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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 26.10.2001
Aktenzeichen: T-184/01 R (1)
Rechtsgebiete: EGV, VerfO


Vorschriften:

EGV Art. 242
EGV Art. 243
EGV Art. 295
VerfO Art. 105 § 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

26. Oktober 2001 (1)

"Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Wettbewerbsrecht - Beschwerde - Angebliche missbräuchliche Ausnutzung des Urheberrechts - Entscheidung der Kommission, die Sicherungsmaßnahmen vorsieht - Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger Anordnungen - Fumus boni iuris - Dringlichkeit - Interessenabwägung"

Parteien:

In der Rechtssache T-184/01 R

IMS Health Inc., Gesellschaft nach dem Recht des Staates Delaware, mit Sitz in Fairfield, Connecticut (Vereinigte Staaten von Amerika), Prozessbevollmächtigte: N. Levy und J. Temple Lang, Solicitors, und R. O'Donoghue, Barrister,

Antragstellerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Gippini Fournier, F. Siredney-Garnier und A. Whelan als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

unterstützt durch

AzyX Deutschland GmbH Geopharma Information Services mit Sitz in Neu-Isenburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Levi, G. Vandersanden und D. Dugois,

National Data Corporation, Gesellschaft nach dem Recht des Staates Delaware, mit Sitz in Atlanta, Georgia (Vereinigte Staaten von Amerika), Prozessbevollmächtigte: I. Forrester, QC, F. Fine, Solicitor, Rechtsanwälte C. Price und A. F. Gagliardi, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

NDC Health GmbH & Co. KG mit Sitz in Bad Camberg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: I. Forrester, QC, F. Fine, Solicitor, Rechtsanwälte M. Powell, C. Price und A. F. Gagliardi, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelferinnen,

wegen einstweiliger Anordnungen bezüglich der Entscheidung der Kommission vom 3. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 82 EG-Vertrag (Sache COMP D3/38.044 - NDC Health/IMS HEALTH: Einstweilige Anordnung)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Hintergrund

1.

Pharmazeutische Unternehmen benötigen Informationen über den Absatz sowohl ihrer eigenen Produkte als auch derjenigen ihrer Wettbewerber, um ihre Absatzpolitik zu entwickeln. Da ein hoher Anteil der medizinischen Rezepte beiApotheken in der Umgebung der verschreibenden Ärzte eingelöst wird, geben Daten über den Absatz von Arzneimitteln durch Großhändler an Apotheken die ärztliche Verschreibungspraxis recht zuverlässig wieder und versetzen daher die Pharmahersteller in die Lage, die Leistungsfähigkeit der Verkaufsvertreter, die mit ihnen sprechen, zu messen.

2.

Regionale Absatzdatenberichte (oder Marktberichte) beruhen auf Daten, die Unternehmen, die mit der Erbringung von Absatzdatendiensten für pharmazeutische Unternehmen befasst sind, von den Pharmagroßhändlern erwerben. Vereinbarungen zwischen den Großhändlern und den Erbringern regionaler Absatzdatendienste in Deutschland enthalten Bestimmungen, mit denen die Verpflichtungen der Großhändler nach dem deutschen Bundesdatenschutzgesetz eingehalten werden sollen. Das Bundesdatenschutzgesetz schreibt vor, dass pharmazeutische Absatzinformationen wenigstens für drei Apotheken innerhalb jedes räumlichen Gebietes, auf das sich die gelieferten Daten beziehen, zusammengefasst werden. In der Praxis hat sich herausgestellt, dass für die Einhaltung dieses Erfordernisses mindestens vier bis fünf Apotheken innerhalb jedes räumlichen Segments einbezogen werden müssen.

3.

Die von den Pharmagroßhändlern erworbenen Rohdaten über den regionalen Absatz werden von den Erstellern der Absatzdatenberichte gemäß ihren jeweiligen Eingabestrukturen verarbeitet. Die Daten werden dann überprüft und gemäß den "Bausteinstrukturen" formatiert, damit die Anbieter verschiedene Analysen durchführen können. Durch die Bausteine wird ein Land in künstlich definierte räumliche Einheiten eingeteilt. Der wesentliche Zweck einer Bausteinstruktur besteht darin, räumliche Segmente innerhalb eines bestimmten Marktes mit gleichwertigem oder vergleichbarem Absatzleistungspotenzial zu schaffen und dabei die Erfordernisse des Datenschutzes und bestimmte geografische Grenzen zu beachten. In Deutschland ergeben sich die Absatzgebiete von pharmazeutischen Verkaufsvertretern durch die Zusammenlegung mehrerer Bausteine.

4.

Die nach einer Bausteinstruktur formatierten Daten bilden die Grundlage für regionale Absatzberichte. Diese Berichte werden den pharmazeutischen Unternehmen von den Anbietern auf Papier, über CD-ROM, online oder durch eine Kombination dieser Formen je nach Wunsch des Kunden zur Verfügung gestellt. Die Daten werden dann von den pharmazeutischen Unternehmen intern verarbeitet oder an andere Unternehmen weitergeleitet, um für sie analysiert zu werden.

5.

Die IMS (Intercontinental Marketing Services) Health Incorporated (im Folgenden: Antragstellerin oder IMS) ist ein Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten, das der pharmazeutischen Industrie eine Vielzahl von Marktforschungs-, Marketing- und Verkaufsmanagementdienstleistungen anbietet. Sie ist der weltweit führende Anbieter von Informationsprodukten für die Pharma- und Gesundheitsindustrie. IMS ist in 100 Ländern tätig. In Deutschland bietet sie über ihre deutscheTochtergesellschaft (IMS Health GmbH & Co. OHG, im Folgenden: IMS Health) interessierten pharmazeutischen Unternehmen einen regionalen Absatzdatendienst an. Seit 2000 beruht ihr Dienst auf einer Bausteinstruktur mit der Bezeichnung "Struktur 1 860 Bausteine". Diese Bausteinstruktur steht im Mittelpunkt des vorliegenden Verfahrens.

6.

Die Antragstellerin hat seit 1969 Mittel zur Entwicklung ihrer auf der Bausteinstruktur beruhenden Datendienste in Deutschland investiert. Zu Beginn verwendete sie eine Struktur mit 329 Segmenten. Bis Ende der achtziger Jahre wurde diese frühe rudimentäre Struktur in differenziertere Strukturen mit erst 418 und dann 922 Segmenten unterteilt. Im Jahr 1991 wurden einige Städte weiter unterteilt, wodurch eine Struktur mit 1 086 Bausteinen entstand. Im Jahr 1992 wurden weitere 244 Bausteine, die den Verwaltungseinheiten der neuen Bundesländer entsprachen, hinzugefügt, um den Folgen der Wiedervereinigung Rechnung zu tragen. Im Jahr 1993 wurde im Zuge der Einführung der fünfstelligen Postleitzahl in Deutschland eine vollständige Überarbeitung der Bausteinstruktur erforderlich. 119 Städte wurden umstrukturiert, was eine Struktur mit 1 845 Segmenten ergab.

7.

Im Jahr 1998 begann die Antragstellerin mit einem Entwicklungsprogramm, das u. a. zur Schaffung einer neuen Bausteinstruktur führen sollte. Dieses Programm gipfelte in der Entwicklung eines Formats für die Struktur 1 860 Bausteine im Jahr 1999. Diese Struktur wurde im Januar 2000 auf den Markt gebracht und bildet jetzt den Hauptbestandteil des regionalen Absatzdatendienstes, den IMS Health in Deutschland anbietet.

8.

Da die Antragstellerin den Verdacht hatte, dass zwei Wettbewerber auf dem deutschen Markt, die Pharma Intranet Information AG (im Folgenden: PI) und die AzyX Deutschland GmbH Geopharma Information Services (im Folgenden: AzyX), die durch einige ihrer ehemaligen höheren Angestellten gegründet worden waren und auf dem deutschen Markt ursprünglich mit dem Verkauf von auf anderen Bausteinstrukturen beruhenden Dienstleistungen tätig waren, Anfang 2000 Dienstleistungen vermarkteten, die auf Kopien der Struktur 1 860 Bausteine beruhten, beschloss sie, beim Landgericht Frankfurt am Main Klagen wegen Urheberrechtsverletzung zu erheben. Diese Klagen wurden am 26. Mai und 22. Dezember 2000 gegen PI und AzyX eingereicht.

9.

In dem Verfahren gegen PI stellte das Landgericht Frankfurt am Main am 16. November 2000 unter Bestätigung eines früheren Urteils vom 12. Oktober 2000 fest, dass die Antragstellerin durch IMS Health nach deutschem Urheberrecht urheberrechtlichen Schutz an der Struktur 1 860 Bausteine genießt. In diesem Urteil bestätigte das Gericht auch eine einstweilige Verfügung vom 27. Oktober 2000, die es PI und Herrn Lederer, einem ehemaligen Geschäftsführer von IMS Health, untersagte, die Struktur 1 860 Bausteine und aus dieser Struktur "abgeleitete" Gebietsaufteilungen zu verwenden.

10.

Die National Data Corporation (im Folgenden: NDC), die ebenfalls ein Unternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten und ein internationaler Wettbewerber der Antragstellerin ist, erwarb PI im August 2000. Am 26. Oktober 2000 bat sie die Antragstellerin um eine Lizenz zur Nutzung der Struktur 1 860 Bausteine gegen Zahlung einer jährlichen Lizenzgebühr von 10 000 DM (5 112,92 Euro). Da PI gegen die vorerwähnten Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober und 16. November 2000 Berufung eingelegt hatte, lehnte die Antragstellerin diesen Antrag mit Schreiben vom 28. November 2000 ab, solange das Urheberrechtsproblem von den nationalen Gerichten noch nicht entschieden sei. Mit einem weiteren Schreiben vom 18. Dezember 2000 lehnte sie es ab, über die Lizenz zu verhandeln, da NDC für einen Wettbewerb gegen sie auf dem deutschen Markt nicht auf die Struktur 1 860 Bausteine angewiesen sei.

11.

Am 4. Dezember 2000 erhob die NDC Health GmbH & Co. KG, die deutsche Tochtergesellschaft von NDC (im Folgenden: NDC Health), beim Landgericht Nürnberg-Fürth Klage auf Feststellung, dass IMS Health nicht berechtigt sei, von ihr zu verlangen, die u. a. auf der Struktur 1 860 Bausteine beruhenden Strukturen nicht zu verwenden. Am 28. Dezember 2000 erwirkte IMS Health jedoch eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main, mit der NDC Health untersagt wurde, u. a. die Struktur 1 860 Bausteine zu verwenden.

12.

Am 19. Juni 2001 wurde die Berufung von PI gegen die Entscheidungen vom 27. Oktober und 16. November 2000 vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main zurückgewiesen.

13.

Am 12. Juli 2001 wies das Landgericht Frankfurt am Main einen Widerspruch von NDC Health gegen die am 28. Dezember 2000 gegen sie erlassene einstweilige Verfügung zurück.

14.

Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens über das Urheberrecht zwischen IMS Health und NDC Health betreffend den Antrag der Erstgenannten auf eine endgültige Entscheidung, mit der der Zweitgenannten untersagt wird, die Struktur 1 860 Bausteine oder eine ihrer Ableitungen zu verwenden, beschloss das Landgericht Frankfurt am Main am 30. August 2001, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG einige Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen. Das Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob die Anwendung des deutschen Urheberrechts durch Artikel 82 EG berührt wird, wenn die Industrie in gewissem Umfang in die Entwicklung des geschützten Werkes einbezogen worden ist. Dieses Vorabentscheidungsersuchen ist am 22. Oktober 2001 unter der Nummer C-418/01 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden.

15.

In dem Verfahren gegen AzyX erließ das Landgericht Frankfurt am Main am 28. Dezember 2000 eine einstweilige Verfügung, mit der AzyX untersagt wurde, Daten auf der Grundlage der Struktur 1 860 Bausteine zu liefern, auf den Markt zubringen oder anzubieten. Am 15. Februar 2001 bestätigte das Gericht diese einstweilige Verfügung.

16.

Demzufolge bat AzyX die Antragstellerin am 24. April 2001 um eine Lizenz zur Nutzung der Struktur 1 860 Bausteine. Am 28. Mai 2001 lehnte die Antragstellerin diesen Antrag ab, insbesondere weil sie den Zugang von AzyX zu der Struktur 1 860 Bausteine für einen Wettbewerb gegen sie auf dem deutschen Markt nicht für erforderlich und die von AzyX angebotene Lizenzgebühr von 100 000 DM (51 129,19 Euro) für zu niedrig hielt.

17.

Am 18. September 2001 hob das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die am 28. Dezember 2000 gegen AzyX erlassene einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main auf, so dass ihr in Deutschland nicht länger gerichtlich untersagt ist, die Struktur 1 860 Bausteine oder ihre Ableitungen zu verwenden (siehe unten, Randnrn. 44 und 45).

Untersuchung der Kommission und Erlass der angefochtenen Entscheidung

18.

Am 18. Dezember 2000 legte NDC eine Beschwerde bei der Kommission ein und machte geltend, die Weigerung der Antragstellerin, ihr eine Lizenz zur Nutzung der Struktur 1 860 Bausteine zu erteilen, verletze Artikel 82 EG. Sie beantragte ferner den Erlass einstweiliger Maßnahmen gegen die Antragstellerin.

19.

Die Antragstellerin nahm zu der Beschwerde zunächst mit Schreiben vom 12. Januar 2001 Stellung und erwiderte die Auskunftsverlangen der Kommission mit Schreiben vom 15. und 26. Januar 2001 sowie vom 7. März 2001.

20.

Am 8. März 2001 übersandte die Kommission der Antragstellerin eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die diese am 9. März 2001 erhielt. Die Kommission sah die entscheidende Frage darin, ob die Struktur 1 860 Bausteine eine wesentliche Einrichtung ("essential facility") darstelle (Mitteilung der Beschwerdepunkte, Ziffer 58). Sie gelangte nach den ihr zur Verfügung stehenden Informationen zu dem Ergebnis (Mitteilung der Beschwerdepunkte, Ziffer 84), dass der Zugang zu dieser Struktur für Wettbewerber unerlässlich erscheine, dass die Weigerung der Antragstellerin, Lizenzen zu erteilen, nicht objektiv gerechtfertigt sei und dass diese Weigerung möglicherweise einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstelle, die IMS auf dem relevanten deutschen Markt innehabe. Die Kommission wies die Antragstellerin darauf hin, dass sie beabsichtige, eine Entscheidung mit einstweiligen Maßnahmen zu erlassen (Mitteilung der Beschwerdepunkte, Ziffern 100 bis 103).

21.

Am 2. April 2001 antwortete die Antragstellerin schriftlich auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Am 6. April 2001 fand dann eine Anhörung bei der Kommission statt, in der ausführlich diskutiert wurde, ob die Struktur 1 860 Bausteine eine De-facto-Industrienorm darstellt. Die Kommission übersandte der Antragstellerin am 4. Mai 2001 ein weiteres Auskunftsverlangen, das am 14. Mai2001 beantwortet wurde. Am 14. Juni 2001 nahm die Antragstellerin auch zu zusätzlichem Beweismaterial Stellung, das die Kommission von verschiedenen Pharmaunternehmen aufgrund von Auskunftsverlangen erhalten hatte, die sie nach der Anhörung gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), versandt hatte. Mit diesen Auskunftsverlangen sollte deren Auffassung zur angeblichen Unerlässlichkeit der Struktur 1 860 Bausteine ermittelt werden. Die Antworten dieser Pharmaunternehmen hatte die Kommission der Antragstellerin in zwei Sendungen am 22. Mai 2001 und 7. Juni 2001 abschriftlich übermittelt. Die Antragstellerin nahm zu diesem zusätzlichen Beweismaterial mit einem weiteren an die Kommission gerichteten Vermerk vom 14. Juni 2001 Stellung. Sie wurde ferner bei einer Zusammenkunft zwischen ihren Vertretern und denen der Kommission am 18. Juni 2001 angehört.

22.

Am 3. Juli 2001 erließ die Kommission eine Entscheidung in einem Verfahren nach Artikel 82 EG-Vertrag (Sache COMP D3/38.044 - NDC Health/IMS HEALTH: Einstweilige Anordnung) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Sie ist auf die Verordnung Nr. 17 und insbesondere auf die Befugnis der Kommission nach Artikel 3 dieser Verordnung zum Erlass einstweiliger Maßnahmen gestützt, die der Gerichtshof erstmals im Beschluss vom 17. Januar 1980 in der Rechtssache 792/79 R (Camera Care/Kommission, Slg. 1980, 119, im Folgenden: Beschluss Camera Care) anerkannt und in einer Reihe von späteren Urteilen bestätigt hat (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 28. Februar 1984 in den Rechtssachen 228/82 und 229/82, Ford/Kommission, Slg. 1984, 1129, im Folgenden: Urteil Ford; Urteile des Gerichts vom 12. Juli 1991 in der Rechtssache T-23/90, Peugeot/Kommission, Slg. 1991, II-653, im Folgenden: Urteil Peugeot, und vom 24. Januar 1992 in der Rechtssache T-44/90, La Cinq/Kommission, Slg. 1992, II-1, im Folgenden: Urteil La Cinq).

23.

In den Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission davon aus (Ziffer 41), dass die Voraussetzungen, die nach der vorerwähnten Camera-Care-Rechtsprechung vorliegen müssten, damit sie im Rahmen einer laufenden Untersuchung nach der Verordnung Nr. 17 Sicherungsmaßnahmen ergreifen könne, alle erfüllt seien.

24.

Zur Anscheinsvermutung einer Verletzung von Artikel 82 EG untersucht die Kommission zunächst den sachlich und räumlich relevanten Markt. Sie unterscheidet auf der Grundlage der von der Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 7. März 2001 vorgelegten Informationen zwischen Daten von Pharmaeinzelhändlern und Daten von Pharmagroßhändlern (Ziffern 47 und 48). Diese Daten führten zu vier verschiedenen Diensten, je nachdem, ob sie sich auf nationale oder regionale Daten bezögen. Außerdem bildeten die Daten für den deutschen Markt ein eigenständiges Produkt, das nicht durch die Daten für ein anderes Land substituiert werden könne. Nach der Definition der Kommission istder relevante Markt in diesem Fall folglich "der deutsche Markt für regionale Absatzdatendienste" (Ziffer 51).

25.

Da der relevante Markt der größte dieser Art in der Gemeinschaft sei, stellt er nach Ansicht der Kommission einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes dar (Ziffer 60). Weil die Antragstellerin mit einem Marktanteil von "über [...%]"(2) eine "Beinahe-Monopolstellung" auf diesem Markt innehabe, wobei NDC und AzyX ihre einzigen Wettbewerber seien, stellt die Kommission fest, dass sie eine beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt habe (Ziffer 62).

26.

Danach erläutert die Kommission (vgl. Ziffern 63 bis 185), weshalb sich "[a]us dem bisher vorliegenden Tatbestand" eine ausreichende Anscheinsvermutung dafür ergebe, dass die Weigerung der Antragstellerin, NDC eine Lizenz zu erteilen, einen Missbrauch nach Artikel 82 EG darstelle, und weshalb einstweilige Maßnahmen erlassen werden sollten, "wenn die sonstigen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind" (Ziffer 186). Diese Beurteilung stützt sich im Wesentlichen auf das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" und insbesondere auf ihre Ansicht (die sie aus den Feststellungen in den Ziffern 75 bis 123 herleitet), dass die Struktur 1 860 Bausteine eine "De-facto-Industrienorm" darstelle (Ziffer 180). Die "Verweigerung des Zugangs zu der .Struktur 1 860 Bausteine' [durch die Antragstellerin ist] geeignet ..., jeglichen Wettbewerb in dem relevanten Markt zu beseitigen, da ohne diesen Zugang ein Wettbewerb auf diesem Markt nicht möglich wäre" (Ziffer 181). Diese Schlussfolgerung beruht im Wesentlichen auf ihren Feststellungen, dass der Aufbau einer Alternativstruktur zur Struktur 1 860 Bausteine durch die Wettbewerber der Antragstellerin unwahrscheinlich sei (vgl. Ziffern 124 bis 166) und dass keine Rechtfertigung für die Weigerung der Antragstellerin vorliege, ihren Wettbewerbern Lizenzen zu erteilen (Ziffern 167 bis 174).

27.

Die Kommission stellt außerdem fest, dass "in diesem Fall die Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens und einer nicht hinnehmbaren Schädigung des öffentlichen Interesses besteht, die den dringenden Bedarf zum Erlass einer einstweiligen Anordnung begründet" (Ziffer 201). Der von ihr festgestellte Sachverhalt "lässt darauf schließen, dass der Geschäftstätigkeit von NDC in Deutschland das Ende drohen würde, wenn [sie] keine Lizenz für die .Struktur 1 860 Bausteine' erhält, was eine nicht hinzunehmende Schädigung des öffentlichen Interesses darstellt" (Ziffer 190). Ohne einstweilige Maßnahmen würde NDC Kunden verlieren, hätte keine Aussicht, für die kommenden Jahre neue Kunden zu werben, und würde wahrscheinlich "zur Einstellung ihrer Tätigkeit in Deutschland" gezwungen sein (Ziffer 193). Zusätzlich zu der ernsthaften Gefahr eines nicht wieder gutzumachenden Schadens für NDC bestehe auch "die Gefahr, dass eine nicht hinnehmbare Schädigung des öffentlichen Interesses im Sinne des Urteils La Cinq entsteht" (Ziffer 195). Die Kommission stellt fest, dass "[e]in möglicher Befund in der endgültigen Entscheidung, dass IMS [ihre] beherrschendeStellung gemäß Artikel 82 [EG] missbräuchlich ausgenutzt hat, ... seiner Wirkung beraubt [wäre], wenn in der Zwischenzeit die deutsche Tochtergesellschaft von NDC und andere Wettbewerber ihre Geschäftstätigkeit würden aufgeben müssen" (Ziffer 196). Schließlich weist sie die Behauptung von IMS zurück, dass sie einen nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde, und gelangt zu der Schlussfolgerung, dass "[d]ie Interessenabwägung ... in diesem Fall zugunsten des Antragstellers [geht]" (Ziffer 199).

28.

Dementsprechend sehen die Artikel 1 bis 3 des verfügenden Teils der angefochtenen Entscheidung vor:

"Artikel 1

IMS Health (IMS) wird hiermit auferlegt, allen Unternehmen, die derzeit am deutschen Markt für regionale Absatzdatendienste tätig sind, auf Antrag unverzüglich eine Lizenz auf nicht diskriminierender Grundlage für die Verwendung der .Struktur 1 860 Bausteine' zu erteilen, um diese Unternehmen in die Lage zu versetzen, gemäß dieser Struktur formatierte regionale Absatzdaten zu verwenden und zu verkaufen.

Artikel 2

Die in Lizenzvereinbarungen zur Verwendung der .Struktur 1 860 Bausteine' festzulegenden Gebühren sind durch Übereinkunft zwischen IMS und den Unternehmen festzusetzen, die eine Lizenz beantragen (die Parteien).

Sollte binnen zwei Wochen ab dem Datum der Beantragung einer Lizenz kein Einvernehmen erzielt werden, sind angemessene Lizenzgebühren von einem oder mehreren unabhängigen Sachverständigen festzusetzen. Die Sachverständigen werden von den Parteien einvernehmlich innerhalb einer Woche nach dem Nichterzielen einer Übereinkunft zwischen ihnen gewählt. Sollte innerhalb dieser Frist keine Einigung über die zu wählenden Sachverständigen erzielt werden, wird die Kommission einen oder mehrere Sachverständigen aus einer von den Parteien vorgelegten Kandidatenliste bestimmen oder gegebenenfalls eine oder mehrere entsprechend qualifizierte Person(en) wählen.

Die Parteien werden den Sachverständigen jegliche von ihnen für die Durchführung ihrer Arbeit als erforderlich oder nützlich bezeichneten Unterlagen bereitstellen. Die Sachverständigen sind durch das Berufsgeheimnis gebunden und werden keine Unterlagen oder Dokumente an Dritte mit Ausnahme der Kommission weitergeben.

Die Sachverständigen werden die Gebühr auf der Grundlage transparenter und objektiver Kriterien binnen zwei Wochen nach ihrer Benennung zur Ausübung dieser Tätigkeit festsetzen. Sie werden die von ihnen festgesetzten Gebühren derKommission unverzüglich zur Genehmigung vorlegen. Die Entscheidung der Kommission ist endgültig und wird unmittelbar wirksam.

Artikel 3

Ein Zwangsgeld von täglich 1 000 EUR wird für den Zeitraum fällig, in dem IMS den Bestimmungen dieser Entscheidung nicht nachkommt."

29.

Nach Artikel 4 der angefochtenen Entscheidung gelten die "Bestimmungen ... bis zur Mitteilung der endgültigen Entscheidung zum Abschluss des Verfahrens", und nach Artikel 5 ist die Entscheidung "an IMS Health of Harewood Avenue, London NW1, Vereinigtes Königreich gerichtet".

Verfahren

30.

Die Antragstellerin hat mit Klageschrift, die am 6. August 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG Klage erhoben u. a. auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung oder hilfsweise auf deren Nichtigerklärung, soweit sie IMS Health auferlegt, derzeit auf dem deutschen Markt für regionale Absatzdatendienste tätigen Unternehmen Lizenzen für die Struktur 1 860 Bausteine zu erteilen, und die Voraussetzungen festlegt, unter denen die Aushandlung der Lizenzvereinbarung von der Kommission geleitet und genehmigt wird.

31.

Mit besonderem Schriftsatz, der am gleichen Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß den Artikeln 242 EG und 243 EG den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung bezüglich des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung gestellt. Sie beantragt,

- den Vollzug der Entscheidung von Amts wegen bis zur Verhandlung und Entscheidung über diesen Antrag auszusetzen,

- den Vollzug der Entscheidung weiterhin auszusetzen, bis das Gericht erster Instanz ein Urteil erlassen hat, und

- alle weiteren einstweiligen Anordnungen zu treffen, die der Präsident für zweckmäßig erachtet.

32.

Mit Beschluss vom 10. August 2001 hat der Richter der einstweiligen Anordnung gemäß Artikel 105 § 2 Absatz 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ohne Anhörung der Gegenpartei den Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zum Erlass des Beschlusses, der das vorliegende Verfahren der einstweiligen Anordnung beendet, ausgesetzt. Diese einstweilige Anordnung wurde darauf gestützt, dass sich aus vorläufiger Sicht eine Anscheinsvermutung gegen die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt, dass sich aus einer Festlegung der Bedingungen einer Zwangslizenz in Bezug auf die Verwendung der Struktur 1 860 Bausteinedurch die Kommission für die Antragstellerin schwere wirtschaftliche und nichtwirtschaftliche Folgen ergeben könnten und dass für die Sicherstellung einer geordneten Rechtspflege der Richter der einstweiligen Anordnung Zeit benötigt, die im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen schwierigen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu prüfen.

33.

Mit Schriftsätzen, die am 13. und 14. August 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben AzyX und NDC u. a. beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission im vorliegenden Verfahren zugelassen zu werden. Mit Schreiben vom 27. August 2001 haben weder die Antragstellerin noch die Kommission Einwände gegen diese Anträge erhoben; beide Parteien haben aber eine vertrauliche Behandlung bestimmter Unterlagen gegenüber Azyx und NDC beantragt.

34.

Unbeschadet der Entscheidung über ihre Anträge sind Azyx und NDC am 29. August 2001 vom Richter der einstweiligen Anordnung aufgefordert worden, etwaige schriftliche Erklärungen oder Anträge auf vertrauliche Behandlung bis zum 12. September 2001 einzureichen.

35.

Am 29. August 2001 hat AzyX beantragt, in ihren Erklärungen zur Begründung ihres Streithilfeantrags die französische Sprache verwenden zu dürfen. Da die Antragstellerin mit Schreiben vom 31. August 2001 lediglich gegen die Verwendung der französischen Sprache in den von AzyX eingereichten schriftlichen Erklärungen Einwände erhoben und die Kommission gar keine Einwände erhoben hat, hat der Richter der einstweiligen Anordnung am 5. September 2001 gemäß Artikel 35 § 2 der Verfahrensordnung beschlossen, dass AzyX in ihren mündlichen Erklärungen die französische Sprache verwenden darf.

36.

Mit Schriftsatz, der am 12. September 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat NDC Health beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden. Sie hat ausgeführt, dass ihre Erklärungen zwar im Wesentlichen mit denen von NDC identisch wären, dass sie aber als das Unternehmen, das unmittelbar an dem von IMS Health in Deutschland eingeleiteten Verfahren wegen Urheberrechtsverletzung beteiligt sei, ein Interesse an einem gesonderten Beitritt habe. Unbeschadet der Entscheidung über ihren Antrag ist sie vom Richter der einstweiligen Anordnung am 13. September 2001 aufgefordert worden, etwaige schriftliche Erklärungen oder Anträge auf vertrauliche Behandlung am gleichen Tag einzureichen. Da die mündliche Verhandlung für den nächsten Tag angesetzt war, hat der Richter der einstweiligen Anordnung beschlossen, die Parteien zu diesem weiteren Streithilfeantrag in der Verhandlung anzuhören.

37.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2001 hat der Richter der einstweiligen Anordnung unter Hinweis darauf, dass NDC in dem laufenden Verwaltungsverfahren vor der Kommission Beschwerdeführerin ist, dass NDCHealth unmittelbar an dem von IMS Health in Deutschland eingeleiteten Verfahren wegen Urheberrechtsverletzung beteiligt ist und dass AzyX nicht nur derzeit der einzige weitere Wettbewerber von IMS Health auf dem relevanten Markt ist, sondern auch mit der Untersuchung der Beschwerde von NDC in enger Verbindung steht, beschlossen, dass das berechtigte Interesse aller drei Streithilfeantragstellerinnen am Ausgang des vorliegenden Verfahrens der einstweiligen Anordnung gemäß Artikel 37 Absatz 2 der EG-Satzung, der nach deren Artikel 46 Absatz 1 auf das Gericht Anwendung findet, glaubhaft gemacht worden ist. Dementsprechend hat der Richter der einstweiligen Anordnung den drei Streithilfeanträgen stattgegeben.

38.

Da die Parteien und die Streithelferinnen keinen förmlichen Beschluss im Hinblick auf die von ihnen eingereichten verschiedenen Anträge auf vertrauliche Behandlung beantragt hatten, hat der Richter der einstweiligen Anordnung nach sorgfältiger Durchsicht der Unterlagen und Angaben, auf die sich die Anträge beziehen, in der mündlichen Verhandlung beschlossen, dass sie dem ersten Anschein nach für die Zwecke dieses Verfahrens als vertraulich zu behandeln sind, da sie gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung Geschäftsgeheimnisse darzustellen scheinen.

39.

Dementsprechend haben die Parteien und die Streithelferinnen mündliche Erklärungen abgegeben und Fragen des Richters der einstweiligen Anordnung beantwortet. Einen weiteren Schriftsatz von Dr. Sati Sian, Direktor von IMS, der eine in Anlage 4 zum Antrag auf einstweilige Anordnung enthaltene vertrauliche Erklärung ergänzt, hat der Richter der einstweiligen Anordnung zu den Akten genommen, ohne dass die anderen Verfahrensbeteiligten Einwände erhoben hätten. Der Richter der einstweiligen Anordnung hat Dr. Sian auch die Abgabe einer vertraulichen mündlichen Erklärung in einer nichtöffentlichen Sitzung gestattet, ohne dass die anderen Verfahrensbeteiligten Einwände erhoben hätten. Da keine Einwände erhoben wurden, hat der Richter der einstweiligen Anordnung Herrn Jeffrey Kanis, Direktor von NDC Health, ebenfalls gestattet, in der Verhandlung eine Erklärung abzugeben.

40.

Mit Schreiben vom 18. September 2001 hat der Richter der einstweiligen Anordnung die Kommission aufgefordert, anzugeben, ob sie - wie die Antragstellerin sowohl in ihrer Antragsschrift als auch in ihren mündlichen Erklärungen vorgetragen hatte - Informationen über die Bausteinstruktur(en) besitze, die die Streithelferinnen, AzyX und NDC/NDC Health, gegenwärtig verwendeten, um regionale Absatzdatendienste auf dem deutschen Markt zu erbringen. Die Kommission ist aufgefordert worden, falls sie solche Informationen besitze, diese bis zum 24. September 2001 der Kanzlei des Gerichts vorzulegen. Soweit diese Informationen vertrauliche Geschäftsgeheimnisse einer der Streithelferinnen enthalten sollten, ist die Kommission außerdem gebeten worden, bis zu diesem Zeitpunkt eine geeignete nichtvertrauliche Fassung der entsprechenden Informationen einzureichen.

41.

Nachdem die Antragstellerin beantragt hatte, kurze ergänzende Erklärungen einreichen zu dürfen, um auf die schriftlichen Erklärungen der Kommission und der Streithelferinnen zu erwidern, die sie alle erst ganz kurz vor der mündlichen Verhandlung erhalten habe, hat der Richter der einstweiligen Anordnung beschlossen, für die Einreichung dieser Erklärungen eine Frist bis zum 24. September 2001 zu setzen. Der Kommission und den Streithelferinnen ist gestattet worden, bis zum 27. September 2001 weitere knappe Erklärungen zu den ergänzenden Erklärungen der Antragstellerin einzureichen.

42.

Am 24. September 2001 hat die Kommission auf die schriftliche Frage vom 18. September 2001 geantwortet. Da der Richter der einstweiligen Anordnung davon überzeugt war, dass diese Antwort gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung dem ersten Anschein nach vertraulich war, hat er der Antragstellerin und den Streithelferinnen am 26. September 2001 eine nichtvertrauliche Fassung des am 25. September 2001 von der Kommission eingereichten vollständigen Textes zugestellt.

43.

Ergänzende schriftliche Erklärungen sind von der Antragstellerin am 24. September 2001 und von der Kommission und den Streithelferinnen am 27. September 2001 eingereicht worden.

44.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2001 über die Aufhebung der am 28. Dezember 2000 gegen AzyX erlassenen einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main erfolgte gemäß den ergänzenden Erklärungen der Antragstellerin aus Verfahrensgründen. In ihren ergänzenden Erklärungen erläutert die Kommission, ohne sich förmlich gegen diese Beurteilung zu wenden, dass die Begründung des nationalen Gerichts mit einer anderen Beurteilung der Dringlichkeit zusammenhänge, die dem Antrag von IMS Health auf einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf die angebliche Verletzung ihres Urheberrechts an der Struktur 1 860 Bausteine durch AzyX zugrunde liege. AzyX macht in ihren ergänzenden Erklärungen keine Angaben zum Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main.

45.

Am 18. Oktober 2001 hat der Richter der einstweiligen Anordnung die Antragstellerin schriftlich aufgefordert, anzugeben, ob IMS Health die Möglichkeit habe, gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ein Rechtsmittel einzulegen, und ob sie gegebenenfalls dies beabsichtige. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2001 hat die Antragstellerin geantwortet, dass das Urteil rechtskräftig sei. Sie hat bestätigt, dass das Urteil die einstweilige Verfügung gegen AzyX aus den von der Kommission in ihren ergänzenden Erklärungen angegebenen Gründen aufgehoben habe. IMS hat jedoch hervorgehoben, dass das Urteil auf der Annahme beruhe, dass das Urheberrecht an der Struktur 1 860 Bausteine gültig sei.

Entscheidungsgründe

46.

Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG sowie Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

47.

Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache erforderlich und vorläufig in dem Sinne sein, dass sie dieser Entscheidung nicht vorgreifen und deren Folgen nicht im Voraus neutralisieren (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. Mai 1989 in den Rechtssachen 76/89 R, 77/89 R und 91/89 R, RTE u. a./Kommission, Slg. 1989, 1141, Randnr. 12, im Folgenden: Beschluss Magill, vom 19. Juli 1995 in der Rechtssache C-149/95 P[R], Kommission/Atlantic Container Line u. a., Slg. 1995, I-2165, Randnr. 22, im Folgenden: Beschluss Kommission/Atlantic Container Line, und vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30, im Folgenden: Beschluss SCK und FNK). Der Richter der einstweiligen Anordnung nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 2001 in der Rechtssache C-445/00 R, Österreich/Rat, Slg. 2001, I-1461, Randnr. 73).

48.

Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 bestimmt:

"Stellt die Kommission auf Antrag oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel [81 oder 82 EG] fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen."

49.

Im Beschluss Camera Care hat der Gerichtshof (Randnrn. 17 und 18) Folgendes ausgeführt:

"Hinsichtlich der der Kommission [durch Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17] verliehenen Entscheidungsbefugnis kommt es darauf an, dass sie auf die wirksamste und den Umständen des Einzelfalls am ehesten angemessene Weise ausgeübt werden kann. So sollte die Möglichkeit einer Ausübung der der Kommission verliehenen Entscheidungsbefugnis in aufeinander folgenden Phasen nicht ausgeschlossen werden, mit der Folge, dass einer Entscheidung, durch die eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, alle vorbereitenden Maßnahmenvorausgehen können, die zu einem gegebenen Zeitpunkt etwa notwendig erscheinen.

Unter diesem Gesichtspunkt muss die Kommission im Rahmen der ihr im Vertrag und in der Verordnung Nr. 17 verliehenen Kontrollbefugnis in Wettbewerbsangelegenheiten auch sichernde Maßnahmen ergreifen können, sofern diese als unerlässlich erscheinen, um zu vermeiden, dass die Ausübung der in Artikel 3 vorgesehenen Entscheidungsbefugnis durch das Verhalten gewisser Unternehmen unwirksam oder sogar illusorisch gemacht wird. Die Zuständigkeiten der Kommission gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 umfassen demnach die Befugnis, diejenigen einstweiligen Maßnahmen zu ergreifen, die unerlässlich sind, um ihr die wirksame Erfüllung ihrer Aufgaben zu ermöglichen und insbesondere die praktische Wirksamkeit der Entscheidungen zu gewährleisten, durch die die Unternehmen gegebenenfalls verpflichtet werden, die festgestellten Zuwiderhandlungen abzustellen."

50.

Die im Beschluss Camera Care anerkannte Befugnis der Kommission zum Erlass solcher einstweiligen Maßnahmen aufgrund ihrer Untersuchungsbefugnisse nach der Verordnung Nr. 17 ist in den Urteilen Ford (Randnrn. 18 und 19), Peugeot (Randnrn. 19 und 20) und La Cinq (Randnrn. 27 und 28) bestätigt worden.

51.

Im vorliegenden Verfahren der einstweiligen Anordnung, in dem die Antragstellerin die Aussetzung des Vollzugs einer vorläufigen Entscheidung der Kommission beantragt, mit der Sicherungsmaßnahmen entsprechend der Camera-Care-Rechtsprechung ergriffen wurden, ist zunächst zu untersuchen, in welchem Umfang sie die Notwendigkeit der beantragten Aussetzung glaubhaft machen muss, damit diese, soweit die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind, gerechtfertigt ist.

Überprüfung vorläufiger Entscheidungen der Kommission durch den Richter der einstweiligen Anordnung

52.

Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass nach der Camera-Care-Rechtsprechung drei Voraussetzungen erfüllt sein müssten, damit die Kommission im Rahmen einer laufenden Untersuchung nach der Verordnung Nr. 17 Sicherungsmaßnahmen ergreifen könne. Danach bestehen diese Voraussetzungen darin (Ziffer 41),

"- dass eine ausreichende Anscheinsvermutung für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung besteht,

- die Antragsteller wahrscheinlich schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würden, falls keine Maßnahmen erlassen würden und

- die Dringlichkeit von schützenden Maßnahmen gegeben ist".

53.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht im Urteil La Cinq (Randnr. 28) dargelegt hat, welche genauen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere dem Beschluss Camera Care und dem Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 29. September 1982 in den Rechtssachen 229/82 R und 228/82 R (Ford/Kommission, Slg. 1982, 3091, im Folgenden: Beschluss Ford), vorliegen müssen, damit die Kommission einstweilige Maßnahmen erlassen kann. Das Gericht hat erstens entschieden, dass Sicherungsmaßnahmen nur ergriffen werden können, wenn die streitigen Praktiken auf den ersten Blick einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln darstellen können, der durch eine endgültige Entscheidung der Kommission geahndet werden kann, und zweitens, dass solche Maßnahmen nur im Fall erwiesener Dringlichkeit und nur mit dem Ziel ergriffen werden dürfen, einer Situation entgegenzutreten, die geeignet ist, der den Erlass der Maßnahmen beantragenden Partei einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zuzufügen, oder die für die Allgemeinheit unerträglich ist. Das Gericht hat festgestellt, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit, die die Kommission in der in diesem Fall streitigen Entscheidung ebenso wie in der angefochtenen Entscheidung als dritte Voraussetzung für den Erlass einstweiliger Maßnahmen angesehen hatte, jedoch "in Wahrheit nur ein Gesichtspunkt der Voraussetzung der Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens" ist (Randnr. 29).

54.

Da bei Bestehen der Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens gleichzeitig zwangsläufig die Dringlichkeit vorliegt, ist somit richtigerweise davon auszugehen, dass es sich bei den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung aufgezählten drei Voraussetzungen in Wirklichkeit um zwei Voraussetzungen handelt.

55.

Da beide Voraussetzungen für den Erlass einstweiliger Maßnahmen vorliegen müssen, genügt das Fehlen einer dieser Voraussetzungen, um die Kommission an der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass solcher Maßnahmen zu hindern (Urteil La Cinq, Randnr. 30).

56.

Die Kommission, unterstützt durch NDC und NDC Health, macht geltend, dass der Richter der einstweiligen Anordnung mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit der in der angefochtenen Entscheidung ergriffenen Sicherungsmaßnahmen die gleichen Voraussetzungen - wenn auch auf Aufforderung der Antragstellerin - erneut prüfen müsse, die in der angefochtenen Entscheidung bereits als erfüllt angesehen worden seien, nämlich, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen, aufgrund deren die Weigerung, für die Bausteinstruktur Lizenzen zu erteilen, einen Missbrauch ihrer beherrschenden Stellung durch die Antragstellerin darstelle, dass die einzigen Wettbewerber der Antragstellerin in kurzer Zeit aus dem relevanten Markt gedrängt würden, wenn ihnen nicht gegen eine angemessene Gebühr Zugang zu dieser vermutlich unerlässlichen Bausteinstruktur gewährt werde, und dass keine Gefahr bestehe, dass die zwingende Gewährung dieses Zugangs der Antragstellerin einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen werde. Da bei Nichtigkeitsklagen gegen Entscheidungen, die auf komplexen wirtschaftlichenBeurteilungen wie denjenigen beruhten, die den in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen zugrunde lägen, der Maßstab für die gerichtliche Nachprüfung verlange, dass der Kommission ein offensichtlicher Fehler unterlaufen sei, müsse die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren glaubhaft machen, dass die Prüfung der einzelnen erforderlichen Voraussetzungen durch die Kommission offensichtlich fehlerhaft gewesen sei. Mit anderen Worten müsse die Antragstellerin, wie die Kommission sowohl in der mündlichen Verhandlung als auch in ihren ergänzenden Erklärungen hervorgehoben hat, nicht nur glaubhaft machen, dass der Anwendungsbereich von Artikel 82 EG in der angefochtenen Entscheidung offensichtlich falsch ausgelegt werde, wenn die Kommission nach dem ersten Anschein zu der Schlussfolgerung gelange, dass ein Missbrauch stattgefunden habe, sondern darüber hinaus glaubhaft machen, dass bezüglich der Prüfung der Dringlichkeit und der Abwägung der Interessen, die den Erlass der streitigen einstweiligen Maßnahmen rechtfertigten, ein offensichtlicher Fehler vorliege. Wie NDC in ihren schriftlichen Erklärungen formuliert hat, verlangten die an die Antragstellerin gestellten Beweisanforderungen, dass sie das Fehlen einer "plausiblen Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung" glaubhaft mache.

57.

Auf dieses Vorbringen hat die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung erwidert, dass sie im Hinblick auf das Erfordernis des Fumus boni iuris lediglich dem Richter der einstweiligen Anordnung glaubhaft machen müsse, dass vernünftige Erfolgsaussichten für die Klage bestünden. Würden höhere Anforderungen gestellt, so würde dieser Klage vorgegriffen und ihr tatsächlich die Möglichkeit verwehrt, eine einstweilige Anordnung zu erwirken. Selbst wenn sie einen stärkeren als den üblichen Fumus boni iuris begründen müsse, was nicht der Fall sei, sei jedenfalls offenkundig, zumindest aus vorläufiger Sicht, dass die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung nach dem ersten Anschein gezogene Hauptschlussfolgerung bezüglich der Missbräuchlichkeit ihrer Weigerung, eine Lizenz zu erteilen, fehlerhaft sei.

58.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Präsident des Gerichtshofes im Beschluss Kommission/Atlantic Container Line den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 10. März 1995 in der Rechtssache T-395/94 R (Atlantic Container Line u. a./Kommission, Slg. 1995, II-595, im Folgenden: Beschluss Atlantic Container Line/Kommission) bestätigt hat. In dem angefochtenen Beschluss hat der Präsident des Gerichts keine besonderen Anforderungen an den Fumus boni iuris im Rahmen eines Antrags auf Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission gestellt, mit der u. a. die Gewährung einer Freistellung gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG und Artikel 9 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 versagt wurde. Die Entscheidung der Kommission über die Gewährung einer solchen Freistellung, zu deren Erlass allein die Kommission befugt ist, stellt das klassische Beispiel einer Entscheidung dar, die ihrer Natur nach ermessensabhängig ist, da sie die Beurteilung komplexer tatsächlicher und wirtschaftlicher Kriterien einschließt. Mit ihrem Rechtsmittel machte die Kommission in Bezug auf das Erfordernis des Fumus boni iuris geltend, dass der angefochtene Beschluss die üblicheVoraussetzung des Fumus boni iuris in eine Voraussetzung des Fumus non mali iuris umgewandelt habe.

59.

Das Vorbringen der Kommission wurde zurückgewiesen. Der Präsident des Gerichtshofes hat entschieden, dass nach den Artikeln 242 EG und 243 EG der Richter der einstweiligen Anordnung, "wenn er dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen kann" und dass er hierbei, wenn es sich um Anträge handelt, die beim Gericht gestellt werden, die Voraussetzungen des Artikels 104 § 2 der Verfahrensordnung berücksichtigt, "wie sie durch die Rechtsprechung näher bestimmt worden sind" (Beschluss Kommission/Atlantic Container Line, Randnr. 21). Bezüglich der in Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung vorgesehenen Voraussetzung, die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen, hat er festgestellt, dass "in der Rechtsprechung mehrere Formulierungen verwendet worden sind, um die Voraussetzung des Fumus boni iuris je nach den Umständen des Einzelfalls zu definieren" (Randnr. 26). Unter Bezugnahme darauf, dass die in dem angefochtenen Beschluss verwendete Formulierung, mit der darauf hingewiesen wurde, dass die Gründe auf den ersten Blick nicht ohne Grundlage erscheinen, mit der Formulierung, auf die der Gerichtshof wiederholt zurückgegriffen hat, übereinstimmt oder ihr ähnelt, hat er festgestellt, dass "[e]ine solche Formulierung ... erkennen [lässt], dass das Vorbringen des Antragstellers nach Ansicht des Richters der einstweiligen Anordnung im Stadium dieses Verfahrens nicht ohne eine eingehendere Prüfung zurückgewiesen werden kann" (Randnr. 26). Sodann hat er auf der Grundlage der Rechtsprechung bekräftigt, dass der Richter der einstweiligen Anordnung "in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls die Auffassung vertreten kann, dass durch solche Gründe die Notwendigkeit der Aussetzung des Vollzugs gemäß Artikel [242 EG] oder die Notwendigkeit einstweiliger Anordnungen im Sinne von Artikel [243 EG] glaubhaft gemacht wird" (Randnr. 27).

60.

Es gibt keinen Grund für die Annahme, dass der Umfang der dem Richter der einstweiligen Anordnung gemäß Artikel 104 der Verfahrensordnung verliehenen Befugnis, so wie er vom Präsidenten des Gerichtshofes im Beschluss Kommission/Atlantic Container Line in Bezug auf eine endgültige Entscheidung der Kommission ausgelegt worden ist, mit der die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Vertrages angewandt wurden und die auf der Grundlage der ihr nach der Verordnung Nr. 17 zustehenden ausdrücklichen Befugnisse erlassen wurde, anders ausgelegt werden sollte, wenn die Entscheidung, in Bezug auf die eine einstweilige Anordnung beantragt wird, stattdessen eine vorläufige Entscheidung ist, die auf der Grundlage der Camera-Care-Rechtsprechung erlassen wurde.

61.

Diese Auffassung wird durch die frühere Rechtsprechung zu Anträgen auf einstweilige Anordnung bestätigt, die in Bezug auf die ersten beiden Entscheidungen der Kommission gestellt worden sind, mit denen einstweiligeMaßnahmen erlassen wurden (vgl. Beschluss Ford und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 21. Mai 1990 in der Rechtssache T-23/90 R, Peugeot/Kommission, Slg. 1990, II-195, im Folgenden: Beschluss Peugeot). In dem ersten Beschluss (Randnr. 8) hat der Präsident des Gerichtshofes festgestellt: "Zwar ist es nicht a priori ausgeschlossen, dass die Kommission bei der Prüfung eines Antrags auf Freistellung für ein Vertriebsnetz diese Freistellung von einer Erweiterung des Vertriebsprogramms abhängig macht; doch können bestimmte Fragen, die sich im vorliegenden Rechtsstreit stellen, Gegenstand ernsthafter Meinungsverschiedenheiten sein [und] lassen sich ... Einwände, die gegen die von der Kommission gewählte Verfahrensart erhoben werden können, nicht ohne weiteres von der Hand weisen." Dies war für den Fumus boni iuris ausreichend, denn anschließend wurde die Dringlichkeit der von der Antragstellerin beantragten Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung geprüft.

62.

Dieser Ansatz wurde auch im Beschluss Peugeot gewählt. Nach dem Hinweis auf das Erfordernis, dass einstweilige Maßnahmen der Kommission "vorläufiger Art sein und auf das bei der gegebenen Sachlage Notwendige beschränkt bleiben [müssen]" (Randnr. 17), hat der Präsident des Gerichts festgestellt (Randnr. 18):

"Deshalb braucht nicht über alle Rügen entschieden zu werden, die die Antragstellerinnen gegen die von der Kommission ergriffenen einstweiligen Maßnahmen erheben - die Antragstellerinnen erheben sie im Übrigen auch in der Klage; sie sind daher im Verfahren zur Hauptsache zu prüfen -; im Rahmen des vorliegenden Verfahrens der einstweiligen Anordnung genügt es vielmehr, ... zu prüfen, ob die Notwendigkeit der beantragten Aussetzung des Vollzugs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht wurde ..."

63.

Obwohl der Präsident des Gerichts das Hauptargument der Antragstellerinnen, dass die Kommission offensichtlich fehlerhaft entschieden habe, dass Vertriebsvereinbarungen über Kraftfahrzeuge nicht allgemein durch die Verordnung (EG) Nr. 123/85 vom 12. Dezember 1984 über die Anwendung von Artikel [81 Absatz 3 EG] auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. 1985, L 15, S. 16) vom Anwendungsbereich des Artikels 81 Absatz 1 EG ausgenommen seien, zurückwies, hat er entschieden, dass der Fumus boni iuris gegeben war, da "nicht zu verkennen [ist], dass einige der Fragen, die sich in der vorliegenden Rechtssache stellen, ernsthafte Auslegungsprobleme verursachen" (Randnr. 22).

64.

Ferner findet sich im Beschluss des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1975 in der Rechtssache 109/75 R (National Carbonising Company/Kommission, Slg. 1975, 1193, im Folgenden: Beschluss NCC) keinerlei Rechtfertigung für die von NDC und NDC Health im Wege der Analogie gezogene Schlussfolgerung, dass die Antragstellerin das Fehlen einer plausiblen Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung glaubhaft machen müsse. In diesem Fall beantragte die Antragstellerin eine einstweilige Anordnung, mit der entweder der Kommissionaufgegeben werden sollte, eine an ihren Lieferanten National Coal Board (NCB) gerichtete Entscheidung zu erlassen, oder, hilfsweise, NCB untersagt werden sollte, eine bestimmte Preispolitik zu betreiben. Der Kommission wurde vorgeworfen, im Sinne des Artikels 35 KS untätig geblieben zu sein. Unter Hinweis darauf, dass es Sache des Richters der Hauptsache ist, zu entscheiden, ob eine Untätigkeit vorliegt, die Gegenstand einer Klage sein kann, hat der Präsident des Gerichtshofes festgestellt, dass "die Antragstellerin im Ergebnis den zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes berufenen Richter darum ersucht, den Vollzug eines abschlägigen Bescheides auszusetzen, in dem die Kommission es insbesondere ablehnt, Dringlichkeitsmaßnahmen zu ergreifen", und dass, "[w]ürde einem derartigen Antrag stattgegeben, ... dies vorübergehend einer positiven Entscheidung des Richters im Verfahren wegen einstweiliger Anordnung anstelle der Kommission gleich[käme]" (Randnr. 6). Daher obliegt es der Kommission, "die Maßnahmen zu erlassen, die sie für erforderlich hält", da es "dem vertraglich vorgesehenen Gleichgewicht zwischen den Organen [widerspräche], wenn der Richter im Verfahren wegen einstweiliger Anordnung anstelle der Kommission eine Aufgabe wahrnähme, für die unter der Kontrolle des Gerichtshofes in erster Linie diese zuständig ist, zumal sie für deren Wahrnehmung über die erforderlichen Sachinformationen verfügt" (Randnr. 8). Daraus folgt, dass der Beschluss NCC, wie der Gerichtshof im Beschluss Camera Care (Randnr. 20) selbst festgestellt hat, lediglich bestätigt hat, wenn auch in Bezug auf den EGKS-Vertrag, dass der Kommission unter bestimmten Voraussetzungen eine Befugnis "zum Erlass ... einstweilige[r] Maßnahmen" zusteht (Randnr. 8).

65.

Aus der erwähnten Rechtsprechung ergeben sich keine Grundsätze, die das Vorbringen, das die Kommission, unterstützt durch NDC und NDC Health, geltend gemacht hat, untermauern würden, das sich auf die besondere Natur des Fumus boni iuris bezieht, der bei einem Antrag auf einstweilige Anordnung in Bezug auf eine vorläufige Entscheidung der Kommission, mit der Sicherungsmaßnahmen erlassen wurden, vorliegen muss.

66.

Es gibt auch keinen anderen überzeugenden Grund, weshalb ein Antragsteller verpflichtet sein sollte, eine besonders ausgeprägte oder ernsthafte Anscheinsvermutung gegen die Gültigkeit einer letztlich vorläufigen Beurteilung des Bestehens eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft durch die Kommission zu begründen. Auf den "vorläufigen" Charakter solcher Entscheidungen der Kommission wurde in den Beschlüssen Ford und Peugeot ausdrücklich hingewiesen (Randnrn. 11 und 24). Der Umstand allein, dass der Grund für die Beurteilung der Kommission in der Dringlichkeit des Erlasses von Sicherungsmaßnahmen lag, rechtfertigt es nicht, dass ein Antragsteller, der die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung beantragt, mit der diese Maßnahmen ergriffen werden, eine besonders ausgeprägte Anscheinsvermutung begründen muss. Der Besorgnis der Kommission kann der Richter der einstweiligen Anordnung bei der Prüfung der Frage Rechnung tragen, zu wessen Gunsten die Interessenabwägung geht. Es ist daher nicht gerechtfertigt, solchen vorläufigenEntscheidungen der Kommission im Hinblick auf Anträge auf einstweilige Anordnung einen besonderen Status einzuräumen.

67.

In dieser Hinsicht ist erwähnenswert, dass das Gericht im Urteil Peugeot die verschiedenen Argumente zurückgewiesen hat, die die Klägerinnen im Rahmen ihres Klagegrundes geltend machten, mit dem vorgebracht wurde, dass die Kommission eine prima facie vorliegende Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG rechtlich nicht nachgewiesen habe. Die an die Kommission gestellten Anforderungen bestanden darin, dass sie "[auf den ersten Blick] ... zu Recht angenommen [hat]" (Randnr. 37), oder auch, dass ihre Schlussfolgerungen nicht "prima facie" unzutreffend sind (Randnr. 46). In Bezug auf das Vorbringen, dass die Kommission nicht befugt gewesen sei, einstweilige Maßnahmen zu treffen, da die Rechtslage nicht hinreichend klar gewesen sei und nicht nachgewiesen worden sei, dass "höchstwahrscheinlich eine Zuwiderhandlung vorliege", hat das Gericht ferner festgestellt, dass "[i]m Rahmen einer die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung, mit der die Kommission einstweilige Maßnahmen getroffen hat, betreffenden Klage ... das Erfordernis der Feststellung einer prima facie vorliegenden Zuwiderhandlung nicht dem Erfordernis der Gewissheit gleichgestellt werden [kann], dem eine endgültige Entscheidung genügen muss" (Randnr. 61). Die Kommission konnte daher "zu Recht davon ausgehen," dass das in diesem Fall streitige Rundschreiben "auf den ersten Blick ernsthafte Zweifel an seiner [Rechtmäßigkeit] ... weckte" (Randnr. 63). Bei der Anwendung dieses Maßstabs im Urteil La Cinq hat das Gericht ausgeführt, dass die Kommission dadurch, dass sie "für den Erlass einstweiliger Maßnahmen das Vorliegen einer eindeutigen und offenkundigen Zuwiderhandlung" verlangt, ihre Argumentation zur Rechtfertigung der streitigen Weigerung "auf eine rechtlich fehlerhafte Auslegung der Voraussetzung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Zuwiderhandlung" gestützt hat (Randnrn. 61 und 62).

68.

Da die Kommission nicht verpflichtet ist, vor Erlass einer Entscheidung mit einstweiligen Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit einer prima facie vorliegenden Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln glaubhaft zu machen, wäre es gleichermaßen unangemessen, zu verlangen, dass der Antragsteller, der eine einstweilige Anordnung gegen eine solche Entscheidung beantragt, die ihrer Natur nach nicht auf einer vollständigen und endgültigen Beurteilung der betreffenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen beruht und sehr schwere Folgen für den Adressaten haben kann, eine ausgeprägte Anscheinsvermutung gegen die Gültigkeit dieser Entscheidung begründet.

69.

Die Kommission hebt jedoch hervor, dass die Verpflichtung, eine ausgeprägte Anscheinsvermutung zu begründen, erst recht in Bezug auf die in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Beurteilung der Dringlichkeit und der Interessenabwägung zugunsten des Erlasses einstweiliger Maßnahmen gelte.

70.

In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof im Beschluss Camera Care ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Kommission sichernde Maßnahmen ergreifen können muss, wenn diese "als unerlässlich erscheinen", um zu vermeiden, dass die Ausübung der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Entscheidungsbefugnis "unwirksam oder sogar illusorisch gemacht wird" (Randnr. 18). Im Urteil La Cinq (Randnrn. 79 und 80) hat das Gericht unter Bezugnahme auf den Beschluss Camera Care festgestellt, dass sich die Kommission, indem sie in ihrer Entscheidung, mit der sie sich weigerte, in diesem Fall einstweilige Maßnahmen zu erlassen, ausgeführt hatte, dass "nur solche Schäden als nicht wieder gutzumachende Schäden angesehen werden könnten, die durch keine spätere Entscheidung beseitigt werden könnten, auf einen rechtlich unzutreffenden Begriff des nicht wieder gutzumachenden Schadens, dessen Vorliegen oder drohender Eintritt den Erlass einstweiliger Maßnahmen rechtfertigen könnte, gestützt [hat]", der "über die Rechtsprechung des Gerichtshofes [hinausgeht], der nur von Schäden spricht, die durch die Entscheidung, die die Kommission am Ende des Verwaltungsverfahrens zu erlassen hat, nicht mehr beseitigt werden könnten".

71.

Das Urteil La Cinq liefert daher keine Bestätigung für das Vorbringen der Kommission im vorliegenden Verfahren. Dass sich die Kommission vor Erlass einer Entscheidung mit einstweiligen Maßnahmen davon überzeugen muss, dass der Schaden für den Wettbewerb, dessen Eintritt sie ohne den Erlass solcher Maßnahmen befürchtet, so beschaffen sein muss, dass er durch die in dieser Angelegenheit zu erlassende endgültige Entscheidung nicht beseitigt werden kann, bedeutet nicht, dass ein Antragsteller, der eine einstweilige Anordnung in Bezug auf eine solche vorläufige Entscheidung der Kommission beantragt, glaubhaft machen muss, dass deren Beurteilung der dem Erlass dieser Entscheidung zugrunde liegenden Dringlichkeit offensichtlich fehlerhaft ist.

72.

Die Beurteilung der nach der Camera-Care-Rechtsprechung für den Erlass einer Entscheidung mit einstweiligen Maßnahmen erforderlichen Voraussetzungen durch die Kommission stellt jedenfalls eine der rechtlichen Vorbedingungen für den wirksamen Erlass einer solchen Entscheidung dar. Da das Fehlen einer der beiden in dieser Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen genügt, damit eine Entscheidung mit einstweiligen Maßnahmen ungültig ist, wird die Beurteilung der Dringlichkeit durch die Kommission sowie jede damit zusammenhängende Beurteilung bei der Interessenabwägung durch den Richter der einstweiligen Anordnung in Bezug auf eine solche Entscheidung als Teil der Kontrolle ihrer prima facie vorhandenen Rechtmäßigkeit geprüft.

73.

Um einen Fumus boni iuris darzutun, muss der Antragsteller in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung wie dem vorliegenden daher glaubhaft machen, dass ernsthafte Gründe bestehen, die an der Richtigkeit der Beurteilung von zumindest einer der nach der Camera-Care-Rechtsprechung erforderlichen Voraussetzungen durch die Kommission Zweifel aufkommen lassen. Bei der Feststellung, ob alle in den Artikeln 242 EG und 243 EG sowie in Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnungvorgesehenen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt sind, aber insbesondere bei der Beurteilung der Frage, ob die Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers oder der Kommission geht, berücksichtigt der Richter der einstweiligen Anordnung jedoch sowohl die von der Kommission vorgenomme Würdigung der den Erlass der streitigen einstweiligen Maßnahmen begründenden Dringlichkeit als auch die Gründe, weshalb die Abwägung der widerstreitenden Interessen zugunsten des Erlasses solcher Maßnahmen ausgefallen ist.

74.

Nach alledem greift das Vorbringen, das die Kommission, unterstützt durch NDC und NDC Health, bezüglich der Offenkundigkeit des Fumus boni iuris geltend gemacht hat, den ein Antragsteller, der die Aussetzung des Vollzugs einer Entscheidung der Kommission mit einstweiligen Maßnahmen beantragt, zu begründen hat, nicht durch.

75.

Demzufolge ist zu prüfen, ob die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht hat, dass ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der rechtlichen Würdigung bestehen, die der in der angefochtenen Entscheidung nach dem ersten Anschein gezogenen Schlussfolgerung zugrunde liegt, wonach die Antragstellerin durch die Weigerung, ihren Wettbewerbern Lizenzen zu erteilen, ihre beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt missbräuchlich ausgenutzt habe und folglich der Erlass einstweiliger Maßnahmen notwendig sei, um den Wettbewerb auf diesem Markt wiederherzustellen.

Vorliegen des Fumus boni iuris

76.

Die Antragstellerin führt zur Begründung ihrer Schlussfolgerung, dass die angefochtene Entscheidung dem ersten Anschein nach ungültig sei, im Wesentlichen fünf Gründe an. Ihr Hauptvorbringen, das sie auf verschiedene miteinander in Zusammenhang stehende Argumente stützt, betrifft die Richtigkeit der rechtlichen Würdigung, die der Schlussfolgerung der Kommission zugrunde liegt, wonach ihre Weigerung, für die Nutzung ihres Urheberrechts an der Struktur 1 860 Bausteine Lizenzen zu erteilen, einen Missbrauch der beherrschenden Stellung darstelle, die sie auf dem relevanten Markt innehabe. Sie trägt ferner vor, dass die zentrale tatsächliche Annahme in der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft sei, dass alle darin getroffenen wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen denen der deutschen Gerichte widersprächen, dass die erlassenen Maßnahmen keinen sichernden Charakter hätten und dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Kommission verletzt worden sei.

77.

Zunächst ist zu prüfen, ob ihr Hauptvorbringen dem ersten Anschein nach begründet ist.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

78.

Die Antragstellerin trägt erstens vor, dass die Kommission nur dann einstweilige Maßnahmen erlassen könne, wenn ein Verhalten vorliege, das nach den anerkannten Regeln des Gemeinschaftsrechts eindeutig rechtswidrig sei (Urteil La Cinq, Randnr. 28). Dies sei bei der angefochtenen Entscheidung nicht der Fall, da sie im Widerspruch zu ständiger Gemeinschaftsrechtsprechung und früheren Entscheidungen der Kommission stehe, indem darin festgestellt werde, dass es dem ersten Anschein nach rechtswidrig sei, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen sich weigere, mit Wettbewerbern einen Wettbewerbsvorteil in Form seines geistigen Eigentums an der Struktur 1 860 Bausteine auf genau dem Markt zu teilen, auf den sich dieses geistige Eigentum beziehe. Die Entscheidung entziehe der Antragstellerin den Wesensgehalt ihres nach nationalem Recht erworbenen und nach Gemeinschaftsrecht anerkannten Urheberrechts und sei offensichtlich mit Artikel 295 EG nicht vereinbar.

79.

Die Antragstellerin nennt insbesondere die Urteile des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in den Rechtssachen 238/87 (Volvo, Slg. 1988, 6211, Randnr. 7) und 53/87 (CICRA und Maxicar, Slg. 1988, 6039, Randnr. 10) (im Folgenden gemeinsam: Urteile Volvo/Renault), die Urteile des Gerichts vom 10. Juli 1991 in den Rechtssachen T-69/89 (RTE/Kommission, Slg. 1991, II-485, Randnr. 71, im Folgenden: Urteil RTE) und T-76/89 (ITP/Kommission, Slg. 1991, II-575, im Folgenden: Urteil ITP) sowie das auf die Rechtsmittel gegen diese beiden Urteile ergangene Urteil des Gerichtshofes vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P (RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnr. 49, im Folgenden: Urteil Magill). Sie trägt vor, dass die Weigerung eines marktbeherrschenden Unternehmens, für seine Rechte des geistigen Eigentums Lizenzen zu erteilen, nur in zwei Fällen einen Missbrauch darstellen könne: zum einen, wenn das Unternehmen neben der Verweigerung einer Lizenz ein zusätzliches Verhalten an den Tag lege, das seinerseits missbräuchlich sei, wie etwa eine rechtswidrige Preisfestsetzung, und zum anderen, wenn es um eine wesentliche Einrichtung ("essential facility") gehe.

80.

Der Begriff einer wesentlichen Einrichtung wird jedoch in der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht. Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass dieser Begriff nur zur Anwendung komme, wenn zwei getrennte Märkte betroffen seien und die auf einem (gewöhnlich vorgelagerten) Markt gelieferten Produkte oder erbrachten Dienste eine notwendige Vorleistung für die Herstellung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen auf dem zweiten (gewöhnlich nachgelagerten) Markt seien. In der früheren Rechtsprechung, in der der Gemeinschaftsrichter und - vor Erlass der angefochtenen Entscheidung - auch die Kommission die Lieferverweigerungen eines marktbeherrschenden Unternehmens unter solchen Umständen als missbräuchlich betrachtet hätten, seien stets zwei unterschiedliche Märkte betroffen gewesen. Sie nennt u. a. das Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73 (Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223 - getrennte Märkte für einen Rohstoff und für aus dem Rohstoff gewonnene Derivate), das Urteil des Gerichtshofes vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache311/84 (CBEM, Slg. 1985, 3261 - getrennte Märkte für Fernsehsendungen und für Telemarketing), das Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88 (GB-inno-BM, Slg. 1991, I-5941 - getrennte Märkte für die Einrichtung und den Betrieb des öffentlichen Fernmeldenetzes und für die Einfuhr, den Vertrieb, den Anschluss, die Inbetriebsetzung und die Wartung von Geräten, die zum Anschluss an dieses Netz bestimmt sind), das Urteil Magill (getrennte Märkte für Fernsehprogrammvorschauen und für Fernsehprogrammführer), das Urteil des Gerichts vom 12. Juni 1997 in der Rechtssache T-504/93 (Tiercé Ladbroke/Kommission, Slg. 1997, II-923, im Folgenden: Urteil Tiercé Ladbroke - getrennte Märkte für die Berichterstattung über die Pferderennen und für die Tätigkeit der Wettannahme), das Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-7/97 (Bronner, Slg. 1998, I-7791 - getrennte Märkte für den Vertrieb von Zeitungen und für den Verlag und Verkauf von Zeitungen) sowie die Entscheidung 94/19/EG der Kommission vom 21. Dezember 1993 betreffend ein Verfahren nach Artikel [82] EG-Vertrag (IV/34.689 - Sea Containers gegen Stena Sealink - Einstweilige Maßnahmen, ABl. L 15, S. 8 - Märkte für Hafendienste und für Passagierfährdienste) und die Entscheidung 98/190/EG der Kommission vom 14. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel [82] EG-Vertrag (IV/34.801 FAG - Flughafen Frankfurt/Main AG, ABl. L 72, S. 30 - getrennte Märkte für Flughafeneinrichtungen für den Start und die Landung von Flugzeugen und für Vorfeldabfertigungsdienste).

81.

Es gibt zwei Hauptgesichtspunkte im Vorbringen der Antragstellerin, das sich auf diese Rechtsprechung stützt. Erstens trägt sie vor, dass die Lehre von der wesentlichen Einrichtung voraussetze, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen seine Macht auf dem von ihm beherrschten Markt nutze, um den Wettbewerb auf einem nachgelagerten oder benachbarten Markt auszuschließen oder zu beschränken, auf dem es bereits tätig sei oder tätig werden wolle oder dessen Herausbildung als neuen Markt es - wie in der Rechtssache Magill - lediglich verhindern wolle. Unter besonderer Bezugnahme auf das Urteil Magill, der einzige Fall vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, in dem die Kommission versucht habe, den der Lehre von der wesentlichen Einrichtung zugrunde liegenden Ansatz auf die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums anzuwenden, macht IMS zweitens geltend, dass der Einsatz des als Folge ihrer Tätigkeiten auf dem von ihnen beherrschten Markt (Ausstrahlung von Fernsehsendungen) erworbenen Urheberrechts durch die Inhaber, um diese Marktbeherrschung auf einen nachgelagerten Markt (wöchentliche Fernsehprogrammführer) auszuweiten, die "außergewöhnlichen Umstände" begründe, die es rechtfertigten, ihre Weigerung, eine Lizenz zu erteilen, als Missbrauch einzustufen. Die Weigerung von IMS Health, ihren Wettbewerbern Lizenzen zur Nutzung der Struktur 1 860 Bausteine zu erteilen, sei im vorliegenden Fall gerechtfertigt, weil sie nicht versuche, ihre Marktmacht auf einem anderen Markt auszunutzen. Es könne nicht missbräuchlich sein, wenn der Inhaber eines Urheberrechts Wettbewerbern Lizenzen verweigere, die den Zugang zu seinem Recht begehrten, um gegen ihn auf genau dem Markt in Wettbewerb zu treten, auf dem die Ausschließlichkeit, die dieses Recht gewähre,als der Hauptbestandteil der geschäftlichen Tätigkeit des Rechtsinhabers genutzt werde und auf dem dessen Marktbeherrschung zumindest potenziell von der Aufrechterhaltung seines ausschließlichen Rechts abhänge. Die Tatsache allein, dass dieser geschützte Bestandteil selbst Gegenstand einer starken Kundenpräferenz geworden sei, so dass das Produkt oder der Dienst, in dem er enthalten sei, den Markt beherrsche, genüge nicht, um den Rechtsinhaber zu verpflichten, denjenigen eine Lizenz zu erteilen, die auf diesem Markt mit ihm in Wettbewerb treten wollten.

82.

In ihren Erklärungen bemerkt die Kommission, dass die mögliche Bedeutung des ohne Anhörung der Gegenpartei erlassenen Beschlusses vom 10. August 2001 und insbesondere die fehlende Bereitschaft des Richters der einstweiligen Anordnung, die mit der angefochtenen Entscheidung erlassenen Maßnahmen "auch [nur] vorübergehend" (Randnr. 24) zu bestätigen, nicht so ausgelegt werden dürften, dass dadurch der Kommission die tatsächliche Beweislast für die Richtigkeit der zugrunde liegenden Beurteilung von Artikel 82 EG auferlegt werde. Ungeachtet der Schwäche ihrer Argumentation zu einem bestimmten Punkt müsse von der Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung ausgegangen werden und dürfe deren Vollzug nicht mangels eines unmittelbaren Beweises für die Dringlichkeit und für eine Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausgesetzt werden.

83.

Die vorläufigen Schlussfolgerungen in der angefochtenen Entscheidung beruhten auf einer kombinierten Analyse der Urteile Magill, Tiercé Ladbroke und Bronner. Da komplexe Fragen rechtlicher und tatsächlicher Art dem Hauptsacheverfahren vorbehalten werden sollten, sei es für das vorliegende Verfahren ausreichend, festzustellen, dass die Kommission durch die vorläufige Beurteilung, wonach der Sachverhalt so außergewöhnlich sei, dass Artikel 82 EG eine Beschränkung der Ausübung der Rechte des geistigen Eigentums durch IMS Health erforderlich mache, diese Rechte bei der Ausübung ihrer Befugnis zum Erlass geeigneter einstweiliger Maßnahmen in vollem Umfang berücksichtigt habe. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission hervorgehoben, dass sich dies insbesondere in dem Erfordernis zeige, dass die etwaigen Lizenznehmer angemessene Gebühren zahlen müssten (Ziffer 215 der angefochtenen Entscheidung).

84.

Die Umstände, die der Rechtssache Magill zugrunde lägen, unterschieden sich im Grunde nicht sehr von denen, die in der angefochtenen Entscheidung untersucht worden seien. Weder die geschützten Programmvorschauen in der Rechtssache Magill noch die streitige Bausteinstruktur stellten ein eigenständiges Produkt dar: In beiden Fällen handele es sich um ein Element, das für die Erbringung einer eigenständigen Dienstleistung unerlässlich sei und keinen Nutzen habe, wenn es nicht in diese integriert sei. Die Kommission erkennt zwar in ihren ergänzenden Erklärungen an, dass die Unterschiede zwischen dem Absatzdatendienst von IMS und den Diensten ihrer Wettbewerber nicht so seien, dass diese wie in der Rechtssache Magill als neue Dienstleistungen angesehen werden könnten; sie macht aber geltend, dass die in diesem Fall festgestellten "außergewöhnlichen Umstände", wie in den Urteilen Tiercé Ladbroke und Bronner bestätigt worden sei,nicht auf den besonderen Sachverhalt in der Rechtssache Magill beschränkt seien. Demzufolge sei die Berufung der Antragstellerin auf die Bedeutung des Fehlens zweier Märkte unangebracht.

85.

Auch wenn die Lehre von der wesentlichen Einrichtung häufig in Fällen geltend gemacht werde, in denen ein marktbeherrschendes Unternehmen versuche, seine Marktbeherrschung auf einem nachgelagerten Markt auszunutzen, lasse sich eine solche Voraussetzung in den Urteilen Magill, Tiercé Ladbroke und Bronner oder im Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94 (European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141) nicht feststellen. Außerdem sei ihre Bedeutung vom Gericht im Urteil vom 16. Dezember 1999 in der Rechtssache T-198/98 (Micro Leader/Kommission, Slg. 1999, II-3989, im Folgenden: Urteil Micro Leader) wohl abgelehnt worden. Wenn die wesentliche Einrichtung aus einer durch Rechte des geistigen Eigentums geschützten Struktur bestehe, dann sei die Verbindung zwischen der Einrichtung und dem Markt, auf dem der Wettbewerb ausgeschlossen sei, ohnehin zwangsläufig sehr eng; das verkaufte Produkt oder der erbrachte Dienst integriere notwendigerweise in gewissem Umfang den durch das betreffende Recht geschützten Gegenstand.

86.

NDC und NDC Health tragen vor, dass die angefochtene Entscheidung den in der Camera-Care-Rechtsprechung aufgestellten Kriterien für den Erlass von Entscheidungen mit einstweiligen Maßnahmen entspreche. Die Feststellung der Kommission, dass der Einsatz des Urheberrechts durch IMS, um ihre Wettbewerber von dem relevanten Markt zu verdrängen, dem ersten Anschein nach einen Missbrauch darstelle, falle unter den klassischen Begriff einer missbräuchlichen Verhaltensweise, wie er im Vertrag bestimmt und in Fällen wie der Rechtssache Magill angewandt worden sei, das heiße, dass Rechte des geistigen Eigentums nicht gegen die Anwendung der Wettbewerbsregeln des Vertrages "immun" seien. Durch die Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung (Ziffer 67), dass der darin aufgestellte Grundsatz Fälle erfasse, in denen das angeblich missbräuchliche Verhalten das Entstehen eines neuen Produktes verhindere, werde das Urteil Magill offensichtlich nicht falsch angewandt. Entgegen dem Hauptvorbringen der Antragstellerin verlangten daher weder die relevanten früheren Entscheidungen der Kommission noch die Rechtsprechung als Voraussetzung für die Anwendung der Lehre von der wesentlichen Einrichtung, dass zwei getrennte angrenzende Märkte vorlägen.

87.

AzyX trägt vor, da die angefochtene Entscheidung eindeutig aufzeige, dass die Struktur 1 860 Bausteine eine Industrienorm geworden sei, rechtfertige die "besondere Verantwortung" von marktbeherrschenden Unternehmen, die Wettbewerbsregeln nicht zu verletzen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 57), die Schlussfolgerung, dass die Antragstellerin ihre beherrschende Stellung missbräuchlich ausgenutzt habe. Die außergewöhnlichen Umstände, aufgrund derenihre Verhaltensweise der Rechtsprechung in den Urteilen Volvo/Renault, Magill und Micro Leader zuzuordnen sei, würden durch den Einsatz ihres geltend gemachten Urheberrechts vor den deutschen Gerichten als Mittel zur Ausschaltung potenzieller Wettbewerber begründet. Der Missbrauch in ihrem eigenen Fall zeige sich darin, dass ihr, obwohl sie im Zeitraum Frühling/Sommer 1999 in den deutschen Markt eingetreten sei, die Antragstellerin ihr Urheberrecht erst zu dem Zeitpunkt (Dezember 2000) entgegengehalten habe, als sie begonnen habe, eine wirkliche wettbewerbliche Bedrohung darzustellen. In ihren ergänzenden Erklärungen fügt AzyX hinzu, dass der Zeitpunkt für die Reaktion der Antragstellerin mit Bedacht gewählt worden sei: Die Beantragung und Erwirkung einer einstweiligen Verfügung im Dezember 2000 sei dazu bestimmt gewesen, AzyX im Januar 2001 zur Untätigkeit zu verurteilen, als die meisten Verträge mit ihren Kunden für das neue Jahr hätten unterzeichnet werden sollen.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

88.

In Anbetracht der ausdrücklichen Annahme, die der angefochtenen Entscheidung (Ziffer 36) zugrunde liegt, dass die Struktur 1 860 Bausteine in Deutschland urheberrechtlich geschützt ist, eine Annahme, die die Kommission in ihren Erklärungen im vorliegenden Verfahren auch nicht eingeschränkt hat, ist von der Prämisse auszugehen, dass die Antragstellerin durch IMS Health Inhaber eines gültigen Urheberrechts an dieser Struktur ist. Grundsätzlich umfasst dieses Urheberrecht das ausschließliche Recht, die Struktur bei der Erbringung regionaler Absatzdatendienste zu vervielfältigen, und das Recht, über die Erteilung von Lizenzen an Dritte für seine Nutzung zu entscheiden.

89.

Die Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung, dass die Antragstellerin durch die Weigerung, für ihr Urheberrecht an der Struktur 1 860 Bausteine Lizenzen zu erteilen, ihre beherrschende Stellung auf dem relevanten Markt dem ersten Anschein nach missbräuchlich ausgenutzt habe, die in der Tat der Feststellung gleichkommt, dass sie dieses Urheberrecht als ein Mittel des Missbrauchs eingesetzt habe, um ihre Wettbewerber, NDC Health und AzyX, sowohl an einem Verbleiben auf diesem Markt als auch an einem erfolgreichen Wettbewerb gegen sie zu hindern, wirft schwierige Fragen nach dem Anwendungsbereich von Artikel 82 EG und dem Umfang der Befugnisse der Kommission nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 auf, wie sie in der Camera-Care-Rechtsprechung ausgelegt worden sind. Eine eingehende Prüfung dieser Fragen geht offensichtlich über den Rahmen des vorliegenden Verfahrens der einstweiligen Anordnung hinaus und muss wie im Beschluss Magill (vgl. Randnr. 14) dem Gericht im Rahmen der Entscheidung zur Hauptsache vorbehalten bleiben.

90.

Da die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, jedoch in Abrede stellt, dass eine Anscheinsvermutung gegen die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung begründet worden ist, muss geprüft werden, ob die Antragstellerin im Hinblick auf ihr Hauptvorbringen im vorliegenden Verfahren glaubhaft gemachthat, dass ernsthafte Zweifel an der Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung bestehen.

91.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Artikel 295 EG "[d]ieser Vertrag ... die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt [lässt]". Daraus folgt, dass der Richter der einstweiligen Anordnung eine Entscheidung der Kommission, mit der der Inhaber eines nach nationalem Recht anerkannten und geschützten Rechts des geistigen Eigentums durch einstweilige Maßnahmen, die im Rahmen einer laufenden Untersuchung nach Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 ergriffen und auf eine vorläufige Auslegung von Artikel 82 EG gestützt werden, verpflichtet wird, eine Lizenz zur Nutzung dieses Rechts zu erteilen, normalerweise mit Umsicht prüfen muss.

92.

Soweit die Antragstellerin jedoch unter Bezugnahme auf das Urteil La Cinq (Randnr. 28) geltend macht, dass die Kommission die Rechtswidrigkeit des behaupteten Verhaltens eindeutig glaubhaft machen müsse, damit der Erlass solcher einstweiligen Maßnahmen gerechtfertigt sei, genügt der Hinweis, dass sich aus der verbindlichen französischen Fassung - Französisch war in der Rechtssache La Cinq Verfahrenssprache - dieser Randnummer des Urteils kein solches Erfordernis ergibt. Anders als die englische Fassung beschränkt die französische Fassung die Befugnis der Kommission zum Erlass einstweiliger Maßnahmen nicht auf Fälle, in denen sie in der endgültigen Entscheidung für das streitige Verhalten eine Buße verhängen könnte.

93.

Die Tatsache, dass die in der angefochtenen Entscheidung erfolgte Auslegung von Artikel 82 EG als relativ neuartig erscheint, berührt somit für sich allein nicht die im Hinblick auf das Erfordernis des Fumus boni iuris vorzunehmende Beurteilung. Die Antragstellerin muss weiterhin das Bestehen ernsthafter Meinungsverschiedenheiten oder zumindest berechtigter Zweifel bezüglich der Richtigkeit der vorläufigen Beurteilung der Wettbewerbsregeln durch die Kommission glaubhaft machen (Beschluss Ford, Randnr. 8, Beschluss Kommission/Atlantic Container Line, Randnr. 26).

94.

Mit Rücksicht auf die Argumente, die die Verfahrensbeteiligten auf der Grundlage des Urteils Magill vorgebracht haben, ist dieses Urteil im Hinblick auf das Vorbringen der in diesem Fall rechtsmittelführenden Fernsehanstalten zu untersuchen, wonach das Gericht den Begriff des Missbrauchs einer beherrschenden Stellung falsch ausgelegt habe. In seinen Urteilen RTE und ITP (Randnrn. 71 und 56) hat das Gericht zwar ausgeführt, dass unstreitig der spezifische Gegenstand des Urheberrechts dem Inhaber das Recht verleiht, sich selbst die ausschließliche Befugnis zur Vervielfältigung des geschützten Werkes vorzubehalten, und dass dieser Vorbehalt als solcher nicht missbräuchlich ist; es hat aber auch festgestellt, dass darin ein Missbrauch liegen kann, "wenn sich aus den Umständen des Einzelfalls ergibt, dass mit den Bedingungen und Modalitäten derAusübung dieses Rechts in Wirklichkeit ein Ziel verfolgt wird, das in offensichtlichem Widerspruch zu den Zwecken des Artikels [82 EG] steht".

95.

Im Urteil Magill hat der Gerichtshof zunächst das Vorbringen zurückgewiesen, dass die Ausübung eines nationalen Urheberrechts "jeder Beurteilung anhand des Artikels [82 EG] entzogen ist", und dann aufgrund des Urteils Volvo bestätigt, dass eine "Verweigerung einer Lizenz als solche keinen Missbrauch einer beherrschenden Stellung darstellen kann, selbst wenn sie von einem Unternehmen in beherrschender Stellung ausgehen sollte" (Randnrn. 48 und 49). Er hat ferner anerkannt, dass "[d]ie Ausübung des ausschließlichen Rechts durch den Inhaber ... unter außergewöhnlichen Umständen ein missbräuchliches Verhalten darstellen [kann]" (Randnr. 50). Im Hinblick auf die Frage, ob solche "außergewöhnlichen Umständen" vorlagen, hat der Gerichtshof auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts bestätigt (Randnrn. 52 bis 56), dass es drei Gruppen außergewöhnlicher Umstände gab.

96.

Erstens hat der Gerichtshof bestätigt (Urteil Magill, Randnr. 52, unter Bezugnahme auf das Urteil RTE, Randnr. 62, und das Urteil ITP, Randnr. 48), dass ein eigener Markt für umfassende wöchentliche Fernsehprogrammführer bestand, der sich von dem Markt für getrennte wöchentliche Programmführer unterschied, die u. a. von jeder der Rechtsmittelführerinnen bereits herausgegeben wurden. Er hat dann festgestellt, dass die Fernsehanstalten "zwangsläufig die einzige Quelle für die Grundinformationen über die Programmplanung waren, die das unentbehrliche Ausgangsmaterial für die Herstellung eines wöchentlichen Fernsehprogrammführers bildeten" (Urteil Magill, Randnr. 53), und dass ihre "auf nationale urheberrechtliche Vorschriften gestützte Weigerung", diese Informationen zur Verfügung zu stellen, "somit das Auftreten eines neuen Erzeugnisses, nämlich eines umfassenden wöchentlichen Fernsehprogrammführers, den sie selbst nicht anboten und nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher bestand, verhindert [hat]" (Urteil Magill, Randnr. 54). Er hat daraus gefolgert, dass eine solche Weigerung einen Missbrauch gemäß Artikel 82 Absatz 2 Buchstabe b EG darstellt.

97.

Zweitens hat der Gerichtshof die Feststellung bestätigt (Urteil Magill, Randnr. 55), dass "diese Weigerung weder durch die Tätigkeit der Ausstrahlung von Fernsehsendungen noch durch die der Herausgabe von Fernsehzeitschriften gerechtfertigt [war] (Urteil RTE, Randnr. 73, Urteil ITP, Randnr. 58)".

98.

Drittens hat der Gerichtshof die Feststellung des Gerichts bestätigt (Urteil Magill, Randnr. 56), dass das Verhalten der Fernsehanstalten zur Folge hatte, dass sie sich einen abgeleiteten Markt - den der wöchentlichen Fernsehprogrammführer - vorbehielten, indem sie jeden Wettbewerb auf diesem Markt dadurch ausschlossen, dass "sie den Zugang zu den Grundinformationen - dem unentbehrlichen Ausgangsmaterial für die Herstellung eines solchen Programmführers - verweigerten".

99.

Er ist dann zu dem Ergebnis gelangt (Urteil Magill, Randnr. 57), dass "[u]nter Berücksichtigung aller dieser Umstände ... das Gericht keinen Rechtsirrtum begangen [hat], als es das Verhalten der Rechtsmittelführerinnen als Missbrauch einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels [82 EG] qualifiziert hat".

100.

Aus dem Urteil Magill geht hervor, dass es eine Reihe potenziell wichtiger Unterschiede zwischen den Umständen dieses Falles und denen gibt, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, deren Bestehen, wenn auch nicht deren Bedeutung von der Kommission nicht ernsthaft bestritten worden ist. Die angefochtene Entscheidung scheint auf einer nicht kumulativen Auslegung der Voraussetzungen zu beruhen, die im Urteil Magill als "außergewöhnliche Umstände" angesehen wurden. Die Kommission macht geltend, dass die Ausübung eines Urheberrechts einen Missbrauch darstellen könne, "selbst wenn kein weiteres missbräuchliches Verhalten gegeben ist, und sofern dieses Verhalten u. a. das Entstehen eines neuen Produkts verhindert" (Ziffer 67 der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hält die Voraussetzungen, auf die sich der Gerichtshof im Urteil Magill (Randnr. 54) bezieht, für das Vorliegen "außergewöhnlicher Umstände" nicht grundsätzlich für erforderlich.

101.

Statt auf den Ausschluss des Entstehens eines neuen Dienstes auf einem getrennten Markt ist die Weigerung der Antragstellerin, NDC und AzyX eine urheberrechtliche Lizenz zu erteilen, im vorliegenden Verfahren auf den ersten Blick darauf gerichtet, Letztere daran zu hindern, auf frei erhältlichen Daten beruhende regionale Absatzdatendienste zu erbringen, die auf demselben Markt und für dieselben potenziellen Kunden bereitgestellt werden und die sich lediglich im Detail von den Dienstleistungen unterscheiden, die die Antragstellerin anbietet. Von zentraler Bedeutung für die angefochtene Entscheidung ist die Feststellung, dass die angesprochenen Pharmahersteller anscheinend verlangten, dass die fraglichen Daten in dem von der Antragstellerin entwickelten Format "Struktur 1 860 Bausteine" dargestellt würden. Die Kommission geht daher vorläufig davon aus, dass die Wettbewerber der Antragstellerin ohne Zugang zu dieser Struktur den Wettbewerb gegen sie auf dem relevanten Markt nicht bestehen könnten. Im Wesentlichen scheint die Beurteilung der Kommission dahin zu gehen, dass die durch die Verweigerung einer Lizenz für ein Recht des geistigen Eigentums bewirkte Verhinderung des Auftretens neuer Wettbewerber, die allenfalls neue Varianten derselben Dienstleistungen auf demselben Markt wie das marktbeherrschende Unternehmen anbieten wollten, einen Missbrauch darstellen könne, wenn diese Wettbewerber nicht auf andere Weise Zugang zu dem fraglichen Markt hätten, weil das geschützte Werk eine De-facto-Industrienorm darstelle.

102.

Die vorläufige Schlussfolgerung der Kommission, dass die Verhinderung des Entstehens eines neuen Produktes oder Dienstes, nach dem eine potenzielle Nachfrage der Verbraucher bestehe, kein unerlässlicher Bestandteil des Begriffes "außergewöhnliche Umstände" sei, die der Gerichtshof im Urteil Magill entwickelt habe, stellt auf den ersten Blick ein weite Auslegung dieses Begriffes dar.Dementsprechend kann nur das Endurteil die ernsthaften Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Richtigkeit dieser Auslegung ausräumen.

103.

In der angefochtenen Entscheidung versucht die Kommission jedoch, diese offensichtlich weite Auslegung des im Urteil Magill entwickelten Begriffes "außergewöhnliche Umstände" mit der neueren Rechtsprechung und insbesondere dem Urteil Bronner in Einklang zu bringen. Nach ihrer Auffassung ist die Lieferverweigerung seitens eines marktbeherrschenden Unternehmens missbräuchlich, selbst wenn es sich um die Weigerung handelt, für ein Urheberrecht Lizenzen zu erteilen, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen (Ziffer 70 der angefochtenen Entscheidung):

"- Die Weigerung des Zugangs zu der Einrichtung ist geeignet, jeglichen Wettbewerb in dem betreffenden Markt auszuschalten;

- diese Weigerung ist nicht objektiv zu rechtfertigen und

- die Einrichtung ist für die Ausübung der Geschäftstätigkeit unerlässlich, weil kein gegenwärtiges oder potenzielles Substitut für diese Einrichtung vorhanden ist."

104.

Im Urteil Bronner (Randnr. 40) verweist der Gerichtshof für die "außergewöhnlichen Umstände", die im Urteil Magill "gesehen" wurden, auf die einzelnen Feststellungen des Gerichts, die der Gerichtshof in den Randnummern 53 bis 56 des Urteils Magill bestätigt hat (siehe oben, Randnrn. 96 bis 98). Im Urteil Bronner stellt der Gerichtshof dann fest, dass das Urteil Magill die "Ausübung eines gewerblichen Schutzrechts" betraf (Randnr. 41). Es würde den Rahmen der im vorliegenden Verfahren möglichen Prüfung überschreiten, wenn festgestellt würde, ob diese Passagen des Urteils Bronner sowie Randnummer 131 des Urteils Tiercé Ladbroke die Schlussfolgerung stützen, die in der angefochtenen Entscheidung nach dem ersten Anschein gezogen wurde. Auch wenn die Auslegung der Kommission zutreffen mag, kann nicht ausgeschlossen werden, dass berechtigte Gründe für die Schlussfolgerung bestehen, dass die "außergewöhnlichen Umstände", die der Gerichtshof im Urteil Magill erwähnt und auf die er im Urteil Bronner verwiesen hat, kumulativ vorliegen müssen.

105.

Das Vorbringen der Antragstellerin unter Bezugnahme auf die herrschenden wirtschaftlichen Theorien, die der Lehre von der wesentlichen Einrichtung zugrunde liegen, wonach dies insbesondere für die Voraussetzung gelte, dass die streitige Lizenzverweigerung des marktbeherrschenden Unternehmens das Entstehen eines neuen Produktes auf einem Markt verhindern müsse, der sich von dem Markt unterscheide, auf dem das fragliche Unternehmen eine beherrschende Stellung besitze, wirft eine schwierige Rechtsfrage auf, die der eingehenden Prüfung durch das Gericht im Hauptsacheverfahren bedarf. Diese Auslegung des Urteils Magill wird wohl durch einen großen Teil der Rechtsprechung gestützt, auf die IMS verweist (siehe insbesondere oben, Randnr. 80). Ihr scheint auch GeneralanwaltJacobs gefolgt zu sein, der in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Bronner festgestellt hat, dass sich das Urteil Magill "durch die besonderen Umstände in dieser Rechtssache erklären [lässt], deren Abwägung eine Verpflichtung zur Lizenzerteilung ergeben hat" (Schlussanträge in der Rechtssache Bronner, Slg. 1998, I-7794, Nr. 63).

106.

Da demnach zumindest ernsthafte Meinungsverschiedenheiten über die Richtigkeit der grundlegenden rechtlichen Schlussfolgerung bestehen, die die angefochtene Entscheidung trägt, nämlich dass im vorliegenden Fall "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, die die Auferlegung einer Verpflichtung zur Zwangslizenzerteilung rechtfertigen können, hat die Antragstellerin eindeutig die Notwendigkeit der beantragten Anordnung glaubhaft gemacht. Denn selbst wenn es erforderlich sein sollte, ungeachtet der insbesondere oben in den Randnummern 68 und 73 getroffenen Feststellungen, dass ein Antragsteller in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung wie dem vorliegenden eine ausgeprägte Anscheinsvermutung begründet, so hat die Antragstellerin diesem Erfordernis im Hinblick auf ihr Hauptvorbringen entsprochen. Daher ist zu prüfen, ob die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

Dringlichkeit

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

107.

Die Antragstellerin trägt erstens vor, dass ihr Recht des geistigen Eigentums an der Struktur 1 860 Bausteine einen Hauptbestandteil ihrer Wettbewerbsfähigkeit darstelle und eine wesentliche Rolle bei der Unterscheidung ihres regionalen Absatzdatendienstes von denen ihrer Wettbewerber spiele. Sollte sie gezwungen sein, ihr Urheberrecht zu teilen, so würde ihr über viele Jahre mühevoll entwickelter Dienst zu einem allgemeinen Angebot abgewertet, das sich von den konkurrierenden Diensten nicht unterscheide. Unter Hinweis auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 3. Juni 1996 in der Rechtssache T-41/96 R (Bayer/Kommission, Slg. 1996, II-381, Randnr. 54, im Folgenden: Beschluss Bayer) trägt sie vor, dass wie in dieser Rechtssache im vorliegenden Fall die Freiheit von IMS Health, ein wesentliches Element ihrer Geschäftspolitik festzulegen, durch den Vollzug der angefochtenen Entscheidung eingeschränkt würde. In ihren ergänzenden Erklärungen bemerkt sie, dass der wirtschaftliche und kommerzielle Wert eines einzigartigen Vorteils, wenn er einmal durch seine "Umwandlung in eine Ware" verloren gegangen sei, nicht wiederhergestellt werden könne. Wäre sie gezwungen, NDC Health und AzyX Lizenzen zu erteilen, so bestehe tatsächlich die Gefahr, dass diese die Zeit bis zum Erlass des Endurteils nutzten, um gewonnene Kunden davon zu überzeugen, dass sie zur Verwendung von Bausteinstrukturen übergehen könnten, die ihr Urheberrecht an der Struktur 1 860 Bausteine nicht verletzten. Diese Gefahr würde dadurch erhöht, dass diese beiden Wettbewerber auf verschiedenen Ebenen geltend gemacht hätten, dass einige ihrer Bausteinstrukturen dieses Urheberrecht nicht verletzten.

108.

Zweitens würde der Vollzug der angefochtenen Entscheidung Marktentwicklungen herbeiführen, die nur sehr schwer oder gar nicht rückgängig zu machen wären (Beschluss Atlantic Container Line/Kommission, Randnr. 55). Der wirtschaftliche Wert, den solche Kunden für sie darstellten, die infolge der Durchsetzung von Zwangslizenzen an ihre Wettbewerber verloren gingen, wäre nicht wieder gutzumachen. Diese Kunden würden die geistige und schöpferische Grundlage ihres Dienstes nicht länger anerkennen. Bei dem Versuch, sie von der Gültigkeit ihres Urheberrechts zu überzeugen, würde sie auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen, und sie wäre aus kaufmännischer Sicht nicht in der Lage, ihre Preise wieder auf ein Niveau anzuheben, das der Ausübung eines ausschließlichen Rechts entspreche. Wie im Beschluss Magill (Randnrn. 16 und 18) anerkannt worden sei, würden sich diese Kunden wahrscheinlich an die Verfügbarkeit von Dienstleistungsangeboten aus verschiedenen Quellen gewöhnen und es ablehnen, zu einer Situation zurückzukehren, in der allein IMS Health in der Lage wäre, den entsprechenden Dienst bereitzustellen. In ihren ergänzenden Erklärungen macht die Antragstellerin geltend, die Verkennung dieser Gefahr durch die Kommission zeige, dass sie mit den Realitäten des Geschäftslebens nicht vertraut sei: In Bezug auf alle Entscheidungen, und zwar auch endgültige und nicht nur vorläufige, die dauerhafte oder weitreichende Veränderungen auf dem Markt herbeizuführen drohten, sei bislang der Vollzug ausgesetzt worden (Beschlüsse Ford, Magill, Atlantic Container Line/Kommission und Bayer).

109.

Drittens seien die unmittelbaren finanziellen Verluste, die sie infolge der Verletzung ihres Urheberrechts durch NDC Health und AzyX bereits erlitten habe, erheblich. In der mündlichen Verhandlung hat die Antragstellerin vorgetragen, dass sie bereits [...] ihrer [...] Abonnenten an NDC Health und AzyX verloren habe, von denen [...] seit dem 9. März 2001, als die Mitteilung der Beschwerdepunkte erfolgt sei, übergewechselt seien. Sie schätzt ihren gesamten Einnahmeausfall bezüglich dieser Kunden unter Zugrundelegung der im Jahr 2000 geltenden Abonnementpreise auf [...] Euro jährlich. Außerdem hätten weitere [...] Kunden ihre Verträge, die Ende des Jahres ausliefen, noch nicht verlängert, obwohl es üblich gewesen wäre, dass sie dies bereits getan hätten. Da NDC Health und AzyX die einzigen beiden anderen Unternehmen seien, die auf dem Markt tätig seien, könne durchaus davon ausgegangen werden, dass die meisten dieser Kunden, wenn nicht alle, zu ihnen wechseln würden, wenn der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt würde. In diesem Fall würden sich die gesamten zusätzlichen Ausfälle von IMS Health unter Zugrundelegung der gegenwärtigen Abonnementpreise auf [...] Euro jährlich belaufen. Daher würden die bezifferbaren Verluste von IMS Health in Deutschland für das Jahr 2002 insgesamt [...] Euro betragen. Unter Bezugnahme auf den Beschluss NCC trägt sie vor, dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz oder eine andere finanzielle Garantie (wie etwa eine Bankgarantie) im vorliegenden Fall, in dem die Tatsachen höchst umstritten seien und die Beurteilung der Kommission gegen gefestigte Grundsätze des Gemeinschaftsrechts zu verstoßen scheine, besonders angebracht sei. Gleichwohl würde eine solche Maßnahme nicht die sehr ernste Gefahr nichtbezifferbarer Schäden beseitigen, die eintreten würden, wenn der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht ausgesetzt würde.

110.

Die Kommission stellt in Abrede, dass die Antragstellerin die Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens glaubhaft gemacht habe. Im Hinblick auf die behaupteten finanziellen Verluste, die IMS entstehen könnten, weist sie u. a. unter Bezugnahme auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1991 in der Rechtssache C-213/91 R (Abertal/Kommission, Slg. 1991, I-5109, Randnr. 24) darauf hin, dass ein finanzieller Verlust grundsätzlich nicht als irreparabel anzusehen sei. In Anbetracht der Quasi-Monopolstellung der Antragstellerin auf dem deutschen Markt könne keine Rede davon sein, dass ihr Bestand durch den Vollzug der angefochtenen Entscheidung gefährdet wäre (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Mai 1990 in den Rechtssachen C-51/90 R und C-59/90 R, Comos-Tank u. a./Kommission, Slg. 1990, I-2167, Randnrn. 30 und 31, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 21. Dezember 1994 in der Rechtssache T-301/94 R, Laakmann Karton/Kommission, Slg. 1994, II-1279, Randnrn. 23 ff.). Auch der Marktanteil von IMS Health würde nicht einbrechen, wenn ihren Wettbewerbern Lizenzen erteilt würden, insbesondere weil diese dem Wettbewerbsdruck unterliegen würden, Gebühren zahlen zu müssen. Jedenfalls seien die von der Antragstellerin befürchteten finanziellen Verluste unsubstanziiert und stellten die nicht plausible ungünstigste Annahme dar. Angesichts der berichtigten Berechnung dieser Verluste, die IMS in der mündlichen Verhandlung vorgelegt hat, ist die Kommission bei ihrer Auffassung geblieben, dass sie geringfügig wären, da die große Mehrheit der Kunden, von denen die Einnahmen stammten, bei IMS bleiben würde, und dass deren Berechnung die Bedeutung der Verpflichtung der potenziellen Lizenznehmer, ihr Gebühren zu zahlen, außer Acht lasse. Der Vorteil aus dieser Verpflichtung entspreche dem doppelten Betrag der gezahlten Gebühren, da diese die Einnahmen von IMS Health erhöhen und gleichzeitig die der Lizenznehmer entsprechend verringern würden.

111.

Ferner sei der Ausschluss finanzieller Verluste nicht abhängig von der Möglichkeit ihres Ersatzes. Sollte die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt werden, stehe es der Antragstellerin frei, sich solche Verluste von NDC und AzyX ersetzen zu lassen. Zu dem Vorbringen, dass in der angefochtenen Entscheidung hätte vorgesehen werden müssen, dass die potenziellen Lizenznehmer eine entsprechende Verpflichtung eingehen müssten, trägt die Kommission vor, dass eine solche Bedingung nur ganz ausnahmsweise auferlegt werden sollte. Die Umstände des vorliegenden Falles unterschieden sich von denen in der Rechtssache NCC, dem bislang einzigen Fall, in dem eine solche Bedingung auferlegt worden sei. Die Kommission hätte jedoch gegen eine vertragliche Bestimmung in den Lizenzvereinbarungen zwischen IMS Health und ihren Wettbewerbern, in der eine solche Garantie vorgesehen würde, nichts einzuwenden. In der mündlichen Verhandlung hat sie hinzugefügt, dass sie eine Sicherungsmaßnahme des Richtersder einstweiligen Anordnung in Bezug auf die Bereitstellung einer solchen Garantie akzeptieren würde, sofern deren Höhe angemessen sei.

112.

Was die angenommene Beeinträchtigung der geschäftlichen Unabhängigkeit von IMS angeht, macht die Kommission geltend, dass manche dieser Veränderungen in der Natur des Erlasses vorläufiger Sicherungsmaßnahmen lägen. Die entscheidende Frage im vorliegenden Verfahren gehe dahin, ob der daraus folgende Schaden erheblich über die naturgegebenen und vorübergehenden Nachteile hinausgehe, die sich aus dem Erlass solcher vorläufigen Entscheidungen ergäben. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass die Abwertung ihres Rechts, die sie möglicherweise dadurch erleiden würde, dass sie die Struktur 1 860 Bausteine gegen eine angemessene Gebühr mit ihren Wettbewerbern teilen müsste, über solche naturgegebenen Nachteile hinausgehen würde. Die streitige Lizenzerteilung würde die Unabhängigkeit von IMS Health bei der Festlegung ihrer Geschäftspolitik nicht beschränken: Sie würde weder ihre Freiheit zur Festsetzung der Preise noch - angesichts des Ausmaßes ihrer Marktbeherrschung auf dem relevanten Markt - ihre Fähigkeit zur Festlegung einer Geschäftspolitik beeinträchtigen, um den Herausforderungen des Wettbewerbs gerecht zu werden.

113.

Ebenso wenig werde die angefochtene Entscheidung irgendwelche spürbaren und dauerhaften Marktentwicklungen verursachen. Erstens sei klar, dass sich Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung, der im Zusammenhang mit deren Begründungserwägungen zu lesen sei, auf NDC Health und AzyX beschränke. Daher gäbe es für die Antragstellerin keinen Hinderungsgrund, ihr Urheberrecht durchzusetzen, wenn die Entscheidung im Hauptsacheverfahren für nichtig erklärt würde. Zweitens unterschieden sich die im vorliegenden Verfahren gegebenen Umstände von denen, die im Beschluss Bayer und in den Beschlüssen des Präsidenten des Gerichts vom 19. Februar 1993 in den Rechtssachen T-7/93 R und T-9/93 R (Langnese-Iglo und Schöller/Kommission, Slg. 1993, II-131) und vom 7. Juli 1998 in der Rechtssache T-65/98 R (Van den Bergh Foods/Kommission, Slg. 1998, II-2641, im Folgenden: Beschluss Van den Bergh Foods) geprüft worden seien, in denen die Adressaten der angefochtenen Entscheidungen verpflichtet worden seien, ihre vertraglichen Beziehungen mit zahlreichen Großhändlern und Wiederverkäufern zu ändern. Das vorliegende Verfahren sei auch nicht mit der Rechtssache Atlantic Container Line/Kommission vergleichbar, in der davon ausgegangen worden sei, dass die unverzügliche Anwendung der angefochtenen Entscheidung auf einen bereits anfälligen Sektor leicht u. a. zu einem Zusammenbrechen der Tarife und zum Verschwinden bestimmter Unternehmen hätte führen können.

114.

NDC und NDC Health tragen vor, es gehe der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren tatsächlich darum, geltend zu machen, dass IMS Health ein schwerer Schaden zugefügt würde, wenn sie vorläufig und gegen Gebühren Lizenzen für die Verwendung eines "utilitarian copyright" an einer Industrienorm erteilen müsste. Die Furcht vor der Abwertung des geistigen Eigentums der Antragstellerin an der Struktur 1 860 Bausteine zu einem "allgemeinen Angebot" sei nicht überzeugend.Der Schutz des Urheberrechts von IMS Health bestehe erst seit kurzer Zeit in Deutschland, und die Antragstellerin habe nicht erläutert, weshalb ihr Recht in Deutschland abgewertet würde, wenn sie sich dort gegen eine Gebühr so verhalten würde, wie sie im Vereinigten Königreich in Bezug auf ein vergleichbares Eigentumsrecht bereits zu handeln bereit sei, ohne dafür eine Gebühr zu erhalten. Da die fraglichen Daten frei erhältlich seien, würde der Vollzug der angefochtenen Entscheidung außerdem nicht wie im Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 1. Dezember 1994 in der Rechtssache T-353/94 R (Postbank/Kommission, Slg. 1994, II-1141) die Gefahr mit sich bringen, dass geheime Informationen herausgegeben würden. Zur Möglichkeit, eine Bankgarantie zu verlangen, haben NDC und NDC Health in der mündlichen Verhandlung Zweifel an deren Erforderlichkeit geäußert, da IMS keine nicht wieder gutzumachenden finanziellen Verluste erleiden würde. Außerdem könnte IMS die Notwendigkeit, eine Einigung über die Bedingungen einer solchen Garantie zu erzielen, als Mittel nutzen, um die in der angefochtenen Entscheidung vorgesehene Lizenzerteilung zu verzögern. Im Gegensatz zu den Bagatellschäden, die der Antragstellerin möglicherweise entstehen könnten, sei NDC Health nicht in der Lage, gegen IMS Health in Wettbewerb zu treten, ohne die Struktur 1 860 Bausteine verwenden zu können. In ihren ergänzenden Erklärungen berufen sie sich darauf, dass das Beweismaterial aus der pharmazeutischen Industrie überwältigend sei; die Pharmaunternehmen müssten gemäß der Struktur 1 860 Bausteine formatierte regionale Absatzdaten erhalten. Jedenfalls sei die Struktur von NDC mit 3 942 Segmenten keine marktfähige Alternative zur Struktur 1 860 Bausteine von IMS Health, da die Reichweite der gegen NDC Health erwirkten Anordnung, soweit sie "abgeleitete" Strukturen betreffe, unklar sei und, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Ziffer 143) hervorgehoben habe, für weitere drei Jahre nicht klargestellt werde.

115.

AzyX trägt vor, dass in der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt worden sei, dass sie einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würde, wenn die darin angeordneten einstweiligen Maßnahmen nicht durchgeführt würden. Wegen der Bedeutung der Einnahmen auf dem deutschen Markt für die Unternehmensgruppe AzyX wäre ihr finanzielles Überleben binnen kurzem gefährdet, wenn der Vollzug der von der Kommission angeordneten einstweiligen Maßnahmen ausgesetzt würde. Sollte die Struktur 1 860 Bausteine ungeachtet der abweichenden Auffassung von IMS tatsächlich eine wesentliche Einrichtung darstellen, so würde der der Antragstellerin durch die Verpflichtung zur Lizenzerteilung für diese Struktur entstehende Schaden im Fall der Nichtigerklärung der Entscheidung im Hauptsacheverfahren lediglich vorübergehend sein. Sollte sie hingegen nicht unerlässlich sein, so wäre jeder unwiederbringliche Verlust von Kunden auf andere Wettbewerbsbedingungen und nicht auf die angefochtene Entscheidung zurückzuführen.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

116.

Die Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung ist danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht (Beschluss SCK und FNK, Randnr. 30, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. November 1999 in der Rechtssache C-329/99 P[R], Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, I-8343, Randnr. 94, und vom 11. April 2001 in der Rechtssache C-471/00 P[R], Kommission/Cambridge Healthcare Supplies, Slg. 2001, I-2865, Randnr. 107, im Folgenden: Beschluss Cambridge). Es ist Sache der Partei, die sich auf einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden beruft, dessen Vorliegen zu beweisen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C-278/00 R, Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I-8787, Randnr. 14, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 28. Mai 2001 in der Rechtssache T-53/01 R, Poste Italiane/Kommission, Slg. 2001, II-1479, Randnr. 110). Insbesondere wenn die Entstehung des Schadens vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, genügt es, dass der Schaden mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705, Randnr. 67, Beschluss Cambridge, Randnr. 108, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. Dezember 2000 in der Rechtssache T-237/99 R, BP Nederland u. a./Kommission, Slg. 2000, II-3849, Randnr. 49).

117.

Jedoch ist bei der Prüfung der Gründe, die wegen der Schäden, die eine Maßnahme wie die angefochtene Entscheidung verursachen kann, für deren Aussetzung sprechen, zu berücksichtigen, dass diese Entscheidung selbst eine vorläufige Anordnung darstellt, die die Kommission während einer noch nicht abgeschlossenen Untersuchung getroffen hat (Beschluss Ford, Randnr. 11). Es ist daher zu prüfen, ob die ernsthafte Gefahr besteht, dass die nachteiligen Wirkungen der angefochtenen Entscheidung, wenn diese sofort durchgeführt würde, über diejenigen einer sichernden Maßnahme hinausgehen und in der Zwischenzeit zu Schäden führen, die erheblich größer sind als die unvermeidlichen, aber vorübergehenden negativen Begleiterscheinungen einer solchen vorläufigen Entscheidung (Beschlüsse Ford und Peugeot, Randnrn. 14 und 24).

118.

Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, bestreitet die Schwere der Verluste, die der Antragstellerin entstehen könnten. Diese stellten die ungünstigste Annahme dar und ließen die finanzielle Bedeutung der ihr gezahlten Gebühren außer Acht. Die Antragstellerin hat jedoch auf den ersten Blick überzeugend glaubhaft gemacht, dass sich ihre unmittelbaren Verluste in diesem Jahr auf [...] Euro belaufen und dass sie im Jahr 2002 durchaus auf [...] Euro ansteigen könnten. Auch wenn die angefochtene Entscheidung keine Angaben über den Umsatz oder die Einnahmen von IMS Health enthält, macht AzyX geltend, ohne dass ihr die Antragstellerin in diesem Punkt widersprochen hätte, dass die Einnahmen von IMS Health in Deutschland in Bezug auf ihren regionalen Absatzdatendienst jährlich ungefähr 25 Millionen Euro betragen. Nach alledem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Verluste in der Größenordnung zwischen [...] Euro und [...] Eurojährlich für IMS Health trotz ihrer Zugehörigkeit zu einer Unternehmensgruppe der Größe von IMS sehr schwer sein könnten.

119.

Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch ein rein finanzieller Schaden nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann (Beschluss Abertal/Kommission, Randnr. 24, Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 1. Oktober 1997 in der Rechtssache T-230/97 R, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Slg. 1997, II-1589, Randnr. 32, Beschluss Cambridge, Randnr. 113, und Beschluss vom 15. Juni 2001 in der Rechtssache T-339/00 R, Bactria/Kommission, Slg. 2001, II-1721, Randnr. 94). Diese Rechtsprechung beruht auf der Prämisse, dass ein finanzieller Schaden, der durch die Durchführung des Endurteils nicht beseitigt wird, einen wirtschaftlichen Verlust darstellt, der mittels der im Vertrag, insbesondere in den Artikeln 235 EG und 288 EG, vorgesehenen Klagen ausgeglichen werden kann (Beschluss Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Randnr. 38, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 20. Juli 2000 in der Rechtssache T-169/00 R, Esedra/Kommission, Slg. 2000, II-2951, Randnr. 47). Im vorliegenden Fall würden jedoch die für den Fall der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung von der Kommission in ihren Erklärungen in Betracht gezogenen Klagen im Hinblick auf die Antragstellerin darauf gerichtet sein, vor den deutschen Gerichten eine Entschädigung zu verlangen (vermutlich Schadensersatz für die Verletzung ihres Urheberrechts). Selbstverständlich kann und sollte der Richter der einstweiligen Anordnung nicht darüber spekulieren, ob es wahrscheinlich ist, dass IMS vor den nationalen Gerichten eine angemessene Entschädigung erwirkt. Es kann beispielsweise nicht ausgeschlossen werden, dass allein die Erteilung von Lizenzen gemäß der angefochtenen Entscheidung an NDC Health und AzyX, selbst wenn diese Entscheidung später für nichtig erklärt werden sollte, nachteilige Folgen für den Umfang der möglichen Entschädigung von IMS Health haben könnte.

120.

In Anbetracht des weiten Ermessens, das der Kommission bei der Entscheidung darüber zusteht, ob der Erlass vorläufiger Entscheidungen wie der angefochtenen angezeigt ist, erscheint es außerdem auf den ersten Blick unwahrscheinlich, dass die Antragstellerin mit einer Schadensersatzklage gegen die Kommission Erfolg haben würde. Mit anderen Worten, es ist unwahrscheinlich, dass die Gründe, aus denen die angefochtene Entscheidung möglicherweise im Hauptsacheverfahren letztlich für nichtig erklärt würde, ausreichen würden, um einen qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darzustellen, aufgrund dessen IMS tatsächlich geltend machen könnte, dass die Kommission die Grenzen ihres Ermessens offenkundig und erheblich überschritten hat (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I-5291, Randnrn. 41 bis 44, und Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001 in den Rechtssachen T-198/95, T-171/96, T-230/97, T-174/98 und T-225/99, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Slg. 2001, II-1975, Randnr. 134).

121.

Auch wenn die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass IMS Health die ihr eventuell aufgrund des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung entstehenden finanziellen Verluste nicht ersetzt werden, wird eine einstweilige Anordnung bei einem finanziellen Schaden in der Regel nur dann erlassen, wenn der Antragsteller glaubhaft machen kann, dass die behaupteten Verluste im Fall des Nichterlasses der einstweiligen Anordnung sein Überleben gefährden würden. Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin die Feststellung der Kommission (Ziffer 3 der angefochtenen Entscheidung) nicht bestritten, dass IMS in 100 Ländern tätig ist und im Jahr 2000 einen Umsatz von 1,4 Mrd. USD hatte. Auch wenn die hier befürchteten Verluste nach den Angaben von Herrn Sian IMS Health treffen würden, ist es zulässig und auch angemessen, da der Adressat der Entscheidung und der Antragsteller sowohl im Hauptsacheverfahren als auch im vorliegenden Verfahren IMS ist, die potenziellen Auswirkungen dieser Verluste auf IMS insgesamt zu prüfen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 7. März 1995 in der Rechtssache C-12/95 P, Transacciones Marítimas u. a./Kommission, Slg. 1995, I-467, Randnr. 12, Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 10. Dezember 1997 in der Rechtssache T-260/97 R, Camar/Kommission und Rat, Slg. 1997, II-2357, Randnr. 50, und vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T-13/99 R, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II-1961, Randnr. 155, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch den vorerwähnten Beschluss in der Rechtssache C-329/99 P[R], Randnr. 67, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 2. August 2001 in der Rechtssache T-111/01 R, Saxonia Edelmetalle/Kommission, Slg. 2001, II-2335, Randnr. 27). Mit Rücksicht auf die Finanzkraft von IMS und die Abschwächung der Verluste von IMS Health durch die Einnahme der Gebühren erscheint die Schlussfolgerung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, dass die möglicherweise eintretenden finanziellen Verluste ihren Bestand auf dem relevanten Markt zumindest vor Erlass des Endurteils wahrscheinlich nicht gefährden würden, begründet. Folglich kann ein solcher Schaden für sich allein nicht ausreichen, um die beantragte Anordnung zu rechtfertigen.

122.

Außerdem hat die Kommission angegeben, dass sie sich der Antragstellerin nicht entgegenstellen würde, wenn diese eine Klausel über eine finanzielle Garantie in die Lizenzbedingungen aufnehmen wolle, die sie mit NDC und AzyX aushandele. Die Aufnahme angemessener Bankgarantieklauseln in die von der Kommission gemäß Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung festgelegten endgültigen Lizenzbedingungen würde die Gefahr des Eintritts eines nicht wieder gutzumachenden finanziellen Schadens weiter verringern.

123.

Daher ist zu prüfen, ob, wie die Antragstellerin vorträgt, die tatsächliche Gefahr besteht, dass die nachteiligen Auswirkungen des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung auf die Wettbewerbsstruktur auf dem relevanten Markt und insbesondere auf den Wert des Urheberrechts der Antragstellerin an der Struktur 1 860 Bausteine ihr einen schweren und potenziell nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen könnten.

124.

Hervorzuheben ist, dass die Anerkennung des Urheberrechts der Antragstellerin (das sie durch IMS Health innehat) an der Struktur 1 860 Bausteine durch das Landgericht Frankfurt am Main mit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage gestellt werden soll (Ziffern 36 und 211). Soweit NDC und NDC Health darauf bedacht sind, dieses Urheberrecht als "utilitarian copyright" einzustufen, geht ihr Vorbringen über den Rahmen der angefochtenen Entscheidung hinaus und kann daher die Argumente der Kommission für eine Zurückweisung des vorliegenden Antrags auf einstweilige Anordnung in Bezug auf diese Entscheidung nicht stützen. Da das Landgericht Frankfurt am Main anerkannt hat, dass die schöpferische Tätigkeit, die der Struktur 1 860 Bausteine zugrunde liegt, nach dem Urheberrecht schutzwürdig ist, ist die Antragstellerin berechtigt, sich auf die tatsächliche Gefahr einer Abwertung ihres Urheberrechts zu berufen.

125.

Der Grundgedanke des Urheberrechts besteht darin, dass dieses dem Urheber schöpferischer und ursprünglicher Werke das ausschließliche Recht gewährt, diese Werke zu verwerten (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Mai 1988 in der Rechtssache 158/86, Warner Brothers und Metronome Video, Slg. 1988, 2605, Randnr. 13, im Folgenden: Urteil Warner Brothers), und dabei die "Vergütung der schöpferischen Tätigkeit" sicherstellt (Urteil RTE, Randnr. 71, und Urteil ITP, Randnr. 56). Das Urheberrecht ist sowohl für den einzelnen Rechtsinhaber als auch für die Gesellschaft insgesamt von grundlegender Bedeutung (Schlussanträge des Generalanwalts Gulmann in der Rechtssache Magill, Slg. 1995, I-747, Nr. 11). Seine Reduzierung auf ein rein wirtschaftliches Recht, Gebühren einzunehmen, verkürzt den Wesensgehalt dieses Rechts und ist grundsätzlich geeignet, dem Rechtsinhaber einen potenziell schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zuzufügen.

126.

Die Kommission, unterstützt durch die Streithelferinnen, versucht, die Notwendigkeit einer solchen Verkürzung im vorliegenden Verfahren damit zu begründen, dass der der Antragstellerin entstehende Schaden bei einem Erfolg der Klage vorübergehend sein und sich innerhalb der Grenzen der in der Natur von Sicherungsmaßnahmen liegenden Auswirkungen halten würde. Mit anderen Worten würde IMS Health bei Wiederherstellung ihres ausschließlichen Rechts automatisch alle ihre Kunden zurückgewinnen, da diese dann aufgrund der praktischen Unerlässlichkeit der Bausteinstruktur wieder ausschließlich mit ihr Geschäfte abschließen müssten.

127.

Die angeblich rein vorübergehende Natur der erheblichen Beeinträchtigung des spezifischen Gegenstands des Rechts des geistigen Eigentums der Antragstellerin reicht für sich allein nicht aus, um die tatsächliche Gefahr eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen der Antragstellerin zu verringern.

128.

Erstens besteht die eindeutige Gefahr, dass die gegenwärtigen Kunden von IMS Health, von denen viele selbst große Pharmaunternehmen oder wirtschaftlich mächtigen multinationalen Gruppen angehörende Unternehmen sind, es nicht gernsehen werden, dass sie, wenn sie über zwei bis drei Jahre zwischen konkurrierenden Erbringern von auf der Struktur 1 860 Bausteine beruhenden regionalen Absatzdatendiensten wählen konnten, gezwungenermaßen zu einem einzigen Dienst zurückzukehren haben, der von einem monopolistischen Dienstleistungserbringer zu einem höheren Preis angeboten wird. Zweitens wird die Unzufriedenheit der Kunden von IMS Health größer werden, wenn - wie die Streithelferinnen dem Richter der einstweiligen Anordnung in der mündlichen Verhandlung erläutert haben - die Einzelheiten der von ihnen angebotenen Absatzdatendienste, wenn auch zwangsläufig auf die Struktur 1 860 Bausteine gestützt, erheblich von denen abweichen, die die Antragstellerin anbietet. Es lässt sich daher nicht ausschließen, dass sich diese Unzufriedenheit in der Bereitschaft niederschlagen könnte, die notwendigen Kosten auf sich zu nehmen, um Absatzdaten in einem mit der Struktur 1 860 Bausteine nicht kompatiblen Format akzeptieren zu können und dadurch nicht zu einer Situation zurückkehren zu müssen, in der die Antragstellerin auf dem relevanten Markt eine Quasi-Monopolstellung innehat. Dies gilt um so mehr, als viele dieser Kunden, wie in der angefochtenen Entscheidung (Ziffern 75 bis 84) festgestellt wird, durch den RPM Arbeitskreis offenbar eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Struktur 1 860 Bausteine gespielt haben. Die bloße Tatsache, dass sich manche von ihnen, wie AzyX vorträgt, bei der von ihr organisierten Zusammenkunft am 15. März 2001 in Frankfurt am Main während einer viereinhalbstündigen Sitzung anscheinend nicht bereit gezeigt haben, den Wechsel zu einem anderen Format zu befürworten, schließt nicht aus, dass sie ihre Haltung ändern würden, falls die angefochtene Entscheidung - deren erwarteten Erlass man bei dieser Sitzung zu unterstützen beschlossen hatte - später für nichtig erklärt würde.

129.

In tatsächlicher Hinsicht ist daher festzustellen, dass ernsthafte Gründe für die Annahme bestehen, dass viele der Marktentwicklungen, zu denen der sofortige Vollzug der Entscheidung wahrscheinlich führen würde, nur sehr schwer oder überhaupt nicht wieder rückgängig gemacht werden könnten, falls der Klage stattgegeben würde (Beschluss Van den Bergh Foods, Randnr. 66).

130.

Ferner lässt sich nicht ausschließen, dass der Vollzug der angefochtenen Entscheidung die Freiheit der Antragstellerin einschränken würde, ihre Geschäftspolitik festzulegen (Beschluss Bayer, Randnr. 54). Aus ihren Erklärungen im vorliegenden Verfahren ergibt sich, dass die Antragstellerin bei Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht mehr die gleiche Geschäftspolitik wie bisher auf einen Markt anwenden könnte, auf dem ihre Wettbewerber berechtigt wären, gegen sie frei in Wettbewerb zu treten, sofern sie nur der Verpflichtung zur Zahlung von Gebühren nachkämen. Im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung haben sowohl NDC Health als auch AzyX Dienstleistungen entweder aufgrund der Struktur 1 860 Bausteine (und damit aller Wahrscheinlichkeit nach unter Verletzung des Urheberrechts der Antragstellerin) oder aufgrund anderer ähnlicher Bausteinstrukturen erbracht, die möglicherweise das Urheberrecht verletzende "Ableitungen" dieser Struktur darstellten (und bezüglich deren ein Klima der Rechtsunsicherheit herrschte). Die Verpflichtung der Antragstellerin zurErteilung von Lizenzen an NDC Health und AzyX würde die gegebenen Marktbedingungen deutlich verändern. Die Tatsache allein, dass die Antragstellerin selbst durch ihre anfängliche Weigerung, ihren Wettbewerbern Lizenzen zu erteilen, zu dieser Rechtsunsicherheit beigetragen hat, ändert, wie die Kommission bemerkt, nichts an der Art der Veränderung der Marktbedingungen, die durch die künftige Rechtmäßigkeit des Verhaltens von NDC und AzyX infolge der Lizenzerteilung nach Vollzug der angefochtenen Entscheidung bewirkt würde.

131.

Wie die Kommission in ihren ergänzenden Erklärungen vorträgt, kann in einem Fall, in dem sich nicht mit Sicherheit feststellen lässt, ob die "gegenwärtigen Bausteinstrukturen" der Wettbewerber der Antragstellerin deren "Urheberrecht verletzen", und in dem zumindest einer dieser Wettbewerber, nämlich NDC, öffentlich bestreitet, dass seine Bausteinstruktur mit 3 942 Segmenten dieses Urheberrecht verletzt, die Gefahr nicht als rein hypothetisch abgetan werden, dass NDC und AzyX den Zeitraum des Schutzes gegen Klagen wegen Urheberrechtsverletzung, für den der Vollzug der angefochtenen Entscheidung sorgen würde, nutzen könnten, um ihre gegenwärtigen und zukünftigen Kunden davon zu überzeugen, dass von der Struktur 1 860 Bausteine zu anderen Strukturen übergewechselt werden sollte, die angeblich keine Urheberrechtsverletzung darstellen. Auf den ersten Blick erscheint es wahrscheinlich, dass diese Gefahr von der Antragstellerin bei der Formulierung ihrer Geschäftspolitik bis zum Erlass des Endurteils berücksichtigt werden müsste.

132.

Daraus ist zu schließen, dass die tatsächliche konkrete Gefahr besteht, dass der Vollzug der angefochtenen Entscheidung der Antragstellerin vor Erlass des Endurteils einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen könnte, der wahrscheinlich über die unvermeidlichen und vorübergehenden negativen Begleiterscheinungen hinausgehen würde, die in der Natur des Erlasses solcher Sicherungsmaßnahmen liegen.

133.

Daher sind die bestehenden Interessen abzuwägen, um festzustellen, ob alle Voraussetzungen für den beantragten Erlass einstweiliger Anordnungen erfüllt sind.

Interessenabwägung

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

134.

Die Antragstellerin trägt vor, dass weder NDC noch AzyX einen irreparablen Schaden erleiden würden, wenn der Vollzug der angefochtenen Entscheidung ausgesetzt würde. Sie verfügten bereits über eine beträchtliche Anzahl von Kunden und hätten beide alternative (angeblich keine Urheberrechtsverletzung darstellende) Bausteinstrukturen entwickelt, die sie weiterhin verwenden und verbessern könnten. Sie bezieht sich insbesondere auf die Bausteinstruktur von NDC mit 3 942 Segmenten, die nach deren Behauptung in den Verhandlungen über die Lizenz nach Erlass der angefochtenen Entscheidung keiner Lizenzbedürfe. Außerdem hätten sich NDC und AzyX möglicherweise erlittene Schäden selbst zugefügt, da ihnen vom Landgericht Frankfurt am Main am 12. Oktober und 28. Dezember 2000 untersagt worden sei, das Urheberrecht von IMS Health zu verletzen. Sie hätten erstmals am 26. Oktober 2000 und 23. April 2001 Lizenzen beantragt und daher alle Kunden, für die sie seither auf der Struktur 1 860 Bausteine beruhende Dienstleistungen erbracht hätten, unter Verstoß gegen diese Anordnung beliefert. Sie hätten zwar das Recht gehabt, bei der Kommission Abhilfe zu suchen, aber nicht, während deren Untersuchung der Beschwerde das Urheberrecht an der Struktur 1 860 Bausteine zu verletzen.

135.

Ferner sei die Behauptung der Kommission, dass der Geschäftstätigkeit von NDC und AzyX in Deutschland ohne Lizenzen das Ende drohen würde, übertrieben. NDC sei das weltgrößte Mischunternehmen für Informationsdienstleistungen im Gesundheitsbereich mit einem Jahresumsatz (laut ihrer eigenen Internetseite vom 22. Juli 2001) von ungefähr 685 Millionen USD. Sie sei der Hauptkonkurrent von IMS in den Vereinigten Staaten von Amerika und betätige sich in verschiedenen europäischen Ländern. AzyX übe ihrerseits Tätigkeiten in einer Reihe von europäischen Ländern aus, die von der fehlenden Lizenz zur Nutzung der Struktur 1 860 Bausteine in Deutschland nicht berührt seien.

136.

Schließlich würden durch die vorläufige Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung keine anderen Dritten oder öffentlichen Interessen geschädigt. Insbesondere weil die streitigen Absatzdatendienste von den Pharmaunternehmen nur für interne Zwecke genutzt würden und einen kleinen Anteil ihrer gesamten Vertriebs- und Absatzaufwendungen bildeten, hätte es keine Auswirkung auf Endverbraucher von Arzneimitteln, wenn ihr ausschließliches Recht bis zum Erlass des Endurteils aufrechterhalten würde.

137.

Die Kommission trägt vor, die Verhältnismäßigkeit der in der angefochtenen Entscheidung angeordneten Beschränkung des ausschließlichen Rechts der Antragstellerin zeige sich darin, dass durch die Zahlung angemessener Gebühren ein Ausgleich vorgesehen sei. Dieser Umstand, verbunden mit dem Interesse der Wettbewerber von IMS und ihrer Kunden an der Aufrechterhaltung des Wettbewerbs, spreche entschieden dafür, den Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zum Erlass des Endurteils zuzulassen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission das Vorbringen der Antragstellerin bestritten, dass die Aussetzung der angefochtenen Entscheidung nicht zur Folge hätte, NDC und AzyX daran zu hindern, wieder auf den deutschen Markt zurückzukehren, falls die Gültigkeit der Entscheidung später im Hauptsacheverfahren bestätigt würde.

138.

NDC macht geltend, der Richter der einstweiligen Anordnung müsse vor der Aussetzung des Vollzugs davon überzeugt sein, dass die Interessen der Antragstellerin gegenüber den erheblichen entgegenstehenden Interessen, nämlich den negativen Auswirkungen auf NDC und AzyX, die Pharmaunternehmen und das öffentliche Interesse, überwögen. Angesichts der nach ihrer Behauptung "erstaunlich hohen" Einkünfte von IMS Health kämen den Kunden die Vorteiledes freien Wettbewerbs bei Vollzug der angefochtenen Entscheidung zugute. In dieser Entscheidung sei das mildeste zur Verfügung stehende Mittel gewählt worden, um die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs auf dem relevanten Markt sicherzustellen. Die Interessenabwägung verlange die Erteilung von Lizenzen für das im vorliegenden Fall in Rede stehende "utilitarian copyright" bis zum Erlass des Endurteils.

139.

AzyX trägt vor, dass es dem allgemeinen Interesse am Gemeinsamen Markt in der Zwischenzeit förderlich wäre, wenn sich der Wettbewerb entfalten könnte, und nicht, wenn IMS den relevanten Markt blockieren dürfte. In der mündlichen Verhandlung hat sie die Behauptung der Antragstellerin bestritten, dass sie in zwei Jahren auf den deutschen Markt zurückkehren könnte; da etwa 75 % des Gesamtumsatzes der Unternehmensgruppe AzyX derzeit in Deutschland erzielt werde, würde ein Ausschluss von diesem Markt für zwei Jahre ihren Bestand ernsthaft gefährden. Damit sei ein möglicher Verlust für IMS von ungefähr 1,5 % ihrer weltweiten Einnahmen nicht vergleichbar.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

140.

In der angefochtenen Entscheidung (Ziffer 187) beruft sich die Kommission auf das Urteil La Cinq (Randnr. 28). Würden keine einstweiligen Maßnahmen erlassen, so würde nach ihrer Ansicht NDC ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden oder dem öffentlichen Interesse eine nicht hinnehmbare Schädigung zugefügt. In Bezug auf NDC sind in der angefochtenen Entscheidung finanzielle Verluste und ihre geschäftliche Rufschädigung in Deutschland für den Fall angeführt, dass sie infolge der untersagten Verwendung der Struktur 1 860 Bausteine nicht in der Lage wäre, ihre Verträge zu erfüllen (Ziffer 192). NDC werde den Wettbewerb gegen die Antragstellerin nur dann bestehen können, wenn ihr Zugang zu dieser Struktur gewährt werde (Ziffern 193 und 194). Auf eine Frage in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausgeführt, dass die Dringlichkeit für NDC mit der Gefahr zusammenhänge, dass sie, auch wenn es sich um ein großes Unternehmen handele, die "erstaunlichen" Verluste nicht verkraften könnte, die sie auf dem deutschen Markt ohne Zugang zur Struktur 1 860 Bausteine bis zum Erlass des Endurteils erleiden würde. Die nicht hinnehmbare Schädigung des öffentlichen Interesses ergibt sich nach der angefochtenen Entscheidung aus der ernsthaften Gefahr, dass der Geschäftstätigkeit von AzyX das Ende drohen und dadurch IMS als alleiniger Anbieter regionaler Absatzdatendienste in Deutschland übrig bleiben würde. Die Besorgnis der Kommission gilt dem "Fortbestand ... [von] AzyX in diesem Markt", da ihre "europäischen Geschäfte" aufgrund ihrer im Vergleich zu NDC geringeren Größe und niedrigeren weltweiten Einnahmen "ohne einstweilige Maßnahmen noch mehr gefährdet [sind]" (Ziffer 195). In der mündlichen Verhandlung hat sie darauf hingewiesen, dass der Wettbewerb auf dem relevanten Markt mangels Vollzug der angefochtenen Entscheidung bis zum Erlass des Endurteils "ausgelöscht" würde.

141.

Nach der Camera-Care-Rechtsprechung kann die Kommission eine vorläufige Entscheidung mit einstweiligen Sicherungsmaßnahmen erlassen, die sie für unerlässlich hält, um die praktische Wirksamkeit einer endgültigen Entscheidung sicherzustellen, die sie später in Bezug auf das behauptete wettbewerbswidrige Verhalten erlässt, das Gegenstand der Untersuchung ist. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt unter bestimmten Umständen den Erlass von Sicherungsmaßnahmen erforderlich macht, die Rechte von Unternehmen einschränken, deren Verhalten gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 lediglich untersucht wird. Es ist Sache der Kommission, zu beurteilen, ob der Erlass solcher Maßnahmen in einem bestimmten Fall angebracht ist. Ist der Richter der einstweiligen Anordnung jedoch davon überzeugt, dass die in den Artikeln 242 EG und 243 EG sowie in Artikel 104 der Verfahrensordnung vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, so muss er die Interessen, auf die sich die Kommission zur Begründung ihrer Entscheidung gestützt hat, gegen diejenigen, die der Antragsteller zugunsten der einstweiligen Anordnung geltend macht, abwägen.

142.

In der angefochtenen Entscheidung gelangt die Kommission zu der Schlussfolgerung, dass ein dringendes Bedürfnis bestehe, IMS Health die Verpflichtung aufzuerlegen, Lizenzen in Bezug auf ihr Urheberrecht an der Struktur 1 860 Bausteine zu erteilen, damit zwei ihrer Wettbewerber bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung der Kommission weiterhin aktiv gegen IMS auf dem Markt konkurrieren könnten, auf dem dieses Recht derzeit genutzt werde. Diese Schlussfolgerung wird gezogen, obwohl die Kommission "die ausschlaggebende Rolle der geistigen Eigentumsrechte bei der Förderung von Innovation und Wettbewerb" (Ziffer 211) und das Vorbringen von IMS anerkennt, dass einstweilige Maßnahmen ihr Urheberrecht "unwirksam" machen und damit von potenziellen Investitionen in geistige Eigentumsrechte abhalten würden (Ziffer 210). Sie gründet diese Auffassung über die angemessene Abwägung der bestehenden Interessen auf eine nach ihrem Verständnis gegebene Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Recht von IMS, nämlich die vorübergehende Entziehung des ihr nach nationalem Recht zustehenden ausschließlichen Rechts gegen "angemessene" Gebühren.

143.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das öffentliche Interesse am Schutz der Eigentumsrechte im Allgemeinen und der Rechte des geistigen Eigentums im Besonderen in den Artikeln 30 EG und 295 EG zum Ausdruck kommt. Der bloße Umstand, dass die Antragstellerin ihr Urheberrecht an der Struktur 1 860 Bausteine aus wirtschaftlichen Gründen geltend gemacht und durchzusetzen versucht hat, schmälert nicht ihre Berechtigung, das ihr nach nationalem Recht zustehende ausschließliche Recht geltend zu machen, um eine Vergütung für die Innovation zu erhalten (vgl. Urteil Warner Brothers, Randnr. 13, Urteile des Gerichtshofes vom 20. Oktober 1993 in den Rechtssachen C-92/92 und C-326/92, Phil Collins u. a., Slg. 1993, I-5145, Randnr. 20, vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-200/96, Metronome Musik, Slg. 1998, I-1953, Randnrn. 15 und 24, sowie vom 22. September 1998 in der Rechtssache C-61/97, FDV, Slg. 1998, I-5171, Randnrn. 13 bis 18).

144.

Im vorliegenden Verfahren, in dem auf den ersten Blick ein klares öffentliches Interesse besteht, das dem Bestreben der Antragstellerin zugrunde liegt, den spezifischen Gegenstand ihres Urheberrechts an der Struktur 1 860 Bausteine durchzusetzen und zu nutzen, würde es der Ausnahmecharakter der Befugnis zum Erlass einstweiliger Maßnahmen normalerweise verlangen, dass das Verhalten, dessen Abstellung oder Änderung durch solche Maßnahmen bezweckt wird, eindeutig in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln des Vertrages fällt. Die Qualifizierung der im vorliegenden Verfahren streitigen Verweigerung einer Lizenz als missbräuchlich hängt jedoch dem ersten Anschein nach davon ab, ob die Auslegung der Rechtsprechung über den Anwendungsbereich der "außergewöhnlichen Umstände" durch die Kommission richtig ist. Diese Rechtsprechung erläutert die ganz besonderen Situationen, in denen der mit Artikel 82 EG verfolgte Zweck gegenüber demjenigen, der der Gewährung von Rechten des geistigen Eigentums zugrunde liegt, Vorrang haben kann. Im vorliegenden Kontext, in dem die Missbräuchlichkeit des Verhaltens der Antragstellerin im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung nicht offenkundig ist und in dem die konkrete Gefahr besteht, dass ihr ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstehen würde, wenn sie in der Zwischenzeit gezwungen wäre, ihren Wettbewerbern Lizenzen zu erteilen, spricht die Interessenabwägung für einen unverminderten Schutz ihres Urheberrechts bis zum Erlass des Endurteils.

145.

Dies gilt insbesondere im vorliegenden Verfahren, in dem klar ist, dass sich das von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachte öffentliche Interesse im Kern vorrangig auf die Interessen der Wettbewerber der Antragstellerin bezieht. NDC und NDC Health behaupten, dass den Verbrauchern der Vorteil dieses Wettbewerbs zugute käme. Die Antragstellerin hebt jedoch hervor, ohne dass ihr in diesem Punkt widersprochen worden wäre, dass, da die Kosten des Erwerbs von Absatzdaten für Pharmaunternehmen einen kleinen Anteil ihrer gesamten Vertriebs- und Absatzaufwendungen bildeten, es keine (oder zumindest keine spürbare) Auswirkung auf die Endverbraucher von Arzneimitteln hätte, wenn ihr ausschließliches Recht bis zum Erlass des Endurteils aufrechterhalten würde. Es ist daher, zumindest dem ersten Eindruck nach, nicht auszuschließen, dass die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgenommene Interessenabwägung, die die Interessen von NDC und AzyX mit den Interessen des Wettbewerbs gleichzusetzen scheint (siehe oben, Randnr. 140), den Hauptzweck des Artikels 82 EG verkennt, der darin besteht, Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern und insbesondere die Interessen der Verbraucher zu wahren, und nicht, die Situation einzelner Wettbewerber zu schützen (Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs in der Rechtssache Bronner, Nr. 58).

146.

Auch wenn für AzyX die größere Gefahr eines dauerhaften oder zumindest langfristigen Ausschlusses vom relevanten Markt, wie in der angefochtenen Entscheidung eingeräumt wird, droht, spricht die Interessenabwägung imvorliegenden Verfahren doch nicht für den sofortigen Vollzug dieser Entscheidung. Aus den dem Richter der einstweiligen Anordnung vorgelegten Angaben über die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. September 2001 und aus der Begründung des Urteils geht hervor, dass es AzyX nicht länger gerichtlich untersagt ist, am Wettbewerb auf dem relevanten Markt unter Verwendung von Bausteinstrukturen teilzunehmen, die das Urheberrecht der Antragstellerin an der Struktur 1 860 Bausteine verletzen können. Sollte sich AzyX dazu entschließen, solche Strukturen weiterhin zu verwenden, so würde sie Gefahr laufen, wenn die Gültigkeit des Urheberrechts von IMS Health an dieser Struktur später endgültig bestätigt würde, IMS Health wegen Verletzung dieses Urheberrechts Schadensersatz leisten zu müssen. Das öffentliche Interesse daran, dass IMS Health bis zum Erlass des Endurteils auf dem relevanten Markt einem Wettbewerb ausgesetzt ist, kann jedoch nicht in dem Maße gegenüber dem Interesse, ihr Urheberrecht schützen zu müssen, überwiegen, dass AzyX auf der Grundlage einer vorläufigen Anwendung von Artikel 82 EG eine Lizenz erteilt werden sollte, um sie gegen das Risiko eines nachteiligen Urteils zu schützen, das gegen sie in dem Verfahren wegen Urheberrechtsverletzung zwischen ihr und IMS Health in Deutschland ergehen könnte, das - wie IMS dem Richter der einstweiligen Anordnung mitgeteilt hat - am 21. November 2001 vor dem Landgericht Frankfurt am Main erneut zur Verhandlung ansteht.

147.

Was die Bedenken der Kommission angeht, dass NDC Health wahrscheinlich nicht in der Lage sein würde, bis zum Erlass des Endurteils auf dem relevanten Markt weiterhin tätig zu sein, so erscheint diese Gefahr mit Rücksicht auf die Wirtschaftskraft der Unternehmensgruppe NDC nicht wesentlich größer als die von der Kommission in Abrede gestellte Gefahr, dass der finanzielle Verlust, der der Antragstellerin bei Vollzug der angefochtenen Entscheidung drohen würde, den Fortbestand von IMS Health auf diesem Markt gefährden könnte (siehe oben, Randnr. 121).

148.

Soweit die Bezugnahme der Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen auf "andere Interessen", die durch die angefochtene Entscheidung geschützt würden, als eine Erläuterung und nicht als eine Erweiterung der Interessen anzusehen wäre, die von der Kommission in dieser Entscheidung geltend gemacht werden, würde sie keine andere Beurteilung der Interessenabwägung im vorliegenden Fall rechtfertigen. Der bloße Umstand, dass einige Pharmaunternehmen mit dem Preis und dem Standard der von IMS Health angebotenen Dienstleistungen unzufrieden sein mögen, würde daher nicht bedeuten, dass deren Interessen durch eine vorläufige Aussetzung der angefochtenen Entscheidung eine schwere und nicht wieder gutzumachende Beeinträchtigung erfahren.

149.

Die Interessenabwägung spricht daher für eine Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung bis zum Erlass des Endurteils.

150.

Nach alledem sind die in Artikel 242 EG und Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung vorgeschriebenen Voraussetzungen für die von der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren beantragte vorläufige Aussetzung erfüllt.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Vollzug der Entscheidung der Kommission vom 3. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 82 EG-Vertrag (Sache COMP D3/38.044 - NDC Health/IMS HEALTH: Einstweilige Anordnung) wird bis zum Erlass des Endurteils ausgesetzt.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 26. Oktober 2001

Ende der Entscheidung

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