Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 30.01.2002
Aktenzeichen: T-212/00
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung SG(2000)D/103923


Vorschriften:

EGV Art. 87
Entscheidung SG(2000)D/103923
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Nichtigkeitsklage ist nur gegen Handlungen gegeben, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen. Für die Feststellung, ob eine Handlung oder eine Entscheidung solche Wirkungen erzeugt, ist ihr Sachgehalt zu untersuchen.

Daher befreit die bloße Tatsache, dass eine angemeldete Beihilfe durch eine Entscheidung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird und diese somit für den durch die Beihilfe begünstigten Kläger grundsätzlich keine Beschwer darstellt, den Gemeinschaftsrichter nicht von der Prüfung, ob die Beurteilung der Kommission, wie sie in der Entscheidung enthalten ist, verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen.

In Bezug auf eine gemäß dem multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben erlassene Entscheidung kann, da die zulässige Beihilfehöchstintensität mittels einer Berechnungsformel festgesetzt wird, bei der insbesondere ein Berichtigungsfaktor auf den Wettbewerb angewandt wird, die Beurteilung der Kommission, welcher Berichtigungsfaktor spezifisch anwendbar ist, verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, da sie für die Höhe der Beihilfe, die für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden kann, maßgeblich ist. Die Wirkungen einer solchen Beurteilung können jedoch dann nicht als Beeinträchtigung der Interessen des durch die Beihilfe begünstigten Unternehmens angesehen werden, wenn nach der Vorprüfung durch die Kommission die zulässige Beihilfehöchstintensität höher als die von dem betroffenen Mitgliedstaat angemeldete Beihilfe oder ebenso hoch wie diese ist.

( vgl. Randnrn. 36-38, 40-41 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 30. Januar 2002. - Nuove Industrie Molisane Srl gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Staatliche Beihilfen - Entscheidung, mit der eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird - Nichtigkeitsklage - Begünstigtes Unternehmen - Rechtsschutzinteresse - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-212/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-212/00

Nuove Industrie Molisane Srl, mit Sitz in Sesto Campano (Italien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte I. Van Bael und F. Di Gianni,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Di Bucci als Bevollmächtigten, im Beistand der Rechtsanwälte A. Abate und G. B. Conte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung SG(2000)D/103923 der Kommission vom 30. Mai 2000 über die Genehmigung einer staatlichen Beihilfe in Höhe von 29 176,69 Millionen ITL zugunsten des Unternehmens Nuove Industrie Molisane zur Durchführung einer Investition in Sesto Campo (Molise, Italien)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter M. Vilaras, J. Pirrung, A. W. H. Meij und N. J. Forwood,

Kanzler: J. Palacio González, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Im multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben (ABl. 1998, C 107, S. 7, nachstehend: multisektoraler Rahmen) sind die Regeln für die Bewertung derartiger Beihilfen, die in seinen Geltungsbereich fallen, festgelegt.

2 In Ziffer 3.10 des multisektoralen Rahmens ist die Berechnungsformel beschrieben, anhand deren die Kommission die zulässige Beihilfehöchstintensität für ein angemeldetes Beihilfevorhaben festsetzt.

3 Diese Formel setzt zunächst die Ermittlung der zulässigen Hoechstintensität für Beihilfen an Großunternehmen in dem fraglichen Gebiet, der so genannten regionalen Obergrenze" (Faktor R), voraus, die dann mit den drei Koeffizienten multipliziert wird, die dem Wettbewerb in dem fraglichen Sektor (Faktor T), dem Verhältnis Kapitaleinsatz:Arbeitsplätze (Faktor I) und der regionalen Auswirkung der fraglichen Beihilfe (Faktor M) entsprechen. Die zulässige Beihilfehöchstintensität resultiert also aus der Formel: R x T x I x M.

4 Auf den Wettbewerbsfaktor wird gemäß Ziffer 3.10 des multisektoralen Rahmens ein Berichtigungsfaktor angewandt, der entsprechend den folgenden Kriterien 0,25, 0,5, 0,75 oder 1 beträgt:

i) Vorhaben, das zu einer Kapazitätserweiterung in einem Sektor mit gravierenden strukturellen Überkapazitäten und/oder einem absoluten Nachfragerückgang führt 0,25

ii) Vorhaben, das zu einer Kapazitätserweiterung in einem Sektor mit strukturellen Überkapazitäten führt und/oder in einem schrumpfenden Markt durchgeführt werden soll und einen schon hohen Marktanteil verstärken dürfte 0,50

iii) Vorhaben, das zu einer Kapazitätserweiterung in einem Sektor mit strukturellen Überkapazitäten führt und/oder in einem schrumpfenden Markt durchgeführt werden soll 0,75

iv) keine voraussichtlichen negativen Wirkungen hinsichtlich Ziffern i) bis iii) 1,00".

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

5 Mit Schreiben vom 20. Dezember 1999, das am 21. Dezember 1999 beim Generalsekretariat der Kommission einging, meldeten die italienischen Behörden gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 88 EG (ABl. L 83, S. 1) bei der Kommission ein Beihilfevorhaben zugunsten der Klägerin an, das unter den multisektoralen Rahmen fiel. Das angemeldete Vorhaben sah die Gewährung einer Beihilfe von 46 312,2 Millionen ITL für die Schaffung einer neuen Produktionsanlage für Klinker vor, deren Kosten sich auf insgesamt 127 532 Millionen ITL beliefen.

6 Mit Schreiben vom 21. Januar 2000 teilte die Kommission den italienischen Behörden mit, sie halte die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 659/1999 für erforderlich. Auf den Wettbewerbsfaktor sei der Koeffizient 0,25 anzuwenden. Die vorgesehene Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze sei nicht hinreichend nachgewiesen. Sie sei deshalb der Ansicht, dass das Beihilfevorhaben die zulässige Hoechstintensität überschreite. Die Kommission forderte die italienischen Behörden daher auf, ihr Vorbringen zu ergänzen.

7 In einem Anfang Februar 2000 an die Kommission gesandten Memorandum lieferten die italienischen Behörden die verlangten zusätzlichen Angaben.

8 Im Anschluss an eine Sitzung vom 23. Februar 2000 zwischen der Kommission und den italienischen Behörden teilten diese der Kommission mit Schreiben vom 6. März 2000 mit, sie seien für den Wettbewerbsfaktor mit einem Koeffizienten von 0,75 % einverstanden, um die Eröffnung eines förmlichen Untersuchungsverfahrens abzuwenden".

9 Mit Schreiben vom 9. März 2000 übermittelten die italienischen Behörden der Kommission die neue Regelung für die Berechnung der Beihilfehöchstintensität unter Berücksichtigung eines Koeffizienten von 0,75 für den Wettbewerbsfaktor und setzten die Höhe der vorgesehenen Beihilfe dementsprechend auf 29 176,69 Millionen ITL fest.

10 Am 30. Mai 2000 erließ die Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 die Entscheidung, gegen das angemeldete Beihilfevorhaben keine Einwände zu erheben (nachstehend: Entscheidung).

11 In dieser Entscheidung weist die Kommission darauf hin, dass die italienische Regierung die Anmeldung durch die Schreiben vom 6. und 9. März 2000 ergänzt habe und dass zugunsten der Klägerin eine Beihilfe in Höhe von 29 176,69 Millionen ITL vorgesehen sei, was bei einem auf insgesamt 127 532 Millionen ITL veranschlagten Investitionsvolumen einem Nettosubventionsäquivalent (NSÄ) von 15,56 % entspreche.

12 Auf der Grundlage einer Bewertung der angemeldeten Beihilfe anhand der Kriterien des multisektoralen Rahmens begründet die Kommission, warum die im vorliegenden Fall anwendbaren Faktoren wie folgt festzusetzen seien:

- 25 %, was die zulässige Hoechstintensität in der Region Molise betrifft;

- 0,75 als Faktor T in Anbetracht des Wettbewerbs auf dem fraglichen Markt;

- 0,7 als Faktor I (Verhältnis Kapitaleinsatz:Arbeitsplätze);

- 1,2 als Faktor M hinsichtlich der regionalen Auswirkung der vorgesehenen Beihilfe,

so dass sich insgesamt ein NSÄ von 15,75 % ergebe (25 % x 0,75 x 0,7 x 1,2).

13 Nach der Feststellung, dass die Höhe der Beihilfe, die die Italienische Republik der Klägerin zu gewähren beabsichtige, mithin der höchsten zulässigen Beihilfe entspreche, erklärt die Kommission die angemeldete Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG.

Verfahren und Anträge der Parteien

14 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 11. August 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

15 Mit besonderem Schriftsatz, der am 6. November 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Kommission eine Unzulässigkeitseinrede erhoben, zu der die Klägerin am 2. Februar 2001 Stellung genommen hat.

16 Gemäß Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die mündliche Verhandlung über den Antrag der Kommission, über die Unzulässigkeit zu entscheiden, eröffnet worden.

17 Die Parteien haben in der Sitzung vom 25. September 2001 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

18 Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,

- die Entscheidung insofern für nichtig zu erklären, als die Kommission auf den Wettbewerbsfaktor den Berichtigungsfaktor 0,75 anstelle des vorgeschlagenen Berichtigungsfaktors 1 angewandt und die Beihilfe daher nur in Höhe von 29 179,69" Millionen ITL für vereinbar erklärt hat;

- die dem Teil der Entscheidung, dessen Nichtigerklärung beantragt wird, zugrunde liegenden rechtlichen und tatsächlichen Annahmen für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

- jede sonstige angemessene rechtliche Maßnahme zu ergreifen.

19 Die Kommission beantragt im Rahmen ihrer Unzulässigkeitseinrede,

- die Klage für unzulässig zu erklären;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

20 In ihrer Stellungnahme zur Unzulässigkeitseinrede beantragt die Klägerin,

- die Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen;

- hilfsweise, die Entscheidung über die Unzulässigkeitseinrede dem Endurteil vorzubehalten;

- der Kommission die durch den Zwischenstreit verursachten Kosten aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit der Klage

Vorbringen der Parteien

21 Die Kommission trägt vor, die Klage sei unzulässig.

22 Erstens habe die Klägerin kein Rechtsschutzinteresse. Mit der Klage solle dem Gericht nämlich in Wirklichkeit eine Maßnahme zur Kontrolle vorgelegt werden, die nur vom Willen des betreffenden Mitgliedstaats abhänge, hier die Anmeldung einer Beihilfe in Höhe von 29 176,69 Millionen ITL.

23 Außerdem führe eine etwaige Nichtigerklärung der Entscheidung nicht zu einer Verpflichtung der italienischen Behörden, geschweige denn der Kommission, die genehmigte Beihilfe zu erhöhen. Die Kommission habe zwar im förmlichen Prüfverfahren die Befugnis, einen Mitgliedstaat zur Verringerung einer Beihilfe, die er zu gewähren beabsichtige, zu veranlassen, doch sei sie nicht befugt, schon gar nicht in der Phase der Vorprüfung, ihn zur Erhöhung der angemeldeten Beihilfe zu veranlassen. Die Anmeldung einer Beihilfe sei mithin ein notwendiger Vorschlag des betreffenden Mitgliedstaats, auf den hin die Kommission, wolle sie nicht das förmliche Prüfverfahren eröffnen, nur zu der Entscheidung befugt sei, keine Einwände zu erheben.

24 Im vorliegenden Fall sei die Wahl des Berichtigungsfaktors 0,75 für den Wettbewerbsfaktor unmittelbar von den italienischen Behörden getroffen worden. Durch die Bestimmung dieses Berichtigungsfaktors und die entsprechende Verringerung der vorgesehenen Beihilfe hätten die italienischen Behörden also das ursprünglich angemeldete Beihilfevorhaben geändert und ersetzt. Für die Entscheidung sei somit die Entscheidung der italienischen Behörden, ihre Anmeldung in diesem Sinne zu ändern, maßgeblich gewesen. Letztlich werde ihr von der Klägerin zu Unrecht die Bestimmung eines tatsächlichen und rechtlichen Merkmals (des Berichtigungsfaktors 0,75) vorgeworfen, die allein auf den fraglichen Mitgliedstaat zurückgehe.

25 Der Umstand, dass die italienischen Behörden bei der Änderung des angemeldeten Vorhabens Angaben von Dienststellen der Kommission gefolgt seien, sei unerheblich, da diese Änderung eine von diesem Mitgliedstaat frei getroffene Entscheidung sei. Dieser hätte das ursprüngliche Vorhaben unverändert beibehalten und seine Interessen mit Unterstützung der Klägerin im Rahmen eines förmlichen Prüfverfahrens vertreten können. Überdies hätten im Fall einer teilweise abschlägigen Entscheidung sowohl die Italienische Republik als auch das durch die Beihilfe begünstigte Unternehmen das für eine Nichtigkeitsklage erforderliche Interesse dartun können.

26 Zweitens sei die Klägerin als Empfängerin der Beihilfe nicht klagebefugt, denn es handele sich um eine positive Entscheidung, die ihr keinen unmittelbaren Schaden zufüge. Unter Hinweis auf das Urteil des Gerichts vom 17. September 1992 in der Rechtssache T-138/89 (NBV und NVB/Kommission Slg. 1992, II-2181) hebt die Kommission hervor, der verfügende Teil der Entscheidung werde von der Klägerin nicht angegriffen. Außerdem seien die in der Entscheidung enthaltenen Würdigungen zur Festsetzung des Berichtigungsfaktors 0,75 keine notwendige Grundlage des verfügenden Teils, da die Kommission keinesfalls eine höhere als die von den italienischen Behörden genehmigte Beihilfe hätte genehmigen können.

27 Schließlich macht die Kommission geltend, im vorliegenden Fall seien allein die nationalen Gerichte zuständig, da nur sie nach nationalem Recht die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nachprüfen könnten, durch die die Verwaltungsbehörden die Gewährung der Beihilfe mitgeteilt hätten (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofes vom 16. März 1978 in der Rechtssache 123/77, UNICME u. a./Kommission, Slg. 1978, 845).

28 Die Klägerin entgegnet erstens, sie habe gegenüber der Entscheidung ein Rechtschutzinteresse, da es sich um eine rechtswidrige Entscheidung handele, die auf einer falschen Beurteilung der Formel zur Berechnung der zulässigen Beihilfehöchstintensität beruhe.

29 Dass mit der Entscheidung die Beihilfe genehmigt werde, mache keinen Unterschied. Zum einen sei die Änderung der Anmeldung durch die italienischen Behörden kein Gesichtspunkt, der es rechtfertigen könne, dass die Entscheidung jeglicher Kontrolle ihrer Rechtmäßigkeit entzogen sei (vgl. Urteil des Gerichts vom 25. März 1999 in der Rechtssache T-102/96, Gencor/Kommission, Slg. 1999, II-753, Randnr. 45). Insbesondere habe das Gericht nach der Rechtsprechung zu prüfen, ob die Kommission sich an die Leitlinien, die sie in einer Mitteilung für sich selbst festgelegt habe, gehalten habe (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996 in den Rechtssachen T-380/94, AIUFASS und AKT/Kommission, Slg. 1996, II-2169, Randnr. 57). Zum anderen stuenden der Klägerin im Fall der Nichtigerklärung nach einer Entscheidung der Kommission im Einklang mit dem Urteil des Gerichts Wege offen, bei den italienischen Behörden eine Erhöhung der Beihilfe auf ein dem ursprünglich vorgesehenen Betrag entsprechendes Niveau zu erwirken. So sei im Rahmen der Änderung der mit den zuständigen Behörden geschlossenen Vereinbarung über die Entwicklungsplanung im Anschluss an die Entscheidung eine Bestimmung aufgenommen worden, nach der die Kürzung des ursprünglich vorgesehenen Betrages der Beihilfe ausdrücklich nur zeitweilig bis zum Ausgang des vorliegenden Verfahrens erfolgen sollte.

30 Das Argument, die italienischen Behörden hätten selbst entschieden, den Beihilfebetrag zu ändern, um die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens abzuwenden, sei nicht stichhaltig. Angesichts des objektiven Charakters der Beurteilung, welcher Berichtigungsfaktor anzuwenden sei, sei eine eingehende Untersuchung nutzlos gewesen, so dass für die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens kein Grund bestanden habe.

31 Zweitens hält sich die Klägerin für klagebefugt und weist das Vorbringen zurück, sie sei durch die Entscheidung nicht unmittelbar betroffen. Diese verursache ihr einen erheblichen Schaden, da sie die Beihilfe nur in einer niedrigeren Höhe als ursprünglich vorgesehen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erkläre. Die Situation sei also völlig anders als in der Rechtssache NBV und NVB/Kommission, wo der beanstandete Grund keine notwendige Grundlage des verfügenden Teils dargestellt habe.

32 Schließlich sei eine Anrufung der nationalen Gerichte völlig unangebracht, da diese nach ständiger Rechtsprechung an die Entscheidung der Kommission gebunden seien, so dass es für den Beihilfeempfänger ausgeschlossen sei, die Rechtswidrigkeit der Entscheidung geltend zu machen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92, TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833).

Würdigung durch das Gericht

33 Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person voraus, dass diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der betreffenden Handlung nachweist (vgl. insbesondere Urteile NBV und NVB/Kommission, Randnr. 33, und Gencor/Kommission, Randnr. 40).

34 In der vorliegenden Rechtssache ficht die Klägerin nicht den verfügenden Teil der Entscheidung an, mit der die Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 das individuelle Beihilfevorhaben zugunsten der Klägerin aufgrund seiner Anmeldung durch die italienischen Behörden nach einer Vorprüfung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG erklärte. Vielmehr beantragt sie die Nichtigerklärung der Entscheidung nur, soweit die Kommission auf den Wettbewerbsfaktor den Berichtigungsfaktor 0,75 anstelle des Faktors 1 anwandte und die Beihilfe daher nur in Höhe von 29 176,69 Millionen ITL für vereinbar erklärte.

35 Es ist daher zu prüfen, ob die Klägerin als Empfängerin der fraglichen individuellen Beihilfe, die vom betreffenden Mitgliedstaat gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 659/1999 rechtzeitig angemeldet wurde, diese Gründe der Entscheidung, mit der die Kommission nach der Vorprüfung erklärte, gegen das Beihilfevorhaben keine Einwände zu erheben, anfechten kann, ohne den verfügenden Teil der Entscheidung in Frage zu stellen.

36 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Nichtigkeitsklage nur gegen Handlungen gegeben, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen Eingriff in seine Rechtsstellung beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375, Randnr. 62; Urteil des Gerichts vom 22. März 2000 in den Rechtssachen T-125/97 und T-127/97, Coca-Cola/Kommission, Slg. 2000, II-1733, Randnr. 77).

37 Für die Feststellung, ob eine Handlung oder eine Entscheidung solche Wirkungen erzeugt, ist ihr Sachgehalt zu untersuchen (Urteil Frankreich u. a./Kommission, Randnr. 63, und Urteil Coca-Cola/Kommission, Randnr. 78).

38 Daher befreit die bloße Tatsache, dass die angemeldete Beihilfe durch die Entscheidung für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt wird und diese somit für die Klägerin grundsätzlich keine Beschwer darstellt, das Gericht nicht von der Prüfung, ob die Beurteilung der Kommission, auf dem betreffenden Markt sei ein relativer Rückgang zu verzeichnen, weshalb für den Wettbewerbsfaktor der Berichtigungsfaktor 0,75 anzuwenden sei, verbindliche Rechtswirkungen erzeugt, die die Interessen der Klägerin beeinträchtigen (vgl. entsprechend Urteil Coca-Cola/Kommission, Randnr. 79).

39 Hierzu ist zunächst festzustellen, dass bei der Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe, die in den multisektoralen Rahmen fällt, die Festsetzung des auf den Wettbewerbsfaktor anzuwendenden Berichtigungsfaktors das Ergebnis einer Untersuchung der Struktur und Konjunktur des Marktes ist, die die Kommission beim Erlass ihrer Entscheidung auf der Grundlage der objektiven Merkmale des multisektoralen Rahmens vorzunehmen hat (siehe oben, Randnr. 4).

40 Im Übrigen kann, da die zulässige Beihilfehöchstintensität mittels einer Berechnungsformel festgesetzt wird, bei der insbesondere ein Berichtigungsfaktor auf den Wettbewerb angewandt wird, die Beurteilung der Kommission, welcher Berichtigungsfaktor spezifisch anwendbar ist, verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, da sie für die Höhe der Beihilfe, die für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt werden kann, maßgeblich ist.

41 Die Wirkungen einer solchen Beurteilung können jedoch dann nicht als Beeinträchtigung der Interessen des durch die Beihilfe begünstigten Unternehmens angesehen werden, wenn nach der Vorprüfung durch die Kommission die zulässige Beihilfehöchstintensität höher als die von dem betroffenen Mitgliedstaat angemeldete Beihilfe oder ebenso hoch wie diese ist. In diesem Fall ist nämlich die Beihilfe, die der Mitgliedstaat dem begünstigten Unternehmen gewähren wollte, zwingend für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären, sofern sie den Voraussetzungen für die Anwendung des multisektoralen Rahmens entspricht.

42 In der Entscheidung sah sich die Kommission aufgrund ihrer Beurteilung hinsichtlich der insbesondere auf den Wettbewerbsfaktor anzuwendenden Berichtigungsfaktoren dazu veranlasst, eine zulässige Beihilfehöchstintensität (15,75 % NSÄ) festzusetzen, die höher als die Intensität der angemeldeten Beihilfe (15,56 % NSÄ) war. Da die Kommission die Beihilfe dementsprechend für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte, beeinträchtigt die bloße Beurteilung, dass auf den Wettbewerb der Berichtigungsfaktor 0,75 anzuwenden sei, nicht die Interessen der Klägerin.

43 Dieses Ergebnis wird nicht durch den Umstand widerlegt, dass die italienischen Behörden im Laufe der Vorprüfung die ursprüngliche Anmeldung änderten, indem sie eine Beihilfegewährung an die Klägerin in Höhe von 29 176,69 Millionen ITL anstelle von 46 312,2 Millionen ITL vorsahen, um die Zweifel der Kommission hinsichtlich der Vereinbarkeit des angemeldeten Vorhabens mit dem Gemeinsamen Markt zu zerstreuen.

44 Da die italienischen Behörden mit der Änderung der Anmeldung Zweifeln der Kommission Rechnung tragen wollten, die geeignet waren, die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 659/1999 zu rechtfertigen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 20. März 1984 in der Rechtssache 84/82, Deutschland/Kommission, Slg. 1984, 1451, Randnrn. 14 und 17), genügt der Hinweis, dass die Klägerin die Nichtigerklärung der Entscheidung nicht zu dem Zweck beantragt, die Einhaltung der Verfahrensgarantien durchzusetzen, die Artikel 6 der Verordnung Nr. 659/1999 zugunsten der Beteiligten für den Fall der Eröffnung eines solchen förmlichen Verfahrens vorsieht. Sie trägt in ihrer Stellungnahme zur Unzulässigkeitseinrede der Kommission vielmehr vor, es habe hinsichtlich des ursprünglich von der italienischen Regierung angemeldeten Vorhabens kein Grund für die Eröffnung dieses Verfahrens bestanden.

45 Da die Klägerin nicht geltend macht, durch die Nichteröffnung des förmlichen Prüfverfahrens beschwert zu sein, kann folglich nicht angenommen werden, sie habe gegenüber der Entscheidung deshalb ein Rechtsschutzinteresse, weil sie als durch die Beihilfe begünstigtes Unternehmen Beteiligte gewesen sei (Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1984 in der Rechtssache 323/82, Intermills/Kommission, Slg. 1984, 3809, Randnr. 16) und damit im Fall der Eröffnung des Verfahrens berechtigt gewesen wäre, gegenüber der Kommission insbesondere zur Wettbewerbssituation auf dem Markt Stellung zu nehmen.

46 Schließlich hätte entgegen der Behauptung der Klägerin die Nichtigerklärung der beanstandeten Feststellung bezüglich des auf den Wettbewerbsfaktor anzuwendenden Berichtigungsfaktors für sich allein noch nicht die Zahlung einer höheren Beihilfe als derjenigen zur Folge, die Gegenstand der Entscheidung ist. Eine Erhöhung der gewährten Beihilfe würde nämlich zum einen voraussetzen, dass die italienischen Behörden ein neues Beihilfevorhaben und eine entsprechende neue Anmeldung bei der Kommission beschlossen hätten, und zum anderen, dass die Kommission dieses neue Beihilfevorhaben für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte. Eine Nichtigerklärung der Entscheidung wäre also keine Garantie für die Zahlung zusätzlicher Beträge an die Klägerin seitens der italienischen Behörden.

47 Unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens nimmt die Entscheidung den italienischen Behörden nicht die Möglichkeit, ein Vorhaben anzumelden, mit dem der Klägerin eine weitere Beihilfe gewährt oder die bereits gewährte Beihilfe geändert werden soll. Nach der Rechtsprechung wäre die Klägerin, falls die Kommission eine Entscheidung erließe, durch die ein solches Vorhaben ganz oder teilweise abgelehnt würde, als durch die vorgesehene individuelle Beihilfe begünstigtes Unternehmen berechtigt, dagegen eine Nichtigkeitsklage zu erheben (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1980 in der Rechtssache 730/79, Philip Morris Holland/Kommission, Slg. 1980, 2671, Randnr. 5, Intermills/Kommission, Randnr. 5, und TWD Textilwerke Deggendorf, Randnr. 24).

48 Zu dem Argument des Fehlens eines effektiven innerstaatlichen Rechtsschutzes genügt der Hinweis, dass ein solcher Umstand, selbst wenn er bewiesen wäre, keine Änderung des im Vertrag geregelten Rechtsschutz- und Verfahrenssystems im Wege richterlicher Auslegung rechtfertigen könnte (Beschluss des Gerichtshofes vom 23. November 1995 in der Rechtssache C-10/95 P, Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149, Randnr. 26, und Urteil des Gerichts vom 22. Februar 2000 in der Rechtssache T-138/98, ACAV u. a./Rat, Slg. 2000, II-341, Randnr. 68). Überdies hindert der Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits, falls die Italienische Republik gegenüber der Klägerin Vertragspflichten, namentlich was die Höhe der angemeldeten Beihilfe angeht, verletzt haben sollte, nicht daran, die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der nationalen Verwaltungsbehörden vor einem nationalen Gericht nachprüfen zu lassen.

49 Nach alledem ist die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

50 Nach Artikel 87 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück