-Vertrag gälten die Bestimmungen des EG-Vertrags betreffend die Zuständigkeit nicht für Titel VI des EU-Vertrags. Die Zuständigkeit des Gerichts sei daher sowohl für die verfahrensrechtlichen Fragen als auch für die Fragen der Begründetheit ausgeschlossen. Zudem sei es häufig unmöglich, diese beiden Arten von Fragen zu unterscheiden.

72 Die Regierung des Vereinigten Königreichs räumt ein, daß der Beschluß 93/731 Anwendung auf Dokumente finde, die unter Titel VI fielen, doch folge daraus nicht, daß das Gericht über die Verweigerung des Zugangs zu solchen Dokumenten befinden könne. Insbesondere könne das Gericht seine Rechtsprechung nicht mit der Begründung ausüben, daß der Beschluß 93/731 auf der Grundlage von Artikel 151 EG-Vertrag erlassen worden sei. Artikel 7 Absatz 3 dieses Beschlusses sei in diesem Zusammenhang unerheblich, denn die Verweisung auf die Möglichkeit einer Klage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag könne nicht zu einer Erweiterung der Zuständigkeit des Gerichts führen.

73 Nach Ansicht des Klägers geht aus dem Beschluß 93/731 selbst ausdrücklich hervor, daß das Gericht für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten über die Anwendung dieses Beschlusses zuständig sei, da dieser Beschluß klarstelle, daß seine Bestimmungen für jedes im Besitz des Rates befindliche Schriftstück gälten. Kriterium für die Anwendung des Beschlusses 93/731 sei daher, daß sich ein Schriftstück im Besitz des Rates befinde, unabhängig von seinem Gegenstand und abgesehen von Dokumenten, die von im Verhältnis zum Rat aussenstehenden Personen erstellt worden seien. Das Gericht habe in seinem Urteil vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache T-194/94 (Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Slg. 1995, II-2765) eine Entscheidung für nichtig erklärt, mit der der Rat den Klägern den Zugang zu vom Rat "Justiz und Inneres" erlassenen Entscheidungen verweigert habe, ohne daß der Rat in dieser Rechtssache die Zuständigkeit des Gerichts zur Prüfung einer Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten im Sinne von Titel VI des EU-Vertrags bestritten hätte.

74 Dieses Vorbringen wird von der schwedischen, der dänischen und der niederländischen Regierung unterstützt. Obwohl das Gericht für die Beurteilung der Rechtmässigkeit von Dokumenten, die Titel VI des EU-Vertrags unterlägen, nicht zuständig sei, sei es für Entscheidungen auf dem Gebiet des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen Dokumenten zuständig.

75 Die niederländische Regierung fügt hinzu, daß die angefochtene Entscheidung nicht aufgrund von Titel VI des EU-Vertrags erlassen worden sei und daß dieser Titel auch nicht die Rechtsgrundlage des Beschlusses 93/731 bilde. Das Gericht sei daher nicht für die Entscheidung eines Rechtsstreits im Rahmen der Zusammenarbeit in den Bereichen der Justiz und des Inneren als solcher zuständig.

Würdigung durch das Gericht

76 Vor der Erörterung der von der französischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs erhobenen Einrede der Unzulässigkeit ist deren Zulässigkeit anhand der Verfahrensordnung zu beurteilen.

77 Der Rat hat diese Einrede der Unzulässigkeit im schriftlichen Verfahren nicht erhoben. Mit den aufgrund eines Beitritts gestellten Anträgen könnten jedoch nur die Anträge einer Partei unterstützt werden (Artikel 37 Absatz 4 der EG-Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 46 der Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht anwendbar ist).

78 Daraus folgt, daß die französische Regierung und das Vereinigte Königreich die Zulässigkeit der Klagen nicht bestreiten können und daß das Gericht somit nicht verpflichtet ist, auf die von ihnen vorgebrachten Gründe einzugehen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnr. 22).

79 Das Gericht kann jedoch nach Artikel 113 der Verfahrensordnung jederzeit von Amts wegen prüfen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen einschließlich der von den Streithelfern geltend gemachten fehlen (Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-239/94, EISA/Kommission, Slg. 1997, II-1839, Randnr. 26).

80 Die von der französichen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs erhobene Einrede der Unzulässigkeit betrifft eine unverzichtbare Prozeßvoraussetzung, nämlich die Zuständigkeit des Gerichts. Sie kann daher vom Gericht von Amts wegen geprüft werden.

81 Aus Artikel 1 Absatz 2 und Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 93/731 geht ausdrücklich hervor, daß dieser für alle Dokumente des Rates gilt. Die Anwendung des Beschlusses 93/731 ist daher unabhängig vom Gegenstand des Dokuments.

82 Im übrigen finden gemäß Artikel K.8 Absatz 1 EU-Vertrag die in Durchführung von Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag, der die Rechtsgrundlage des Beschlusses 93/731 bildet, erlassenen Maßnahmen auf die Bestimmungen über die in Titel VI des EU-Vertrags genannten Bereiche Anwendung.

83 So gilt der Beschluß 93/662/EG des Rates vom 6. Dezember 1993 zur Festlegung seiner Geschäftsordnung (ABl. L 304, S. 1), der namentlich auf Artikel 151 Absatz 3 EG-Vertrag gestützt wurde, auch für die Tagungen des Rates, die Titel VI des EU-Vertrags betreffen.

84 Ebenso muß der Beschluß 93/731, da er keine entgegenstehende Bestimmung enthält, Anwendung auf die Dokumente finden, die zu Titel VI des EU-Vertrags gehören.

85 Der Umstand, daß das Gericht gemäß Artikel L EU-Vertrag nicht für die Beurteilung der Rechtmässigkeit von Maßnahmen zuständig ist, die zu Titel VI des EU-Vertrags gehören, steht seiner Zuständigkeit für Entscheidungen auf dem Gebiet des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen Maßnahmen nicht entgegen. Die Beurteilung der Rechtmässigkeit der angefochtenen Entscheidung fällt in seine Zuständigkeit zur Überprüfung der Rechtmässigkeit der vom Rat in Durchführung des Beschlusses 93/731 erlassenen Entscheidungen gemäß Artikel 173 EG-Vertrag. Sie bezieht sich nicht auf die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen auf den Gebieten der Justiz und des Inneren als solche. Im übrigen hat der Rat selbst den Kläger auf die Möglichkeit hingewiesen, seine Entscheidung mit einer Klage gemäß Artikel 173 EG-Vertrag anzufechten (siehe oben, Randnr. 18).

86 Daß die Dokumente zu Titel VI des EU-Vertrags gehören, ist nur insoweit zu berücksichtigen, als ihr Inhalt möglicherweise unter eine oder mehrere der im Beschluß 93/731 vorgesehenen Ausnahmen fällt. Dabei geht es um die materiell-rechtliche Prüfung der Rechtmässigkeit der Entscheidung über die Verweigerung des Zugangs, die der Rat getroffen hat, und nicht um die Zulässigkeit der Klage als solche.

87 Nach allem ist die Klage zulässig.

Zur Begründetheit

88 Der Kläger stützt seine Nichtigkeitsklage auf fünf Gründe: Verletzung des Grundprinzips des Gemeinschaftsrechts, das den Bürgern der Europäischen Union einen weitestgehenden und möglichst vollständigen Zugang zu den Dokumenten der Gemeinschaftsorgane zubillige; Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes; Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731; Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 2 dieses Beschlusses und Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag.

89 Zunächst werden der dritte und der fünfte Klagegrund gemeinsam geprüft.

Zum dritten und zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 und Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

- Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731

90 Der Kläger macht geltend, der Rat habe den möglichen Einfluß des Zugangs zu den beantragten Dokumenten auf die öffentliche Sicherheit der Europäischen Union nicht konkret abgeschätzt. Vielmehr sei der Umstand, daß es eines Zweitantrags bedurft habe, damit der Rat in die Weitergabe eines der Dokumente eingewilligt habe, das bereits dem Europäischen Parlament zugeleitet und daher in vollem Umfang allgemein bekannt gewesen sei, in diesem Zusammenhang besonders befremdlich.

91 In Ermangelung einer Definition des Begriffes der öffentlichen Sicherheit im Beschluß 93/731 schlägt der Kläger folgende Definition vor:

"Dokumente oder Auszuege von Dokumenten dürfen aufgrund der Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit nicht zugänglich gemacht werden, wenn die Bürger der Gemeinschaft, die Organe der Gemeinschaft oder die Behörden der Mitgliedstaaten durch den Zugang der Öffentlichkeit zu diesen Dokumenten oder Auszuegen von Dokumenten dem Terrorismus, der Kriminalität, der Spionage, Aufständen, einer Destabilisierung und Revolutionen ausgesetzt würden oder die Behörden an ihren Bemühungen zur Verhinderung solcher Vorkommnisse unmittelbar gehindert würden."

92 Er gibt sodann zur Untermauerung seiner Ansicht, der Rat habe von der Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit in rechtswidriger Weise Gebrauch gemacht, eine genaue Beschreibung des Inhalts sämtlicher angeforderter Dokumente ab, die sich in seinem Besitz befinden.

93 Der Kläger wendet sich gegen die Ansicht des Rates, daß es nicht im Interesse der öffentlichen Sicherheit liege, es denjenigen, die sich an unzulässigen Aktivitäten beteiligten, zu ermöglichen, genaue Kenntnis von den Strukturen und Mitteln zu erhalten, über die die polizeiliche Zusammenarbeit in der Europäischen Union verfüge. Diese Ansicht stehe in keinerlei Zusammenhang mit dem tatsächlichen Inhalt der betreffenden Dokumente. Beide Dokumente, zu denen die schwedischen Behörden den Zugang versagt hätten, beträfen nicht die öffentliche Sicherheit, sondern die Standpunkte, die das Königreich der Niederlande und die Bundesrepublik Deutschland in den Verhandlungen eingenommen hätten.

94 Der Rat bestreitet, die Ansicht vertreten zu haben, daß sämtliche Dokumente, die einen Bezug zu Europol hätten, von der Ausnahmeregelung im Zusammenhang mit der öffentlichen Sicherheit gedeckt seien. Der Umstand, daß vier Dokumente weitergegeben worden seien, beweise, daß eine konkrete Würdigung tatsächlich vorgenommen worden sei, als deren Ergebnis einige der angeforderten Dokumente hätten übermittelt werden können, andere nicht.

95 Der Rat macht, unterstützt von der französischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs, geltend, es sei nicht erforderlich, den Begriff der öffentlichen Sicherheit für die Anwendung des Beschlusses 93/731 eng zu definieren. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit sei zum Zweck der Berücksichtigung veränderter Umstände weit auszulegen. Jedenfalls könne nur der Rat selbst beurteilen, ob die Weitergabe eines bestimmten Dokuments den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit) beeinträchtigen könne.

96 Dies gelte erst recht für die Dokumente, die sich ausschließlich auf Fragen im Rahmen der Titel V und VI des EU-Vertrags bezögen. Der Rat habe keinen Zweifel, daß das Gericht, selbst wenn es sich für zuständig halten sollte, über Fragen betreffend den Zugang zu Dokumenten zu befinden, die sich ausschließlich auf Fragen des Titels VI des EU-Vertrags bezögen, seine Würdigung in diesem Punkt nicht an die Stelle derjenigen des Rates setzen werde.

97 Nach Ansicht des Rates ist die Zusammenfassung der Dokumente durch den Kläger weder objektiv noch genau.

98 Die schwedische Regierung stellt die Beschreibung in Frage, die der Rat von der Art und Weise abgegeben hat, auf die die Arbeitsgruppe "Information" und der AStV den Antrag auf Zugang zu den im vorliegenden Fall in Rede stehenden Dokumenten behandelt hätten.

99 Insbesondere seien die angeforderten Dokumente dem schwedischen Vertreter in der Arbeitsgruppe "Information" nicht vor deren Tagung zur Verfügung gestellt worden. Die Frage habe in der kurzen gesetzten Frist nicht in zufriedenstellender Weise vorbereitet werden können.

100 Der AStV habe nur zu der Frage Stellung genommen, ob die Entscheidung über den Antrag auf Übermittlung im schriftlichen Verfahren ergehen könne. Bei der Abstimmung des AStV vom 5. Juli 1995 hätten sich die schwedische Regierung und die Regierungen von vier anderen Mitgliedstaaten der Stimme enthalten. Die schwedische Regierung habe ferner eine Erklärung abgegeben, in der sie ihre Unzufriedenheit über die Art und Weise der Behandlung der Angelegenheit zum Ausdruck gebracht habe.

101 Die dänische Regierung teilt grösstenteils die Beanstandungen der schwedischen Regierung an dieser Art und Weise der Behandlung. Die Beurteilung der verschiedenen Dokumente durch den Rat sei rein formal erfolgt. Im Sekretariat des Rates habe man zunächst die Ausnahmemöglichkeiten von Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 geprüft. Man habe damals die Ansicht vertreten, daß die Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit allgemein die Geheimhaltung von Dokumenten über Europol begründen könne. Die Prüfung des Zweitantrags habe Zweifel daran entstehen lassen, ob diese Ausnahme wirklich allgemein für die Begründung der Verweigerung des Zugangs zu diesen Dokumenten herangezogen werden könne. Es sei daher beschlossen worden, als Rückzugsposition die Gründe auf ganz allgemeine Erwägungen von Artikel 4 Absatz 2 des Beschlusses 93/731 zu stützen. Die Erörterungen im Sekretariat des Rates seien nicht darauf konzentriert worden, ob die Veröffentlichung der Dokumente konkrete nachteilige Folgen für die öffentliche Sicherheit oder die Vertraulichkeit hervorrufen könne.

102 Die niederländische Regierung vertritt nach einer Untersuchung der betreffenden Dokumente die Ansicht, daß das Interesse der öffentlichen Sicherheit eine Verweigerung des Zugangs zu den Dokumenten nicht rechtfertigen könne. In bezug auf ein Dokument, das sich nicht in ihrem Besitz befinde, behält sie sich ihre Ansicht vor. Für die Beurteilung, ob der Rat berechtigt gewesen sei, den Zugang zu den betreffenden Dokumenten aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu verweigern, sei bei jedem einzelnen Dokument zu untersuchen, ob seine Verbreitung die grundlegenden Interessen der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten so sehr beeinträchtigen könne, daß ihre Existenz gefährdet werde. Zumindest in bezug auf vier Dokumente habe der Rat später eingewilligt, sie einem Journalisten, Herrn T., zu übergeben. Die Weigerung, dem Kläger Zugang zu diesen Dokumenten zu gewähren, stelle daher eine willkürliche Diskriminierung dar.

103 Der Rat besteht darauf, daß der Inhalt der Dokumente sehr wohl geprüft worden sei. Es gebe keinen Beleg dafür, daß die Stimmenthaltung anderer Mitgliedstaaten im Rat auf den gleichen Gründen beruhe wie diejenigen der schwedischen Regierung. Kein Mitgliedstaat habe gegen die bestätigende Entscheidung gestimmt oder sich der Erklärung der schwedischen Regierung angeschlossen.

- Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag

104 Der Kläger macht geltend, die in einem einzigen Satz formulierte Weigerung, Zugang zu 16 der 20 Dokumente zu gewähren, entspreche weder Artikel 190 EG-Vertrag noch Artikel 7 Absatz 3 des Beschlusses 93/731. Es sei ihm tatsächlich unmöglich gewesen, zu beurteilen, ob diese Weigerung vor dem Gericht angefochten werden sollte. Das Gericht könne ebenfalls nicht beurteilen, ob der Rat die erwähnten Ausnahmen richtig angewandt habe. Der Kläger habe nur deshalb dartun können, daß der Rat die erwähnten Ausnahmebestimmungen in der vorliegenden Angelegenheit in rechtswidriger Weise angewandt habe, weil er sich ganz oder teilweise im Besitz des wesentlichen Teils der angeforderten Dokumente befunden habe. Der Kläger beantragt, für die Beurteilung der Begründetheit der Entscheidung des Rates, sich auf die von ihm in Anspruch genommenen Ausnahmeregelungen zu berufen, die betreffenden Dokumente zu untersuchen.

105 Der Rat vertritt, unterstützt von der französischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs die Ansicht, daß die in der angefochtenen Entscheidung gegebene Begründung die Ziele des Rates im wesentlichen wiedergebe. Seine Entscheidung sei daher ordnungsgemäß begründet. Es würde zu weit gehen, eine besondere Begründung für jede der von ihm getroffenen technischen Entscheidungen zu verlangen. Wenn im Fall einer Ablehnung von Anträgen auf Zugang eine detaillierte Begründung gegeben werden müsste, würde der Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 zugrunde liegende Zweck vereitelt. Der Beschluß 93/731 sehe sehr kurze Fristen für die Bescheidung von Anträgen vor. Daher sei in Fällen, in denen sich die Anträge auf mehrere umfangreiche Dokumente bezögen, die Begründung, die gegeben werden könne, aus Sachzwängen kürzer als die Begründung, die auf Anträge mit begrenzterer Tragweite gegeben werden könne. Ferner hätten die angeforderten Dokumente ein sehr klares gemeinsames wesentliches Merkmal.

106 Nach Ansicht der schwedischen Regierung muß die Abwägung des Interesses des Rates an der Wahrung der Geheimhaltung seiner Erörterungen gegen das öffentliche Interesse daran, Zugang zu den Dokumenten zu erhalten, eigens für jedes Dokument vorgenommen werden; die angefochtene Entscheidung sei unzureichend begründet. Der Rat gebe nicht an, ob die beiden vorgebrachten Gründe für sämtliche Dokumente gälten, oder, wenn dies nicht der Fall sei, welcher oder welche dieser Gründe für die verschiedenen Dokumente gälten. Die Öffentlichkeit habe das Recht, anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Verfahrens oder der jeweiligen Angelegenheit zu erfahren, weshalb der Zugang zu einem bestimmten Dokument verweigert werde.

107 Die dänische Regierung macht geltend, es reiche nicht aus, allgemein auf Möglichkeiten von Ausnahmen zu verweisen und den Inhalt des Beschlusses 93/731 zu wiederholen. Eine ablehnende Entscheidung gemäß Artikel 4 Absatz 1 dieses Beschlusses könne nicht damit begründet werden, daß ganz allgemein behauptet werde, ein bestimmtes Interesse im Sinne von Absatz 1 wäre beeinträchtigt. Ebenso könne die Möglichkeit einer Ausnahme im Zusammenhang mit der Geheimhaltung gemäß Artikel 4 Absatz 2 keine allgemeine Weigerung rechtfertigen. Der Grundsatz der konkreten Beurteilung sei anwendbar. In bestimmten Fällen könne der Rat verpflichtet sein, Dokumente zu übermitteln und dabei Informationen unleserlich zu machen, deren Schutz gemäß Artikel 4 erforderlich sei.

108 Die niederländische Regierung macht ebenfalls geltend, der Grund, aus dem der Rat den Zugang zu den verschiedenen Dokumenten verweigert habe, bleibe im Dunkeln. Die streitige Entscheidung wiederhole nur die Kriterien des Artikels 4 des Beschlusses 93/731, ohne genau anzugeben, bei welchen Dokumenten der Zugang gemäß Artikel 4 Absatz 1 und bei welchen er gemäß Artikel 4 Absatz 2 verweigert werde. Im übrigen ermögliche die angefochtene Entscheidung bei den Dokumenten, für die der Zugang zur Wahrung der Geheimhaltung der Erörterungen des Rates verweigert worden sei, nicht die Feststellung, daß die Interessen ordnungsgemäß gegeneinander abgewogen worden seien.

Würdigung durch das Gericht

109 Der Beschluß 93/731 ist eine Maßnahme, die den Bürgern ein Recht auf Zugang zu den im Besitz des Rates befindlichen Dokumenten verleiht. Nach seiner Systematik gilt er allgemein für Anträge auf Zugang zu Dokumenten, und jedermann kann die Einsicht in jedes beliebige Ratsdokument beantragen, ohne seinen Antrag begründen zu müssen (siehe oben, Randnr. 65).

110 Artikel 4 dieses Beschlusses enthält zwei Gruppen von Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs der Bürger zu den Dokumenten des Rates. Diese Ausnahmen müssen eng ausgelegt und angewandt werden, um die Anwendung des allgemeinen Grundsatzes, der in diesem Beschluß verankert ist, nicht zu beeinträchtigen (vgl. für die entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses 94/90 Urteil des Gerichts vom 5. März 1997 in der Rechtssache T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, II-313, Randnr. 56).

111 Die erste Gruppe von Ausnahmen ist ihrem Wortlaut nach bindend. Sie sieht vor, daß der Zugang zu einem Dokument des Rates nicht gewährt werden darf, wenn seine Verbreitung den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten) verletzen könnte (siehe oben, Randnr. 7). Daher ist der Rat verpflichtet, den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die unter eine der in dieser ersten Gruppe aufgeführten Ausnahmen fallen, wenn der entsprechende Nachweis erbracht ist (vgl. Urteil Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Randnr. 64).

112 Jedoch folgt aus der Verwendung des Ausdrucks "könnte" im Konjunktiv Imperfekt, daß der Rat den Nachweis, daß die Offenlegung eines Dokuments den Schutz des öffentlichen Interesses verletzen könnte, nur in der Weise führen kann, daß er für jedes Dokument, zu dem der Zugang beantragt ist, prüft, ob dessen Offenlegung nach den ihm vorliegenden Informationen tatsächlich geeignet ist, einen der durch die erste Gruppe von Ausnahmen geschützten Aspekte des öffentlichen Interesses zu verletzen. Ist dies der Fall, muß der Rat den Antrag auf Zugang zu dem betreffenden Dokument ablehnen (Urteil Interporc/Kommission, Randnr. 52, und Urteil des Gerichts vom 19. März 1998 in der Rechtssache T-83/96, Van der Wal/Kommission, Slg. 1998, II-0000, Randnr. 43).

113 Hingegen enthält die zweite Gruppe nach ihrem Wortlaut eine Befugnisnorm. Danach kann der Rat den Zugang zu Dokumenten auch zum Schutz der Geheimhaltung seiner Beratungen verweigern (siehe oben, Randnr. 8). Somit verfügt der Rat über ein Ermessen, das es ihm erlaubt, einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten abzulehnen, die seine Beratungen betreffen. Er muß jedoch im Rahmen dieses Ermessens das Interesse des Bürgers am Zugang zu seinen Dokumenten tatsächlich gegen sein etwaiges Interesse an der Geheimhaltung seiner Beratungen abwägen (vgl. Urteil Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Randnrn. 64 und 65).

114 Ausserdem kann er sich zugleich auf eine Ausnahme der ersten und auf eine Ausnahme der zweiten Gruppe berufen, um den Zugang zu den Dokumenten zu verweigern, die sich in seinem Besitz befinden, da der Beschluß 93/731 ihm dies nicht untersagt. Es ist nämlich möglich, daß die Offenlegung bestimmter Dokumente durch den Rat sowohl das durch die erste Gruppe von Ausnahmen geschützte Interesse als auch das Interesse des Rates an der Geheimhaltung seiner Beratungen beeinträchtigt (vgl. Urteil WWF UK/Kommission, Randnr. 61).

115 Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung den Begründungserfordernissen aus Artikel 190 EG-Vertrag entspricht.

116 Die Verpflichtung zur Begründung von Einzelfallentscheidungen soll es zum einen den Betroffenen ermöglichen, zur Wahrnehmung ihrer Rechte die tragenden Gründe für die ergriffene Maßnahme kennenzulernen, und zum anderen dem Gemeinschaftsrichter, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu kontrollieren (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 15, und Urteil des Gerichts vom 12. Januar 1995 in der Rechtssache T-85/94, Branco/Kommission, Slg. 1995, II-45, Randnr. 32).

117 Die Begründung einer Entscheidung, mit der der Zugang zu Dokumenten verweigert wird, muß somit - zumindest für jede betroffene Gruppe von Dokumenten - die spezifischen Gründe enthalten, aus denen die Offenlegung der gewünschten Dokumente nach Ansicht des Rates unter eine der Ausnahmen nach dem Beschluß 93/731 fällt (Urteile WWF UK/Kommission, Randnrn. 64 und 74, und Interporc/Kommission, Randnr. 54).

118 In der angefochtenen Entscheidung (siehe oben, Randnr. 18) gibt der Rat einfach an, daß die Offenlegung der 16 fraglichen Dokumente das öffentliche Interesse (öffentliche Sicherheit) beeinträchtige und daß diese Dokumente die Beratungen des Rates einschließlich der von seinen Mitgliedern vertretenen Ansichten beträfen und aus diesem Grund der Pflicht zur Geheimhaltung unterlägen.

119 Obwohl sich der Rat gleichzeitig auf die zwingende Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit) und die fakultative Ausnahme der Geheimhaltung seiner Beratungen beruft, gibt er nicht genau an, ob er sich in bezug auf sämtliche verweigerten Dokumente auf beide Ausnahmen zugleich beruft, oder ob er der Ansicht ist, daß bestimmte Dokumente von der ersten Ausnahme und andere von der zweiten gedeckt seien.

120 Die Verweigerung des Zugangs wurde ursprünglich im Schreiben vom 1. Juni 1995 allein auf "den Grundsatz der Vertraulichkeit im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731" gestützt, doch hat der Rat trotzdem auf den Zweitantrag hin den Zugang zu zwei weiteren Dokumenten, nämlich einem Bericht über die Tätigkeit der Drogeneinheit von Europol (Dokument Nr. 4533/95) und einer vorläufigen Tagesordnung einer Sitzung des K.4-Ausschusses (Dokument Nr. 4135/95) gewährt, die offensichtlich zu den Tätigkeiten des Rates im Rahmen von Titel VI des EU-Vertrags gehören. Wenn der Umstand, daß solche Dokumente unter Titel VI des EU-Vertrags fallen, bereits bedeutet, daß sie von der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit) gedeckt sind, hätte der Rat den Zugang zu diesen Dokumenten nicht gewähren dürfen. Daß der Rat den Zugang zu diesen beiden Dokumenten nach Abwägung der betreffenden Interessen gewähren zu dürfen glaubte, setzt voraus, daß seiner Ansicht nach nicht sämtliche unter Titel VI fallenden Dokumente automatisch unter die erste Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit) fallen. Im übrigen räumt der Rat selbst ein, daß seiner Ansicht nach nicht sämtliche unter Titel VI fallenden Dokumente automatisch unter die erste Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit) fallen. Im übrigen räumt der Rat selbst ein, daß seiner Ansicht nach nicht sämtliche Dokumente im Zusammenhang mit Europol von der Ausnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit gedeckt werden.

121 Die Rechtsprechung des Gerichtshofes zeigt, daß der Begriff öffentliche Sicherheit nicht nur eine Bedeutung hat. Dieser Begriff umfasst neben der inneren wie der äusseren Sicherheit eines Mitgliedstaats (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-70/94, Werner, Slg. 1995, I-3189, Randnr. 25) auch eine Unterbrechung der Versorgung mit Erzeugnissen von wesentlicher Bedeutung wie Erdölerzeugnissen, die eine Gefahr für die Existenz eines Staates darstellen kann (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1984 in der Rechtssache 72/83, Campus Oil u. a., Slg. 1984, 2727, Randnr. 34). Er kann auch Sachverhalte erfassen, in denen der Zugang der Öffentlichkeit zu bestimmten Dokumenten unmittelbar die Bemühungen der Behörden behindern würde, Straftaten zu verhindern, wie der Kläger ausführt.

122 Der Vermerk Elsen (siehe oben, Randnr. 15) zeigt jedoch, daß die meisten der Dokumente, zu denen der Zugang verweigert wurde, nur die Verhandlungen über den Erlaß des Europol-Übereinkommens, insbesondere die Stellungnahmen der Präsidentschaft und anderer Delegationen im Rahmen dieser Verhandlungen, nicht aber die Tätigkeit von Europol betrafen. Da der Rat nicht die Gründe angegeben hat, aus denen die Offenlegung der Dokumente tatsächlich irgendeinen Aspekt der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigen könnte, konnte der Kläger somit nicht die Gründe für die getroffene Maßnahme erkennen und damit seine Rechte nicht wahrnehmen. Folglich kann auch das Gericht nicht die Gründe beurteilen, aus denen die verweigerten Dokumente unter die Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit) und nicht unter die Ausnahme zur Geheimhaltung der Erörterungen des Rates fallen sollten.

123 Der Rat kann nicht behaupten, er habe im vorliegenden Fall nicht erläutern können, weshalb diese Ausnahme anwendbar sei, ohne deren wesentliche Funktion zu beeinträchtigen, wie sie sich aus der Natur des zu schützenden öffentlichen Interesses und dem bindenden Charakter dieser Ausnahme ergibt. Denn der Vermerk Elsen zeigt eindeutig, daß die Gründe, aus denen bestimmte Dokumente nicht an den Kläger weitergegeben werden sollten, angegeben werden konnten, ohne deren Inhalt offenzulegen.

124 Was schließlich die Ausnahme zur Geheimhaltung der Beratungen des Rates betrifft, so hat dieser in der angefochtenen Entscheidung nicht spezifisch angegeben, daß sämtliche Dokumente, auf die sich der Antrag auf Zugang bezog, von der Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses gedeckt seien (siehe oben, Randnr. 119). Der Kläger konnte daher nicht ausschließen, daß ihm der Zugang zu einem Teil der Dokumente verweigert wurde, weil sie nur von der Ausnahme zur Geheimhaltung der Erörterungen des Rates gedeckt seien.

125 Der Inhalt der angefochtenen Entscheidung ermöglicht jedoch dem Kläger und daher dem Gericht nicht die Prüfung, ob der Rat seine Verpflichtung aus Artikel 4 Absatz 2 des Beschlusses 93/731 erfuellt hat, die jeweiligen Interessen tatsächlich gegeneinander abzuwägen. Denn die angefochtene Entscheidung führt nur an, daß die angeforderten Dokumente die Beratungen des Rates einschließlich der von seinen Mitgliedern vertretenen Ansichten betrafen, lässt aber nicht erkennen, daß der Rat das Interesse der Bürger, Informationen zu erhalten, gegen die Notwendigkeit der Geheimhaltung seiner Beratungen abgewogen hat (vgl. Urteil Carvel und Guardian Newspapers/Rat, Randnr. 74).

126 In der ersten Antwort des Rates, die dem Kläger auf französisch übermittelt wurde, obwohl dieser seinen Erstantrag auf deutsch gestellt hatte, wird zur Begründung seiner Ansicht, daß die Dokumente "dem Grundsatz der Geheimhaltung" unterlägen, nur Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 angeführt. Sie ermöglicht es daher dem Kläger und dem Gericht ebenfalls nicht, zu prüfen, ob der Rat die seinerzeit bestehenden Interessen tatsächlich gegeneinander abgewogen hat.

127 Nach allem entspricht die angefochtene Entscheidung nicht den Begründungserfordernissen des Artikels 190 EG-Vertrag und ist aufzuheben, ohne daß die übrigen vom Kläger geltend gemachten Gründe oder der Inhalt der Dokumente selbst geprüft zu werden brauchten.

Zum Antrag der niederländischen Regierung, den Gerichtshof um Vorlage einer Note zu ersuchen

128 Die niederländische Regierung beantragt, den Gerichtshof zu ersuchen, eine von seinem Dokumentationsdienst für die Zwecke des Urteils des Gerichtshofes vom 30. April 1996 in der Rechtssache C-58/94 (Niederlande/Rat, Slg. 1996, I-2169) erstellte Note vorzulegen.

129 Da das vorliegende Urteil nicht auf diese Note gestützt wird, braucht über diesen Antrag nicht entschieden zu werden.

Zur Verbreitung der Klagebeantwortung im Internet

Vorbringen der Parteien

130 Wie in Randnummer 22 ausgeführt, hat der Rat das Gericht mit Schriftsatz, der am 3. April 1996 eingegangen ist, darauf hingewiesen, daß bestimmte Schriftstücke, insbesondere seine Klagebeantwortung in der vorliegenden Rechtssache, im Internet verbreitet worden seien. Das Verhalten des Klägers stelle eine Beeinträchtigung des ordnungsgemässen Verfahrensablaufs dar. Insbesondere sei der Wortlaut der Klagebeantwortung vom Kläger vor der Einspeisung in das Internet verändert worden. Ferner seien Namen und Dienstanschrift der verantwortlichen Bediensteten des Rates angegeben und die Öffentlichkeit aufgefordert worden, ihnen Kommentare zu der Rechtssache zu senden. Der Rat hat beantragt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ähnliche Handlungen des Klägers in Zukunft zu verhindern.

131 Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz, der am 3. Mai 1996 eingegangen ist, erklärt, sie seien an der Verbreitung der Klagebeantwortung und anderer die Rechtssache betreffender Schriftstücke im Internet nicht beteiligt gewesen. Vor dem Zugang des Schreibens der Kanzlei des Gerichts hätten sie von diesem Sachverhalt keine Kenntnis gehabt. Sie hätten alsbald den Kläger gebeten, sämtliche Dokumente aus dem Internet zurückzuziehen, und ihm mitgeteilt, sie fühlten sich andernfalls nicht mehr in der Lage, ihn zu vertreten.

132 Der Kläger hat mit Schriftsatz, der am 24. Mai 1996 eingegangen ist, bestätigt, daß er die Dokumente im Internet veröffentlicht habe, ohne seine Prozeßbevollmächtigten davon zu unterrichten. Die Änderung der Klagebeantwortung habe rein praktische Gründe gehabt; mit ihr sei weder bezweckt gewesen, den Inhalt des Schriftsatzes zu verändern noch die Sache des Rates zu schwächen. Der Kläger habe lediglich wegen der für die Einspeisung in das Internet erforderlichen Zeit versucht, die Klagebeantwortung durch Weglassen bestimmter Teile zu kürzen. Keineswegs habe er beabsichtigt, Druck auf den Rat auszuüben. Namen und Dienstanschrift der Bediensteten des Rates seien nur deshalb einbezogen worden, weil sie Kenntnis von der Rechtssache gehabt hätten, nicht um die Öffentlichkeit zu ermutigen, unmittelbar mit ihnen als Einzelpersonen Kontakt aufzunehmen.

133 Der Kläger hat sich verpflichtet, keine weiteren Schriftstücke, die zwischen den Parteien ausgetauscht werden, ins Internet einzuspeisen oder auf andere Weise zu veröffentlichen, und künftig über die Angelegenheit nur unter den üblichen journalistischen Bedingungen zu berichten. Er hat ferner ausgeführt, er habe sich entschieden, die Klagebeantwortung aus dem Internet zurückzuziehen. Die Einspeisung in das Internet sei jedoch von einer unabhängigen Vereinigung, Grävande Journalister (eine Vereinigung schwedischer Enthüllungsjournalisten und -chefredakteure) vorgenommen worden, die es abgelehnt habe, die Klagebeantwortung zurückzuziehen. Da das schwedische Recht dem Kläger keine rechtliche Möglichkeit an die Hand gebe, diese Vereinigung hierzu zu verpflichten, sei diese für die Beibehaltung der Klagebeantwortung im Internet verantwortlich.

134 Die schwedische Regierung hat mit Schriftsatz, der am 28. Mai 1996 eingegangen ist, erklärt, daß der Leiter des Juristischen Dienstes des Justizministeriums vom Kläger die Klagebeantwortung erhalten und später eine Kopie davon einer Journalistin überlassen habe, ohne daß der Kläger Einwendungen erhoben habe. Dabei habe der Leiter des Juristischen Dienstes berücksichtigt, daß eine detaillierte Zusammenfassung des wesentlichen Inhalts der Klagebeantwortung, in der die Namen der betreffenden Bediensteten angegeben worden seien, vom Kläger bereits veröffentlicht worden sei. Weiter sei berücksichtigt worden, daß es sich um ein Schriftstück gehandelt habe, das der schwedischen Regierung nicht von einem Organ der Gemeinschaft, sondern von einem einzelnen zugeleitet worden sei, der darüber habe verfügen können und der bereits gezeigt habe, daß er bereit gewesen sei, es zu verbreiten. Das Ministerium sei in keiner Weise an der Veröffentlichung der Klagebeantwortung im Internet beteiligt gewesen; dieses Vorgehen werde als Provokation betrachtet.

Würdigung durch das Gericht

135 Nach den Bestimmungen über das Verfahren in Rechtssachen vor dem Gericht genießen die Parteien Schutz gegen unangemessene Verwendung von Verfahrensstücken. So kann gemäß Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz 3 der Dienstanweisung für den Kanzler vom 3. März 1994 (ABl. L 78, S. 32) keine dritte Person des Privatrechts oder öffentlichen Rechts ohne ausdrückliche, nach Anhörung der Parteien erteilte Genehmigung des Präsidenten die Akten der Rechtssache oder die Verfahrensvorgänge einsehen. Ferner kann der Präsident nach Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung geheime oder vertrauliche Unterlagen von der Übermittlung an einen Streithelfer in einer Rechtssache ausnehmen.

136 Diese Bestimmungen sind Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes einer geordneten Rechtspflege, daß die Parteien das Recht haben, ihre Interessen unabhängig von jeder äusseren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten.

137 Daher darf eine Partei, die Zugang zu den Verfahrensstücken der anderen Parteien hat, von diesen Stücken nur für die Vertretung ihrer eigenen Interessen und zu keinem anderen Zweck wie etwa dem Gebrauch machen, die Öffentlichkeit zur Kritik am Vorbringen der anderen Verfahrensbeteiligten zu bewegen.

138 Das Verhalten des Klägers im vorliegenden Fall - die Einspeisung einer geänderten Fassung der Klagebeantwortung in das Internet, verbunden mit einer Aufforderung an die Öffentlichkeit, Kommentare an die Bediensteten des Rates zu senden, und der Angabe der Telefon- und Telefaxnummern dieser Bediensteten - sollte offenkundig Druck auf den Rat ausüben und die Öffentlichkeit dazu bewegen, die Bediensteten des Organs in Ausübung ihres Dienstes zu kritisieren.

139 Dieses Verhalten stellt einen Verfahrensmißbrauch dar, der bei der Aufteilung der Kosten zu berücksichtigen sein wird (siehe Randnr. 140), da dieser Zwischenstreit zu einer Aussetzung des Verfahrens geführt und besondere zusätzliche Erklärungen sämtlicher Verfahrensbeteiligter erforderlich gemacht hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

140 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Im vorliegenden Fall hat der Kläger beantragt, dem Rat die Kosten aufzuerlegen. Das Gericht kann jedoch nach Artikel 87 § 3 die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn ein aussergewöhnlicher Grund gegeben ist. Unter Berücksichtigung des klägerischen Verfahrensmißbrauchs sind dem Rat nur zwei Drittel der Kosten des Klägers aufzuerlegen.

141 Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Streithelfer ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT

(Vierte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung des Rates vom 6. Juli 1995, mit der dem Kläger der Zugang zu bestimmten Dokumenten im Zusammenhang mit dem Europäischen Polizeiamt (Europol) verweigert wird, wird für nichtig erklärt.

2. Der Rat trägt ausser seinen eigenen Kosten zwei Drittel der Kosten des Klägers.

3. Das Königreich Dänemark, die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, das Königreich Schweden sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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