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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 21.10.1997
Aktenzeichen: T-229/94
Rechtsgebiete: Entscheidung 94/210/EG, EGV, Verordnung Nr. 1017/68


Vorschriften:

Entscheidung 94/210/EG
EGV Art. 85
EGV Art. 86
Verordnung Nr. 1017/68
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

9 Eine Vereinbarung zwischen den nationalen Eisenbahnunternehmen dreier Mitgliedstaaten, die die Einrichtung einer gemeinsamen Verwaltung der Tarifierung der Beförderung von Übersee-Containern auf der Schiene nach und von einem dieser Staaten über Häfen dieser Staaten zum Inhalt hat, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Denn eine Vereinbarung, durch die ein gemeinsames Preisfestsetzungssystem errichtet wird, fällt unter Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrages und Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1017/68 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs, und zwar unabhängig davon, inwieweit die Bestimmungen der Vereinbarung tatsächlich befolgt worden sind. Dies ist deshalb der Fall, weil die gemeinsame Festsetzung von Preisen den Wettbewerb insbesondere dadurch einschränkt, daß sie jedem Teilnehmer die Möglichkeit gibt, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik die anderen mit ihm im Wettbewerb stehenden Teilnehmer verfolgen werden.

Eine derartige Vereinbarung fällt nicht unter die gesetzliche Ausnahme des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1017/68, der "Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" gestattet, "die ausschließlich die Anwendung technischer Verbesserungen oder die technische Zusammenarbeit bezwecken und bewirken, und zwar durch... die Regelung und Durchführung von... kombinierten Beförderungen sowie die Aufstellung und Anwendung von Gesamtpreisen und Gesamtbedingungen einschließlich Wettbewerbspreisen auf diese Beförderungen".

Die Einführung einer gesetzlichen Ausnahme für Vereinbarungen rein technischer Natur kann nämlich nicht einer Genehmigung des Abschlusses von Vereinbarungen über eine gemeinsame Preisfestsetzung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber gleichgestellt werden, da andernfalls Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1017/68 gegenstandslos wäre.

Da es ausserdem dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages entspricht, daß jeder Unternehmer seine Handels- und insbesondere seine Preispolitik selbst bestimmt, ist diese Ausnahme, insbesondere die Begriffe "Gesamtpreise" und "Wettbewerbspreise", zurückhaltend auszulegen. Der Begriff "Gesamtpreise" ist so zu verstehen, daß er "durchgerechnete" Preise bezeichnet, die die einzelnen nationalen Teile einer transnationalen Strecke umfassen, und der Begriff "Wettbewerbspreis" ist so zu verstehen, daß er es den verschiedenen Unternehmen, die auf derselben transnationalen Strecke tätig sind, ermöglicht, Gesamtpreise so festzusetzen, daß sie nicht nur die Tarife jedes einzelnen von ihnen addieren, sondern an dieser Addition gemeinsame Anpassungen vornehmen, die geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der fraglichen Beförderungen gegenüber anderen Beförderungsarten zu gewährleisten, ohne daß dabei jedoch die Autonomie des einzelnen Unternehmens hinsichtlich der Festsetzung seiner eigenen Tarife aufgrund seiner Wettbewerbsinteressen völlig ausgeschaltet wird.

Diese Auslegung des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1017/68 läuft im übrigen weder Artikel 4 der Entscheidung 82/529 des Rates über die Preisbildung im grenzueberschreitenden Eisenbahngüterverkehr noch Artikel 4 der Empfehlung 84/646 des Rates an die nationalen Eisenbahnunternehmen der Mitgliedstaaten über die Verstärkung ihrer Zusammenarbeit beim grenzueberschreitenden Personen- und Güterverkehr zuwider, sondern steht vielmehr mit diesen im Einklang.

10 Von einem hinreichend gesonderten Markt der betreffenden Dienstleistung oder Ware im Sinne des Artikels 86 des Vertrages kann nur dann gesprochen werden, wenn diese durch besondere Merkmale gekennzeichnet ist, durch die sie sich von anderen Dienstleistungen oder Waren so unterscheidet, daß sie mit ihnen nur in geringem Maß austauschbar und ihrem Wettbewerb nur in wenig spürbarer Form ausgesetzt ist. In diesem Rahmen ist die Frage, in welchem Masse Erzeugnisse untereinander austauschbar sind, aufgrund ihrer objektiven Merkmale sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt und der Wettbewerbsbedingungen zu beurteilen.

Insoweit bildet der Markt der Eisenbahnleistungen einen gesonderten Teilmarkt des Bahnverkehrsmarkts im allgemeinen. Auf diesem Teilmarkt wird eine spezifische Gesamtheit von Leistungen angeboten, insbesondere die Stellung von Lokomotiven, die Traktionsleistung und der Zugang zum Schienennetz. Diese Leistungen werden zwar nach Maßgabe der Nachfrage der Beförderer im Schienenverkehr erbracht, sind jedoch mit deren Leistungen keineswegs austauschbar und stehen mit ihnen auch nicht im Wettbewerb. Der besondere Charakter der Eisenbahnleistungen ergibt sich auch daraus, daß für sie eine spezifische Nachfrage und ein spezifisches Angebot bestehen. Die Beförderer können nämlich ihre Leistungen nicht erbringen, wenn sie nicht über die Eisenbahnleistungen verfügen.

Im übrigen kann das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf diesem gesonderten Markt nicht bestritten werden, wenn für die auf dem Teilmarkt erbrachten Leistungen wie im hier zu entscheidenden Fall ein auf Rechtsvorschriften beruhendes Monopol besteht, das bewirkt, daß sich die Nachfragenden in wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Lieferer befinden; dies gilt auch dann, wenn die im Rahmen dieses Monopols erbrachten Leistungen mit einem Erzeugnis in Zusammenhang stehen, das selbst im Wettbewerb mit anderen Erzeugnissen steht.

11 Die Definition des geographischen Marktes für die Anwendung des Artikels 86 des Vertrages verlangt keine vollkommene Homogenität der objektiven Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den Wirtschaftsteilnehmern; es reicht aus, daß diese Bedingungen einander "gleichen" oder "hinreichend homogen" sind. Somit können nur Gebiete, in denen die objektiven Wettbewerbsbedingungen "heterogen" sind, nicht als einheitlicher Markt angesehen werden.

Ein Mitgliedstaat allein kann einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes bilden, auf dem ein Unternehmen eine beherrschende Stellung einnehmen kann, insbesondere, wenn es in diesem Gebiet ein auf Rechtsvorschriften beruhendes Monopol besitzt.

12 Artikel 86 des Vertrages, der die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung untersagt, verbietet es einem beherrschenden Unternehmen, die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift. So darf ein Unternehmen keine künstlichen Preisunterschiede herbeiführen, die geeignet sind, seine Kunden zu benachteiligen und den Wettbewerb zu verfälschen.

13 Die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das marktbeherrschende Unternehmen förmlich einer Vereinbarung beigetreten ist, die die gemeinsame Festsetzung von Tarifen zum Gegenstand hat und somit unter das Kartellverbot fällt. Denn das Bestehen einer solchen Vereinbarung schließt nicht aus, daß eines der durch die Vereinbarung gebundenen Unternehmen einseitig diskriminierende Tarife erzwingen kann.

14 Die Rechtmässigkeit einer Entscheidung der Kommission gegenüber einem Unternehmen in einer Wettbewerbsangelegenheit kann nicht durch die Weigerung der Kommission beeinträchtigt werden, während der Klagefrist erneut Akteneinsicht zu gewähren, wenn der entsprechende Antrag nach dem Erlaß und der Zustellung der Entscheidung gestellt wurde und somit einen Umstand bildet, der nach dem Erlaß der Entscheidung eingetreten ist.

15 Der Grundsatz der Rechtssicherheit soll die Voraussehbarkeit der unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten. Hierzu ist es wesentlich, daß die Gemeinschaftsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte, die die rechtliche und sachliche Lage der Rechtssubjekte berühren, wahren; sie können diese daher nur unter Beachtung der Zuständigkeits- und Verfahrensregeln ändern.

16 Im Rahmen der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Eisenbahnunternehmen hindert der Umstand, daß die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages, nicht aber gegen Artikel 8 der Verordnung Nr. 1017/68 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs feststellt, diese nicht, eine Geldbusse gemäß Artikel 22 dieser Verordnung festzusetzen, da die anwendbaren Vorschriften des Artikels 8 dieser Verordnung denselben Wortlaut und dieselbe Tragweite haben wie die des Artikels 86 des Vertrages.

Was die Berücksichtigung des Umsatzes des zuwiderhandelnden Unternehmens bei der Festsetzung der gegen dieses wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln festzusetzenden Geldbusse angeht, kann im Rahmen des Artikels 22 der Verordnung Nr. 1017/68 sowohl der Gesamtumsatz des Unternehmens als auch der Anteil dieses Umsatzes, der auf die von der Zuwiderhandlung betroffenen Leistungen entfällt, berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Geldbusse innerhalb der in dieser Vorschrift vorgesehenen quantitativen Grenzen muß, da die Geldbussen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission sind, diese bei ihrer Festsetzung über ein Ermessen verfügen, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten.

Der Gemeinschaftsrichter hat jedoch im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung gemäß Artikel 24 der Verordnung Nr. 1017/68 nachzuprüfen, ob der Betrag der festgesetzten Geldbusse in einem angemessenen Verhältnis steht zur Dauer der festgestellten Zuwiderhandlung und zu den anderen Faktoren, die für die Beurteilung der Schwere des Verstosses eine Rolle spielen, wie dem Einfluß, den das Unternehmen auf dem Markt ausüben konnte, dem Gewinn, den es aus seinem Verhalten ziehen konnte, dem Volumen und dem Wert der betroffenen Leistungen sowie der Gefahr, die die Zuwiderhandlung für die Ziele der Gemeinschaft bedeutet.

Insoweit kann der Umstand, daß im Bereich des Eisenbahntransports noch keine Geldbussen verhängt worden sind, nicht für eine Herabsetzung einer Geldbusse geltend gemacht werden, wenn die Schwere der Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststeht.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 21. Oktober 1997. - Deutsche Bahn AG gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Eisenbahntransporte von Übersee-Containern - Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 - Kartell - Beherrschende Stellung - Mißbrauch - Geldbuße - Beurteilungskriterien - Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - Verteidigungsrechte - Akteneinsicht - Grundsatz der Rechtssicherheit. - Rechtssache T-229/94.

Entscheidungsgründe:

Tatbestand

1 Am 1. April 1988 trafen die Unternehmen Deutsche Bundesbahn (im folgenden: DB, an deren Stelle 1994 die Deutsche Bahn [im folgenden: Klägerin] trat), Société nationale des chemins de fer belges (SNCB), Nederlandse Spoorwegen (NS), Intercontainer und Transfracht eine Vereinbarung zur Gründung eines Kooperationsnetzwerks mit der Bezeichnung "Maritime Container Network (MCN)" (im folgenden: MCN-Vereinbarung).

2 Unter "Übersee-Container" werden Container verstanden, die, mit einem Vorlauf und einem Nachlauf über Land, den grössten Teil der Strecke über See laufen. Die MCN-Vereinbarung betraf die Beförderung von Übersee-Containern auf dem Schienenweg von und nach Deutschland über deutsche, belgische und niederländische Häfen. Zu den deutschen Häfen, die in der MCN-Vereinbarung als Nordhäfen bezeichnet wurden, gehörten Hamburg, Bremen und Bremerhaven. Zu den belgischen und niederländischen Häfen, als Westhäfen bezeichnet, gehörten Antwerpen und Rotterdam.

3 DB, jetzt die Klägerin, SNCB und NS sind die nationalen Eisenbahnunternehmen Deutschlands, Belgiens und der Niederlande. Intercontainer und Transfracht sind Unternehmen, die im Bereich des Transports von Übersee-Containern tätig sind und zu diesem Zweck die notwendigen Schienenbeförderungsleistungen wie die Stellung der Lokomotiven und den Zugang zum Schienennetz von den Eisenbahnunternehmen beziehen. Intercontainer ist als gemeinsame Tochtergesellschaft von 24 europäischen Bahnunternehmen eine Gesellschaft belgischen Rechts. Transfracht ist eine Gesellschaft deutschen Rechts, deren Kapital zu 80 % von der DB, jetzt der Klägerin, gehalten wird.

4 Schon vor Abschluß der MCN-Vereinbarung war die Organisation der in der Vereinbarung geregelten Transporte faktisch zwischen den genannten fünf Unternehmen aufgeteilt. Nach dieser Aufteilung, an der die MCN-Vereinbarung nichts geändert hat, führte Transfracht die Transporte von Übersee-Containern nach oder von Deutschland über deutsche Häfen durch. Intercontainer führte die Transporte von Übersee-Containern nach oder von Deutschland über belgische und niederländische Häfen durch. Transfracht und Intercontainer mussten, um für ihre Kunden eine vollständige Beförderungsleistung zu erbringen, bestimmte Eisenbahnleistungen von der DB (Transfracht) sowie der SNCB und den NS (Intercontainer) beziehen, da diese - jede auf ihrem eigenen Gebiet - das gesetzliche Monopol für die Erbringung dieser Dienstleistungen wie z. B. die Stellung von Lokomotiven und Fahrern sowie den Zugang zum Schienennetz innehatten.

5 Die MCN-Vereinbarung hatte zwei Koordinierungsstellen ohne eigene Rechtspersönlichkeit geschaffen, und zwar einen Lenkungsausschuß und ein Gemeinsames Büro. Die Mitglieder und Mitarbeiter dieser beiden Organe wurden von Transfracht und Intercontainer ernannt. Unter den sechs Mitgliedern des Lenkungsausschusses mussten sich drei Vertreter der DB und/oder Transfracht, ein Vertreter der SNCB und ein Vertreter der NS befinden. Der Ausschuß war als Entscheidungs- und Kontrollorgan der Vereinbarung ausgestaltet, während das Gemeinsame Büro als geschäftsführendes Organ tätig war. Konkret hatte der Lenkungsausschuß die Befugnis, die Beschlüsse über die Dienste und Preise zu fassen, die für die Beförderung von Übersee-Containern anzubieten waren, und das Gemeinsame Büro hatte die Aufgabe, das Leistungsbild in Einkauf, Verkauf und Preisbildung der Transfracht und der Intercontainer zu erstellen und zu vermarkten. Einige andere Aufgaben wie die Fakturierung gegenüber den Kunden erfuellten Transfracht und Intercontainer getrennt.

6 Nach § 9 der MCN-Vereinbarung mussten die Beschlüsse des Lenkungsausschusses einstimmig gefasst werden.

7 Die Havenondernemersvereniging SVZ (im folgenden: HOV-SVZ), ein Zusammenschluß von Unternehmen, die im Hafen von Rotterdam tätig sind, teilte der Kommission in einer Beschwerde vom 16. Mai 1991 mit, daß die DB bei Transporten von Übersee-Containern nach oder von Deutschland über belgische und niederländische Häfen viel höhere Tarife anwende als bei Transporten von Übersee-Containern über deutsche Häfen. Damit wolle sich die DB eine bevorzugte Stellung bei den Transporten sichern, für die sie die gesamten Bahnleistungen erbringe. Dies stelle einen gegen Artikel 86 EG-Vertrag verstossenden Mißbrauch einer beherrschenden Stellung dar. Ausserdem vertrat die HVO-SVZ die Auffassung, daß die MCN-Vereinbarung Artikel 85 des Vertrages verletze.

8 Am 31. Juli 1992 übersandte die Kommission den durch die MCN-Vereinbarung verbundenen Unternehmen eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, woraufhin diese die Vereinbarung kündigten. Nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte gab die DB ausserdem zu, daß sie bei den Transporten über die Nordhäfen andere Tarife anwandte als bei den Transporten über die Westhäfen, bestritt jedoch die diskriminierende Natur dieser Unterschiede. Sie wies darauf hin, daß die Tarife objektiv unter Berücksichtigung der Länge der Strecke, der Produktionskosten und der Wettbewerbslage auf dem Markt festgesetzt würden.

9 Am 25. August 1992 nahm der Rechtsbeistand der DB Einsicht in deren Akte bei der Kommission und fertigte Kopien der meisten Schriftstücke an.

10 Am 15. Dezember 1992 fand bei der Kommission eine Anhörung statt. An dieser Anhörung nahmen Vertreter der Kommission, der DB, der Transfracht, der SNCB, der NS, der Intercontainer sowie von sieben Mitgliedstaaten teil.

11 Am 29. März 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/210/EG in einem Verfahren zur Anwendung von Artikel 85 und 86 des EG-Vertrages ((IV/33.941 - HOV-SVZ/MCN) (ABl. L 104, S. 34; im folgenden: Entscheidung). Die Entscheidung ist auf den EG-Vertrag und auf die Verordnung (EWG) Nr. 1017/68 des Rates vom 19. Juli 1968 über die Anwendung von Wettbewerbsregeln auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. L 175, S. 1) gestützt.

12 Zur Frage der Vereinbarkeit der MCN-Vereinbarung mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln führt die Entscheidung aus, daß die MCN-Vereinbarung unter Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages den Wettbewerb auf dem Markt der Beförderung von Übersee-Containern auf dem Landweg zwischen Orten in Deutschland und den Häfen zwischen Hamburg und Antwerpen bezwecke und bewirke, da sie den Wettbewerb zwischen Intercontainer und Transfracht ausschalte, soweit diese den Verladern und Reedereien einen kombinierten Güterverkehr anböten, da sie den Wettbewerb der Bahnunternehmen untereinander ausschalte, soweit diese Verladern und Reedereien ihre Transportleistungen anböten, da sie den Wettbewerb zwischen Bahnunternehmen einerseits und Intercontainer und Transfracht andererseits ausschalte, soweit diese ihre Transportleistungen Verladern und Reedereien anböten, und indem sie den Zugang neuer Konkurrenten von Transfracht und Intercontainer zum Markt erschwere (Randnrn. 76 bis 89 der Entscheidung). Dazu heisst es in der Entscheidung weiter, daß die Vereinbarung nicht unter die gesetzliche Ausnahme des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1017/68 falle, da sie nicht bezwecke, direkt technische Verbesserungen anzuwenden oder direkt eine technische Zusammenarbeit sicherzustellen (Randnrn. 91 bis 98 der Entscheidung); auch eine Freistellung gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 könne nicht erfolgen, denn die Vereinbarung habe weder die Qualität der Eisenbahntransportleistungen verbessern noch die Produktivität der Unternehmen steigern oder den technischen oder wirtschaftlichen Fortschritt fördern sollen (Randnrn. 99 bis 103 der Entscheidung).

13 Zur Vereinbarkeit der Tarifpraktiken der DB mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln führt die Entscheidung aus, daß die DB aufgrund ihres gesetzlich verankerten Monopols eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Bahnleistungen in Deutschland einnehme; die DB habe diese beherrschende Stellung dadurch mißbraucht, daß sie so gehandelt habe, daß für die Transporte zwischen einem belgischen oder niederländischen Hafen und Deutschland wesentlich höhere Tarife berechnet worden seien als für die Transporte zwischen deutschen Orten und den deutschen Häfen. In der Entscheidung heisst es dazu, daß die DB es nicht nur in der Hand habe, wie hoch die Tarife für Transporte von Containern nach und von den Nordhäfen, sondern auch, wie hoch sie für die Transporte nach und von den Westhäfen angesetzt würden. Denn erstens habe die DB als obligatorischer Erbringer der Bahnleistungen für den Teil der Beförderung, der durch Deutschland führe, die Macht gehabt, die von Intercontainer angewandten Verkaufstarife zu bestimmen; zweitens habe sie angesichts der Zusammensetzung des Lenkungsausschusses und des Umstands, daß das Gemeinsame Büro im Verwaltungsgebäude der Transfracht untergebracht gewesen sei, die Möglichkeit gehabt, jede Entscheidung im Rahmen des MCN zu blockieren; drittens habe sie ausserhalb der MCN-Vereinbarung kurz nach deren Abschluß einseitig ein neues Tarifsystem mit der Bezeichnung "Kombinierter Ladungsverkehr-Neu" (im folgenden: Tarifsystem KLV-Neu) eingeführt, das Preisermässigungen für die Strecken nach und von den Nordhäfen, nicht jedoch für die Strecken nach und von den Westhäfen vorgesehen habe (Randnrn. 139 bis 187 der Entscheidung).

14 Weiter heisst es in der Entscheidung, die festgestellten Tarifunterschiede könnten weder durch den Umstand gerechtfertigt werden, daß der Eisenbahntransport auf der Weststrecke einer stärkeren Konkurrenz der Strasse und der Binnenschiffahrt ausgesetzt sei als der Transport auf der Nordstrecke, noch durch die Tatsache, daß die Produktionskosten auf der Weststrecke höher seien als auf der Nordstrecke. Dazu wird in der Entscheidung ausgeführt, daß der stärkere Wettbewerb bei den Beförderungen auf der Weststrecke nur einen Tarifunterschied zugunsten dieser Beförderungen rechtfertigen könne und daß die DB keinen logischen Zusammenhang zwischen den Kosten- und den Tarifunterschieden dargelegt habe (Randnrn. 199 bis 234 der Entscheidung).

15 Schließlich wird in der Entscheidung ausgeführt, daß das Vorliegen einer Zuwiderhandlung der DB gegen Artikel 86 des Vertrages zumindest für den Zeitraum vom 1. Oktober 1989 bis 31. Juli 1992 belegt sei und daß gegen die DB eine Geldbusse festzusetzen sei; dabei sei zu berücksichtigen, daß diese keinerlei Zusagen gegeben habe, ihre Tarifpraktiken anzupassen, daß die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen worden sei und daß sie u. a. deshalb besonders schwer wiege, weil sie die Entwicklung des Bahnverkehrs beeinträchtigt habe, die ein wichtiges Ziel der Verkehrspolitik der Gemeinschaft sei (Randnrn. 255 bis 263 der Entscheidung).

16 In Artikel 1 der Entscheidung wird zunächst festgestellt, daß die DB, die SNCB, die NS, Intercontainer und Transfracht mit der MCN-Vereinbarung, wonach der gesamte Bahntransport von Übersee-Containern von und nach Deutschland über einen deutschen, belgischen oder niederländischen Hafen durch ein Gemeinsames Büro auf der Grundlage dort vereinbarter Tarife vermarktet werde, gegen Artikel 85 des Vertrages verstossen hätten. In Artikel 2 heisst es weiter, daß die DB gegen Artikel 86 des Vertrages verstossen habe, indem sie ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Bahnverkehrsmarkt in Deutschland dazu benutzt habe, diskriminierende Tarife auf dem Markt der Landtransporte von Übersee-Containern von und nach Deutschland über einen deutschen, belgischen oder niederländischen Hafen durchzusetzen. In Artikel 4 schließlich wird gemäß Artikel 22 der Verordnung Nr. 1017/68 gegen die DB wegen Verstosses gegen Artikel 86 des Vertrages gemäß Artikel 22 der Verordnung Nr. 1017/68 eine Geldbusse von 11 Millionen ECU festgesetzt (vgl. auch Randnrn. 225 und 256 der Entscheidung).

17 Die Entscheidung wurde der Klägerin am 8. April 1994 zugestellt.

18 Der Rechtsbeistand der Klägerin beantragte mit Schreiben vom 27. April 1994 Einsicht in die in den Akten enthaltenen Schriftstücke, auf die die Entscheidung gestützt sei, um die Interessen seiner Mandantin besser vertreten zu können. Die Kommission lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 5. Mai 1994 mit der Begründung ab, der DB sei bereits im Vorverfahren Akteneinsicht gewährt worden.

Verfahren und Anträge der Parteien

19 Daraufhin hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 14. Juni 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

20 Die Klägerin hat dem Gericht mit Schriftsatz vom 31. August 1994 ein Gutachten mit dem Titel "Kosten- und Marktanalyse für Containerverkehre in die West- und Nordhäfen ex BRD für den Zeitraum 1989-1992 im Auftrag der Deutschen Bahn AG" übermittelt. Das Gericht hat dieses Gutachten zu den Akten genommen. Am 15. September 1994 ist der Beklagten eine Kopie des Gutachtens übersandt worden.

21 Das Gericht hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Die Parteien sind jedoch im Rahmen prozeßleitender Maßnahmen ersucht worden, vor der mündlichen Verhandlung schriftlich einige Fragen zu beantworten.

22 Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 28. Januar 1997 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

23 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung aufzuheben, - hilfsweise, die gegen sie festgesetzte Geldbusse aufzuheben, - äusserst hilfsweise, die Geldbusse herabzusetzen, - der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

24 Die Beklagte beantragt,

- die Klage abzuweisen,

- die Klägerin dazu zu verurteilen, die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Antrag auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung

25 Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift im wesentlichen vier Klagegründe zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung geltend gemacht: erstens, Verletzung des Artikels 85 des Vertrages und der Rechtsakte, die der Rat zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Artikels 85 des Vertrages im Verkehrsbereich erlassen hat; zweitens, Verletzung des Artikels 86 des Vertrages; drittens und viertens, Verletzung der Verteidigungsrechte sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemässen Verwaltung.

Erster Klagegrund: Verletzung des Artikels 85 des Vertrages und der vom Rat zur Bestimmung des Anwendungsbereichs des Artikels 85 des Vertrages im Transportbereich erlassenen Rechtsakte

Vorbringen der Parteien

26 Die Klägerin trägt vor, die MCN-Vereinbarung sei eine technische Vereinbarung im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1017/68 und falle folglich nicht unter das in Artikel 2 der Verordnung Nr. 1017/68 und in Artikel 85 des Vertrages verankerte Kartellverbot. Sie weist insoweit darauf hin, daß die Vereinbarung die Begründung einer technischen Kooperation u. a. bei der Festlegung der Fahrzeiten, dem Wechsel der Lokomotiven und des Personals an den Grenzen und der Bestimmung der Terminals bezweckt habe.

27 Soweit die Vereinbarung eine gemeinsame Festsetzung der Tarife bezwecke, gestatteten Artikel 3 der Verordnung Nr. 1017/68 und Artikel 4 der Entscheidung 82/529/EWG des Rates vom 19. Juli 1982 über die Preisbildung im grenzueberschreitenden Eisenbahngüterverkehr (ABl. L 234, S. 5) sowie die Artikel 1 und 4 der Empfehlung 84/646/EWG des Rates vom 19. Dezember 1984 an die nationalen Eisenbahnunternehmen der Mitgliedstaaten über die Verstärkung ihrer Zusammenarbeit beim genzueberschreitenden Personen- und Güterverkehr (ABl. L 333, S. 63) ausdrücklich die Aufstellung gemeinsamer Tarife für den kombinierten Güterverkehr durch verschiedene Eisenbahnunternehmen.

28 Hilfsweise trägt die Klägerin vor, die MCN-Vereinbarung hätte gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 vom Kartellverbot freigestellt werden müssen; die Entscheidung enthalte keine Angabe darüber, weshalb diese Vorschrift nicht angewandt worden sei.

29 Weiter hilfsweise führt die Klägerin aus, das Vorbringen der Kommission, die MCN-Vereinbarung habe den Wettbewerb ausgeschaltet, sei unrichtig, da Intercontainer und Transfracht auf verschiedenen Strecken tätig und somit keine Konkurrenten seien und da auch die nationalen Bahnunternehmen nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stuenden.

30 Nach Auffassung der Beklagten gestattet Artikel 3 der Verordnung Nr. 1017/68 nur den Abschluß von Vereinbarungen, die ausschließlich die Anwendung technischer Verbesserungen oder eine technische Zusammenarbeit bezweckten oder bewirkten. Die MCN-Vereinbarung habe diesen technischen Rahmen überschritten, da sie die Schaffung eines gemeinsamen Tarifierungssystems bezweckt habe.

31 Dazu führt die Beklagte aus, die in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1017/68 ausgesprochene Genehmigung der "Aufstellung und Anwendung von Gesamtpreisen und Gesamtbedingungen einschließlich Wettbewerbspreisen" bedeute keine Genehmigung von Preisabsprachen, die die Ausschaltung des Wettbewerbs und die Aufteilung der Märkte bezweckten. Dasselbe gelte für Artikel 4 der Entscheidung 82/529. Diese Bestimmung erlaube es den Bahnunternehmen nicht, den gesamten grenzueberschreitenden Eisenbahntransport von Übersee-Containern gemeinsam zu organisieren, sondern gestatte lediglich Formen der Zusammenarbeit, durch die verhindert werden solle, daß die Monopole für die Stellung der Lokomotiven und den Zugang zum Schienennetz den geordneten Ablauf der grenzueberschreitenden Transporte beeinträchtigten. In den Anwendungsbereich der Empfehlung 84/646 falle die MCN-Vereinbarung deshalb nicht, weil sie nicht nur drei Eisenbahnunternehmen, sondern auch zwei Transportunternehmen betreffe, während die Empfehlung ausschließlich an die Eisenbahnunternehmen gerichtet sei und ohnehin nur bezwecke, grenzueberschreitende Formen der Zusammenarbeit, die durch die Existenz der Monopole erforderlich geworden seien, zu fördern.

32 Soweit die Klägerin meint, die MCN-Vereinbarung hätte nach Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 freigestellt werden müssen, entgegnet die Beklagte, daß die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung wegen der durch die MCN-Vereinbarung bewirkten weitreichenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht erfuellt seien.

33 Schließlich bestehe zwischen der DB, der SNCB und den NS und zwischen Intercontainer und Transfracht insbesondere deshalb ein wirkliches Wettbewerbsverhältnis, weil die DB und Transfracht ein Interesse daran hätten, so viele Transportaufträge wie möglich auf der Nordstrecke durchzuführen, während es im unternehmerischen Interesse der SNCB, der NS und der Intercontainer liege, den Verkehr in Richtung Westen zu konzentrieren. Die Beklagte spricht in diesem Zusammenhang von einem "Verkehrswege-Wettbewerb".

Würdigung durch das Gericht

34 Die MCN-Vereinbarung hatte u. a. die Einrichtung einer gemeinsamen Verwaltung der Tarifierung der Beförderung von Übersee-Containern auf der Schiene nach und von Deutschland über deutsche, belgische und niederländische Häfen zum Inhalt. Aus dem Wortlaut der Vereinbarung selbst ergibt sich, daß der Lenkungsausschuß mit der "Festlegung und Änderung der lang-, mittel- und kurzfristigen Geschäftspolitik für den [unter diese Vereinbarung fallenden] Verkehr..., insbesondere Festlegung und Änderung der Vertriebs- oder Preispolitik", und das Gemeinsame Büro mit der "Funktion Einkauf/Preisbildung/Verkauf" betraut waren.

35 Diese gemeinsame Initiative bestand in der "unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung der... Preise" im Sinne des Artikels 85 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrages und des Artikels 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1017/68. Denn nach der Rechtsprechung fällt eine Vereinbarung, durch die ein gemeinsames Preisfestsetzungssystem errichtet wird, unter diese Vorschriften (zu Artikel 85 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrages vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1972 in der Rechtssache 8/72, Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977, Randnrn. 18 und 19, und Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-6/89, Enichem Anic/Kommission, Slg. 1991, II-1623, Randnr. 198; zu Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung 1017/68 vgl. Urteil des Gerichts vom 6. Juni 1995 in der Rechtssache T-14/93, Union internationale des chemins de fer/Kommission, Slg. 1995, II-1503, Randnr. 50), und zwar unabhängig davon, inwieweit die Bestimmungen der Vereinbarung tatsächlich befolgt worden sind (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco u. a./Kommission, Slg. 1989, 2117, Randnr. 15, sowie Urteil Cementhandelaren/Kommission, a. a. O., Randnr. 16).

36 Dies ist deshalb der Fall, weil die gemeinsame Festsetzung von Preisen den Wettbewerb insbesondere dadurch einschränkt, daß sie jedem Teilnehmer die Möglichkeit gibt, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik die anderen mit ihm im Wettbewerb stehenden Teilnehmer verfolgen werden (Urteil Cementhandelaren/Kommission, a. a. O., Randnr. 21). Für die MCN-Vereinbarung kann nichts anderes gelten. Da jedes der betroffenen Unternehmen ein offenkundiges unternehmerisches Interesse daran hat, daß auf den Strecken, auf denen es am aktivsten ist, so viele Transporte wie möglich durchgeführt werden, besteht ein Wettbewerbsverhältnis zwischen der DB und den NS sowie zwischen der DB und der SNCB. Ebenso stehen die NS mit der SNCB und Transfracht mit Intercontainer im Wettbewerb. Somit haben diese Unternehmen dadurch, daß sie ein gemeinsames Preisfestsetzungssystem geschaffen haben, jeden Preiswettbewerb im Sinne der genannten Rechtsprechung spürbar eingeschränkt oder sogar ausgeschaltet.

37 Die MCN-Vereinbarung fällt auch entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht unter die gesetzliche Ausnahme des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1017/68, der "Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen" gestattet, "die ausschließlich die Anwendung technischer Verbesserungen oder die technische Zusammenarbeit bezwecken und bewirken, und zwar durch... die Regelung und Durchführung von... kombinierten Beförderungen sowie die Aufstellung und Anwendung von Gesamtpreisen und Gesamtbedingungen einschließlich Wettbewerbspreisen auf diese Beförderungen". Die Einführung einer gesetzlichen Ausnahme für Vereinbarungen rein technischer Natur kann nämlich nicht einer Genehmigung des Abschlusses von Vereinbarungen über eine gemeinsame Preisfestsetzung durch den Gemeinschaftsgesetzgeber gleichgestellt werden. Andernfalls müsste jede Vereinbarung, durch die ein gemeinsames Preisfestsetzungssystem auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Strassen- und Binnenschiffahrtsverkehrs errichtet wird, als technische Vereinbarung im Sinne des Artikels 3 der Verordnung Nr. 1017/68 angesehen werden, und Artikel 2 Buchstabe a dieser Verordnung wäre gegenstandslos.

38 Ausserdem entspricht es dem Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages, daß jeder Unternehmer seine Handels- und insbesondere seine Preispolitik selbst bestimmt (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1977 in der Rechtssache 26/76, Metro/Kommission, Slg. 1977, 1875, Randnr. 21; Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867, Randnr. 121). Daraus ergibt sich, daß die in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1017/68 vorgesehene Ausnahme, insbesondere die Begriffe "Gesamtpreise" und "Wettbewerbspreise", zurückhaltend auszulegen sind. Das Gericht hat bereits ausgeführt, daß in Anbetracht des allgemeinen Verbotes wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages Ausnahmevorschriften in einer Verordnung einschränkend ausgelegt werden müssen (Urteile des Gerichts vom 8. Oktober 1996 in den verbundenen Rechtssachen T-24/93, T-25/93, T-26/93 und T-28/93, Compagnie maritime belge transport u. a./Kommission, Slg. 1996, II-1201, Randnr. 48, und vom 22. April 1993 in der Rechtssache T-9/92, Peugeot/Kommission, Slg. 1993, II-493, Randnr. 37).

39 Aufgrund dieser Erwägungen ist der Begriff "Gesamtpreise" so zu verstehen, daß er "durchgerechnete" Preise bezeichnet, die die einzelnen nationalen Teile einer transnationalen Strecke umfassen, und daß der Begriff "Wettbewerbspreis", der durch das Wort "einschließlich" mit dem Begriff "Gesamtpreise" verbunden ist, so zu verstehen ist, daß er es den verschiedenen Unternehmen, die auf derselben transnationalen Strecke tätig sind, ermöglicht, Gesamtpreise so festzusetzen, daß sie nicht nur die Tarife jedes einzelnen von ihnen addieren, sondern an dieser Addition gemeinsame Anpassungen vornehmen, die geeignet sind, die Wettbewerbsfähigkeit der fraglichen Beförderungen gegenüber anderen Beförderungsarten zu gewährleisten, ohne daß dabei jedoch die Autonomie des einzelnen Unternehmens hinsichtlich der Festsetzung seiner eigenen Tarife aufgrund seiner Wettbewerbsinteressen völlig ausgeschaltet wird. Die MCN-Vereinbarung führte jedoch zu einer solchen Ausschaltung und ging über den Rahmen der nach dem Wortlaut der angeführten Bestimmung zulässigen Handlungen hinaus, da sie die Preispolitik und die Preisbildung ohne irgendeine Einschränkung einem gemeinsamen Organ übertrug und da zudem an der Festsetzung der Gesamtpreise für jede der unter die MCN-Vereinbarung fallenden Strecken ein Unternehmen teilnahm, das auf dieser Strecke gar nicht tätig war.

40 Die Kommission hat somit zu Recht angenommen, daß die MCN-Vereinbarung den Rahmen des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1017/68 überschritt.

41 Diese Auslegung des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1017/68 läuft Artikel 4 der Entscheidung 82/529 nicht zuwider, sondern steht vielmehr mit diesem im Einklang. Artikel 4 gestattet es nämlich den Eisenbahnunternehmen, "Tarife mit gemeinsamen Frachtsatzzeigern und durchgerechneten Preisen" zu erstellen, und bestimmt, daß "die in diesen Tarifen angebotenen Preise von der Summe der sich aus den nationalen Tarifen ergebenden Frachten unabhängig sein [können]"; diese Unabhängigkeit bezweckt nach der vierten Begründungserwägung der Entscheidung 82/529, die Wettbewerbsstellung des Eisenbahnverkehrs gegenüber anderen Beförderungsarten zu wahren. Artikel 4 geht jedoch auch davon aus, daß die Eisenbahnunternehmen "ihren eigenwirtschaftlichen Interessen" Rechnung tragen. Die Entscheidung 82/529 misst, wie sich aus ihrer zweiten Begründungserwägung ergibt, der "ausreichenden kommerziellen Selbständigkeit" der Eisenbahnunternehmen ausdrücklich Bedeutung zu.

42 Dieses Ergebnis wird durch die Empfehlung 84/646, auf die sich die Klägerin ebenfalls berufen hat, nicht in Frage gestellt. Auch Artikel 4 dieser Empfehlung bestätigt die Möglichkeit, Gesamttarife aufzustellen, die nicht mit der Summe der nationalen Tarife übereinstimmen, und fördert die Gründung gemeinsamer Büros nach Maßgabe des Verkaufs bei den Versendern, lässt es jedoch nicht zu, diesen Stellen unbegrenzte Befugnisse im Bereich der kaufmännischen Geschäftsführung und der Preisbildung zu verleihen, wie die MCN-Vereinbarung dies getan hat.

43 Schließlich war die Kommission keineswegs verpflichtet, auf die MCN-Vereinbarung Artikel 5 der Verordnung Nr. 1017/68 anzuwenden, wonach das "Verbot des Artikels 2... für nicht anwendbar erklärt werden [kann] auf Vereinbarungen oder Gruppen von Vereinbarungen zwischen Unternehmen,... die beitragen zur Verbesserung der Qualität der Verkehrsleistungen oder zur Förderung einer grösseren Kontinuität und Stabilität der Befriedigung des Verkehrsbedarfs auf den Märkten, auf denen Angebot und Nachfrage starken zeitlichen Schwankungen unterliegen, oder zur Steigerung der Produktivität der Unternehmen oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts,... ohne daß den beteiligten Verkehrsunternehmen... Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesentlichen Teil des betreffenden Verkehrsmarktes den Wettbewerb auszuschalten". Die Kommission hat ihre Weigerung, die MCN-Vereinbarung freizustellen, entgegen dem Vorbringen der Klägerin begründet, und zwar indem sie in den Randnummern 99 bis 103 der Entscheidung ausgeführt hat, es sei nicht erwiesen, daß die Vereinbarung einen technischen oder wirtschaftlichen Fortschritt, eine Verbesserung der Qualität der Eisenbahnleistungen oder eine Erhöhung der Produktivität bewirke, während sie weitreichende Wettbewerbsbeschränkungen mit sich bringe, so daß die Voraussetzungen des Artikels 5 der Verordnung Nr. 1017/68 jedenfalls nicht erfuellt seien. Wie sich zudem aus den vorstehenden Feststellungen (Randnrn. 34 bis 40) ergibt, hätte die Kommission es den betreffenden Unternehmen ermöglicht, den zwischen ihnen bestehenden Wettbewerb auszuschalten, wenn sie Artikel 2 der Verordnung Nr. 1017/68 für auf die MCN-Vereinbarung unanwendbar erklärt hätte.

44 Nach alledem ist festzustellen, daß die Kommission die MCN-Vereinbarung zu Recht für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehen hat. Folglich ist der erste Klagegrund zurückzuweisen.

Zweiter Klagegrund: Verletzung des Artikels 86 des Vertrages

45 Dieser Klagegrund besteht aus zwei Teilen. Die Klägerin macht zunächst geltend, die DB habe keine beherrschende Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder einem wesentlichen Teil desselben eingenommen. Sie führt weiter aus, das in der Entscheidung beanstandete Verhalten sei nicht mißbräuchlich gewesen.

Erster Teil des Klagegrundes: Fehlen einer beherrschenden Stellung

- Vorbringen der Parteien

46 Die Klägerin vertritt die Auffassung, in der Entscheidung werde der relevante Markt unrichtig definiert und daraus zu Unrecht hergeleitet, daß die DB eine beherrschende Stellung gehabt habe.

47 Der relevante Markt umfasst nach Auffassung der Klägerin die Beförderung von Übersee-Containern im Schienenverkehr sowie im Strassen- und Binnenschiffahrtsverkehr. Die Klägerin beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung, nach der der sachlich relevante Markt der Markt aller Dienstleistungen und Güter sei, die untereinander austauschbar seien. Sie vertritt unter Anwendung dieser Rechtsprechung auf den vorliegenden Sachverhalt die Auffassung, daß die Abgrenzung des Marktes, auf dem die Kommission eine beherrschende Stellung der DB festgestellt habe, zwei Irrtümer enthalte.

48 Zunächst habe die Kommission dadurch, daß sie den Markt auf die Eisenbahnleistungen beschränkt habe, verkannt, daß Transfracht eine Tochtergesellschaft der DB sei und daß, da Mutter- und Tochtergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bildeten, die wirtschaftlichen Tätigkeiten der DB in ganz Deutschland ausser den Dienstleistungen des Eisenbahngüterverkehrs wie Zugang zum Schienennetz und Stellung von Lokomotiven und Lokomotivführern die übrigen Elemente der Beförderung von Übersee-Containern im Schienenverkehr umfassten.

49 Weiter habe die Kommission dadurch, daß sie die Beförderung im Strassen- und im Binnenschiffahrtsverkehr von diesem Markt ausgenommen habe, verkannt, daß diese Beförderungsarten für fast alle Versender von Containern mit der Beförderung im Schienenverkehr austauschbar seien. Diese Austauschbarkeit werde insbesondere durch den Umstand veranschaulicht, daß zwischen den Beförderern im Schienen-, im Strassen- und im Binnenschiffahrtsverkehr ein erheblicher Preiswettbewerb herrsche.

50 Die Klägerin ist somit der Auffassung, daß der relevante Markt alle Elemente der Beförderung von Übersee-Containern im Schienenverkehr sowie den Strassen- und den Binnenschiffahrtsverkehr umfassen müsse; folglich reiche es zum Beweis für das Vorliegen einer beherrschenden Stellung nicht aus, daß die DB ein gesetzliches Monopol für die Erbringung von Eisenbahnleistungen in Deutschland innegehabt habe. Ein gesetzliches Monopol komme einer beherrschenden Stellung im Sinne des Artikels 86 des Vertrages nur gleich, wenn es den gesamten relevanten Markt umfasse und wenn die betreffenden Dienstleistungen auf diesem relevanten Markt keinem tatsächlichen Wettbewerb unterlägen. Wegen des Wettbewerbs durch die Beförderer im Strassen- und im Binnenschiffahrtsverkehr habe die DB trotz ihres gesetzlichen Monopols auf dem Markt für Containerbeförderung nur einen Anteil von 6 % innegehabt.

51 Die Beklagte weist auf mehrere Entscheidungen des Gerichtshofes hin, wonach ein Unternehmen, das ein gesetzliches Monopol in einem Mitgliedstaat habe, aus diesem Grunde eine beherrschende Stellung einnehme und das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats als wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes im Sinne des Artikels 86 des Vertrages anzusehen sei.

52 Das Vorbringen der Klägerin, die DB habe nur einen Marktanteil von 6 % der Containerbeförderung innegehabt, beruhe auf einer ganz anderen Abgrenzung des Marktes, die nicht der Rechtsprechung entspreche. Die Beklagte weist insoweit darauf hin, daß die Austauschbarkeit der Dienstleistungen nach der Rechtsprechung vom Standpunkt der Abnehmer aus und unter Berücksichtigung der Merkmale der fraglichen Leistungen und der Struktur des Angebots und der Nachfrage untersucht werden müsse. Die von der DB erbrachten Eisenbahnleistungen stellten sich jedoch unter allen diesen Aspekten so dar, daß sie nicht mit den anderen im Rahmen der Beförderung von Übersee-Containern erbrachten Dienstleistungen austauschbar seien.

- Würdigung durch das Gericht

53 Ob die DB zur Zeit der beanstandeten Handlungen eine beherrschende Stellung einnahm, hängt von der Abgrenzung des Marktes der in Rede stehenden Leistungen ab. Die Kommission hat den relevanten Markt, auf dem sie eine beherrschende Stellung festgestellt hat, sachlich als den Markt der Bahnleistungen, die von den Bahnunternehmen den Transportunternehmen verkauft werden und die im wesentlichen in der Stellung der Lokomotiven, der Traktionsleistung und dem Zugang zum Schienennetz bestehen, und geographisch als das Gebiet Deutschlands abgegrenzt. Trotz der Verwendung einer weiter gefassten sachlichen Definition des Marktes in Artikel 2 der Entscheidung ("Bahnverkehrsmarkt") entspricht die genannte Abgrenzung derjenigen, die in den Begründungserwägungen der Entscheidung verwendet wird und von der auch die Klägerin ausgegangen ist. Die Kommission hat diese Definition im übrigen in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichts vor der mündlichen Verhandlung bestätigt.

54 Zur sachlichen Abgrenzung des Marktes weist das Gericht darauf hin, daß nur dann von einem hinreichend gesonderten Markt der betreffenden Dienstleistung oder Ware gesprochen werden kann, wenn diese durch besondere Merkmale gekennzeichnet ist, durch die sie sich von anderen Dienstleistungen oder Waren so unterscheidet, daß sie mit ihnen nur in geringem Maß austauschbar und ihrem Wettbewerb nur in wenig spürbarer Form ausgesetzt ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 11. April 1989 in der Rechtssache 66/86, Ahmed Säed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, Slg. 1989, 803, Randnrn. 39 und 40, und vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 11 und 12, sowie Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 64). In diesem Rahmen ist die Frage, in welchem Masse Erzeugnisse untereinander austauschbar sind, aufgrund ihrer objektiven Merkmale sowie der Struktur der Nachfrage und des Angebots auf dem Markt und der Wettbewerbsbedingungen zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 37, und Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 63).

55 Der Markt der Eisenbahnleistungen bildet einen gesonderten Teilmarkt des Bahnverkehrsmarkts im allgemeinen. Auf diesem Teilmarkt wird eine spezifische Gesamtheit von Leistungen angeboten, insbesondere die Stellung von Lokomotiven, die Traktionsleistung und der Zugang zum Schienennetz. Diese Leistungen werden zwar nach Maßgabe der Nachfrage der Beförderer im Schienenverkehr erbracht, sind jedoch mit deren Leistungen keineswegs austauschbar und stehen mit ihnen auch nicht im Wettbewerb. Der besondere Charakter der Eisenbahnleistungen ergibt sich auch daraus, daß für sie eine spezifische Nachfrage und ein spezifisches Angebot bestehen. Die Beförderer können nämlich ihre Leistungen nicht erbringen, wenn sie nicht über die Eisenbahnleistungen verfügen. Die Eisenbahnunternehmen ihrerseits besassen zur Zeit der beanstandeten Handlungen ein gesetzliches Monopol für die Erbringung der Eisenbahnleistungen im Gebiet ihres jeweiligen Landes. So ist zwischen den Parteien unstreitig, daß die DB bis zum 31. Dezember 1992 ein gesetzliches Monopol für die Erbringung von Eisenbahnleistungen in Deutschland besaß.

56 Nach der Rechtsprechung ist ein Teilmarkt, der unter dem Gesichtspunkt der Nachfrage und des Angebots besondere Merkmale besitzt und auf dem Erzeugnisse angeboten werden, die auf dem allgemeineren Markt, dessen Teil er ist, unentbehrlich und nicht austauschbar sind, als gesonderter Produktmarkt anzusehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1991 in der Rechtssache T-69/89, RTE/Kommission, Slg. 1991, II-485, Randnrn. 61 und 62). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung und aufgrund der vorstehenden Erwägungen durfte die Kommission bei der sachlichen Abgrenzung des Marktes die Leistungen der Beförderer im Schienenverkehr und erst recht die Leistungen der Beförderer im Strassen- und im Binnenschiffahrtsverkehr unberücksichtigt lassen.

57 Weiterhin kann nach der Rechtsprechung das Vorliegen einer beherrschenden Stellung auf einem gesonderten Markt nicht bestritten werden, wenn für die auf dem Teilmarkt erbrachten Leistungen wie im hier zu entscheidenden Fall ein auf Rechtsvorschriften beruhendes Monopol besteht, das bewirkt, daß sich die Nachfragenden in wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Lieferer befinden; dies gilt auch dann, wenn die im Rahmen dieses Monopols erbrachten Leistungen mit einem Erzeugnis in Zusammenhang stehen, das selbst im Wettbewerb mit anderen Erzeugnissen steht (Urteile des Gerichtshofes vom 13. November 1975 in der Rechtssache 26/75, General Motors Continental/Kommission, Slg. 1975, 1367, Randnrn. 5 bis 10, und vom 11. November 1986 in der Rechtssache 226/84, British Leyland/Kommission, Slg. 1986, 3263, Randnrn. 3 bis 10).

58 Zur geographischen Abgrenzung des Marktes genügt der Hinweis, daß ein Mitgliedstaat allein einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes bilden kann, auf dem ein Unternehmen eine beherrschende Stellung einnehmen kann, insbesondere, wenn es in diesem Gebiet ein auf Rechtsvorschriften beruhendes Monopol besitzt (Urteil General Motors Continental/Kommission, a. a. O., Randnr. 9; Urteil des Gerichtshofes vom 21. März 1974 in der Rechtssache 127/73, BRT/Sabam und Fonior, Slg. 1974, 313, Randnr. 5).

59 Aus allen diesen Erwägungen ist der erste Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

Zweiter Teil des Klagegrundes: Fehlen einer mißbräuchlichen Ausnutzung

- Vorbringen der Parteien

60 Die Klägerin trägt vor, selbst wenn das Gericht das Vorliegen einer beherrschenden Stellung bejahe, müsse es doch zu dem Ergebnis kommen, daß die DB diese Stellung nicht mißbraucht habe. Soweit die angefochtene Entscheidung auf die Höhe der Tarife für Beförderungen im Schienenverkehr nach und von den Westhäfen gestützt werde und es darin heisse, daß diese nicht höher seien als die Tarife für Beförderungen im Schienenverkehr nach und von den Nordhäfen, würden im wesentlichen nicht die Tarifpraktiken der DB, sondern die von Intercontainer gerügt. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß die Tarife, nach denen die DB Intercontainer die dieser erbrachten Eisenbahnleistungen in Rechnung gestellt hat, immer niedriger gewesen seien als die Tarife, die sie gegenüber Transfracht angewandt habe, und auch niedriger als die von den NS gegenüber Intercontainer praktizierten Tarife; dagegen hatte sie in ihrer Klageschrift erklärt, sie bestreite nicht, daß ihr Preisniveau im Westverkehr über dem Preisniveau im Verkehr zu den Nordhäfen gelegen habe (Klageschrift, S. 25). Die Klägerin trägt vor, das im Verhältnis zu den Tarifen für die Beförderung nach und von den Nordhäfen durchschnittlich höhere Niveau gegenüber den auf die Beförderungen nach und von den Westhäfen angewandten Tarifen könne nicht der DB angelastet werden. Ausserdem habe für einen Grossteil der Strecken über die Westhäfen der die Eisenbahnleistungen betreffende Tarifanteil zum grössten Teil nichts mit der DB zu tun gehabt, sondern Leistungen betroffen, die von den NS oder von der SNCB erbracht worden seien (Erwiderung, S. 31 und 32).

61 In diesem Zusammenhang bestreitet die Klägerin auch, daß die DB im Rahmen der MCN-Vereinbarung alle Tarifsenkungen von Intercontainer blockiert und tatsächlich die Beibehaltung dieser Tarife durchgesetzt habe. Jede Preisänderung nach der MCN-Vereinbarung habe Einstimmigkeit im Lenkungsausschuß erfordert, also auch die Zustimmung der anderen Eisenbahngesellschaften und von Intercontainer; es sei nicht dargetan worden, daß gerade die DB eine Verringerung des Unterschieds zwischen den auf den Weststrecken und den auf den Nordstrecken angewandten Tarifen für die Beförderung im Schienenverkehr verhindert habe.

62 Ohnehin habe jede der Parteien der MCN-Vereinbarung nach dieser Vereinbarung das Recht gehabt, sie zu kündigen. Somit hätten sich die Parteien der MCN-Vereinbarung vom Einfluß der DB freimachen können, wenn sie dies gewollt hätten (Erwiderung, S. 31).

63 Jedenfalls sei der Unterschied zwischen den auf den Weststrecken und den auf den Nordstrecken angewandten Tarifen durch eine unterschiedliche Wettbewerbssituation und unterschiedliche Kosten gerechtfertigt.

64 Um diesen Unterschied hinsichtlich der Wettbewerbssituation zu veranschaulichen, führt die Klägerin aus, daß es auf den Nordstrecken kaum einen Wettbewerb durch die Binnenschiffahrt gebe und daß der Wettbewerb durch den Güterkraftverkehr auf die deutschen Unternehmen beschränkt sei, während auf den Weststrecken der Binnenschiffahrtstransport die billigste Beförderungsart und der Wettbewerb durch den Güterkraftverkehr ebenfalls sehr stark sei. So lägen insbesondere die Tarife der Güterkraftverkehrsunternehmen und der Binnenschiffer auf den Weststrecken 20 bis 40 % unter den von DB/Transfracht im Verkehr zu den Nordhäfen angewandten Tarifen. Sie sei als kleiner Konkurrent auf dem Markt der Weststrecken nicht in der Lage, mit diesen Preisen kostendeckend zu konkurrieren. Ihr finanzielles Ergebnis für die Beförderungen auf den Weststrecken sei seit Jahren defizitär und habe sich noch verschlechtert, als die DB 1989 und 1991 die Initiative ergriffen habe, ihre Tarife auf den Weststrecken denen auf den Nordstrecken ein wenig anzugleichen. Eine gemeinsame Initiative der DB und der NS im Jahre 1993, auf einer der Weststrecken dieselben Preise wie die konkurrierenden Kraftverkehrsunternehmen anzuwenden, sei ebenfalls völlig fehlgeschlagen, da sich mit ihr keine neuen Kunden für den Transport mit der Bahn hätten gewinnen lassen.

65 Ausserdem sei die von der Kommission vorgenommene Definition des Marktes, auf dem die DB angeblich ihre beherrschende Stellung mißbraucht habe, wegen der auf den West- und auf den Nordstrecken unterschiedlichen Wettbewerbssituation mit einem grundlegenden Irrtum behaftet. Die Kommission habe den Markt dahin gehend definiert, daß er die Beförderungen von Übersee-Containern zu Lande sowohl auf den Weststrecken als auch den Nordstrecken umfasse, während nach ständiger Rechtsprechung nur die Gebiete, in denen sich die objektiven Wettbewerbsbedingungen glichen, als einheitlicher Markt angesehen werden könnten. Allein dieser Fehler bei der Abgrenzung des Marktes rechtfertige die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

66 Die Beförderungskosten, insbesondere die Kosten der Eisenbahnleistungen, würden nicht ausschließlich durch die Wegstrecke bestimmt, sondern hingen auch von anderen Faktoren ab wie der Zahl und der Dauer der Rangiervorgänge, den Zollförmlichkeiten sowie der zeitlichen Inanspruchnahme von Personal, Lokomotiven und Waggons. Folglich könnten die Beförderungskosten auf Routen mit gleicher Wegstrecke sehr unterschiedlich sein. Im vorliegenden Fall beruhten die Kostenunterschiede darauf, daß der Eisenbahnverkehr auf den Nordstrecken stärker sei und daß auf den Weststrecken die Ueberquerung der belgischen und der niederländischen Grenze durch die Zuege Kosten verursache.

67 Insbesondere ermögliche das hohe Beförderungsaufkommen auf den Nordstrecken zur Beförderung von Containern mit demselben Bestimmungsort die Benutzung von Ganzzuegen, für die keine Rangiervorgänge anfielen. Auch brauchten auf den Nordstrecken die Lokomotiven der Zuege nicht ausgetauscht zu werden, da auf allen diesen Strecken die DB für die Traktionsleistung verantwortlich sei. Somit seien die Kosten auf den Nordstrecken niedriger, so daß auf diesen Strecken niedrigere Tarife angewandt werden könnten.

68 Schließlich ändere der Umstand, daß die DB mit der Einführung des Tarifsystems KLV-Neu die Kosten und damit die Preise der Eisenbahnleistungen auf den Nordstrecken noch weiter reduziert habe, nichts daran, daß die Kommission in der Entscheidung ihre Schlußfolgerungen auf einen Vergleich der Tarife von Intercontainer mit den Tarifen von Transfracht gestützt und darüber hinaus nicht bewiesen habe, daß die Herabsetzung der Preise in Deutschland dank des Tarifsystems KLV-Neu wirtschaftlich nicht gerechtfertigt gewesen sei.

69 Die Beklagte weist vorab darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung ein Mißbrauch im Sinne des Artikels 86 Absatz 2 Buchstabe c des Vertrages vorliege, wenn ein Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung auf einem Markt dazu benutze, unterschiedliche Bedingungen für gleichwertige Leistungen durchzusetzen und so die eigenen Leistungen zu begünstigen.

70 Die Beklagte erläutert zunächst, sie habe als "gleichwertige Leistungen" die von Intercontainer durchgeführten Containertransporte von und nach den Westhäfen einerseits und die von Transfracht durchgeführten Containertransporte von und nach den Nordhäfen andererseits angesehen.

71 Als "unterschiedliche Bedingungen" habe sie die unterschiedlichen Preise pro Kilometer betrachtet, die für die Leistungen von Intercontainer und von Transfracht in Rechnung gestellt würden. Diese Unterschiede variierten zwischen 2 und 77 % für die Beförderung von Leercontainern und zwischen 4 und 42 % für die Beförderung von beladenen Containern; dies ergebe sich aus den Angaben, die die betroffenen Unternehmen aufgrund der Tarife von Intercontainer für die Beförderungen von Containern nach dem Hafen Rotterdam einerseits und aufgrund der Tarife von Transfracht für die Beförderungen nach dem Hafen Hamburg andererseits gemacht hätten; diese Angaben seien in den Anhängen 3 bis 9 der Entscheidung enthalten und in den Randnummern 162 bis 171 der Entscheidung untersucht worden. Die Beklagte führt aus, sie habe diese Unterschiede durch Vergleiche festgestellt, bei denen die einzige Variable die Transportentfernung gewesen sei, und rechtfertigt diese Vergleichsmethode durch den Hinweis auf eine von Transfracht bei der Untersuchung gegebene Auskunft, wonach die Transportentfernung das entscheidende Kriterium darstelle.

72 Nach Auffassung der Beklagten gibt es keine objektive Rechtfertigung für die festgestellten Preisunterschiede.

73 Zur Wettbewerbssituation führt die Beklagte aus, das Bestehen eines härteren Wettbewerbs mit anderen Verkehrsträgern auf den Weststrecken könne erklären, daß Intercontainer niedrigere Tarife als Transfracht anwende, nicht aber das Gegenteil. Im übrigen habe die DB nicht im Wettbewerb mit den Kraftverkehrs- und Binnenschiffahrtsunternehmen gestanden, da die von ihr angebotenen Leistungen ihrer Natur nach Eisenbahnleistungen und somit nicht mit den von den Kraftverkehrs- und Binnenschiffahrtsunternehmen angebotenen Leistungen austauschbar seien.

74 Hinsichtlich der Produktionskosten habe die Klägerin nicht dargetan, daß der Verkehr auf der Weststrecke höhere Kosten mit sich bringe als der Verkehr auf den Nordstrecken. Insbesondere sei nicht bewiesen, daß die Grenzuebertritte die Beförderungskosten wesentlich erhöhten, und die verfügbaren Angaben über das Verkehrsvolumen und die Versendungsarten stuenden in keinem logischen Verhältnis zu den Beförderungskosten und -tarifen. Ausserdem sei der Durchschnittspreis pro Kilometer, den die DB Intercontainer in Rechnung stelle, niedriger als der, den sie Transfracht berechne; dies lege die Vermutung nahe, daß die Kosten der Eisenbahnleistungen für die Beförderungen nach und von den Westhäfen niedriger seien als die Kosten der Eisenbahnleistungen für die Beförderungen nach und von den Nordhäfen (Klagebeantwortung, S. 38 und 39).

75 Zu der Frage, ob die genannten Tarifunterschiede der DB zugerechnet werden können, verweist die Beklagte auf ihre Untersuchung in den Randnummern 143 bis 156 der Entscheidung, wonach die DB die Möglichkeit gehabt habe, Entscheidungen innerhalb der durch die MCN-Vereinbarung geschaffenen Organe zu blockieren, und diese genutzt habe, um eine Senkung der Tarife von Intercontainer zu verhindern, während sie gleichzeitig auf den Nordstrecken ein einseitig von ihr geschaffenes neues Tarifsystem angewandt habe. Die Unzufriedenheit von Intercontainer, der NS und der SNCB über die Haltung der DB im Rahmen der MCN-Vereinbarung ergebe sich deutlich aus den Protokollen der von Intercontainer veranstalteten Sitzungen und der im Rahmen der MCN-Vereinbarung veranstalteten Zusammenkünfte.

76 Die Beklagte führt abschließend aus, die DB habe Tarifunterschiede erzwungen; diese hätten diskriminierenden Charakter. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Diskriminierungen seien nicht in den Beziehungen zwischen den Beförderern auf dem Schienenwege und den anderen Beförderern zu suchen, sondern lägen in den Beziehungen der DB zu den NS und zur SNCB und in den Beziehungen zwischen Transfracht und Intercontainer. Es sei klar, daß die DB und Transfracht in diesen Beziehungen von den genannten Tarifunterschieden profitiert hätten.

- Würdigung durch das Gericht

77 Artikel 8 Absätze 1 und 2 Buchstabe c der Verordnung Nr. 1017/68 übernimmt den Wortlaut des Artikels 86 Absätze 1 und 2 Buchstabe c, indem er die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes durch die Anwendung "unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden", verbietet, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Auch weist keine Begründungserwägung und keine Vorschrift der Verordnung Nr. 1017/68 deren Artikel 8 eine Zielsetzung zu, die sich von der des Artikels 86 des Vertrages wesentlich unterschiede. Folglich ist der Kommission, als sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages, nicht aber gegen Artikel 8 der Verordnung Nr. 1017/68 festgestellt hat, kein Irrtum unterlaufen, ohne den die Entscheidung einen anderen Inhalt hätte haben können. Die Bezugnahme auf Artikel 86 des Vertrages in der Entscheidung ist im übrigen von der Klägerin nicht beanstandet worden.

78 Mit der Wendung "mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung" wird einem beherrschenden Unternehmen verboten, die eigene Stellung zu stärken, indem es zu anderen Mitteln als denjenigen eines Leistungswettbewerbs greift (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 3. Juli 1991 in der Rechtssache C-62/86, AKZO/Kommission, Slg. 1991, I-3359, Randnr. 70). So darf ein Unternehmen keine künstlichen Preisunterschiede herbeiführen, die geeignet sind, seine Kunden zu benachteiligen und den Wettbewerb zu verfälschen (Urteil Tetra Pak/Kommission, a. a. O., Randnr. 160).

79 Die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß das marktbeherrschende Unternehmen förmlich einer Vereinbarung beigetreten ist, die die gemeinsame Festsetzung von Tarifen zum Gegenstand hat und somit unter das Kartellverbot fällt. Denn das Bestehen einer solchen Vereinbarung schließt nicht aus, daß eines der durch die Vereinbarung gebundenen Unternehmen einseitig diskriminierende Tarife erzwingen kann (vgl. entsprechend Urteil Ahmed Säed Flugreisen und Silver Line Reisebüro, a. a. O., Randnrn. 34 und 37).

80 Im vorliegenden Fall konnte die Kommission aufgrund mehrerer Anhaltspunkte in den Akten zu der Auffassung gelangen, daß die DB ungeachtet der MCN-Vereinbarung und ihres vorrangigen Zweckes - der, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, darin bestand, die Tarife von Intercontainer zu senken und so die Wettbewerbsfähigkeit des Schienenverkehrs auf den Weststrecken wiederherzustellen - einseitig in einer diesem Zweck zuwiderlaufenden Art und Weise gehandelt hat.

81 Erstens verfügte die Kommission über eine Reihe von Unterlagen, aufgeführt in den Randnummern 152 bis 154 der Entscheidung, deren Existenz von der Klägerin nicht bestritten wurde und deren Inhalt weitgehend bestätigt, daß die DB in Wirklichkeit für die Festsetzung der Tarife innerhalb der MCN-Vereinbarung und folglich für die Aufrechterhaltung der Tarifunterschiede verantwortlich war. So wird im Protokoll einer Gesamtkonferenz des Verwaltungsrats von Intercontainer auf die Erklärung eines Vertreters der SNCB hingewiesen, wonach der Lenkungsausschuß "von der DB ausgeschlossen worden ist". Desgleichen heisst es in einem internen Vermerk von Intercontainer: "Die Nordhäfenverkehre werden ausschließlich von Transfracht und DB direkt betreut, ohne Einbeziehung des [Lenkungsausschusses]. In der Praxis hat sich zudem erwiesen, daß auch für die Westhäfenverkehre die Tarifhoheit nicht beim [Lenkungsausschuß] liegt." Schließlich setzen bestimmte Vorschläge der DB, die in dem Protokoll eines Treffens von Vertretern der Westhäfen mit Vertretern der DB, der SNCB und der NS enthalten sind, eindeutig voraus, daß die DB über die Macht verfügte, sowohl auf den Weststrecken als auch auf den Nordstrecken das Preisniveau zu kontrollieren. Die DB hat anläßlich dieses Treffens insbesondere vorgeschlagen, "auf die Preisfrage... wieder zurück[zu]kommen, ausgehend von den politischen Rahmenbedingungen in Deutschland", um auf diese Weise einen "Abbau des Tarifgefälles von 50 % zum 1. Januar 1990" und einen "weiteren Abbau zum 1. Juli 1990" zu erreichen.

82 Die Auffassung der Kommission, daß die DB und Transfracht sich der Blockademöglichkeit, die sie aufgrund des Erfordernisses der Einstimmigkeit im Entscheidungsprozeß innerhalb des Lenkungsausschusses besassen (siehe oben, Randnr. 6), bedient hätten, um ein Sinken der Tarife von Intercontainer zu verhindern, wurde somit durch mehrere Indizien gestützt. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin waren die SNCB, die NS und Intercontainer nicht in der Lage, sich durch eine Kündigung der MCN-Vereinbarung von dieser Blockade freizumachen. Zunächst hätte eine Kündigung der MCN-Vereinbarung nichts daran geändert, daß die in Belgien und in den Niederlanden tätigen Eisenbahn- und Transportunternehmen auf allen Strecken zwischen dem Hafen Antwerpen oder Rotterdam und einer deutschen Stadt für die Anschlußstrecke in Deutschland von der Zusammenarbeit mit der DB abhängig waren. Weiter hätte eine Kündigung der Vereinbarung nichts daran geändert, daß die DB die Höhe der Beförderungstarife auf den Nordstrecken völlig unabhängig festsetzte und somit den Unterschied zwischen den Tarifen auf den Weststrecken und denen auf den Nordstrecken beeinflusste.

83 Zweitens steht fest, daß die DB einseitig am 1. Juni 1988, d. h. kaum drei Monate nach dem Inkrafttreten der MCN-Vereinbarung, ein neues Tarifsystem, nämlich das System KLV-Neu, eingeführt hat. Dies hat die Klägerin in Beantwortung einer Frage des Gerichts vor der mündlichen Verhandlung bestätigt. In ihrer Antwort hat die Klägerin ebenfalls bestätigt, daß das Tarifsystem KLV-Neu nur zu einer Senkung der Preise zugunsten der Versender von Übersee-Containern auf dem Schienenweg über die deutschen Häfen geführt hat, da dieses Tarifsystem auf Rationalisierungsmaßnahmen beruht habe, die in der Praxis nur auf die Beförderung von Containern über die Nordhäfen angewandt worden seien.

84 Aus den Feststellungen in den vorstehenden Randnummern geht hervor, daß das Verhalten der DB während des Untersuchungszeitraums unmittelbar zur Aufrechterhaltung eines Unterschieds zwischen den Preisen pro Kilometer für die Beförderungen über die Westhäfen und denjenigen für Beförderungen über die Nordhäfen beigetragen hat.

85 An dieser Stelle ist zu prüfen, ob dieser Unterschied der Preise pro Kilometer diskriminierenden Charakter hatte und deshalb die Wettbewerbsstellung bestimmter Wirtschaftsteilnehmer beeinträchtigt hat.

86 Hierzu sind die in den Anhängen 3 bis 9 der Entscheidung aufgeführten Zahlen zu untersuchen. Diese Zahlen zeigen, daß ausser beim Zielort Saarbrücken bei jedem Zielort, der wesentlich näher bei Rotterdam als bei Hamburg liegt und für den die Beförderung über Rotterdam somit objektiv vorteilhafter war, dieser wirtschaftliche Vorteil gegenüber der Beförderung über Hamburg immer ausgeglichen wurde, und zwar entweder dadurch, daß die absoluten Preise für die Beförderungen nach Rotterdam höher waren, oder dadurch, daß gleich hohe absolute Preise angewandt wurden. Unter den ungleichen absoluten Preisen finden sich zum Beispiel die Preise für die Beförderungen von Leercontainern zwischen dem 1. Oktober 1990 und dem 31. Dezember 1991 (Anhang 3) nach Duisburg, Bochum, Wuppertal, Mannheim und Karlsruhe. Diese absoluten Preise führen zu Preisunterschieden pro Kilometer von 77,6 % (Duisburg), 56,5 % (Bochum), 42 % (Wuppertal), 16,5 % (Mannheim) und 22,6 % (Karlsruhe). Unter den gleich hohen absoluten Preisen finden sich z. B. diejenigen, die ab 1. Januar 1992 (Anhang 7) für die Beförderungen von beladenen Containern nach Frankfurt, Karlsruhe, Duisburg, Düsseldorf, Wuppertal und Bochum verlangt wurden. Diese Preise führen zu Unterschieden beim Kilometerpreis von 4,6 % (Frankfurt), 11,35 % (Karlsruhe), 58 % (Düsseldorf), 28 % (Wuppertal) und 20,9 % (Bochum). Ausserdem waren - nur mit Ausnahme des Zielortes Saarbrücken - die auf Beförderungen von und nach Rotterdam angewandten absoluten Preise für keine Stadt in Deutschland - unabhängig davon, ob sie näher bei Rotterdam oder bei Hamburg lag - niedriger als die auf Beförderungen von und nach Hamburg angewandten absoluten Preise. Dies galt z. B. für die KLV-Tarife für die Beförderungen von Containern ab 1. Juli 1991 (Anhang 9) nach Frankfurt (absoluter Preis: 857 DM nach Rotterdam gegen 833 DM nach Hamburg), Düsseldorf (653 DM gegen 618 DM) und Mainz (867 DM gegen 843 DM) einerseits (Städte, die näher bei Rotterdam als bei Hamburg liegen) und nach Augsburg (1 456 DM gegen 1 415 DM), München (1 520 DM gegen 1 410 DM) und Regensburg (1 386 DM gegen 1 334 DM) andererseits (Städte, die näher bei Hamburg liegen). Diese Praxis hat eine Tarifsituation künstlich verfestigt, die Beförderungen im Schienenverkehr über die Nordhäfen schützt, und muß als Erzwingung ungleicher Tarifbedingungen zu Lasten der Wettbewerbssituation der Unternehmen, die auf den Eisenbahn-Weststrecken tätig sind, gegenüber denen, die auf den Eisenbahn-Nordstrecken tätig sind, angesehen werden.

87 Die Klägerin hat vorgetragen, die unterschiedlichen Kilometerpreise ergäben sich daraus, daß die Kosten der Leistungen auf den Weststrecken höher seien als auf den Nordstrecken und daß die Beförderung im Schienenverkehr auf den Weststrecken einem stärkeren Wettbewerb durch andere Verkehrsträger ausgesetzt sei als auf den Nordstrecken.

88 Hierzu ist erstens festzustellen, daß die Kostenunterschiede, auf die sich die Klägerin beruft, teilweise von der DB selbst verursacht worden sind. Diese hat insbesondere im Rahmen des Tarifsystems KLV-Neu mehrere Rationalisierungsmaßnahmen ergriffen, wie z. B. eine stärkere Verwendung von Direktzuegen/Ganzzuegen sowie eine Konzentration auf den Nachtverkehr und auf die Beförderungen nach bestimmten Terminals mit Rationalisierung des Terminalbetriebs. Diese Maßnahmen haben eine Kostensenkung ermöglicht, jedoch nur für den Verkehr nach und von den deutschen Häfen (siehe Randnr. 83).

89 Die Klägerin hat nichts dafür vorgetragen, daß die Eisenbahnleistungen für die Beförderungen nach den belgischen und niederländischen Häfen von den Rationalisierungsmaßnahmen im Rahmen des Tarifsystems KLV-Neu und damit von der Gesamtheit der von der DB getroffenen Preissenkungsmaßnahmen notwendig ausgeschlossen werden mussten. Das Argument, die im Rahmen des Tarifsystems KLV-Neu getroffenen Rationalisierungsmaßnahmen hätten wegen des schwachen Volumens dieses Verkehrs und der daraus folgenden Unmöglichkeit, Direktzuege und Ganzzuege zusammenzustellen, nicht auf den Verkehr über die Westhäfen angewandt werden können, vermag insoweit nicht zu überzeugen. Die Klägerin hat im übrigen auf Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung zweimal erklärt, daß auf den Weststrecken Ganzzuege zusammengestellt würden.

90 Soweit die Klägerin sich auf Kosten berufen hat, die speziell auf den Weststrecken, nämlich durch den Wechsel der Lokomotiven und die Neuzusammenstellung der Waggons an der Grenze entstuenden, ist festzustellen, daß diese Kosten nur einen kleinen Teil der Kosten ausmachen können, die für die fragliche Gesamtdienstleistung (Bereitstellung der Lokomotiven und Traktion der Zuege unter allen Gesichtspunkten) entstehen, so daß sie die festgestellten Preisunterschiede nicht zu rechtfertigen vermögen. Auch ergibt sich aus den zwischen den Parteien unstreitigen Zahlen im Anhang 15 der Entscheidung, daß der Gesamtbetrag der Preise, die die DB einerseits und die NS andererseits Intercontainer für ihre Bahnleistungen auf den Strecken zwischen den deutschen Städten und dem Hafen Rotterdam in Rechnung gestellt haben, im Durchschnitt niedriger war als der Preis, den die DB der Transfracht für ihre Bahnleistungen auf der Nordstrecke in Rechnung stellte. Unter diesen Umständen mussten die Kosten, die unmittelbar auf die von den Eisenbahnunternehmen erbrachten Dienstleistungen entfallen, logischerweise für die Weststrecken niedriger sein als für die Nordstrecken.

91 Zweitens liefert der stärkere Wettbewerb zwischen den Beförderern im Schienenverkehr einerseits und den Beförderern im Strassenverkehr und im Binnenschiffahrtsverkehr andererseits auf den Weststrecken keine Erklärung dafür, daß Intercontainer auf diesen Strecken höhere Tarife anwendet als Transfracht auf den Nordstrecken. Denn selbst wenn es zuträfe, daß der stärkere Wettbewerb zwischen verschiedenen Verkehrsträgern auf den Weststrecken einen Preisunterschied zu rechtfertigen vermag, könnte daraus kaufmännisch gesehen logischerweise nur ein Unterschied zugunsten der auf den Weststrecken angewandten Tarife resultieren.

92 Zu dem Vorbringen der Klägerin, die unterschiedliche Wettbewerbssituation mache die Definition des geographisch relevanten Marktes durch die Kommission fehlerhaft, genügt der Hinweis, daß die Definition des geographischen Marktes keine vollkommene Homogenität der objektiven Bedingungen des Wettbewerbs zwischen den Wirtschaftsteilnehmern verlangt; es reicht aus, daß diese Bedingungen einander "gleichen" oder "hinreichend homogen" sind. Somit können nur Gebiete, in denen die objektiven Wettbewerbsbedingungen "heterogen" sind, nicht als einheitlicher Markt angesehen werden (Urteile United Brands/Kommission, a. a. O., Randnrn. 11 und 53, und Tetra Pak/Kommission, a. a. O., Randnrn. 91 und 92). Im vorliegenden Fall kann der stärkere Wettbewerb zwischen verschiedenen Verkehrsträgern auf den Weststrecken nicht dazu führen, daß die auf diesen Strecken bestehenden objektiven Wettbewerbsbedingungen als gegenüber denen auf den Nordstrecken "heterogen" einzustufen wären.

93 Nach alledem hat die Kommission ausreichende Beweise zur Stützung ihrer Beurteilung des Verhaltens der DB erbracht und rechtlich hinreichend dargetan, daß die DB durch ihr Verhalten unterschiedliche Bedingungen für gleichwertige Leistungen erzwungen und dadurch ihren Handelspartnern, die auf den Weststrecken tätig sind, einen Nachteil im Wettbewerb mit ihr selbst und ihrer Tochtergesellschaft Transfracht zugefügt hat. Folglich ist auch der zweite Teil des Klagegrundes zurückzuweisen.

94 Sonach greift der gesamte zweite Klagegrund nicht durch.

95 Diesem Ergebnis steht auch die von der Klägerin in der Erwiderung und in der mündlichen Verhandlung erhobene zusätzliche Rüge nicht entgegen, daß das Ergebnis, zu dem die Kommission hinsichtlich des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung durch die DB gekommen sei, unter Verstoß gegen Artikel 190 des Vertrages unzureichend begründet sei. Nach Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung kann ein neues Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß es auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind. Die Rüge einer Verletzung des Artikels 190 des Vertrages stellt ein neues Angriffsmittel dar, das nicht auf Gründen beruht, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind; diese Rüge kann somit nicht erstmals im Verfahren vor dem Gericht geltend gemacht werden.

96 Jedenfalls hat die Kommission dadurch, daß sie nacheinander den "entscheidenden Einfluß der DB auf die Preisbildung für den Übersee-Container-Transport von und nach Deutschland" (Randnrn. 143 bis 156 der Entscheidung), die "Tarife von Transfracht und Intercontainer" (Randnrn. 162 bis 177 der Entscheidung), den "Standpunkt der Unternehmen zum Vorwurf der Tarifdiskriminierung", insbesondere den "Standpunkt von DB/Transfracht" (Randnrn. 185 bis 190 der Entscheidung) sowie die Wettbewerbssituationen und die Produktionskosten (Randnrn. 199 bis 248 der Entscheidung) untersucht und einen Zusammenhang zwischen diesen Untersuchungen hergestellt hat, in ihrer Entscheidung ausführlich erläutert, weshalb die DB ihrer Meinung nach ihre beherrschende Stellung mißbraucht hat, so daß das Gericht die ihm obliegende Rechtmässigkeitskontrolle ausüben kann. Ebenso ist die Klägerin sowohl in ihrer Klageschrift als auch im Laufe des Verfahrens auf die Überlegungen eingegangen, die die Kommission in der Entscheidung zum Mißbrauch einer beherrschenden Stellung angestellt hat, was zeigt, daß sie ihre Rechte aufgrund der in der Entscheidung enthaltenen Angaben wahrnehmen konnte. Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, daß die Begründung unzureichend ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache C-350/88, Delacre u. a./Kommission, Slg. 1990, I-395, Randnr. 15, und Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 65).

Dritter Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

97 Die Klägerin führt aus, daß sie bei der Kommission nach Zustellung der Entscheidung Antrag auf Akteneinsicht gestellt und die Kommission dies abgelehnt habe. Die beantragte Akteneinsicht sei wesentlich, um ihrem Rechtsbeistand eine ordnungsgemässe Vorbereitung des streitigen Verfahrens zu ermöglichen. Daß im vorprozessualen Verfahren Akteneinsicht gewährt worden sei, sei insoweit unerheblich, da es sich seinerzeit weder um dasselbe Unternehmen noch um denselben Rechtsbeistand gehandelt habe. Jedenfalls sei sie nicht im Besitz der Kopien, die der Rechtsbeistand der DB bei seiner Prüfung der Akten angefertigt habe.

98 Die Klägerin weist ausserdem darauf hin, daß durch das Gesetz vom 27. Dezember 1993 zur Neuordnung des Eisenbahnwesens ein neuer Rechtsträger, das "Bundeseisenbahnvermögen", als offizieller Nachfolger der DB geschaffen worden sei. Sie leitet daraus her, daß sie weder mit der DB identisch noch deren Rechtsnachfolgerin sei. Deshalb habe die Weigerung der Kommission, ihr Akteneinsicht zu gewähren, die Klägerin, die erst seit Januar 1994 existiere, insoweit rechtlos gestellt. Dies komme einer Verletzung der Verteidigungsrechte gleich; die angefochtene Entscheidung leide deshalb an einem wesentlichen Verfahrensmangel.

99 Darüber hinaus habe die Weigerung der Kommission, der Änderung der Identität des Unternehmens Rechnung zu tragen, zu einer Verletzung der Begründungspflicht geführt. Die Klägerin leitet insbesondere aus der Rechtsprechung des Gerichts her, daß eine Entscheidung zur Anwendung der Artikel 85 oder 86 des Vertrages, durch die eine Geldbusse gegen ein Unternehmen festgesetzt werde, das als für die von einem anderen Unternehmen begangene Vertragsverletzung verantwortlich angesehen werde, eine ausführliche Darlegung der Gründe enthalten müsse, die die Verantwortung des Unternehmens, dem die Geldbusse auferlegt werde, für die Vertragsverletzung rechtfertige (Urteil des Gerichts vom 28. April 1994 in der Rechtssache T-38/92, AWS Benelux/Kommission, Slg. 1994, II-211, Randnrn. 26 und 27). Die angefochtene Entscheidung enthalte jedoch keine derartige Begründung.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0229.1

100 Die Beklagte trägt vor, mit dem Abschluß des Verwaltungsverfahrens erlösche der Anspruch auf Akteneinsicht. Sobald eine Entscheidung erlassen und bekanntgemacht worden sei, werde der Anspruch des Adressaten auf rechtliches Gehör durch die Möglichkeit einer gerichtlichen Anfechtung der Entscheidung gewahrt.

101 Jedenfalls könne ein Wechsel des Rechtsbeistands keinerlei Auswirkungen auf das Recht auf Akteneinsicht haben, da dieses Recht ein solches des betroffenen Unternehmens und nicht eines bestimmten Rechtsanwalts sei. Auch der Umstand, daß im vorliegenden Verfahren das Unternehmen selbst nicht mehr dasselbe sei, sei unerheblich, da die Klägerin sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich Nachfolgerin der DB sei und folglich ihre Rechte und Pflichten mit denen der DB identisch seien, einschließlich des Rechts auf Akteneinsicht, das die DB im vorprozessualen Verfahren ausgeuebt habe.

Würdigung durch das Gericht

102 Da der Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht nach dem Erlaß und der Zustellung der Entscheidung bei der Kommission gestellt wurde, handelt es sich insoweit um einen Umstand, der nach dem Erlaß der Entscheidung eingetreten ist; folglich konnte die Rechtmässigkeit der Entscheidung keinesfalls durch die Weigerung der Kommission, die beantragte Einsicht zu gewähren, beeinträchtigt werden (vgl. Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-145/89, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1995, II-987, Randnr. 30, sowie Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1989 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 40).

103 Der dritte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

104 Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin eine weitere Verfahrensrüge erhoben hat, mit der sie die unzureichende Begründung der Schlußfolgerung, die festgestellte Zuwiderhandlung sei ihr zuzurechnen, geltend macht. Diese Rüge ist erstmals im Stadium der Erwiderung erhoben worden. Obwohl sie im Rahmen des Vorbringens zur Akteneinsicht erhoben worden ist, ist sie inhaltlich von der Frage der Akteneinsicht und den anderen in der Klageschrift aufgeworfenen Fragen verschieden und deshalb als unabhängiges und neues Angriffsmittel anzusehen. Da sie nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind, war die Klägerin nicht berechtigt, sie im Laufe des Verfahrens vorzubringen (vgl. entsprechend Randnr. 95).

105 Jedenfalls kann die von der Klägerin in ihrer Erwiderung erhobene Rüge der unzureichenden Begründung nicht durchgreifen. Die Kommission hat nämlich in Randnummer 13 der Entscheidung angegeben, daß die Klägerin seit dem 1. Januar 1994 die Rechtsnachfolgerin der DB sei. Diese Angabe erklärt hinreichend, weshalb sich die Kommission für berechtigt hielt, der Klägerin aufzugeben, die von der DB begangene Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages abzustellen, und ihr eine Geldbusse wegen derselben Zuwiderhandlung aufzuerlegen (Artikel 3 und 4 der Entscheidung). Diese von der Kommission vorgenommene Beurteilung ist im übrigen im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits völlig korrekt, da sich aus dem Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens, durch das das Bundeseisenbahnvermögen geschaffen wurde, ergibt, daß die Klägerin über das Bundeseisenbahnvermögen die Liegenschaften der DB insoweit übernommen hat, als es für die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen und das Betreiben der Eisenbahnverkehrsstruktur notwendig war.

106 Die vorliegende Rechtssache unterscheidet sich im übrigen von dem Fall, der dem Urteil AWS/Kommission (a. a. O.) zugrunde lag, in dem das Gericht entschieden hat, daß eine ausführliche Begründung der Feststellung, daß die Zuwiderhandlung dem mit einer Geldbusse belegten Unternehmen zuzurechnen sei, erforderlich war, da das beanstandete Verhalten mehrere Unternehmen betraf. In jener Rechtssache waren mehrere Unternehmen am Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen, was zu komplexen Fragen der Zurechnung der Zuwiderhandlung führte, nachdem diese schließlich festgestellt worden war. Im vorliegenden Fall ist die von der Kommission geahndete Zuwiderhandlung jedoch nur von einem einzigen Unternehmen, der DB, begangen worden. Die Begründung, weshalb diese Zuwiderhandlung der Klägerin zugerechnet wurde, konnte somit auf die blosse Feststellung beschränkt werden, daß diese die Nachfolgerin der DB sei.

Vierter Klagegrund: Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemässen Verwaltung

Vorbringen der Parteien

107 Die Klägerin führt aus, die Kommission habe die Tarifpolitik der DB seit langem gekannt und mehrfach als gemeinschaftsrechtskonform bezeichnet.

108 In diesem Rahmen weist die Klägerin darauf hin, daß die Kommission im Europäischen Parlament durch die schriftliche Anfrage Nr. 1720/81 vom 9. Februar 1982 gefragt worden sei, wann und wie sie "der Wettbewerbsverzerrung zwischen deutschen und niederländischen Nordseehäfen ein Ende setzen [wird], die aus den diskriminierenden Tarifen der Deutschen Bundesbahn entsteht", und daß sie auf diese Frage geantwortet habe: "Bisher haben alle Untersuchungen einzelner dieser Tarife oder des gesamten Tarifsystems zu der Feststellung geführt, daß die Unterschiede zwischen den Beförderungspreisen der Eisenbahn zu den niederländischen und zu den deutschen Seehäfen nicht auf das Bestehen diskriminierender Tarife zurückzuführen sind. Es handelt sich dabei um korrekt berechnete Wettbewerbsfrachten, welche die DB unter Berücksichtigung der Selbstkosten und der Marktlage in ihrem eigenen Geschäftsinteresse anwendet" (ABl. C 198, S. 2). In ihrer Antwort auf eine erneute parlamentarische Anfrage im Jahre 1983 habe die Kommission diesen Standpunkt wiederholt (Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 664/83, ABl. C 308, S. 13).

109 1986 habe die Kommission anläßlich einer weiteren parlamentarischen Anfrage die Preisunterschiede zwischen dem Markt der Beförderungen im deutschen Inlandsverkehr und dem Markt der Beförderungen im internationalen Verkehr erneut gutgeheissen, indem sie geantwortet habe: "Auf diesen sehr umkämpften Märkten wenden beide Unternehmen [Transfracht und Intercontainer]... Beförderungspreise an, die den Preisen der wettbewerbenden Verkehrsunternehmer Rechnung tragen"; es könne sich "bei den... Preisen von Transfracht nicht um eine Beihilfe, die zu einer Wettbewerbsverzerrung führen kann, handeln" (Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 911/86, ABl. 1987, C 198, S. 6).

110 Die Klägerin weist darauf hin, daß die angefochtene Entscheidung in völligem Widerspruch zu diesen Stellungnahmen vor dem Parlament stehe. Die Kommission habe dadurch, daß sie ihre Verkehrspolitik so tiefgreifend und plötzlich geändert habe, ohne diese Änderung auch nur durch eine Mitteilung im Amtsblatt bekanntzugeben, die Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemässen Verwaltung in schwerwiegender Weise verletzt.

111 Die Beklagte führt aus, sie habe der Klägerin gegenüber keinen Vertrauenstatbestand begründet. Sie habe in keiner der drei Stellungnahmen vor dem Parlament zur Frage der Rechtmässigkeit der Tarifpolitik der DB unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft Stellung genommen, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht, daß sie seinerzeit nicht über Informationen verfügt habe, die es ihr ermöglicht hätten, eine Verletzung der Wettbewerbsvorschriften anzunehmen. Im übrigen habe sie zu demselben Thema erneut vor dem Parlament Stellung genommen, und zwar im April 1989 in ihrer Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 2172/88 (ABl. 1989, C 255, S. 23). Bei dieser Gelegenheit habe sie mangels Informationen wiederum nicht zur Frage der Rechtmässigkeit des Verhaltens der DB Stellung genommen, sondern bemerkt: "Sobald die Betreffenden der Kommission mitteilen, weshalb sie diese Tarife für diskriminierend halten, kann die Angelegenheit mit den zuständigen Stellen geprüft werden."

112 Die Beklagte trägt weiterhin vor, die zitierten Stellungnahmen seien für das vorliegende Verfahren unerheblich, da sie auf die Jahre 1982, 1983 und 1986 sowie April 1989 zurückgingen, während die angefochtene Entscheidung Verhaltensweisen der DB im Rahmen der MCN-Vereinbarung zwischen dem 1. Oktober 1989 und dem 31. Juli 1992 betreffe.

Würdigung durch das Gericht

113 Nach ständiger Rechtsprechung soll der Grundsatz der Rechtssicherheit die Voraussehbarkeit der unter das Gemeinschaftsrecht fallenden Tatbestände und Rechtsbeziehungen gewährleisten (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache C-63/93, Duff u. a., Slg. 1996, I-569, Randnr. 20). Hierzu ist es wesentlich, daß die Gemeinschaftsorgane die Unantastbarkeit der von ihnen erlassenen Rechtsakte, die die rechtliche und sachliche Lage der Rechtssubjekte berühren, wahren; sie können diese daher nur unter Beachtung der Zuständigkeits- und Verfahrensregeln ändern (Urteile des Gerichts vom 27. Februar 1992 in den Rechtssachen T-79/89, T-84/89, T-85/89, T-86/89, T-89/89, T-91/89, T-92/89, T-94/89, T-96/89, T-98/89, T-102/89 und T-104/89 (BASF u. a./Kommission, Slg. 1992, II-315, Randnr. 35, und vom 6. April 1995 in den Rechtssachen T-80/89, T-81/89, T-83/89, T-87/89, T-88/89, T-90/89, T-93/89, T-95/89, T-97/89, T-99/89, T-100/89, T-101/89, T-103/89, T-105/89, T-107/89 und T-112/89 (BASF u. a./Kommission, Slg. 1995, II-729, Randnr. 73).

114 Die Antworten der Kommission auf die von der Klägerin zitierten parlamentarischen Anfragen haben keine bindenden Rechtswirkungen erzeugt und waren nicht geeignet, die rechtliche und sachliche Lage der DB zu beeinträchtigen. Zudem waren die Antworten der Kommission, soweit sie die Tarifpraktiken der DB betreffen, sehr zurückhaltend formuliert. Insbesondere hat die Kommission in ihrer Antwort auf die schriftliche Anfrage Nr. 1720/81 ihre Beurteilung der Tarifpolitik der DB mit dem Zusatz "bisher" versehen und ausgeführt, sie sei "bereit, den von dem Herrn Abgeordneten aufgeworfenen Fall zu prüfen, wenn ihr präzisere Informationen, insbesondere über die betreffenden Verkehrsverbindungen und die zur Anwendung gelangenden Beförderungspreise und -bedingungen zugeleitet werden". Folglich steht die angefochtene Entscheidung, die gerade auf solchen "präziseren Informationen" beruht, nicht im Widerspruch zu den Antworten, die die Kommission im Parlament erteilt hat, und ändert somit nicht deren Tragweite.

115 Demnach kann sich die Klägerin wegen der Stellungnahmen der Kommission vor dem Parlament weder auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen noch geltend machen, sie habe ein berechtigtes Vertrauen in sie gesetzt.

116 Schließlich ist der Umstand, daß die Kommission ihre Antworten an das Parlament unter Vorbehalt erteilt hat und daß sie in der Folgezeit, als sie aufgrund einer Beschwerde und der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens durchgeführten Untersuchungsmaßnahmen eine festere und kritischere Haltung eingenommen hat, nicht unvereinbar mit den Erfordernissen einer ordnungsgemässen Verwaltung, sondern vielmehr ein gutes Beispiel hierfür.

117 Folglich ist auch der vierte Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

118 Die Klägerin ist der Meinung, die gegen sie verhängte Geldbusse sei unter Verletzung des Verhältnismässigkeitsgrundsatzes festgesetzt worden. Die Kommission habe während zwanzig Jahren keine Vertragsverletzung im Bereich des Eisenbahnverkehrs festgestellt, obwohl ihr die Praktiken der Bahnunternehmen sehr wohl bekannt gewesen seien. Eine Geldbusse sei aufzuheben oder zumindest herabzusetzen, wenn die Kommission gezögert habe, gegen vermeintliche Wettbewerbsverletzungen einzuschreiten (Urteil des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnrn. 51 und 52).

119 Der Betrag der Geldbusse sei auch im Hinblick auf die Schwere der angeblichen Zuwiderhandlung unverhältnismässig. Tatsächlich seien die Folgen der Zuwiderhandlung, die die Kommission als erwiesen ansehe, in Wirklichkeit nicht eingetreten. Die Klägerin weist insoweit darauf hin, daß die untersuchte Tarifpolitik keinerlei Verlust für die in der beschwerdeführenden Vereinigung zusammengeschlossenen Unternehmen mit sich gebracht und auf dem Markt der Transporte über die Westhäfen im allgemeinen keine Umstellung der Versender in den belgisch/niederländischen Häfen auf andere Verkehrsträger zur Folge gehabt habe. Eine solche Umstellung sei selbst theoretisch kaum möglich, da der Lkw- und der Binnenschiffahrtstransport auf diesem Markt bereits die am meisten genutzten Transportarten seien.

120 Die Klägerin beanstandet abschließend, daß die Kommission entgegen ihrer Verwaltungspraxis bei der Berechnung von Geldbussen die durch Artikel 22 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1017/68 gezogenen Grenzen anhand des Gesamtumsatzes der DB (12,9 Milliarden ECU für das Jahr 1993) und nicht anhand des durch den Containerverkehr erzielten Umsatzes (461 Millionen DM für das Jahr 1993) berechnet habe.

121 Die Beklagte trägt vor, die angefochtene Geldbusse sei die erste, die aufgrund der Verordnung Nr. 1017/68 festgesetzt worden sei. Dieser Umstand habe jedoch die Festsetzung des Betrages nicht beeinflusst. Der Betrag der Geldbusse sei vollauf gerechtfertigt, da sich die DB über die von ihr vorgenommene Diskriminierung völlig im klaren gewesen und nicht bereit gewesen sei, diese abzustellen.

122 Das Verhalten der DB habe darüber hinaus schwerwiegende Folgen gehabt. Während des Zeitraums 1989 bis 1991 habe der Verkehr auf der Nordstrecke um 20 % zu- und auf der Weststrecke um 10 % abgenommen. Die Beklagte räumt ein, daß das Gutachten nahelege, daß die Verkehrsströme während des Untersuchungszeitraums mehr oder minder konstant geblieben seien; selbst wenn aber diese Berechnungen richtig wären, komme das Verhalten der DB doch einer Verhinderung der Erhöhung des Anteils der Bahn am Containertransport auf den Weststrecken gleich, was allein schon einen schweren Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln darstelle.

123 Die Beklagte weist noch darauf hin, daß sie nach der Rechtsprechung des Gerichts nicht verpflichtet sei, ihre Absicht anzukündigen, eine Geldbusse festzusetzen. Sie habe die Untersuchung eröffnet, sobald sie die Beschwerde erhalten habe. Der Betrag der festgesetzten Geldbusse schließlich liege innerhalb der durch Artikel 22 der Verordnung Nr. 1017/68 gezogenen Grenze.

Würdigung durch das Gericht

124 Artikel 22 der Verordnung Nr. 1017/68 verleiht der Kommission die Befugnis, eine Geldbusse wegen Verletzung des Artikels 8 dieser Verordnung festzusetzen. Der Umstand, daß die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 86 des Vertrages und nicht gegen Artikel 8 der Verordnung Nr. 1017/68 festgestellt hat, hindert sie nicht, eine Geldbusse gemäß Artikel 22 der Verordnung Nr. 1017/68 festzusetzen, da die anwendbaren Vorschriften des Artikels 8 dieser Verordnung denselben Wortlaut und dieselbe Tragweite haben wie die des Artikels 86 des Vertrages (vgl. Randnr. 77). Die Wahl des Artikels 22 der Verordnung Nr. 1017/68 als Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Geldbusse ist im übrigen von der Klägerin nicht beanstandet worden.

125 Das Gericht hat gemäß Artikel 24 der Verordnung Nr. 1017/68 bei Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, in denen eine Geldbusse oder ein Zwangsgeld festgesetzt ist, die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung im Sinne von Artikel 172 des Vertrages.

126 Hinsichtlich der Berechnung der Geldbusse stellt das Gericht fest, daß die Kommission den in Artikel 22 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1017/68 festgesetzten Hoechstsatz von 10 % nicht überschritten hat. Nach dieser Vorschrift kann die Kommission Geldbussen bis zu 10 % des "von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes" festsetzen. Nach ständiger Rechtsprechung kann sie in diesem Rahmen sowohl den Gesamtumsatz des Unternehmens als auch den Anteil dieses Umsatzes, der auf die von der Zuwiderhandlung betroffenen Leistungen entfällt, berücksichtigen (Urteil Compagnie maritime belge transport u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 233). Unter Berücksichtigung der von den Parteien gemachten Angaben entspricht die Geldbusse von 11 Millionen ECU weniger als 0,1 % des von der DB 1993 erzielten Umsatzes und weniger als 5 % des von der DB 1993 im Containerverkehr erzielten Umsatzes. Daraus folgt, daß die Kommission bei jeder Betrachtungsweise unterhalb des in Artikel 22 der Verordnung Nr. 1017/68 festgesetzten Hoechstsatzes geblieben ist.

127 Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Geldbusse innerhalb der in Artikel 22 der Verordnung Nr. 1017/68 vorgesehenen quantitativen Grenzen ist darauf hinzuweisen, daß die Geldbussen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission sind und diese somit bei ihrer Festsetzung über ein Ermessen verfügen muß, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (Urteile des Gerichts in der Rechtssache Martinelli/Kommission, a. a. O., Randnr. 59, und vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 53). Das Gericht hat jedoch nachzuprüfen, ob der Betrag der festgesetzten Geldbusse in einem angemessenen Verhältnis steht zur Dauer der festgestellten Zuwiderhandlung und zu den anderen Faktoren, die für die Beurteilung der Schwere des Verstosses eine Rolle spielen, wie dem Einfluß, den das Unternehmen auf dem Markt ausüben konnte, dem Gewinn, den es aus seinem Verhalten ziehen konnte, dem Volumen und dem Wert der betroffenen Leistungen sowie der Gefahr, die die Zuwiderhandlung für die Ziele der Gemeinschaft bedeutet (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion Française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 120 und 129).

128 Im vorliegenden Fall konnte der DB nicht unbekannt sein, daß ihr Verhalten aufgrund seines Ausmasses, seiner Dauer und seines systematischen Charakters die Beförderungen über die deutschen Häfen erheblich begünstigte und so schwerwiegende Einschränkungen des Wettbewerbs mit sich brachte. Folglich hat die Kommission die Zuwiderhandlung zu Recht als vorsätzlich eingestuft (vgl. dazu Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 157). Die Kommission hat ausserdem zu Recht der relativ langen Dauer der Zuwiderhandlung (zumindest zwei Jahre und zehn Monate), der Tatsache, daß die DB nach Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte keinerlei Zusagen gegeben hat, ihr Verhalten zu ändern, und den wirtschaftlichen Vorteilen, die die DB aus ihrer Zuwiderhandlung ziehen konnte, Rechnung getragen.

129 Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Kommission über Beweise für den besonders schwerwiegenden Charakter der festgestellten Zuwiderhandlung verfügte und daß deshalb die Höhe der festgesetzten Geldbusse, insbesondere der Prozentsatz des Umsatzes, den sie darstellt, nicht unverhältnismässig ist.

130 Die Kommission war entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht verpflichtet, einen niedrigeren Betrag festzusetzen, weil sie zuvor noch keine Geldbussen in dem betreffenden Sektor verhängt hatte. Insoweit genügt der Hinweis, daß das Fehlen von Präzedenzfällen nicht für eine Herabsetzung einer Geldbusse geltend gemacht werden kann, wenn die Schwere des Mißbrauchs einer beherrschenden Stellung und die dadurch bewirkten Einschränkungen des Wettbewerbs feststehen (Urteil Tetra Pak/Kommission, a. a. O., Randnr. 239; Urteil des Gerichtshofes vom 14. November 1996 in der Rechtssache C-333/94 P, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1996, I-5951, Randnrn. 46 bis 49). Auch kann die Klägerin der Kommission nicht vorwerfen, daß sie gezögert habe, einzugreifen, und so selbst zur Dauer der Zuwiderhandlung beigetragen habe. Insoweit genügt die Feststellung, daß die Kommission sogleich nach Erhalt einer Beschwerde über die Tarifpraktiken der Klägerin eine Untersuchung eingeleitet hat.

131 Die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse ist daher weder aufzuheben noch herabzusetzen.

132 Nach alledem ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

133 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist und die Kommission beantragt hat, ihr die Kosten aufzuerlegen, ist die Klägerin zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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