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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 19.05.1999
Aktenzeichen: T-176/95
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 95/477/EG, Vertrag auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen


Vorschriften:

EGV Art. 81 Abs. 1
EGV Art. 85
Entscheidung 95/477/EG
Vertrag auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen Art. 85 Abs. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Eine Klausel einer Vereinbarung zwischen Unternehmen, durch die einem Abnehmer der Weiterverkauf oder die Ausfuhr der erworbenen Ware verboten werden soll, ist ihrem Wesen nach geeignet, die Märkte abzuschotten und damit den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

2 Eine Klausel einer Vereinbarung zwischen Unternehmen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, ist nicht allein deshalb dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) entzogen, weil die Vertragspartner sie nicht angewandt haben.

Die Kommission kann daher zu Recht annehmen, daß eine Zuwiderhandlung, die erwiesenermassen der Abschluß und die Beteiligung der Vertragsparteien an einer Alleinvertriebsvereinbarung ist, die eine Klausel enthält, deren Zweck gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstösst, erst mit der Streichung der fraglichen Klausel durch diese Vertragsparteien beendet wird.

3 Für eine vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages genügt es, wenn dem Unternehmen bewusst war, daß das gerügte Verhalten eine Wettbewerbsbeeinträchtigung bezweckte, gleichviel, ob es sich dabei auch bewusst war, gegen ein in diesen Regeln enthaltenes Verbot zu verstossen. Die Äusserung eines Rechtsberaters, auf die sich der Betreffende beruft, kann ihn insoweit nicht entschuldigen.

4 Die wegen eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln der Vertrages verhängte Geldbusse muß den Umständen und der Schwere der Zuwiderhandlung entsprechen; bei der Beurteilung der Schwere ist insbesondere die Art der Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 19. Mai 1999. - Accinauto SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Artikel 81 Absatz 1 EG (früher Artikel 85 Absatz 1) - Alleinvertriebsvereinbarung - Paralleleinfuhren. - Rechtssache T-176/95.

Entscheidungsgründe:

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

Parteien und betroffene Erzeugnisse

1 Die Klägerin ist eine Gesellschaft belgischen Rechts mit Sitz in Brüssel. Sie vertreibt seit 1937 die Autoreparaturlacke des BASF-Konzerns in Belgien und Luxemburg. Seit 1974 ist sie in diesem Vertragsgebiet Alleinvertriebshändler für Glasurit-Produkte. Ihr Umsatz belief sich im Steuerjahr 1991 auf 738 Mio. BFR, wovon ca. 85 % mit BASF-Produkten erzielt wurden.

2 Die BASF Coatings AG, ehemals: BASF Lacke + Farben AG (im folgenden: BASF), ist eine Gesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Münster-Hiltrup (Deutschland) und stellt u. a. Autoreparaturlacke her, die unter der Marke Glasurit vertrieben werden. Sie erzielte im Jahr 1991 einen Umsatz von 1,668 Mrd. DM; davon entfielen 314 Mio. DM auf Autoreparaturlacke weltweit und 243 Mio. DM auf Autoreparaturlacke innerhalb der Gemeinschaft.

3 Glasurit-Produkte werden vertrieben:

- über BASF-Tochtergesellschaften in den Niederlanden, in Italien, Frankreich und Spanien, im Vereinigten Königreich sowie in Irland, Österreich, Schweden und Finnland,

- durch unabhängige Vertriebshändler im Rahmen von Alleinvertriebsvereinbarungen in Belgien, Luxemburg, Dänemark und Portugal,

- über fünf regionale Alleinvertriebshändler in Deutschland,

- über einen unabhängigen Vertriebshändler ohne Alleinvertriebsrechte in Griechenland.

4 Im Vereinigten Königreich und in Irland werden die Autoreparaturlacke des BASF-Konzerns durch die BASF Coating and Inks Ltd (im folgenden: BASF C & I), eine hundertprozentige Tochtergesellschaft des BASF-Konzerns, vertrieben.

5 Autoreparaturlacke sind von Lacken für Neufahrzeuge zu unterscheiden, obwohl sie die gleiche Zusammensetzung haben und auf den gleichen Produktionslinien hergestellt werden. Lacke für Neufahrzeuge sind für Automobilhersteller, Autoreparaturlacke für Reparaturwerkstätten bestimmt. Deshalb werden Autoreparaturlacke in anderen Aufmachungen und Mengen als Lacke für Neufahrzeuge vertrieben.

6 Im Zeitraum 1985 bis 1992 waren die Endverbraucher-Nettopreise für Autoreparaturlacke einschließlich der Glasurit-Produkte im Vereinigten Königreich durchschnittlich höher als in Belgien.

Ablauf des Verwaltungsverfahrens

7 Die Ilkeston Motor Factories Ltd (im folgenden: IMF) und die Calbrook Cars Ltd (im folgenden: Calbrook), zwei Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich und Vertriebshändler für Autoreparaturlacke, reichten am 28. Januar 1991 eine Beschwerde wegen Verstosses der BASF und der Klägerin gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln bei der Kommission ein.

8 Die Beschwerdeführerinnen hatten nach eigenem Vortrag seit 1986 bei der Klägerin - die IMF direkt, die Calbrook über die IMF - Glasurit-Produkte bezogen. Auf Veranlassung der BASF habe die Klägerin im Sommer 1990 die Belieferung eingestellt. Die BASF und die Klägerin hätten sich hierbei abgestimmt, um die Paralleleinfuhren von Glasurit-Produkten in das Vereinigte Königreich durch die Beschwerdeführerinnen zu verhindern.

9 Die Kommission nahm am 26. Juni 1991 Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der BASF, der BASF C & I, der Klägerin und der Firma Technipaint vor, einer 1982 von den Direktoren der Klägerin gegründeten Gesellschaft mit gleichem Sitz wie diese.

10 Sie erhielt anschließend von den verschiedenen Beteiligten schriftliche Auskünfte gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

11 Am 12. Mai 1993 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die BASF und die Klägerin.

12 Am 23. September 1993 fand in dieser Angelegenheit eine mündliche Anhörung statt.

13 Nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen erließ die Kommission am 12. Juli 1995 die Entscheidung 95/477/EG vom 12. Juli 1995 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/33.802 - BASF Lacke + Farben AG und SA Accinauto) (ABl. L 272, S. 16; im folgenden: angefochtene Entscheidung). Diese Entscheidung wurde der BASF am 21. Juli 1995 zugestellt.

Inhalt der angefochtenen Entscheidung

14 Im verfügenden Teil der streitigen Entscheidung stellt die Kommission fest, daß die Vereinbarung zwischen der BASF und der Klägerin, wonach letztere vom 8. Oktober 1982 bis 31. Dezember 1991 verpflichtet gewesen sei, von ausserhalb des Vertragsgebiets kommende Kundenanfragen an die BASF weiterzuleiten, gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) verstosse. Wegen ihrer jeweiligen Beteiligung an dieser Zuwiderhandlung verhängte die Kommission gegen die BASF eine Geldbusse von 2 700 000 ECU und gegen die Klägerin eine Geldbusse von 10 000 ECU.

15 In den Begründungserwägungen dieser Entscheidung stellt die Kommission fest, daß sich die Klägerin nach § 2 Absatz 2 Unterabsatz 1 der im Juni/Oktober 1982 zwischen der BASF und der Klägerin rückwirkend zum 1. Januar 1981 geschlossenen Alleinvertriebsvereinbarung (im folgenden: Vereinbarung von 1982) verpflichtet habe, von ausserhalb des Vertragsgebiets kommende "Kundenanfragen" an die BASF "weiterzuleiten". Diese Wendung sei in dem Sinne zu verstehen, daß derjenige, an den "weitergeleitet" werde, an die Stelle desjenigen trete, der "weiterleite". Infolgedessen sei es der Klägerin untersagt gewesen, selbständig über die Belieferung von ausserhalb Belgiens oder Luxemburgs ansässigen Kunden zu entscheiden. Vielmehr habe die BASF entschieden, ob und unter welchen Bedingungen die Klägerin, sie selbst oder ein Dritter Bestellungen erfuellen dürfe.

16 Ihre Auslegung von § 2 der Vereinbarung werde durch die Art und Weise bestätigt, in der die Parteien der Vereinbarung diese Bestimmung ständig angewendet hätten.

17 Als die IMF im März 1986 zum ersten Mal Kontakt mit der Klägerin aufgenommen habe, habe diese eine "Sondergenehmigung" für die Aufnahme der Belieferung erhalten. Die BASF habe diese Genehmigung erteilt, weil sie die Parallelausfuhren von Glasurit-Produkten in das Vereinigte Königreich habe "kanalisieren und normalisieren" wollen. Dies sei im Zusammenhang mit den Maßnahmen zu sehen, die die BASF in den Jahren 1985 und 1986 gegen Paralleleinfuhren ergriffen habe. Neun Monate lang habe sie die von den Vertriebshändlern in Belgien, den Niederlanden und Deutschland verkauften Erzeugnisse gekennzeichnet, um zu ermitteln, über welche Kanäle Glasurit-Produkte auf den britischen Markt gelangten.

18 Im Juni 1989 habe die BASF die Klägerin aufgefordert, die IMF und die übrigen britischen Kunden nicht mehr zu beliefern. Die Entscheidung, die ursprünglich genehmigten Parallelausfuhren in das Vereinigte Königreich einzustellen, sei also von der BASF getroffen worden.

19 Die Klägerin habe sich jedoch über das Verbot der BASF hinweggesetzt. Ab Juli 1989 habe sie die Verkäufe an die IMF über Technipaint fakturiert und damit ihre Lieferungen in das Vereinigte Königreich ohne Wissen der BASF fortgesetzt.

20 Ende Mai 1990 habe die Klägerin die Lieferungen an die IMF eingestellt, nachdem die BASF ihre Kontrolle verstärkt habe. Die BASF C & I habe darauf hingewiesen, daß das Problem der Paralleleinfuhren grösser werde und daß sie Beweise für die Existenz einer belgischen Quelle habe.

21 Seit diesem Zeitpunkt habe sich die Klägerin ohne jede Einschränkung an die Vereinbarung von 1982 gehalten. Die Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln sei erst am 1. Januar 1992 beendet worden, dem Tag, an dem rückwirkend eine neue Vertriebsvereinbarung in Kraft getreten sei, die von ihren Parteien am 14. Dezember 1992 und 22. Januar 1993 unterzeichnet worden sei. Diese Vereinbarung enthalte nicht mehr die beanstandete Klausel, wonach die Klägerin zur Weiterleitung von nicht aus dem Vertragsgebiet kommenden Kundenanfragen an die BASF verpflichtet gewesen sei.

22 Mit § 2 Absatz 2 der Vereinbarung von 1982 sei eine Beschränkung des Wettbewerbs zwischen der Klägerin und anderen Anbietern von Autoreparaturlacken der Marke Glasurit, insbesondere zwischen der Klägerin und der BASF C & I, bezweckt und bewirkt worden. Diese Vereinbarung sei geeignet gewesen, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, indem sie für Glasurit-Produkte Parallelausfuhren aus Belgien in das Vereinigte Königreich eingeschränkt habe.

23 Ihre Entscheidung, gegen die BASF und gegen die Klägerin Geldbussen zu verhängen, begründet die Kommission damit, das Verbot von Passivverkäufen stehe im Widerspruch zu dem Ziel der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und stelle einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar, das in dieser Frage - auch was die betroffenen Erzeugnisse und den betroffenen Markt angehe - eindeutig sei. Die BASF und Klägerin hätten diese Zuwiderhandlung auch vorsätzlich begangen.

Verfahren

24 Die vorliegende Klage ist mit am 25. September 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift erhoben worden.

25 In ihrer Klageschrift beantragt die Klägerin, im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen anzuordnen, daß ihr ein vollständiges Protokoll der Anhörung vom 23. September 1993 in französischer Sprache überlassen wird.

26 Die ursprünglich der Ersten erweiterten Kammer zugewiesene Rechtssache ist gemäß den Artikeln 14 und 51 der Verfahrensordnung mit Beschluß des Gerichts vom 4. Dezember 1997 an die Erste Kammer verwiesen worden.

27 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die von der Klägerin beantragten prozeßleitenden Maßnahmen nicht anzuordnen. Ausserdem hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne weitere prozeßleitende Maßnahmen und ohne vorherige Beweisaufnahme anzuordnen.

28 Die Parteien haben in der Sitzung vom 13. Januar 1998 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

29 Nach dem Amtsantritt eines neuen Mitglieds des Gerichts ist die Zusammensetzung der Ersten Kammer durch Beschluß des Gerichts vom 10. März 1998 geändert worden.

30 Im Hinblick auf Artikel 33 § 2 der Verfahrensordnung hat das Gericht (Erste Kammer) in seiner neuen Zusammensetzung mit Beschluß vom 13. März 1998 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 62 der Verfahrensordnung angeordnet.

31 Die Parteien sind in der Sitzung vom 2. April 1998 nicht erschienen. Auf Vorschlag der Klägerin nach Anhörung der Beklagten hat das Gericht den Parteien erlaubt, sich ohne neue Anhörung auf ihre mündlichen Ausführungen vom 13. Januar 1998 zu beziehen und Abschriften dieser Ausführungen einzureichen; diese sind am 14. April 1998 in das Register der Kanzlei eingetragen worden.

Anträge der Parteien

32 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie sie betrifft;

- hilfsweise, die gegen sie in Artikel 2 dieser Entscheidung festgesetzte Geldbusse aufzuheben oder herabzusetzen;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

- die Beklagte zu verurteilen, ihr neben der Rückzahlung der Geldbusse Zinsen in der gleichen Höhe (9,5 %) zu zahlen, wie sie die Beklagte in Artikel 2 Ziffer 2 der angefochtenen Entscheidung festgesetzt hat.

33 Die Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

34 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Nichtigkeitsgründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften geltend, da die Verteidigungsrechte missachtet worden seien. Der zweite Klagegrund wird auf einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag gestützt, da die Kommission zu Unrecht festgestellt habe, daß die Vereinbarung von 1982 gegen diese Bestimmung verstosse.

Zum Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften

Vorbringen der Parteien

35 Die Klägerin macht geltend, dadurch, daß die Kommission ihr keine vollständig in französischer Sprache abgefasste Fassung des Protokolls der Anhörung vom 23. September 1993 zur Verfügung gestellt habe, habe sie gegen Artikel 3 der Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. 1958, Nr. 17, S. 385) verstossen. Nach dieser Bestimmung sind "Schriftstücke, die ein Organ der Gemeinschaft an einen Mitgliedstaat oder an eine der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaates unterstehende Person richtet,... in der Sprache dieses Staates abzufassen".

36 Das Protokoll der Anhörung stelle eine Verfahrensunterlage im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 und Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) dar. Als beteiligtes Unternehmen habe sie Anspruch darauf, daß ihr das Protokoll in der Sprache des Staates übermittelt werde, dem sie angehöre (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnrn. 48 und 49).

37 Da sie nicht über eine schriftliche Unterlage mit der Übersetzung der Erklärungen der übrigen Beteiligten der Anhörung, die sich hierbei auf französisch oder englisch geäussert hätten - insbesondere derjenigen der Vertreter der BASF, der beschwerdeführenden Unternehmen und der Mitgliedstaaten -, verfügt habe, habe sie ihre Verteidigung im Verwaltungsverfahren nicht sachgemäß vorbereiten können. Zwar habe die Kommission in der Sitzung für ein Simultandolmetschen dieser Erklärungen gesorgt; für das Verständnis der der Klägerin zur Last gelegten Rügen sei jedoch eine französische Übersetzung des gesamten Protokolls wesentlich, insbesondere um es ihr zu ermöglichen, die hierbei angesprochenen Sachfragen mit ihren Angestellten zu klären, die in der Sitzung nicht anwesend gewesen seien. Ihre Verteidigungsrechte seien daher verletzt worden.

38 Die Kommission vertritt demgegenüber die Ansicht, das Anhörungsprotokoll stelle kein "Schriftstück" im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 1 vom 15. April 1958 dar. In der Rechtsprechung zu Wettbewerbssachen sei diese Bestimmung nur auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und auf die im Verwaltungsverfahren ergangenen Entscheidungen angewandt worden. Das Protokoll diene dazu, die Ausführungen der Vertreter der einzelnen Beteiligten festzuhalten, und werde diesen nur übersandt, damit sie die Richtigkeit der Wiedergabe ihrer eigenen Ausführungen überprüfen könnten (Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnrn. 72 bis 75). Es handele sich nicht um ein Schriftstück, das für die am Verfahren beteiligten Unternehmen angefertigt werde.

- Würdigung durch das Gericht

39 Nach Artikel 9 Absatz 4 der Verordnung Nr. 99/63 vom 25. Juli 1963 wird "über die wesentlichen Erklärungen jeder angehörten Person... eine Niederschrift angefertigt. Die Niederschrift wird verlesen und von der angehörten Person genehmigt."

40 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die Klägerin von ihren wesentlichen Erklärungen in der Sitzung vom 23. September 1993, die in der Niederschrift in französischer Sprache festgehalten wurden, in zweckdienlicher Weise Kenntnis nehmen konnte und daß sie nicht behauptet, daß diese Niederschrift in bezug auf sie wesentliche Unrichtigkeiten oder Auslassungen enthalte.

41 Die Klägerin bestreitet auch nicht, daß es ihr aufgrund des Simultandolmetschens möglich gewesen sei, den Ausführungen der übrigen angehörten Personen zu folgen.

42 Sie kann sich nicht auf das Fehlen einer Übersetzung der Teile des Protokolls berufen, die in einer anderen Sprache als der des Mitgliedstaats abgefasst wurden, dem sie angehört, um eine Verletzung ihrer Verteidigungsrechte darzutun. Das Fehlen einer Übersetzung kann nämlich im vorliegenden Fall keine nachteiligen Folgen haben, die das Verwaltungsverfahren fehlerhaft machen könnten (Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 52, und Parker Pen/Kommission, Randnr. 74).

43 Eine andere Beurteilung kann sich auch nicht aus angeblichen Schwierigkeiten der Klägerin bei der Vorbereitung ihrer Verteidigung ergeben, da sie in der Sitzung vertreten war und die Kommission ihr eine schriftliche Unterlage zur Verfügung gestellt hat, die die Erklärungen der übrigen Beteiligten in deren Originalsprache enthielt.

44 Der Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften ist daher zurückzuweisen.

Zum Klagegrund einer Verletzung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag, soweit die Kommission zu Unrecht festgestellt habe, daß die Vereinbarung von 1982 gegen diese Bestimmung verstosse

45 Die Klägerin wendet sich in erster Linie gegen die Behauptung, daß die Vereinbarung von 1982 eine gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstossende Absprache zur Verhinderung von Paralleleinfuhren von Glasurit-Produkten in das Vereinigte Königreich dargestellt habe. Die Kommission habe Beurteilungsfehler begangen erstens bei ihrer Auslegung von § 2 Absatz 2 dieser Vereinbarung, zweitens bei ihrer Schlußfolgerung, daß die Durchführung der Vereinbarung durch deren Parteien (im folgenden: Vertragsparteien) ihre Auslegung dieser Vereinbarung bestätige, drittens bei ihrer Beurteilung der Wirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb und auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten, viertens, was den Zeitpunkt der Abstellung des angeblichen Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln angehe, und fünftens bei der Bemessung der Geldbusse.

Erster Teil: Auslegung von § 2 Absatz 2 der Vereinbarung von 1982

- Vorbringen der Parteien

46 Die Klägerin trägt vor, mit der Wendung, "Kundenanfragen weiterzuleiten" in § 2 Absatz 2 der Vereinbarung von 1982 sei ausschließlich die Weiterleitung von Informationen gemeint gewesen, die es der BASF erlaubt habe, ihre Vertriebsorganisation und ihre Handelsstrategie besser zu planen sowie ihre Verpflichtung zu erfuellen, den Markt im Fall von Lieferschwierigkeiten gleichmässig zu versorgen.

47 Sowohl in § 2 Absatz 1 als auch in § 2 Absatz 2 bedeute "weiterleiten" "informieren". In § 2 sei nämlich keine Verpflichtung zur Weiterleitung von Bestellungen vorgesehen gewesen, da sich diese Verpflichtung implizit aus dem der Klägerin nach § 1 eingeräumten Recht zum Alleinvertrieb im Vertragsgebiet ergebe. § 2 beziehe sich auch nur auf "Anfragen" von Kunden, die nur auf die Erteilung von Auskünften über die Liefermöglichkeiten und -bedingungen gerichtet seien. Er gelte also nicht für Bestellungen der Kunden.

48 Mit keinem Wort werde in § 2 Absatz 2 der Vereinbarung erwähnt, daß für Verkäufe ausserhalb des Vertragsgebiets die Zustimmung der BASF erforderlich wäre.

49 Nach § 4 Absätze 1 und 2 der Vereinbarung von 1982 habe sich die Klägerin verpflichtet, die BASF regelmässig über die allgemeine Marktsituation zu unterrichten und einen Jahresbericht über den Absatz zu erstellen. Da § 4 jedoch nur auf Informationen über die Tätigkeit im Vertragsgebiet anwendbar gewesen sei, würden Informationen über von ausserhalb dieses Gebietes kommende Anfragen an sie nur von § 2 Absatz 2 der Vereinbarung gedeckt. Die Informationen über die Verkäufe ausserhalb des Vertragsgebiets seien auch für sie von grosser Bedeutung, insbesondere um es der BASF zu ermöglichen, sie hinsichtlich der in den Bestimmungsländern der Ausfuhren geltenden Qualitäts-, Schulungs- und Zulassungsvoraussetzungen zu unterrichten.

50 Auch die Entstehungsgeschichte der Vereinbarung sei von Bedeutung, um zu verstehen, mit welcher Sensibilität die Beteiligten die Frage der Vereinbarkeit der Vereinbarung mit den Wettbewerbsregeln in der Gemeinschaft behandelt hätten. Der frühere Alleinvertriebsvertrag zwischen der Klägerin und dem Rechtsvorgänger der BASF sei der Kommission 1969 mitgeteilt worden. Auf Beanstandungen der Kommission hin hätten die Vertragsparteien 1970 auf eine Klausel verzichtet, wonach der Klägerin die Ausfuhr von zum Vertragsgegenstand gehörenden Waren aus dem Vertragsgebiet in andere Länder nicht gestattet sei.

51 Unter Berücksichtigung dieses Vertragsvorgängers habe die Klägerin zur Zeit der zu der Vereinbarung von 1982 führenden Verhandlungen vom Leiter der Rechtsabteilung der BASF die Versicherung erhalten, daß der neue § 2 Absatz 2 mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Da die Vertragsparteien keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmässigkeit dieser Klausel gehabt hätten, hätten sie es nicht für notwendig gehalten, die Vereinbarung von 1982 der Kommission mitzuteilen.

52 Die Kommission hält die von der Klägerin vorgebrachten Gründe für diese Auslegung der in § 2 Absatz 2 der Vereinbarung vorgesehenen Weiterleitungsverpflichtung für nicht überzeugend. Sie bekräftigt, daß diese Bestimmung ein verdecktes Verbot nicht zuvor genehmigter passiver Ausfuhrverkäufe und keine blosse Verpflichtung zur Weiterleitung von Informationen enthalte.

- Würdigung durch das Gericht

53 § 2 der Vereinbarung von 1982 ist mit "Alleinvertriebsrecht und Wettbewerbsverbot" überschrieben. § 2 Absatz 2 Satz 1 lautet: "Der Vertragshändler verpflichtet sich, von ausserhalb des Vertragsgebietes kommende Kundenanfragen an [die BASF] weiterzuleiten und ausserhalb des Vertragsgebietes weder Kunden zu werben noch Niederlassungen oder Auslieferungsläger für den Vertrieb von Vertragsprodukten zu unterhalten."

54 Zwischen den Parteien des vorliegenden Verfahrens ist unstreitig, daß der letzte Teil dieser Vertragsklausel ein nach dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zulässiges Verbot aktiver Verkaufsmaßnahmen des Vertragshändlers ausserhalb des Vertragsgebiets enthält. Der Streit über die zutreffende Auslegung dieser Klausel bezieht sich daher nur auf den Teil, der die Passivverkäufe an ausserhalb des Vertragsgebiets ansässige Kunden betrifft.

55 Bei der Prüfung der Frage, ob die Parteien der Vereinbarung von 1982 eine Beschränkung der Freiheit des Vertragshändlers, Passivverkäufe der Erzeugnisse, die Gegenstand des Alleinvertriebsvertrags sind, an in anderen Mitgliedstaaten ansässige Kunden zu tätigen, vereinbart haben und ob sie damit eine nach Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verbotene Vereinbarung geschlossen haben, hat das Gericht mehrere Auslegungskriterien zu berücksichtigen. Zu diesen Kriterien gehören neben der Prüfung des Wortlauts von § 2 Absatz 2 und des Anwendungsbereichs der übrigen Klauseln des Vertrages, die mit der in § 2 Absatz 2 vorgesehenen Verpflichtung des Vertragshändlers in Zusammenhang stehen, auch die Prüfung der den Abschluß und die Durchführung dieser Vereinbarung betreffenden rechtlichen und tatsächlichen Umstände, die Aufschluß über deren Zweck geben können.

56 Der Wortlaut von § 2 Absatz 2 weist klar darauf hin, daß die Vertragsparteien eine Sonderregelung für die Behandlung von Anfragen vereinbart haben, die von ausserhalb des Vertragsgebiets ansässigen Kunden stammen. Die Klausel schweigt jedoch dazu, zu welchem Zweck diese Anfragen dem Hersteller zu übermitteln sind und welche Folgen sich daraus für die Freiheit des Vertragshändlers, die gewünschten Passivverkäufe zu tätigen, insbesondere dann ergeben, wenn die Anfragen von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Kunden stammen.

57 Im Rahmen einer wörtlichen Auslegung dieser Klausel kommt es darauf, daß die Weiterleitungsverpflichtung für Anfragen, mit denen nur die Liefermöglichkeiten und -bedingungen der Klägerin in Erfahrung gebracht werden sollten, und nicht für die Bestellungen galt, die von ausserhalb des Vertragsgebiets ansässigen Kunden aufgegeben wurden, nicht an. Wie die Kommission hervorgehoben hat, hätte der Kunde bei einer negativen Beantwortung einer gemäß dieser Klausel weitergeleiteten Anfrage gar nicht erst bei der Klägerin zu bestellen brauchen. Daraus, daß der Vertragshändler verpflichtet war, die den Bestellungen vorausgehenden Anfragen weiterzuleiten, kann nicht geschlossen werden, daß seine Entscheidungsfreiheit in vollem Umfang aufrechterhalten blieb und er bei der Ausführung der Bestellungen keinen Beschränkungen unterworfen war.

58 Was die Einfügung von § 2 Absatz 2 in die Vereinbarung und die Feststellung seines Zweckes im Vergleich zu dem anderer Klauseln betrifft, die einen Informationsaustausch zwischen den Vertragsparteien vorsehen, so ist erstens die Auffassung der Klägerin zurückzuweisen, wonach die Weiterleitungsverpflichtungen des § 2 Absätze 1 und 2 den Auskunftsverpflichtungen nach § 4 der Vereinbarung wesensgleich seien. Zwar war die Klägerin nach § 4 Absätze 1 und 2 verpflichtet, die BASF regelmässig über den Absatz und die Marktsituation im Vertragsgebiet zu unterrichten; diese Auskünfte waren jedoch allgemeiner Natur und nach jedem Kalenderjahr durch zusammenfassende Berichte aufzuschlüsseln. Im Gegensatz dazu sieht § 2 Absätze 1 und 2 vor, daß entweder der Vertragshändler oder der Hersteller unverzueglich über den Eingang von Anfragen unterrichtet wird, je nachdem, ob diese von im Vertragsgebiet oder von ausserhalb des Vertragsgebiets ansässigen Kunden ausgehen. Es ist somit festzustellen, daß die Weiterleitungsverpflichtungen nach § 2, soweit sie die gegenseitige Unterrichtung über spezifische Lieferanfragen vorsehen, von anderer Art sind als die Auskunftsverpflichtungen nach § 4.

59 Zweitens ist festzustellen, daß die Verpflichtung der BASF aus § 2 Absatz 1, an den Vertragshändler alle Anfragen und Informationen weiterzuleiten, die geeignet sind, den Verkauf der betreffenden Produkte im Vertragsgebiet zu ermöglichen, auf das an die BASF gerichtete Verbot folgt, sich im Vertragsgebiet anderer Vertriebswege zu bedienen. Die in dieser Klausel vorgesehene Weiterleitungsverpflichtung gehört damit ebenso wie das Verbot, sich anderer Vertriebswege zu bedienen, insoweit zum Kerngehalt des der Klägerin gewährten Ausschließlichkeitsrechts, als sie zu dessen tatsächlicher Ausübung notwendig ist. Folglich ist die Auslegung der Klägerin, wonach der Begriff "weiterleiten" sowohl in Absatz 1 als auch in Absatz 2 des § 2 nur bedeute, daß die andere Vertragspartei vom Bestehen von Lieferanfragen "unterrichtet" werde, zurückzuweisen.

60 Da sich die Weiterleitungsverpflichtung des Vertragshändlers nach § 2 Absatz 2 der Vereinbarung nur auf von ausserhalb des Vertragsgebiets kommende Anfragen bezieht, kann nicht angenommen werden, daß der einzige Zweck dieser Klausel darin besteht, es der BASF zu ermöglichen, ihre Vertriebsorganisation und ihre Handelsstrategie besser zu planen. Die Kommission hat zu Recht darauf hingewiesen, daß, wenn die BASF über Menge und Art der Erzeugnisse hätte informiert werden wollen, die Gegenstand der an die Klägerin gerichteten Anfragen gewesen seien, die Weiterleitungsverpflichtung in gleichem Umfang auch für Anfragen von im Vertragsgebiet ansässigen Kunden hätte gelten müssen. Ausserdem hätten diese Informationen der BASF statt vor jeder einzelnen Lieferung regelmässig in allgemeiner Form oder im Rahmen zusammenfassender Berichte, wie sie in § 4 der Vereinbarung vorgesehen sind, erteilt werden können. Auch hätte die BASF nicht im voraus zu wissen brauchen, wohin die bei der Klägerin bestellten Waren gingen, um begrenzte Liefermengen gleichmässig auf ihre Vertragshändler aufteilen zu können. Ihr Interesse daran, Informationen über den Exportabsatz zu erhalten, um insbesondere die Werbezuschüsse, die sie jedem Vertragshändler gewährt habe, berechnen zu können, hätte auch durch eine Verpflichtung, zusammenfassende Berichte über diesen Absatz zu erstellen, befriedigt werden können. Das Interesse der Klägerin daran, Informationen über die auf den Märkten, für die die Erzeugnisse bestimmt gewesen seien, geltenden Bedingungen zu erhalten - unterstellt, ein solches Interesse bestand tatsächlich -, hätte überdies auch anders als durch die vorherige Unterrichtung des Herstellers über die Ausfuhren befriedigt werden können.

61 Folglich können die Erklärungen der Klägerin über den Zweck der Weiterleitungsverpflichtung aus § 2 Absatz 2 der Vereinbarung von 1982 nicht die Auffassung der Kommission widerlegen, daß diese Klausel ein verdecktes Verbot nicht vorher genehmigter passiver Ausfuhrverkäufe enthalte.

62 Die mehrdeutige Abfassung der beanstandeten Klausel der Vereinbarung von 1982 durch deren Parteien und der Umstand, daß es sich bei dem darin enthaltenen Ausfuhrverbot um ein verdecktes Verbot gehandelt hat, lassen sich überdies aus der Entstehungsgeschichte der Vereinbarung erklären. Den Vertragsparteien war nämlich aufgrund ihrer Erfahrung hinreichend bewusst, daß eine ausdrückliche Beschränkung der Freiheit des Vertragshändlers, Passivverkäufe ausserhalb des Vertragsgebiets vorzunehmen, gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verstösst. Trotzdem haben sie ihre Absicht klar zum Ausdruck gebracht, die von ausserhalb des Vertragsgebiets kommenden Anfragen einem besonderen Mitteilungssystem zu unterwerfen, das den Hersteller stillschweigend in die Lage versetzte, das Verhalten des Vertragshändlers im Hinblick auf Ausfuhren zu beeinflussen, wenn sich dies als notwendig erwies.

63 Mithin ist zu prüfen, ob, wie die Kommission vorträgt, ihre Auslegung von § 2 Absatz 2 der Vereinbarung von 1982 weiter dadurch bestätigt wird, daß die Vertragsparteien eine Absprache durchgeführt haben, mit der Parallelausfuhren von Glasurit-Produkten in das Vereinigte Königreich verhindert werden sollten.

Zweiter Teil: Durchführung der Vereinbarung

- Vorbringen der Parteien

64 Nach Ansicht der Klägerin zeigt die Durchführung der streitigen Vereinbarung, daß die Kommission den Begriff "weiterleiten" irrig ausgelegt habe. Die Tatsachen bestätigten vielmehr ihre eigene Auslegung dieser Vereinbarung.

65 Als die IMF im März 1986 erstmals eine Anfrage an sie gerichtet habe, habe ihr Direktor Dudoüt nur zu dem Zweck Kontakt mit der BASF aufgenommen, sich über die Marktlage und die Verfügbarkeit der nachgefragten Erzeugnisse zu erkundigen. Herr Dudoüt sei nur ausnahmsweise im Export tätig gewesen und habe den Anfragen entnommen, daß es sich bei den Bestellungen für den britischen Markt voraussichtlich um grössere Mengen handeln würde. Da es sich bei den von der IMF nachgefragten Erzeugnissen um "Selbstläufer" gehandelt habe und bestellte Mengen nach den Gepflogenheiten des Autoreparaturmarktes kurzfristig auszuliefern gewesen seien, hätten Lieferverzögerungen zu erheblichen Problemen bei den Kunden führen können. Entgegen der Auffassung der Kommission habe sie somit weder im Hinblick auf die Durchführung von Lieferungen an die IMF noch im Hinblick auf die Festlegung der Bedingungen für diese Verkäufe um eine Genehmigung der BASF nachgesucht.

66 Sie habe der IMF die gewünschten Mengen geliefert, und die Geschäftsbeziehungen zwischen den beiden Firmen hätten sich in der Folgezeit erfolgreich entwickelt. Bis 1990 hätten sich das Aufkommen der ausgeführten Bestellungen und die Rabatte, die der IMF von ihr gewährt worden seien, ständig erhöht.

67 Ihre Verkäufe an die IMF seien ab Juni 1989 nur zu dem Zweck unter der Firma Technipaint fakturiert worden, die Exportgeschäfte vom belgischen Umsatz zu trennen. Diese Trennung sei nach der Inbetriebnahme einer neuen EDV-Anlage im Jahr 1989 möglich geworden. Hierdurch habe sie die Transparenz ihrer Geschäftstätigkeit erhöhen und die Zahlung der ihren Mitarbeitern geschuldeten Prämien begrenzen können. Der BASF sei an einer getrennten Ausweisung dieser Geschäfte auch deshalb gelegen gewesen, weil sie sich an den Werbekosten für die Absätze im Vertragsgebiet beteiligt habe.

68 Entgegen den Ausführungen in den Randnummern 75 und 76 der angefochtenen Entscheidung habe sie die Belieferung der IMF nicht Ende Mai 1990, sondern erst im Dezember 1990 eingestellt. Die erste Bestellung, die bei ihr nach der Lieferung von Ende Mai 1990 eingegangen sei, trage das Datum des 4. Dezember 1990. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten habe die IMF trotz des Hinweises auf eine künftige Bestellung im Schreiben der Anwälte der IMF vom 3. Juli 1990 an sie keine neue Bestellung aufgegeben.

69 Die Entscheidung, die IMF nicht mehr zu beliefern, habe sie wegen deren Unzuverlässigkeit und bedrohlichen Haltung selbständig getroffen. Seit August 1989 habe die IMF die Rechnungen nicht mehr fristgerecht bezahlt. Bei einem Gespräch mit ihr am 5. Juni 1990 habe die IMF auf zusätzlichen Lieferungen bestanden, obwohl bei einer Vielzahl von Glasurit-Produkten Lieferengpässe bestanden hätten. Die IMF habe angedroht, sie wegen Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln zu verklagen und eine eigene Niederlassung in Belgien zu errichten, um Direktausfuhren in das Vereinigte Königreich zu tätigen.

70 Sie habe die BASF erstmals durch Schreiben vom 7. Februar 1991, mit dem sie ihr eine Kopie ihres Schreibens vom 19. Dezember 1990 an die IMF übersandt habe, über den endgültigen Abbruch ihrer Lieferbeziehungen zu dieser unterrichtet.

71 Die Klägerin wirft der Kommission vor, nicht die genannten Lieferschwierigkeiten berücksichtigt zu haben, zu deren Nachweis sie im Verwaltungsverfahren überzeugende Beweismittel beigebracht habe. Aus verschiedenen Gründen hätten sich während des genannten Zeitraums erhebliche Engpässe bei der Lieferkapazität der BASF ergeben. Hiervon seien die Produkthauptgruppen, besonders die am meisten verwendeten Basisfarben, betroffen gewesen.

72 Um in einer Verknappungssituation eine gleichmässige Versorgung des europäischen Marktes sicherzustellen, habe die BASF ein Informationsnetz zu ihren Vertriebshändlern, darunter die Klägerin, errichtet. Um nämlich ihre Lieferverpflichtungen gegenüber Glasurit-Kunden zu erfuellen, habe die BASF Kenntnis von den Warenströmen und der Absatzlage auf den einzelnen nationalen Märkten erhalten wollen.

73 Ausserdem sei sie verpflichtet gewesen, die Kunden in ihrem Vertragsgebiet so gut wie möglich zu versorgen. Es sei normal gewesen, wenn sie, nachdem die IMF an sie herangetreten sei, zunächst die Liefermöglichkeiten mit der BASF abgeklärt habe, um nicht ihren vertraglichen Verpflichtungen zuwiderzuhandeln. Sie habe die knappen Ressourcen nicht dazu verwenden dürfen, neue Aufträge anzunehmen oder Lieferungen ausserhalb ihres Vertragsgebiets auszuführen.

74 Die Rechtmässigkeit ihres Vorgehens sei in den Begründungserwägungen der Verordnung (EWG) Nr. 1983/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen (ABl. L 173, S. 1) anerkannt worden, wie sie auch schon zuvor in den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 67/67/EWG der Kommission vom 22. März 1967 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz (3) des Vertrages auf Gruppen von Alleinvertriebsvereinbarungen (ABl. 1967, Nr. 57, S. 849) anerkannt worden sei. Es sei daher zulässig, wenn die Parteien einer Alleinvertriebsvereinbarung in deren Rahmen Absprachen träfen, die es dem Hersteller erlaubten, zu überprüfen, ob das vordringliche Ziel einer solchen Vereinbarung, im Vertragsgebiet eine intensive Tätigkeit zu entfalten, vom Vertriebshändler beachtet werde.

75 Nach den Behauptungen der Beschwerdeführerin, wie sie in Randnummer 22 der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben seien, solle die BASF im März 1986 unter der Bedingung in die Belieferung der IMF eingewilligt haben, daß die Klägerin einen Rabatt von höchstens 19 % des Listenpreises gewähre. Diesen Behauptungen stehe jedoch entgegen, daß die IMF damals einen Rabatt von 8 % akzeptiert habe und daß ihr im gesamten Jahr 1986 von der Klägerin kein Rabatt von 19 % gewährt worden sei. Es widerspreche jeder kaufmännischen Erfahrung, daß sich die IMF mit einem Rabatt von 8 % zufriedengegeben hätte, wenn Herr Dudoüt hätte durchblicken lassen, daß die BASF mit einer Rabattgewährung von bis zu 19 % einverstanden gewesen wäre. Dieser Umstand liefere ein überzeugendes Indiz dafür, daß auch der übrige Inhalt des Telefongesprächs zwischen ihr und der BASF von der Beschwerdeführerin unzutreffend wiedergegeben worden sei.

76 Aus der von Herrn Augustin unterzeichneten internen Notiz vom 5. Juni 1990 ergebe sich, daß die BASF über alle ihre Lieferungen an die IMF im Jahr 1989 unterrichtet gewesen sei. Sie verwahre sich daher entschieden gegen die Unterstellung der Kommission, sie habe ihre Ausfuhren in das Vereinigte Königreich durch eine Fakturierung über die Firma Technipaint verdecken wollen.

77 Die Kommission wiederholt ihre Schlußfolgerung, daß die Durchführung der Vereinbarung durch deren Parteien, insbesondere ab 1986, bestätige, daß ihr § 2 Absatz 2 tatsächlich einen Genehmigungsvorbehalt des Herstellers für Passivverkäufe enthalte. Die Ausführungen der Klägerin seien nicht überzeugend und nicht geeignet, die rechtliche Beurteilung der in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Verhaltensweisen zu widerlegen.

78 Die Akten widerlegten die Sachverhaltsdarstellung der Klägerin. Die in den Randnummern 43 und 52 der angefochtenen Entscheidung angeführte interne Notiz vom 5. Juni 1990 zeige, daß die BASF Herrn Dudoüt nach der ersten von der IMF bei der Klägerin im März 1986 aufgegebenen Bestellung eine "Sondergenehmigung" zur Belieferung der IMF erteilt habe. Aus weiteren Schriftstücken gehe hervor, daß die Einstellung der Belieferung der IMF tatsächlich auf Veranlassung der BASF erfolgt sei und daß die Klägerin diese Verkäufe ab Juni 1989 über die Technipaint fakturiert habe, um sie zu verschleiern. Schließlich habe die Klägerin die Ausfuhren im Mai 1990 nach einer strengeren Kontrolle durch die BASF eingestellt.

79 Die von der Klägerin angeführten Lieferschwierigkeiten könnten das Verhalten der Parteien der Vereinbarung nicht erklären, da sich der Verknappungszeitraum nur von 1988 bis Ende 1990 erstreckt habe. Ausserdem lasse die Korrespondenz zwischen der BASF und ihren Vertragshändlern über die Paralleleinfuhren in das Vereinigte Königreich nicht die Spur einer Sorge erkennen, daß die übrigen nationalen Märkte unzureichend versorgt werden könnten. Der Widerruf der der Klägerin gewährten Sondergenehmigung sei nicht durch die Lieferschwierigkeiten der BASF, sondern dadurch zu erklären, daß die Paralleleinfuhren der BASF C & I geschadet hätten und zu einem Rückgang der Preise im Vereinigten Königreich geführt hätten.

80 Die Schlüsse, die die Klägerin aus einem möglichen Irrtum der Beschwerdeführerin IMF über den von BASF genehmigten Rabatthöchstsatz von 19 % ziehe, seien übertrieben. Zum einen habe die Klägerin anläßlich der Beantwortung eines Auskunftsersuchens bestätigt, daß sie der IMF einen Rabatt von 19 % gewährt habe. Es sei somit Sache der Klägerin, den Widerspruch zwischen ihrer Antwort an die Kommission und ihrem jetzigen Vortrag auszuräumen. Zum anderen sei es normal, wenn die Klägerin den vom Hersteller genehmigten Rabatthöchstsatz der IMF nicht von Anfang an gewährt habe, zumal die ursprünglichen Bestellungen nur geringe Mengen betroffen hätten. Die Einwände der Klägerin hinsichtlich der Richtigkeit der Behauptungen der Beschwerdeführerin seien unbegründet. Ob und gegebenenfalls wann der IMF der Rabatthöchstsatz von 19 % in voller Höhe gewährt worden sei, habe nichts damit zu tun, daß die Klägerin im März 1986 die Genehmigung der BASF zur Belieferung der Beschwerdeführerin sowie zur Anwendung der Rabatte erhalten habe.

81 Die Notiz eines Mitarbeiters der BASF vom 5. Juni 1990 könne nicht beweisen, daß die BASF bereits 1989 über die unter Einschaltung von Technipaint durchgeführten Lieferungen unterrichtet gewesen sei. Die in den Randnummern 47 und 50 der angefochtenen Entscheidung genannten internen Vermerke zeigten, daß die Klägerin ihre Lieferungen an die IMF fortgesetzt habe, ohne daß die BASF hiervon Kenntnis gehabt und sie genehmigt hätte.

82 Die Klägerin verkehre bei ihrer Darlegung der Gründe, aus denen sie die Lieferbeziehungen zur IMF abgebrochen haben wolle, Ursache und Wirkung. Die Androhung einer Klage im Gespräch vom 5. Juni 1990 sei erfolgt, nachdem Herr Dudoüt der IMF Ende Mai 1990 mitgeteilt habe, daß er wegen des von der BASF auf ihn ausgeuebten Druckes keine Glasurit-Produkte mehr liefern könne. Erst nachdem es zum Streit zwischen der IMF und der Klägerin gekommen sei, sei im Juli die Weigerung, die Rechnung für Mai zu bezahlen, erfolgt. Ihre eigenen Feststellungen zu Zeitpunkt und Umständen der Einstellung der Lieferungen an die IMF träfen daher zu. Im übrigen habe die Klägerin nicht nachgewiesen, daß die IMF von ihr umfangreichere Lieferungen oder günstigere Bedingungen verlangt habe.

- Würdigung durch das Gericht

83 Der in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln betrifft den Abschluß einer Vereinbarung durch die Vertragsparteien, der bezweckte, Paralleleinfuhren von Glasurit-Produkten in das Vereinigte Königreich zu verhindern. Bei der Prüfung der Frage der Durchführung der Vereinbarung von 1982 geht es also nur darum, zu bestätigen, ob die Kommission § 2 Absatz 2 dieser Vereinbarung zutreffend ausgelegt hat.

84 Insoweit verneint die Klägerin das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen den in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Tatsachen und der Durchführung einer angeblich gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstossenden Vereinbarung. Das Verhalten der Parteien der Vereinbarung von 1982 erkläre sich aus den Lieferschwierigkeiten, denen sich die BASF im Bezugszeitraum gegenübergesehen habe, sowie aus von der Klägerin selbständig getroffenen kaufmännischen Entscheidungen.

85 Die Kommission hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, daß die Lieferungen der BASF nur von 1988 bis 1990 durch Engpässe beeinträchtigt gewesen seien, während die beanstandete Vereinbarung von 1982 bis 1991 in Kraft gewesen sei.

86 Diese Schwierigkeiten können auch nicht die Darstellung bestätigen, mit der die Klägerin ihren Kontakt mit der BASF im März 1986, vor der ersten Lieferung an die IMF, erklärt. Es ist nämlich kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, daß Herr Dudoüt sich zunächst nach der Verfügbarkeit der bestellten Erzeugnisse hätte erkundigen müssen.

87 Ausserdem haben sich die Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der IMF ungeachtet der ernsten Schwierigkeiten, denen sich die BASF im ganzen Jahr 1989 gegenübergesehen hatte, in eben diesem Jahr intensiviert. Als diese Beziehungen im Juni 1990 abgebrochen wurden, hatte sich die von der Klägerin angeführte Verknappungssituation bereits weitgehend entspannt.

88 Überdies geht aus den internen Notizen der BASF sowie aus den Schreiben der BASF C & I und der Klägerin an sie hervor, daß sich das Problem der Paralleleinfuhren unter dem Gesichtspunkt ihrer Wirkungen auf die Tätigkeit der britischen Tochtergesellschaft und nicht im Zusammenhang mit den Lieferschwierigkeiten stellte, die möglicherweise die Versorgung der belgischen und luxemburgischen Kunden beeinträchtigten.

89 Daher haben sich die Lieferschwierigkeiten der BASF im vorliegenden Fall nicht wesentlich auf die Durchführung der Vereinbarung von 1982 ausgewirkt. Somit kommt es im Rahmen der Prüfung der vorliegenden Rechtssache nicht auf die Argumente an, die die BASF zur Rechtfertigung ihres Verhaltens in einer Verknappungssituation insbesondere unter Berufung auf das Urteil BP/Kommission und die Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 1983/83 vorgetragen hat.

90 Die Klägerin hatte nach einer internen Notiz der BASF vom 5. Juni 1990 eine "Sondergenehmigung" zur Belieferung der IMF erhalten:

"[Der] Inhaber [der] Fa. [IMF], Derby[,] besteht auf weitere AL-Produkt-Lieferung durch Klägerin (1989 ca. 10 to). Für diesen Kunden... hatte Herr Dudoüt seinerzeit eine Sondergenehmigung zur Belieferung durch Herrn Kunath. Seinerzeit erfolgte Freigabe unter dem Aspekt, eine begrenzte Liefermenge ex Brüssel zuzulassen. Hintergrund: keine Volumenausweitung durch andere Händler aus Belgien. Sollte einer weiteren Belieferung keine Zustimmung gegeben werden, wird Rechtsklage angedroht... Herr Dudoüt wartet auf Information, wie es weitergehen soll!"

91 In einem Schreiben vom 7. Juni 1989 an die BASF bezieht sich Herr Dudoüt auf den Zusammenhang, in dem diese Genehmigung erteilt und bis zu diesem Zeitpunkt aufrechterhalten wurde:

"Vor drei oder vier Jahren hat GLASURIT aufgrund des grossen Volumens paralleler Einfuhr in England beschlossen, mit unserer Hilfe alle Verkäufe aus unseren Lägern jeweils mit einer jedem Kunden eigenen Markierung zu versehen, um den Ursprung der Belieferung leicht nachzuweisen... Angesichts dieses Handels haben wir mit GLASURIT abgesprochen, zu versuchen, diese Einkäufe zu kanalisieren und zu normalisieren, um den Abnahmemengen unserer Kunden unabhängig des Verkaufs ausserhalb des Verkaufsgebietes zu folgen... Wir machen Sie darauf aufmerksam, daß, wenn wir dieses Netz abbrechen, wir Ihnen nicht mehr gewähren können, daß unsere 70 Händler oder grosse Karosseriebetriebe nicht in Versuchung kommen oder gefragt werden, Geschäfte mit Großbritannien zu führen, und so unseren Binnenmarkt erheblich stören."

92 Aus diesen besonders deutlichen Schriftstücken ergibt sich, daß die Klägerin entgegen ihrer Behauptung im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehungen zur IMF nicht selbständig gehandelt hat. Die Intensität der von der BASF auf ihre Ausfuhren ausgeuebten Kontrolle wird in einer weiteren internen Notiz vom Juni 1990 bestätigt:

"Anbei die Antwort von Accinauto auf unsere Frage, wieviel Gt-Material ex Belgien nach GB geht. Wir sollten unterstellen, daß Dudoüt die Wahrheit sagt. Er weiß genau, daß er von uns abhängig ist, und wird nichts riskieren wollen."

93 Demgemäß ist der zweite Teil des Klagegrundes, mit dem geltend gemacht wird, daß die Kommission bei der Beurteilung der Durchführung der Vereinbarung von 1982 einen Irrtum begangen habe, zurückzuweisen.

Dritter Teil: Auswirkungen der Vereinbarung auf den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten

- Vorbringen der Parteien

94 Die Klägerin rügt, die Kommission habe die Besonderheiten des britischen Marktes für Autoreparaturlacke nicht hinreichend berücksichtigt.

95 Die Paralleleinfuhren von Glasurit-Produkten hätten sich wegen des auf dem Markt für Autoreparaturlacke bestehenden Preisgefälles zwischen dem Vereinigten Königreich und den übrigen Ländern der Gemeinschaft entfaltet. Dieses Preisgefälle sei vor allem durch die höheren Vermarktungskosten im Vereinigten Königreich, jedoch auch durch das in Belgien seit Beginn der achtziger Jahre geltende Preiskontrollsystem zu erklären, das vom belgischen Staat eingeführt worden sei, um eine Erhöhung der Endverbraucherpreise zu verhindern.

96 Gleichwohl habe die Kommission zu Unrecht angenommen, daß die Stellung der Glasurit-Produkte auf dem britischen Markt und das bestehende Preisgefälle zwischen Belgien und dem Vereinigten Königreich geeignet seien, eine erhebliche Paralleleinfuhrtätigkeit zu begünstigen, die angeblich durch die Vereinbarung von 1982 verhindert worden sei.

97 Zum einen seien im Wettbewerb die Nettoabgabepreise des Vertriebshändlers entscheidend, die den aufzuwendenden Kaufpreisen entsprächen. Die Differenzen zwischen dem Preisniveau Belgiens und dem des Vereinigten Königreichs schrumpften jedoch deutlich, wenn man auf die praktizierten Nettoabgabepreise abstelle. Zum anderen habe neben der tatsächlichen, in vollem Umfang befriedigten Nachfrage keine darüber hinausgehende potentielle Nachfrage bestanden. Die Beschwerdeführerinnen seien nach eigenen Bekundungen mit ihren Geschäftsbeziehungen zu ihr zufrieden gewesen, und aufgrund der ihnen eingeräumten günstigen Konditionen habe die IMF Glasurit-Produkte nicht nur der Calbrook, sondern auch weiteren Händlern im Vereinigten Königreich liefern können.

98 Ab 1986 habe sie ausser den Bestellungen der IMF keine anderen Bestellungen mehr erhalten. Nicht existierende Bestellungen hätten folglich auch nicht auf Veranlassung von BASF von ihr zurückgewiesen werden können. Demgemäß treffe auch die Feststellung der Kommission nicht zu, daß sich die für sie objektiv gegebenen Liefermöglichkeiten keineswegs in den tatsächlich an die IMF und die Calbrook gelieferten Mengen erschöpft hätten. Im übrigen sei nicht ersichtlich, wie durch eine in der Vereinbarung enthaltene Klausel, die nach der Auslegung der Kommission Parallelausfuhren nicht verbiete, sondern lediglich deren Genehmigung durch den Hersteller vorsehe, diese Ausfuhren hätten verhindert werden können, wenn kein Fall bekannt sei, in dem sie um eine Genehmigung nachgesucht, diese jedoch nicht erhalten hätte. Die Alleinvertriebsvereinbarung habe jedenfalls Parallelausfuhren nicht verhindert und keine Auswirkungen auf die Inanspruchnahme objektiv gegebener potentieller Liefermöglichkeiten durch sie gehabt.

99 Die Vereinbarung von 1982 habe den Wettbewerb und den Handel zwischen Mitgliedstaaten auch nicht in anderer Weise beeinträchtigt. Die Parallelimporteure seien über die jeweiligen Bezugsquellen in den einzelnen EG-Ländern bestens informiert gewesen und hätten gemeinsam Waren bei den Betriebshändlern mit den für die jeweilige Produktreihe günstigsten Preisen bezogen. Dies werde dadurch bestätigt, daß die IMF bei der Klägerin bestimmte Produkte für Rechnung der Calbrook bezogen habe, während die Calbrook wiederum andere Erzeugnisse zu besseren Konditionen in den Niederlanden und in Deutschland bezogen habe. Die Anfrage- und Angebotssituation dürfe auch nicht statisch gesehen werden. Sie habe vielmehr ständig Korrekturen erfahren, die von den Parallelimporteuren bei ihrer Entscheidung, bei einem Vertriebshändler eine Bestellung aufzugeben, berücksichtigt worden seien.

100 Die Kommission erwidert, die bei der BASF aufgefundenen Unterlagen belegten die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Preisunterschiede, die geeignet gewesen seien, einen Anreiz für Parallelausfuhren aus Belgien in das Vereinigte Königreich zu schaffen. Jedenfalls räume die Klägerin in ihrer Klageschrift selbst ein, daß das zwischen dem Vereinigten Königreich und anderen Mitgliedstaaten bestehende Preisgefälle eine der Ursachen für die Paralleleinfuhren gewesen sei.

101 Sie habe bereits dargetan, daß die fragliche Vereinbarung geeignet gewesen sei, sich spürbar auf den innergemeinschaftlichen Handel auszuwirken, und daß sie nicht verpflichtet sei, nachzuweisen, daß eine spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten tatsächlich eingetreten sei (Urteil des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131, Randnr. 15). Sie habe die erforderlichen Untersuchungen durchgeführt und in der angefochtenen Entscheidung ihre Feststellungen zur Marktstellung der betreffenden Unternehmen, zum Umfang von Produktion und Ausfuhren dieser Unternehmen sowie zu deren Preispolitik getroffen.

102 Auch die Behauptung der Klägerin, daß im fraglichen Zeitraum auf dem britischen Markt keine potentielle Nachfrage nach Glasurit-Produkten bestanden habe, sei unzutreffend. Die Klägerin habe selbst angegeben, daß sie mit einem Anstieg der von der IMF und der Calbrook bestellten Mengen gerechnet habe, da das Aufnahmevolumen des britischen Marktes dasjenige des belgischen Marktes um ein Vielfaches übersteige.

103 Die Verpflichtung aus § 2 Absatz 2 der Alleinvertriebsvereinbarung stelle in Wirklichkeit ein allgemeines Ausfuhrverbot dar, das unter den Vorbehalt von BASF gestellt worden sei, im Einzelfall eine Genehmigung zu erteilen. Daher sei der Einwand der Klägerin zurückzuweisen, daß die Vereinbarung deshalb keine wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen habe entfalten können, weil sie nur die Verpflichtung, für Ausfuhren die Genehmigung des Herstellers einzuholen, nicht aber ein Verbot dieser Verkäufe statuiert habe.

- Würdigung durch das Gericht

104 Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verbietet alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, sofern sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Klausel, durch die einem Abnehmer der Weiterverkauf oder die Ausfuhr der erworbenen Ware verboten werden soll, ihrem Wesen nach geeignet, die Märkte abzuschotten und damit den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (Urteile des Gerichtshofes Miller/Kommission, Randnr. 7, und vom 31. März 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeythiö u. a./Kommission - "Zellstoff", Slg. 1993, I-1307, Randnr. 176). Wenn sich herausstellt, daß die Verkäufe zumindest einer Partei der wettbewerbswidrigen Vereinbarung einen nicht unbeachtlichen Teil des relevanten Marktes ausmachen, ist Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag anzuwenden (Urteile Miller/Kommission, Randnr. 10, und Parker Pen/Kommission, Randnr. 44).

105 Im vorliegenden Fall stellt die Klägerin nicht die von der Kommission vorgenommene Definition des relevanten Produktmarkts, nämlich des britischen Marktes der Autoreparaturlacke, in Frage und bestreitet auch nicht, daß sich der Anteil der BASF an diesem Markt 1991 auf 16 % belief, von denen 12 % auf Glasurit-Produkte entfielen. Sie beanstandet vielmehr nur die von der Kommission berücksichtigten Volumina der Paralleleinfuhren sowie die Behauptungen der Kommission über eine potentielle Nachfrage, die von der Klägerin hätte befriedigt werden können. Angesichts der Stellung der BASF auf dem relevanten Markt sowie des von ihr selbst bestätigten Umstands, daß die zwischen 1986 und 1991 auf diesem Markt angewandten Preise für Glasurit-Produkte durchschnittlich höher waren als die Preise auf den Märkten anderer Mitgliedstaaten, insbesondere Belgiens, ist die Kommission zu Recht zu der Schlußfolgerung gelangt, daß die beanstandete Vereinbarung geeignet war, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen.

106 Somit ist festzustellen, daß die Vereinbarung ihrem Zweck nach eine nach Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verbotene Beschränkung des Wettbewerbs darstellt, ohne daß zu prüfen wäre, ob, wie die Klägerin vorträgt, spürbare Wirkungen dieser Vereinbarung auf den fraglichen Markt ausgeblieben sind (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1966 in den verbundenen Rechtssachen 56/64 und 58/64, Consten und Grundig/Kommission, Slg. 1966, 429, und Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 127).

107 Folglich gehen die weiteren Rügen, die die Klägerin gegenüber der Feststellung eines Verstosses gegen diese Bestimmung des Vertrages durch die Kommission erhoben hat, ins Leere, da eine Begründetheit dieser Rügen jedenfalls nicht zu der Schlußfolgerung führen kann, daß eine Vereinbarung, die den gleichen Gegenstand und die gleiche Tragweite wie die Vereinbarung hat, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln verstösst.

Vierter Teil: Zeitpunkt der Abstellung des Verstosses

- Vorbringen der Parteien

108 Die Klägerin trägt vor, selbst wenn tatsächlich ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorgelegen haben sollte, sei dieser spätestens Ende Juni 1990 beendet worden. Die Kommission hätte feststellen müssen, daß es im Schreiben der BASF vom 21. Juni 1990 an die Klägerin klar geheissen habe, daß diese in ihren Verkaufsentscheidungen frei sei. Jedenfalls habe die Kommission selbst eingeräumt, daß das Schreiben der BASF vom 22. Juni 1990 an die Anwälte der IMF, von dem eine Kopie an die Klägerin gesandt worden sei, insoweit hinreichend verständlich und eindeutig sei.

109 Die Kommission wiederholt ihre Schlußfolgerung, daß die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung erst mit der Streichung der beanstandeten Klausel durch die Vertragsparteien beendet gewesen sei. Die Klägerin habe unter den gegebenen Umständen die Kopie des im Juni 1990 an die Anwälte der Beschwerdeführerin gesandten Schreibens nicht dahin auslegen können, daß die BASF damit auf ihren Genehmigungsvorbehalt nach § 2 Absatz 2 der Vereinbarung von 1982 verzichte. Zweck dieses Schreibens sei es allein gewesen, mögliche Ansprüche der IMF abzuwehren.

- Würdigung durch das Gericht

110 Da die mit der angefochtenen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung der Abschluß und die Beteiligung der Vertragsparteien an einer Alleinvertriebsvereinbarung war, die eine Klausel enthielt, deren Zweck gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstieß, nimmt die Kommission zu Recht an, daß diese Zuwiderhandlung erst mit der Streichung dieser Klausel durch die beiden Vertragsparteien beendet wurde. Nach der Rechtsprechung ist eine Klausel, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt, nicht allein deshalb dem Verbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag entzogen, weil die Vertragspartner sie nicht angewandt haben (Urteile Miller/Kommission, Randnr. 7, und "Zellstoff", Randnr. 175). Im vorliegenden Fall belegen die von der Klägerin angeführten Schreiben der BASF nicht, daß die Vertragsparteien tatsächlich die Absicht hatten, auf die beanstandete Klausel zu verzichten. Mit der Kommission ist nämlich davon auszugehen, daß die im Schreiben vom 22. Juni 1990 verwendeten eindeutigeren Formulierungen tatsächlich bezweckten, die den Vertragsparteien von der Beschwerdeführerin IMF zur Last gelegten Vorwürfe eines wettbewerbswidrigen Verhaltens abzuschwächen.

Fünfter Teil: Bemessung der Geldbusse

- Vorbringen der Parteien

111 Die Klägerin wirft der Kommission vor, ihr Ermessen mißbräuchlich ausgeuebt zu haben, da sie bei der Bemessung der Geldbusse nicht berücksichtigt habe, daß die angebliche Zuwiderhandlung von minderer Schwere und von kurzer Dauer gewesen sei, daß die wirtschaftliche Lage der Klägerin schwierig gewesen sei und daß ein Vorsatz gefehlt habe.

112 Die Schwere der Zuwiderhandlung sei nach Maßgabe der Auswirkungen der angeblich wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung auf den Handel zu beurteilen. Die beanstandete Vereinbarung habe aber keine Auswirkungen gehabt, da ihre Parteien sie nicht durchgeführt hätten. Selbst wenn die Vereinbarung durchgeführt worden wäre, hätte sie doch nicht den Warenstrom der Paralleleinfuhren aus Belgien in das Vereinigte Königreich berührt. Es habe eine einzige Lieferverweigerung - im Dezember 1990 - gegeben, die nicht auf die Vereinbarung, sondern auf einen selbständigen Entschluß der Klägerin zurückzuführen sei. Überdies sei der Umfang der von der Vereinbarung von 1982 betroffenen Paralleleinfuhren im Vergleich zum gesamten Absatz von Glasurit-Produkten im Vereinigten Königreich unbedeutend gewesen.

113 Zu Unrecht habe die Kommission für die Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung auf die gesamte Laufzeit der Vereinbarung - zwischen ihrem Abschluß am 8. Oktober 1982 und dem Inkrafttreten der neuen Vereinbarung am 1. Januar 1992 - abgestellt. Zum einen habe die Kommission selbst eingeräumt, daß Auswirkungen der Vereinbarung überhaupt erst ab 1986 in Betracht kämen. Zum anderen habe die Klägerin nur ein einziges Mal eine Lieferung an die IMF verweigert, und die angebliche Zuwiderhandlung sei spätestens im Juni 1990 beendet gewesen, als die BASF der Beschwerdeführerin und der Klägerin klar zu erkennen gegeben habe, daß Letztere frei sei, Passivverkäufe in Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu tätigen. Die Berücksichtigung der gesamten Laufzeit der Vereinbarung sei daher unangemessen und verletze in grober Weise den Grundsatz der Verhältnismässigkeit.

114 Ausserdem hätten die bei Abschluß der Vereinbarung hinzugezogenen Juristen die fragliche Klausel für gemeinschaftsrechtskonform gehalten. Den Vertragsparteien und ihren Mitarbeitern sei daher während der Laufzeit der Vereinbarung nicht bewusst gewesen, daß sie einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages begangen hätten.

115 Die Kommission erinnert daran, daß Ausfuhrverbote ihrem Wesen nach schwere Wettbewerbsverstösse seien, da sie dazu führten, daß Preisunterschiede zwischen den Märkten der Mitgliedstaaten künstlich aufrechterhalten würden, und da sie den freien innergemeinschaftlichen Handelsverkehr beeinträchtigten (Urteil vom 7. Juni 1983 in den verbundenen Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 107). Der Marktanteil der von der Zuwiderhandlung betroffenen Paralleleinfuhren sei für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ohne Belang. Im übrigen habe sie das Vorbringen der Klägerin, daß die Vereinbarung von 1982 keine wirtschaftlichen Auswirkungen - insbesondere auf Paralleleinfuhren aus Belgien in das Vereinigte Königreich - und keinen Einfluß auf ihre Entscheidungen gehabt habe, bereits zurückgewiesen.

116 Die Zuwiderhandlung habe mit dem Abschluß der den Genehmigungsvorbehalt des Herstellers enthaltenden Alleinvertriebsvereinbarung begonnen und habe sich über die gesamte Laufzeit dieser Vereinbarung erstreckt (Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den verbundenen Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnr. 59). Das blosse Schweigen der Klägerin auf die Schreiben der BASF vom 21. Juni und 22. Juni 1990 habe die Vereinbarung von 1982 nicht wirksam ändern können. Nach § 12 Absatz 2 hätten Änderungen der Vereinbarung der Schriftform bedurft.

117 Das Vorbringen der Klägerin, eine vorsätzliche Wettbewerbsbeschränkung habe deshalb nicht vorgelegen, weil den Parteien der Vereinbarung nicht bewusst gewesen sei, gegen Gemeinschaftsrecht zu verstossen, sei zurückzuweisen. Der Umstand, daß die Juristen der BASF möglicherweise einem Rechtsirrtum erlegen seien, ändere nichts daran, daß die BASF den Vorsatz gehabt habe, der Klägerin eine Weiterleitungsverpflichtung aufzuerlegen und damit die Parallelausfuhren in das Vereinigte Königreich zu kontrollieren.

- Würdigung durch das Gericht

118 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission durch Entscheidung gegen Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag begangen haben, Geldbussen in Höhe von eintausend bis einer Million ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu zehn vom Hundert des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Innerhalb dieser Grenzen wird die Höhe der Geldbusse unter Berücksichtigung von Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung festgesetzt (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 118, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373, Randnr. 175).

119 Für eine vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages genügt es, wenn dem Unternehmen bewusst war, daß das gerügte Verhalten eine Wettbewerbsbeeinträchtigung bezweckte, gleichviel, ob es sich dabei auch bewusst war, gegen ein in diesen Regeln enthaltenes Verbot zu verstossen (Urteil IAZ u. a./Kommission, Randnr. 45, und Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T-66/92, Herlitz/Kommission, Slg. 1994, II-531, Randnr. 45). Wie sich aus den obigen Feststellungen des Gerichts ergibt, konnte sich die Klägerin nicht in Unkenntnis darüber befinden, daß die beanstandete Klausel der Vereinbarung von 1982 bezweckte, Paralleleinfuhren zu beschränken und damit durch die Abschottung der einzelnen nationalen Märkte dem vom Vertrag angestrebten Ziel der Verwirklichung des einheitlichen Marktes zuwiderzulaufen. Die Äusserung eines Rechtsberaters, auf die sie sich beruft, kann sie insoweit nicht entschuldigen (Urteil Miller/Kommission, Randnr. 18).

120 Im vorliegenden Fall stellt das Gericht fest, daß die Kommission die in der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze, die auf den Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens Bezug nimmt, beachtet hat (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 119, und Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 247). Die Höhe der Geldbusse entspricht damit nur 0,05 % des von der Klägerin im Jahr 1991 erzielten Gesamtumsatzes, der etwa 18 450 000 ECU (738 Mio. BFR; vgl. oben, Randnr. 1) erreicht hat.

121 Nach ständiger Rechtsprechung muß die Geldbusse den Umständen und der Schwere der Zuwiderhandlung entsprechen; bei der Beurteilung der Schwere ist insbesondere die Art der Wettbewerbsbeschränkungen zu berücksichtigen (Urteile des Gerichts Parker Pen/Kommission, Randnr. 92, und vom 22. Oktober 1997 in den verbundenen Rechtssachen T-213/95 und T-18/96, SCK und FNK/Kommission, Slg. 1997, II-1739, Randnr. 246).

122 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht die festgestellte Zuwiderhandlung angesichts des Wesens der fraglichen Wettbewerbsbeschränkung und der starken Stellung der BASF auf dem Markt für Autoreparaturlacke in Europa als besonders schwerwiegend angesehen.

123 Auch die Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung durch die Kommission ist nicht fehlerhaft, da diese Zuwiderhandlung durch den Abschluß einer Vereinbarung durch die Vertragsparteien gekennzeichnet war, die eine Klausel enthielt, deren Zweck gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstieß. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß das Gericht nicht hat feststellen können, daß diese Klausel auch angewandt wurde, ist doch zu betonen, daß bereits ihr Vorhandensein ein "optisches und psychologisches" Klima schaffen konnte, das zu einer Aufteilung der Märkte beiträgt (Urteile Miller/Kommission, Randnr. 7, und Herlitz/Kommission, Randnr. 40). Die mit dem Abschluß der Vereinbarung von 1982 begonnene Zuwiderhandlung wurde somit erst mit der tatsächlichen Beseitigung der beanstandeten Klausel beendet.

124 Schließlich ist festzustellen, daß die Kommission als mildernden Umstand berücksichtigt hat, daß die Vertragsparteien die Zuwiderhandlung am 1. Januar 1992 abgestellt haben, d. h., bevor ihnen mit Schreiben vom 12. Mai 1993 die Beschwerdegründe mitgeteilt wurden. Sie hat auch berücksichtigt, daß die Klägerin wirtschaftlich von der BASF abhängt und daß diese Abhängigkeit von der BASF zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Interessen ausgenutzt wurde.

125 Daraus ist zu folgern, daß die Kommission das ihr bei der Bemessung von Geldbussen zustehende Ermessen nicht überschritten hat, indem sie die gegen die Klägerin verhängte Geldbusse auf 10 000 ECU festgesetzt hat.

126 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne daß der Antrag auf Verurteilung der Kommission zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 9,5 % auf den Betrag der Geldbusse geprüft zu werden braucht.

Kostenentscheidung:

Kosten

127 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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