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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 19.05.1994
Aktenzeichen: T-2/93
Rechtsgebiete: EG, Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen


Vorschriften:

EG Art. 173 Abs. 4
EG Art. 190
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Art. 1
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Art. 2
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Art. 3
Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen Art. 8
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten.

Dies trifft im Hinblick auf eine Entscheidung der Kommission, mit der die Vereinbarkeit eines Unternehmenszusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, bei einem Unternehmen zu,

° das auf die Mitteilung nach Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 hin Erklärungen abgegeben hat, in deren Beantwortung ihm versichert worden ist, daß sie voll berücksichtigt würden,

° dessen besondere Situation von der Kommission bei der Beurteilung der Wettbewerbssituation, die sich infolge des Zusammenschlusses ergeben würde, berücksichtigt worden ist und

° das zuvor durch eine Vereinbarung zwischen ihm, dem zuständigen Mitgliedstaat und der Kommission verpflichtet worden ist, seine Beteiligung an einem der an dem Zusammenschluß beteiligten Unternehmen aufzugeben.

2. Die Art der künftigen Kontrolle eines Unternehmens über ein anderes nach Durchführung eines bei der Kommission zur Prüfung angemeldeten Zusammenschlusses, d. h. der Ausübung dieser Kontrolle allein oder aber gemeinsam mit anderen, ist für die Beurteilung, die die Kommission nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 4064/89 vorzunehmen hat, nicht unerheblich.

Unter Berücksichtigung der Gesichtspunkte, die nach Artikel 3 Absatz 3 der genannten Verordnung zur Charakterisierung der Kontrolle herangezogen werden können, hat die Kommission zu Recht zu der Ansicht gelangen können, daß ein Unternehmen, trotz seines beträchtlichen Einflusses, ein anderes Unternehmen, das es zusammen mit einem dritten Unternehmen besitzt, nur gemeinsam mit diesem kontrolliert, wenn die Beteiligung am Kapital des kontrollierten Unternehmens so verteilt und die durch dessen Satzung vorgenommene Übertragung der Befugnisse so ausgestaltet ist, daß wichtige Beschlüsse nur mit Zustimmung des dritten Unternehmens gefasst werden können.

3. Der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Unternehmenszusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt durch die Kommission dürfen nur tatsächliche und rechtliche Umstände zugrunde gelegt werden, die im Zeitpunkt der Anmeldung dieser Handlung gegeben sind, nicht aber hypothetische Gesichtspunkte, deren wirtschaftliche Bedeutung zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nicht abgeschätzt werden kann, wie z. B. die vollständige Übernahme der Kontrolle durch Ausübung einer Kaufoption auf die dem betreffenden Unternehmen noch nicht gehörenden Aktien.

4. Die Kommission hat zur Beurteilung der Frage, ob ein Unternehmenszusammenschluß eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, zunächst den relevanten Markt zu umschreiben. Sie hat dadurch, daß sie im Fall eines Zusammenschlusses zwischen Unternehmen des Luftverkehrssektors je zwei Städte als den relevanten Markt angesehen hat, die den Abflugs- und den Ankunftsort auf den Strecken darstellen, die sie als unmittelbar durch den fraglichen Zusammenschluß betroffen ansah, im vorliegenden Fall diesen Markt sowohl in bezug auf das betroffene Erzeugnis als auch in räumlicher Hinsicht zutreffend umschrieben. Diese Umschreibung beruht nämlich auf der Feststellung, daß es keine Substituierbarkeit zwischen den beiden fraglichen Strecken und anderen Strecken und nur eine sehr geringe Substituierbarkeit der beiden Strecken untereinander gebe.

5. Aus Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 4064/89 geht hervor, daß die Kommission einen Zusammenschluß für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären hat, sobald der betreffende Zusammenschluß keine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt und der Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht durch die Begründung oder die Verstärkung einer solchen Stellung erheblich behindert wird. Liegt keine Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung vor, so ist der Zusammenschluß somit zu genehmigen, ohne daß geprüft zu werden braucht, wie er sich auf den wirksamen Wettbewerb auswirkt.

Hat der Kläger nicht geltend gemacht, daß die Kommission mit der Feststellung, daß der fragliche Zusammenschluß keine beherrschende Stellung auf den von der Kommission als relevant angesehenen Märkten oder auf dem Markt, wie er seiner Ansicht nach hätte umschrieben werden müssen, begründe oder verstärke, einen Beurteilungsfehler begangen habe, so kann er die Rechtmässigkeit der Entscheidung der Kommission, mit der der Zusammenschluß für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird, nicht bestreiten. Dem steht nicht entgegen, daß der fragliche Zusammenschluß den daran beteiligten Unternehmen in Zukunft die Entfaltung ihrer Wirtschaftstätigkeit erleichtern könnte.

6. Nach Artikel 190 EG-Vertrag hat die Kommission zwar ihre Entscheidungen mit Gründen zu versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Maßnahmen abhängt, sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben; sie braucht jedoch in einer Entscheidung zur Durchführung der Vorschriften über Unternehmenszusammenschlüsse nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die von den einzelnen Beteiligten vorgebracht worden sind.

7. Eine der Folgen der Hierarchie der Rechtsakte der Gemeinschaft besteht darin, daß ein Rechtsakt von allgemeiner Geltung nicht stillschweigend durch eine Einzelfallentscheidung geändert werden kann. Somit kann ein Gemeinschaftsorgan nicht kraft des Grundsatzes des Vertrauensschutzes gezwungen sein, eine gemeinschaftsrechtliche Regelung contra legem anzuwenden.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (ERSTE KAMMER) VOM 19. MAI 1994. - SOCIETE ANONYME A PARTICIPATION OUVRIERE COMPAGNIE NATIONALE AIR FRANCE GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLUESSE - ZULAESSIGKEIT - VON EINEM UNTERNEHMEN ALLEIN ODER ZUSAMMEN MIT ANDEREN AUSGEUEBTE KONTROLLE - UMSCHREIBUNG DES MARKTES - BEHERRSCHENDE STELLUNG - VERTRAUENSSCHUTZ. - RECHTSSACHE T-2/93.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Mit Klageschrift, die am 5. Januar 1993 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Société anonyme à participation ouvrière Compagnie nationale Air France (im folgenden: Klägerin oder Air France) gemäß Artikel 173 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 27. November 1992 (IV/M.259 - British Airways/TAT; im folgenden: Entscheidung) betreffend ein Verfahren der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (berichtigte Fassung veröffentlicht im ABl. 1990, L 257, S. 13).

2 Aus den Akten geht hervor, daß der fragliche Zusammenschluß am 23. Oktober 1992 gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 4064/89 bei der Kommission angemeldet wurde. Am 31. Oktober 1992 veröffentlichte die Kommission die in Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehene Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. C 283, S. 10). In Nr. 4 dieser Mitteilung heisst es, daß "[a]lle interessierten Unternehmen oder Personen... bei der Kommission zu diesem Vorhaben Stellung nehmen [können]".

3 Auf diese Veröffentlichung hin legte die Klägerin mit Schreiben vom 9. November 1992 ihre Stellungnahme vor. Darin wandte sie sich u. a. gegen die von der Kommission vorgenommene Umschreibung des relevanten Marktes. Sie vertrat die Ansicht, diese Umschreibung trage nicht der Wettbewerbssituation auf dem gesamten gemeinschaftlichen Markt für Lufttransporte Rechnung, insbesondere nicht der Verstärkung der Position eines der am fraglichen Zusammenschluß beteiligten Unternehmen, der British Airways plc, auf dem innergemeinschaftlichen internationalen Netz.

4 Der Schriftwechsel zwischen der Klägerin und der Kommission wurde mit Schreiben vom 10., 17., 19. und 23. November sowie vom 2. und vom 21. Dezember 1992 fortgesetzt.

Die angefochtene Entscheidung

5 In der Entscheidung stellt die Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89 fest, daß der fragliche Zusammenschluß keine ernsthaften Zweifel in bezug auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt aufwerfe.

6 Aus der Entscheidung geht hervor, daß der fragliche Zusammenschluß den Erwerb von 49,9 % des Kapitals der Gesellschaft TAT European Airlines (im folgenden: TAT EA) durch British Airways betrifft, wobei die restlichen 50,1 % des Kapitals weiterhin von der TAT SA (im folgenden: TAT) gehalten werden.

7 Der Vertrag über den Erwerb sieht ausserdem eine Kaufoption von British Airways für die genannten 50,1 % vor, die bis zum 1. April 1997 jederzeit ausgeuebt werden kann. TAT wird darin das Recht eingeräumt, von British Airways den Kauf dieser restlichen 50,1 % des Kapitals zum 1. April 1997 zu verlangen. Laut Nr. 5 der Entscheidung ging die Kommission davon aus, daß diese zweite mögliche Transaktion bei der Beurteilung des angemeldeten Zusammenschlusses nicht zu berücksichtigen sei, da nicht feststehe, ob die genannten Optionen ausgeuebt würden.

8 Aus der Entscheidung (Nrn. 6 und 7) geht ausserdem hervor, daß zwischen British Airways und TAT eine Aktionärsvereinbarung geschlossen wurde, die folgendes vorsieht:

a) Der Verwaltungsrat (board) von TAT EA setzt sich aus neun Mitgliedern zusammen, von denen fünf von TAT und vier von British Airways ernannt werden.

b) Der Präsident und der Generaldirektor von TAT EA, die bei TAT die gleichen Positionen innehatten, werden mit Zustimmung von British Airways für einen Zeitraum von zunächst zwei Jahren in ihren Ämtern bestätigt.

c) Der Verwaltungsrat von TAT EA kann wichtige Beschlüsse nur fassen, wenn wenigstens eines der von TAT und eines der von British Airways ernannten Mitglieder der Beschlußvorlage zustimmen. (Zu den betreffenden Beschlüssen gehören u. a. jede Änderung des "Busineß Plan" für den Zeitraum 1993 bis 1996, der von TAT und British Airways gleichzeitig mit dem Erwerbsvertrag ausgearbeitet und genehmigt wurde.)

d) Der mit den geschäftlichen Angelegenheiten betraute stellvertretende Generaldirektor wird von British Airways ernannt.

9 Im "Busineß Plan" ist u. a. folgendes festgelegt:

1) die von TAT EA bedienten Strecken sowie die Flugzeuge und die Flugpläne hierfür,

2) der Flottenplan,

3) die Projektionen für die Anzahl der zu befördernden Fluggäste sowie die angestrebte Rendite und

4) die Strategie auf den internationalen Strecken.

10 Aufgrund von alledem stellte die Kommission fest, daß TAT EA von British Airways und TAT "zusammen kontrolliert werden wird" (Nr. 9).

11 In den Nrn. 10 bis 13 der Entscheidung, die die Frage betreffen, ob ein Zusammenschluß im Sinne von Artikel 3 der Verordnung Nr. 4064/89 vorliegt, stellte die Kommission zunächst fest, die vorgesehene Lebensdauer des gemeinsamen Tochterunternehmens - etwa sechseinhalb Jahre, da vorgesehen sei, daß der Vertrag über das Gemeinschaftsunternehmen bei Nichtausübung der Optionen am 1. April 1999 auslaufe - sei lange genug, um eine nachhaltige Veränderung der Strukturen der betroffenen Unternehmen hervorzurufen.

12 Sie führt sodann aus, infolge der Veräusserung eines Teils des Kapitals gebe TAT seine Tätigkeit in dem durch die Veräusserung erfassten Bereich auf und könne daher nicht mehr als tatsächlicher oder potentieller Konkurrent von TAT EA oder von British Airways angesehen werden. Zu den Wettbewerbsbeziehungen zwischen British Airways und TAT EA stellt die Kommission fest, British Airways werde einen beträchtlichen und zunehmenden Einfluß darauf ausüben, wie das Gemeinschaftsunternehmen geführt werde, und werde eine herausragende Rolle bei seiner Leitung spielen.

13 Auf der Grundlage dieser Erwägungen stellt die Kommission fest, daß die Erlangung der gemeinsamen Kontrolle über TAT durch British Airways nicht im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 eine Koordinierung des Wettbewerbsverhaltens voneinander unabhängig bleibender Unternehmen bezwecke oder bewirke und daß die fragliche Handlung somit einen Zusammenschluß im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 darstelle.

14 In Nr. 14 der Entscheidung stellt sie weiter fest, daß der Zusammenschluß gemeinschaftsweite Bedeutung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 habe, und prüft sodann in den Nrn. 15 bis 26 seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt.

15 Die Kommission stellt fest, daß British Airways vor dem fraglichen Zusammenschluß in keiner Weise auf den innerfranzösischen Linien präsent gewesen sei, während TAT EA dort 1991 einen Anteil von 3,8 % am gesamten Linienverkehr, ausgedrückt in der Gesamtzahl beförderter Fluggäste, gehabt habe und auf die Klägerin (direkt oder über Air Inter) 84,9 % der Anzahl von Fluggästen entfallen seien. Demnach führe der fragliche Zusammenschluß zu keiner Überschneidung mit den inländischen Linien von TAT EA und bewirke, daß British Airways ein begrenzter Zugang zum innerfranzösischen Netz und bestimmte Möglichkeiten, seine Geschäftstätigkeit von Frankreich aus zu unterstützen, gewährt würden.

16 Zu den internationalen Strecken von TAT EA und British Airways führt die Kommission sodann aus, daß es lediglich auf den Strecken Paris-London und Lyon-London eine Überschneidung der Dienstleistungen von TAT EA und British Airways gebe.

17 Ausgehend von diesen beiden internationalen Strecken nimmt die Kommission die Umschreibung des relevanten Marktes vor. Nach der Entscheidung (Nr. 19) ist dabei von einer Strecke auszugehen oder von einem Bündel von Strecken, wenn die dieses Bündel bildenden Strecken untereinander substituierbar sind. Andere Faktoren, die sich - wiederum laut der Entscheidung - als wichtig erweisen könnten, seien zum einen die Strukturbedingungen auf den Flughäfen und deren Kapazität und zum anderen die Auswirkungen eines weitverzweigten oder stark beflogenen Netzes in einem bestimmten Gebiet.

18 Zur Substituierbarkeit der fraglichen Strecken untereinander vertritt die Kommission die Ansicht, jedes "Städtepaar", d. h. Paris und London sowie Lyon und London, könne als ein Markt angesehen werden. Jedoch sei im Rahmen des zu prüfenden Zusammenschlusses die Frage der Substituierbarkeit der Flughäfen von beträchtlicher Bedeutung. Die Kommission prüft insoweit bezueglich der Strecke London-Paris die Wettbewerbssituation auf den verschiedenen in Betracht kommenden Flughäfen. Sie stellt fest, daß sich zwar alle Gesellschaften in Paris des Flughafens Charles-de-Gaulle bedienten, daß aber in London verschiedene Flughäfen benutzt würden. British Airways bediene die Strecke Paris-London vorwiegend vom Flughafen Heathrow aus, benutze aber für diese Strecke unter Einschaltung von Dan Air auch den Flughafen Gatwick. TAT EA bediene diese Strecke nur von Gatwick aus. Die Hauptkonkurrenten von TAT EA und British Airways hätten von Gatwick aus keine nach Paris führende Strecke.

19 Aufgrund dieser Prüfung stellt die Kommission fest, der fragliche Zusammenschluß bewirke keine Veränderungen der Marktanteile von British Airways und TAT EA bezueglich der Strecke Heathrow-Paris, verschaffe aber auf der Strecke Gatwick-Paris den Parteien des fraglichen Zusammenschlusses einen Marktanteil von 98,6 %, davon Dan Air (British Airways) 81,6 % und TAT EA 17 %.

20 Insgesamt gesehen, d. h. hinsichtlich des gesamten Flugverkehrs zwischen London und Paris, führe der Zusammenschluß zu einem Marktanteil von 52,2 % für die Gruppe British Airways-TAT EA, nämlich von 49,5 % für British Airways und von 2,7 % für TAT EA, deren Konkurrenten die Klägerin mit 32,9 %, British Midland mit 9,4 %, Air UK mit 3,7 %, Air Brymon mit 1,1 % und sonstige Unternehmen mit 0,6 % Marktanteil seien.

21 Zur Strecke London-Lyon stellt die Kommission fest, British Airways und Air France flögen nur von Heathrow aus, während TAT EA diese Strecke nur von Gatwick aus bediene. Auf keiner dieser beiden Strecken gebe es andere Konkurrenten. Während der fragliche Zusammenschluß auf der Strecke Heathrow-Lyon keine Auswirkungen habe, verschaffe er der Gruppe British Airways-TAT EA einen Anteil von 100 % am Markt von Gatwick aus. Insgesamt bedeutet dies, daß die Gruppe einen Marktanteil von 58,6 % (British Airways 45,3 % und TAT 13,3 %) habe, während auf die Klägerin die restlichen 41,4 % entfielen.

22 Die Kommission vertritt die Ansicht, es gebe ein gewisses Maß an Substituierbarkeit zwischen den Flughäfen Heathrow und Gatwick, diese Substituierbarkeit komme aber wegen der Überfuellung dieser beiden Flughäfen nicht notwendigerweise zum Tragen.

23 Hieraus schließt die Kommission (Nr. 23), daß die Position, die British Airways durch den Zusammenschluß verschafft werde, geeignet sei, den Wettbewerb auf den betreffenden Strecken zu behindern. Die mangelnde Verfügbarkeit von Slots (Start- und Landezeiten) in Gatwick und Heathrow könne eine Barriere für den Zugang eventuell interessierter Konkurrenten zu den fraglichen Strecken sein. Um dem Rechnung zu tragen, haben sich die Parteien des Zusammenschlusses gegenüber der Kommission verpflichtet, gegebenenfalls in bestimmtem Umfang Slots an Gesellschaften abzutreten, die die betreffenden Strecken befliegen wollen.

24 Aufgrund dieser Erwägungen und der von den Parteien des Zusammenschlusses abgegebenen Verpflichtungserklärungen kommt die Kommission in Abschnitt VII ihrer Entscheidung zu dem Ergebnis, daß der fragliche Zusammenschluß keine ernsthaften Zweifel in bezug auf seine Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt aufwerfe.

Verfahren und Anträge der Beteiligten

25 Mit Beschluß vom 15. Juli 1993 hat das Gericht (Erste Kammer) das Vereinigte Königreich sowie British Airways und TAT als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen.

26 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahmen zu eröffnen.

27 Die Beteiligten sind in der Sitzung vom 23. Februar 1994 mit ihren mündlichen Ausführungen und ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts angehört worden.

28 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung der Kommission vom 27. November 1992 (IV/M.259 - British Airways/TAT) für nichtig zu erklären und

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

29 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen und

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

30 Das Vereinigte Königreich beantragt,

- die Klage abzuweisen und

- der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten des Streithelfers aufzuerlegen.

31 Die Streithelferin TAT beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen,

- hilfsweise, die Klage als tatsächlich und rechtlich unbegründet abzuweisen,

- festzustellen, daß die Klage ohne angemessenen Grund und böswillig im Sinne von Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung erhoben worden ist, und

- der Klägerin sämtliche Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

32 Die Streithelferin British Airways beantragt,

- die Klage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen und

- der Klägerin die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit

Vorbringen der Beteiligten

33 Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, äussert die Kommission "Zweifel an der Zulässigkeit der vorliegenden Klage, da die Klägerin nicht dargetan hat, daß sie durch die Handlung, deren Nichtigerklärung sie beantragt, individuell betroffen ist". Die Kommission führt aus, da die Verordnung Nr. 4064/89 keine Regelung über ein Beschwerdeverfahren enthalte, könnten die Voraussetzungen, die der Gerichtshof in seinem Urteil vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84 (Cofaz u. a./Kommission, Slg. 1986, 391) im Zusammenhang mit Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag aufgestellt habe, sinngemäß als Kriterien für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Klage gegen eine im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 erlassene Vereinbarkeitsentscheidung herangezogen werden.

34 Die Kommission räumt ein, daß die Klägerin auf die in Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgesehene Mitteilung hin zu dem fraglichen Zusammenschluß Stellung genommen hat; dies sei zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Zulässigkeit ihrer Klage.

35 Die Kommission räumt ferner ein, daß die Klägerin der wichtigste Konkurrent von TAT ist. Die Klägerin habe aber nicht, wie es in der oben genannten Entscheidung verlangt werde, dargelegt, inwiefern ihre Position auf dem relevanten Markt durch den fraglichen Zusammenschluß spürbar beeinträchtigt würde. So habe sie z. B. nicht die Märkte umschrieben, auf denen das neue Unternehmen ihr gegenüber von seiner eventuellen beherrschenden Stellung Gebrauch machen könnte.

36 Das Vereinigte Königreich schließt sich der Ansicht der Kommission an, daß es angebracht sei, die im Urteil Cofaz u. a./Kommission (a. a. O.) festgelegten Grundsätze in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden, und ist ebenfalls der Ansicht, daß die Regeln für staatliche Beihilfen in sachdienlicher Analogie zu den Regeln für Unternehmenszusammenschlüsse in der Verordnung Nr. 4064/89 stuenden.

37 Die Streithelferin TAT schließt sich ebenfalls im wesentlichen den Ausführungen der Kommission an. Im einzelnen trägt TAT zum ersten Kriterium für die Zulässigkeit einer Klage, der wirksamen Beteiligung am Verwaltungsverfahren, ergänzend vor, diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht erfuellt. Die Klägerin habe lediglich auf eine Aufforderung zur Stellungnahme geantwortet, die in der Veröffentlichung nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 4064/89 enthalten gewesen sei; eine solche Stellungnahme stelle keinen Antrag auf Einleitung eines eingehenden Verfahrens oder auf Verbot des angemeldeten Zusammenschlusses dar, der von der Kommission abgelehnt worden sei.

38 British Airways trägt vor, die Klägerin habe keine Klagebefugnis im Sinne von Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag, wie er in ständiger Rechtsprechung vom Gerichtshof ausgelegt werde. Die Klägerin habe keine ernsthaften Anstrengungen unternommen, um darzutun, inwiefern ihre wirtschaftlichen oder rechtlichen Belange durch die angefochtene Maßnahme beeinträchtigt würden. Sie habe ihre Klage als blosse Konkurrentin sowohl auf den durch den Zusammenschluß betroffenen Strecken im besonderen als auch in der Gemeinschaft allgemein erhoben.

39 Die Klägerin vertritt erstens die Ansicht, allein durch ihre Beteiligung am Verwaltungsverfahren sei sie bereits in so ausreichendem Maß individualisiert worden, daß ihre Klage für zulässig befunden werden müsse. Zweitens trägt sie vor, da sie in derselben Branche tätig sei wie die durch die Entscheidung begünstigten Unternehmen, werde ihre Wettbewerbsposition durch den fraglichen Zusammenschluß wegen dessen Konzentrationswirkung notwendigerweise spürbar beeinträchtigt. Aufgrund dieser beiden Umstände habe sie ein individuelles Interesse im Sinne von Artikel 173 EWG-Vertrag.

Würdigung durch das Gericht

40 Das Gericht weist vorab darauf hin, daß die Klägerin nicht Adressatin der Entscheidung ist; diese ist an British Airways und an TAT gerichtet. Daher ist die Klage nur zulässig, wenn die Klägerin im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag, in den die Bestimmungen des Artikels 173 Absatz 2 EWG-Vertrag übernommen worden sind, durch die Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen ist.

41 Im vorliegenden Fall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß die Klägerin durch die Entscheidung unmittelbar betroffen ist. Daher ist zu prüfen, ob sie auch individuell durch die Entscheidung betroffen ist.

42 Nach ständiger Rechtsprechung kann, "[w]er nicht Adressat einer Entscheidung ist,... nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten" (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, und Urteil des Gerichts vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache T-83/92, Zunis Holding u. a./Kommission, Slg. 1993, II-1169).

43 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob im Fall der Klägerin besondere Umstände vorliegen, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben.

44 Hierzu ist erstens festzustellen, daß die Klägerin der Kommission auf die Mitteilung nach Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 hin mit Schreiben vom 9., 10., 19. und 23. November 1992 ihre mit Zahlenmaterial und Statistiken untermauerten Einwände gegen den fraglichen Zusammenschluß übermittelt hat und daß die Kommission auf diese Einwände mit Schreiben vom 17. November 1992, das von dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglied unterzeichnet war, geantwortet hat. Die genannten Einwände betrafen zum einen die Umschreibung des Marktes, auf den nach Ansicht der Klägerin bei der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt abzustellen war, und zum anderen die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die Wettbewerbsposition von British Airways gegenüber den anderen Wirtschaftsteilnehmern und insbesondere gegenüber der Klägerin. Die Klägerin hat somit in diesem Schriftverkehr im wesentlichen dieselben Einwände vorgebracht wie in ihren Schriftsätzen vor dem Gericht. Aus dem Antwortschreiben der Kommission vom 17. November 1992 geht hervor, daß das für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied die Dienststellen der Kommission angewiesen hatte, die Stellungnahme der Klägerin sorgfältig zu prüfen, "damit diese Stellungnahme im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt voll berücksichtigt wird".

45 Zweitens ist festzustellen, daß sich schon aus dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung ergibt, daß die Wettbewerbssituation auf den beiden Märkten, die als diejenigen angesehen worden waren, die in der Folge des Zusammenschlusses die betroffenen Märkte sein würden, von der Kommission vor allem unter Berücksichtigung der Situation der Klägerin beurteilt worden ist. So vergleicht die Kommission in Nr. 17 ihrer Entscheidung die Wettbewerbssituation von British Airways, TAT und Air France auf den innergemeinschaftlichen Strecken und kommt zu dem Ergebnis, daß "von den auf diesem Markt tätigen Fluggesellschaften Air France mit einem Anteil von 84,9 % an der Gesamtzahl der... Fluggäste bei weitem die wichtigste ist". In Nr. 20 ihrer Entscheidung, wo die Frage der Substituierbarkeit der Flughäfen untereinander geprüft wird, prüft die Kommission die Situation von British Airways, TAT und Air France sehr eingehend. Gleiches gilt für Nr. 21 der Entscheidung.

46 Drittens geht aus den Akten hervor, daß die Klägerin durch eine Vereinbarung, die am 29. Oktober 1990 zwischen ihr, der französischen Regierung und der Kommission geschlossen worden war, verpflichtet wurde, ihre Beteiligung an TAT spätestens am 30. Juni 1992 ganz aufzugeben, und daß der Zusammenschluß zwischen TAT und British Airways vier Monate später bei der Kommission angemeldet wurde.

47 Das Gericht ist der Ansicht, daß diese drei Umstände ausreichen, um die Klägerin aus dem Kreis aller übrigen Personen herauszuheben, und daß sie sie daher in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten der Entscheidung.

48 Somit ist die Klage zulässig.

Zur Begründetheit

49 Zur Begründung ihrer Anträge hat die Klägerin vier Klagegründe vorgebracht.

a) Mit dem ersten Klagegrund wird gerügt, daß Artikel 3 Absätze 1, 2 und 3 der Verordnung Nr. 4064/89 insofern verletzt worden sei, als die Kommission den wirklichen Charakter des fraglichen Zusammenschlusses verkannt und diesen zu Unrecht als eine Handlung angesehen habe, durch die ein gemeinsames zusammengeschlossenes Unternehmen gegründet werde, statt anzunehmen, daß British Airways in Wirklichkeit die alleinige Kontrolle über TAT EA übernommen habe.

b) Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, daß die Kommission insofern Artikel 1 Absätze 1 und 2, Artikel 2 Absätze 1 und 3 sowie Artikel 8 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 4064/89 verletzt habe, als sie den relevanten Markt weder hinsichtlich der Erzeugnisse noch räumlich zutreffend umschrieben habe.

c) Mit dem dritten Klagegrund wird gerügt, daß die Kommission insofern gegen Artikel 190 EWG-Vertrag verstossen habe, als sie sich in ihrer Umschreibung des relevanten Marktes allein auf die unmittelbar durch den fraglichen Zusammenschluß betroffenen Strecken bezogen habe.

d) Mit dem vierten Klagegrund wird gerügt, daß die Kommission insofern den Grundsatz des Vertrauensschutzes und Artikel 155 EWG-Vertrag verletzt habe, als sie den fraglichen Zusammenschluß für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt habe, obwohl ein solcher Zusammenschluß, wäre er rechtzeitig bekannt gewesen, den Abschluß der Vereinbarung vom 29. Oktober 1990 zwischen der Klägerin, der französischen Regierung und der Kommission unmöglich gemacht hätte.

Zum ersten Klagegrund, mit dem die Verletzung des Artikels 3 Absätze 1, 2 und 3 der Verordnung Nr. 4064/89 gerügt wird

1) Zur Zulässigkeit des Klagegrundes

50 Die Kommission vertritt die Ansicht, der erste Klagegrund sei nicht zulässig, weil die Klägerin nicht mit Blick auf die tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles, wie sie in Nr. 12 der Entscheidung beschrieben seien, dargetan habe, inwiefern ihre Position auf dem relevanten Markt oder den relevanten Märkten spürbar beeinträchtigt und dadurch ihre berechtigten Interessen verletzt würden, wenn British Airways TAT EA nicht zusammen mit anderen, sondern allein kontrollieren würde. Die Annahme, daß British Airways nur zusammen mit TAT die Kontrolle erlangt habe, bedeute im Gegenteil, daß der Zusammenschluß beim Übergang zu einer alleinigen Kontrolle, d. h. wenn die Kaufoption von British Airways ausgeuebt werde, erneut geprüft werde. Es sei nicht ausgeschlossen, daß sie im Rahmen dieser Prüfung unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Luftverkehrs - eines ihrer Ansicht nach mitten in einem Wandel befindlichen Sektors - zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt komme oder es für erforderlich halte, ihre Entscheidung mit neuen Auflagen zu verbinden, um die Vereinbarkeit feststellen zu können. In ihrer Gegenerwiderung stellt die Kommission fest, daß "die Frage, ob ein Unternehmen die alleinige oder aber die gemeinsame Kontrolle über ein anderes Unternehmen erlangt, für die Beurteilung der Auswirkungen eines solchen Vorgangs auf den Wettbewerb nach Artikel 2 der Verordnung nicht ohne Bedeutung ist".

51 Die Klägerin hält dem entgegen, daß der Wettbewerb bei Erlangung der alleinigen Kontrolle in anderer Weise beeinflusst werde als bei Erlangung der gemeinsamen Kontrolle. Im ersten Fall scheide nämlich ein Unternehmen aus dem Markt aus und verstärke die Marktstellung des erwerbenden Unternehmens. Daher beziehe sich die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt durch die Kommission u. a. auf die Frage, ob die erlangte Kontrolle eine alleinige oder eine gemeinsame Kontrolle sei.

52 Das Gericht stellt fest, daß sich aus den Schriftsätzen der Kommission klar ergibt, daß für diese selbst die Frage, ob TAT EA von British Airways allein oder von dieser und TAT gemeinsam kontrolliert wird, "nicht ohne Bedeutung" für die Beurteilung des fraglichen Zusammenschlusses nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 4064/89 ist. Die Kommission trägt nämlich in ihrer Gegenerwiderung vor, daß der Übergang von einer von British Airways gemeinsam mit anderen ausgeuebten Kontrolle zu einer alleinigen Kontrolle über TAT EA angemeldet und von ihren Dienststellen geprüft werden müsste und daß diese Prüfung zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Vereinbarkeit des fraglichen Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt führen könnte.

53 Nach dieser Betrachtungsweise ist somit unbestreitbar, daß die Klägerin ein Interesse daran hat, die von der Kommission vorgenommene Beurteilung der Frage, ob die von British Airways über TAT EA erlangte Kontrolle eine gemeinsame oder eine alleinige Kontrolle ist, dem Gericht zur Überprüfung vorzulegen. Der Klagegrund ist somit zulässig.

2. Zur Stichhaltigkeit des Klagegrundes

54 Der Klagegrund gliedert sich in zwei Teile. Mit dem ersten wird gerügt, daß die Kommission den wirklichen Charakter des fraglichen Zusammenschlusses verkannt habe; mit dem zweiten wird beanstandet, daß die Kommission die British Airways durch die Aktionärsvereinbarung eingeräumte Option falsch beurteilt habe.

a) Zum ersten Teil des Klagegrundes

- Vorbringen der Beteiligten

55 Die Klägerin trägt vor, ob ein Unternehmen allein oder zusammen mit anderen die Kontrolle über ein anderes Unternehmen übernommen habe, sei eine Tatsachenfrage, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Ziele des erwerbenden Unternehmens zu beurteilen sei. Der Umfang der übernommenen Beteiligung, die Abstimmungsverfahren und das Vorliegen eines "Busineß Plan" seien lediglich Gesichtspunkte finanzieller und rechtlicher Art, die für sich genommen nicht die Beantwortung dieser Frage ermöglichten.

56 Die Klägerin meint, aus den Feststellungen in der Entscheidung selbst ergebe sich eindeutig, daß der eigentliche Zweck des fraglichen Zusammenschlusses darin bestehe, sowohl die inländischen als auch die internationalen Tätigkeiten des Unternehmens TAT EA in die Organisation und die Struktur von British Airways zu integrieren. Die Kommission habe es jedoch versäumt, die Hintergründe zu untersuchen. So habe sie nicht den Inhalt des "Busineß Plan" berücksichtigt, obwohl dieser Inhalt so beschaffen sei, daß man nicht umhin könne, festzustellen, daß die wirtschaftliche Einheit in der rechtlichen Form eines Gemeinschaftsunternehmens nur eine Fassade sei, hinter der sich in Wirklichkeit eine Eingliederung verberge, durch die British Airways die alleinige Kontrolle verschafft werde.

57 Die Klägerin leitet hieraus ab, daß die Kommission bei ihrer Entscheidung, daß der fragliche Zusammenschluß zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 und nicht zum Erwerb von TAT EA durch British Airways im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89 verbunden mit der alleinigen Kontrolle durch British Airways geführt habe, nur rechtliche Gesichtspunkte berücksichtigt habe, ohne die logischen Schlüsse wirtschaftlicher Art aus ihren eigenen Feststellungen zu ziehen. Dadurch habe sie gegen Artikel 3 Absätze 1 bis 3 der Verordnung Nr. 4064/89 verstossen.

58 Die Kommission bestreitet, mit ihrer Feststellung, daß British Airways zusammen mit TAT die Kontrolle über TAT EA erlangt habe, gegen Artikel 3 der Verordnung Nr. 4064/89 verstossen zu haben. Sie trägt vor, sie habe insoweit nicht nur die Gesichtspunkte rechtlicher und finanzieller Art, sondern auch und vor allem den Charakter der Entscheidungen berücksichtigt, zu denen stets die Zustimmung beider Gründungsunternehmen erforderlich sei, insbesondere den Inhalt des Busineß Plan des Gemeinschaftsunternehmens. Der Busineß Plan betreffe in der Tat eine Reihe von Fragen wie die von dem gemeinsamen Tochterunternehmen bedienten Strecken, die Flugzeuge, die Flugpläne, die Strategie auf den internationalen Strecken usw., die ihrer Art nach eng mit der Unternehmensstrategie von TAT EA zusammenhingen.

59 Das Vereinigte Königreich vertritt die Ansicht, die Kommission habe zu Recht festgestellt, daß TAT EA von British Airways und TAT gemeinsam kontrolliert werde. Selbst wenn die Argumentation der Kommission zu diesem Punkt nicht zutreffen sollte, werde dadurch jedenfalls der verfügende Teil der Entscheidung, in dem die Vereinbarkeit des angemeldeten Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt werde, nicht hinfällig.

60 Nach Ansicht der Streithelferin TAT ergibt sich aus dem Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens eindeutig, daß keinesfalls angenommen werden kann, daß British Airways das Gemeinschaftsunternehmen TAT EA rechtlich oder tatsächlich allein kontrolliert. TAT kontrolliere alle wichtigen Entscheidungen über die Tätigkeit von TAT EA, solange British Airways seine Kaufoption nicht ausgeuebt habe.

61 Die Streithelferin British Airways trägt vor, es sei offensichtlich, daß sie nicht die alleinige Kontrolle über TAT EA innehabe, da TAT die Aktienmehrheit behalte und die meisten Mitglieder des Verwaltungsrats von TAT EA ernenne und da seine Vertreter die Ämter des Präsidenten und des Generaldirektors von TAT EA einnähmen.

Würdigung durch das Gericht

62 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 "[d]ie Kontrolle im Sinne dieser Verordnung... durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet [wird], die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluß auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben".

63 Angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Umstände des vorliegenden Falles ist das Gericht der Ansicht, daß die Kommission zu Recht festgestellt hat, daß eine gemeinsame, von den beiden Beteiligten British Airways und TAT ausgeuebte Kontrolle über das durch den fraglichen Zusammenschluß gegründete Gemeinschaftsunternehmen vorliege.

64 Wie sich nämlich aus der Entscheidung u. a. ergibt, hält zum einen derzeit TAT weiterhin 50,1 % des Kapitals von TAT EA und kann zum anderen der Verwaltungsrat von TAT EA wichtige Beschlüsse nur fassen, wenn wenigstens ein von TAT ernanntes und ein von British Airways ernanntes Verwaltungsratsmitglied der Beschlußvorlage zustimmen.

65 Angesichts dessen hat die Kommission zu Recht das Vorliegen einer gemeinsamen Kontrolle festgestellt, auch wenn British Airways einen beträchtlichen Einfluß ausübt, der sogar noch zunehmen wird. Der "Busineß Plan", der die wichtigsten Optionen des Gemeinschaftsunternehmens enthält, wurde nämlich von British Airways und TAT gemeinsam aufgestellt und kann nicht ohne Zustimmung von TAT geändert werden, das die Mehrheitsaktionärin von TAT EA ist und in dessen Verwaltungsrat die Stimmenmehrheit innehat sowie die Ämter des Präsidenten und des Generaldirektors besetzt. Im Hinblick darauf ist das Vorliegen einer Vereinbarung zwischen TAT EA und British Airways über die Repräsentation und über ein Code-sharing-System nicht geeignet, die Feststellung zu widerlegen, daß British Airways die Kontrolle über TAT EA zusammen mit TAT ausübt, denn derartige Vereinbarungen verändern in keiner Weise die Verteilung der Zuständigkeiten bei der Führung von TAT EA und lassen somit die Modalitäten der Kontrolle über dieses Unternehmen wie auch dessen rechtliche Ausgestaltung unberührt. Solche Vereinbarungen sind nämlich das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Parteien und können nur mit Zustimmung der Leitung von TAT EA gemäß dessen satzungsmässigen Regeln, wie sie oben untersucht worden sind, geschlossen werden.

66 Der erste Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

b) Zum zweiten Teil des Klagegrundes

- Vorbringen der Beteiligten

67 Die Klägerin trägt vor, der Ablauf der Frist, innerhalb deren British Airways seine Kaufoption auf das restliche Kapital von TAT EA ausüben könne, falle auf den 1. April 1997, d. h. auf den Tag des Inkrafttretens der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zur Gewährleistung der Kabotagefreiheit in den Mitgliedstaaten. Dieses Zusammentreffen sei keineswegs zufällig und beseitige faktisch die Unsicherheit über die Ausübung der Option durch British Airways. Da die Kommission dies nicht berücksichtigt habe, habe sie gegen Artikel 3 der Verordnung verstossen.

68 Die Kommission entgegnet, bei der Prüfung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt dürfe sie sich nicht auf mehr oder weniger hypothetische Gesichtspunkte, wie z. B. die eventuelle künftige Ausübung einer Option, stützen, sondern nur auf tatsächliche und rechtliche Umstände, die im Zeitpunkt der Anmeldung gegeben seien. Das zeitliche Zusammentreffen, auf das die Klägerin hingewiesen habe, könne hieran nichts ändern.

69 Die Streithelferin TAT trägt vor, zum einen könnten die von TAT EA in Frankreich erbrachten Dienstleistungen im Luftverkehr keinesfalls als Kabotage angesehen werden und zum anderen übe British Airways durch den Kauf einer Beteiligung an einem Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sei, lediglich seine Niederlassungsfreiheit aus.

Würdigung durch das Gericht

70 Wie die Beklagte vorträgt, darf diese der Beurteilung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt nur tatsächliche und rechtliche Umstände zugrunde legen, die im Zeitpunkt der Anmeldung dieser Handlung gegeben sind, nicht aber hypothetische Gesichtspunkte, deren wirtschaftliche Bedeutung zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nicht abgeschätzt werden kann.

71 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, daß es sich bei der Ausübung der British Airways eröffneten Option durch dieses Unternehmen insofern um einen hypothetischen Vorgang handelt, als British Airways bis zum Erlaß der Entscheidung unstreitig keinen Gebrauch von dieser Option gemacht hatte und als die Klägerin nicht dargetan hat, daß British Airways zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt dies beabsichtigte.

72 Unter diesen Umständen hat die Kommission bei der Beurteilung des Zusammenschlusses, mit dem sie befasst war, zu Recht nicht diese potentielle Transaktion berücksichtigt. Der zweite Teil des Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund, mit dem die Verletzung der Artikel 1, 2 und 8 der Verordnung Nr. 4064/89 gerügt wird

Vorbringen der Beteiligten

73 Die Klägerin vertritt die Ansicht, die von der Kommission in den Nrn. 19 bis 22 der Entscheidung zugrunde gelegte Umschreibung des relevanten Marktes, wonach es sich bei den beiden relevanten Märkten um die Strecken Paris-London und Lyon-London handelt, sei sehr lückenhaft und damit unzutreffend, weil sie nicht der wirtschaftlichen Realität entspreche. Die Klägerin wirft der Kommission vor, daß sie nicht die wirtschaftliche Realität des europäischen Netzes von British Airways berücksichtigt habe. Aufgrund dieser Realität hätte die Kommission den Markt für internationale Lufttransporte unabhängig davon, wo sie innerhalb des Gemeinsamen Marktes durchgeführt würden, als relevanten Markt ansehen müssen. Wenn die Kommission so vorgegangen wäre, hätte sie festgestellt, daß der fragliche Zusammenschluß es British Airways ermögliche, französische Kunden durch Einschaltung von TAT EA nach London zu ziehen, um sie in den Genuß ihrer von dort ausgehenden internationalen Luftverkehrsdienste kommen zu lassen, daß British Airways infolge dieses Zusammenschlusses vier der sieben Transportunternehmen, die die Strecke London-Paris bedienten, besitze oder kontrolliere und daß es die einzige Gesellschaft sei, die direkt oder indirekt von allen Londoner Flughäfen aus fliege.

74 Ausserdem wirft die Klägerin der Kommission vor, ausser acht gelassen zu haben, daß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs (ABl. L 240, S. 8) vorsehe, daß jeder Mitgliedstaat ab 1. April 1997 gehalten sei, Luftfahrtunternehmen, denen in einem anderen Mitgliedstaat eine Betriebsgenehmigung erteilt worden sei, die Kabotage in seinem Hoheitsgebiet zu gestatten. British Airways werde daher infolge des fraglichen Zusammenschlusses vom 1. April 1997 an unter seinem eigenen Namen oder unter dem von TAT EA im französischen Hoheitsgebiet von Paris und von Lyon aus eine Tätigkeit entfalten können. Dies hätte die Kommission berücksichtigen müssen.

75 Schließlich stellt die Klägerin fest, die Kommission habe dadurch, daß sie die Auswirkungen des fraglichen Zusammenschlusses ausschließlich in bezug auf die beiden unmittelbar durch diesen betroffenen Strecken beurteilt habe, die Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt nicht zutreffend beurteilt. Sie fügt hinzu, da sie nachgewiesen habe, daß die Kommission den relevanten Markt nicht zutreffend umschrieben habe, könne ihr kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie weder dargetan noch darzutun versucht habe, daß durch den fraglichen Zusammenschluß eine beherrschende Stellung auf dem Markt begründet oder verstärkt werde.

76 Die Kommission entgegnet, die Abgrenzung des relevanten Marktes, wie sie sie in der Entscheidung vorgenommen habe, stehe sowohl mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Säed Flugreisen u. a., Slg. 1989, 803) als auch mit ihrer eigenen Praxis im Einklang. Sie habe auch, wie von der Klägerin verlangt, berücksichtigt, wie sich der Zusammenschluß auf der globaleren Ebene auf den Wettbewerb zwischen Luftfahrtunternehmen von europäischem Zuschnitt und wie sich insbesondere die Integration von TAT EA in das Netz von British Airways auf den Wettbewerb auswirke, den sich die Verkehrsunternehmen dieses Zuschnitts künftig auf dieser globaleren Ebene liefern würden.

77 Das Vereinigte Königreich und die Streithelferinnen TAT und British Airways schließen sich der Ansicht der Kommission zur Umschreibung des relevanten Marktes an. Das Vereinigte Königreich macht geltend, es sei nicht dargetan, daß der Zusammenschluß zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung auf einem der relevanten Märkte geführt habe, durch die wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde. TAT weist darauf hin, daß die Klägerin in dem Maß, wie sie die Umschreibung des Marktes erweitere, die Feststellung einer beherrschenden Stellung von British Airways auf dem so umschriebenen Markt unwahrscheinlicher mache. Daher müsse man, wenn man die von der Klägerin vorgeschlagene Umschreibung des Marktes zugrunde lege, erst recht den fraglichen Zusammenschluß genehmigen. Schließlich trägt British Airways ausserdem vor, eine Umschreibung des Marktes, die so weit gefasst sei wie von der Klägerin vorgeschlagen, sei wegen der Verschiedenheit und der breiten Streuung der zu berücksichtigenden Dienstleistungen unangemessen.

Würdigung durch das Gericht

78 Nach Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 sind "Zusammenschlüsse, die keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die ein wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde,... für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären". Dagegen sind nach Artikel 2 Absatz 3 der Verordnung Nr. 4064/89 Zusammenschlüsse, die eine solche Stellung begründen oder verstärken, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.

79 Aus diesen Vorschriften geht hervor, daß die Kommission einen Zusammenschluß für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären hat, sobald zwei Voraussetzungen erfuellt sind: Erstens darf der betreffende Zusammenschluß keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken und zweitens darf der Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt nicht durch die Begründung oder Verstärkung einer solchen Stellung erheblich behindert werden. Liegt keine Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung vor, so ist der Zusammenschluß somit zu genehmigen, ohne daß geprüft werden braucht, wie er sich auf den wirksamen Wettbewerb auswirkt.

80 Um beurteilen zu können, ob die erste Voraussetzung in einem konkreten Fall erfuellt ist, hat die Kommission zunächst den relevanten Markt zu umschreiben (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 69, analog und Urteil des Gerichtshofes vom 2. März 1994 im Rechtsmittelverfahren C-53/92 P, Hilti/Kommission, Slg. 1994, I-0000).

81 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Nr. 19 ihrer Entscheidung je zwei Städte als den relevanten Markt angesehen, die den Abflugs- und den Ankunftsort auf den Strecken darstellen, die sie als unmittelbar durch den fraglichen Zusammenschluß betroffen ansah. In Nr. 26 ihrer Entscheidung gelangte sie zu dem Ergebnis, daß der fragliche Zusammenschluß keine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb behindert würde.

82 Da die Klägerin einerseits vorgetragen hat, daß sie die Richtigkeit der von der Kommission zugrunde gelegten Umschreibung nicht bestreite, diese aber andererseits als sehr lückenhaft und daher unzutreffend bezeichnet hat, hat das Gericht die von der Kommission zugrunde gelegte Umschreibung des relevanten Marktes zu überprüfen.

83 Das Gericht hält die von der Kommission vorgenommene Umschreibung des Marktes sowohl in bezug auf das betroffene Erzeugnis als auch in räumlicher Hinsicht für zutreffend.

84 Die zugrundegelegte Umschreibung des Marktes steht nämlich insofern mit den im Urteil Säed (a. a. O.) des Gerichtshofes genannten Grundsätzen im Einklang, als die Kommission in den Nrn. 17 bis 21 ihrer Entscheidung die beiden Strecken, auf denen es eine Überschneidung der von den Parteien des Zusammenschlusses angebotenen Dienstleistungen gab, d. h. die Strecken Paris-London und Lyon-London, und deren eventuelle Substituierbarkeit mit anderen Linien geprüft und daraus in überzeugender Weise abgeleitet hat, daß es keine Substituierbarkeit zwischen diesen beiden Strecken und anderen Strecken und nur eine sehr geringe Substituierbarkeit der beiden Strecken untereinander gebe.

85 Ausserdem stellt das Gericht fest, daß sich aus den Nrn. 17 und 19 der Entscheidung, wenn auch in kurzer und gedrängter Form, ergibt, daß die Kommission sich nicht darauf beschränkt hat, die Auswirkungen des geplanten Zusammenschlusses lediglich in bezug auf die beiden unmittelbar durch diese Handlung betroffenen Strecken zu prüfen, sondern daß sie sie ausserdem in umfassenderer Weise zum einen in bezug auf die internationale Geschäftstätigkeit von Frankreich aus (Nr. 17) und zum anderen hinsichtlich der Auswirkungen auf ein weitverzweigtes oder stark beflogenes Netz (Nr. 19) beurteilt hat. Somit greift die Rüge, die die Klägerin insoweit gegen die Kommission erhoben hat, aus tatsächlichen Gründen nicht durch und ist daher zurückzuweisen.

86 Jedenfalls ist in Übereinstimmung mit dem Vereinigten Königreich festzustellen, daß die Klägerin in ihren Schriftsätzen vor dem Gericht weder ausdrücklich noch stillschweigend geltend gemacht hat, daß die Kommission mit der Feststellung, daß der fragliche Zusammenschluß keine beherrschende Stellung auf den von der Kommission als relevant angesehenen Märkten begründe oder verstärke, einen Beurteilungsfehler begangen habe, so wenig wie sie behauptet hat, daß eine solche Stellung auf dem Markt, wie er ihrer Ansicht nach hätte umschrieben werden müssen, begründet oder verstärkt worden sei. Unter diesen Umständen kann sie die Rechtmässigkeit der Entscheidung der Kommission, den Zusammenschluß für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, nicht bestreiten.

87 Dieses Ergebnis wird durch die Argumente, die die Klägerin im zweiten und dritten Teil des Klagegrundes vorgebracht hat, nicht widerlegt. Der fragliche Zusammenschluß ermöglicht es British Airways nämlich, wie die Kommission in Nr. 17 ihrer Entscheidung festgestellt hat, zwar, eine französische Kundschaft für ihre vom Vereinigten Königreich ausgehenden Luftverkehrsdienste zu gewinnen; auch trifft es zu, daß British Airways vier der sieben Verkehrsunternehmen kontrolliert, die die Strecke London-Paris bedienen. Aber selbst wenn man ferner annimmt, daß es British Airways durch den Zusammenschluß möglich sein wird, nach dem 1. April 1997 leichter als andere nichtfranzösische Fluggesellschaften eine Tätigkeit im französischen Hoheitsgebiet zu entfalten, hat die Klägerin jedenfalls nicht dargetan, inwiefern derartige Gegebenheiten die Kommission zum Verbot des fraglichen Zusammenschlusses hätten veranlassen müssen, obwohl auf keinem wie immer beschaffenen Markt eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird.

88 Der Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag gerügt wird

Vorbringen der Beteiligten

89 Die Klägerin trägt vor, nachdem die Kommission von ihr mit zwei abweichenden und notwendigerweise komplementären Umschreibungen des Produktmarktes und des räumlichen Marktes, die durch den streitigen Zusammenschluß betroffen gewesen sein, konfrontiert worden sei, habe sie insofern gegen Artikel 190 EG-Vertrag verstossen, als sie nicht dargelegt habe, weshalb sie die angefochtene Entscheidung nur auf eine dieser beiden Umschreibungen gestützt habe.

90 Die Kommission weist darauf hin, daß sie nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes nicht verpflichtet sei, zu begründen, weshalb sie ein bestimmtes Vorbringen der am Verwaltungsverfahren Beteiligten oder gar Dritter verworfen habe. Ausserdem habe sie in ihre Umschreibung nicht nur die Gesichtspunkte einbezogen, die sich u. a. auf das Vorhandensein europäischer Netze und die Verhältnisse auf den Flughäfen bezogen hätten, sondern auch die notwendigen Angaben zur Begründung dafür gemacht, weshalb sie die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf das Netz von British Airways nicht im einzelnen berücksichtigt habe.

91 Soweit die Streithelfer sich zu diesem Punkt äussern, schließen sie sich der Argumentation der Kommission an.

Würdigung durch das Gericht

92 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts hat die Kommission nach Artikel 190 EG-Vertrag zwar ihre Entscheidungen mit Gründen zu versehen und dabei die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmässigkeit der Maßnahme abhängt, sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlaß ihrer Entscheidung veranlasst haben; sie braucht jedoch nicht auf alle tatsächlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die von den einzelnen Beteiligten im Verwaltungsverfahren vorgebracht worden sind (u. a. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-8/89, DSM/Kommission, Slg. 1991, II-1833, Randnr. 257).

93 Im vorliegenden Fall ist das Gericht der Ansicht, daß die Begründung der Entscheidung eindeutig erkennen lässt, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte und welche anderen Erwägungen die Kommission zum Erlaß der angefochtenen Entscheidung bewogen haben. Da die Kommission nicht zu begründen brauchte, weshalb sie die von der Klägerin, einem am Verfahren beteiligten Dritten, vorgeschlagene weitere Umschreibung des Marktes ablehnte, kann somit nicht davon die Rede sein, daß sie insoweit gegen ihre Begründungspflicht verstossen hätte.

94 Das Gericht weist überdies darauf hin, daß die Kommission, wie oben (Randnr. 86) festgestellt, in ihrer Entscheidung tatsächlich nicht nur die beiden durch den Zusammenschluß unmittelbar betroffenen Strecken berücksichtigt, sondern die Auswirkungen des geplanten Zusammenschlusses auch in umfassenderer Weise beurteilt hat.

95 Somit ist der Klagegrund zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund, mit dem die Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes gerügt wird

Vorbringen der Beteiligten

96 Im Rahmen dieses Klagegrundes trägt die Klägerin vor, sie habe am 29. Oktober 1990 in der Folge ihres Zusammenschlusses mit anderen französischen Luftverkehrsgesellschaften - UTA und Air Inter - mit der Kommission und der französischen Regierung eine Vereinbarung geschlossen, durch die ihr auferlegt worden sei, nicht mehr den Beschlussorganen von TAT, deren Aktionärin sie damals gewesen sei, anzugehören und bis spätestens 30. Juni 1992 ihre Beteiligung an dieser Gesellschaft ganz aufzugeben. Der alleinige Zweck der letzteren Verpflichtung habe darin bestanden, zu bewirken, daß ihr auf dem innerfranzösischen Luftverkehrsmarkt ein unabhängiges konkurrierendes Unternehmen gegenüberstehe.

97 Die Klägerin trägt vor, sie habe nicht nur in keiner Weise in Betracht gezogen, daß eine ausländische Gesellschaft von vergleichbarer Grösse - British Airways - an ihre Stelle als TAT EA mitkontrollierende oder allein kontrollierende Aktionärin gesetzt werden könnte, sondern eine solche Eventualität hätte auch den Abschluß der Vereinbarung über diesen Punkt unmöglich gemacht. Weder während der vorbereitenden Verhandlungen noch anläßlich des Abschlusses der Vereinbarung am 29. Oktober 1990 selbst habe die Kommission zu erkennen gegeben, daß sie es für denkbar, ja sogar für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt halte, daß sie in der Gesellschaft TAT durch eine konkurrierende ausländische Gesellschaft gleicher Grösse ersetzt würde. Die streitige Entscheidung stehe somit im Widerspruch zu der fraglichen Vereinbarung.

98 Die Klägerin leitet hieraus ab, daß die Kommission dadurch, daß sie den Zusammenschluß von British Airways und TAT EA für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt habe, zumindest hinsichtlich der inländischen Geschäftstätigkeit von TAT EA gegen ihre Verpflichtung, das berechtigte Vertrauen der Klägerin zu schützen, verstossen und damit den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und Artikel 155 EG-Vertrag, die den Vorschriften einer Verordnung vorgingen, verletzt habe.

99 Die Kommission hält dem entgegen, die von British Airways erlangte Kontrolle über TAT EA verletze keineswegs Buchstaben und Geist der Vereinbarung vom 29. Oktober 1990, sondern erhöhe durch die erneute Bekräftigung der Rolle von TAT EA als der Klägerin gegenüberstehendes unabhängiges konkurrierendes Unternehmen die Chancen für einen stärkeren Wettbewerb auf dem innerfranzösischen Markt, was ihr einziges Anliegen bei Abschluß der Vereinbarung gewesen sei. Die Kommission vertritt die Ansicht, die Tatsache, daß eine solche Eventualität, die sie im übrigen nicht habe vorhersehen können, bei den Gesprächen vor Abschluß der genannten Vereinbarung nicht in Betracht gezogen worden sei, könne für sie nicht die Verpflichtung begründen, einen mit den Wettbewerbsvorschriften des Gemeinsamen Marktes vereinbaren Zusammenschluß zu verbieten, zumal sie dadurch gegen Grundprinzipien der Gemeinschaft, darunter die Niederlassungsfreiheit, verstossen würde.

100 Das Vereinigte Königreich trägt vor, dieser Klagegrund beruhe "hinsichtlich der Grundsatzfragen auf grundlegend irrigen Vorstellungen". Ausserdem vertritt es die Ansicht, es bestehe keine Unvereinbarkeit zwischen der fraglichen Vereinbarung und der Entscheidung und damit keine Verletzung eines berechtigten Vertrauens.

101 Die beiden anderen Streithelferinnen schließen sich der Argumentation der Kommission und des Vereinigten Königreichs an.

Würdigung durch das Gericht

102 Eine der Folgen der Hierarchie der Rechtsakte der Gemeinschaft, wie sie im Vertrag festgelegt und durch die Gemeinschaftsrechtsprechung bestätigt worden ist, besteht darin, daß ein Rechtsakt von allgemeiner Geltung nicht stillschweigend durch eine Einzelfallentscheidung geändert werden kann (Urteil des Gerichtshofes vom 24. März 1993 in der Rechtssache C-313/90, CIRFS u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1125, Randnr. 44). Somit kann ein Gemeinschaftsorgan nicht kraft des Grundsatzes des Vertrauensschutzes gezwungen sein, eine gemeinschaftsrechtliche Regelung contra legem anzuwenden.

103 Das Gericht stellt fest, daß sich im vorliegenden Fall jedenfalls aus den Akten ergibt, daß die am 29. Oktober 1990 zwischen der französischen Regierung, der Klägerin und der Kommission geschlossene Vereinbarung nur Verpflichtungen enthält, die von den beiden erstgenannten Parteien eingegangen wurden, während die Kommission keine Verpflichtung übernommen hat. So ergibt sich weder aus dem Wortlaut der genannten Vereinbarung noch aus einem anderen vor dem Gericht geltend gemachten Gesichtspunkt in irgendeiner Weise, daß die Kommission sich verpflichtet hätte, einen Zusammenschluß zwischen TAT und einer konkurrierenden Gesellschaft von derselben Grösse wie die Klägerin nicht für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären. Die Klägerin hat somit nicht in rechtlich ausreichender Weise dargetan, daß bei ihr ein berechtigtes Vertrauen hervorgerufen worden wäre.

104 Somit ist der Klagegrund zurückzuweisen.

105 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

106 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihren Anträgen unterlegen ist und die Beklagte sowie die Streithelfer ihre Verurteilung zur Tragung der Kosten beantragt haben, sind ihr die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferinnen TAT und British Airways aufzuerlegen. Da der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie die der Beklagten und der Streithelferinnen TAT und British Airways auferlegt worden sind, ist der Antrag der Streithelferin TAT, Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung, der die Auferlegung ohne angemessenen Grund oder böswillig verursachter Kosten betrifft, gegenstandslos.

107 Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Dem Vereinigten Königreich sind daher seine eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Beklagten und der Streithelferinnen TAT und British Airways.

3) Das Vereinigte Königreich trägt seine eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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