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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: T-211/03
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke


Vorschriften:

Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 20. April 2005. - Faber Chimica Srl gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Gemeinschaftsmarke - Anmeldung der Bildmarke Faber - Widerspruch des Inhabers der nationalen Wort- und Bildmarken NABER - Ablehnung der Eintragung. - Rechtssache T-211/03.

Parteien:

In der Rechtssache T211/03

Faber Chimica Srl mit Sitz in Fabriano (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte P. Tartuferi und M. Andreano,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) , vertreten durch M. Capostagno und O. Montalto als Bevollmächtigte,

Beklagter,

anderer Verfahrensbeteiligter vor der Beschwerdekammer des HABM:

Industrias Químicas Naber, SA Nabersa, mit Sitz in Valencia (Spanien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 19. März 2003 (Sache R 620/20014) in Bezug auf ein Widerspruchsverfahren zwischen Faber Chimica Srl und Industrias Químicas Naber, SA Nabersa,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Pirrung sowie der Richter N. J. Forwood und S. Papasavvas,

Kanzler: J. Palacio González, Hauptverwaltungsrat,

aufgrund der am 13. Juni 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 23. September 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 11. Januar 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Am 14. November 1997 meldete die Klägerin beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in der geänderten Fassung eine Gemeinschaftsmarke an.

2. Die Marke, deren Eintragung beantragt wurde, ist das nachfolgend wiedergegebene Bildzeichen Faber:

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3. Die Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, gehören zu den Klassen 1, 2 und 3 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner revidierten und geänderten Fassung und entsprechen für diese Klassen jeweils folgender Beschreibung:

- Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke;

- Klasse 2: Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutzmittel, Holzkonservierungsmittel; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler;

- Klasse 3: Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Haarwässer; Zahnputzmittel.

4. Am 11. Januar 1999 wurde diese Anmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 2/99 veröffentlicht.

5. Am 12. April 1999 erhob Industrias Químicas Naber, SA Nabersa (im Folgenden: Widerspruchsführerin), nach Artikel 42 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marken für alle in der Markenanmeldung genannten Waren. Zur Begründung des Widerspruchs wurde die Verwechslungsgefahr nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 angeführt. Der Widerspruch beruhte auf der Existenz der folgenden älteren nationalen Marken, deren Inhaber die Widerspruchsführerin ist:

- die Wortmarke NABER, die in Spanien unter der Nummer 801 202 für Waren der Klasse 1 eingetragen ist (chemische Erzeugnisse und Klebstoffe für Gewerbetreibende, Entfärbungsmittel; Kunstharze und synthetische Harze);

- die drei Bildmarken Naber, die im Folgenden grafisch dargestellt werden und die in Spanien unter den Nummern 2 072 120, 2 072 121 und 2 072 122 für Waren der Klasse 1 (chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche [mit Ausnahme der medizinischen Wissenschaften], fotografische und land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; Düngemittel [natürliche und künstliche]; Feuerlöschmittel; Mittel zum Härten und Löten von Metallen; chemische Erzeugnisse zum Frischhalten und Haltbarmachen von Lebensmitteln; Gerbmittel; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke), der Klasse 2 (Farben, Firnisse, Lacke; Rostschutz- und Holzkonservierungsanstriche; Färbemittel; Beizen; Naturharze im Rohzustand; Blattmetalle und Metalle in Pulverform für Maler, Dekorateure, Drucker und Künstler) und der Klasse 3 (Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; Haarwässer; Zahnputzmittel; Deodorants für den persönlichen Gebrauch) eingetragen sind.

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6. Mit Entscheidung vom 23. April 2001 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass es keine Ähnlichkeit in Bild, Klang oder Inhalt zwischen den fraglichen Marken und folglich auch keine Verwechslungsgefahr zwischen ihnen gebe.

7. Am 25. Juni 2001 legte die Widerspruchsführerin nach den Artikeln 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

8. Mit Entscheidung vom 19. März 2003 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), die der Klägerin mit Schreiben vom 3. April 2003 zugestellt wurde, bestätigte die Vierte Beschwerdekammer des HABM zum einen die Beurteilung der Widerspruchsabteilung, wonach es keine Ähnlichkeit zwischen der angemeldeten Marke und den älteren Bildmarken der Widerspruchsführerin gebe. Zum anderen bejahte sie, nachdem sie das inhaltliche Vergleichselement als im vorliegenden Fall nicht ins Gewicht fallend ausgeschieden hatte, eine Ähnlichkeit in Bild und Klang zwischen der angemeldeten Marke und der älteren Wortmarke der Widerspruchsführerin und eine Ähnlichkeit zwischen den durch diese beiden Marken erfassten Waren. Folglich gab die Beschwerdekammer der Beschwerde statt und hob die Entscheidung der Widerspruchsabteilung teilweise auf.

Anträge der Beteiligten

9. Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung insoweit aufzuheben oder abzuändern, als sie eine Ähnlichkeit und somit eine Verwechslungsgefahr zwischen der angemeldeten Marke und der älteren Wortmarke der Widerspruchsführerin bejaht;

- dem HABM die Kosten des Verfahrens einschließlich der im Lauf des Verwaltungsverfahrens vor dem HABM angefallenen Kosten aufzuerlegen;

- durch ein Sachverständigengutachten darüber Beweis zu erheben, dass in der spanischen Sprache jede phonetische Ähnlichkeit zwischen den Wörtern naber und faber ausgeschlossen ist.

10. Das HABM beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Vorbringen der Parteien

11. Die Klägerin macht im Wesentlichen als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 geltend.

12. Insoweit wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, widersprüchlich argumentiert zu haben, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Ähnlichkeit zwischen der angemeldeten Marke und den älteren Marken der Widerspruchsführerin je nachdem unterschiedlich beurteilt habe, ob diese Bild- oder Wortmarken seien. So habe die Beschwerdekammer, nachdem sie zutreffend, indem sie entscheidend auf das optische Element der fraglichen Zeichen abgestellt habe (Randnrn. 14 bis 25 der angefochtenen Entscheidung), zu dem Ergebnis gelangt sei, dass zwischen der angemeldeten Marke und den älteren Bildmarken keinerlei Verwechslungsgefahr bestehe, rechtsirrig das Vorliegen einer solchen Gefahr für die genannte Marke und die ältere Wortmarke der Widerspruchsführerin u. a. mit der Begründung festgestellt, dass die Letztgenannte jeder Art schriftlicher Darstellung zugänglich ist (Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung). Mit dieser Argumentation habe sich die Beschwerdekammer zu Unrecht auf eine potenzielle, hypothetische und zukünftige Veränderung der in Rede stehenden Marke gestützt.

13. Zum Vergleich der kollidierenden Zeichen in ihrer derzeitigen Form macht die Klägerin geltend, dass zwischen ihnen keine optische, klangliche oder inhaltliche Ähnlichkeit bestehe, weil für diesen Vergleich der optische Aspekt als ausschlaggebend anzusehen sei, so dass bei fehlender optischer Ähnlichkeit jede Verwechslungsgefahr auszuschließen sei.

14. Die Klägerin stellt auch den Vergleich zwischen den Waren, die durch die kollidierenden Marken erfasst werden, und die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr in Frage, die sich in der angefochtenen Entscheidung finden. Die Klägerin führt darüber hinaus einige Argumente dafür an, dass es keinen wirklichen Wettbewerb zwischen den betreffenden Unternehmen auf dem Markt gebe und dass kein Nachweis für die Bekanntheit der älteren Marken der Widerspruchsführerin in Spanien vorliege.

15. Das HABM trägt vor, dass die angefochtene Entscheidung keine Widersprüchlichkeit und auch keinen Beurteilungsfehler aufweise. Genauer gesagt habe die Beschwerdekammer die angemeldete Marke und die älteren Marken zutreffend verglichen, indem sie die Letztgenannten ihrer Art nach unterschieden habe, da diese einen bedeutsamen Einfluss auf den von den Marken ausgehenden Gesamteindruck haben könne. Es sei nämlich unwiderlegbar, dass die älteren Marken unterschiedliche Merkmale im Erscheinungsbild aufwiesen, die eine unterschiedliche Beurteilung rechtfertigten und sogar erforderlich machten und zu unterschiedlichen Ergebnissen führten.

16. Außerdem habe die Beschwerdekammer zu Recht die Auffassung vertreten, dass die ältere Wortmarke, die unabhängig von jedem besonderen grafischen Merkmal eingetragen worden sei, in unterschiedlichen Formen der äußeren Gestaltung verwendet werden könne, so dass man die Möglichkeit einer Gestaltung nicht ausschließen könne, die sie in ihrer konkreten Verwendung der angemeldeten Marke ähnlich werden lasse.

17. Hinsichtlich des Vergleichs zwischen den im vorliegenden Fall insbesondere bezüglich des optischen Aspekts kollidierenden Zeichen vertritt das HABM die Ansicht, dass die Beschwerdekammer zutreffend darauf abgestellt habe, dass vier von fünf Buchstaben, die den Wortteil aber bildeten, identisch seien und dass der Anfangsbuchstabe F der angemeldeten Marke, dessen besondere Gestaltung die sofortige Erkennbarkeit abschwäche, einen geringen Einfluss ausübe.

18. Was sodann den klanglichen Aspekt betrifft, schließt sich das HABM der Beurteilung der Beschwerdekammer an, die, obwohl sie den Unterschied zwischen den Anfangsbuchstaben F und N anerkenne, den die Widerspruchsabteilung zu Unrecht für entscheidend gehalten habe, der Übereinstimmung des gemeinsamen Wortteils aber eine größere Bedeutung beigemessen habe. Diese Beurteilung beruhe auf der Wirkung der Selbstlaute, die phonetisch im Allgemeinen und insbesondere in romanischen Sprachen wie dem Spanischen bedeutender sei als die der Mitlaute. Bei beiden Marken führten der Buchstabe A und die Silbe ber zu einem den Hörer ganz in Beschlag nehmenden und gegenüber den Anfangsbuchstaben F oder N überwiegenden Klang.

19. Das HABM wendet sich außerdem gegen die Argumente, mit denen die Klägerin den Vergleich zwischen den durch die kollidierenden Marken erfassten Waren in Frage stellt, und gegen die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr, die sich in der angefochtenen Entscheidung finden. Das HABM wendet sich auch gegen die Argumente der Klägerin, die sich auf das angebliche Fehlen eines wirklichen Wettbewerbs zwischen den betreffenden Unternehmen auf dem Markt und den fehlenden Nachweis der Bekanntheit der älteren Marken der Widerspruchsführerin in Spanien beziehen.

Würdigung durch das Gericht

20. Nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt.

21. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Gefahr der Verwechslung hinsichtlich der betrieblichen Herkunft der Waren oder Dienstleistungen umfassend nach der Wahrnehmung der fraglichen Zeichen und Waren oder Dienstleistungen durch die maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller den Einzelfall charakterisierenden Faktoren zu beurteilen, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen (vgl. Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T162/01, Laboratorios RTB/HABM - Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], Slg. 2003, II2821, Randnrn. 29 bis 33, und die dort zitierte Rechtsprechung).

22. Im vorliegenden Fall ist die ältere Wortmarke der Widerspruchsführerin, die allein im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits in Rede steht, in Spanien eingetragen, das somit das für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 maßgebliche Gebiet darstellt.

23. Bei der Bestimmung der im vorliegenden Fall maßgeblichen Verkehrskreise ist mit der Beschwerdekammer (Randnr. 31 der angefochtenen Entscheidung) festzustellen, dass die durch die ältere Wortmarke der Widerspruchsführerin erfassten Waren zur Klasse 1 gehören und im Wesentlichen für eine gewerbliche Kundschaft bestimmt sind (chemische Erzeugnisse und Klebstoffe für Gewerbetreibende, Entfärbungsmittel; Kunstharze und synthetische Harze).

24. Folglich ist zum Zweck der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Blickwinkel der maßgeblichen Verkehrskreise zu beachten, die sich im Wesentlichen aus den gewerblichen Abnehmern in Spanien zusammensetzen. Als Leute vom Fach können diese bei der Auswahl der fraglichen Waren eine erhöhte Aufmerksamkeit aufbringen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 9. April 2003 in der Rechtssache T224/01, Durferrit/HABM - Kolene [NUTRIDE], Slg. 2003, II1589, Randnr. 52, und vom 30. Juni 2004 in der Rechtssache T317/01, M+M/HABM - Mediametrie [M+M EUROdATA], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 52).

25. Im Licht dieser Erwägungen ist der von der Beschwerdekammer vorgenommene Vergleich zwischen den kollidierenden Zeichen und den betreffenden Waren zu prüfen.

26. Was erstens den Vergleich der fraglichen Zeichen anbelangt, so ist allgemein festzustellen, dass zwei Marken ähnlich sind, wenn sie aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise hinsichtlich eines oder mehrerer relevanter Aspekte mindestens teilweise übereinstimmen. Relevante Aspekte sind nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes optische, klangliche und begriffliche Aspekte (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 11. November 1997 in der Rechtssache C251/95, SABEL, Slg. 1997, I6191, Randnr. 23, und vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I3819, Randnr. 25). Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich außerdem, dass bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind.

27. Außerdem hat der Gerichtshof entgegen der Ansicht der Klägerin, dass der optische Aspekt als ausschlaggebend angesehen werden müsse, die Auffassung vertreten, es lasse sich nicht ausschließen, dass allein die klangliche Ähnlichkeit zweier Marken eine Verwechslungsgefahr hervorrufen könne (vgl. in diesem Sinne das in Randnr. 26 bereits zitierte Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 28, und Urteil des Gerichts vom 15. Januar 2003 in der Rechtssache T99/01, Mystery Drinks/HABM - Karlsberg Brauerei [MYSTERY], Slg. 2003, II43, Randnr. 42).

28. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung, dass die kollidierenden Zeichen von der Beschwerdekammer nach einer optischen und klanglichen Analyse als ähnlich angesehen wurden. Außerdem steht fest (vgl. Randnr. 16 der angefochtenen Entscheidung, die die Klägerin im Rahmen der vorliegenden Klage nicht in Frage stellt), dass die beiden fraglichen Zeichen auf begrifflicher Ebene nicht vergleichbar sind, da sie in der spanischen Sprache keine Bedeutung haben.

29. Was zunächst den optischen Vergleich anbelangt, so ist die Beschwerdekammer von dem Grundsatz ausgegangen, dass eine Wortmarke jeder Art schriftlicher Darstellung zugänglich ist (Randnr. 26 der angefochtenen Entscheidung). Nach den Schriftsätzen des HABM zog sie damit die Möglichkeit einer künftigen Benutzung der Wortmarke der Widerspruchsführerin in einer Gestaltung in Betracht, die sie grafisch der angemeldeten Marke ähnlich werden lässt.

30. Die Klägerin trägt vor, dass sich die Beschwerdekammer, indem sie auf diese Weise argumentiert habe, zu Unrecht auf eine potenzielle, hypothetische und zukünftige Veränderung der fraglichen Marke gestützt habe. Stattdessen sei der Vergleich in Bezug auf das Zeichen in seiner derzeitigen Form und nicht unter Anstellung von Mutmaßungen über künftige Änderungen durchzuführen, die keinen Bezug zu der aktuellen umfassenden Beurteilung hätten. Die Klägerin fügt hinzu, wenn die Widerspruchsführerin in Zukunft die schriftliche Darstellung ihrer Marke ändern sollte, so resultiere daraus ein anderes, nicht geschütztes unterscheidungskräftiges Zeichen, das ihre Kunden nicht mehr erkennen würden und das somit nicht mehr die betriebliche Herkunft ihrer Waren anzeigen könne.

31. Das HABM erwidert, dass das Beurteilungskriterium, das die Beschwerdekammer zugrunde gelegt habe, bekannt sei und geläufig angewandt werde, weil die Eintragung einer reinen Wortmarke ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht zuweise, das nicht auf eine vordefinierte Gestaltung des Zeichens beschränkt sei. Dieses Kriterium verletze keineswegs den Gegenwartsbezug der Feststellung einer Verwechslungsgefahr, die die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall getroffen habe. Demgegenüber seien Bildmarken naturgemäß ausschließlich in dem Erscheinungsbild geschützt, das Gegenstand ihrer Eintragung gewesen sei. Im vorliegenden Fall habe gerade die Starrheit ihrer Gestalt es ermöglicht, die älteren Bildmarken der Widerspruchsführerin so zu unterscheiden, dass jede Verwechslungsgefahr mit der angemeldeten Marke auszuschließen sei.

32. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall der optische Vergleich zwischen einer Wortmarke, die aus dem Wort naber besteht, und einer komplexen Bildmarke anzustellen ist, die sowohl einen Wortbestandteil, nämlich das Wort faber, als auch einen grafischen Bestandteil enthält. Diese komplexe Bildmarke wird in der Markenanmeldung wie folgt beschrieben:

Name faber in Kleinbuchstaben, wobei der obere waagrechte Strich des ,f über das ganze Wort reicht und dann, über dem senkrechten Strich des r (jedoch ohne diesen zu berühren), in einem Bogen nach unten gezogen ist, während der untere waagrechte Strich des ,f, der den senkrechten Strich dieses Buchstabens schneidet, zunächst in einem Bogen nach unten verläuft, dann das ganze Wort unterstreicht und schließlich wieder aufsteigt, um vor dem waagrechten Strich des r zu enden (ohne diesen zu berühren); Name und Buchstabenverlängerungen sind in eine Ellipse eingeschlossen.

33. Wie das HABM zu Recht auf seiner Internetsite ausführt, besteht eine Wortmarke ausschließlich aus Buchstaben, Wörtern oder Wortkombinationen in normaler Schriftart ohne spezifische grafische Elemente. Eine Bildmarke ist dagegen eine besondere Darstellung sprachlicher oder grafischer Merkmale oder eine farbige oder nicht farbige Kombination von Wortbestandteilen und grafischen Elementen. Eine komplexe Bildmarke besteht aus zwei oder mehr Zeichenkategorien, die z. B., wie im vorliegenden Fall die angemeldete Marke, Buchstaben und eine grafische Darstellung kombinieren.

34. In Anbetracht dieser Voraberwägungen kann weder der Argumentation der Klägerin noch der des HABM gefolgt werden.

35. Zum einen verkennt die Klägerin die Merkmale der älteren Wortmarke, indem sie in ihr nur einen besonderen, in einer gegebenen Gestalt erstarrten Typus Bildmarke sehen will. Darüber hinaus unterläuft der Klägerin ein zweiter Irrtum, indem sie nicht den Wortbestandteil der angemeldeten komplexen Marke berücksichtigt.

36. Zum anderen scheint das HABM der Wortmarke ein grafisches Element zuzuschreiben, das dieser schon begrifflich abgeht. Darüber hinaus stützt sich das HABM auf eine verengte Sichtweise, indem es den der älteren Wortmarke verliehenen Schutz mit deren Eignung rechtfertigt, in Zukunft die besondere Form der angemeldeten komplexen Marke nachzuahmen.

37. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen einer komplexen Bildmarke und einer älteren Wortmarke sind die besonderen grafischen oder gestalterischen Aspekte, die die Letztgenannte möglicherweise annehmen kann, nicht maßgebend. Auf jeden Fall ist es nicht statthaft, die hier allein maßgebende Beurteilung der Ähnlichkeit mit der älteren Wortmarke durch eine Beurteilung der Ähnlichkeit mit einem Bildelement zu ersetzen, das nicht unter den durch die ältere Eintragung verliehenen Schutz fällt.

38. Tatsächlich ist eine angemeldete komplexe Marke nicht deshalb bei der Eintragung zurückzuweisen, weil eine ältere Wortmarke in Zukunft in einer Weise schriftlich dargestellt werden kann, die sie mit dieser angemeldeten Marke identisch oder ihr ähnlich werden lässt, sondern deshalb, weil diese komplexe Marke derzeit außer ihrem besonderen bildhaften Aspekt einen Wortbestandteil enthält, der mit dem, der die ältere Marke bildet, identisch oder ihm ähnlich ist, und weil im Rahmen der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr dieser Wortbestandteil nicht als gegenüber dem anderen Bestandteil des Zeichens zweitrangig betrachtet werden kann (vgl. e contrario die Argumentation des Gerichts in den Randnrn. 50 ff. des Urteils vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache T110/01, Vedial/HABM - France Distribution (HUBERT), Slg. 2002, II5275).

39. So ist im vorliegenden Fall zunächst die optische Ähnlichkeit zwischen den Wortbestandteilen naber und faber zu analysieren und dann, falls eine solche Ähnlichkeit festgestellt werden sollte, zu prüfen, ob der zusätzliche Schrift- oder Bildbestandteil der angemeldeten Marke ein hinreichendes Unterscheidungselement darstellen kann, um das Vorliegen einer optischen Ähnlichkeit der kollidierenden Zeichen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise auszuräumen (vgl. in diesem Sinne das oben zitierte Urteil HUBERT, Randnr. 38).

40. Was zunächst den optischen Vergleich der reinen Wortbestandteile faber und naber betrifft, so haben diese beiden Wörter zwar die vier Buchstaben aber gemeinsam. Jedoch ist, wie die Beschwerdekammer in Randnummer 18 der angefochtenen Entscheidung ausführt, ein Bestandteil noch nicht deshalb zwangsläufig in beiden Marken jeweils der auffälligste, weil er ein gemeinsamer Bestandteil der beiden verglichenen Marken ist. Die Beurteilung von deren Ähnlichkeit hängt somit im Wesentlichen davon ab, ob dem Anfangsbuchstaben, der sie voneinander unterscheidet, größere oder geringere Bedeutung als den letzten vier Buchstaben beizumessen ist, die sie nicht nur miteinander gemeinsam haben, sondern die sie nach den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren gemachten Angaben (vgl. Teil II der Entscheidung der Widerspruchsabteilung und Randnr. 4 der angefochtenen Entscheidung) auch mit einer Vielzahl anderer auf dem spanischen Markt vorkommender Marken teilen. Unter Berücksichtigung dieses letztgenannten Umstands neigt sich die Waage nicht eindeutig zugunsten einer der beiden Seiten. Somit ist festzustellen, dass zwischen den beiden Zeichen eine gewisse optische Ähnlichkeit besteht, ohne dass diese besonders ausschlaggebend erscheint.

41. Was sodann die Berücksichtigung des zusätzlichen Bildbestandteils der angemeldeten Marke betrifft, so schließt sich das Gericht der Beurteilung der Widerspruchsabteilung an, der zufolge dieser Bestandteil nicht zweitrangig ist, weil er in einer fantasievollen Komposition besteht, die eine geistige Gestaltungsanstrengung erfordert. Die Widerspruchsabteilung hat insbesondere darauf hingewiesen, dass [d]er Anfangsbuchstabe F stark gestaltet ist, weil er zum einen mit seinem oberen Teil über das gesamte Wortelement reicht und zum anderen der Querstrich des F das Wortelement unterstreicht, indem er es von unten umkreist und schließlich mit dem waagerechten Strich des letzten Buchstaben r zusammentrifft. Im Übrigen betont die Ellipse, in die diese Komposition eingefügt ist, stark deren besonderen bildhaften Aspekt.

42. Die Beschwerdekammer hat in Randnummer 27 der angefochtenen Entscheidung ebenfalls den bedeutenden bildhaften Aspekt der angemeldeten Marke anerkannt.

43. Die Zusammenschau dieser beiden Beurteilungen im Rahmen der umfassenden Beurteilung der optischen Ähnlichkeit veranlasst das Gericht zu der Annahme, dass der zusätzliche Schrift- oder Bildbestandteil der angemeldeten Marke ein Unterscheidungselement darstellen kann, das ausreicht, um eine optische Ähnlichkeit der kollidierenden Zeichen aus der Sicht der angesprochenen Verkehrskreise auszuschließen, die sich aus Leuten vom Fach zusammensetzen.

44. Somit ist die Beschwerdekammer in Randnummer 27 der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht mit der Begründung, der Wortteil aber sei in den kollidierenden Zeichen klar zu erkennen, zu dem Ergebnis gelangt, diese seien einander trotz des bedeutenden bildhaften Aspekts optisch ähnlich.

45. Außerdem ist die auch von der Klägerin angeführte Widersprüchlichkeit zwischen dieser letztgenannten Beurteilung und derjenigen in Randnummer 21 der angefochtenen Entscheidung hervorzuheben, wonach der Wortteil aber in der fraglichen Marke nicht besonders auffällt.

46. Hinsichtlich des klanglichen Vergleichs hatte die Widerspruchsabteilung zum einen darauf hingewiesen, dass der Anfangsbuchstabe dem Publikum wegen seiner Stellung am Anfang des Wortes mehr auffalle und dass sich zum anderen der Laut F vom Laut N deutlich unterscheide. Ihrer Auffassung nach genügte allein dieser Unterschied, um jede phonetische Ähnlichkeit zwischen den kollidierenden Marken auszuschließen.

47. In Randnummer 22 der angefochtenen Entscheidung vertrat die Beschwerdekammer hingegen die Auffassung, dieser Unterschied sei nicht entscheidend. Sie wies darauf hin, dass sich die Wörter phonetisch gesehen in Silben untergliederten und dass innerhalb einer Silbe insbesondere in der spanischen Sprache die Stimme nach dem Phänomen der Akzentuierung bei Selbstlauten intensiver werde. Im vorliegenden Fall sei daher in der Anfangssilbe der Wörter naber und faber der Buchstabe A klangvoller als der Anfangskonsonant. Da die zweite Silbe ber im Übrigen in den beiden Wörtern identisch sei, folgerte die Beschwerdekammer daraus, dass zwischen den kollidierenden Zeichen eine gewisse phonetische Ähnlichkeit bestehe.

48. Ohne auf das von der Klägerin zur Widerlegung dieser Ansicht beantragte Sachverständigengutachten zurückgreifen zu müssen, ist das Gericht der Auffassung, dass unbestreitbar zwischen den kollidierenden Zeichen eine gewisse phonetische Ähnlichkeit besteht. Jedoch genügt diese Ähnlichkeit, selbst wenn man das vom HABM geltend gemachte Phänomen der Akzentuierung berücksichtigt, nicht, um die durch den Anfangsbuchstaben herbeigeführte phonetische Unterschiedlichkeit zu neutralisieren, weil sich, worauf die Widerspruchsabteilung hingewiesen hat, die durch die Konsonanten F und N erzeugten Laute deutlich voneinander unterscheiden.

49. Denn zum einen ist der Mitlaut F stimmlos, d. h., die Stimmbänder schwingen nicht bei der Lautbildung, während der Mitlaut N stimmhaft ist. Zum anderen ist der Mitlaut F ein Reibelaut, d. h., bei seiner Aussprache entsteht ein Eindruck eines Reibens, während der Mitlaut N nasal ist, seine Aussprache mit anderen Worten einen Eindruck von Resonanz hervorruft.

50. Da es sich bei den maßgeblichen Verkehrskreisen um ein Fachpublikum mit im Vergleich zum Durchschnittsverbraucher erhöhter Aufmerksamkeit handelt, genügen dieser phonetische Unterschied der beiden kollidierenden Zeichen und vor allem der deutliche optische Unterschied, der sich aus dem bedeutenden bildhaften Aspekt eines von ihnen ergibt, um nach einer umfassenden Beurteilung zu dem Schluss zu gelangen, dass die Zeichen, die die fraglichen Marken bilden, jeweils als Gesamtheit insbesondere unter Berücksichtigung ihrer unterscheidenden und dominierenden Elemente betrachtet, einander nicht ähnlich sind.

51. Aus alledem folgt, dass eine der für die Anwendung von Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 unerlässlichen Voraussetzungen nicht gegeben ist.

52. Folglich ist der aus dem Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 hergeleitete Klagegrund zu bejahen und den Anträgen der Klägerin stattzugeben, ohne dass es erforderlich wäre, die fraglichen Waren miteinander zu vergleichen oder die übrigen Argumente der Klägerin zu prüfen.

Kosten

53. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

54. Nach Artikel 136 § 2 der Verfahrensordnung gelten die Aufwendungen der Parteien, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren, als erstattungsfähige Kosten.

55. Da das HABM unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Klägerin die Kosten einschließlich der der Klägerin entstandenen Aufwendungen aufzuerlegen, die für das Verfahren vor der Beschwerdekammer notwendig waren.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 19. März 2003 (Sache R 620/20014) wird insoweit aufgehoben, als sie dem Widerspruch des Inhabers der spanischen Wortmarke NABER stattgibt.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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