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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: T-217/03
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 81 Abs. 1
EG Art. 82
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Erste Kammer)

13. Dezember 2006(*)

"Wettbewerb - Artikel 81 Absatz 1 EG - Rindfleisch - Aussetzung der Einfuhren - Von den Berufsverbänden festgesetzte Mindestpreise -Verordnung Nr. 26 - Unternehmensvereinigungen - Wettbewerbsbeschränkung - Aktionen der Berufsverbände - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Begründungspflicht - Leitlinien für die Berechnung der Höhe der Geldbußen -Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung - Erschwerende und mildernde Umstände - Verbot der Doppelbestrafung - Verteidigungsrechte"

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-217/03 und T-245/03

Fédération nationale de la coopération bétail und viande (FNCBV) mit Sitz in Paris (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Collin, M. Ponsard und N. Decker,

Klägerin in der Rechtssache T-217/03,

Fédération nationale des syndicats d'exploitants agricoles (FNSEA) mit Sitz in Paris,

Fédération nationale bovine (FNB) mit Sitz in Paris,

Fédération nationale des producteurs de lait (FNPL) mit Sitz in Paris,

Jeunes agriculteurs (JA) mit Sitz in Paris,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte B. Neouze und V. Ledoux,

Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03,

unterstützt durch

Französische Republik, zunächst vertreten durch G. de Bergues, F. Million und R. Abraham, dann durch M. de Bergues, E. Belliard und S. Ramet als Bevollmächtigte,

Streithelferin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver, A. Bouquet und O. Beynet als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/600/EG der Kommission vom 2. April 2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/C.38.279/F3 - Viandes bovines françaises) (JO L 209, p. 12), hilfsweise wegen Nichtigerklärung oder Herabsetzung der mit dieser Entscheidung verhängten Geldbußen

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten R. García-Valdecasas, des Richters J. D. Cooke und der Richterin I. Labucka,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 1 der Verordnung Nr. 26 vom 4. April 1962 zur Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen (ABl. 1962, 30, S. 993) bestimmt, dass die Artikel [81] bis [86] [EG] sowie die zu ihrer Anwendung ergangenen Bestimmungen vorbehaltlich des Artikels 2 auf alle in den Artikeln [81] Absatz 1 [EG] und [82] [EG] genannten Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen bezüglich der Produktion der in Anhang [I] [des EG-Vertrags] aufgeführten Erzeugnisse und den Handel mit diesen Anwendung finden. Zu diesen Erzeugnissen gehören u. a. Fleisch und genießbarer Schlachtabfall.

2 Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung bestimmt:

"Artikel [81] Absatz (1) [EG] gilt nicht für die in Artikel 1 genannten Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen, die wesentlicher Bestandteil einer einzelstaatlichen Marktordnung sind oder zur Verwirklichung der Ziele des Artikels [33 EG] notwendig sind. Er gilt insbesondere nicht für Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben, Vereinigungen von landwirtschaftlichen Erzeugerbetrieben oder Vereinigungen von solchen Erzeugervereinigungen aus einem Mitgliedstaat, soweit sie ohne Preisbindung die Erzeugung oder den Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder die Benutzung gemeinschaftlicher Einrichtungen für die Lagerung, Be- oder Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse betreffen, es sei denn, die Kommission stellt fest, dass dadurch der Wettbewerb ausgeschlossen wird oder die Ziele des Artikels [33 EG] gefährdet werden."

Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

3 Der Klägerin in der Rechtssache T-217/03, der Fédération nationale de la coopération bétail et viande (FNCBV, nationaler Genossenschaftsverband für Viehzucht und Fleischerzeugung), gehören 300 Erzeugergenossenschaften von Rinder-, Schweine- und Schafzuchtbetrieben sowie etwa 30 Schlacht- bzw. Fleischverarbeitungsbetriebe in Frankreich an.

4 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03, die Fédération nationale des syndicats d'exploitants agricoles (FNSEA, nationaler Verband der landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe), die Fédération nationale bovine (FNB, nationaler Verband der Rinderzüchter), die Fédération nationale des producteurs de lait (FNPL, nationaler Verband der Milchproduzenten) und die Jeunes agriculteurs (JA, Jungbauern), sind Berufsverbände französischen Rechts. Die FNSEA ist der größte französische Bauernverband. Auf der untersten Stufe besteht sie aus Ortsverbänden, die in Fédérations bzw. Unions départementales des syndicats d'exploitants agricoles (FDSEA bzw. UDSEA, Zusammenschlüsse von Bauernverbänden auf Departementsebene) organisiert sind. Die Aktivitäten der FDSEA bzw. UDSEA werden auf regionaler Ebene von regionalen Verbänden koordiniert. Der FNSEA gehören außerdem 33 Fachverbände an, die die speziellen Interessen eines bestimmten Produktionszweigs vertreten; hierzu gehören die FNB und die FNPL, die beide die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 unterzeichneten. Die JA schließlich vertreten die jungen Landwirte unter 35 Jahren. Die Mitgliedschaft in der örtlichen Vereinigung der JA setzt die Mitgliedschaft im Ortsverband der FDSEA/UDSEA voraus.

I - Die zweite BSE-Krise

5 Ab Oktober 2000 wurden in mehreren Mitgliedstaaten neue Fälle von spongiformer Rinderenzephalopathie (BSE, so genannter Rinderwahnsinn) festgestellt. Zur gleichen Zeit wurden britische Schafherden von Maul- und Klauenseuche heimgesucht. Dies führte zu einem Vertrauensverlust seitens der Verbraucher, der in Europa Auswirkungen auf den Fleischkonsum im Allgemeinen hatte und u. a. den Rindfleischsektor in eine neue Krise stürzte. Tatsächlich ging der Fleischkonsum besonders in Frankreich stark zurück, und es kam zu einer beträchtlichen Verringerung der französischen Import- bzw. Exportvolumina. Desgleichen sanken die Produktionspreise für ausgewachsene Rinder in Frankreich deutlich, während die Endverbraucherpreise relativ stabil blieben.

6 Zur Überwindung dieser Krise ergriffen die Gemeinschaftsbehörden eine Reihe von Maßnahmen. So erweiterten sie den Anwendungsbereich der Interventionsmechanismen, die dazu dienen, bestimmte Mengen von Rindfleisch vom Markt zu nehmen, um das Angebot der Nachfrage anzupassen, und erließen eine Regelung über den Kauf lebender Tiere sowie eine Regelung über den Ankauf von Schlachtkörpern oder Schlachtkörperhälften im Rahmen von Ausschreibungen ("Sonderankaufsregelung"). Außerdem ermächtigte die Kommission mehrere Mitgliedstaaten, darunter Frankreich, dem Rindfleischsektor Beihilfen zu gewähren.

7 Die französischen Landwirte hielten diese Maßnahmen jedoch für unzureichend. Im September und Oktober 2001 waren die Beziehungen zwischen Züchtern und Schlachthofbetreibern in Frankreich besonders gespannt. So hielten Gruppen von Züchtern rechtswidrig Lastwagen an, um den Ursprung der Fleischladungen zu überprüfen, und es wurden Schlachthöfe blockiert. Bisweilen kam es bei diesen Aktionen zur Zerstörung von Material und Fleisch. Als Voraussetzung für eine Aufhebung der Blockaden der Schlachthöfe forderten die demonstrierenden Landwirte die Schlachthofbetreiber auf, sich zu einer Aussetzung der Einfuhren und zur Anwendung von Mindestpreisen zu verpflichten, die von den Berufsverbänden festgesetzt wurden (Mindestpreisschema).

II - Abschluss der streitigen Vereinbarungen und Verwaltungsverfahren vor der Kommission

8 Im Oktober 2001 fanden mehrere Sitzungen der Verbände der Rinderzüchter (der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03) und der Verbände der Schlachthofbetreiber (der Fédération nationale de l'industrie et des commerces en gros des viandes [FNICGV] und der Klägerin in der Rechtssache T-217/03) statt. Das Treffen vom 24. Oktober 2001, das auf Vorschlag des französischen Landwirtschaftsministers abgehalten wurde, endete mit dem Abschluss einer Vereinbarung zwischen diesen sechs Verbänden, nämlich FNSA, FNB, FNPL, JA, FNCBV und FNICGV ("Vereinbarung zwischen dem Verband der Züchter und dem Verband der Schlachthofbetreiber über die Mindestpreise - schlachtreife Kühe frei Schlachtstätte").

9 Diese Vereinbarung enthielt zwei Teilaspekte. Der erste betraf eine "vorübergehende Verpflichtung zur Aussetzung der Einfuhren", in der nicht nach Rindfleischarten unterschieden wurde. Der zweite betraf eine "Verpflichtung zur Anwendung der Mindestpreise frei Schlachtstätte beim Kauf von Schlachtkühen" (d. h. von Kühen, die entweder zur Reproduktion oder zur Milchproduktion bestimmt sind) gemäß den in der Vereinbarung festgesetzten Modalitäten. So enthielt diese eine Liste mit Kilogrammpreisen für die Schlachtkörper bestimmter Kategorien von Kühen, und für die anderen Kategorien den zugrunde zu legenden Berechnungsmodus in Abhängigkeit von dem von den Gemeinschaftsbehörden festgesetzten Sonderankaufspreis. Die Vereinbarung sollte am 29. Oktober 2001 in Kraft treten und bis Ende November 2001 gelten.

10 Die Kommission richtete am 30 Oktober 2001 an die französischen Behörden ein Schreiben, in dem sie um Informationen über die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 bat.

11 Am 31. Oktober 2001 fand in Rungis (Frankreich) auf Anregung der FNICGV ein Treffen der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 und der FNICGV statt. Diese Verbände erzielten folgenden Kompromiss (im Folgenden: Rungis-Kompromiss):

"Sitzung 'Importfleisch'

31. Oktober 2001 - Rungis

Die im Import-Export-Bereich spezialisierten französischen Unternehmen sind mit den Erzeugerverbänden (FNSEA, FNB, FNPL und [JA]), die die branchenübergreifende nationale Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 unterzeichnet haben, zusammengetroffen.

...

Sie bekräftigen die zwingende Notwendigkeit der Wiederherstellung eines ausgewogenen Verhältnisses von Angebot und Nachfrage...

In der beispiellosen Krisensituation, in der sich die Erzeugerunternehmen befinden, bitten die Vertreter der Züchter die Import- und Exportunternehmen nachdrücklich, sich den Ernst der Lage vor Augen zu führen.

Angesichts dieser Situation verpflichten sich die Import- und Exportunternehmen, ihre Solidarität unter Beweis zu stellen."

12 Am 9. November 2001 beantworteten die französischen Behörden das Auskunftsersuchen der Kommission vom 30. Oktober 2001.

13 Ebenfalls am 9. November 2001 richtete die Kommission an die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 sowie an die FNICGV ein Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] [EG] (ABl. 1962, 13, S. 204). Da der Kommission zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt war, dass auch die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 unterzeichnet hatte, erging an diese kein entsprechendes Schreiben. Die fünf angeschriebenen Verbände beantworteten das Auskunftsverlangen am 15. bzw. 23. November 2001.

14 Der Präsident der FNICGV teilte dem Präsidenten der FNSEA am 19. November 2001 mit, er sehe sich gezwungen, das ursprünglich auf den 30. November 2001 festgesetzte Auslaufen der Vereinbarung auf diesen Tag vorzuziehen.

15 Am 26. November 2001 richtete die Kommission ein Warnschreiben an die sechs Verbände, die die Vereinbarung unterzeichnet hatten, wies sie darauf hin, dass die ihr bekannt gewordenen Tatsachen einen Verstoß gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln nahe legten, und forderte sie auf, sich hierzu bis spätestens 30. November zu äußern und Vorschläge zu machen. In diesem Schreiben heißt es: "Für den Fall, dass binnen dieser Frist keine zufriedenstellenden Vorschläge gemacht werden, ist beabsichtigt, ein Verfahren zur Feststellung dieser Verstöße einzuleiten und für den Fall der Verlängerung der Vereinbarung deren Abstellung anzuordnen; dieses Verfahren kann gegebenenfalls zur Verhängung von Geldbußen führen." Die Verbände antworteten der Kommission, dass die Vereinbarung am 30. November 2001 ablaufe und nicht verlängert werde.

16 Am 17. Dezember 2001 nahm die Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der FNSEA und der FNB in Paris sowie gemäß Artikel 14 Absatz 2 dieser Verordnung in den Pariser Geschäftsräumen der FNICGV vor.

17 Am 24. Juni 2002 richtete die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die sechs Verbände. Diese reichten dazu im Zeitraum vom 23. September bis 4. Oktober 2002 schriftliche Erklärungen ein. Die mündliche Anhörung der Verbände fand am 31. Oktober 2002 statt.

18 Am 10. Januar 2003 übersandte die Kommission den Klägerinnen ein Auskunftsverlangen im Sinne von Artikel 11 der Verordnung Nr. 17. Sie forderte sie unter anderem auf, ihr für die Jahre 2001 und 2002 den Gesamtbetrag der Einkünfte jedes Verbandes nebst Aufschlüsselung nach dem Ursprung sowie seine Bilanzen und für das letzte verfügbare Geschäftsjahr den Umsatz (insgesamt und für die Rinderproduktion oder -schlachtung) ihrer unmittelbaren und/oder mittelbaren Mitglieder anzugeben. Die Klägerinnen antworteten darauf mit Schreiben vom 22., 24., 27. und 30. Januar 2003.

III - Angefochtene Entscheidung

19 Am 2. April 2003 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/600/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/C.38.279/F3 - Viandes bovines françaises) (ABl. L 209, S. 12, im Folgenden: angefochtene Entscheidung), deren Adressaten die Klägerinnen und die FNICGV sind.

20 Dieser Entscheidung zufolge verletzten diese Berufsverbände Artikel 81 Absatz 1 EG durch den Abschluss der schriftlichen Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 über die Festsetzung von Mindestpreisen für bestimmte Rindfleischkategorien und über einen vorläufigen Importstopp für Rindfleisch nach Frankreich und durch die Ende November und Anfang Dezember getroffene, auf denselben Zweck gerichtete und seit Ablauf der Vereinbarung geltende mündliche Absprache.

21 Die Kommission lehnte in den Randnummern 135 bis 149 der angefochtenen Entscheidung die Anwendung der Ausnahme ab, die in der Verordnung Nr. 26 zugunsten bestimmter mit der Produktion und dem Vertrieb von Agrarerzeugnissen zusammenhängender Tätigkeiten vorgesehen ist, und stellte fest, dass die Vereinbarung zur Erreichung der in Artikel 33 EG vorgesehenen Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik nicht notwendig gewesen sei. Außerdem gehöre die streitige Vereinbarung nicht zu den in der Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 160, S. 21) oder den zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften vorgesehenen Mitteln. Schließlich seien die ergriffenen Maßnahmen im Hinblick auf die angeblich verfolgten Ziele unverhältnismäßig.

22 Der angefochtenen Entscheidung zufolge begann die Zuwiderhandlung am 24. Oktober 2001 und dauerte mindestens bis zum 11. Januar 2002, dem Tag, an dem die letzte der Kommission bekannte lokale Vereinbarung zur Umsetzung der auf nationaler Ebene eingegangenen Verpflichtung ablief.

23 Die Zuwiderhandlung wurde sowohl aufgrund ihrer Art als auch aufgrund des räumlichen Umfangs des betreffenden Marktes als besonders schwerwiegend eingestuft. Zur Feststellung des individuellen Grades der Beteiligung jedes Berufsverbandes stellte die Kommission auf das Verhältnis zwischen der Höhe des vom Hauptlandwirtschaftsverband, der FNSEA, erhobenen Mitgliedsbeitrags und der Höhe der von jedem Landwirtschaftsverband erhobenen Jahresbeiträge ab. Da die Zuwiderhandlung im Übrigen nur von kurzer Dauer war, sah die Kommission insoweit von einer Erhöhung des Grundbetrags ab.

24 Die Kommission bejahte sodann im Hinblick auf die Klägerinnen mehrere erschwerende Umstände:

- Sie erhöhte den Betrag der gegen FNSEA, JA und FNB verhängten Geldbußen um 30 %, da ihre Mitglieder die Vereinigungen der Schlachthofbetreiber mit Gewalt zum Abschluss der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 gedrängt hätten;

- sie bejahte für alle Klägerinnen den erschwerenden Umstand der heimlichen Fortsetzung der Vereinbarung nach Erhalt des Warnschreibens vom 26. November 2001 und erhöhte die ihnen auferlegte Geldbuße um 20 %;

- sie trug der ihrer Meinung nach herausragenden Rolle der FNB bei der Vorbereitung und Durchführung der Zuwiderhandlung Rechnung und erhöhte die diesem Berufsverband auferlegte Geldbuße um 30 %.

25 Andererseits berücksichtigte die Kommission verschiedene mildernde Umstände:

- Sie setzte den Betrag der der FNPL auferlegten Geldbuße um 30 % herab, da diese sich lediglich passiv verhalten bzw. als Mitläufer agiert habe;

- zugunsten der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 berücksichtigte sie erstens, dass sich der französische Landwirtschaftsminister nachdrücklich für den Abschluss der Vereinbarung ausgesprochen hatte (Herabsetzung um 30 %), und zweitens, dass die Schlachthöfe ihrer Mitglieder illegalen Blockaden seitens der Landwirte ausgesetzt waren (weitere Herabsetzung um 30 %).

26 Außerdem trug die Kommission gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), den besonderen Umständen des vorliegenden Falles Rechnung, insbesondere dem wirtschaftlichen Zusammenhang, der durch die Krise dieses Sektors gekennzeichnet war, und setzte die sich aus der Anwendung der vorgenannten Erhöhungen und Herabsetzungen ergebenden Geldbußen um 60 % niedriger an.

27 Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

"Artikel 1

Die [FNSEA], die [FNB], die [FNPL], die [JA], die [FNICGV] und die [FNCBV] haben dadurch gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen, dass sie am 24. Oktober 2001 eine Vereinbarung geschlossen haben, welche die Aussetzung der Rindfleischimporte nach Frankreich und die Festsetzung eines Mindestpreises für bestimmte Kategorien von Rindern vorsah, und Ende November/Anfang Dezember 2001 eine mündliche Absprache ähnlichen Inhalts geschlossen haben.

Der Verstoß hat am 24. Oktober 2001 begonnen und sich mindestens bis zum 11. Januar 2002 ausgewirkt.

Artikel 2

Die in Artikel 1 genannten Verbände stellen den darin erwähnten Verstoß unverzüglich ein, falls sie dies noch nicht getan haben, und enthalten sich künftig jeglicher Vereinbarung, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben könnte.

Artikel 3

Es werden folgende Geldbußen verhängt:

- FNSEA: 12 Mio. EUR,

- FNB: 1,44 Mio. EUR,

- JA: 600 000 EUR,

- FNPL: 1,44 Mio. EUR,

- FNICGV: 720 000 EUR,

- FNCBV: 480 000 EUR."

Verfahren und Anträge der Parteien

28 Die Klägerinnen haben mit Klageschriften, die am 19. und 20. Juni 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, die vorliegenden Klagen erhoben.

29 Außerdem hat die FNICGV mit Klageschrift, die am 7. Juli 2003 eingegangen ist, Klage auf Nichtigerklärung der durch die Entscheidung gegen sie verhängten Geldbuße, hilfsweise, deren Herabsetzung erhoben (Rechtssache T-252/03). Das Gericht hat diese Klage durch Beschluss vom 9. November 2004 als unzulässig abgewiesen.

30 Die Klägerinnen haben mit besonderen Schriftsätzen, die am 2. und 11. Juli 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, vorläufige Maßnahmen beantragt, um ganz oder teilweise von der Verpflichtung entbunden zu werden, Bankgarantien zu stellen, die ihnen als Voraussetzung für den Verzicht auf die sofortige Einziehung der durch die angefochtene Entscheidung festgesetzten Geldbußen auferlegt worden war.

31 Die Französische Republik hat am 7. Oktober 2003 in allen Rechtssachen Anträge auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen eingereicht. Der Präsident der Fünften Kammer des Gerichts hat diesen Anträgen durch Beschlüsse vom 6. November 2003 stattgegeben. Die Französische Republik hat am 23. Dezember 2003 Streithilfeschriftsätze eingereicht.

32 Der Präsident des Gerichts hat die Verpflichtung der Klägerinnen - mit Ausnahme der FNPL, die keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte -, Bankgarantien zugunsten der Kommission zu stellen, um die sofortige Einziehung der Geldbußen zu vermeiden, durch Beschlüsse vom 21. Januar 2004 für einen bestimmten Zeitraum unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt.

33 Das Gericht hat die Verfahrensbeteiligten im Rahmen prozessleitender Maßnahmen am 21. Februar und am 8. und 9. März 2006 aufgefordert, Dokumente vorzulegen und Fragen zu beantworten. Die Verfahrensbeteiligten sind dieser Aufforderung fristgemäß nachgekommen.

34 Das Gericht (Erste Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

35 Der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts hat die Rechtssachen T-217/03 und T-245/03 mit Beschluss vom 3. April 2006 nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten verbunden.

36 Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 17. Mai 2006 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

37 Die Klägerinnen beantragen,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, die ihnen mit der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbußen für nichtig zu erklären, oder ganz hilfsweise, sie herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

38 Die Französische Republik beantragt als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Klägerinnen,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

39 Die Kommission beantragt,

- die Klagen abzuweisen,

- den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

40 Die Klägerinnen haben dem Gericht mit Schreiben vom 19. und 22. Mai 2006 zu den Verwaltungsakten der Kommission gehörende Dokumente übersandt, die dem Gericht zuvor nicht vollständig übermittelt worden waren. Das Gericht hat mit Beschluss vom 7. Juli 2006 gemäß Artikel 62 seiner Verfahrensordnung die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung angeordnet.

41 Das Gericht hat nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten eine prozessleitende Maßnahme gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung getroffen und die von den Klägerinnen am 19. und 22. Mai 2006 eingereichten Dokumente zu den Akten genommen. Die Kommission hat mit Schriftsatz vom 2. August 2006 zu diesen Dokumenten Stellung genommen.

42 Die mündliche Verhandlung ist am 2. September 2006 geschlossen worden.

Entscheidungsgründe

43 Die Klägerinnen beantragen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, hilfsweise, die ihnen durch diese Entscheidung auferlegten Geldbußen für nichtig zu erklären oder herabzusetzen.

I - Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung

44 Die Klägerinnen stützen ihre Anträge auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung auf fünf Klagegründe: erstens offensichtliche Beurteilungsfehler und Rechtsfehler bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG, zweitens offensichtliche Beurteilungsfehler und Rechtsfehler bei der Feststellung des Umfangs und der Dauer der Zuwiderhandlung, drittens Nichtanwendung der in der Verordnung Nr. 26 vorgesehenen Ausnahmeregelung auf die streitige Vereinbarung, viertens Verletzung der Verteidigungsrechte und fünftens Verletzung der Begründungspflicht.

A - Der erste Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler und Rechtsfehler bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG

45 Die Klägerinnen bestreiten nicht den Abschluss der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001, verneinen aber, dass diese gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstößt. Die Klägerinnen in der Rechtssache der T-245/03 beanstanden, dass die Kommission sie als Unternehmensvereinigungen im Sinne dieser Vorschrift ansieht, und machen geltend, die Kommission habe durch die angefochtene Entscheidung ihre Koalitionsfreiheit eingeschränkt. Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 führt aus, die Vereinbarung habe den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht spürbar beeinträchtigt. Schließlich tragen die Klägerinnen in beiden Rechtssachen vor, dass die streitige Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung enthalten habe.

1. Zur Qualifizierung der Klägerinnen als Unternehmensvereinigungen

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

46 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 tragen erstens vor, der Kommission sei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen und sie habe Artikel 81 Absatz 1 EG verletzt, indem sie sie als Unternehmensvereinigungen angesehen habe. Selbst wenn man die beiden unteren Ebenen ihrer pyramidenförmig hierarchisierten Organisationen (nämlich die Verbände auf Departementsebene und die Ortsverbände) berücksichtige, seien ihre Mitglieder keine Unternehmen, sondern Berufsverbände oder Bauernverbände. Desgleichen könnten die Mitglieder der Ortsverbände nicht Unternehmen gleichgestellt werden, da das Kriterium für die Mitgliedschaft in diesen Verbänden nicht die Eigenschaft als landwirtschaftlicher Erzeugerbetrieb sei, denn die Mitgliedschaft sei weder an die Eigenschaft als Betriebsleiter bei individuellen Betrieben gebunden (auch der Ehegatte des Betriebsleiters könne Mitglied werden) noch an die des Vertreters der juristischen Person bei Betrieben in Gesellschaftsform (jeder Gesellschafter beschließe persönlich, ob er dem Ortsverband beitreten wolle oder nicht). Die Klägerinnen weisen zweitens darauf hin, dass die Kommission ihre Qualifizierung als Unternehmensvereinigungen in der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend begründet habe. Sie sei insbesondere nicht auf die Erklärungen eingegangen, die die FNSEA dazu während des Verwaltungsverfahrens abgegeben habe.

47 Die Kommission führt erstens aus, um zu bestimmen, ob die Klägerinnen Unternehmensvereinigungen seien, müsse festgestellt werden, wer letztlich ihre Mitglieder seien. Im vorliegenden Fall handele es sich um landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe, die zweifellos Unternehmen im Sinne des Artikel 81 Absatz 1 EG seien. Zweitens werde in der angefochtenen Entscheidung ausführlich begründet, weshalb die Klägerinnen Unternehmensvereinigungen im Sinne dieser Vorschrift seien.

b) Würdigung durch das Gericht

48 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 nicht bestreitet, dass es sich bei der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001, soweit sie sie betrifft, um eine Vereinbarung zwischen Unternehmensvereinigungen im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 EG handelt. Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 tragen ihrerseits vor, sie seien keine Unternehmensvereinigungen im Sinne dieser Vorschrift. Sie führen dazu im Wesentlichen aus, weder ihre unmittelbaren noch ihre mittelbaren Mitglieder seien Unternehmen.

49 Artikel 81 Absatz1 EG gilt für Vereinigungen, soweit deren eigene Tätigkeit oder die der in ihnen zusammengeschlossenen Unternehmen auf die Folgen abzielt, die diese Vorschrift unterbinden will (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Ladewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 88). Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist der Begriff Unternehmensvereinigung dahin auszulegen, dass auch Vereinigungen, deren Mitglieder selbst Unternehmensvereinigungen sind, darunter fallen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 26. Januar 2005 in der Rechtssache T-193/02, Piau/Kommission, Slg. 2005, II-209, Randnr. 69; entsprechend auch Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-136/94, Eurofer/Kommission, Slg. 1999, II-263, Randnr. 9).

50 Im vorliegenden Fall trafen die Klägerinnen die streitigen Vereinbarungen nicht im Interesse und im Namen ihrer unmittelbaren Mitglieder, bei denen es sich in der Tat um Berufsverbände oder Bauernverbände handelt, sondern im Interesse der landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, die deren Basismitglieder sind. So wurde die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001, die mit "Vereinbarung der Berufsverbände der Züchter und der Schlachthofbetreiber" überschrieben ist, u. a. von den "Berufsverbänden der Züchter" getroffen, und zwar "mit dem Ziel, Perspektiven für neue Beziehungen in der Branche zugunsten einer gerechten und legitimen Entlohnung aller Branchenangehörigen, der Züchter und der Unternehmen, zu eröffnen". Auch im Rungis-Protokoll wird ausdrücklich auf die "Erzeugerverbände" Bezug genommen. Daraus folgt, dass die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 Unternehmensvereinigungen im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 EG sind, zu Recht auf deren mittelbare oder Basismitglieder, nämlich die landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, abgestellt hat.

51 Somit ist zu untersuchen, ob die Kommission die landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, die mittelbaren oder Basismitglieder dieser Klägerinnen, zu Recht als Unternehmen im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 EG angesehen hat.

52 Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff des Unternehmens im Wettbewerbsrecht jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Dezember 1997 in der Rechtssache C-55/96, Job Centre, Slg. 1997, I-7119, Randnr. 21). Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (Urteil des Gerichts vom 30. März 2000 in der Rechtssache T-513/93, Consiglio Nazionale degli Spedizioneri Doganali/Kommission, Slg. 2000, II-1807, Randnr. 36).

53 Die Tätigkeit der Inhaber landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe, der Landwirte oder Viehzüchter, hat mit Sicherheit wirtschaftlichen Charakter, denn sie besteht in der Herstellung von Gütern, die sie gegen Bezahlung zum Kauf anbieten. Folglich sind landwirtschaftliche Erzeugerbetriebe Unternehmen im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 EG.

54 Demnach können die Verbände, in denen sie sich zusammenschließen und die sie vertreten, sowie die Zusammenschlüsse dieser Verbände für die Anwendung dieser Vorschrift als Unternehmensvereinigungen angesehen werden.

55 Dem steht nicht entgegen, dass die Ortsverbände auch die Ehegatten der Landwirte aufnehmen können. Erstens besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Ehegatten der Landwirte oder Züchter, die selbst Mitglied eines Ortsverbandes sind, ebenfalls an den Arbeiten im Familienbetrieb teilnehmen. Zweitens verliert eine Vereinigung ihren Charakter als Unternehmensvereinigung im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 EG nicht allein dadurch, dass sie auch Personen oder Einheiten aufnehmen kann, bei denen es sich nicht um Unternehmen handelt. Desgleichen ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, dass im Fall eines in Form einer Gesellschaft geführten Betriebes nicht die Gesellschaft durch ihren Vertreter, sondern jeder einzelne Gesellschafter dem Ortsverband beitritt. Denn wie bereits dargelegt worden ist (oben, Randnr. 52), kommt es für die Qualifizierung als Unternehmen nicht auf die Rechtsform oder die Art der Führung des fraglichen Betriebes an, sondern auf seine Aktivität und die Aktivität derer, die darin tätig sind.

56 Schließlich greift auch die Rüge der Verletzung der Begründungspflicht nicht durch, die im wesentlichen darauf gestützt wird, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht auf die Argumente eingegangen sei, die die FNSEA im Verwaltungsverfahren gegen ihre Qualifizierung als Unternehmensvereinigung vorgebracht habe.

57 Zwar hat die Kommission nach Artikel 253 EG die sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung abhängt, sowie die Erwägungen aufzuführen, die sie zu deren Erlass veranlasst haben; sie braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Fragen einzugehen, die während des Verwaltungsverfahrens vorgebracht wurden (Urteil des Gerichts vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 1999, II-931, Randnr. 388).

58 In der angefochtenen Entscheidung werden die These der FNSEA, sie sei weder ein Unternehmen noch eine Unternehmensvereinigung, sondern ein Berufsverband, sowie die Argumente der FNPL und der JA zu dieser Frage knapp wiedergegeben (siehe Randnr. 97 zweiter Gedankenstrich sowie Randnr. 98 und Randnr. 99 zweiter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung). Dieses Vorbringen wird in der angefochtenen Entscheidung ausführlich zurückgewiesen. So wird ausgeführt, dass die Klägerinnen die Vertretung der Landwirte wahrnähmen, die eine in der Erzeugung von Gütern, die sie zum Verkauf anböten, bestehende Tätigkeit ausübten, und dass die Verordnung Nr. 26 keinen Sinn hätte, wenn die Landwirte nicht ebenfalls Unternehmen wären (Randnr. 105 der angefochtenen Entscheidung), dass der Umstand, dass die Klägerinnen die Form von Berufsverbänden im Sinne des französischen Arbeitsgesetzbuches hätten, nichts an ihrer Eigenschaft als Unternehmensvereinigungen ändere (Randnrn. 110 und 111 der angefochtenen Entscheidung), dass ihre Betätigung als Berufsverband ihnen nicht das Recht gebe, gegen die Wettbewerbsregeln zu verstoßen, und dass vergleichbare Organisationen vom französischen Conseil de la Concurrence (Kartellamt) mit Sanktionen belegt worden seien (siehe Randnrn. 112 bis 114 der angefochtenen Entscheidung). Schließlich wird in dieser Entscheidung auch an die einschlägige Entscheidungspraxis der Kommission und die einschlägige Rechtsprechung erinnert (Randnrn. 104 und 116 der angefochtenen Entscheidung).

59 Aufgrund dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission die Qualifizierung der Klägerinnen als Unternehmensvereinigungen in der angefochtenen Entscheidung ausreichend begründet hat.

60 Somit ist diese Rüge insgesamt zurückzuweisen.

2. Zum Fehlen einer spürbaren Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

61 Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 führt aus, die Kommission habe keinen Beweis dafür erbracht, dass die streitige Vereinbarung den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar beeinträchtigt habe. Der die Aussetzung der Einfuhren betreffende Teilaspekt dieser Vereinbarung sei sofort durch das Rungis-Protokoll in Frage gestellt worden, und sie habe ohnehin fast keine Rinder importiert und sei somit von diesem Aspekt überhaupt nicht betroffen. Sie sei ein Zusammenschluss von Züchtergenossenschaften, die selbst Schlachtbetriebe unterhielten, wobei diese Genossenschaften fast ausschließlich die Rindfleischprodukte ihrer Mitglieder sammelten und vertrieben. Auch hätte die Kommission die Beeinträchtigung des Handels nicht ausschließlich aufgrund einer Prüfung der möglichen Wirkungen der Vereinbarung bejahen dürfen, sondern ihre tatsächlichen Wirkungen untersuchen müssen. Eine Prüfung der Entwicklung des Marktes im fraglichen Zeitraum ergebe jedoch nicht, dass die Vereinbarung Wirkungen auf die Einfuhrströme gehabt habe. Zu den Mindesteinkaufspreisen bemerkt die Klägerin, dass die Vereinbarung knapp einen Monat lang in Geltung gewesen sei und wegen dieser kurzen Dauer keinerlei Auswirkungen auf die Einfuhren nach Frankreich gehabt habe.

62 Die Kommission führt aus, dass eine Vereinbarung, die Einfuhrbeschränkungen bezwecke, ihrer Natur nach geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Außerdem sei die Preisabsprache geeignet gewesen, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen.

b) Würdigung durch das Gericht

63 Artikel 81 Absatz 1 EG ist nur auf solche Vereinbarungen anwendbar, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Eine Vereinbarung zwischen Unternehmen ist geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell in einem der Erreichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinne beeinflussen kann (Urteil des Gerichtshofes vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-359/01 P, British Sugar/Kommission, Slg. 200 4, I-4933, Randnr. 27, und Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1997 in den Rechtssachen T-213/95 und T-18/96, SCK und FNK/Kommission, Slg. 1997, II-1739, Randnr. 175).

64 Die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 enthielt eine Verpflichtung zur vorläufigen Aussetzung der Rindfleischeinfuhren nach Frankreich. Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, ist Frankreich einer der wichtigsten Rindfleischimporteure in der Gemeinschaft; die meisten dieser Einfuhren (etwa 95 %) kommen aus EU-Ländern (Randnr. 11 der angefochtenen Entscheidung). Die streitige Entscheidung war somit zwangsläufig geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

65 Dieses Ergebnis wird nicht vom Vorbringen der Klägerin erschüttert, dass der die "Einfuhren" betreffende Teil der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 nur einige Tage später durch die Unterzeichnung des Protokolls von Rungis vom 31. Oktober 2001 fallen gelassen worden sei. Denn jede Vereinbarung, die die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG erfüllt, fällt unter diese Vorschrift. Jedenfalls bezog sich, wie später (in Randnr. 136) festgestellt werden wird, das Rungis-Protokoll, das mit "Sitzung betr. Importfleisch" überschrieben ist, ausdrücklich auf die Einfuhren und implizierte nicht, dass die von den Klägerinnen beschlossenen Maßnahmen zur Aussetzung der Einfuhren völlig fallen gelassen wurden.

66 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerin, sie sei von dem die "Einfuhren" betreffenden Teilaspekt der Vereinbarung nicht betroffen gewesen, da ihre Mitglieder fast keine Rinder importierten. Nach den von der Klägerin vorgelegten Zahlen hält sich der Anteil der Einfuhren ihrer Mitglieder an der Gesamtmenge der Einfuhren von Rindfleisch nach Frankreich zwar in Grenzen, ist aber nicht völlig unbedeutend (im Jahre 2001 ca. 1,5 %, d. h. 3 865 Tonnen). Die Kommission hat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin unwidersprochen vorgetragen, dass deren Mitglieder in der Vergangenheit größere Mengen Rindfleisch importiert hätten (in dem Jahr vor Beginn der Krise 15 000 Tonnen). Zudem können die der Klägerin angehörenden Genossenschaften, auch wenn sie die Rindfleischproduktion ihrer Mitglieder sammeln und vermarkten, zusätzlich bis zu einer Grenze von 20 % ihres Jahresumsatzes die Produktion von ihnen nicht angeschlossenen Züchtern vertreiben. Schließlich brauchte die Kommission ohnehin nicht darzutun, dass der individuelle Tatbeitrag der Klägerin den innergemeinschaftlichen Handel beeinträchtigt hat, da die Zuwiderhandlung, an der sie beteiligt war, geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-14/89, Montedipe/Kommission, Slg. 1992, II-1155, Randnr. 254).

67 Zudem war der Teil der streitigen Vereinbarung, in dem Mindestpreise festgesetzt wurden, schon als solcher geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen. Denn wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, haben schon ihrem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem sie die vom EG-Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindern (Urteil SCK und FNK/Kommission, Randnr. 179). Insoweit sind insbesondere die relative Bedeutung der Vereinbarung für den fraglichen Markt und der wirtschaftliche Zusammenhang, in den sie sich einfügt, zu untersuchen. Der französische Rinderbestand machte zur entscheidungserheblichen Zeit mehr als 25 % des Rinderbestands in der Gemeinschaft aus (Randnr. 10 der angefochtenen Entscheidung). Auch hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass auf einem für Einfuhren durchlässigen Markt die Teilnehmer an einer nationalen Preisabsprache ihren Marktanteil nur wahren können, indem sie sich gegen ausländische Konkurrenz schützen (Urteil British Sugar/Kommission, Randnr. 28).

68 Schließlich war die Kommission entgegen der Meinung der Klägerin nicht verpflichtet, darzutun, dass sich die streitige Vereinbarung in der Praxis spürbar auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten ausgewirkt hatte. Nach Artikel 81 Absatz 1 EG müssen nämlich, wie in Randnummer 63 ausgeführt worden ist, die wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen lediglich geeignet sein, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (vgl. auch Urteil Montedipe/Kommission, Randnr. 253).

69 Folglich ist diese Rüge zurückzuweisen.

3. Zum Fehlen einer Wettbewerbsbeschränkung

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

70 Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, dass die streitige Vereinbarung den Wettbewerb nicht beschränkt habe und deshalb nicht unter Artikel 81 Absatz 1 EG falle.

71 Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die fragliche Vereinbarung einen wettbewerbswidrigen Zweck gehabt habe. Sie könne ihnen nicht den die Einfuhren betreffenden Teil dieser Vereinbarung anlasten, sondern dürfe ausschließlich die eventuelle Beschränkung des Preiswettbewerbs beurteilen. Die streitigen Mindestpreise seien auf der Grundlage der Interventionspreise festgesetzt worden, die von der Kommission selbst im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Rindfleisch festgesetzt worden seien; diese Preise stellten die Referenz für diesen Markt dar und seien sehr niedrig. Zudem habe die Vereinbarung während eines sehr kurzen Zeitraums nur sehr begrenzte oder vielmehr überhaupt keine konkreten Auswirkungen gehabt, und die Verbraucherpreise seien von ihr unberührt geblieben.

72 Die Klägerinnen führen weiter aus, in der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 sei es lediglich um einen empfohlenen Mindestpreis gegangen, zu dessen Einhaltung sie ihre Mitglieder im Übrigen nicht hätten zwingen können. Da es sich um eine vertikale Vereinbarung handele, sei die Festsetzung von empfohlenen Preisen ihrem Wesen nach keine Wettbewerbsbeschränkung. Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission vom 22. Dezember 1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 [EG] auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen (ABl. L 336, S. 21) verbiete es lediglich, dem Käufer einen Verkaufspreis vorzuschreiben, während im vorliegenden Fall die Schlachthofbetreiber die von den Handelsketten oder Großhändlern verlangten Preise frei bestimmen könnten. Schließlich weisen die Klägerinnen auf die Besonderheiten des Agrarsektors hin, der nicht das dauerhafte Entstehen eines spontanen Ausgleichs von Angebot und Nachfrage erlaube und einer Regulierung durch andere Mittel als die Gesetze des Marktes bedürfe, so dass die Wettbewerbsregeln nicht ipso iure auf diesen Sektor anwendbar seien. Zur Stützung ihres Vorbringens fügen die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 als Anlage ein Rechtsgutachten vom 2. Juni 2003 bei.

73 Außerdem müsse die Kommission bei der Beurteilung einer Wettbewerbsbeschränkung den rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang berücksichtigen, in dem die streitige Vereinbarung zustande gekommen sei: Nicht jede Vereinbarung zwischen Unternehmen, durch die die Handlungsfreiheit der Parteien oder einer der Parteien beschränkt werde, werde automatisch vom Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG erfasst (Urteil des Gerichtshofes vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C-309/99, Wouters u. a., Slg. 2002, I-1577, Randnr. 97). Eine Vereinbarung, die eine Wettbewerbsbeschränkung bezwecke oder bewirke, falle nicht unter dieses Verbot, wenn sie es ermögliche, andersartige Ziele zu erreichen, sofern die fraglichen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen dazu notwendig seien und nicht jeden Wettbewerb auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes ausschalteten. Die Kommission hätte deshalb eine gründliche und konkrete Prüfung der Natur und des Zwecks der fraglichen Vereinbarung sowie ihrer Wirkungen vornehmen müssen, was sie nicht getan habe.

74 Zudem habe die Kommission die extreme Krisensituation unterschätzt, in der sich die französischen Züchter von ausgewachsenen Rindern im entscheidungserheblichen Zeitraum befunden hätten. Die von der streitigen Entscheidung betroffenen Rinderpreise seien im Jahre 2001 im Durchschnitt auf ihr niedrigstes Niveau seit 1980 gesunken, und die dem Erzeuger nach Abzug der Transportkosten gezahlten Preise hätten selbst nach Abzug der erhaltenen Beihilfen unter dem Gestehungspreis gelegen. Der Rindfleischkonsum sei in Europa im Jahre 2001 um fast 10 % gesunken; die französischen Züchter seien davon unmittelbar betroffen gewesen und hätten vom Markt zu verschwinden gedroht.

75 Die aufeinander folgenden Gemeinschaftsmaßnahmen hätten sich zur Überwindung der Krise als unzureichend erwiesen. So greife insbesondere die Sonderankaufsregelung erst im Stadium des Verlassens des Schlachthofs ein, während das Einkommen der Erzeuger nur im Stadium des Eintritts in den Schlachthof betroffen sei. Deshalb könnten die die Preise betreffenden Gemeinschaftsmaßnahmen die Erzeuger zwangsläufig erst nach Abschluss einer branchenübergreifenden Vereinbarung zwischen Erzeugern und Schlachthofbetreibern erreichen.

76 Dazu führen die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 aus, dass die Kommission die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 als Regulierungsakt hätte untersuchen müssen, und weisen darauf hin, dass die abgestimmte Verwaltung zwischen Staat und Berufsverbänden in Frankreich im Agrarsektor Tradition habe. Sie hätten der ausdrücklichen öffentlichen Aufforderung der französischen Regierung Folge geleistet, mit der diese den Rindfleischproduzenten eine wirtschaftliche Katastrophe habe ersparen wollen, die einen Zerfall des Rindfleischsektors hätte bewirken können und bereits zu einer ernsthaften Störung der öffentlichen Ordnung geführt habe. Die Vereinbarung sei auf Betreiben des französischen Landwirtschaftsministers zustande gekommen, und dieser habe in einer Erklärung vor dem französischen Parlament seine Unterstützung für die Fortschritte bei der Ausarbeitung dieser Vereinbarung zum Ausdruck gebracht.

77 Die Kommission trägt vor, der wettbewerbsbeschränkende Zweck der Vereinbarung ergebe sich schon daraus, dass sich die Parteien der Vereinbarung abgesprochen hätten, um die nationalen Märkte abzuschotten und Mindestpreise festzusetzen. Sie habe den wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhang, in dem die Vereinbarung getroffen worden sei, in der Entscheidung sehr wohl berücksichtigt. Auch seien auf Gemeinschaftsebene zahlreiche Maßnahmen zur Bewältigung der Krise getroffen worden. Schließlich entspreche der Ansporn des damaligen französischen Landwirtschaftsministers zum Abschluss der Vereinbarung keiner irgendwie gearteten Regelungsbefugnis.

78 Ferner beantragt die Kommission, das von den Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 als Anlage eingereichte Rechtsgutachten als unzulässig unberücksichtigt zu lassen, denn Anlagen zu Schriftsätzen hätten eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-31/99, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, Slg. 2002, II-1881). Fragen des Gemeinschaftsrechts müssten von den gesetzlichen Vertretern in den Schriftsätzen selbst erörtert werden.

b) Würdigung durch das Gericht

79 Zunächst ist der Antrag der Kommission zurückzuweisen, das von den Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 vorgelegte Rechtsgutachten als unzulässig unberücksichtigt zu lassen. Es ist darauf hinzuweisen, dass alle mit der Klageschrift eingereichten Schriftstücke zwingend zu den Akten genommen werden. Eine andere Frage ist, ob die Klägerin sich auf bestimmte eingereichte Dokumente berufen kann oder ob das Gericht sie berücksichtigen darf. Dazu ist zu bemerken, dass die Klageschrift in einzelnen Punkten durch die Bezugnahme auf Teile der als Anlage beigefügten Schriftstücke untermauert und vervollständigt werden kann, vorausgesetzt, dass die wesentlichen Bestandteile der rechtlichen Ausführungen in der Klageschrift selbst enthalten sind (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 21. September 2005 in der Rechtssache T-87/05, EDP/Kommission, Slg. 2005, II-3745, Randnr. 155, und vom 14. Dezember 2005 in der Rechtssache T-209/01, Honeywell/Kommission, Slg. 2005, II-5527, Randnr. 57). In der vorliegenden Rechtssache ist das Gericht der Auffassung, dass die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen ihr Vorbringen, dass die streitige Vereinbarung als nationaler Regulierungsakt anzusehen sei, ausreichend begründet haben. Die fragliche Anlage dient somit nur dazu, dieses Vorbringen zu begründen und zu ergänzen. Folglich konnte sich die Klägerin darauf berufen.

80 Die von den Klägerinnen erhobene Rüge geht im Wesentlichen dahin, dass die streitige Vereinbarung eine Verhinderung, Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs im einheitlichen Markt im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 EG weder bezweckt noch bewirkt habe.

81 Die von den Klägerinnen am 24. Oktober 2001 getroffene Vereinbarung enthielt erstens eine Verpflichtung zur vorläufigen Aussetzung der Rindfleischeinfuhren nach Frankreich und zweitens eine Verpflichtung zur Anwendung von Mindesteinkaufspreisen frei Schlachtstätte für Schlachtkühe. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen und aus den oben in den Randnummern 65 und 66 dargelegten Gründen müssen bei der Prüfung des wettbewerbsbeschränkenden Charakters der streitigen Vereinbarung nicht nur die vorgenannten Maßnahmen berücksichtigt werden, die die Preise betrafen, sondern auch die, die auf die Aussetzung der Einfuhren gerichtet waren.

82 Demnach ist erstens festzustellen, dass die in der streitigen Vereinbarung vorgesehene Verpflichtung zur Aussetzung der Einfuhren vor allem bezweckte, zu verhindern, dass Rindfleisch zu unter den von den Klägerinnen festgesetzten Mindestpreisen liegenden Preisen nach Frankreich gelangte, mit dem Ziel, den Absatz der Produkte der französischen Züchter und die effektive Anwendung der Mindestpreise sicherzustellen. Die streitige Vereinbarung bezweckte also sehr wohl, den nationalen französischen Markt abzuschotten und somit den Wettbewerb im einheitlichen Markt einzuschränken.

83 Was zweitens die Festsetzung von Mindestpreisen betrifft, bestimmt Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe a EG ausdrücklich, dass die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen ist. Nach einer gefestigten Rechtsprechung stellt die Festsetzung von Preisen eine offenkundige Beschränkung des Wettbewerbs dar (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89, Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 109, und vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T-374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnr. 136).

84 Im vorliegenden Fall haben sich die Klägerinnen auf Mindestpreise frei Schlachtstätte beim Kauf von bestimmten Kategorien von Rindern geeinigt und eine Liste mit Preisen pro Kilogramm Schlachtkörper für bestimmte Kategorien von Kühen aufgestellt und für andere Kategorien einen Berechnungsmodus in Abhängigkeit von dem Preis festgelegt, der im Rahmen der Sonderankaufsregelung von den Gemeinschaftsbehörden festgesetzt wurde. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen geht schon aus dem Wortlaut der entsprechenden Klauseln der streitigen Vereinbarung hervor, dass es sich nicht um empfohlene Preise oder Richtpreise handelte, sondern um Mindestpreise, zu deren Einhaltung sich die unterzeichnenden Verbände verpflichteten. So hieß es in der Vereinbarung, dass die Beiträge zumindest im Zusammenhang mit diesen Mindestpreisen stehen müssten. Auch wird in einer Mitteilung der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 an ihre Mitglieder vom 8. November 2001 über die tatsächliche Anwendung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 auf die Anwendung der "Mindestpreise" Bezug genommen.

85 Eine Vereinbarung wie die hier vorliegende, die zwischen Verbänden, die die landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe repräsentieren, und Verbänden, die die Schlachthofbetreiber repräsentieren, abgeschlossen wurde und in der Mindestpreise für bestimmte Kategorien von Kühen mit dem Ziel festgesetzt werden, diese Mindestpreise für sämtliche Gewerbetreibenden auf den fraglichen Märkten für verbindlich erklären zu lassen, bezweckt ihrer Natur nach, den Wettbewerb auf diesen Märkten zu beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, BNIC, Slg. 1985, 391, Randnr. 22), insbesondere dadurch, dass sie den Spielraum für die kaufmännischen Verhandlungen zwischen den Züchtern und den Schlachthofbetreibern künstlich einschränkt und die Preisbildung auf den fraglichen Märkten verfälscht.

86 Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen erschüttert, dass die Agrarmärkte regulierte Märkte seien, auf denen die Wettbewerbsregeln nicht automatisch Geltung hätten und sich die Preisbildung sehr oft nicht nach Angebot und Nachfrage richte. Zwar weist der Agrarsektor eine gewisse Besonderheit auf und ist Gegenstand einer sehr detaillierten und oft ziemlich interventionistischen Regulierung. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln, wie im Rahmen des dritten Klagegrundes näher untersucht werden wird, auf den Märkten der Agrarprodukte Geltung besitzen, auch wenn Ausnahmen vorgesehen sind, um der besonderen Lage dieser Märkte Rechnung zu tragen.

87 Die Klägerinnen können auch nicht geltend machen, dass die Mindestpreise keinen wettbewerbsbeschränkenden Charakter gehabt hätten, weil sie nach Maßgabe der von der Kommission selbst festgesetzten Sonderankaufspreise festgesetzt worden seien. Die Prüfung der von den Parteien auf Ersuchen des Gerichts vorgelegten vergleichenden Tabellen zeigt, dass in der Vereinbarung zwar die Preise für Kühe mittlerer oder einfacher Qualität nach Maßgabe der im Rahmen der Sonderankaufsregelung praktizierten Preise festgesetzt wurden, für Kühe höherer Qualität (die im Jahre 2001 30 % der Schlachtungen ausmachten) dagegen wesentlich höher waren als die genannten Interventionspreise. Jedenfalls beseitigt der bloße Umstand, dass die Mindestpreise nach Maßgabe des öffentlichen Interventionspreises festgesetzt wurden, für sich allein nicht den wettbewerbsbeschränkenden Charakter der streitigen Vereinbarung. Denn diese Bezugnahme auf den öffentlichen Interventionspreis ändert nichts an dem wettbewerbswidrigen Zweck des streitigen Mindestpreisschemas, der in der direkten künstlichen Festsetzung eines bestimmten Marktpreises bestand. Sie führt auch nicht dazu, dass das Mindestpreisschema den verschiedenen öffentlichen Stütz- und Interventionsmechanismen der gemeinsamen Marktorganisationen im Landwirtschaftssektor gleichgestellt werden kann, die bezwecken, die Märkte, auf denen ein Überangebot besteht, dadurch zu bereinigen, dass ein Teil der Produktion vom Markt genommen wird.

88 Die Klägerinnen machen weiter geltend, Artikel 4 Buchstabe a der Verordnung Nr. 2790/1999 untersage bei einer vertikalen Vereinbarung nur die Beschränkung der Möglichkeiten des Käufers, seinen Verkaufspreis festzusetzen; das in der streitigen Vereinbarung festgesetzte Mindestpreisschema beschränke dagegen nicht die Möglichkeiten der Schlachthofbetreiber, ihre Verkaufspreise ihren Kunden gegenüber festzusetzen. Die Bezugnahme auf die Verordnung Nr. 2790/1999 geht hier jedoch fehl, denn Artikel 3 dieser Verordnung schließt vom Anwendungsbereich der zugunsten der vertikalen Vereinbarungen vorgesehenen Gruppenfreistellung die Fälle aus, in denen der Anteil des Lieferanten an dem relevanten Markt 30 % überscheitet. Die Kommission hat von den Klägerinnen unbestritten vorgetragen, dass die Produktion der Mitglieder der klagenden Züchterverbände diese Obergrenze von 30 % des französischen Rindfleischmarktes weit überschritten habe.

89 Zu der Behauptung der Klägerinnen, sie hätten ihre Mitglieder nicht zur Einhaltung der festgesetzten Mindestpreise zwingen können, ist festzustellen, dass es für die Subsumption einer Vereinbarung zwischen Vereinigungen unter Artikel 81 Absatz 1 EG nicht erforderlich ist, dass diese die ihnen angeschlossenen Mitglieder zwingen können, die ihnen durch die Vereinbarung auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1975 in der Rechtssache 71/74, Frubo/Kommission, Slg. 1975, 563, Randnrn. 29 bis 31). Auch die Bezugnahme auf das vorgenannte Urteil Wouters u. a. greift hier nicht durch, da die tatsächlichen Umstände des Rechtsstreits, in dem dieses Urteil ergangen ist, und die dort aufgeworfenen Rechtsfragen - es ging um die Regelung der Ausübung und der Organisation des Rechtsanwaltsberufs durch einen Berufsverband - mit denen der vorliegenden Rechtssache nicht vergleichbar sind.

90 Die Klägerinnen können sich zur Rechtfertigung der streitigen Vereinbarung auch nicht auf die Krise berufen, in der sich der Rindfleischsektor im entscheidungserheblichen Zeitraum befand und die die französischen Züchter ausgewachsener Rinder besonders getroffen habe. Dieser Umstand allein kann nämlich nicht zu dem Ergebnis führen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG nicht erfüllt waren (vgl. in diesem Sinne Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 740). Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung die Krise, in der sich der Sektor befand, nicht außer Acht gelassen hat, wie insbesondere aus den Randnummern 10 bis 15 und 130 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht. Außerdem hat die Kommission diese Krise bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen berücksichtigt, indem sie diese um 60 % herabgesetzt hat (siehe Randnrn. 182 bis 185 der angefochtenen Entscheidung).

91 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen, bei der streitigen Vereinbarung handele es sich um einen nationalen Regulierungsakt, der der in Frankreich traditionellen Praxis einer abgestimmten Verwaltung durch Behörden und landwirtschaftliche Berufsverbände entsprochen habe und durch die Wirkungslosigkeit der staatlichen Maßnahmen gerechtfertigt gewesen sei. Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass der rechtliche Rahmen, in dem die in Artikel 81 EG bezeichneten Vereinbarungen getroffen werden, für die Anwendbarkeit der gemeinschaftlichen Wettbewerbsbestimmungen ebenso wenig erheblich sind wie die rechtliche Einordnung dieses Rahmens durch die nationalen Rechtsordnungen (Urteil BNIC, Randnr. 17). Zweitens haben die Vertreter der Französischen Republik in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen, dass die streitige Vereinbarung unter die abgestimmte Verwaltung von Behörden und landwirtschaftlichen Berufsverbänden fallen könne, indem sie erläutert haben, dass diese in der Repräsentation dieser Verbände in den nationalen und gemeinschaftlichen Beratungsorganen zum Tragen komme. Drittens kann die angebliche Unzulänglichkeit der staatlichen Maßnahmen zur Bewältigung der Probleme in einem bestimmten Wirtschaftssektor keine Rechtfertigung dafür bilden, dass die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer wettbewerbswidrige Handlungen begehen oder sich Vorrechte, die denen der nationalen oder gemeinschaftlichen Behörden entsprechen, anmaßen, um an deren Stelle tätig zu werden.

92 Desgleichen genügt hinsichtlich der Rolle, die der französische Landwirtschaftsminister beim Abschluss der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 gespielt hat, der Hinweis auf eine ständige Rechtsprechung, wonach der Umstand, dass das Verhalten der Unternehmen den nationalen Behörden bekannt war und von ihnen genehmigt wurde oder dass sie sogar dazu ermutigt wurden, für sich genommen ohne Einfluss auf die Anwendbarkeit des Artikels 81 EG ist (Urteile des Gerichts vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache T-7/92, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1993, II-669, Randnr. 71, und Tréfilunion/Kommission, Randnr. 118).

93 Schließlich ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die streitige Vereinbarung Auswirkungen auf die Einfuhren oder auf die Marktpreise gehabt habe. Denn nach ständiger Rechtsprechung brauchen für die Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht in Betracht gezogen zu werden, wenn feststeht, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt. Daher ist der Nachweis tatsächlicher wettbewerbswidriger Auswirkungen nicht erforderlich, wenn der wettbewerbswidrige Zweck der beanstandeten Verhaltensweisen bewiesen ist (Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 741, und Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T-62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II-2707, Randnr. 178). Wie bereits festgestellt worden ist, hat die Kommission nachgewiesen, dass die streitige Vereinbarung bezweckte, den Wettbewerb auf den in Rede stehenden Märkten zu beschränken (siehe oben, Randnrn. 82 bis 85). Sie war somit nicht verpflichtet, zu prüfen, ob diese Maßnahmen konkrete Auswirkungen auf den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes, insbesondere in Frankreich, hatten.

94 Aufgrund aller dieser Erwägungen ist diese Rüge zurückzuweisen.

4. Die Qualifizierung der Aktionen der Berufsverbände

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

95 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 machen geltend, der Kommission sei dadurch ein Beurteilungsfehler unterlaufen, dass sie ihre Vereinigungsfreiheit eingeschränkt habe, die durch Artikel 12 Absatz 1 der am 7. Dezember 2000 in Nizza feierlich verkündeten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2000, C 364, S. 1) anerkannt sei. Die Kommission habe insbesondere die spezifischen Verwaltungsfunktionen der französischen landwirtschaftlichen Berufsverbände verkannt. Auch habe sie sich sehr unklar ausgedrückt, als sie von den mit Sanktionen belegten Berufsverbänden verlangt habe, in Zukunft von jeder Vereinbarung oder abgestimmten Verhaltensweise sowie von jedem Beschluss abzusehen, die einen ähnlichen Gegenstand oder eine ähnliche Wirkung haben könnten wie die ihnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung, während es doch Aufgabe eines Berufsverbandes sei, konzertierte Aktionen seiner Mitglieder zur Verteidigung ihrer gemeinsamen Interessen durchzuführen.

96 Die Kommission entgegnet, der Umstand, dass es sich bei den Klägerinnen um Berufsverbände handele, bewirke nicht, dass die Wettbewerbsregeln nicht auf sie anwendbar seien, denn bei diesen handele es sich um Vorschriften zwingenden Rechts.

b) Würdigung durch das Gericht

97 Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben g und j EG umfasst die Tätigkeit der Gemeinschaft sowohl ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt, als auch eine Sozialpolitik. So bestimmt Artikel 137 Absatz 1 Buchstabe f EG, dass die Gemeinschaft die Tätigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Vertretung und kollektiven Wahrnehmung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen unterstützt und ergänzt, und in Artikel 139 Absatz 1 EG heißt es, dass der Dialog zwischen den Sozialpartnern auf Gemeinschaftsebene zur Herstellung vertraglicher Beziehungen führen kann. Artikel 81 Absatz 1 EG verbietet Vereinbarungen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Dieser Artikel stellt eine grundlegende Bestimmung dar, die für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinschaft und insbesondere für das Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich ist (Urteil des Gerichtshofes vom 1. Juni 1999 in der Rechtssache C-126/97, Eco Swiss, Slg. 1999, I-3055, Randnr. 36).

98 Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass mit Tarifverträgen zwischen Organisationen, die die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer vertreten, zwangsläufig gewisse den Wettbewerb beschränkende Wirkungen verbunden sind, die Erreichung der mit derartigen Verträgen angestrebten sozialpolitischen Ziele jedoch ernsthaft gefährdet wäre, wenn für die Sozialpartner bei der gemeinsamen Suche nach Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen Artikel 81 Absatz 1 EG Geltung hätte. Bei einer sachgerechten und zusammenhängenden Auslegung der Bestimmungen des Vertrages in ihrer Gesamtheit ergibt sich daher, dass die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern im Hinblick auf diese Ziele geschlossenen Verträge aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 81 Absatz 1 des Vertrages fallen (Urteil des Gerichtshofes vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-67/96, Albany, Slg. 1999, I-5751, Randnrn. 59 und 60). Der Gerichtshof hat jedoch andererseits festgestellt, dass diese Vorschrift Anwendung findet auf branchenübergreifende Vereinbarungen, die von Organisationen getroffen werden, die Produzenten, Genossenschaften, Arbeitnehmer und Industriebetriebe in einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung zusammenfassen (Urteile des Gerichtshofes BNIC, Randnrn. 3 und 16 bis 20, und vom 3. Dezember 1987 in der Rechtssache 136/86, BNIC, Slg. 1987, 4789, Randnrn. 3 und 13).

99 In der vorliegenden Rechtssache ist das Gericht der Auffassung, dass Art und Gegenstand der streitigen Vereinbarung es nicht rechtfertigen, diese von der Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG auszunehmen.

100 Erstens handelt es sich bei der Vereinbarung nicht um einen Tarifvertrag, und sie wurde nicht zwischen Organisationen getroffen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertreten. Denn zwischen den Züchtern und den Schlachthofbetreibern besteht kein Arbeitsverhältnis, da die Züchter keine Arbeiten für die Schlachthofbetreiber unter deren Leitung verrichten und auch nicht in die Schlachthöfe eingegliedert sind (vgl. dazu Urteil des Gerichtshofes vom 16. September 1999 in der Rechtssache C-22/98, Becu u. a., Slg. 1999, I-5665, Randnr. 26). Vielmehr ist festgestellt worden, dass Züchter als Unternehmen im Sinne des Artikels 81 Absatz 1 EG angesehen werden können (siehe oben, Randnr. 53). Somit ist die streitige Vereinbarung eine branchenübergreifende Vereinbarung zwischen zwei Gliedern der Produktionskette im Rindfleischsektor. Zweitens beinhaltet die Vereinbarung keine Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, sondern die Aussetzung der Rindfleischimporte und die Festsetzung von Mindestpreisen für bestimmte Kategorien von Kühen. Diese Maßnahmen bezwecken im vorliegenden Fall eine Einschränkung des Wettbewerbs im einheitlichen Markt (siehe oben, Randnrn. 82 und 85).

101 Folglich sind die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 als Zusammenschlüsse landwirtschaftlicher Berufsverbände zwar befugt, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten, sie können aber nicht konkrete gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßende Aktionen unter Berufung auf die Vereinsfreiheit rechtfertigen.

102 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe die Wahrnehmung des ihnen als Berufsverbänden obliegenden Auftrags, konzertierte Aktionen zur gemeinsamen Interessenvertretung durchzuführen, dadurch behindert, dass sie sie in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung verpflichtet habe, sich künftig jeglicher Vereinbarung zu enthalten, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben könnte wie die festgestellte Zuwiderhandlung. Die Kommission hat dadurch, dass sie die Klägerinnen verpflichtet hat, die beanstandeten Verhaltensweisen nicht zu wiederholen oder ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, nur die Konsequenzen aufgezeigt, die sich aus der in Artikel 1 der streitigen Vereinbarung festgestellten Rechtswidrigkeit für ihr zukünftiges Verhalten ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T-45/98 und T-47/98, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II-3757, Randnr. 311). Diese Aufforderung ist im Übrigen hinreichend genau und wird auf die Tatsachen gestützt, die die Kommission veranlasst haben, die Rechtswidrigkeit der geahndeten Verhaltensweisen festzustellen, so dass sie eindeutig nicht die allgemeine Verbandstätigkeit der Klägerinnen betrifft.

103 Aufgrund dieser Erwägungen ist diese Rüge zurückzuweisen.

104 Folglich greift dieser Klagegrund nicht durch.

B - Der zweite Klagegrund: offensichtliche Beurteilungsfehler und Rechtsirrtümer bei der Beurteilung des Umfangs und der Dauer der Zuwiderhandlung

105 Die Klägerinnen bestreiten den Umfang und die Dauer der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlung. Sie tragen erstens vor, dass sich der die Einfuhren betreffende Teil der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 durch die Unterzeichnung des Rungis-Protokolls am 31. Oktober 2001 erledigt habe. Zweitens leugnen sie, dass die schriftliche Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 durch eine mündliche Vereinbarung gleichen Inhalts fortgeführt worden sei.

1. Einleitende Fragen

a) Zur Berücksichtigung der lokalen Vereinbarungen

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

106 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission hätte sich bei der Ermittlung der Dauer der den nationalen Berufsverbänden vorgeworfenen Zuwiderhandlung nicht auf die Vereinbarungen stützen dürfen, die auf lokaler Ebene zwischen den Züchterverbänden und einzelnen Schlachthofbetreibern getroffen worden seien. Die Kommission trage die Beweislast für die Dauer einer Zuwiderhandlung; wenn sie sich dafür entscheide, die Zuwiderhandlung und die Teilnahme daran aus unmittelbaren schriftlichen Beweisen abzuleiten, dürfe sie nicht davon ausgehen, dass sich eine Partei der Vereinbarung über ihre letzte nachweisliche Teilnahme an einer Durchführungsmaßnahme hinaus an die Vereinbarung gehalten habe (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 2000, II-491, Randnrn. 4281 bis 4283).

107 Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass sie nicht die Unterzeichner der fraglichen lokalen Vereinbarungen seien, da diese von anderen juristischen Personen getroffen worden seien, nämlich von den Zusammenschlüssen der landwirtschaftlichen Berufsverbände auf Departementsebene, den JA auf Departementsebene oder den örtlichen Berufsverbänden. Diese lokalen Vereinbarungen, insbesondere diejenigen, die ab 30. November 2001 geschlossen worden seien, seien ausschließlich das Ergebnis der Aktion dieser Verbände und hingen von deren Fähigkeit ab, die Anwendung der Mindestpreise bei ihren Käufern durchzusetzen. Die Klägerinnen verweisen in diesem Zusammenhang auf die handschriftlichen Notizen des Direktors der FNB anlässlich des Treffens vom 29. November 2001 ("Handeln Sie die Mindestpreise auf regionaler Ebene aus ..."). Der Umstand, dass die FNB den Verbänden auf Departementsebene auf deren Ersuchen die Referenzpreise mitgeteilt habe, stehe diesem Ergebnis nicht entgegen, denn dies sei nicht in Anwendung der nationalen Vereinbarung geschehen, sondern im Rahmen der von diesen Verbänden auf örtlicher Ebene geführten Verhandlungen. So habe Herr E. C., einer der Direktoren der FNB, diese Preise am 11. Dezember 2001 einem Berufsverband auf Departementsebene bekanntgegeben, wobei er ihn ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass diese Preise nicht durch eine Vereinbarung fortgeschrieben worden seien. Abschließend wenden sich die Klägerinnen gegen das Vorbringen der Kommission, der Text der lokalen Vereinbarungen sei fast wörtlich aus der nationalen Vereinbarung übernommen worden.

108 Die Klägerinnen weisen weiter darauf hin, dass die Unterzeichner dieser lokalen Vereinbarungen nicht am Verwaltungsverfahren vor der Kommission teilgenommen hätten und dass sie nicht an deren Stelle antworten könnten. Folglich verstoße es gegen die Verteidigungsrechte und gegen Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), dass diese Dokumente bei den Diskussionen nicht unberücksichtigt gelassen würden.

109 Die Kommission entgegnet, sie habe bei ihrer Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung sehr wohl die zahlreichen nach der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 getroffenen lokalen Vereinbarungen berücksichtigen dürfen. Die streitige Vereinbarung sei hauptsächlich durch diese lokalen Vereinbarungen umgesetzt worden, besonders nach Ablauf der schriftlichen Vereinbarung. Im Übrigen seien alle diese Vereinbarungen betreffenden Dokumente bei den Klägerinnen beschlagnahmt worden; dies zeige, dass die nationalen Verbände die Umsetzung ihrer nationalen Vereinbarung auf lokaler Ebene genau verfolgt hätten.

Würdigung durch das Gericht

110 Die Klägerinnen machen im Wesentlichen geltend, dass die Kommission bei der Ermittlung der Dauer der Zuwiderhandlung Vereinbarungen, die nicht von ihnen selbst, sondern von den Züchterverbänden auf Departementsebene oder auf lokaler Ebene einerseits und den Schlachthofbetreibern andererseits abgeschlossen wurden, nicht hätte berücksichtigen dürfen.

111 Die örtlichen Züchterverbände oder deren Zusammenschlüsse waren jedoch unstreitig unmittelbare oder mittelbare Mitglieder der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03.

112 Es ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Züchterverbände nach Unterzeichnung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 ihre Mitglieder aufgefordert haben, diese Vereinbarung auf lokaler Ebene umzusetzen. So heißt es in einem Schreiben der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 an ihre Mitglieder vom 25. Oktober 2001, in dem von der Unterzeichnung der Vereinbarung vom Vorabend berichtet wird: "Jeder von uns muss nun ganz genau auf eine strikte Umsetzung dieser Vereinbarung in dem gesamten Gebiet achten ... Wir fordern Sie außerdem auf, so bald wie möglich die Unterschriften der Unternehmen, die die Vereinbarung noch nicht unterzeichnet haben, einzuholen. Die Verpflichtung der Unternehmen umfasst auch den Vorrang der Versorgung aus nationalen Quellen." Desgleichen enthält ein Schreiben der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 an ihre Mitglieder vom 13. Dezember 2003 folgende Passage: "... wir fordern alle Mitglieder der FNSEA auf, sich zu mobilisieren ..., um bei jedem Schlachthof die angewandten Preise zu kontrollieren, damit unsere Preisvorgaben für die Produktion eingehalten werden. Wir fordern Sie auf, zu diesem Zweck Schritte bei allen in Ihrem Departement liegenden Schlachthöfen zu unternehmen." Schließlich ergibt sich aus einem Schreiben der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 an ihre Mitgliedsverbände vom 8. November 2001, dass diese verpflichtet wurden, die nationalen Verbände vollständig über die unternommenen Aktionen zu informieren, um ihnen die Vorbereitung der weiteren Verbandsstrategie zu ermöglichen; diese Informationen umfassten u. a. "die genaue und detaillierte Liste der Unternehmen, die immer noch nicht die Mindestpreise akzeptiert haben oder die sie akzeptiert haben, aber nicht anwenden".

113 Somit ergibt sich aus den Akten, dass die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 ihre Mitglieder ermutigten, konkrete Aktionen bei den in ihren Bezirken liegenden Schlachthöfen durchzuführen und auf diese Weise an der Umsetzung der streitigen Vereinbarung mitzuwirken. Die Aktion der Verbände auf Departementsebene und auf lokaler Ebene war somit Teil einer Strategie, die sie gemeinsam mit den nationalen Verbänden verfolgten und die bezweckte, die Wirksamkeit der auf nationaler Ebene beschlossenen Maßnahmen im gesamten französischen Hoheitsgebiet sicherzustellen. Ein Instrument dieser Strategie war gerade der Abschuss von Vereinbarungen zwischen den örtlichen Züchterverbänden und den Schlachthofbetreibern.

114 So heißt es in einem Fernschreiben der Fédération régionale des syndicats d'exploitants agricoles (FRSEA, Regionaler Zusammenschluss der Verbände landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe) der Basse-Normandie an die FNSEA vom 9. November 2001 in Beantwortung eines von dieser am 8. November 2001 übersandten Fragebogens: "Operationen und Strategien für die Anwendung der Mindestpreise: ... Förmliche Unterzeichnung einer vertraglichen Verpflichtung auf regionaler Ebene: Einhaltung der Bedingungen und der Mindestpreise zwischen FRSEA [Basse-Normandie] und Schlachthofbetreibern. Sie haben sich alle schriftlich verpflichtet und uns das Dokument zurückgesandt." Desgleichen wird in einem Fernschreiben der FDSEA des Departements Finistère an die FNB vom 19. November 2001 ausgeführt: "Was die für das Mindestpreisschema ... durchgeführten Aktionen betrifft, wurden mündliche Absprachen mit den Schlachthofbetreibern getroffen. Die schriftliche Vereinbarung ist uns noch nicht zurückgesandt worden, und uns liegen keine Klagen von Züchtern über die Nichteinhaltung der Mindestpreise vor." Schließlich findet sich ein Muster einer örtlichen Vereinbarung im Anhang zu einem Fernschreiben der FDSEA des Departements Isère an die FNSEA und die FNB vom 13. November 2001; dieses trägt die Überschrift "Umsetzung der nationalen Vereinbarung über die Mindestpreise" und enthält Klauseln betreffend die Verpflichtung zur Einhaltung der Mindestpreise und zur vorläufigen Aussetzung der Einfuhren "bis zur Neuverhandlung auf nationaler Ebene".

115 Auch der Umstand, dass diese lokalen Vereinbarungen von Schlachthofbetreibern und nicht von den Organisationen, die sie auf nationaler Ebene repräsentieren (wie die FNICGV und die Klägerin in der Rechtssache C-217/03), unterzeichnet wurden, rechtfertigt es nicht, diese Dokumente im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt zu lassen. Das Gericht ist insoweit der Auffassung, dass der Abschluss einer nationalen Vereinbarung zwischen den Vertretern der Züchter und denen der Schlachthofbetreiber ein entscheidender Faktor war, um den Widerstand der Schlachthofbetreiber gegen die Unterzeichnung der lokalen Vereinbarungen, die ihnen von den Vertretern der Züchter vorgelegt wurden, zu überwinden.

116 Schließlich ergibt sich aus den Akten, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen die lokalen Vereinbarungen oft wesentlich in einer Übernahme des Inhalts der nationalen Vereinbarung bestanden. Tatsächlich enthielten die lokalen Vereinbarungen häufig nur den wörtlich übernommenen Text der nationalen Vereinbarung (siehe z. B. die Vereinbarung vom 31. Oktober 2001 zwischen u. a. der FDSEA des Departements Loire und den Betreibern der Schlachthöfe in diesem Departement).

117 Aufgrund dieser Erwägungen kann nach Auffassung des Gerichts nicht davon ausgegangen werden, dass die lokalen Vereinbarungen die Frucht unabhängiger Verhandlungen waren, die mit der Umsetzung der nationalen Vereinbarung nicht zu tun hatten. Tatsächlich bildeten die auf lokaler Ebene abgeschlossenen Vereinbarungen die Verlängerung und die Umsetzung der streitigen Vereinbarung.

118 Deshalb ist das Gericht der Meinung, dass die Kommission zu Recht diese lokalen Vereinbarungen bei der Beurteilung des Umfangs und der Dauer der den Klägerinnen vorgeworfenen Zuwiderhandlung berücksichtigt hat.

119 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Berücksichtigung dieser lokalen Vereinbarungen ihre Verteidigungsrechte verletze. Denn die die lokalen Vereinbarungen betreffenden Dokumente, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat und die bei der Durchsuchung der Büros der Klägerinnen aufgefunden worden waren, waren Teil der Verwaltungsakte. Folglich hatten die Klägerinnen während des Verfahrens vor der Kommission Gelegenheit, zu diesen Dokumenten Stellung zu nehmen.

b) Einordnung, Auswahl, Wiedergabe und Auslegung der in den Akten enthaltenen Schriftstücke

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

120 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung den Inhalt der im Büro des Direktors der FNB aufgefundenen handschriftlichen Notizen, auf die sie sich zum Nachweis des Umfangs und der Dauer der streitigen Vereinbarung weitgehend gestützt hat, entstellt. So habe sie den Klägerinnen nur die von ihr selbst ausgewählten Auszüge zur Kenntnis gebracht, sie habe diese nicht chronologisch abgeheftet und auch nicht zusammengefasst, so dass sie mit den anderen in den Akten enthaltenen Unterlagen vermischt worden seien. Diese Notizen fänden sich zudem ungeordnet auf vollgeschriebenen Seiten und seien oft unleserlich.

121 Die Klägerinnen beanstanden weiter die Richtigkeit oder die Auslegung einer ganzen Reihe von in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Zitaten, die ihrer Meinung nach unvollständig, aus dem Zusammenhang gerissen oder unrichtig sind, in Wirklichkeit dem Vorbringen der Kommission widersprechen, kein Datum tragen und die Teilnehmer an den dort erwähnten Sitzungen nicht erkennen lassen. Schließlich habe die Kommission bei der Auslegung der in den Akten enthaltenen Schriftstücke die Beweislast umgekehrt, denn sie sei vom Rechtsverstoß der Klägerinnen ausgegangen und habe nur die sie belastenden, nicht aber die sie entlastenden Dokumente berücksichtigt.

122 Die Kommission bemerkt, sie könne in einer Entscheidung nicht alle Dokumente, auf die sie sich stütze, vollständig zitieren, und macht geltend, der Umstand, dass sie eine Auswahl vornehme, könne nur dann beanstandet werden, wenn diese zu einer Entstellung des Inhalts der Dokumente führe. Im Übrigen weist sie die anderen Rügen der Klägerinnen zurück.

Würdigung durch das Gericht

123 Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass sie Zugang zu allen in der Verwaltungsakte der Kommission enthaltenen Dokumenten hatten (mit Ausnahme der beiden Schreiben, die zwischen dieser und der Ständigen Vertretung der Französischen Republik bei der Europäischen Union ausgetauscht wurden). Im Besonderen hat die Kommission von den Klägerinnen unwidersprochen ausgeführt, dass diese Zugang zu einer vollständigen Kopie der Hefte mit den in Rede stehenden handschriftlichen Notizen des Direktors der FNB gehabt hätten. Folglich waren die Klägerinnen in der Lage, alle sich aus den Akten ergebenden entlastenden Gesichtspunkte zu nennen und sich auf sie zu berufen. Auch machen sie nicht geltend, dass die Kommission von ihnen genannte oder beigebrachte Dokumente aus den Verwaltungsakten entfernt oder nicht zu den Akten genommen habe.

124 Im Übrigen ist mit den Klägerinnen festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ihre Schlussfolgerungen häufig auf Auszüge aus den zahlreichen handschriftlichen Notizen gestützt hat, die bei den Nachprüfungen in den Geschäftsräumen der Klägerinnen aufgefunden und kopiert worden waren. Diese Notizen sind zumeist weder unterzeichnet noch datiert, und sie sind nicht immer ganz leserlich. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen des Datums oder der Unterschrift auf einem Dokument oder der Umstand, dass es schlecht geschrieben ist, diesem nicht jeden Beweiswert nehmen, sofern sein Ursprung, sein wahrscheinliches Datum und sein Inhalt mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-11/89, Shell/Kommission, Slg. 1992, II-757, Randnr. 86).

125 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, wenn ein Dokument kein Datum trug, und hat aufgrund seines Inhalts oder des Zusammenhangs ein ungefähres Datum eingefügt. Ebenso hat sie, wenn nur die Initialen der Namen von Sitzungsteilnehmern angegeben waren, in aller Regel aus dem Kontext hergeleitet, um wen es sich bei den bezeichneten Personen handelte. Schließlich hat sie auf die Rügen der Klägerinnen bezüglich der Art, wie diese handschriftlichen Notizen eingeordnet und abgeheftet wurden, erklärt, dass die in den Akten enthaltenen Schriftstücke chronologisch nach dem Datum abgeheftet worden seien, an dem sie verfasst oder, wenn es sich um bei den Nachprüfungen aufgefundene Dokumente gehandelt habe, aufgefunden worden seien; im letzteren Fall seien sie nach einer in Verzeichnissen festgehaltenen Reihenfolge nummeriert worden.

126 Die Rügen der Klägerinnen betreffend die Verwendung und die Auslegung bestimmter Beweismittel in der angefochtenen Entscheidung werden im Folgenden geprüft, soweit sie geeignet sind, die Ergebnisse in Frage zu stellen, zu denen die Kommission hinsichtlich des Umfangs und der Dauer der Zuwiderhandlung gekommen ist.

2. Zu dem Umstand, dass eine die Einfuhren betreffende Vereinbarung den Klägerinnen vorgeworfen wurde

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

127 Die Klägerinnen tragen vor, die Unterzeichnung des Rungis-Protokolls am 31. Oktober 2001 habe dazu geführt, dass sich der die Aussetzung der Einfuhren betreffende Teil der nationalen Vereinbarung - die am 29. Oktober 2001 in Kraft getreten war - schon zwei Tage später, am 31. Oktober 2001 erledigt habe. Dieser Teilaspekt der Vereinbarung habe somit nicht eigentlich existiert und könne ihnen folglich nicht zum Vorwurf gemacht werden.

128 Die Kommission habe den Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache entstellt, und ihre Auffassung, dass das Rungis-Protokoll eine Vereinbarung zur Beschränkung des Importvolumens enthalten habe, beruhe auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler. Die in diesem Protokoll enthaltene Verpflichtung der Importeure und Exporteure, "Solidarität" zu zeigen, betreffe nicht die Einfuhren und bedeute lediglich die erneute Bestätigung der FNICGV auf Ersuchen der Züchterverbände, dass sie sich weiter zu den im Mindestpreisschema enthaltenen Bedingungen beliefern lassen werde. Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 bemerkt außerdem, dass diese Verpflichtung zur "Solidarität" sie ohnehin nichts angehe, da sie das Rungis-Protokoll nicht unterzeichnet habe. Schließlich bestätigten die Erklärungen des Präsidenten der FNICGV am Tage der Unterzeichnung des Protokolls, dass der Teilaspekt "Einfuhren" aufgegeben worden sei.

129 Desgleichen machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe mit ihrer Behauptung, dass zwischen dem Mindestpreisschema und der Aussetzung der Einfuhren ein zwingender Zusammenhang bestehe, die Wünsche der Produzenten mit der faktisch nach dem Rungis-Protokoll bestehenden Lage verwechselt. Sie erinnern auch an die von Anfang an sehr kritische Haltung der der FNICGV angehörenden Schlachthofbetreiber/Importeure und der Großhändler/Importeure gegenüber dem die Einfuhren betreffenden Teil der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 und behaupten, die Annahme dieses Teilaspekts durch diesen Verband sei nur eine symbolische Geste gewesen und könne nicht aufrecht erhalten werden.

130 Außerdem werfen die Klägerinnen der Kommission vor, Dokumente nicht berücksichtigt zu haben, aus denen sich ergebe, dass die Vereinbarung über die Importe nicht mehr bestanden habe. Sie nehmen erstens auf ein Schreiben der nationalen Züchterverbände an ihre Mitglieder vom 8. November 2001 Bezug, aus dem sich ergebe, dass die Anwendung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 ausschließlich die Mindestpreise betroffen habe, da keine irgendwie geartete Einfuhrbeschränkung erwähnt worden sei. Die Klägerinnen erwähnen zweitens eine handschriftliche Notiz vom 14. November 2001, in der es heiße: "Begrenzte Vereinbarung: heute Fortsetzung der Einfuhren; keine Vergeltung[smaßnahmen]".

131 Auch habe die Kommission nur eine einzige lokale Vereinbarung genannt, die nach der Unterzeichnung des Rungis-Protokolls abgeschlossen worden sei und eine Klausel betreffend die Aussetzung der Einfuhren enthalten habe, nämlich die im Departement Isère getroffenen Vereinbarung. Bei den von der FRSEA Basse-Normandie am 9. November 2001 und von der FDSEA im Departement Finistère am 19. November 2001 aufgesetzten Dokumenten handele es sich nur um Protokolle, aus denen sich nicht ergebe, dass die betreffenden lokalen Vereinbarungen eine Verpflichtung zur Aussetzung der Einfuhren enthalten hätten. Die übrigen von der Kommission genannten lokalen Vereinbarungen seien nicht nach Abschluss des Rungis-Protokolls abgeschlossen worden. So trage etwa die im Departement Loire geschlossene Vereinbarung das Datum 31. Oktober 2001.

132 Schließlich bestätige die Untersuchung der grafischen Darstellungen des Volumens des Handelsaustauschs, dass die Aussetzung der Einfuhren nicht über den 31. Oktober 2001 hinaus angedauert habe. Die angebliche Verringerung des Volumens der Rindfleischimporte im November und Dezember 2001 erkläre sich aus den ständigen Schwankungen der monatlichen Einfuhrvolumen, und es könne keine Kausalität zwischen diesem zeitweiligen Rückgang und dem Vorliegen einer angeblichen Vereinbarung festgestellt werden.

133 Die Kommission behauptet, der Teilaspekt "Einfuhren" der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 sei nicht durch das Rungis-Protokoll für die Zeit nach dem 31. Oktober aufgehoben worden. Durch dieses Protokoll habe die zu strenge Verpflichtung zu einer vollständigen Aussetzung der Einfuhren abgemildert werden sollen, durch die Bezugnahme auf die "Solidarität" habe das Protokoll jedoch zu einer Beschränkung der Einfuhren zu Niedrigpreisen geführt. Die Klägerinnen erklärten nicht, wie eine Mindestpreisabsprache funktionieren könne, wenn zugleich Billigeinfuhren aufrechterhalten würden. Schließlich hätten mehrere lokale Vereinbarungen, die in Anwendung der nationalen Vereinbarung am Tage der Unterzeichnung des Rungis-Protokolls oder danach abgeschlossen worden seien, nach wie vor eine Verpflichtung zur Aussetzung der Einfuhren enthalten.

b) Würdigung durch das Gericht

134 Zunächst ist das Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen, dass der Teilaspekt "Einfuhren" ihnen nicht vorgeworfen werden könne, wenn man davon ausgehe, das dieser Teilaspekt durch das Rungis-Protokoll aufgehoben worden sei. Denn der Umstand, dass eine Zuwiderhandlung von sehr kurzer Dauer gewesen sei, ändert nichts am Vorliegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 Absatz 1 EG.

135 Im Übrigen ist das Gericht der Auffassung, dass eine Vereinbarung über die Festsetzung von Mindestpreisen nur wirksam sein kann, wenn sie mit Kontrollmaßnahmen oder Einfuhrbeschränkungen einhergeht. Vorliegend war das aus anderen Ländern, insbesondere Deutschland und den Niederlanden, stammende Rindfleisch billiger als das in Frankreich produzierte, und die Wirksamkeit eines Mindestpreisschemas hing aufgrund des Überangebots zwangsläufig von der Belieferung der in Frankreich ansässigen Schlachthöfe durch französische Züchter ab. Andernfalls wäre das Mindestpreisschema nicht nur ungeeignet gewesen, die Krise, in der sich die französischen Züchter befanden, zu beseitigen, sondern es hätte sie nur noch verschlimmern können, wenn die Schlachthöfe Produkte aus anderen Mitgliedstaaten oder sogar aus Drittländern bezogen hätten.

136 Jedenfalls ist das Gericht entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen, dass die in der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 vorgesehenen Maßnahmen zur Aussetzung der Einfuhren durch das Rungis-Protokoll vom 31. Oktober 2001 nicht vollständig aufgehoben wurden, selbst wenn sie dadurch, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung eingeräumt hat, eingeschränkt wurden.

137 Das Vorbringen, dass dieses Protokoll nicht die Einfuhren, sondern die Mindestpreise betroffen habe, ist nämlich von vornherein zurückzuweisen, denn es trägt die Überschrift "Sitzung 'Fleischimporte'". Es heißt dort, dass "die im Import- und Exportsektor spezialisierten französischen Unternehmen mit den Erzeugerverbänden zusammen getroffen sind..., die die nationale branchenübergreifende Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 unterzeichnet haben". In dem Protokoll wird auf die Import- und Exportunternehmen Bezug genommen; von dem Mindestpreisschema ist dagegen nirgends die Rede. Daraus folgt, dass das Rungis-Protokoll den Teilaspekt "Einfuhren" der streitigen Vereinbarung betraf. Die Mitteilung des Präsidenten der FNICGV an deren Mitglieder vom 31. Oktober 2001 bestätigt dieses Ergebnis (siehe unten, Randnr. 140).

138 Das Rungis-Protokoll enthält nach einigen einführenden Überlegungen insbesondere folgende Passage:

"In der beispiellosen Krisensituation, in der sich die Erzeugerunternehmen befinden, bitten die Vertreter der Züchter die Import- und Exportunternehmen nachdrücklich, sich den Ernst der Lage vor Augen zu führen.

Angesichts dieser Situation verpflichten sich die Import- und Exportunternehmen, ihre Solidarität unter Beweis zu stellen."

139 Aufgrund der besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache, insbesondere der Notwendigkeit, die Einfuhren zu kontrollieren, um die Wirksamkeit des Mindestpreisschemas sicherzustellen, das vollständig in Kraft blieb, ist die von den Import- und Exportunternehmen übernommene Verpflichtung zur "Solidarität" nach Auffassung des Gerichts im Einklang mit der Analyse der Kommission in der angefochtenen Entscheidung als eine Erklärung zu verstehen, mit der sich die Import- und Exportunternehmen mit der Einschränkung der Rindfleischimporte zugunsten der Produktion der französischen Züchter einverstanden erklärten.

140 Dem steht auch nicht die genannte Mitteilung des Präsidenten der FNICGV an deren Mitglieder vom 31. Oktober 2001 entgegen, in der dieser ausführt: "Wir haben einen Kompromiss gefunden ..., der es den Importeuren ermöglicht, ihre Aktivität aufrecht zu erhalten und den freien Warenverkehr mit den von unseren Unternehmen hergestellten und vertriebenen Erzeugnissen so weit wie möglich sicherzustellen." Denn angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 ("Verpflichtung zur vorläufigen Aussetzung der Einfuhren"), auf die der Präsident der FNICGV in seiner Mitteilung übrigens hinweist, bleibt diese Passage unklar. So spricht er von einem "Kompromiss" und erwähnt nicht die vollständige Verwirklichung des freien Handelsverkehrs mit den fraglichen Erzeugnissen, sondern seine Verwirklichung "so weit wie möglich".

141 Aufgrund dieser Erwägungen ist das Gericht der Auffassung, dass der Teilaspekt "Einfuhren" der streitigen Entscheidung durch das Rungis-Protokoll nicht vollständig aufgehoben wurde.

142 Diesem Ergebnis stehen auch die beiden Dokumente nicht entgegen, auf die sich die Klägerinnen zur Stützung ihres Vorbringens berufen haben, dass der Teilaspekt "Einfuhren" im November 2001 keine Geltung mehr besessen habe.

143 So hatte das Schreiben der Klägerinnen in der Rechtssache T-254/03 an ihre Mitglieder vom 8. November 2001 zum Inhalt, "[z]wei Wochen nach der Unterzeichnung und eine Woche nach der Ausarbeitung des Mindestpreisschemas über die Anwendung und die Einhaltung dieser Vereinbarung in den Departements ... Bilanz zu ziehen". Wie die Klägerinnen ausführen, wird in diesem Schreiben nur auf die Maßnahmen zur Anwendung der Mindestpreise Bezug genommen. Der Umstand, dass in diesem Schreiben der Teilaspekt "Einfuhren" nicht erwähnt wird, kann jedoch für sich allein nicht zum Nachweis dafür ausreichen, dass dieser aufgegeben worden war.

144 Was die handschriftlichen Notizen eines Abteilungsleiters der FNSEA vom 14. November 2001 betrifft, so heißt es dort in der Tat: "beschränkte Vereinbarung: heute Fortsetzung der Einfuhren; keine Vergeltung[smaßnahmen]". Wie die Kommission ausgeführt hat, ergibt sich jedoch aus dem Zusammenhang dieser Notizen, dass sich ihr entscheidender Teil auf die Definition der Strategie der Klägerinnen in der Rechtssache T-254/03 zur Vorbereitung ihrer Antwort auf das Auskunftsverlangen der Kommission vom 9. November 2001 bezieht (siehe oben, Randnr. 13). Somit handelt es sich um Dokumente, die nur den Standpunkt wiedergeben, den die Klägerinnen der Kommission zur Kenntnis bringen wollten. In diesen handschriftlichen Notizen werden nämlich wiederholt "Brüssel", "Bxl", oder die "DG Wettbewerb" erwähnt. So heißt es etwa: "GD Wettbewerb ? Ein Text der FNSEA am späten Vormittag" und weiter: "Abgestimmte, wenn nicht gemeinsame Antwort". Einige dieser handschriftlichen Passagen bestätigen, dass der Auszug, auf den sich die Klägerinnen berufen, Teil der Erklärungen war, die in die der Kommission zu übermittelnde Antwort aufgenommen werden sollten. Zum Beispiel sind die folgenden Worte zu zitieren, die dicht bei dem genannten Auszug in dem betreffenden Dokument stehen: "Verteidigungslinien" oder "Verteidigung der Produzenten". Daraus ergibt sich, dass die Auszüge, auf die sich die Klägerinnen berufen, nicht so objektiv und zuverlässig sind, dass ihnen Beweiskraft zuerkannt werden könnte.

145 Zudem wurden mehrere lokale Vereinbarungen, die die Aussetzung der Einfuhren betreffende Klauseln enthalten, genau am Tag der Unterzeichnung des Rungis-Protokolls oder danach abgeschlossen. So enthält eine Notiz der FDSEA des Departements Loire vom 31. Oktober 2001 einen Hinweis auf den an diesem Tag erfolgten Abschluss einer Vereinbarung zwischen der FDSEA, dem Zentrum der JA auf Departementsebene und dem "Fleischsektor auf Departementsebene". Dort heißt es, dass "alle geladenen Unternehmen ... die Vereinbarung unterzeichnet und sich zu ihrer Einhaltung verpflichtet haben". Die Vereinbarung, die im Anhang wiedergegeben wird, enthält eine fast wörtliche Übernahme des Wortlauts der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 sowie eine "Verpflichtung zur vorläufigen Aussetzung der Einfuhren". Desgleichen wurden ausweislich der Akten im Departement Isère im November 2001 in Anwendung der nationalen Vereinbarung mit den Schlachthofbetreibern wenigstens drei lokale Vereinbarungen geschlossen, die eine Verpflichtung zur vorläufigen Aussetzung der Einfuhren "bis zur Neuverhandlung auf nationaler Ebene" enthielten, nämlich vor dem 13. November 2001 mit der Gesellschaft Provi, am 13. November 2001 mit dem Bigard-Konzern und am 15. November 2001 mit den Gesellschaften Carrel und Isère Viandes et salaisons.

146 Zurückzuweisen sind außerdem die von den Klägerinnen erhobenen Beanstandungen der Verwendung der Dokumente der FRSEA Basse-Normandie vom 9. November 2001 und der FDSEA des Departements Finistère vom 19. November 2001 in der streitigen Entscheidung, die darauf gestützt werden, dass es sich bei diesen Dokumenten lediglich um Protokolle handele, aus denen nicht hervorgehe, dass die betreffenden lokalen Vereinbarungen eine Verpflichtung zur Aussetzung der Einfuhren enthalten hätten. Denn erstens hat die Kommission das Dokument vom 19. November 2001 nicht zitiert, um die Existenz des Teilaspekts "Einfuhren" zu belegen, sondern als Beispiel für die Anwendung der Mindestpreise auf lokaler Ebene (siehe Randnr. 86 der angefochtenen Entscheidung und unten, Randnr. 114). Was zweitens das Dokument vom 9. November 2001 betrifft, genügt es festzustellen, dass die Kommission es nur benutzt hat, um zu zeigen, dass tatsächlich örtliche Kontrollen des Ursprungs des Fleisches stattgefunden haben (siehe Randnr. 80 der angefochtenen Entscheidung). Dieses Dokument enthält in der Tat folgende Passage: "In den Departements Orne und Calvados werden Kontrollen der Lastwagen mit Importfleisch vorgenommen: nichts zu melden."

147 Auch die Argumente der Klägerinnen, die diese auf die statistische Analyse der Volumen der Rindfleischeinfuhren nach Frankreich stützen, greifen nicht durch. Zwar hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die verfügbaren Statistiken einen deutlichen Rückgang der Einfuhren im November 2001 gegenüber Oktober 2001 und im Dezember 2001 gegenüber November 2001 hätten erkennen lassen und dass im Januar 2002 wieder ein deutlicher Anstieg der Importe zu verzeichnen gewesen sei (Randnr. 78 der angefochtenen Entscheidung); sie hat gleichwohl die Auffassung vertreten, dass nicht sicher sei, dass der Rückgang der Importe auf die Vereinbarung zurückzuführen sei (Randnr. 167 der angefochtenen Entscheidung). Da sich die Kommission zum Beweis für die Dauer des Teilaspekts "Einfuhren" nicht auf diese statistischen Angaben gestützt hat, gehen die Argumente der Klägerinnen, mit denen sie die Auslegung dieser Zahlen bestreitet, ins Leere. Das Gericht ist jedenfalls der Auffassung, dass die von den Klägerinnen vorgelegten Statistiken nicht den Schluss zulassen, dass die Vereinbarung über die Einfuhren nicht über den 31. Oktober 2001 fortbestanden hat.

148 Zum Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-217/03, sie sei von der im Rungis-Protokoll aufgestellten Verpflichtung zur Solidarität nicht betroffen gewesen, weil sie nicht zu den Unterzeichnern gehöre, genügt die Feststellung, dass dieses Protokoll keine neue Vereinbarung enthielt, sondern lediglich die ursprüngliche Klausel über die Aussetzung der Einfuhren in der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 abmilderte, zu deren Unterzeichnern die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 gehörte. Sie hat außerdem auf Befragen des Gerichts eingeräumt, weder bei der Unterzeichnung des Rungis-Protokoll noch später ihre Mitglieder über die angebliche Aufhebung der Importbeschränkungen für Rindfleisch informiert zu haben. Sie hat dies damit gerechtfertigt, dass ihre Mitglieder von den die Einfuhren betreffenden Maßnahmen nicht berührt gewesen seien. Demgegenüber ist darauf hinzuweisen, dass zumindest einige ihrer Mitglieder Rinder nach Frankreich einführten, selbst wenn die Mengen im Verhältnis zu den Gesamteinfuhren relativ geringfügig waren (siehe oben, Randnr. 66).

149 Nach alledem ist die Auffassung der Kommission, dass der Teilaspekt "Einfuhren" der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 trotz des Rungis-Protokolls nach dem 31. Oktober 2001 nicht vollständig aufgegeben worden sei, nicht fehlerhaft.

3. Der an die Klägerinnen gerichtete Vorwurf einer geheimen mündlichen Absprache nach Ende November 2001

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

150 Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 von den Parteien mündlich insgeheim über den 30. November 2001 hinaus verlängert worden sei.

151 Die Verlängerung einer Vereinbarung könne sich nur aus Umständen ergeben, die darauf hinwiesen, dass alle Parteien ihre Zustimmung zum Ausdruck gebracht hätten. Deshalb müsse die Kommission hier das Vorliegen eines übereinstimmenden Willens der Verbände der Produzenten und der Verbände der Schlachthofbetreiber nachweisen, die Vereinbarung fortzuführen. Die Vertreter der Schlachthofbetreiber, d. h. die FNICGV und die Klägerin in der Rechtssache T-217/03, hätten jedoch gute Gründe gehabt, diese nicht über Ende November 2001 hinaus fortzuführen, nachdem die Kommission sie darüber unterrichtet habe, dass diese Vereinbarung gegen Artikel 81 EG verstoße. So habe die FNICGV ihren Mitgliedern am 30 November 2001 mitgeteilt, dass die Vereinbarung nicht fortgeführt werde.

152 Der Umstand, dass die Verlängerung der Vereinbarung beabsichtigt oder diskutiert worden sei, reiche zum Beweis für ihre tatsächliche Verlängerung nicht aus. Auch hätte sich die Kommission nicht ausschließlich auf Angaben in den einseitigen Erklärungen allein der Züchterverbände stützen dürfen, die nur Verbandsforderungen enthielten. Da die Kommission die Beweislast trage, hätte sie von den Schlachthofbetreibern stammende Dokumente vorlegen müssen, aus denen sich deren Zustimmung zur Aufrechterhaltung des im nationalen Plan enthaltenen Schemas über den 30. November 2001 hinaus ergeben hätte.

153 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Schlussfolgerungen, die die Kommission aus den handschriftlichen Notizen des Direktors der FNB zu den Sitzungen vom 29. November und 5. Dezember 2001 zieht. Ihrer Meinung nach ergibt sich aus diesen Dokumenten, dass die Vertreter der Züchter in diesen Sitzungen angekündigt hätten, sie würden ab Dezember 2001 versuchen, die Schlachthofbetreiber durch lokale Verbandsaktionen zur Anwendung der in dem Mindestpreisschema enthaltenen Preise zu bewegen. Ferner bestreiten die Klägerinnen das Vorbringen der Kommission, dass die angebliche heimliche Fortführung der Vereinbarung auch die Einfuhren betreffe, und tragen vor, keine der Angaben, die die Kommission in Bezug auf die beiden Sitzungen vom 29. November und vom 5. Dezember 2001 zitiere, enthalte irgendeinen Hinweis auf die Einfuhren.

154 Außerdem versuche die Kommission, die Existenz der mündlichen Vereinbarung mit deren geheimem Charakter zu rechtfertigen. Nun sei zwar der Begriff "geheim" in dem Heft des Vertreters der FNB verwendet worden, dieser Angabe sei jedoch in der Praxis dadurch widersprochen worden, dass die Züchterverbände ihre Verbandsforderungen öffentlich bekannt gemacht hätten. Eine geheime Vereinbarung wäre im vorliegenden Zusammenhang ohne jedes Interesse gewesen, da die Präsidenten der unterzeichnenden Verbände sie nicht allen ihren Mitgliedern hätten bekanntgeben können.

155 Von den angeblich nach dem 30. November 2001 getroffenen lokalen Vereinbarungen habe die Kommission nur eine genannt, nämlich die, die am 18. Dezember 2001 zwischen der FDSEA, den JA des Departements Sarthe und der Schlachthofkette Socopa abgeschlossen worden sei; sie habe ihre Auffassung, dass die Zuwiderhandlung über den 30. November 2001 hinaus fortgedauert habe, allein auf diese Vereinbarung gestützt. Zudem sei ihr der Wortlaut dieser Vereinbarung nicht bekannt gewesen, und in den Dokumenten, in denen auf sie Bezug genommen worden sei, sei anders als in der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 nur von einer Vereinbarung über das Preisschema die Rede gewesen. Dazu enthielten die von der Kommission genannten angeblich verlängerten Vereinbarungen kein Datum, keine Unterzeichner und keine betroffene Region.

156 Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 trägt außerdem vor, da die Kommission kein von den Schlachthofbetreibern stammendes oder diese einbeziehendes Schriftstück vorgelegt habe, hätte sie die Umsetzung der streitigen Vereinbarung nach dem 30. November 2001 mit Hilfe von Marktpreislisten beweisen müssen, aus denen sich die Beibehaltung der Mindestpreise ergebe. Nun habe die Kommission zwar versucht, die Existenz der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 mit Hilfe von Preislisten auf nationaler Ebene für die ersten drei Wochen ihrer Anwendung nachzuweisen, sie habe jedoch keine bezifferten Angaben über die angebliche Fortführung dieser Vereinbarung vorgelegt.

157 Abschließend weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die Kommission ihnen mit Schreiben vom 26. November 2001 mitgeteilt habe, dass nur die Verlängerung der schriftlichen Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 unter Umständen Sanktionen nach sich ziehen könne. Folglich seien der Kommission dadurch, dass sie ihnen Sanktionen auferlegt habe, ohne den Nachweis des Vorliegens einer mündlichen Absprache, die die schriftliche Vereinbarung verlängert habe, erbracht zu haben, nicht nur ein offensichtlicher Beurteilungsfehler und ein Rechtsirrtum unterlaufen, sondern sie habe auch ihre Verpflichtungen ihnen gegenüber nicht eingehalten und dadurch den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt.

158 Die Kommission trägt vor, eine "Vereinbarung" im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG brauche keine bestimmte Form zu haben, so dass eine nicht schriftliche Vereinbarung ohne weiteres eine verbotene Absprache darstellen könne. Die Klägerinnen hätten noch in der zweiten Hälfte November 2001 die schriftliche Verlängerung der Vereinbarung ins Auge gefasst und hätten sich, nachdem sich diese als unmöglich erwiesen habe, in zwei Sitzungen am 29. November und 5. Dezember 2001 auf die geheime Fortführung der Vereinbarung geeinigt. Ferner ergebe sich aus zahlreichen Dokumenten, dass die Vereinbarung nach dem 30. November 2001 weiter angewandt worden sei, so dass es nicht notwendig gewesen sei, außerdem noch den Beweis dafür zu erbringen, dass sie Wirkungen gehabt habe. Schließlich wendet sich die Kommission gegen die Auslegung ihres Schreibens vom 26. November 2001 durch die Klägerinnen und macht geltend, dass diese Frage ohnehin unerheblich sei, da die Vereinbarung ja verlängert worden sei.

b) Würdigung durch das Gericht

159 Es ist daran zu erinnern, dass die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 als Ablaufdatum Ende November 2001 vorsah. Aus der angefochtenen Entscheidung geht jedoch hervor, dass der Präsident der FNICGV dem Präsidenten der FNSEA am 19. November 2001, d. h. einige Tage nach Erhalt des Auskunftsverlangens der Kommission, mitteilte, er sehe sich "gezwungen, das ... Auslaufen der Vereinbarung auf den heutigen Tag vorzuziehen" (Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung). Aus den Akten ergibt sich allerdings nicht, dass die übrigen Unterzeichner der Vereinbarung das Ablaufdatum der Vereinbarung tatsächlich vorgezogen haben. Im Übrigen bestreiten die Klägerinnen nicht, dass die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 am 30. November 2001 abgelaufen ist, wohl aber, dass sie insgeheim mündlich über dieses Datum hinaus verlängert worden sei. Die Prüfung des Gerichts beschränkt sich somit auf diese letztere Frage.

160 Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, wird die in Rede stehende Zuwiderhandlung in der angefochtenen Entscheidung als eine Vereinbarung zwischen den Züchterverbänden einerseits und den Verbänden der Schlachthofbetreiber andererseits gekennzeichnet. Folglich musste die Kommission, wie die Klägerinnen geltend machen, zum Nachweis der Existenz der angeblichen mündlichen Absprache, durch die die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 verlängert oder fortgeführt worden sein soll, dartun, dass sowohl die Vertreter der Züchter als auch die Vertreter der Schlachthofbetreiber dieser mündlichen Absprache zugestimmt haben.

161 Zurückzuweisen ist dagegen das Vorbringen der Klägerinnen, dass die Kommission sich nicht nur auf Beweismittel hätte stützen dürfen, die von den Vertretern der Züchter stammten, sondern auch von den Schlachthofbetreibern stammende Dokumente hätte vorlegen müssen. Denn die Kommission war nicht verpflichtet, Beweise beizubringen, die von den Vertretern der Schlachthofbetreiber selbst stammten, wenn deren Beteiligung an der Vereinbarung durch andere in den Akten enthaltene Schriftstücke ausreichend nachgewiesen war (vgl. in diesem Sinne Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 512).

162 Die Kommission hat sich in der angefochtenen Entscheidung zum Nachweis der Verlängerung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 über Ende November hinaus auf eine Reihe von Angaben gestützt: erstens auf Dokumente, aus denen ihrer Meinung nach hervorgeht, dass die Verlängerung der Vereinbarung vorgesehen war, und zwar auch noch zu einem Zeitpunkt nach ihrer angeblichen Aufkündigung durch die FNICGV am 19. November 2001 (Randnrn. 46 bis 53 der angefochtenen Entscheidung), zweitens auf Dokumente, die auf eine in zwei Sitzungen am 29. November und 5. Dezember 2001 getroffene Vereinbarung zwischen allen Beteiligten, verbunden mit einer Verpflichtung zur Geheimhaltung, hinwiesen (Randnrn. 57 bis 70 der angefochtenen Entscheidung), und drittens auf Umstände, aus denen sich die Umsetzung der Vereinbarung auch nach Ende November 2001 ergebe (Randnrn. 78 bis 95 der angefochtenen Entscheidung).

163 Diese von der Kommission herangezogenen Beweismittel sind im Folgenden unter Berücksichtigung der Einwände, die die Klägerinnen dagegen erhoben haben, zu prüfen.

Zur Vorbereitung der Verlängerung der Vereinbarung

164 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass die Beteiligten in der zweiten Hälfte November 2001 an die schriftliche Verlängerung der streitigen Entscheidung gedacht hätten (Randnrn. 48 bis 53 der angefochtenen Entscheidung), wobei sie sich insbesondere auf die handschriftlichen Notizen des Direktors der FNB sowie auf eine E-Mail eines Vertreters der FRSEA Bretagne an die FNB gestützt hat.

165 Erstens ist festzustellen, dass in diesen handschriftlichen Notizen von einer Arbeitssitzung die Rede ist, die nach Angaben der Kommission zwischen dem 22. und 27. November 2001 stattfand und an der der Präsident der FNICGV, Herr L. S., teilgenommen haben soll. Aus diesen Notizen geht hervor, dass über die Zukunft der "Branchenvereinbarung" nach Ende November 2001 diskutiert wurde, und zwar sowohl hinsichtlich des Teilaspekts "Preise" als auch hinsichtlich des Teilaspekts "Einfuhren". Bei diesen Diskussionen soll sich die FNICGV geweigert haben, "mit der schriftlichen Vereinbarung weiterzumachen". In den Notizen wird auch ins Auge gefasst, "zur Legalität zurückzukehren". Es soll jedoch auch die Möglichkeit einer "Weiterentwicklung der Vereinbarung" geprüft worden sein.

166 Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass es in der E-Mail vom 28. November 2001 heißt: "Weitergeltung der vereinbarten Mindestpreise in den nächsten Wochen: alle kontaktierten Schlachthofbetreiber haben sich bereit erklärt, die vereinbarten Mindestpreise weiter anzuwenden, sofern sich zugleich alle Wirtschaftsteilnehmer hierzu verpflichten." Daraus ergibt sich jedoch nur die Bereitschaft bestimmter Schlachthofbetreiber zur Aufrechterhaltung der die Preise betreffenden Maßnahmen für den Fall, dass eine dahin gehende Vereinbarung getroffen würde.

167 Demnach war die Kommission zwar vollauf berechtigt, diese Dokumente zum Beweis dafür benutzen, dass die Klägerinnen die Verlängerung der schriftlichen Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 ins Auge gefasst und diskutiert haben; diese Dokumente allein erbringen aber nicht den Beweis dafür, dass es tatsächlich zu dieser Verlängerung gekommen ist.

Zu der Verlängerung der Vereinbarung in den Sitzungen vom 29. November und 5. Dezember 2001

168 Die Kommission trägt vor, die Parteien hätten sich, nachdem sie die Idee der schriftlichen Verlängerung aufgegeben hätten, in zwei Sitzungen am 29. November und 5. Dezember 2001 auf eine heimliche Verlängerung der Vereinbarung geeinigt.

- Sitzung vom 29. November 2001

169 Bezüglich der Sitzung vom 29. November 2001 prüft die Kommission zunächst (in den Randnrn. 57 bis 60 der angefochtenen Entscheidung) die handschriftlichen Notizen des Direktors der FNB. Darin wird ausdrücklich auf die "Sitzung Donnerstag 29. Nov." Bezug genommen. Der erste Teil dieser Notizen betrifft, wie aus ihrer Überschrift hervorgeht, die Vorbereitung der Antwort der Klägerinnen auf das Auskunftsverlangen der Kommission vom 9. November 2001. In diesem Teil heißt es u. a.: "Die Einfuhren sind weitergegangen[.] Keine vollständige Einhaltung der Preisvereinbarung[.] Die Vereinbarung, die Schwierigkeiten ? Handeln Sie die Mindestpreise auf regionaler Ebene aus" und vor allem: "OK, wir akzeptieren Nichtfortführung der Vereinbarung." Desgleichen finden sich oben rechts eingerahmt die Worte: "Info von außen? + keine Vereinbarung mehr? ... + Preisvereinbarung". Wenn man ihren Zusammenhang berücksichtigt, veranschaulichen diese Passagen nach Auffassung des Gerichts nur den Standpunkt, den die Klägerinnen gegenüber der Kommission zu vertreten beabsichtigten. Folglich erbringen diese Auszüge entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht den Beweis dafür, dass beschlossen wurde, die Anwendung der streitigen Maßnahmen einzustellen.

170 So wird im Folgenden ausgeführt: "Kann in dieser Form wegen strafbaren Charakters nicht fortgeführt werden. Druck aufrechterhalten, damit die Interventionspreise angewandt werden (d. h. faktisch Anwendung der Mindestpreise). Ohne viel Aufhebens davon zu machen." Aus dieser Passage geht hervor, dass die Züchterverbände beabsichtigten, weiter die Anwendung der Mindestpreise zu fordern, aber nunmehr formal als Verbandsforderung. Es heißt nämlich: "Von unverbindlichen Richtpreisen sprechen - Regionale Mindestpreise?" Weiter findet sich in den Notizen folgende Passage: "Schreiben an FNICGV - FNCBV [.] FNB[:] Wir nehmen Kenntnis KOM[,] keine Vereinbarung in Zukunft, aber verfolgen weiter unsere Verbandsziele." Schließlich wird ausgeführt: "Presseverlautb. Mindestpreise = EWG-widrig, also damit aufhören, aber als Züchter Preisempfehlungen geben, Ziele der Berufsverbände".

171 Außerdem enthalten diese handschriftlichen Notizen Passagen, aus denen sich entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen ergibt, dass die Vertreter der Schlachthofbetreiber mit dieser Strategie, weiter für die Einhaltung der Mindestpreise zu sorgen, einverstanden waren. Es wird nämlich mehrfach auf "LS" Bezug genommen, den die Kommission von den Klägerinnen unwidersprochen als den Präsidenten der FNICGV identifiziert. Zum Beispiel:

- "unterzeichnete Vereinbarung: werden sie nicht fortführen können. (LS) [.] LS = OK zur Einhaltung von im Gegenzug für Rücknahme festgesetzten Preisen". Direkt unter diesen Angaben findet sich eine Preisliste für bestimmte Rindfleischkategorien mit dem unterstrichenen Randvermerk "OK Vereinbarung";

- "'Preisempfehlungen', 'Zielpreise', 'Richtpreise'[,] 'rentable Preise', 'Richtpreise Züchter' LS = ich werde nichts schreiben / Tel."

172 Ebenso wird in diesen Passagen mehrfach auf die Initialen "FT" Bezug genommen, die offensichtlich den Präsidenten der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 bezeichnen.

173 Schließlich heißt es auf der letzten Seite dieses Dokuments ("Zusammenfassung"): "Gutes Ergebnis, einverständlich [.] 'Einverständnis' über die Einhaltung der 'Richtpreise Züchter' (mündlich/tel)".

174 Aufgrund aller dieser Gegebenheiten ist das Gericht entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen der Auffassung, dass diese handschriftlichen Notizen betreffend die Sitzung vom 29. November 2001 dahin ausgelegt werden können, dass die Vertreter der Schlachthofbetreiber der Fortsetzung der Anwendung der streitigen Maßnahmen zugestimmt haben. Somit ist das Vorbringen zurückzuweisen, dass sich aus diesen Dokumenten nur der Wille der Züchterverbände ergebe, diese Maßnahmen allein im Rahmen ihrer Verbandsaktionen weiter anzuwenden, ohne dass eine Vereinbarung mit den Schlachthofbetreibern vorlag oder unabhängig von einer solchen Vereinbarung. Dieses Vorbringen wird nämlich durch den Inhalt dieser Notizen selbst widerlegt.

175 Im Übrigen bestätigen, wie sich aus der angefochtenen Entscheidung (siehe Randnr. 63) ergibt, mehrere andere Dokumente, dass sich die Klägerinnen in der Sitzung vom 29. November 2001 mündlich auf die Fortführung der angefochtenen Vereinbarung geeinigt haben.

176 Erstens erklärte der Vizepräsident der FNB, Herr G. H., in einem auf der Homepage [der Wochenzeitschrift] Vendée agricole wiedergegebenen Interview vom 4. Dezember 2001: "[L]etzte Woche haben wir gezeigt, wie nützlich feste Mindestpreise sind, um den preislichen Abwärtstrend zum Stillstand zu bringen. Die Unternehmen erkennen ihre Wirkung an, wollen aber gleichzeitig den Empfehlungen aus Brüssel nachkommen. Ab jetzt werden wir nicht mehr von einer branchenübergreifenden Vereinbarung über feste Mindestpreise sprechen, sondern von Richtpreisen, die nicht unterschritten werden sollten. Wir nehmen nach wie vor den Begriff fester Preisvorgaben durch die Berufsverbände für uns in Anspruch!" Der Vizepräsident der FNB fügte hinzu: "Es gibt keine neue schriftliche 'Vereinbarung'. Nur mündliche Absprachen. Aber überaus wichtige. Die Vertreter der Unternehmen auf nationaler Ebene haben den Inhalt unserer Gespräche ebenfalls mündlich weitergegeben." Schließlich führte er unter Bezugnahme auf mehrere Schlachthöfe im Departement Vendée aus: "Wir wollen von ihnen wissen, ob sie die Weisungen ihrer nationalen Strukturen [betreffend die Preise, über die in der letzten Woche beratschlagt wurde] erhalten haben, die mit unseren Vorgaben identisch sind."

177 Zweitens wird in Randnummer 64 der angefochtenen Entscheidung auf eine aktuelle Notiz des Berufsverbandes des Departements Vendée vom 5. Dezember 2001 hingewiesen, in der es heißt: "[D]ie Ende letzter Woche für den Rindfleischsektor eingegangene mündliche Vereinbarung wird in der Praxis nur schleppend umgesetzt... Der gesamte Sektor müsste sich Anfang der Woche bezüglich dieser 'Vereinbarung' absprechen." Nach Erwähnung der Diskussionen zwischen den Demonstranten und einem Schlachthofbetreiber wird ausgeführt: "[D]ie Verantwortlichen des Schlachthofs haben mit [dem Präsidenten der FNICGV] gesprochen. Dieser bestätigte die Diskussionen der letzten Woche".

- Sitzung vom 5. Dezember 2001

178 Hinsichtlich der Sitzung vom 5. Dezember 2001, die anlässlich des nationalen Rindfleischtages abgehalten wurde, ist zuerst eine E-Mail eines Vertreters der bretonischen FRSEA an die Präsidenten der FDSEA seiner Region vom 6. Dezember 2001 zu prüfen, wie dies auch in Randnummer 66 der angefochtenen Entscheidung getan wurde. In dieser E-Mail, in dem auf die "gestrige Sitzung" Bezug genommen wird, heißt es:

"Was [den] Aspekt der Mindestpreise betrifft, so haben die nationalen Präsidenten der FNICGV und der FNCBV erklärt, sie seien sich der Notwendigkeit bewusst, die Marktpreise zu stützen und ihre Mitglieder von dieser Notwendigkeit zu überzeugen. Gleichwohl wird es keine schriftliche Vereinbarung über diesen Punkt geben, und die Aufrechterhaltung fester Preise wird von unserer Fähigkeit abhängen, genügend Druck auf den Sektor auszuüben. Daher schlage ich Ihnen vor, die Schlachthofbetreiber Ihres Departements bereits Ende der Woche ... zu kontaktieren, um sicherzustellen, dass sie sich verpflichten, die Preise auf der bestehenden bzw. der aktualisierten Basis zu halten, und um sie zu warnen, dass die Berufsverbände bei Missachtung dieser Verpflichtung bereits nächste Woche entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten könnten."

179 Ferner wird in Randnummer 67 der angefochtenen Entscheidung auf ein Mitteilungsblatt der FNPL eingegangen, das am 10. Dezember 2001 als Fax übermittelt wurde und ebenfalls auf den nationalen Rindfleischtag Bezug nahm, mit dem "die Beibehaltung fester Mindestpreise ... bestätigt" worden sei. In diesem Mitteilungsblatt heißt es: "Die Vertreter der Schlachthofbetreiber ([FT und LS]) nehmen die (schriftlich nicht fixierte) Fortführung der vereinbarten Mindestpreise zur Kenntnis."

180 Schließlich wird in den Randnummern 68 und 69 der angefochtenen Entscheidung auf andere Passagen in den handschriftlichen Notizen des Direktors der FNB mit der Überschrift "Rindfleischtag - 5. Dezember 2001" Bezug genommen. Diese Notizen enthalten folgende Passagen: "Sagen wir nicht mehr 'gegen die Importe', sondern gehen wir zur AHV [Außer-Haus-Verpflegung] über", "ein Fehler: die Aussetzung der Importe schriftlich fixiert zu haben, wir haben von Brüssel und anderen vom COPA Prügel bezogen. Ohne darüber zu schreiben, sollten wir mit 'Preisvorgaben' bzw. Richtpreisen, die die Preise nicht unterschreiten dürfen, weitermachen." Weiter heißt es unmittelbar nach Äußerungen, die dem Präsidenten der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 und dem Präsidenten der FNICGV zugeschrieben werden: "dürfen nicht mehr schreiben, aber weitermachen". Von dem Präsidenten der FNICGV wird folgende Äußerung wiedergegeben: "werden an Verpflichtung bezüglich SAP [Sonderankaufspreis] festhalten. Botschaft an unsere Betriebe weitergegeben... Die festen Mindestpreise gelten informell weiter." Dazu habe der Präsident der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 bemerkt: "ja OK. Aber müssen von allen angewandt werden." Was diese letzte Bemerkung betrifft, so würden entgegen dem Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 die Worte "müssen von allen angewandt werden" weder die Anwendung der Mindestpreise unmöglich machen noch der fraglichen Erklärung ihre Beweiskraft nehmen.

Zur Umsetzung der Vereinbarung nach Ende November 2001

181 Die angefochtene Entscheidung enthält des Weiteren Hinweise auf mehrere Aktionen auf lokaler Ebene, die bestätigen, dass die Vereinbarung über Ende November 2001 hinaus umgesetzt wurde (Randnrn. 92 bis 94 der angefochtenen Entscheidung).

182 So geht aus einer Notiz der FDSEA des Departements Vendée vom 18. Dezember 2001 hervor, dass sich ein Schlachthofbetreiber (die Schlachthofkette Socopa) nach einer Blockade seiner Betriebe bereit erklärt hat, die Mindestpreise für weibliche Rinder bis zum 11. Januar 2002 anzuwenden.

183 Ferner enthalten die Akten zwei Exemplare eines Dokuments mit der Überschrift "Vereinbarung vom 25. Oktober 2001 (fortgeführt)", wo es heißt: "von der FNSEA, der FNB, der FNICGV und der FNCBV/SICA unterzeichnet und Verständigung über Anwendung". Die Klägerinnen haben darauf hingewiesen, dass diese Dokumente kein Datum tragen. Die Kommission hat sie jedoch in Randnummer 94 der angefochtenen Entscheidung identifiziert als ein Fax der "FDSEA 79" vom 13. Dezember 2001 und ein Dokument, das die FDSEA des Departements Deux-Sèvres am selben Tag einem Schlachthofbetreiber übersandt hat.

184 Schließlich heißt es in einem Fernschreiben, das ein Vertreter der FDSEA des Departements Maine-et-Loire am 11. Dezember 2001 an den Direktor der FNB richtete und das die Überschrift "Kontrollen in den Schlachthöfen des Departements Maine-et-Loire" trägt: "keine Unregelmäßigkeiten festgestellt - Mindestpreise werden angewandt - keine Importe".

Ergebnis

185 Aus alledem ergibt sich, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die Klägerinnen die Anwendung der streitigen Vereinbarung mündlich und insgeheim über Ende November 2001 hinaus fortgesetzt haben, und zwar trotz der Schreiben der Kommission vom 26. November 2001, mit denen diese sie darauf aufmerksam machte, dass die Vereinbarung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln verstoße.

186 Dieses Ergebnis wird nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, dass eine heimliche Fortführung der Vereinbarung dieser jede Wirksamkeit nehmen würde. In den Akten finden sich tatsächlich mehrere Hinweise darauf, dass die Klägerinnen nicht öffentlich bekannt machen wollten, dass zwischen den Vertretern der Züchter und den Vertretern der Schlachthofbetreiber auch nach Ablauf der Vereinbarung eine wechselseitige Verpflichtung bestand. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass der geheime Charakter der Vereinbarung dieser nicht jede Wirksamkeit genommen hat, zumal die Züchterverbände weiter öffentlich - wenn auch nunmehr im Gewand einer Verbandsforderung - die Mindestpreise forderten und ihren Mitgliedern zur Kenntnis brachten. Desgleichen lässt sich aufgrund des Akteninhalts feststellen, dass auch die Vertreter der Schlachthofbetreiber diese Preise bestimmten Schlachthöfen mündlich mitteilten (siehe oben, Randnr. 177).

187 Die Fortführung der Vereinbarung kann auch nicht allein auf der Grundlage einer Notiz der FNICGV vom 30. November 2001 bestritten werden, in der es heißt: "Die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 über die Anwendung von Mindestpreisen für Schlachtkühe wird nicht fortgeführt und soll auch nicht fortgeführt werden. Dies ist das Ergebnis der gestern in Paris in Anwesenheit der Unterzeichner der Vereinbarung abgehaltenen Sitzung." Denn diese Erklärung war nach Auffassung des Gerichts Teil der öffentlichen Kommunikationsstrategie der FNICGV, insbesondere nachdem sie von der Kommission gewarnt worden war, dass sie wegen der streitigen Vereinbarung mit Sanktionen rechnen müsse. Jedenfalls ergibt sich, wie vorstehend dargelegt, die Beteiligung des Präsidenten der FNICGV an der Verlängerung der Vereinbarung aus Dokumenten, die nach diesem Datum aufgesetzt wurden.

188 Schließlich war die Kommission, nachdem sie die Fortführung der Vereinbarung mit Hilfe von schriftlichen Beweisen nachgewiesen hatte, entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht verpflichtet, diese Fortführung anhand der Prüfung der Auswirkungen der Vereinbarung auf die während des in Rede stehenden Zeitraums praktizierten Preise nachzuweisen.

189 Die Kommission ist somit in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die Zuwiderhandlung vom 24. Oktober 2001 bis zum 11. Januar 2002 gedauert hat.

190 Deshalb ist dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

C - Zum dritten Klagegrund: Nichtanwendung der in der Verordnung Nr. 26 vorgesehenen Ausnahme

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

191 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe gegen die Verordnung Nr. 26 verstoßen, und ihre Weigerung, auf die streitige Vereinbarung die Ausnahme von der Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG anzuwenden, die in Artikel 2 dieser Verordnung zugunsten bestimmter mit der Erzeugung und dem Absatz landwirtschaftlicher Erzeugnisse zusammenhängender Tätigkeiten vorgesehen sei, beruhe auf offensichtlichen Beuteilungsfehlern und Rechtsirrtümern. Sie behaupten, die fragliche Vereinbarung sei zur Erreichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik erforderlich gewesen.

192 Wie auch in der angefochtenen Entscheidung eingeräumt worden sei, habe die angefochtene Vereinbarung bezweckt, den Rinderzüchtern ein Mindesteinkommen zu garantieren. Auch das Ziel der Stabilisierung der Märkte sei erreicht worden, da die Vereinbarung einen Preismechanismus geschaffen habe, der dazu beigetragen habe, die bestehende Störung in Grenzen zu halten, und der es den Züchtern ermöglicht habe, ihre Erzeugnisse zu rentablen Preisen zu verkaufen und so die Krise zu überstehen, ohne vom Markt zu verschwinden. Gleichwohl habe die Vereinbarung die Ziele der Steigerung der Produktivität und der Sicherstellung der Versorgung sowie angemessener Preise für die Verbraucher nicht gefährdet, denn sie berühre diese nicht.

193 Nach Auffassung der Klägerinnen hätte die Kommission in der vorliegenden Rechtssache versuchen müssen, diese verschiedenen Ziele miteinander in Einklang zu bringen (Urteile des Gerichtshofes vom 24. Oktober 1973 in der Rechtssache 5/73, Balkan-Import-Export, Slg. 1973, 1091, Randnr. 24, und vom 17. Dezember 1981 in den Rechtssachen 197/80 bis 200/80, 243/80, 245/80 und 247/80, Ludwigshafener Walzmühle u. a./Rat und Kommission, Slg. 1981, 3211, Randnr. 41). Sie hätte insbesondere aufgrund der außergewöhnlichen Krise des Rindfleischsektors den Zielen der Stabilisierung des Marktes und der Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung Vorrang einräumen müssen. Deshalb hätte sie zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Abwägung aller in Artikel 33 Absatz 1 EG aufgeführten Ziele die Anwendung der in der Verordnung Nr. 26 vorgesehenen Ausnahme ermöglicht hätte.

194 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 wenden sich außerdem gegen die Ausführungen der Kommission in den Randnummern 146 und 147 der angefochtenen Entscheidung, der Umstand, dass die ergriffenen Maßnahmen nicht in der Verordnung Nr. 1254/1999 vorgesehen gewesen seien, reiche aus, um die Anwendung des Ausnahmetatbestands des Artikels 2 der Verordnung Nr. 26 auszuschließen. Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 trägt vor, der Auffassung der Kommission, dass die Vereinbarung nicht die in der gemeinsamen Marktorganisation vorgesehenen Zielen verfolge, liege ein offensichtlicher Beurteilungsfehler und ein Rechtsirrtum zu Grunde. Insbesondere sei sie mit den in der zweiten und der 31. Begründungserwägung sowie in Artikel 38 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1254/1999 dargelegten Zielen vereinbar gewesen.

195 Schließlich beruhe die Meinung der Kommission, dass die streitige Vereinbarung unverhältnismäßig gewesen sei, auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler und einem Rechtsfehler. Auch habe die Kommission dieses Ergebnis nicht begründet und nicht erklärt, welche anderen als die in der streitigen Vereinbarung vorgesehenen Maßnahmen es ermöglicht hätten, die Kurseinbrüche in Grenzen zu halten.

196 Die Kommission führt aus, der Ausnahmetatbestand des Artikels 2 der Verordnung Nr. 26 müsse eng ausgelegt und restriktiv angewandt werden. Bedeutung habe die streitige Vereinbarung allenfalls für die Erreichung eines einzigen der fünf in Artikel 33 EG gesetzten Ziele (Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung) und sei für die anderen vier Ziele völlig irrelevant. Sie sprenge außerdem den Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation im Rindfleischsektor und stehe jedenfalls außer Verhältnis zur Erreichung der angestrebten Ziele. Deshalb sei diese Ausnahme nicht auf die Vereinbarung anwendbar.

2. Würdigung durch das Gericht

197 Die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf den Märkten für landwirtschaftliche Erzeugnisse zählt zu den Zielen der gemeinsamen Agrarpolitik. Auch wenn es nämlich nach Artikel 36 EG dem Rat überlassen bleibt, darüber zu entscheiden, inwieweit die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen Anwendung finden, um so der besonderen Lage auf den Märkten für diese Erzeugnisse Rechnung tragen zu können, ist doch in dieser Bestimmung die Anwendbarkeit der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln im Agrarsektor als Grundsatz niedergelegt (Urteil des Gerichtshofes vom 9. September 2003 in der Rechtssache C-137/00, Milk Marque und National Farmers Union, Slg. 2003, I-7975, Randnrn. 57 und 58).

198 Nach Artikel 1 der Verordnung Nr. 26 findet Artikel 81 Absatz 1 EG vorbehaltlich des Artikels 2 auf alle in Artikel 81 Absatz 1 EG genannten Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen bezüglich der Produktion der in Anhang I EG aufgeführten Erzeugnisse - zu denen insbesondere lebende Tiere, Fleisch und genießbarer Schlachtabfall gehören - und den Handel mit diesen Anwendung. Nach Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 gilt Artikel 81 Absatz 1 EG nicht für Vereinbarungen, Beschlüsse und Verhaltensweisen, die zur Verwirklichung der in Artikel 33 EG aufgeführten Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik notwendig sind.

199 Als Befreiung von der Regel der allgemeinen Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG ist Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 eng auszulegen (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Dezember 1995 in der Rechtssache C-399/93, Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I-4515, Randnr. 23; Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1997 in den Rechtssachen T-70/92 und T-71/92, Florimex und VGB/Kommission, Slg. 1997, II-693, Randnr. 152). Außerdem findet Artikel 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26, der die geltend gemachte Ausnahmeregelung enthält, nach ständiger Rechtsprechung nur Anwendung, wenn die betreffende Vereinbarung zur Verwirklichung aller Ziele des Artikels 33 beiträgt (Urteile Oude Luttikhuis u. a., Randnr. 25, sowie Florimex und VGB/Kommission, Randnr. 153; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Frubo/Kommission, Randnrn. 25 bis 27). Das Gericht hat allerdings ausgeführt, dass die Kommission bei einem Konflikt zwischen diesen zuweilen divergierenden Zielen versuchen kann, sie miteinander in Einklang zu bringen (Urteil Florimex und VGB/Kommission, Randnr. 153). Schließlich muss die fragliche Vereinbarung, wie sich schon aus dem Wortlaut des Artikels 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 ergibt, zur Verwirklichung dieser Ziele "notwendig" sein (Urteil Oude Luttikhuis u. a., Randnr. 25; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Florimex und VGB/Kommission, Randnrn. 171 und 185).

200 Nach Artikel 33 Absatz 1 EG ist Ziel der gemeinsamen Agrarpolitik:

"a) die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern;

b) auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten;

c) die Märkte zu stabilisieren;

d) die Versorgung sicherzustellen;

e) für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen."

201 Die Klägerinnen tragen im Wesentlichen vor, dass die streitige Vereinbarung für die Verwirklichung zweier dieser Ziele notwendig gewesen sei, nämlich zur Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die landwirtschaftliche Bevölkerung und zur Stabilisierung der Märkte, während sie die übrigen drei Ziele nicht berühre, also auch nicht gefährde.

202 Wie die Klägerinnen darlegen, bezweckte die streitige Entscheidung hauptsächlich, den Rinderzüchtern in Frankreich in der Krisensituation, in der sich dieser Sektor im entscheidungserheblichen Zeitraum befand, zu Hilfe zu kommen. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass sie zum Ziel hatte, der landwirtschaftlichen Bevölkerung im Sinne des Artikels 33 Absatz 1 Buchstabe b EG eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten.

203 Nach Auffassung des Gerichts bezweckte die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 jedoch nicht die in Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe c genannte Stabilisierung der Märkte und konnte insoweit auch nicht als notwendig angesehen werden. Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung ergibt, beruhte die Krise im Rindfleischsektor in den Jahren 2000 und 2001 auf einem krassen Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage, das vor allem durch einen starken Rückgang des Verbrauchs aufgrund des durch die Feststellung neuer Fälle von BSE und von Maul- und Klauenseuche ausgelösten Vertrauensverlustes bewirkt wurde (siehe Randnrn. 12, 13 und 142 der angefochtenen Entscheidung). Folglich erforderte die Stabilisierung der betroffenen Märkte vor allem Maßnahmen zur Verringerung des stark überschüssigen Angebots und zur Förderung des stark zurückgegangenen Rindfleischkonsums.

204 Die streitige Vereinbarung sah jedoch keine derartigen Maßnahmen vor. Darüber hinaus waren die dort festgesetzten Mindestpreise nicht nur ungeeignet, zur Stabilisierung der Märkte beizutragen, sondern konnten diesem Ziel sogar entgegenwirken, da sie zu einer Erhöhung der Preise führen konnten, die geeignet war, den Verbrauch noch weiter zu verringern und auf diese Weise den Abstand zwischen Angebot und Nachfrage zu vergrößern. Die Einführung eines Mindestpreisschemas bedeutete im Übrigen eine künstliche Festsetzung der Preise, die sowohl zur natürlichen Preisbildung auf dem Markt als auch zu den öffentlichen Stütz- und Interventionsmechanismen im Widerspruch steht. Auch konnte es sich dabei nur um eine rein konjunkturelle Maßnahme handeln, die nicht geeignet war, auf den fraglichen Märkten mittel- oder langfristige Wirkungen zu entfalten. Zudem wurde durch die Beschränkung der Rindfleischimporte nach Frankreich zwangsläufig das Risiko einer Verzerrung des innergemeinschaftlichen Rindfleischhandels und somit einer Gefährdung der Stabilität der fraglichen Märkte in mehreren Mitgliedstaaten heraufbeschworen.

205 Eine Vereinbarung, durch die die Einfuhren von Billigprodukten eingeschränkt und Mindestpreise festgesetzt werden, kann auch nicht als neutral im Hinblick auf das in Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe e EG festgesetzte Ziel, für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen, angesehen werden. Denn wie die Kommission in Randnummer 144 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, ohne dass die Klägerinnen ihr insoweit widersprochen hätten, bestand die Wahrscheinlichkeit, dass die Aussetzung der Einfuhren insbesondere im Bereich der Außer-Haus-Verpflegung mit seinem hohen Verbrauch an billigerem Importfleisch zu einer Preissteigerung führen würde. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, dass die Mindestpreise, selbst wenn sie frei Schlachtstätte festgesetzt wurden, auf die Verbraucher abgewälzt würden.

206 Aufgrund aller dieser Umstände ist festzustellen, dass die streitige Vereinbarung zur Erreichung des Ziels, der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten, nicht notwendig war. Vielmehr bestand die Gefahr, dass sie zumindest das Ziel der Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen beeinträchtigen würde. Schließlich betraf sie nicht die Stabilisierung der Märkte, die Sicherstellung der Versorgung und die Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft und war zur Erreichung dieser Ziele erst recht nicht notwenig. Deshalb ist das Gericht unter Berücksichtigung der in Randnummer 199 zitierten Rechtsprechung der Auffassung, dass die Kommission fehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bei Abwägung dieser verschiedenen Ziele die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des Artikels 2 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 26 im vorliegenden Fall nicht bejaht werden konnte.

207 Zurückzuweisen sind auch die Einwände gegen die in den Randnummern 146 und 147 der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, dass die streitige Vereinbarung keineswegs zu den in der gemeinsamen Marktorganisation im Rindfleischsektor, insbesondere in der Verordnung Nr. 1254/1999 vorgesehenen Mitteln zur Erreichung der genannten Ziele gehöre. Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 hielt die Kommission diesen Umstand allein nicht für ausreichend, um die Anwendbarkeit der in der Verordnung Nr. 26 enthaltenen Ausnahme zu verneinen. Sie hat diesen Gesichtspunkt lediglich - im Übrigen zu Recht - zur Stützung ihrer Auffassung herangezogen, dass die fragliche Vereinbarung zur Erreichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik nicht notwendig gewesen sei (vgl. in diesem Sinne Urteil Florimex und VGB/Kommission, Randnrn. 148 bis 151). Auch dem Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-217/03, dass die Vereinbarung zu den Zielen dieser Verordnung gehört habe, kann nicht gefolgt werden. Insbesondere sehen die von der Klägerin genannten Bestimmungen (die zweite und die 31. Begründungserwägung sowie Artikel 38 Absatz 1 der genannten Verordnung) lediglich vor, dass die Gemeinschaftsorgane im Fall von Marktstörungen Maßnahmen ergreifen können (siehe insoweit Artikel 43 der Verordnung); sie rechtfertigen keineswegs eine private Vereinbarung über Importbeschränkungen und die Festsetzung von Mindestpreisen.

208 Was schließlich das Vorbringen zur Verhältnismäßigkeit der streitigen Maßnahmen angeht, ist der Vorwurf der Verletzung der Begründungspflicht zurückzuweisen. Die Kommission hat in Randnummer 148 der angefochtenen Entscheidung rechtlich hinreichende Gründe für ihre Auffassung angeführt, dass die Festsetzung von Preisen und die Aussetzung der Importe schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen darstellten und im Hinblick auf die Erreichung des von der Vereinbarung angestrebten Ziels nicht als verhältnismäßig angesehen werden konnten. Die Kommission war entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht verpflichtet, die Maßnahmen zu nennen, die diese hätten ergreifen können, um ihre Vereinbarung mit Artikel 2 der Verordnung Nr. 26 in Einklang zu bringen. Auch die Rüge, dass die Kommission fehlerhaft gehandelt habe, als sie bei der Prüfung der Anwendbarkeit der in dieser Vorschrift enthaltenen Ausnahme die Unverhältnismäßigkeit der in der Vereinbarung vorgesehenen Maßnahmen berücksichtigt habe, kann nicht durchgreifen. Denn nach der Rechtsprechung können Maßnahmen für die Anwendung dieser Vorschrift nur dann als zur Erreichung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik notwendig angesehen werden, wenn sie verhältnismäßig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Florimex und VGB/Kommission, Randnr. 177). In der vorliegenden Rechtssache dagegen können die Einfuhrbeschränkungen und die Festsetzung der Preise auch unter Berücksichtigung der Besonderheit der Agrarmärkte und der Krise im Rindfleischsektor im entscheidungserheblichen Zeitraum nicht als Maßnahmen angesehen werden, die im Hinblick auf die verfolgten Ziele verhältnismäßig waren, denn es handelte sich dabei um schwere Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht.

209 Nach alledem ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

D - Zum vierten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

210 Die Klägerinnen tragen vor, die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die eine Anwendung des grundlegenden Prinzips der Wahrung der Verteidigungsrechte darstelle, müsse, sei es auch nur in gedrängter Form, so klar abgefasst sein, dass die Beteiligten tatsächlich erkennen könnten, welches Verhalten ihnen zur Last gelegt werde, um sich wirksam verteidigen zu können, bevor die Kommission eine endgültige Entscheidung erlasse (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II-1989, Randnr. 63).

211 Die Klägerinnen werfen der Kommission erstens vor, sie habe in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht erwähnt, dass sie bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße für alle Verbände außer der FNSEA von den von ihren Mitgliedern entrichteten Jahresbeiträgen ausgehen werde. Zweitens habe die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht angegeben, dass sie die Geldbußen im Verhältnis zu den Umsätzen der den Verbänden unmittelbar oder mittelbar angehörenden Mitglieder berechnen werde. Damit habe sie den Klägerinnen nicht die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zur Kenntnis gebracht, auf die die angefochtene Entscheidung gestützt worden sei, insbesondere die wesentlichen Elemente der Berechnung der Geldbuße, so dass die Klägerinnen dazu nicht hätten Stellung nehmen können.

212 Der Gerichtshof habe entschieden, dass eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der als Urheber einer Zuwiderhandlung nur eine kollektive Einheit genannt werde, die Unternehmen, aus denen diese Einheit bestehe, nicht hinreichend darüber unterrichte, dass gegen sie individuelle Geldbußen festgesetzt würden, falls die Zuwiderhandlung bejaht werden sollte, und auch nicht ausreiche, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Höhe der festgesetzten Geldbußen nach einer Würdigung der Teilnahme jedes Unternehmens an dem als Zuwiderhandlung eingestuften Verhalten richten werde (Urteil des Gerichtshofes vom 16. März 2000 in den Rechtssachen C-395/96 P und C-396/96 P, Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Slg. 2000, I-1365, Randnrn. 144 bis 146).

213 Schließlich genüge es zur Wahrung der Verteidigungsrechte nicht, dass die Kommission den Klägerinnen am 10. Januar 2003 ein Schreiben übersandt habe, mit dem sie sie um Finanzinformationen ersucht habe. Da sie dieses Schreiben nach der Abgabe ihrer Erklärungen und nach dem Tag ihrer Anhörung erhalten hätten, sei es ihnen nicht mehr möglich gewesen, sich zu den darin angesprochenen Punkten zu verteidigen. Außerdem habe sich diesem Ersuchen nichts über die Absichten der Kommission entnehmen lassen.

214 Die Kommission weist darauf hin, dass sie nach der Rechtsprechung nur verpflichtet sei, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte darauf hinzuweisen, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen zu verhängen seien, und auch die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte anzuführen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 21).

215 Den Klägerinnen habe nicht unbekannt sein können, dass die Beiträge ihrer Mitglieder berücksichtigt würden, und sie hätten ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte Erklärungen abzugeben. Sie hätten auch zu der Frage der Umsätze ihrer Mitglieder Stellung nehmen können, da die Kommission ihnen am 10. Januar 2003 ein Auskunftsverlangen dazu übermittelt habe (vgl. in diesem Sinne Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 23).

216 Schließlich bestreitet die Kommission, dass das von den Klägerinnen herangezogene Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission hier einschlägig sei. Aus der Mitteilung der Beschwerdepunkte gehe ganz deutlich hervor, dass die Kommission beabsichtigt habe, gegen die Klägerinnen, die die Adressaten der genannten Mitteilung gewesen seien, und nicht gegen die nachgeordneten Verbände oder die einzelnen Landwirte Geldbußen zu verhängen. Die Klägerinnen hätten sich aufgrund der Rechtsprechung, die auf die Mitglieder der Verbände abstelle, über das Risiko völlig klar werden und sich in diesem Punkt im Verwaltungsverfahren verteidigen können.

2. Würdigung durch das Gericht

217 Die Wahrung der Verteidigungsrechte stellt in allen Verfahren, die zu Sanktionen und insbesondere zu Geldbußen führen können, einen tragenden Grundsatz des Gemeinschaftsrechts dar, der auch dann beachtet werden muss, wenn es sich um ein Verwaltungsverfahren handelt (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-308/94, Cascades/Kommission, Slg. 1998, II-925, Randnr. 39). Diesem Grundsatz zufolge stellt die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine wichtige Verfahrensgarantie dar. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte müssen alle wesentlichen Tatsachen, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt, klar angeführt werden (Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission, Randnr. 142).

218 Nach ständiger Rechtsprechung genügt die Kommission ihrer Verpflichtung, das Recht der Unternehmen auf Anhörung zu respektieren, wenn sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen werde, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen zu verhängen seien, und auch die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte anführt, wie z. B. die Schwere und die Dauer der angenommenen Zuwiderhandlung sowie ihre vorsätzliche oder fahrlässige Begehung. Dadurch gibt sie den Unternehmen die Informationen, die für ihre Verteidigung nicht nur gegen die Feststellung einer Zuwiderhandlung, sondern auch gegen die Verhängung von Geldbußen notwendig sind (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 21, und ABB Asea Brown Boveri/Kommission, Randnr. 78).

219 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission hätte in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angeben müssen, dass sie bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße aller Berufsverbände außer der FNSEA von der Höhe ihrer Jahresbeiträge ausgehen und den Betrag der Geldbußen nach Maßgabe der Umsätze der Mitglieder der Klägerinnen berechnen werde.

220 Dazu ist erstens zu bemerken, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbußen auf die von den Klägerinnen erhobenen Beiträge abgestellt hat (Randnrn. 169 und 170 der angefochtenen Entscheidung). Sie setzte zunächst wegen der Schwere der Zuwiderhandlung den Grundbetrag der gegen den Hauptlandwirtschaftsverband (die FNSEA) verhängten Geldbuße auf 20 Mio. Euro fest und stützte sich sodann auf das Verhältnis zwischen der Höhe der von jedem der anderen Landwirtschaftsverbände erhobenen Jahresbeiträge und der Höhe des von der FNSEA erhobenen Mitgliedsbeitrags als objektiven Maßstab für die jeweilige Bedeutung der einzelnen Verbände und damit für das Ausmaß ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung. Dementsprechend wurden diese Beträge auf ein Fünftel (FNPL), ein Zehntel (FNB und FNCBV) und ein Zwanzigstel (JA) des für die FNSEA festgesetzten Betrages veranschlagt.

221 Zweitens berücksichtigte die Kommission, wie sie vor dem Gericht anerkannt hat, die Umsätze der Basismitglieder der Klägerinnen, um zu prüfen, ob die verhängten Geldbußen nicht die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Obergrenze von 10 % überschritten.

222 Dagegen wären nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes Angaben zur Höhe der in Aussicht genommenen Geldbußen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte, solange den Unternehmen keine Gelegenheit gegeben worden sei, zu den gegen sie in Betracht gezogenen Beschwerdepunkten Stellung zu nehmen, eine nicht sachgerechte Vorwegnahme der Entscheidung der Kommission (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 21; Urteil ABB Asea Brown Boveri/Kommission, Randnr. 66). Umso mehr wäre es eine nicht sachgerechte Vorwegnahme dieser Entscheidung, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Frage aufzuwerfen, ob die Geldbuße, die eventuell in der endgültigen Entscheidung festgesetzt wird, die Obergrenze von 10 % einhält.

223 Im Übrigen ist entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen das Urteil Compagnie maritime belge transports u. a./Kommission in der vorliegenden Rechtssache nicht einschlägig. In den Randnummern 143 bis 146 dieses Urteils hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig angeben muss, gegen welche Personen Geldbußen festgesetzt werden können; er hat entschieden, dass eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der als Urheber einer Zuwiderhandlung nur eine kollektive Einheit genannt wird, die Unternehmen, aus denen diese Einheit besteht, nicht hinreichend darüber unterrichtet, dass gegen sie individuelle Geldbußen festgesetzt werden, und auch nicht ausreicht, um sie darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Höhe der festgesetzten Geldbußen nach einer Würdigung der Teilnahme jedes Unternehmens an dem als Zuwiderhandlung eingestuften Verhalten richten werde. In den vorliegenden Rechtssachen verhängte die Kommission jedoch keine Sanktionen gegen die unmittelbaren oder mittelbaren Mitglieder der Klägerinnen, sondern gegen diese selbst nach Maßgabe des Ausmaßes ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung (Randnr. 169 sowie Artikel 1 und 3 der angefochtenen Entscheidung), so wie sie dies in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angekündigt hatte. Denn der Umstand, dass der Umsatz der Mitglieder einer Unternehmensvereinigung, die eine Zuwiderhandlung begangen hat, berücksichtigt wird, bedeutet keineswegs, dass eine Geldbuße gegen diese verhängt wird (Urteil des Gerichts vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 139).

224 Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerinnen nicht dadurch verletzt hat, dass sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht angegeben hat, dass sie beabsichtigte, für die Berechnung des Grundbetrags der Geldbußen und für die Prüfung der Einhaltung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Obergrenze von 10 % den Betrag der an die Klägerinnen entrichteten Jahresbeiträge und den Umsatz ihrer Mitglieder zu berücksichtigen.

225 Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

E - Zum fünften Klagegrund: Verletzung der Begründungspflicht

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

226 Die Klägerinnen erinnern daran, dass die Begründung einer beschwerenden Entscheidung dem Gemeinschaftsrichter die Wahrnehmung seiner Aufgabe der Rechtmäßigkeitskontrolle ermöglichen und es dem Betroffenen gestatten soll, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit er seine Rechte verteidigen und prüfen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet ist (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 40).

227 In der angefochtenen Entscheidung werde weder auf die Höhe des Umsatzes, die die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen berücksichtigt habe, noch auf die Prüfung der Einhaltung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzte Obergrenze von 10 % eingegangen. So habe die Kommission nicht erwähnt, dass sie beschlossen habe, diese Obergrenze anhand der Summe der Umsätze der Mitglieder der Klägerinnen zu berechnen, und auch nicht angegeben, um welche Mitglieder es sich handele. Hier sei jedoch eine ganz genaue Begründung erforderlich, da sich die Kommission zum ersten Mal mit einer Bauernverbände betreffenden Sache befasse und von den engen Voraussetzungen der Berücksichtigung der Umsätze der Mitglieder eines Verbandes abweichen wolle. Das Auskunftsverlangen der Kommission vom 10. Januar 2003 könne diesen Begründungsmangel jedenfalls nicht aufwiegen. Nach dem Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 muss diese Verletzung der Begründungspflicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen und nicht nur des Teils, der die Geldbußen betrifft.

228 Die Französische Republik führt aus, dass sie angefochtene Entscheidung die in Artikel 235 EG verankerte Begründungspflicht verletze. Die Erklärungen, die die Kommission erstmals in ihrer Klagebeantwortung zu geben versuche, könnten daran nichts ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 26. Februar 2002 in der Rechtssache T-323/99, INMA und Itainvest/Kommission, Slg. 2002, II-545, Randnr. 76).

229 Die Kommission macht vorab geltend, dieser Klagegrund könne nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung insgesamt, sondern nur zu der von Artikel 3 führen, da der angebliche Begründungsmangel die Höhe der Geldbußen betreffe und keine Auswirkungen auf die Tatsachen oder ihre rechtliche Beurteilung habe. Jedenfalls habe sie in der vorliegenden Rechtssache der Begründungspflicht vollkommen genügt.

230 Diese Verpflichtung sei erfüllt, wenn sie die Gesichtspunkte angebe, die sie bei der Ermittlung der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt habe, um die Geldbuße berechnen zu können (Urteile des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-282/98 P, Enso Española/Kommission, Slg. 2000, I-9817, Randnrn. 40 und 41, und in der Rechtssache C-297/98 P, SCA Holding/Kommission, Slg. 2000, I-10101, Randnrn. 56 bis 65; Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T-220/00, Cheil Jedang/Kommission, Slg. 2003, II-2473, Randnr 218). Sie sei somit nicht verpflichtet, in ihrer Entscheidung den berücksichtigten Umsatz oder den Prozentsatz anzugeben, den die Geldbuße im Verhältnis zu diesem Umsatz ausmache, da die Frage, ob die Obergrenze von 10 % erreicht sei, nicht zur Begründung der Entscheidung gehöre. Die Obergrenze von 10 % bezeichne nämlich den gesetzlichen Höchstbetrag der Geldbuße, die verhängt werden könne, und gehöre nicht zu den Gründen für die getroffene Maßnahme.

231 Die Kommission führt weiter aus, die Begründungspflicht sei in ihrem Kontext zu prüfen. Sie habe klar angegeben, dass sie sich auf die Bestimmungen der Leitlinien stütze, deren Nummer 5 Buchstabe c es ihr ermögliche, gegen eine Vereinigung eine Geldbuße festzusetzen, die dem Gesamtbetrag der Einzelgeldbußen entspreche, die gegenüber jedem einzelnen Mitgliedsunternehmen hätten festgesetzt werden müssen. Den Klägerinnen müssten die für die Berechnung der Geldbuße geltenden Grundsätze bekannt sein, insbesondere der Umstand, dass die Kommission den Umsatz ihrer Mitglieder berücksichtige, um zu kontrollieren, ob die Obergrenze von 10 % nicht überschritten sei. Tatsächlich ergebe sich aus der angefochtenen Entscheidung insgesamt, dass die Zuwiderhandlung von den Klägerinnen nicht im eigenen Interesse, sondern zugunsten ihrer Mitglieder begangen worden sei.

232 Die Kommission weist weiter darauf hin, dass sie am 10. Januar 2003 alle Klägerinnen ersucht habe, ihr den Umsatz ihrer Mitglieder mitzuteilen. Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 habe ihr diese Auskunft mit Schreiben vom 27. Januar 2003 erteilt. Die von diesem Verband angegebenen Zahlen zeigten, dass die Obergrenze von 10 % bei weitem nicht erreicht gewesen sei. Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 hätten ihr dagegen mitgeteilt, dass sie nicht in der Lage seien, diese Auskunft zu geben. Angesichts dieser Weigerung hätte die Kommission eine Entscheidung auf der Grundlage des Artikels 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 erlassen können, gegebenenfalls unter Festsetzung von Zwangsgeldern oder Geldbußen, und die Vorlage dieser Angaben fordern können; sie habe sich aber darauf beschränkt, sich aufgrund der verfügbaren Informationen zu vergewissern, dass nicht die geringste Gefahr der Überschreitung der Grenze von 10 % des Umsatzes der Mitglieder der Klägerinnen bestanden habe.

2. Würdigung durch das Gericht

233 Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Natur der geltend gemachten Gründe und dem Interesse, das die Adressaten oder andere unmittelbar und individuell von dem Rechtsakt Betroffene daran haben können, Erklärungen zu erhalten. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (Urteil Cheil Jedang/Kommission, Randnr. 216, und Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005 in der Rechtssache T-38/02, Groupe Danone/Kommission, Slg. 2005, II-4407, Randnr. 96).

234 Hier werfen die Klägerinnen der Kommission vor, in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich begründet zu haben, weshalb die verhängten Geldbußen nicht die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze von 10 % ihres Umsatzes überstiegen, und auch nicht begründet zu haben, weshalb sie zur Prüfung der Einhaltung dieser Obergrenze die Umsätze ihrer Mitglieder berücksichtigen durfte.

235 Tatsächlich ist keine Randnummer der angefochtenen Entscheidung der Prüfung der Einhaltung der für Geldbußen geltenden Obergrenze von 10 % des Umsatzes gewidmet. Die Kommission hat dort auch nicht dargelegt, dass im vorliegenden Fall für die Kontrolle der Einhaltung dieser Obergrenze die Umsätze der Basismitglieder der Klägerinnen zu berücksichtigen waren, und hat ein solches Vorgehen erst recht nicht gerechtfertigt.

236 Die Kommission vertritt allerdings die Meinung, dass sich die Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes nur auf den gesetzlichen Höchstbetrag der Geldbuße beziehe und nicht zur Begründung der Entscheidung gehöre.

237 Es ist darauf hinzuweisen, dass die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 bezeichnete Grenze von 10 % des Umsatzes den Umsatz des Unternehmens betrifft, das die Zuwiderhandlung begangen hat und als Adressat der Entscheidung in der Lage ist, die Einhaltung dieser Obergrenze nachzuprüfen; das gleiche gilt für Unternehmensvereinigungen. Unter diesen Umständen ist bezüglich der Anwendung dieser Obergrenze keine besondere Begründung erforderlich. Weicht die Kommission jedoch von ihrer üblichen Methode ab und berücksichtigt bei der Verhängung der Geldbuße einen anderen Umsatz als den des Adressaten der Entscheidung, mit der die Zuwiderhandlung geahndet wird, wie etwa die Umsätze der Mitglieder der mit der Sanktion belegten Vereinigung, so muss sie ihre Entscheidung unter allen Umständen besonders begründen, damit der Adressat der Entscheidung nachprüfen kann, ob die Zehnprozentgrenze bei der Berechnung der Geldbuße eingehalten wurde.

238 So ist die Kommission, wenn sie gegen ein individuelles Unternehmen, das eine Zuwiderhandlung begangen hat, eine Geldbuße verhängt, nicht unbedingt verpflichtet - wenn keine besonderen Umstände vorliegen -, die Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes dieses Unternehmens ausdrücklich zu begründen. Dem Unternehmen müssen sowohl die Existenz dieser gesetzlichen Obergrenze als auch die konkrete Höhe seines Umsatzes bekannt sein, so dass es, auch wenn die die Sanktion enthaltende Entscheidung insoweit keinerlei Begründung enthält, beurteilen kann, ob die ihm auferlegte Geldbuße die Obergrenze übersteigt oder nicht.

239 Dagegen muss die Kommission, wenn sie eine Unternehmensvereinigung mit einer Sanktion belegt und die Einhaltung der gesetzlichen Obergrenze von 10 % des Umsatzes anhand der Summe der Umsätze aller oder eines Teils der Mitglieder dieser Vereinigung kontrolliert, dies in ihrer Entscheidung ausdrücklich angeben und die Gründe darlegen, die die Berücksichtigung der Umsätze der Mitglieder rechtfertigen. Mangels einer solchen Begründung könnten die Betroffenen der Entscheidung nicht die Gründe für ihren Erlass entnehmen und auch die Einhaltung der gesetzlichen Obergrenze im konkreten Fall nicht korrekt nachprüfen.

240 Diesem Ergebnis steht nicht die von der Kommission herangezogene, oben in Randnummer 230 angeführte Rechtsprechung entgegen, wonach, was den Umfang der Begründungspflicht bei der Berechnung einer für einen Verstoß gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festgesetzten Geldbuße angeht, die Kommission in ihrer Entscheidung lediglich die Beurteilungselemente anzugeben braucht, denen sie in Anwendung der Leitlinien Rechnung getragen hat und die es ihr ermöglicht haben, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu beurteilen. Diese Rechtsprechung betrifft nämlich nur die Frage der Festsetzung der Höhe der Geldbuße, nicht dagegen die, ob die letztlich festgesetzte Geldbuße die Obergrenze von 10 % des Umsatzes des mit der Sanktion belegten Unternehmens oder der mit der Sanktion belegten Unternehmensvereinigung übersteigt.

241 Folglich hätte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeben müssen, dass sie sich bei der Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Obergrenze von 10 % durch die festgesetzten Geldbußen auf die Umsätze der Basismitglieder der Klägerinnen gestützt hatte, und gegebenenfalls präzisieren müssen, ob es sich um alle Mitglieder oder um bestimmte Kategorien von Mitgliedern handelte. Desgleichen hätte sie erläutern müssen, aufgrund welcher Umstände sie sich für berechtigt hielt, dabei die Summe der Umsätze der Mitglieder der Klägerinnen zu berücksichtigen.

242 Die Kommission kann sich im Übrigen nicht darauf berufen, dass sie in Randnummer 164 der angefochtenen Entscheidung angegeben hat, dass sie sich auf die Leitlinien stützen werde. Dieser allgemeine Hinweis findet sich im Abschnitt über die Festsetzung der Höhe der Geldbußen und bezweckt nur, die Kriterien in Erinnerung zu rufen, die bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung anzuwenden sind. Zudem hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht auf Nummer 5 Buchstabe c der Leitlinien Bezug genommen, der die Möglichkeit vorsieht, die Umsätze der Mitglieder einer Vereinigung zu berücksichtigen.

243 Die Kommission kann sich auch nicht auf die Schreiben berufen, mit denen sie die Klägerinnen am 10. Januar 2003 aufforderte, ihr die Umsätze ihrer Mitglieder bekannt zu geben. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerinnen diesen Aufforderungen hätten entnehmen können, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung für die Berechnung der Obergrenze von 10 % auf die Umsätze ihrer Mitglieder abgestellt hatte, können diese Aufforderungen doch nicht die mangelnde Begründung der angefochtenen Entscheidung in diesem Punkt ausgleichen, insbesondere das völlige Fehlen eines Hinweises, aus welchen Gründen diese Zahlen bei der Prüfung der Einhaltung der Obergrenze verwendet werden konnten.

244 Der Umstand schließlich, dass die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 der Kommission nicht die Umsätze ihrer Mitglieder mitgeteilt hatten, kann die Kommission nicht von der Verpflichtung entbinden, in der angefochtenen Entscheidung selbst anzugeben, weshalb sie es für angemessen hielt, die von diesen Mitgliedern erzielten Umsätze zu berücksichtigen, und weshalb sie der Meinung war, dass die Obergrenze hier nicht überschritten war.

245 Aus allen diesen Gründen hat die Kommission die ihr durch Artikel 253 EG auferlegte Begründungspflicht verletzt.

II - Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße

246 Die Klägerinnen machen für ihre Anträge auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der ihnen durch die angefochtene Entscheidung auferlegten Geldbußen sechs Klagegründe geltend: erstens Rechtswidrigkeit der Leitlinien, zweitens Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, offensichtlicher Beurteilungsfehler und Rechtsirrtum bei der Feststellung der Schwere des Verstoßes, drittens Beurteilungsfehler und Rechtsfehler sowie Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Berücksichtigung der erschwerenden und mildernden Umstände, viertens Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen, fünftens Verletzung des Grundsatzes des Verbots der Doppelbestrafung sowie sechstens Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Berücksichtigung der in Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien genannten Umstände.

A - Zum ersten Klagegrund: Rechtswidrigkeit der Leitlinien

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

247 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 machen erstens geltend, dass die Leitlinien gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen. Die Beurteilung der Auswirkungen der Vereinbarungen oder Verhaltensweisen auf das Funktionieren des Marktes sei ein wesentliches Kriterium für die Ermittlung der Schwere eines Verstoßes. Die Kommission berücksichtige jedoch für die Qualifizierung eines Verstoßes als besonders schwer überhaupt nicht seine Wirkungen, sondern nur seine Art und den Umfang des betreffenden räumlichen Marktes. Darüber hinaus unterliege eine Zuwiderhandlung, die nach Nummer 1 Teil A der Leitlinien als besonders schwerwiegend eingestuft werde, einer Geldbuße von mindestens 20 Mio. Euro. Dieser Mindestbetrag sei willkürlich festgesetzt und mache es der Kommission unmöglich, der Bedeutung, der Größe und der Natur der betroffenen Einheit oder dem Gewinn, den diese aus der Zuwiderhandlung ziehe, Rechnung zu tragen.

248 Zweitens verstießen die Leitlinien gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17. Erstens ermögliche es Nummer 1 Teil A der Leitlinien der Kommission, den Grundbetrag einer Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der 1 Mio. Euro oder 10 % des von dem beschuldigten Unternehmen erzielten Umsatzes übersteige. Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, wonach die Kommission die Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung im Stadium der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigen müsse, gestatte es dagegen nicht, dass dieser Grundbetrag - wie übrigens auch der letztlich festgesetzte Betrag der Geldbuße - diese Obergrenzen übersteige. Zweitens werde in Nummer 1 Teil B der Leitlinien das Kriterium der Dauer des Verstoßes nur für die Erhöhung der Geldbuße berücksichtigt, was dazu führe, dass die Kommission eine Zuwiderhandlung, die einige Tage gedauert habe, genauso beurteile wie eine andere, die fast ein Jahr gedauert habe.

249 Die Kommission weist erstens darauf hin, dass die einzigen Kriterien, die ausdrücklich in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 aufgeführt seien, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung seien. Diese Vorschrift setze ihrem Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen keine anderen Grenzen und enthalte keine anderen Präzisionen als die Beachtung der Obergrenze betreffend den Umsatz jedes Unternehmens. Da es sich bei den besonders schweren Verstößen um Verhaltensweisen handele, die schon ihrem Ziel nach eindeutig gegen die Grundsätze des Binnenmarktes verstießen, und um die abschreckende Wirkung der Geldbußen sicherzustellen, erscheine es keineswegs unverhältnismäßig, von einem Anfangsbetrag von 20 Mio. Euro auszugehen. Jedenfalls sei es entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen möglich, innerhalb der Kategorie der besonders schweren Verstöße den Betrag von 20 Mio. Euro zu unterschreiten. Die Kommission führt zweitens aus, die Festsetzung einer Obergrenze für die Geldbuße müsse im Verhältnis zu ihrem Endbetrag vor Anwendung mildernder Umstände erfolgen, und die Tatsache, dass die kurze Dauer kein Grund für eine Herabsetzung der Geldbuße, sondern nur ein neutraler Faktor sei, stelle keinen Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 dar.

2. Würdigung durch das Gericht

250 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Leitlinien - auch wenn sie nicht die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung bilden, die namentlich auf der Verordnung Nr. 17 beruht - eine allgemeine und abstrakte Regelung des Vorgehens darstellen, das sich die Kommission zur Festsetzung der Geldbußen auferlegt hat. Somit besteht im vorliegenden Fall ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang zwischen der angefochtenen Einzelentscheidung und dem allgemeinen Rechtsakt, um den es sich bei den Leitlinien handelt. Da die Klägerinnen nicht die Nichtigerklärung der Leitlinien verlangen konnten, können diese Gegenstand einer Einrede der Rechtswidrigkeit sein (Urteile des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II-1705, Randnrn. 274 und 276, und vom 29. November 2005 in der Rechtssache T-64/02, Heubach/Kommission, Slg. 2005, II-5137, Randnr. 35).

251 Die Klägerinnen tragen erstens vor, dass die Leitlinien den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzten, da sie bei der Definition der Kategorie der besonders schweren Verstöße die Wirkungen der fraglichen Vereinbarungen und Verhaltensweisen nicht berücksichtigten.

252 Nach Nummer 1 Teil A der Leitlinien handelt es sich bei besonders schweren Verstößen im Wesentlichen um "horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle, Marktaufteilungsquoten und sonstige Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarktes, wie z. B. die Abschottung der nationalen Märkte". Nach ständiger Rechtsprechung sind Preisabsprachen oder Absprachen zur Abschottung der Märkte ihrer Natur nach besonders schwere Verstöße (Urteile des Gerichts vom 11. Dezember 2003 in den Rechtssachen T-65/99, Strintzis Lines Shipping/Kommission, Slg. 2003, II-5433, Randnr. 168, und T-66/99, Minoan Lines/Kommission, Slg. 2003, II-5515, Randnr. 280, und vom 27. Juli 2005 in den Rechtssachen T-49/02 bis T-51/02, Brasserie nationale/Kommission, Slg. 2005, II-3033, Randnrn. 173 und 174). Das Gericht ist deshalb der Auffassung, dass die Kommission den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht dadurch verletzt hat, dass sie in ihren Leitlinien dargelegt hat, dass diese Arten von Zuwiderhandlungen als besonders schwere Verstöße anzusehen sind. Jedenfalls sind nach Nummer 1 Teil A Absatz 1 der Leitlinien bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, zu berücksichtigen. Folglich muss die Kommission unter bestimmten Voraussetzungen die Auswirkungen der Zuwiderhandlung berücksichtigen, um festzustellen, ob sie besonders schwerwiegend ist.

253 Zu dem nach Ansicht der Klägerinnen willkürlich festgesetzten Betrag von 20 Mio. Euro für besonders schwere Verstöße ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen im Rahmen der Verordnung Nr. 17 über ein Ermessen verfügt, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln zu beachten (Urteil Cheil Jedang/Kommission, Randnr. 76). Da die in den Leitlinien angegebenen Grundbeträge nur "voraussichtliche" Beträge darstellen, steht es der Kommission frei, einen Grundbetrag von weniger als 20 Mio. Euro festzusetzen. Und da die in den Leitlinien vorgesehenen "pauschalen" Beträge nur Richtwerte sind, kann daraus an sich kein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folgen (Urteil Heubach/Kommission, Randnrn. 40 und 44).

254 Die Klägerinnen machen zweitens geltend, dass die in Nummer 1 Teil A der Leitlinien vorgesehene Methode für die Berechnung der Geldbußen gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstoße, da sie es ermögliche, für die Geldbuße einen Grundbetrag festzusetzen, der 1 Mio. Euro oder 10 % des von dem beschuldigten Unternehmen erzielten Umsatzes übersteige.

255 Dem kann nicht jedoch gefolgt werden. Denn Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, wonach die Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des von dem Einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen kann, verlangt nur, dass die Geldbuße, die letztlich gegen ein Unternehmen festgesetzt wird, herabzusetzen ist, falls sie 10 % seines Umsatzes übersteigt, unabhängig von Zwischenberechnungen, mit denen Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung Rechnung getragen werden soll. Folglich verbietet Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Kommission nicht, bei ihrer Berechnung einen Zwischenbetrag heranzuziehen, der 10 % des Umsatzes des betroffenen Unternehmens übersteigt, sofern die gegen dieses Unternehmen letztlich festgesetzte Geldbuße nicht über dieser Obergrenze liegt (Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnrn. 287 und 288). Dies gilt auch für den Höchstbetrag von 1 Mio. Euro.

256 Die Klägerinnen machen ferner geltend, dass Nummer 1 Teil B der Leitlinien gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstoße, da das Kriterium der Dauer der Zuwiderhandlung dort nur im Hinblick auf eine Erhöhung der Geldbuße berücksichtigt werde.

257 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße neben der Schwere des Verstoßes auch seine Dauer zu berücksichtigen. Nummer 1 Teil B der Leitlinien bestimmt insoweit, dass die Dauer des Verstoßes zur Festsetzung eines Aufschlags zu dem unter Berücksichtigung der Schwere festgesetzten Betrag der Geldbuße führen kann. So unterscheiden die Leitlinien Verstöße von kurzer Dauer (in der Regel weniger als ein Jahr), für die kein Aufschlag festzusetzen ist, Verstöße von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren), für die dieser Aufschlag bis zu 50 % des unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes ermittelten Betrages ausmachen kann, und Verstöße von langer Dauer (in der Regel mehr als fünf Jahre), für die ein Aufschlag vorgesehen ist, der für jedes Jahr des Verstoßes bis zu 10 % des unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes ermittelten Betrages ausmacht. Die Leitlinien berücksichtigen also nicht die sehr kurze Dauer einer Zuwiderhandlung im Hinblick auf eine Herabsetzung des Betrages der ursprünglich festgesetzten Geldbuße.

258 Die kurze Dauer der Zuwiderhandlung berührt allerdings in keiner Weise deren Schwere, die sich aus ihrer Natur ergibt. Die Kommission hat daher in Nummer 1 Teil B Absatz 1 erster Gedankenstrich der Leitlinien zu Recht festgelegt, dass die sehr kurze Dauer des Verstoßes, d. h. eine Dauer von weniger als einem Jahr, es lediglich rechtfertigt, von einem Aufschlag auf den nach der Schwere des Verstoßes festgesetzten Betrag abzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 19. März 2003 in der Rechtssache T-213/00, CMA CGM u. a./Kommission, Slg. 2003, II-913, Randnr. 283).

259 Hier ist darauf hinzuweisen, dass nach einer gefestigten Rechtsprechung die Leitlinien nicht über den in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgegebenen rechtlichen Rahmen für Sanktionen hinausgehen. Denn die in den Leitlinien enthaltene allgemeine Methode für die Berechnung der Geldbußen beruht auf den beiden in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 genannten Kriterien - Schwere des Verstoßes und Dauer der Zuwiderhandlung - unter Beachtung der dort festgelegten Obergrenze in Bezug auf den Umsatz jedes Unternehmens (Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnrn. 231 und 232; Urteil des Gerichts vom 29. April 2004 in den Rechtssachen T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Tokai Carbon u. a./Kommission, Slg. 2004, II-1181, Randnrn. 189 und 190, und Urteil Heubach/Kommission, Randnr. 37).

260 Aufgrund aller dieser Erwägungen ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

B - Zum zweien Klagegrund: Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, offensichtlicher Beurteilungsfehler und Rechtsfehler bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

261 Die Klägerinnen sind der Meinung, dass die Kommission die Zuwiderhandlung nicht als "besonders schwer" hätte qualifizieren dürfen, sondern nur als "schwer". Sie wiederholen, dass die Kommission ihnen nicht den Teilaspekt "Einfuhren" der Vereinbarung hätte vorwerfen dürfen, und bestreiten die Dauer des Teilaspekts "Preise" der Vereinbarung. Außerdem werfen sie der Kommission vor, nicht berücksichtigt zu haben, dass die streitigen Maßnahmen nur geringfügige Auswirkungen auf das Funktionieren des Marktes gehabt hätten. Tatsächlich hätten die ihnen vorgeworfenen Handlungen den Rindfleischsektor in keiner Weise geschädigt, da die Vereinbarung Auswirkungen weder auf die Preise noch auf die Einfuhren gehabt habe. So hätten die Schlachthofbetreiber zu keinem Zeitpunkt behauptet, einen Schaden aufgrund der Vereinbarung über das Mindestpreisschema erlitten zu haben, das im Übrigen keinen Einfluss auf die Verbraucherpreise gehabt habe. Die Kommission habe sich jedoch weder mit der Bedeutung des in Rede stehenden Wirtschaftssektors noch mit den tatsächlichen Auswirkungen der Vereinbarung befasst. Nach Auffassung der Klägerinnen durfte sie sich nicht bloß darauf berufen, dass es ihr unmöglich gewesen sei, die tatsächlich auf die Vereinbarung zurückgehenden Auswirkungen hinreichend genau zu beziffern. Auch habe die Kommission nicht dem rechtlichen und wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang Rechnung getragen, insbesondere der Krise dieses Sektors und der Unwirksamkeit der Maßnahmen, die die Gemeinschaft zu ihrer Bekämpfung getroffen habe. Schließlich habe es sich bei der Zuwiderhandlung um eine vertikale und nicht um eine horizontale Vereinbarung gehandelt.

262 Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art und des räumlichen Umfangs des betreffenden Marktes ein besonders schwerer Verstoß gewesen sei.

2. Würdigung durch das Gericht

263 Wie bereits entschieden worden ist, hat die Kommission Dauer und Umfang der streitigen Vereinbarung fehlerfrei festgestellt. Deshalb sind die die Qualifizierung der Schwere dieser Vereinbarung betreffenden Rügen zurückzuweisen, die darauf gestützt wurden, dass Dauer und Umfang der Zuwiderhandlung unrichtig bewertet worden seien.

264 Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die in Rede stehenden Zuwiderhandlungen, nämlich die Aussetzung oder die Beschränkung der Rindfleischeinfuhren und die Festsetzung von Mindestpreisen, als besonders schwerwiegend anzusehen sind. Wie die Kommission in Nummer 1 Teil A dritter Gedankenstrich der Leitlinien zu Recht festgelegt hat, handelt es sich bei Verhaltensweisen zur Abschottung der nationalen Märkte grundsätzlich um besonders schwere Verstöße. Desgleichen bildeten in der vorliegenden Rechtssache die Maßnahmen zur Festsetzung der Preise einen besonders schweren Verstoß, denn in diesem Teil der streitigen Vereinbarung wurden Mindestpreise für bestimmte Arten von Kühen festgesetzt mit dem Ziel, sie für alle Wirtschaftsteilnehmer, die auf den fraglichen Märkten tätig waren, verbindlich zu machen (siehe oben, Randnr. 85). Dieses Ergebnis wird auch nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt, dass die streitige Vereinbarung eine vertikale Vereinbarung gewesen sei. Diese Vereinbarung wurde von Verbänden getroffen, die einen sehr bedeutenden Teil sowohl der Züchter als auch der Schlachthofbetreiber in Frankreich repräsentieren und bei denen es sich um zwei Glieder der Produktionskette im Rindfleischsektor handelt (siehe oben, Randnr. 88). Außerdem berührten die geahndeten Zuwiderhandlungen den wichtigsten Rindermarkt in Europa und gingen im Übrigen aufgrund der Importbeschränkungen über den rein nationalen Rahmen hinaus. Zudem wird nicht bestritten, dass es sich bei den Verbänden, die die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 unterzeichnet haben, um die bedeutendsten Berufsverbände im Sektor der Rinderzucht und -schlachtung in Frankreich handelte.

265 Was die Berücksichtigung der Auswirkungen der Vereinbarung angeht, hat die Kommission nach Auffassung des Gerichts Nummer 1 Teil A der Leitlinien zutreffend ausgelegt, wonach die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt bei der Beurteilung ihrer Schwere nur dann zu berücksichtigen sind, wenn sie messbar sind. Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung die Entwicklung der Rindfleischeinfuhren nach Frankreich und die Entwicklung der Durchschnittspreise für verschiedene Rindfleischkategorien nach Abschluss der streitigen Vereinbarung untersucht und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es ihr nicht möglich war, zu beurteilen, inwieweit sich die Vereinbarung tatsächlich auf den innergemeinschaftlichen Handel und auf die Preise ausgewirkt hat (Randnrn. 78, 81 und 167 der angefochtenen Entscheidung). Zu dem Vorbringen betreffend den wirtschaftlichen Zusammenhang der vorliegenden Rechtssache ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission diesen Zusammenhang in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt hat, insbesondere bei der Anwendung der Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien (siehe unten, Randnrn. 350 bis 361). Diese Frage ist jedenfalls im Folgenden genauer zu untersuchen.

266 Nach alledem ist das Gericht der Auffassung, dass die Qualifizierung des vorliegenden Verstoßes als "besonders schwer" gerechtfertigt war.

267 Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

C - Zum dritten Klagegrund: Beurteilungsfehler und Rechtsfehler sowie Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Berücksichtigung der erschwerenden und der mildernden Umstände

268 Die Klägerinnen wenden sich gegen die Erhöhung der Geldbußen aufgrund bestimmter von der Kommission angenommener erschwerender Umstände, nämlich der heimlichen Fortführung der Vereinbarung und der Anwendung von Gewalt. Außerdem fordert die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 die Berücksichtigung einer Reihe von mildernden Umständen. Nach Auffassung der Klägerinnen sind der Kommission bei der Berücksichtigung dieser erschwerenden und mildernden Umstände Beurteilungsfehler und Rechtsfehler unterlaufen; auch habe sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt.

1. Zu dem erschwerenden Umstand der heimlichen Fortführung der Vereinbarung

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

269 Die Klägerinnen bestreiten, die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 heimlich fortgeführt zu haben, und wenden sich folglich gegen die aus diesem Grunde beschlossene Erhöhung der Geldbußen um 20 %.

270 Die Kommission bekräftigt ihre Auffassung, dass die Vereinbarung über den Ablauf der schriftlichen Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 hinaus heimlich und mündlich fortgeführt worden sei.

b) Würdigung durch das Gericht

271 Die Kommission richtete am 26. November 2001 ein Schreiben an die Klägerinnen, in dem sie ihnen mitteilte, dass die Tatsachen, von denen sie Kenntnis erlangt hatte, darunter der Abschluss der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001, auf eine Zuwiderhandlung gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln hindeuteten, die sie abstellen müssten. Die Klägerinnen antworteten der Kommission, dass die Vereinbarung am 30. November 2001 ablaufe und nicht verlängert werde (siehe oben, Randnr. 15). Das Gericht hat jedoch entschieden, dass die Klägerinnen die Vereinbarung entgegen ihrem Vorbringen über den 30. November 2001 hinaus fortgeführt haben, und zwar heimlich, entgegen dem Warnschreiben der Kommission und entgegen den Versicherungen, die sie dieser gegeben hatten (siehe oben, Randnr. 185). Deshalb ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission die Fortführung der Vereinbarung zu Recht als erschwerenden Umstand zu Lasten der Klägerinnen angesehen (vgl. in diesem Sinne Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnr. 324) und deshalb die Geldbußen um 20 % heraufgesetzt hat.

272 Diese Rüge ist demnach zurückzuweisen.

2. Zum erschwerenden Umstand der Gewaltanwendung

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

273 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 wenden sich gegen die Erhöhung der gegen die FNSEA, die FNB und die JA festgesetzten Geldbußen um 30 % wegen der Gewalt, die ihre Mitglieder angewandt haben sollen, um die Schlachthofbetreiber zur Unterzeichnung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 zu bewegen und sodann deren Einhaltung zu kontrollieren.

274 Sie behaupten, vor dem 24. Oktober 2001 hätten die lokalen Aktionen hauptsächlich bezweckt, die französische Regierung zum Erlass einer Reihe von Maßnahmen zu veranlassen, und die öffentliche Meinung davon zu überzeugen, dass allein die Züchter die Konsequenzen der Krise zu spüren bekämen. In einem Klima der Hoffnungslosigkeit habe eine dieser Aktionen am 15. Oktober 2001 zu äußerst schwerwiegenden Gewaltakten geführt. Die FNSEA habe jedoch nicht zur Blockade von Schlachthöfen und erst recht nicht zu Gewaltakten aufgerufen.

275 Diese Aktionen hätten sich sogar erheblich verschärft, insbesondere im Laufe des 23. Oktober 2001 in Westfrankreich. In dieser äußerst angespannten Atmosphäre habe der französische Landwirtschaftsminister die Initiative ergriffen, die Klägerinnen und die Verbände der Schlachthofbetreiber zu einer Eilsitzung zusammenzurufen. Die Klägerinnen leiten daraus her, dass die nationalen Züchterverbände die Gewalt nicht angewandt hätten, um die Schlachthofbetreiber zur Unterzeichnung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 zu bewegen, sondern dass es der Unterzeichnung dieser Vereinbarung zu verdanken sei, dass die Gewalt vor Ort aufgehört habe. Nach der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 sei die Situation in den Regionen uneinheitlich gewesen, da die Vertreter der zahlreichen Ortsverbände oder Verbände auf Departementsebene nicht das gleiche Verhalten an den Tag gelegt hätten. Jedenfalls seien die Aktionen, zu denen es möglicherweise in bestimmten Departements gekommen sei, im Rahmen der Aktionen der Ortsverbände oder der Verbände auf Departementsebene durchgeführt worden und könnten folglich den Klägerinnen nicht angelastet werden.

276 Die Klägerinnen machen abschließend geltend, die Kommission sei verpflichtet, den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen zu beachten (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P, Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnrn. 78 und 79). Somit hätte sie den gewaltsamen Charakter der Handlungen nur dann als erschwerenden Umstand ansehen dürfen, wenn sie den konkreten Beweis dafür erbracht hätte, dass jeder der drei beschuldigten Verbände seine Mitglieder tatsächlich zu derartigen Handlungen angestachelt habe.

277 Die Kommission weist darauf hin, dass die Klägerinnen weder die Existenz von Gewaltakten noch den Umstand leugneten, dass diese von ihren mittelbaren Mitgliedern begangen worden seien. Diese Handlungen könnten den Klägerinnen auch vorgeworfen werden, da sie die Mobilisierung der Verbände empfohlen hätten und häufig vom Ergebnis der Operationen unterrichtet worden seien, die zur Sicherstellung der Anwendung der nationalen Vereinbarung organisiert und durchgeführt worden seien und bisweilen durchaus ihren Wünschen entsprochen hätten. Die Kommission habe deshalb diese Handlungen zu Recht als erschwerenden Umstand zu Lasten der Klägerinnen angesehen.

b) Würdigung durch das Gericht

278 In Randnummer 173 der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt, dass die den Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 angeschlossenen Landwirte die Vereinigungen der Schlachthofbetreiber mit Gewalt zum Abschluss der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 gedrängt und auch physischen Zwang ausgeübt hätten, um die Einhaltung der Vereinbarung durchzusetzen, etwa im Rahmen von illegalen Aktionen zur Kontrolle der Herkunft von Fleisch.

279 In der Tat ergibt sich aus den Akten, dass Gruppen von Züchtern in Frankreich u. a. in Schlachthöfen zahlreiche Aktionen durchgeführt haben, um die Einhaltung der Mindesteinkaufspreise für Rinder durchzusetzen und Rindfleischeinfuhren zu behindern. Ausweislich der Akten kam es im Rahmen derartiger Aktionen zu gewaltsamen Handlungen, nämlich zu Schlachthofblockaden, Vernichtung von Fleisch, Verwüstung von Einrichtungen und illegalen Kontrollen.

280 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 räumen ein, dass es zu derartigen Aktionen gekommen ist. Diese könnten ihnen jedoch nicht vorgeworfen werden, denn sie seien nicht von ihren unmittelbaren Mitgliedern, sondern von den Mitgliedern der Ortsverbände und der Verbände auf Departementsebene begangen worden. Außerdem hätten sie niemals zu derartigen Gewaltakten aufgerufen.

281 Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03, insbesondere die FNSEA, die FNB und die JA, entscheidend an der Planung und Organisation der Aktionen beteiligt waren, die bezweckten, die Einhaltung von Mindestpreisen für bestimmte Arten von Kühen und die Aussetzung der Rindfleischeinfuhren nach Frankreich durchzusetzen. Diese Aktionen wurden insbesondere von zahlreichen Bauernverbänden und Zusammenschlüssen von Bauernverbänden durchgeführt, bei denen es sich um unmittelbare oder mittelbare Mitglieder der Klägerinnen handelte, sowie von Gruppen von Züchtern, die unstreitig in vielen Fällen Mitglieder dieser Bauernverbände waren.

282 So heißt es in dem Protokoll eines Koordinierungstreffens von FNSEA, FNB, JA, und FNPL am 16. Oktober 2001, dass die FNB vorschlug, "die Einhaltung von dem Erzeuger zu zahlenden Mindestpreisen für die verschiedenen Kategorien von Schlachtkühen" sicherzustellen. Weiter wird vermerkt, dass die Verbandsstrategie, mit der die Einhaltung dieser Mindestpreise sichergestellt werden sollte, namentlich "die Kontrolle der Herkunft von Fleisch, insbesondere im Bereich der [Außer-Haus-Verpflegung]", erforderte sowie die "Mobilisierung aller Erzeuger für dieses Ziel, d. h. Weigerung, unter diesem Preis zu verkaufen, und/oder Denunzierung derjenigen, die unter diesem Preis kaufen". In diesem Protokoll wird schließlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, "das Netz für diese neue Strategie zu mobilisieren". Desgleichen wird in einer Mitteilung der FNB an die Rindersektionen vom 19. Oktober 2001 dazu aufgerufen, "die Mobilisierung der Rindersektionen für die vom Vorstand der FNB erteilten Anweisungen zur Durchsetzung von Mindestpreisen für Schlachtkühe fortzusetzen und zu verstärken". Weiter heißt es, dass "[e]ine starke Mobilisierung der Verbände für dieses Ziel ... unbedingt nötig [ist]" und dass diese "darauf abzielen [muss], die Zustimmung der Unternehmen zu diesem Prinzip zu erreichen"; es wird hervorgehoben, dass "[e]ine einheitliche und koordinierte Aktion aller Produzenten ... unerlässlich [ist]".

283 Nach der Unterzeichnung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 wurde in einer gemeinsamen Mitteilung der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 an ihre Mitglieder vom 25. Oktober 2001 ausgeführt: "Jeder von uns muss nun äußerst wachsam sein, damit diese Vereinbarung ... strikt und flächendeckend angewandt wird." Außerdem werden in einer anderen gemeinsamen Mitteilung vom 13. Dezember 2001 "alle [Mitglieder] des Netzes der FNSEA aufgefordert, sich zu mobilisieren ..., um bei jedem Schlachthof die angewandten Preise zu kontrollieren", und zu diesem Zweck "Schritte bei allen in ihrem Departement liegenden Schlachthöfen zu unternehmen".

284 Aus alledem ergibt sich, dass die Aktionen der Bauernverbände vor Ort Teil einer von den Klägerinnen ausgearbeiteten Strategie waren. Im Übrigen ergibt sich aus mehreren in den Akten enthaltenen Schriftstücken, dass einige der fraglichen Gewaltakte im Rahmen dieser Aktionen begangen wurden.

285 So wird in einem Zeitungsartikel vom 17. Oktober 2001 von der Zerstörung der Kühlanlagen eines Schlachthofs in Fougères berichtet, wobei die Züchter mit Eisenstangen auf die Kühlanlagen eingeschlagen und Schlachtkörper von Rindern verbrannt hätten. In dem Artikel heißt es: "Die wütenden Züchter gehorchten einer auf nationaler Ebene ausgegebenen, von der FDSEA und den JA verbreiteten Parole." Sodann wird berichtet:

"Der Präsident der FDSEA des Departements Mayenne kritisiert die Einfuhren von ausländischem Fleisch. Hinter ihm sieht man ein riesiges Feuer, in dem Schlachtkörper und Kartons verbrannt werden. 'Wir haben gefunden, was wir gesucht haben. Das hier gelagerte Fleisch stammt aus Schlachtungen in Holland, Österreich, Deutschland oder Italien'."

286 Desgleichen berichtet ein Zeitungsartikel vom 25. Oktober 2001 über in den vorangegangenen Tagen erfolgte Blockaden von Rindfleisch verarbeitenden Fabriken, Schlachthöfen und Einkaufszentralen durch französische Bauernverbände. In dem Artikel heißt es, die Vorsitzenden dieser Verbände hätten erklärt, dass trotz der Aufhebung der Blockaden "ihre Truppen mobilisiert bleiben und 'Besuche' von Betrieben vorsehen, um nachzuprüfen, ob die Unternehmen sich an das Embargo halten"; ferner werden folgende am Rande einer Pressekonferenz abgegebene Erklärungen des Präsidenten der FNSEA wiedergegeben: "Wir werden sie treffen. Wenn sie nicht begreifen, haben wir überzeugende Mittel." In dem Artikel heißt es weiter: "Die französischen Züchter haben ... die Franzosen aufgerufen, ausländisches Rindfleisch zu boykottieren, und außerdem den Unternehmen, die nach dem 29. Oktober ausländisches Rindfleisch kaufen würden, mit Repressalien gedroht."

287 Schließlich erklärte der Vizepräsident der FNB in einem Gespräch vom 4. Dezember 2001, dass für die Anwendung der Mindestpreise die "Mobilisierung der Züchter vor Ort" nötig sei, und kündigte an, dass die Züchter die fraglichen Schlachthöfe blockieren würden, wenn die von den Schlachthofbetreibern angebotenen Preise nicht mit den vereinbarten Preisen übereinstimmten.

288 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen, die nationalen Züchterverbände hätten sich der Gewaltakte nicht bedient, um die Schlachthofbetreiber zur Unterzeichnung der Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 zu bewegen, sondern diese Unterzeichnung habe vielmehr die Beendigung der Gewalt vor Ort ermöglicht. Denn erstens heißt es in der Vereinbarung ausdrücklich, dass die Verbände der Schlachthofbetreiber die Vereinbarung "als Voraussetzung für die Aufhebung der Blockade der Schlachthöfe" unterzeichnet hätten. Zweitens wurden die Gewaltakte häufig im Rahmen der Aktionen der Berufsverbände begangen, zu denen die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 aufgerufen hatten, so dass sie den Abschluss dieser Vereinbarung nicht mit deren Notwendigkeit zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung rechtfertigen können, die durch diese Aktionen gestört worden war.

289 Aus diesen Gründen war die Kommission berechtigt, zu Lasten der FNSEA, der FNB und der JA einen erschwerenden Umstand aufgrund der Gewaltanwendung anzunehmen und deshalb den Betrag der diesen auferlegten Geldbußen um 30 % heraufzusetzen.

290 Folglich ist diese Rüge zurückzuweisen.

3. Zur Nichtberücksichtigung mildernder Umstände

a) Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

291 Die Klägerin in der Rechtssache T-213/03 trägt vor, die Kommission habe nicht alle in den Leitlinien vorgesehenen mildernden Umstände berücksichtigt. Sie verweist insbesondere darauf, dass die Vereinbarung keine Auswirkungen auf den Markt gehabt habe und dass die Zuwiderhandlung sofort nach dem Eingreifen der Kommission abgestellt worden sei. Auch habe sie trotz der Erklärungen ihrer Vertreter bei der Begehung der Zuwiderhandlung eine rein passive Rolle gespielt. Diese Umstände müssten die Kommission veranlassen, sie von jeder Geldbuße zu verschonen.

292 Die Kommission entgegnet, das Vorbringen der Klägerin gehe sachlich und rechtlich fehl.

b) Würdigung durch das Gericht

293 Erstens ist festzustellen, dass das Vorbringen, die Klägerin habe die Zuwiderhandlung sofort nach dem Einschreiten der Kommission abgestellt, sachlich unrichtig ist. Wie bereits entschieden worden ist, haben die Klägerinnen entgegen ihrem Vorbringen ihre Vereinbarung über den 30. November 2001 hinaus fortgeführt, und zwar entgegen dem Warnschreiben der Kommission vom 26. November 2001 und entgegen den Versicherungen, die sie dieser gegeben hatten (siehe oben, Randnr. 271).

294 Zweitens stehen die Erklärungen des Präsidenten der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 im Widerspruch zu deren Vorbringen, dass sie bei der Begehung der Zuwiderhandlung nur eine rein passive Rolle gespielt habe. Tatsächlich hat der Präsident der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 in einem Schreiben an den Präsidenten der FNSEA vom 9. November 2001 ausgeführt: "Die [Klägerin in der Rechtssache T-217/03] hat aktiv an den Verhandlungen vom 24. Oktober teilgenommen, die zu der Vereinbarung über Mindestpreise für Kühe geführt haben. Die Diskussion war zwar schwierig, ... aber es wurde ziemlich schnell Einvernehmen über den Grundsatz von Mindestpreisen erzielt, und ich denke, dass ich mit meinem Verband wesentlich dazu beigetragen habe." Die Kommission hat den Betrag der Geldbuße für die Klägerin ohnehin schon um 60 % herabgesetzt, indem sie als zwei mildernde Umstände berücksichtigt hat, dass sich der französische Landwirtschaftsminister nachdrücklich für den Abschluss der Vereinbarung ausgesprochen hatte und dass die Einrichtungen der Mitglieder der Klägerin illegalen Blockaden ausgesetzt waren. Diese mildernden Umstände rechtfertigen sich bis zu einem gewissen Grad dadurch, dass die Klägerin keine herausragende oder sehr aktive Rolle bei den Zuwiderhandlungen gespielt hat und sich ihre Beteiligung daran zumindest teilweise mit den besonderen Umständen des vorliegenden Falles erklären lässt.

295 Drittens schließlich kann der Kommission nicht vorgeworfen werden, dass sie der Klägerin keinen mildernden Umstand wegen der angeblich fehlenden Auswirkungen der streitigen Vereinbarung auf die Märkte zugebilligt hat. Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich nämlich entgegen dem Vorbringen der Klägerin aus den Akten nicht, dass die streitige Vereinbarung keine Auswirkungen auf die in Rede stehenden Märkte hatte. Insbesondere bedeutet der Umstand, dass es der Kommission nicht möglich war, zu beurteilen, inwieweit sich die Vereinbarung tatsächlich auf die Preise und den innergemeinschaftlichen Handel ausgewirkt hat (Randnr. 167 der angefochtenen Entscheidung), nicht, dass sie keinerlei Wirkung gehabt hat. Jedenfalls muss sich die Berücksichtigung der Wirkung einer Zuwiderhandlung gegebenenfalls in den Rahmen der Beurteilung ihrer konkreten Auswirkungen auf den Markt zur Ermittlung ihrer Schwere einfügen und nicht in die Beurteilung des individuellen Verhaltens des jeweiligen Unternehmens zur Ermittlung erschwerender oder mildernder Umstände (Urteil Cheil Jedang/Kommission, Randnr. 189).

296 Folglich konnte die Kommission zu Recht davon ausgehen, dass der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 keiner dieser mildernden Umstände zuzuerkennen war.

297 Sonach greift diese Rüge nicht durch.

298 Daraus ergibt sich, dass dieser Klagrund insgesamt zurückzuweisen ist.

D - Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 bei der Festsetzung des Betrages der Geldbußen

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

299 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 machen zunächst geltend, aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ergebe sich, dass die Kommission einer Unternehmensvereinigung, die keinen Umsatz erziele, keine Geldbuße von mehr als 1 Mio. Euro auferlegen dürfe. Diese Vorschrift sei nämlich unter Berücksichtigung des [quasi-] repressiven Charakters der dort vorgesehenen Sanktionen eng auszulegen.

300 Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 führt aus, die Obergrenze von 10 % des Umsatzes gelte für jede Geldbuße, auch wenn sie unter 1 Mio. Euro liege. Es würde den Grundsätzen der Gleichheit und der Verhältnismäßigkeit widersprechen und systematisch die kleinen Unternehmen benachteiligen, wenn man eine diese Obergrenze übersteigende Geldbuße zulassen würde.

301 Die Klägerinnen tragen vor, dass die durch die angefochtene Entscheidung festgesetzten Geldbußen die Obergrenze von 10 % ihrer Umsätze überstiegen. So mache die Geldbuße von 480 000 Euro für die Klägerin in der Rechtssache T-217/03, deren Einkünfte sich im Jahre 2002 auf 1 726 864 Euro belaufen hätten, mehr als 25 % ihres Umsatzes aus. Was die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 angehe, machten die Geldbußen 200 % der Jahresbeiträge der FNSEA, 240 % der Jahresbeiträge der FNB, 80 % der Jahresbeiträge der FNPL und 200 % der Jahresbeiträge der JA aus.

302 Die Klägerinnen bemerken dazu, dass bei der Berechnung der Obergrenze nicht von den Umsätzen ihrer jeweiligen unmittelbaren oder mittelbaren Mitglieder ausgegangen werden dürfe.

303 Denn nach der Rechtsprechung sei die Heranziehung der Umsätze der Mitglieder von Unternehmensvereinigungen zur Berechnung der Obergrenze von 10 % nur möglich, wenn die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten könne (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-298/98 P, Finnboard/Kommission, Slg. 2000, I-10157, Randnr. 66; Urteile des Gerichts CB und Europay/Kommission, Randnr. 136, vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 385, SCK und FNK/Kommission, Randnr. 252, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-338/94, Finnboard/Kommission, Slg. 1998, II-1617, Randnr. 270). So könne der Umsatz der Mitglieder nur dann berücksichtigt werden, wenn sich die streitige Vereinbarung aus dem satzungsmäßigen Zweck der Vereinigung ergebe oder wenn die Satzung es ermögliche, die Mitglieder zu verpflichten (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 4. Juni 1996 in der Rechtssache T-18/96 R, SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, II-407, Randnrn. 33 und 34).

304 Die Klägerinnen machen jedoch geltend, dass sie ihre Mitglieder nicht verpflichten könnten. So behauptet die Klägerin in der Rechtssache T-217/03, sie besitze lediglich eine Kompetenz zur moralischen und berufsständischen Verteidigung ihrer Mitglieder und zu ihrer Vertretung gegenüber den Behörden oder Berufsorganisationen. Sie sei keine Vereinigung, die die Aufgabe habe, die kommerziellen Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten oder Vereinbarungen in ihrem Namen zu schließen. Ebenso tragen die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 vor, keine gesetzliche Vorschrift und keine Bestimmung in ihren Satzungen ermächtige sie, Verpflichtungen im Namen ihrer Mitglieder einzugehen. Sie könnten erst recht nicht die "Mitglieder der ihren Mitgliedern angeschlossenen Mitglieder" verpflichten, d. h. die Züchter, die natürliche Personen und Mitglieder der Ortsverbände seien.

305 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 vertreten schließlich den Standpunkt, dass selbst wenn sie aufgrund ihrer Satzungen befugt gewesen wären, ihre Mitglieder zu verpflichten, die Kommission bei der Berechnung der Höhe der Geldbußen keinesfalls die Methode der Kumulierung der Umsätze der Mitglieder hätte anwenden dürfen. Die Klägerinnen seien nämlich keine autonomen Verbände, sondern hätten gemeinsame Mitglieder. Folglich hätte für jeden Verband nur die Summe der Einkünfte derjenigen Züchter berücksichtigt werden dürfen, die nur diesem Verband angehörten.

306 Die Kommission entgegnet zunächst, dass das Vorbringen, sie könne gegen eine Unternehmensvereinigung, die keinen Umsatz erziele, keine Geldbuße von mehr als 1 Mio. Euro festsetzen, auf einer falschen Auslegung des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 beruhe.

307 Nach dieser Vorschrift brauche sie die Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes nur dann zu prüfen, wenn sie eine Geldbuße festsetze, die 1 Mio. Euro übersteige (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 119). Im Hinblick auf die Klägerin in der Rechtssache T-217/03, der eine Geldbuße von 480 000 Euro auferlegt worden sei, habe die Kommission diese Obergrenze somit nicht verletzen können.

308 Nach Nummer 5 Buchstabe c der Leitlinien sei bei Vorgängen, an denen Unternehmensvereinigungen beteiligt seien, wenn es nicht möglich sei, gegen die Mitgliederunternehmen einzeln Geldbußen festzusetzen, gegenüber der Vereinigung eine Gesamtgeldbuße festzusetzen, die dem Gesamtbetrag der Einzelgeldbußen entspreche, die gegenüber jedem einzelnen Mitgliederunternehmen hätte festgesetzt werden müssen. Denn es würde keineswegs der wirklichen Bedeutung der Parteien einer Vereinbarung entsprechen, wollte man sich auf das Budget eines Verbandes beschränken.

309 Die Kommission wendet sich gegen die Auslegung der oben in Randnummer 303 zitierten Rechtsprechung durch die Klägerinnen und führt aus, nach dieser Rechtsprechung könne die Obergrenze von 10 % im Verhältnis zum Umsatz der Mitgliedsunternehmen einer Unternehmensvereinigung berechnet werden, "jedenfalls soweit die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann". Die Wendung "jedenfalls soweit" bedeute nicht dasselbe wie "unter der Voraussetzung, dass", sondern vielmehr dasselbe wie "zumindest" oder "jedenfalls". Diese Rechtsprechung schließe nicht aus, dass andere besondere Umstände die Berücksichtigung der Umsätze der Mitglieder einer Vereinigung rechtfertigen könnten. So sei die Vereinbarung in der vorliegenden Rechtssache von nationalen Verbänden zugunsten ihrer Mitglieder geschlossen worden. Die Klägerinnen übten keine wirtschaftliche Tätigkeit aus, so dass eine rein kommerzielle Vereinbarung nur für ihre Mitglieder ein wirtschaftliches Interesse habe. Da die Interessen der Verbände und ihrer Mitglieder völlig übereinstimmten, hätten die Klägerinnen kein eigenes Interesse am Abschluss der Vereinbarung.

310 Jedenfalls seien die Klägerinnen im Sinne der genannten Rechtsprechung befugt gewesen, ihre Mitglieder zu verpflichten. Diese Befugnis brauche nicht unbedingt in der Satzung einer Vereinigung aufgeführt zu sein, sondern könne sich aus der Kombination verschiedener Bestimmungen ergeben. Desgleichen umfasse die Befugnis, die Mitglieder zu verpflichten, nicht die Befugnis, sie rechtlich zu binden. Jedenfalls ergebe sich aus der Prüfung der Satzung der Klägerinnen, dass sie ihre Mitglieder binden könnten.

311 Wenn man die Umsätze der Basismitglieder der Klägerinnen zur Berechnungsgrundlage mache, hätten die hier festgesetzten Geldbußen die Obergrenze von 10 % nicht überschritten. Was erstens die Klägerin in der Rechtssache C-217/03 betreffe, sei der Betrag der gegen sie festgesetzten Geldbuße nach den in ihrem Schreiben vom 27. Januar 2003 enthaltenen Schätzungen im Verhältnis zu den Umsätzen ihrer Mitglieder ganz unbedeutend. Was zweitens die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 angehe, ergebe sich ein Betrag von 48,68 Euro pro Mitglied, wenn man die von der FNSEA selbst angegebene Anzahl ihrer Mitglieder zugrunde lege und die Gesamtgeldbuße auf die diesen angeschlossenen landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe umlege. Somit genüge zur Vermeidung der Überschreitung der Obergrenze ein durchschnittlicher Jahresumsatz von 500 Euro pro Mitglied. Da im Rindfleischsektor im Jahre 2002 etwa 4,4 Milliarden Euro umgesetzt worden seien und die FNSEA ihren Erklärungen zufolge 70 % der französischen Landwirte repräsentiere, müsse der Umsatz ihrer Mitglieder etwa 3 Milliarden Euro betragen. Der Gesamtbetrag der Geldbußen würde jedoch die Obergrenze von 10 % des Umsatzes der der FNSEA angehörenden Rinderzüchter nur erreichen, wenn diese weniger als 160 Mio. Euro Umsatz erzielten bzw. weniger als 3,5 % des Rindfleischsektors repräsentierten. Schließlich würde sich an dieser Berechnung auch dann nichts ändern, wenn man den Mehrfachmitgliedschaften von Züchtern Rechnung tragen würde. So betrage das Ergebnis, wenn man die der FNSEA auferlegte Geldbuße auf ihre 270 000 Mitglieder, die nicht den JA angeschlossen seien, umlege, 44,44 Euro pro Betrieb.

2. Würdigung durch das Gericht

312 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission gegen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen Geldbußen in Höhe von eintausend bis einer Million Euro oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem Einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen.

313 Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 verbietet es diese Vorschrift der Kommission nicht, Vereinigungen, die angeblich keinen Umsatz erzielen, Geldbußen von mehr als 1 Mio. Euro aufzuerlegen. Nach ständiger Rechtsprechung zeigt die Gattungsbezeichnung "Zuwiderhandlung" in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, die unterschiedslos Vereinbarungen, abgestimmte Verhaltensweisen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen umfasst, dass die dort genannten Obergrenzen für Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen ebenso gelten wie für Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen (vgl. Urteil Finnboard/Kommission, Randnr. 270 und die dort zitierte Rechtsprechung). Wie im Folgenden dargelegt werden wird, kann die Kommission in Fällen, in denen eine Unternehmensvereinigung keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit ausübt oder ihr Umsatz nicht den Einfluss widerspiegelt, den sie auf dem Markt ausüben kann, unter bestimmten Voraussetzungen bei Berechnung des Höchstbetrags der Geldbuße, die gegen sie verhängt werden kann, den Umsatz ihrer Mitglieder berücksichtigen.

314 Was die Frage angeht, ob die Obergrenze von 10 % des Umsatzes nur für Geldbußen von mehr als 1 Mio. Euro gilt, bezieht sich - wie der Gerichtshof im Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission ausgeführt hat - der einzige ausdrückliche Hinweis auf den Unternehmensumsatz in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 auf die Obergrenze einer Geldbuße, die eine Million Euro übersteigt (Randnr. 119 des Urteils). Nummer 5 Buchstabe a der Leitlinien bestimmt jedoch, dass gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Endbetrag der nach dem in Nummern 1 bis 3 vorgesehenen Schema ermittelten Geldbuße "in keinem Fall" 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen darf. Da die Kommission verpflichtet ist, sich an die Leitlinien zu halten, ist festzustellen, dass die Obergrenze von 10 % des Umsatzes im vorliegenden Fall auch bei der Festsetzung von Geldbußen von weniger als 1 Mio. Euro wie im Fall der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 und im Fall der JA beachtet werden musste (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005 in den Rechtssachen T-71/03, T-74/03, T-87/03 und T-91/03, Tokai Carbon u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 388).

315 Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die den Klägerinnen auferlegten Geldbußen 10 % ihrer jeweiligen Umsätze übersteigen, wenn man darunter den Gesamtbetrag ihrer Einkünfte versteht, zu denen u. a. die von ihren Mitgliedern entrichteten Beiträge und die ihnen gewährten Subventionen gehören. Es stellt sich allerdings die Frage, ob, wie die Kommission meint, die einzuhaltende Obergrenze gleichwohl im Verhältnis zu den Umsätzen der Mitglieder der Klägerinnen berechnet werden durfte.

316 Nach Nummer 5 Buchstabe c Leitlinien sollten bei Vorgängen, an denen Unternehmensvereinigungen beteiligt sind, soweit wie möglich die Entscheidungen an die Mitgliederunternehmen der Vereinigungen gerichtet und die Geldbußen gegen die beteiligten Unternehmen einzeln festgesetzt werden. Sollte diese Vorgehensweise jedoch nicht möglich sein (z. B. bei mehreren Tausend Mitgliedsunternehmen) ist gegenüber der Vereinigung eine Gesamtgeldbuße festzusetzen, die dem Gesamtbetrag der Einzelgeldbußen entspricht, die gegenüber jedem einzelnen Mitgliedsunternehmen hätten festgesetzt werden müssen.

317 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Obergrenze von 10 % des Umsatzes nach dem Umsatz jedes der Unternehmen zu berechnen, die Parteien der Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen sind, oder nach den Umsätzen aller Unternehmen, die Mitglieder solcher Unternehmensvereinigungen sind, jedenfalls soweit die Vereinigung kraft ihrer Satzung ihre Mitglieder verpflichten kann. Diese Möglichkeit, insoweit den Umsatz aller Mitgliedsunternehmen einer Vereinigung zu berücksichtigen, findet ihre Rechtfertigung darin, dass bei der Festsetzung der Geldbußen u. a. der Einfluss, den das Unternehmen insbesondere kraft seiner Größe und seiner Wirtschaftskraft, für die sein Umsatz ein Indiz ist, ausüben kann, sowie der Abschreckungseffekt berücksichtigt werden können, den die Geldbußen erzielen müssen. Der Einfluss, den eine Unternehmensvereinigung auf den Markt ausüben kann, hängt nämlich nicht von ihrem eigenen Umsatz ab, der weder ihre Größe noch ihre Wirtschaftskraft aufzeigt, sondern vom Umsatz ihrer Mitglieder, der ein Hinweis auf ihre Größe und ihre Wirtschaftskraft ist (Urteile CB und Europay/Kommission, Randnrn. 136 und 137, SPO u. a./Kommission, Randnr. 385, und Finnboard/Kommission, Randnr. 270).

318 Diese Rechtsprechung schließt jedoch nicht aus, dass in besonderen Fällen die Berücksichtigung des Umsatzes der Mitglieder einer Vereinigung selbst dann möglich ist, wenn diese nicht formal die Befugnis besitzt, ihre Mitglieder zu verpflichten, da die Satzung ihr diese Befugnis nicht einräumt. Andernfalls könnte die Berechtigung der Kommission, Geldbußen in einer den begangenen Zuwiderhandlungen angemessenen Höhe festzusetzen, leerlaufen, weil Vereinigungen mit einem sehr niedrigen Umsatz, aber einer großen Zahl von Mitgliedern, die zusammen einen bedeutenden Umsatz erzielen, die sie aber nicht förmlich verpflichten kann, nur mit sehr geringen Geldbuße belegt werden könnten, selbst wenn die von ihnen begangenen Zuwiderhandlungen einen spürbaren Einfluss auf die betreffenden Märkte ausüben konnten. Dies stünde auch im Widerspruch zu der Notwendigkeit, die abschreckende Wirkung der Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln sicherzustellen.

319 Das Gericht ist deshalb der Auffassung, dass andere besondere Umstände als nur das Bestehen einer Satzung, die es der Vereinigung ermöglicht, ihre Mitglieder zu verpflichten, die Berücksichtigung der kumulierten Umsätze ihrer Mitglieder rechtfertigen können. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen die von der Vereinigung begangene Zuwiderhandlung in Handlungen ihrer Mitglieder besteht und die wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, um die es geht, von der Vereinigung selbst zugunsten ihrer Mitglieder und in Zusammenarbeit mit ihnen an den Tag gelegt werden, da die Vereinigung keine objektiven, von den Interessen ihrer Mitglieder unabhängigen Interessen hat. Zwar kann die Kommission eventuell in einigen dieser Fälle nicht nur die Vereinigung mit einer Sanktion belegen, sondern auch jedem der ihr angehörenden Unternehmen eine individuelle Geldbuße auferlegen; dies kann sich aber als besonders schwierig oder sogar unmöglich erweisen, wenn diese Unternehmen sehr zahlreich sind.

320 Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die vorrangige Aufgabe der klagenden Verbände darin besteht, die Interessen ihrer Basismitglieder, nämlich der landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, der Genossenschaften und der Schlachthöfe, zu verteidigen und zu vertreten. So hat die FNSEA, eine der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03, zum Ziel, die Interessen des landwirtschaftlichen Berufsstands zu vertreten und zu verteidigen. Zu diesem Zweck organisiert, koordiniert und harmonisiert sie die Gesamtheit der beruflichen Interessen der landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, die Mitglieder der Basisverbände sind (Artikel 8 der Satzung). Zweck der FNB ist die Organisation, die Vertretung und die Verteidigung der gemeinsamen Interessen aller Rindererzeuger (Artikel 7 ihrer Satzung); Aufgabe der FNPL ist die Koordinierung, die Organisation, die Vertretung und Verteidigung der Interessen aller Produzenten von Milch und Milcherzeugnissen (Artikel 6 ihrer Satzung); Aufgabe der JA schließlich ist insbesondere die Vertretung der Jungbauern und die Verteidigung ihrer Interessen (Artikel 6 ihrer Satzung). Aufgabe der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 ist nach Artikel 2 Absatz 1 ihrer Satzung insbesondere die moralische und berufliche Verteidigung ihrer Mitglieder, darunter Gruppen von Viehproduzenten und ihre Tochterunternehmen, die Schlachthöfe betreiben.

321 Zweitens betraf die streitige Vereinbarung nicht die Tätigkeit der Klägerinnen selbst, sondern die ihrer Basismitglieder. Die Klägerinnen selbst beschäftigen sich nämlich nicht mit dem Verkauf, Kauf oder Import von Rindfleisch. Sie sind somit weder von der Verpflichtung zur Aussetzung der Einfuhren noch von der Festsetzung von Mindestpreisen unmittelbar betroffen. Die in der streitigen Vereinbarung vorgesehenen Maßnahmen berühren nur die Basismitglieder der Klägerinnen, die im Übrigen auch diejenigen waren, die sie in die Praxis umsetzen sollten.

322 Drittens wurde die streitige Vereinbarung unmittelbar zugunsten der Basismitglieder der Klägerinnen abgeschlossen. Denn was zunächst die Verbände landwirtschaftlicher Erzeugerbetriebe angeht, bezweckte sie, den ihnen angeschlossenen Rinderzüchtern den Absatz ihrer Produkte zu rentablen Preisen und damit die Überwindung der Krise zu ermöglichen, die im entscheidungserheblichen Zeitraum in diesem Sektor herrschte. Was zweitens die Verbände der Schlachthofbetreiber betrifft, so hat es zwar den Anschein, dass die ergriffenen Maßnahmen, nämlich die Festsetzung von Mindestpreisen und die Aussetzung oder Beschränkung der Einfuhren, potenziell im Widerspruch zu den Interessen der Schlachthöfe standen, da sie zu einer Erhöhung ihrer Betriebskosten führen konnten. Der Abschluss der streitigen Vereinbarung hatte aber im Kontext der damals herrschenden Spannungen zum Ziel, diesen Unternehmen die Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit zu ermöglichen und bis zu einem gewissen Grad die gegen sie bestehenden Drohungen zu verringern. So heißt es in der Vereinbarung ausdrücklich, dass die Verbände der Schlachthofbetreiber die Vereinbarung "als Voraussetzung für die Aufhebung der Blockade" geschlossen hätten.

323 Viertens ist erneut darauf hinzuweisen, dass die streitige Vereinbarung im Wesentlichen durch den Abschluss von lokalen Vereinbarungen zwischen den Verbänden auf Departementsebene und den Ortsverbänden - also den Mitgliedern der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 - und den Schlachthöfen umgesetzt wurde (siehe oben, Randnrn. 112 bis 115). Außerdem erfolgte die Kontrolle der Einhaltung und der Anwendung der Bestimmungen der Vereinbarung häufig durch konkrete Aktionen von Gruppen von Züchtern.

324 Unter diesen Umständen ist das Gericht der Auffassung, dass es gerechtfertigt war, bei der Berechnung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzten Zehnprozentgrenze die Umsätze der Basismitglieder der Klägerinnen zu berücksichtigen. Insbesondere gaben allein deren Umsätze einen zutreffenden Hinweis auf die Wirtschaftskraft der Klägerinnen und damit auf den Einfluss, den sie auf den betroffenen Märkten ausüben konnten.

325 Die Möglichkeit, die Umsätze der Basismitglieder der Klägerinnen zu berücksichtigen, muss hier allerdings auf diejenigen beschränkt werden, die auf den Märkten tätig waren, die von den in der angefochtenen Entscheidung geahndeten Zuwiderhandlungen betroffen waren, nämlich die Rinderzüchter und die Schlacht- bzw. Fleischverarbeitungsbetriebe. Denn mit Ausnahme der FNB und in geringerem Maße der FNPL hatte nur ein kleiner Teil der unmittelbaren oder mittelbaren Mitglieder der Klägerinnen Interessen im Sektor der Rinderzucht - im Fall der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 - oder in dem der Schlachtung von Rindern - im Fall der Klägerin in der Rechtssache T-217/03. Die Vereinbarung betraf nämlich nicht die Tätigkeit derjenigen Mitglieder der Klägerinnen, die nicht auf den Rindfleischmärkten tätig waren, sie wurde nicht zu ihren Gunsten geschlossen, und diese Mitglieder haben wahrscheinlich nicht an der Durchführung der streitigen Maßnahmen teilgenommen. Folglich dürfen ihre Umsätze bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % nicht berücksichtigt werden.

326 Unter Beachtung dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Beträge der in der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerinnen verhängten Geldbußen die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 festgesetzte Obergrenze von 10 % des Umsatzes übersteigen.

327 So ergeben die von der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 in ihrem Schreiben an die Kommission vom 27. Januar 2003 bekanntgegebenen Schätzungen, dass die ihr auferlegte Geldbuße zwischen 0,05 % und 0,2 % des Umsatzes ausmachte, den die ihr angehörenden Schlacht- bzw. Fleischverarbeitungsgenossenschaften im Jahre 2002 erzielten, je nachdem, ob man die Unternehmen mitzählt, die zugleich Mitglieder der Klägerin und Mitglieder des Syndicat national de l'industrie des viandes (SNIV, nationaler Verband der Fleischindustrie) sind, d. h. des spezialisierten Berufsverbands, in dem sich die großen Industrieunternehmen des Sektors zusammengeschlossen haben.

328 Was die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 betrifft, verfügt das Gericht nicht über genaue Angaben über die Umsätze der ihnen angeschlossenen Rinderzüchter. Die Klägerinnen haben nämlich auf die Frage der Kommission im Verwaltungsverfahren und sodann auf die Frage des Gerichts im vorliegenden Verfahren geantwortet, dass sie die Umsätze der ihnen angeschlossenen Züchter nicht einmal ungefähr angeben könnten. Sie waren auch nicht imstande, dem Gericht die Anzahl der Rinderzüchter, die Basismitglieder der FNSEA bzw. der JA sind, zu nennen, und haben vorgetragen, dass die FNB und die FNPL keine eigentlichen Basismitglieder hätten.

329 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 haben allerdings vorgetragen, dass im Jahre 2002 in Frankreich der sich aus der Produktion im Sektor für ausgewachsene Rinder ergebende Umsatz 4,552 Milliarden Euro und der sich aus der Schlachtung von ausgewachsenen Rindern ergebende Umsatz 3,430 Milliarden Euro betragen hätten. Wenn man von der kleineren dieser beiden Zahlen ausgehe, so ergebe sich, dass die den Klägerinnen auferlegten Geldbußen die Obergrenze von 10 % des Umsatzes der ihr angeschlossenen Rinderzüchter nicht übersteigen würden, wenn diese für die FNSEA mindestens 3,5 %, für die FNB mindestens 0,42 %, für die JA mindestens 0,18 % und für die FNPL mindestens 0,42 % des genannten Gesamtumsatzes repräsentierten. Keine der Klägerinnen bestreitet jedoch, dass ihre Mitglieder einen bedeutenden Anteil des mit der Schlachtung von ausgewachsenen Rindern in Frankreich erzielten Umsatzes repräsentieren. Das Gericht erinnert insoweit daran, dass die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 auf eine Frage des Richters im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Möglichkeit eingeräumt haben, dass die Mitglieder der FNSEA wohl etwa 50 % der 240 000 Erzeugerbetriebe in Frankreich ausmachten, die mehr als fünf ausgewachsene Rinder besäßen (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 21. Januar 2004 in der Rechtssache T-245/03 R, FNSEA u. a./Kommission, Slg. 2004, II-271, Randnr. 89).

330 Das Gericht hält es unter diesen Umständen für hinreichend bewiesen, dass die gegen die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 festgesetzten Geldbußen die Obergrenze von 10 % der Umsätze ihrer jeweiligen Mitglieder nicht überstiegen.

331 An diesem Ergebnis vermag auch das Vorbringen der Klägerinnen nichts zu ändern, da es sich bei ihren Mitgliedern um gemeinsame Mitglieder handele, hätte die Kommission für jeden Verband nur die Summe der Einkünfte der allein diesem Verband angeschlossenen Züchter berücksichtigen dürfen. In der Tat sind, wie die Klägerinnen mitgeteilt haben, alle Züchter, die unmittelbare oder mittelbare Mitglieder der FNB, der FNPL oder der JA sind, zugleich indirekte Mitglieder der FNSEA. Für die Einhaltung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes genügt es jedoch, dass die Summe der gegen die vier Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 festgesetzten Geldbußen unter 10 % des Umsatzes der Züchter liegt, die der FNSEA, dem Zusammenschluss der drei anderen klagenden Verbände, als Basismitglieder angehören. Damit diese Obergrenze nicht überschritten wird, würde es ausreichen, dass der Umsatz der Züchter, die Basismitglieder der FNSEA sind, mindestens 4,52 % des sich aus der Schlachtung von ausgewachsenen Rindern in Frankreich ergebenden Umsatzes beträgt. Aus den vorgenannten Gründen ist dies nach der Überzeugung des Gerichts der Fall.

332 Schließlich können sich die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 auch nicht darauf berufen, dass die FNB und die FNPL keine Basismitglieder im eigentlichen Sinne hätten, da ihnen kein Landwirt beitrete, und zwar weder unmittelbar noch mittelbar. Tatsächlich erhalten diese Verbände Beiträge von den Verbänden auf Departementsebene (nach Maßgabe der Gesamtzahl der im Departement existierenden Rinder und der dort produzierten Menge Milch). In diesen Verbänden auf Departementsebene sind Ortsverbände zusammengeschlossen, denen die Züchter beitreten. Folglich können die Rinderzüchter bei der Berechnung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes in gleicher Weise als Basismitglieder der FNB und der FNPL angesehen werden wie als Basismitglieder der FNSEA.

333 Aus allen diesen Gründen ist das Gericht der Auffassung, dass die den Klägerinnen durch die angefochtene Entscheidung auferlegten Geldbußen die Obergrenze von 10 % der Umsätze ihrer jeweiligen Mitglieder nicht übersteigen.

334 Folglich ist dieser Klagegrund zurückzuweisen.

E - Zum fünften Klagegrund: Verletzung des Grundsatzes des Verbots der Doppelbestrafung

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

335 Die Klägerinnen tragen vor, der Grundsatz des Verbots der Doppelbestrafung (non bis in idem) verbiete es, eine Person wegen derselben Handlung mehrmals zu bestrafen. Dieser in Artikel 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK verankerte Grundsatz werde im Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft ständig angewandt (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1972 in der Rechtssache 7/72, Boehringer Mannheim/Kommission, Slg. 1972, 1281, Randnr. 3) und bilde einen tragenden Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 59).

336 Mit der angefochtenen Entscheidung seien dieselben Personen für dieselbe Zuwiderhandlung mehrfach mit Sanktionen belegt worden, da die FNB, die JA und die FNPL Mitglieder der FNSEA seien. Die Rinderzüchter, die natürliche Personen seien und die den Ortsverbänden beiträten, könnten (sofern sie Milchkühe besäßen) mittelbar der FNSEA und der FNB oder auch der FNLP und (wenn sie jünger als 35 Jahre seien) auch den JA angehören. Desgleichen seien bestimmte Mitglieder der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 zugleich Mitglieder der FNSEA. Dadurch würden diese Personen indirekt mit mehreren Geldbußen belegt, obwohl die Kommission ihnen doch mittelbar nur eine einzige Handlung vorwerfen könne. Die Klägerinnen wenden sich gegen das Vorbringen der Kommission, dass der Grundsatz ne bis in idem hier nicht anwendbar sei, da es nur ein einziges Verfahren gebe. Im vorliegenden Fall hätten die von der Kommission gegen die Klägerinnen eingeleiteten Parallelverfahren zu einer Wiederholung der gegen sie verhängten Sanktionen geführt. Auch könne man die Anwendung dieses Grundsatzes nicht auf die Fälle beschränken, in denen Unternehmen für dieselbe Zuwiderhandlung von mehreren Wettbewerbsbehörden verfolgt würden.

337 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 weisen ferner darauf hin, dass die Kommission bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen von dem Verhältnis zwischen dem Betrag der an die FNSEA entrichteten Jahresbeiträge und den Beträgen der an jeden der anderen in Rede stehenden Verbände entrichteten Jahresbeiträge ausgegangen sei. Das angenommene Verhältnis sei jedoch unrichtig, da die FNB und die FNPL einen Teil der an sie entrichteten Jahresbeiträge (im Jahre 2001 etwa 10 %, d. h. 60 979 Euro, für die FNB und 15 %, d. h. 181 670 Euro, für die FNPL) an die FNSEA abführten. Das angenommene Verhältnis müsse deshalb entsprechend reduziert werden.

338 Die Französische Republik führt aus, unbestreitbar seien im vorliegenden Fall natürliche Personen Mitglieder verschiedener Verbände, und sei es auch nur wegen der Mitgliedschaft bestimmter Verbände in der FNSEA. Diese Personen seien somit für ein und denselben Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zweimal mit Geldbußen belegt worden. Dies bedeute, dass ihnen eine unverhältnismäßig hohe Geldbuße auferlegt worden sei, und stelle eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dar.

339 Die Kommission weist darauf hin, dass der Grundsatz non bis in idem nach der Rechtsprechung der Gemeinschaft auf Fälle anwendbar sei, in denen ein Unternehmen, das auf Gemeinschaftsebene für Wettbewerbsverstöße mit Sanktionen belegt worden sei (oder dem Sanktionen drohten), ebenfalls in einem anderen Verfahren in einem Drittstaat oder in einem Mitgliedstaat mit Sanktionen belegt worden sei (oder Sanktionen zu gewärtigen habe) (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1969 in der Rechtssache 14/68, Wilhelm u. a., Slg. 1969, 1, und Urteil Boehringer Mannheim/Kommission). Allein der Umstand, dass es sich um denselben Sachverhalt handele, könne die Anwendung dieses Grundsatzes jedoch nicht rechtfertigen, denn es müsse sich auch um dieselben Parteien handeln. Hier sei jeder Verband wegen seiner eigenen Beteiligung an der Zuwiderhandlung belangt worden, da jeder von ihnen dank seines eigenen Einflusses auf dem Markt für die Wirksamkeit der Vereinbarung notwendig gewesen sei. Der Umstand, dass bestimmte Personen mehreren dieser Verbände angehörten, ändere nichts daran, dass jede einzelne Klägerin an der Vereinbarung teilgenommen habe. Schließlich sei die Verhältnismäßigkeit der Geldbußen, die gegen mehrere Verbände mit gemeinsamen Mitgliedern festgesetzt worden seien, durch die Begrenzung auf 10 % des Umsatzes sichergestellt, sie könne aber nicht zu einer Straflosigkeit dieser Mitglieder führen.

2. Würdigung durch das Gericht

340 Nach der Rechtsprechung ist der Grundsatz ne bis in idem ein tragender Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, dessen Wahrung der Richter zu sichern hat. Im Bereich des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft verbietet es dieser Grundsatz, dass ein Unternehmen wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens, für das es in einer früheren, nicht mehr anfechtbaren Entscheidung der Kommission mit einer Sanktion belegt oder für nicht verantwortlich erklärt wurde, erneut verurteilt oder verfolgt wird (Urteile des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T-224/00, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Slg. 2003, II-2597, Randnrn. 85 und 86, und Tokai Carbon u. a./Kommission, Randnrn. 130 und 131). Die Anwendung des Grundsatzes ne bis in idem hängt von der dreifachen Voraussetzung der Identität des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts ab. Dieser Grundsatz verbietet es somit, dieselbe Person mehr als einmal wegen desselben rechtswidrigen Verhaltens zum Schutz desselben Rechtsguts mit einer Sanktion zu belegen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Januar 2004 in den Rechtssachen C-204/00 P, C-2005 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Aalborg Portland u. a./Kommission, Slg. 2004, I-123, Randnr. 338).

341 Hier hat die Kommission den klagenden Verbänden wegen der Beteiligung und nach Maßgabe des individuellen Grades der Beteiligung jedes von ihnen an der Zuwiderhandlung Sanktionen auferlegt (siehe Randnr. 169 sowie die Artikel 1 und 3 der angefochtenen Entscheidung). Tatsächlich haben alle Klägerinnen, wenn auch mit verschiedener Intensität und in verschiedenem Maße, an den durch die angefochtene Entscheidung geahndeten Zuwiderhandlungen teilgenommen. Insbesondere haben alle klagenden Verbände die Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 unterzeichnet. Deshalb war die Kommission berechtigt, jeden Verband, der an der streitigen Vereinbarung beteiligt war, mit einer Sanktion zu belegen, indem sie auf seine individuelle Rolle bei deren Unterzeichnung und Umsetzung abstellte und indem sie für jeden von ihnen die ihn betreffenden mildernden bzw. erschwerenden Umstände berücksichtigte.

342 Dem steht, anders als die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 meinen, nicht entgegen, dass die FNB, die FNPL und die JA Mitglieder der FNSEA sind. Denn diese Verbände sind eigenständige juristische Personen, sie haben getrennte Budgets und Ziele, die nicht immer übereinstimmen. So führen sie ihre jeweiligen Aktionen zur Verteidigung ihrer eigenen besonderen Interessen durch (siehe oben, Randnr. 320). Der Umstand, dass diese Verbände in der vorliegenden Rechtssache ihre Aktionen und die ihrer Mitglieder im Hinblick auf die Verfolgung gemeinsamer Ziele weitgehend koordiniert haben, ändert nichts an der jeweiligen Verantwortung jedes Einzelnen von ihnen für die Zuwiderhandlung.

343 Im Übrigen wurden durch die angefochtene Entscheidung, anders als die Klägerinnen offensichtlich meinen, nicht ihre unmittelbaren oder mittelbaren Basismitglieder mit Sanktionen belegt. Der Umstand, dass der Umsatz der Mitglieder einer Unternehmensvereinigung bei der Ermittlung der Obergrenze von 10 % berücksichtigt wird, bedeutet nämlich weder, dass ihnen eine Geldbuße auferlegt wird, noch auch nur, dass die fragliche Vereinigung verpflichtet ist, die finanzielle Last auf ihre Mitglieder abzuwälzen (Urteil CB und Europay/Kommission, Randnr. 139). Da die einzelnen landwirtschaftlichen Erzeugerbetriebe, die indirekte Mitglieder der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 sind, durch die angefochtene Entscheidung nicht mit Sanktionen belegt wurden, hinderte der Umstand, dass die Basismitglieder der FNB, der FNPL der JA zugleich Mitglieder der FNSEA sind, die Kommission nicht daran, jeden dieser Verbände einzeln mit einer Sanktion zu belegen. Erst recht ist unerheblich, dass bestimmte Mitglieder der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 zugleich Mitglieder der FNSEA sind.

344 Somit fehlt es hier an der Identität der Zuwiderhandelnden, da die angefochtene Entscheidung nicht mehrmals dieselben Einheiten oder dieselben Personen für dieselben Handlungen mit Sanktionen belegt. Folglich liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem vor. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist in der vorliegenden Rechtssache nicht verletzt worden, da entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik die unmittelbaren und mittelbaren Mitglieder der Klägerinnen nicht zweimal für dieselbe Zuwiderhandlung mit Geldbußen belegt worden sind.

345 Zurückzuweisen ist auch das Vorbringen der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03, die Kommission habe bei der Festsetzung des Grundbetrags der Geldbußen das Verhältnis zwischen der Summe der an die FNSEA einerseits und der an die FNB und die FNPL andererseits entrichteten Jahresbeiträge falsch berechnet. Die Kommission war entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen insbesondere nicht verpflichtet, die Zahlen der FNB und der FNPL anzupassen, indem sie die von diesen an die FNSEA abgeführten Beiträge von diesen Beträgen abzog. Denn da diese Beiträge bereits als objektiver Hinweis auf die Bedeutung jedes Verbandes berücksichtigt worden waren, konnte die Kommission zu Recht davon ausgehen, dass die relevanten Zahlen ihre globalen Beiträge waren, die den Grad der Repräsentativität jeder Klägerin widerspiegeln.

346 Folglich greift dieser Klagegrund nicht durch.

F - Zum sechsten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Berücksichtigung der in Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien genannten Umstände

1. Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

347 Die Klägerin in der Rechtssache T-217/03 macht geltend, die Herabsetzung der Geldbuße um 60 %, die die Kommission gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien vorgenommen habe, um dem besonderen Kontext der Rinderkrise Rechnung zu tragen, hätte vom Grundbetrag der Geldbuße und nicht von der Summe vorgenommen werden müssen, die sich aus der Anwendung der Aufschläge und der Abschläge für erschwerende bzw. mildernde Umstände ergeben habe. Es gebe keine Rechtfertigung dafür, Ausnahmen von dem in Nummer 2 der Leitlinien verankerten Grundsatz der Festlegung der Geldbußen zu machen, wonach ein Grundbetrag berechnet und sodann um einen Prozentsatz herauf- oder herabgesetzt werde. Hilfsweise führt die Klägerin aus, die Kommission hätte die Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zusammenhangs wie in anderen Rechtssachen auch als mildernden Umstand ansehen müssen.

348 Die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 tragen vor, die Kommission habe bei der Anwendung der Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien nicht die zutreffenden Konsequenzen aus folgenden in der angefochtenen Entscheidung (siehe die Randnrn. 181 und 184) dargelegten Umständen gezogen: erstens dem Umstand, dass die Klägerinnen keinen Erwerbszweck hätten; zweitens den besonderen Merkmalen des in Rede stehenden landwirtschaftlichen Erzeugnisses; drittens der Tatsache, dass die Kommission erstmals eine ausschließlich von Verbänden abgeschlossene Vereinbarung geahndet habe, die ein landwirtschaftliches Grunderzeugnis betroffen und zwei Glieder der Produktionskette umfasst habe; viertens dem besonderen Kontext einer außergewöhnlichen Krise. Dazu tragen die Klägerinnen vor, dass die Wettbewerbsbehörden des Vereinigten Königreichs in einer Entscheidung vom 3. Februar 2003 davon abgesehen hätten, gegen einen Verband von Rindfleischerzeugern aus Nordirland, der eine Preisabsprache getroffen habe, Geldbußen zu verhängen, und zwar aufgrund des ebenfalls durch die BSE-Krise und die Maul- und Klauenseuche gekennzeichneten Kontexts, in dem die Vereinbarung abgeschlossen worden sei. Im vorliegenden Fall hätten derartige Umstände die Kommission nicht veranlasst, eine entsprechende Anpassung der Geldbußen vorzunehmen, so dass die Endbeträge viel zu hoch blieben.

349 Die Kommission führt aus, das Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 zur Methode der Berechnung der Herabsetzung aufgrund der in Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien vorgesehenen Umstände widerspreche sowohl dem Buchstaben als auch dem Geist der Leitlinien. Die Rüge, dass der wirtschaftliche Zusammenhang als mildernder Umstand hätte angesehen werden müssen, sei ein neues und damit unzulässiges Angriffsmittel. Zu dem Vorbringen der Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 bemerkt die Kommission, dass es für die hier vorgenommene Herabsetzung der Geldbuße um 60 % keinen Präzedenzfall in ihrer bisherigen Praxis gebe.

2. Würdigung durch das Gericht

350 Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien bestimmt:

"Nach Durchführung der vorstehenden Berechnungen kann es je nach Fall angezeigt sein, im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der vorgesehenen Geldbußen einige objektive Faktoren zu berücksichtigen, wie z. B. ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang, die von den Beteiligten an dem Verstoß eventuell erzielten wirtschaftlichen oder finanziellen Vorteile ... und die besonderen Merkmale der betreffenden Unternehmen wie z. B. ihre tatsächliche Steuerkraft in einem gegebenen sozialen Umfeld."

351 In der vorliegenden Rechtssache hat die Kommission dem wirtschaftlichen Zusammenhang Rechnung getragen, der namentlich durch die schwere Krise im Rindfleischsektor gekennzeichnet war, und hat den Betrag, der sich aus der Herauf- oder Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbußen aufgrund der berücksichtigten erschwerenden oder mildernden Umstände ergab, um 60 % herabgesetzt.

352 Erstens ist das Vorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-217/03 zurückzuweisen, dass diese Herabsetzung um 60 % auf den Grundbetrag der Geldbuße und nicht auf den aufgrund der erschwerenden und mildernden Umstände bereits erhöhten und herabgesetzten Betrag hätte angewandt werden müssen. Die Leitlinien behandeln die mildernden bzw. die erschwerenden Umstände in den Nummern 2 und 3, die die "Erhöhung des Grundbetrags" und die "Verringerung des Grundbetrags" vorsehen. Dagegen bestimmt Nummer 5 Buchstabe b, dass "[n]ach Durchführung der vorstehenden Berechnungen ... im Hinblick auf die entsprechende Anpassung der vorgesehenen Geldbußen" andere Umstände berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich, dass die von der Kommission angewandte Berechnungsmethode im Einklang mit den Bestimmungen der Leitlinien steht.

353 Zweitens ist das Hilfsvorbringen der Klägerin in der Rechtssache T-217/03, dass der wirtschaftliche Zusammenhang als mildernder Umstand hätte berücksichtigt werden müssen, erst im Stadium der Erwiderung geltend gemacht worden. Folglich bildet es ein neues Angriffsmittel und ist deshalb gemäß Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung zurückzuweisen. Jedenfalls bezieht sich Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien ausdrücklich auf die Berücksichtigung des besonderen wirtschaftlichen Zusammenhangs eines Vorgangs; dieses Kriterium wird jedoch in Nummer 3 der Leitlinien, der die mildernden Umstände behandelt, nicht ausdrücklich genannt. Daraus folgt, dass die Kommission nicht fehlerhaft gehandelt hat, als sie den wirtschaftlichen Zusammenhang der vorliegenden Rechtssache im Rahmen der Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien und nicht, wie die Klägerin dies wollte, im Rahmen der mildernden Umstände berücksichtigt hat.

354 Was drittens den Hinweis auf die Entscheidung der Wettbewerbsbehörden des Vereinigten Königreichs vom 3. Februar 2003 angeht, genügt es, daran zu erinnern, dass die Kommission bei ihrer Beurteilung der Umstände des konkreten Falles keineswegs an Entscheidungen gebunden ist, die von nationalen Behörden in mehr oder weniger ähnlichen Fällen getroffen wurden.

355 Viertens ist schließlich auf das Vorbringen der Klägerinnen einzugehen, dass die Kommission nicht alle zutreffenden Konsequenzen aus den Umständen der vorliegenden Rechtssache gezogen habe und dass sie gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien die Geldbußen noch stärker hätte herabsetzen müssen.

356 In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission bei der Anwendung der genannten Bestimmung u. a. die Tatsache berücksichtigt, dass mit dieser Entscheidung erstmals eine ausschließlich von Berufsverbänden getragene Vereinbarung geahndet wurde, die ein landwirtschaftliches Grunderzeugnis und zwei Glieder der Produktionskette betraf. Sie hat auch dem wirtschaftlichen Kontext Rechnung getragen, der über einen bloßen Kurseinbruch oder das Auftreten einer bekannten Krankheit hinausging. Dieser wirtschaftliche Kontext wies folgende Merkmale auf: erstens den starken Rückgang des Rindfleischkonsums namentlich aufgrund der BSE-Krise, die einen Sektor traf, der sich bereits in einer schwierigen Situation befand; zweitens den Umstand, dass die Gemeinschaftsbehörden und die nationalen Behörden Interventionsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Marktgleichgewichts im Rindfleischmarkt ergriffen hatten; drittens den Vertrauensverlust der Verbraucher aus Angst vor dem Rinderwahnsinn; viertens die Situation der landwirtschaftlichen Betriebe, die sich trotz der von Frankreich genutzten Hilfsmaßnahmen der Gemeinschaft erneut mit sinkenden Schlachthofpreisen für ihre Rinder konfrontiert sahen, während die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum stabil blieben (Randnrn. 181 bis 185 der angefochtenen Entscheidung).

357 Die Kommission beschloss unter Berücksichtigung aller dieser Umstände, die den Klägerinnen auferlegten Geldbußen gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien um 60 % herabzusetzen.

358 Es ist allerdings daran zu erinnern, dass die Kommission zwar bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen über ein Ermessen verfügt, dass das Gericht aber gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Sinne des Artikel 229 EG über Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße festsetzt, entscheidet und folglich die verhängte Geldbuße für nichtig erklären, herabsetzen oder erhöhen kann.

359 Im vorliegenden Fall ist das Gericht der Auffassung, dass die verschiedenen Umstände, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung dargelegt und berücksichtigt hat, von ganz außergewöhnlicher Natur sind. Diese ergibt sich sowohl aus den besonderen Merkmalen der Klägerinnen und ihrer Aufgaben und Tätigkeitsbereiche als auch konkret aus dem besonderen wirtschaftlichen Zusammenhang des vorliegenden Falls.

360 Die von der Kommission gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien beschlossene Herabsetzung der Geldbußen um 60 % ist zwar bedeutend, berücksichtigt jedoch nach Meinung des Gerichts nicht ausreichend dieses außergewöhnliche Zusammentreffen von Umständen.

361 Deshalb hält es das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung für angemessen, den Prozentsatz der den Klägerinnen gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien zu gewährenden Herabsetzung der Geldbußen auf 70 % festzusetzen, um alle von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Umstände vollständig und korrekt zu berücksichtigen und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass dies das erste Mal ist, dass die Kommission diese Art von wettbewerbswidrigem Verhalten mit Sanktionen ahndet.

III - Zur Berechnungsmethode und zum Endbetrag der Geldbuße

362 Das Gericht ist in den Randnummern 241 und 245 des vorliegenden Urteils zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ihre Begründungspflicht dadurch verletzt hat, dass sie nicht angegeben hat, dass sie bei der Prüfung, ob die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gesetzte Obergrenze nicht überschritten war, von den Umsätzen der Basismitglieder der Klägerin ausgegangen ist, und dass sie auch nicht erklärt hat, aufgrund welcher Umstände sie sich für berechtigt hielt, diese kumulierten Umsätze zu berücksichtigen. Das Gericht hat jedoch in den Randnummern 324 und 325 entschieden, dass die Kommission bei der Berechnung dieser Obergrenze zu Recht die Umsätze der Basismitglieder der Klägerinnen berücksichtigt hat, soweit es sich um Mitglieder handelte, die auf den Märkten tätig waren, die von den durch die angefochtene Entscheidung geahndeten Zuwiderhandlung betroffen waren.

363 Unter diesen Umständen führt der vorgenannte Begründungsmangel weder zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung, da nach dieser Nichtigerklärung nur erneut eine Entscheidung mit dem gleichen Inhalt wie die aufgehobene Entscheidung ergehen könnte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 3. Dezember 2003 in der Rechtssache T-16/02, Audi/OHMI [TDI], Slg. 2003, II-5167, Randnr. 97), noch zu einer Änderung der Höhe der Geldbußen.

364 Dagegen ist, wie sich aus Randnummer 361 ergibt, der Betrag der gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbußen durch die Anwendung eines Prozentsatzes von 70 % gemäß Nummer 5 Buchstabe b der Leitlinien statt des von der Kommission angewandten Prozentsatzes von 60 % herabzusetzen. Die Beträge dieser Geldbußen werden somit wie folgt festgesetzt:

- 360 000 Euro für die Klägerin in der Rechtssache T-217/03;

- 9 000 000 Euro für die FNSEA;

- 1 080 000 Euro für die FNB;

- 450 000 Euro für die JA;

- 1 080 000 Euro für die FNPL.

Kostenentscheidung:

Kosten

365 Nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. In der vorliegenden Rechtssache haben die Klägerinnen ihre eigenen Kosten für das Verfahren zur Hauptsache und drei Viertel der Kosten der Kommission für das Verfahren zur Hauptsache zu tragen. Die Kommission trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten für das Verfahren zur Hauptsache und die gesamten Kosten für die Verfahren der einstweiligen Anordnung.

366 Die Französische Republik trägt als Streithelferin gemäß Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Betrag der gegen die Klägerin in der Rechtssache T-217/03, die Fédération nationale de la coopération bétail et viande, verhängten Geldbuße wird auf 360 000 Euro festgesetzt.

2. Der Betrag der gegen die Klägerinnen in der Rechtssache T-245/03 verhängten Geldbußen wird auf 9 000 000 Euro für die Fédération nationale des syndicats d'exploitants agricoles, auf 1 080 000 Euro für die Fédération nationale bovine, auf 1 080 000 Euro für die Fédération nationale des producteurs de lait und auf 450 000 Euro für die Jeunes agriculteurs festgesetzt.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten für das Verfahren in der Hauptsache und drei Viertel der Kosten der Kommission für dieses Verfahren.

5. Die Kommission trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten für das Verfahren in der Hauptsache und die Gesamtheit der Kosten für die Verfahren der einstweiligen Anordnung.

6. Die Französische Republik trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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