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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: T-185/08
Rechtsgebiete: Richtlinie 89/665/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 89/665/EWG Art. 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Zweite Kammer)

vom 25. Juni 2008

"Untätigkeitsklage - Nichteinleitung des Korrekturmechanismus nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 89/665/EWG durch die Kommission - Natürliche und juristische Personen - Handlungen, die sie unmittelbar betreffen - Offensichtliche Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-185/08

VDH Projektentwicklung GmbH mit Sitz in Erkelenz (Deutschland),

Edeka Handelsgesellschaft Rhein-Ruhr mbH mit Sitz in Moers (Deutschland),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt C. Antweiler,

Klägerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften,

Beklagte,

wegen Feststellung der Untätigkeit der Kommission, weil sie es unterlassen hat, wegen des Abschlusses einer öffentlichen Baukonzession zwischen der Stadt Stolberg und der Kaufland Stiftung & Co. und wegen der Vergabe eines Generalunternehmervertrags durch die Kaufland Stiftung und Co. umgehend den Korrekturmechanismus nach Art. 3 der Richtlinie 89/665/EWG einzuleiten und an die Bundesrepublik Deutschland eine Mitteilung nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 89/665/89 zu richten,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová (Berichterstatterin) sowie der Richterin K. Jürimäe und des Richters S. Soldevila Fragoso,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt, Verfahren und Anträge

1 Die Klägerin VDH Projektentwicklung GmbH (im Folgenden: VDH) ist ein Projektentwicklungs- und Bauunternehmen. Sie plant, baut und entwickelt großflächige Verbrauchermärkte, unter anderem für die Klägerin Edeka Handelsgesellschaft Rhein-Ruhr (im Folgenden: Edeka), ein Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels.

2 Ende 2002 interessierten sich die Klägerinnen für den Erwerb mehrerer im Eigentum der Stadt Stolberg stehender Grundstücke, um dort einen Verbrauchermarkt zu errichten. Auch die Kaufland Stiftung & Co. KG (im Folgenden: Kaufland) hatte Interesse an dem Erwerb der Grundstücke und der Errichtung eines Verbrauchermarkts. Die Verhandlungen gerieten am 17. Februar 2003 ins Stocken, nachdem die Eigentümer einiger anderer Grundstücke nicht bereit waren, diese zur Verfügung zu stellen.

3 Nachdem die Klägerinnen seit dem 17. Februar 2003 keinen Kontakt mehr mit der Stadt Stolberg gehabt hatten, begannen Anfang Februar 2008 auf den in Rede stehenden Grundstücken die Bauarbeiten für die Errichtung eines Verbrauchermarkts durch die Kaufland. Grundlage der Bauarbeiten waren offenbar zum einen ein notarieller Vertrag mit Bauverpflichtungen vom 31. Juli 2003 in der Fassung des Änderungsvertrags vom 14. Februar 2007 sowie zum anderen ein städtebaulicher Vertrag vom 11. Februar 2007.

4 Mit Schreiben vom 14. März 2008 stellten die Klägerinnen bei der Kommission einen Antrag auf Einleitung des Korrekturmechanismus nach Art. 3 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in geänderter Fassung. Darin machen sie geltend, die Stadt Stolberg, Kaufland und die Generalunternehmerin für das Bauprojekt hätten das Gemeinschaftsrecht nicht beachtet, indem zum einen die Stadt Stolberg einen öffentlichen Bauauftrag in der Form einer Baukonzession zur Errichtung eines Kaufland-Verbrauchermarkts im Wege der De-facto-Vergabe an Kaufland und zum anderen Kaufland einen öffentlichen Bauauftrag im Wege der De-facto-Vergabe an die Generalunternehmerin vergeben habe.

5 Mit am 16. Mai 2008 eingegangener Klageschrift haben die Klägerinnen die vorliegende Klage erhoben.

6 Die Klägerinnen beantragen, festzustellen, dass das Unterlassen der Kommission,

1. wegen des Abschlusses einer öffentlichen Baukonzession zwischen der Stadt Stolberg und Kaufland durch den Vertrag vom 31. Juli 2003 sowie durch den Städtebaulichen Vertrag vom 11. Januar 2007 umgehend den Korrekturmechanismus nach Art. 3 der Richtlinie 89/665/EWG einzuleiten;

2. der Bundesrepublik Deutschland umgehend gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 89/665/EWG mitzuteilen, dass die Kommission beim Abschluss einer öffentlichen Baukonzession zwischen der Stadt Stolberg und Kaufland durch den Vertrag vom 31. Juli 2003 sowie beim Abschluss des Städtebaulichen Vertrages vom 11. Januar 2007 einen klaren und eindeutigen Verstoß gegen die Gemeinschaftsvorschriften für das öffentliche Auftragswesen als gegeben ansieht, und die Bundesrepublik Deutschland zur Beseitigung dieses Verstoßes durch geeignete Maßnahmen aufzufordern;

3. wegen der Vergabe des Generalunternehmervertrags zur Errichtung eines Verbrauchermarkts in Stolberg durch Kaufland an die Generalunternehmerin umgehend den Korrekturmechanismus nach Art. 3 der Richtlinie 89/665/EWG einzuleiten;

4. der Bundesrepublik Deutschland umgehend gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 89/665/EWG mitzuteilen, dass die Kommission einen klaren und eindeutigen Verstoß gegen die Gemeinschaftsvorschriften für das öffentliche Auftragswesen als gegeben ansieht und die Bundesrepublik Deutschland zur Beseitigung dieses Verstoßes durch geeignete Maßnahmen aufzufordern,

vertragswidrig ist.

Entscheidungsgründe

7 Ist das Gericht für eine Klage offensichtlich unzuständig oder ist eine Klage offensichtlich unzulässig oder fehlt ihr offensichtlich jede rechtliche Grundlage, so kann das Gericht nach Art. 111 seiner Verfahrensordnung ohne Fortsetzung des Verfahrens durch Beschluss entscheiden, der mit Gründen zu versehen ist.

8 Im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und beschließt gemäß diesem Artikel, ohne Fortsetzung des Verfahrens zu entscheiden.

9 Was die Zulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Untätigkeit der Kommission betrifft, sind die Artikel 230 EG und 232 EG Ausdruck ein und desselben Rechtsbehelfs. Da Art. 230 Abs. 4 EG es dem Einzelnen erlaubt, Nichtigkeitsklage gegen einen Rechtsakt zu erheben, der zwar nicht an ihn gerichtet ist, ihn aber unmittelbar und individuell betrifft, ist deshalb auch Art. 232 Abs. 3 EG dahin auszulegen, dass der Einzelne Untätigkeitsklage gegen ein Organ erheben kann, das es unterlassen hat, einen Rechtsakt zu erlassen, der ihn in dieser Weise betroffen hätte (Urteile des Gerichtshofes vom 26. November 1996 in der Rechtssache C-68/95, T. Port, Slg. 1996, I-6065, Randnr. 59, und des Gerichts vom 10. Mai 2006 in der Rechtssache T-395/04, Air One/Kommission, Slg. 2006, II-1343, Randnr. 25).

10 Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob der Rechtsakt, hinsichtlich dessen die Klägerinnen die Untätigkeit der Kommission rügen, sie unmittelbar und individuell betroffen hätte. In Anbetracht der Umstände des Falles ist zunächst das Kriterium der unmittelbaren Betroffenheit zu prüfen.

11 Nach ständiger Rechtsprechung ist ein privater Kläger nur dann im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG unmittelbar betroffen, wenn sich die angefochtene Handlung der Gemeinschaft auf seine Rechtsstellung unmittelbar auswirkt und ihre Durchführung rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Gemeinschaftsregelung ergibt, ohne dass dabei weitere Vorschriften angewandt werden (in diesem Sinn Urteile des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-386/96 P, Dreyfus/Kommission, Slg. 1998, I-2309, Randnr. 43, und des Gerichts vom 13. Dezember 2000 in der Rechtssache T-69/99, Slg. 2000, II-4039, Randnr. 24).

12 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus Art. 3 der Richtlinie 89/665/EWG, dass das dort vorgesehene Verfahren ein rein bilaterales Verfahren zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat ist. Die in Art. 3 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehene Mitteilung der Kommission, deren Unterbleiben die Klägerinnen in ihren Anträgen zu 2. und zu 4. rügen, hat keinerlei Auswirkungen auf deren rechtliche Lage, sondern begründet gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift lediglich die Pflicht des betreffenden Mitgliedstaats, der Kommission innerhalb von 21 Kalendertagen bestimmte Mitteilungen zu machen.

13 Die in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 89/665/EWG vorgesehene Mitteilung begründet außerdem auch keine Pflicht zu einer rein automatischen Durchführung durch den betreffenden Mitgliedstaat, sondern lässt diesem ein Auswahlermessen in Bezug auf das weitere Vorgehen. Wie nämlich aus Abs. 3 dieser Vorschrift hervorgeht, hat der Mitgliedstaat, an den die Kommission eine Mitteilung nach Abs. 2 gerichtet, hat, drei Möglichkeiten: Entweder er bestätigt, dass der Verstoß beseitigt wurde, oder er begründet, warum der Verstoß nicht beseitigt wurde, oder er teilt mit, dass das betreffende Vergabeverfahren ausgesetzt wurde. Insbesondere ergibt sich aus Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Abs. 4, dass der betreffende Mitgliedstaat keine weiteren Maßnahmen treffen muss, wenn der behauptete Verstoß bereits Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens nach Art. 2 Abs. 9 ist. Genau dies ist jedoch hier der Fall, wie die Klägerinnen selbst in Nr. 22 der Klageschrift angeben.

14 Was die von den Klägerinnen mit ihren Anträgen zu 1. und zu 3. begehrte einfache "Einleitung" des Korrekturmechanismus nach Art. 3 der Richtlinie 89/665/EWG betrifft, so sind sie hiervon erst recht nicht unmittelbar betroffen, da diese Einleitung für sich noch keinerlei rechtliche Auswirkungen hat. Solche Auswirkungen treten vielmehr erst als Folge einer konkreten Mitteilung nach Abs. 2 dieser Bestimmung ein.

15 Die Klägerinnen tragen vor, sie seien durch die beantragte Einleitung des Korrekturmechanismus unmittelbar und individuell betroffen, da sie nach wie vor ein großes Interesse daran hätten, die Grundstücke von der Stadt Stolberg zu erwerben und dort einen Supermarkt zu errichten, was sie der Stadt Stolberg auch wiederholt mitgeteilt hätten. Damit lägen besondere Umstände vor, die sie aus dem Kreis aller anderen Personen hervorhöben. Nach Ausschöpfung ihrer Möglichkeiten in den Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln könnten sie einen Baustopp und die Untersagung der Fortführung der beanstandeten Verträge nur noch durch ein Einschreiten der Kommission erreichen. Daher seien sie durch das beantragte Einschreiten besonders betroffen.

16 Diese Argumente sind jedoch nicht geeignet, das Vorliegen einer unmittelbaren Betroffenheit der Klägerinnen durch eine Mitteilung der Kommission nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 89/665/EWG zu belegen.

17 Die Klägerinnen machen nämlich zwar formal geltend, unmittelbar und individuell betroffen zu sein. Allerdings beziehen sich ihre Argumente ihrem Gehalt nach lediglich auf das Kriterium der individuellen Betroffenheit und nicht auf das der unmittelbaren Betroffenheit, wie sich auch aus der von ihnen verwendeten Formulierung ergibt, dass "damit" besondere Umstände vorlägen, die sie aus dem Kreis aller anderen Personen hervorhöben.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Nach Art. 87 Abs. 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

19 Im vorliegenden Fall ist jedoch der Beschluss gemäß Art. 111 der Verfahrensordnung ergangen, bevor die Kommission einen Kostenantrag stellen konnte. Daher ist Art. 87 Abs. 3 der Verfahrensordnung anzuwenden, wonach das Gericht die Kosten teilen kann, wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist.

20 Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 25. Juni 2008



Ende der Entscheidung

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