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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 21.03.1996
Aktenzeichen: T-230/94
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 173
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Hat die Kommission eine an einen Stipendienbewerber gerichtete Entscheidung, mit der sie seine Bewerbung im Rahmen des ° durch die Entscheidung 92/217 des Rates festgelegten ° spezifischen Programms für Forschung und technologische Entwicklung im Bereich Humankapital und Mobilität abgelehnt hat, nur damit begründet, daß der Bewerber nicht die für eine Stipendienvergabe erforderlichen Voraussetzungen der Staatsangehörigkeit und der Mobilität erfuelle, und erweist sich diese Begründung als unzutreffend, so ist die Entscheidung aufzuheben.

Die Kommission kann die Aufhebung ihrer Entscheidung nicht dadurch vermeiden, daß sie geltend macht, es hätten auch andere Gründe für die Ablehnung der Bewerbung vorgelegen. Jedenfalls kann sie die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen rechtfertigen, die in dieser selbst nicht enthalten sind und die sie erst nach Klageerhebung angeführt hat, denn der Betroffene konnte sich für die Frage, ob die Ablehnung seiner Bewerbung begründet und die Erhebung einer Klage vor dem Gericht zweckmässig sei, ausschließlich auf die in der Entscheidung selbst genannten Gründe stützen. Da sie rechtlich nicht hinreichend belegt hat, daß eine Vervollständigung der Bewerbung ausgeschlossen gewesen wäre, kann sie sich schließlich auch nicht darauf berufen, daß der Kläger kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung habe, weil er nicht die sachlichen Vergabevoraussetzungen für das Stipendium erfuelle und sie daher ohnehin eine Ablehnungsentscheidung hätte treffen müssen.

2. Die Haftung der Gemeinschaft ist an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft; es ist erforderlich, daß die den Organen vorgeworfene Handlung rechtswidrig ist, daß ein tatsächlicher Schaden eingetreten ist und daß zwischen der Handlung und dem Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

Ein Stipendienbewerber hat daher keinen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, der ihm angeblich durch die entgangene Chance zur Fortführung von Ausbildung und Forschung entstanden ist, wenn er nicht nachgewiesen hat, daß er alle Voraussetzungen für die Stipendienvergabe erfuellte und ihm damit ein tatsächlicher und sicherer Schaden entstanden ist.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 21. März 1996. - Frederick Farrugia gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Nichtigkeitsklage - Entscheidung der Kommission, mit der die Vergabe eines Stipendiums an den Kläger abgelehnt wurde - Eignungskriterien - 'Britischer überseeischer Bürger' - Fehlerhafte Begründung - Außervertragliche Haftung - Immaterieller Schaden. - Rechtssache T-230/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Der Kläger, der an der Universität Athen das Medizinstudium abgeschlossen hat und auf Chirurgie spezialisiert ist, bewarb sich mit Schreiben vom 3. Februar 1994 an die Generaldirektion Wissenschaft, Forschung und Entwicklung der Kommission (GD XII) um ein Stipendium im Bereich Forschung und technische Entwicklung (Research training fellowship) für einen Aufenthalt im Vereinigten Königreich.

2 Nach Artikel 3 der Allgemeinen Vergabebedingungen für Stipendien der Forschungsausbildung, die die Kommission (GD XII) gemäß der Entscheidung 92/217/EWG des Rates vom 16. März 1992 über ein spezifisches Programm für Forschung und technologische Entwicklung im Bereich Humankapital und Mobilität (1990°1994) (ABl. L 107, S. 1) festgelegt hat, muß ein Bewerber für den Erhalt eines Stipendiums folgende Voraussetzungen erfuellen:

"a) Staatsangehörigkeit:

Der Bewerber muß Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Gemeinschaft oder eines assoziierten Staates oder eine natürliche Person mit Wohnsitz in der Gemeinschaft sein;

b) Mobilität:

Der Bewerber muß die Staatsangehörigkeit eines anderen als des Staates besitzen, in dem sich das Laboratorium befindet, und darf im letztgenannten Staat vor der Einreichung der Bewerbung nicht länger als zwei Jahre seine normale Tätigkeit ausgeuebt haben;

..."

3 Im Anschreiben zu seiner Bewerbung wies der Kläger darauf hin, daß er, obgleich in Griechenland geboren und dort lebend, "britischer überseeischer Bürger" ("British overseas citizen"), aber nicht britischer Staatsangehöriger sei. Mit Schreiben vom 18. März 1994 lehnte die Kommission die Bewerbung unter Rücksendung der Unterlagen gleichwohl mit der Begründung ab, der Kläger sei Bürger des Aufnahmelandes; ausserdem fehlten die Anlagen 6 (D2), 9 und 10-2 (D1.2) der Bewerbungsunterlagen (Beurteilung des Forschungsvorhabens durch die Aufnahmeeinrichtung und Bescheinigung über die Zulassung des Bewerbers als Forscher), und das Projekt sei kein Forschungsvorhaben, sondern beziehe sich auf eine Lehrveranstaltung. Die Bewerbung könne erneut eingereicht werden.

4 Der Kläger übersandte seine Bewerbung daraufhin erneut mit Schreiben vom 7. April 1994. Er betonte darin, daß er, wie er bereits im Anschreiben zu seiner Bewerbung vom 3. Februar 1994 mitgeteilt habe, nicht britischer Bürger, sondern "britischer überseeischer Bürger" sei. Nach der diesbezueglichen Erklärung des Vereinigten Königreichs anläßlich des Beitritts zu den Europäischen Gemeinschaften gelte er nicht als britischer Staatsangehöriger und sei somit entgegen den Ausführungen der Kommission im Schreiben vom 18. März 1994 nicht Bürger des Aufnahmelandes (Vereinigtes Königreich). Er fügte seinem Schreiben eine Kopie der ihm vom griechischen Ministerium für öffentliche Ordnung erteilten Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer sowie ein Schriftstück der Aufnahmeeinrichtung im Vereinigten Königreich (Royal Postgraduate Medical School) bei. Zu letzterem merkte er an, dieses "Schreiben der Aufnahmeeinrichtung" ersetze die Anlage 9 der Bewerbung und sei, wie er hoffe, ausreichend.

5 Mit Schreiben vom 26. April 1994 antwortete die Kommission dem Kläger wie folgt:

"Mit dem Ausdruck des Bedauerns senden wir Ihnen Ihre Stipendienbewerbung erneut zurück. Wir erlauben uns den Hinweis, daß Sie nicht Bürger eines Drittlands, sondern zweier Mitgliedstaaten der Gemeinschaft sind. Wir bitten daher um Ihr Verständnis dafür, daß Sie nach unseren für die Zulassung geltenden Staatsangehörigkeitskriterien sowohl die britische als auch die griechische Staatsangehörigkeit besitzen und die erforderlichen Voraussetzungen weder für das Vereinigte Königreich noch für Griechenland erfuellen."

("I regret to send you back once more your application for a grant. May I emphasize that you are not a citizen of a third country but a citizen from two EC countries.

Therefore please understand that with regards to our nationality criteria of eligibility, you have a double British and Greek nationality and that you are not eligible either for UK or Greece.")

6 Der Kläger hat am 6. Juni 1994 einen Antrag auf Prozeßkostenhilfe gestellt, dem das Gericht (Erste Kammer) mit Beschluß vom 14. Dezember 1994 stattgegeben hat.

7 Daraufhin hat er mit Klageschrift, die am 10. Januar 1995 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

8 Da die Beklagte keine Gegenerwiderung eingereicht hat, ist das schriftliche Verfahren am 24. Juli 1995 mit der Einreichung der Erwiderung abgeschlossen worden.

9 Mit Entscheidung vom 19. September 1995 ist der Berichterstatter der Zweiten Kammer zugeteilt worden; die Rechtssache ist demgemäß dieser Kammer zugewiesen worden.

10 Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen; es hat die Kommission zuvor um Beantwortung einer schriftlichen Frage ersucht. In der Sitzung vom 23. November 1995 sind die Parteien gehört worden und haben mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

11 Der Kläger beantragt,

° die Entscheidung der Kommission, mit der seine Bewerbung um ein Stipendium der Forschungsausbildung wegen Nichterfuellung der Voraussetzungen abgelehnt wurde, aufzuheben;

° ihm als Ersatz für den entstandenen Gesamtschaden 13 900 ECU zuzusprechen.

12 In der Sitzung vom 23. November 1995 hat der Kläger erklärt, er nehme den Schadensersatzantrag zurück, soweit dieser den von ihm erlittenen materiellen Schaden betreffe, und erhalte ihn nur hinsichtlich des ihm durch die Bewerbungsablehnung entstandenen immateriellen Schadens aufrecht.

13 Die Beklagte beantragt,

° die Klage abzuweisen;

° dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.

Zum Aufhebungsantrag

Zur Zulässigkeit

14 Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, da sie mit ihrem Schreiben vom 18. März 1994 über die Bewerbung des Klägers in der Sache entschieden habe, enthalte ihr späteres Schreiben vom 26. April 1994 lediglich eine bestätigende Entscheidung. Die Klage sei daher wegen Versäumung der zweimonatigen Frist nach Artikel 173 Absatz 5 EG-Vertrag unzulässig.

15 Dieser Einwand gegen die Zulässigkeit der Klage, die das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der Rechtssache T-465/93, Consorzio gruppo di azione locale "Murgia Messapica"/Kommission, Slg. 1994, II-361, Randnr. 24), greift nicht durch. Nach dem Schreiben der Kommission vom 18. März 1994, mit dem sie die Bewerbung des Klägers erstmals und aus den dort genannten Gründen zurückwies, durfte die Bewerbung nämlich erneut eingereicht werden. Obwohl die Kommission die Stipendienbewerbung des Klägers sowohl mit ihrem Schreiben vom 18. März 1994 als auch mit dem vom 26. April 1994 ablehnte, kann die in dem zweiten Schreiben enthaltene Ablehnungsentscheidung, die nach erneuter Prüfung der Bewerbung und auf der Grundlage entsprechend einer Aufforderung der Kommission vervollständigter Bewerbungsunterlagen getroffen wurde, nicht als eine die Ablehnung im Schreiben vom 18. März 1994 bestätigende Entscheidung angesehen werden. Die Anfechtungsklage gegen die im Schreiben der Kommission vom 26. April 1994 enthaltene Entscheidung ist daher zulässig.

Zur Begründetheit

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

16 Der Kläger trägt vor, obwohl er in Griechenland geboren sei und sich dort ständig aufhalte, besitze er, wie die ihm vom griechischen Ministerium für öffentliche Ordnung erteilte "Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer" belege, nicht die griechische Staatsangehörigkeit. Eine solche Genehmigung werde nur für Bürger von Drittländern ausgestellt. Er besitze auch nicht die britische Staatsangehörigkeit, sondern sei lediglich "britischer überseeischer Bürger" ("British overseas citizen"). Kein Mitgliedstaat betrachte die "britischen überseeischen Bürger" als Gemeinschaftsangehörige. Insoweit sei zu verweisen auf die bei der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags abgegebene ° und inzwischen durch eine entsprechende neue Erklärung (ABl. 1983, C 23, S. 1) abgelöste ° Erklärung der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Bestimmung des Begriffs "Staatsangehörige" (ABl. 1972, L 73, S. 196), wonach Personen ohne Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich nicht britische Staatsangehörige seien. Auch nach dem einschlägigen britischen Gesetz (Section 3 [1] des Immigration Act 1971) hätten Personen, die nicht die britische Staatsangehörigkeit besässen, kein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich. Schließlich hat der Kläger eine Kopie seines Reisepasses vorgelegt, in dem angegeben ist, daß britische überseeische Bürger im Gegensatz zu britischen Bürgern kein Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich besitzen.

17 Es sei daher unzutreffend, wenn die Kommission in ihrem Schreiben vom 26. April 1994 behaupte, daß er die griechische und die britische Staatsangehörigkeit besitze. Folglich erfuelle er alle in Artikel 3 der Vergabevoraussetzungen für Forschungsausbildungsstipendien festgelegten Staatsangehörigkeits- und Mobilitätsvoraussetzungen: Er sei nicht Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats, wohne aber in Griechenland und wolle sich zum Zweck medizinischer Forschung in das Vereinigte Königreich begeben, ohne dort jemals eine regelmässige Tätigkeit ausgeuebt zu haben.

18 Die Kommission räumt in ihrer Klagebeantwortung ein, daß der Kläger tatsächlich nicht, wie in ihrem Schreiben vom 26. April 1994 irrtümlich ausgeführt, die griechische Staatsangehörigkeit besitze. In der mündlichen Verhandlung vom 23. November 1995 hat sie weiter eingeräumt, daß der Kläger ° ebenfalls entgegen ihren Ausführungen im Schreiben vom 26. April 1994 ° auch nicht die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs (Aufnahmeland) besitze und damit die Staatsangehörigkeits- und Mobilitätsvoraussetzungen gemäß Artikel 3 Buchstabe a der Allgemeinen Vergabebedingungen für Stipendien der Forschungsausbildung erfuelle.

19 Allerdings sei die Bewerbung des Klägers nicht nur wegen Nichterfuellung dieser beiden Voraussetzungen abgelehnt worden, die sich lediglich auf die Zulässigkeit einer Stipendienbewerbung bezögen. Auch wenn die Zulässigkeit einer Bewerbung festgestellt sei, sei weiterhin eine vorherige Beurteilung des Bewerbers, der Aufnahmeeinrichtung, d. h. der Einrichtung, an der der Bewerber sein Forschungsvorhaben durchführen wolle, und des Forschungsvorhabens selbst vorzunehmen. Vor der tatsächlichen Vergabe eines Stipendiums unterliege somit jede Bewerbung einer Beurteilung unter diesen drei Gesichtspunkten.

20 Im vorliegenden Fall habe sie den Kläger mit Schreiben vom 18. März 1994 darauf hingewiesen, daß mehrere, den Bewerbungsunterlagen als Anlagen 6 und 9 beizufügende Stellungnahmen der Aufnahmeeinrichtung zur Stipendienbewerbung gefehlt hätten. So habe der Kläger insbesondere keinen Nachweis dafür vorgelegt, daß die Aufnahmeeinrichtung ihn als Forscher akzeptiere, und weiterhin auf den Vordrucken für die genannten Anlagen "not applicable" vermerkt, was zeige, daß sein Vorhaben in Wirklichkeit eine Lehrveranstaltung betreffe und kein von der Aufnahmeeinrichtung gebilligtes Forschungsvorhaben sei, das die Vergabe des beantragten Stipendiums rechtfertigen würde.

21 Dem hält der Kläger in seiner Erwiderung entgegen, daß seine Bewerbung, anders als die Kommission jetzt behaupte, ausweislich ihres Schreibens vom 26. April 1994 ausschließlich wegen Nichterfuellung der Staatsangehörigkeits- und Mobilitätsvoraussetzungen abgelehnt worden sei.

Würdigung durch das Gericht

22 Die im Schreiben vom 26. April 1994 enthaltene ablehnende Entscheidung der Kommission über die Stipendienbewerbung des Klägers ist allein damit begründet, daß er nicht Staatsangehöriger eines Drittlands, sondern zweier Mitgliedstaaten sei und sowohl für das Vereinigte Königreich als auch für Griechenland nicht die Vergabevoraussetzung der Staatsangehörigkeit erfuelle.

23 Zur Frage, ob der Kläger, wie im Schreiben der Kommission vom 26. April 1994 behauptet, die griechische Staatsangehörigkeit besitzt, kann den Akten entnommen werden, daß er der Kommission mit Schreiben vom 7. April 1994 in Kopie seine Aufenthaltsgenehmigung für Griechenland übersandte, die für ein Jahr gültig ist und in zwei Gemeinschaftssprachen, Griechisch und Englisch, die klare und eindeutige Bezeichnung "Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer" ("ADIA PARAMONIS ALLODAPOU ° ALIEN' S RESIDENCE PERMIT") trägt. Da sich das Aufenthaltsrecht des Klägers in Griechenland aus einer Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer ergibt, ist die Annahme der Kommission, er sei griechischer Staatsangehöriger, unzutreffend. Die Kommission selbst hat in ihrer Klagebeantwortung eingeräumt, daß ihr Schreiben vom 26. April 1994 in bezug auf die Staatsangehörigkeit des Klägers einen Irrtum enthalte und er tatsächlich nicht griechischer Staatsangehöriger sei.

24 Was die Frage angeht, ob der Kläger die britische und damit die Staatsangehörigkeit des "Aufnahmelands" besitzt, so heisst es in Artikel 4 der Richtlinie 68/360/EWG des Rates vom 15. Oktober 1968 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten und ihre Familienangehörigen innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 13):

"(1) Die Mitgliedstaaten gewähren den in Artikel 1 genannten Personen, welche die in Absatz 3 aufgeführten Unterlagen vorlegen, das Aufenthaltsrecht in ihrem Hoheitsgebiet.

(2) Zum Nachweis des Aufenthaltsrechts wird eine Bescheinigung, die 'Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG' , erteilt. In dieser Bescheinigung muß vermerkt sein, daß sie auf Grund der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und der von den Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften ausgestellt worden ist. Der Text dieses Vermerks ist in der Anlage dieser Richtlinie wiedergegeben."

25 Wie ausgeführt (siehe oben, Randnr. 23), besaß der Kläger in Griechenland keine "Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG", sondern eine vom griechischen Ministerium für öffentliche Ordnung erteilte, für ein Jahr gültige und in Griechisch und Englisch klar und eindeutig als solche bezeichnete "Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer" ("ADIA PARAMONIS ALLODAPOU ° ALIEN' S RESIDENCE PERMIT"). Wäre der Kläger aber für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts als britischer Staatsangehöriger anzusehen, so hätte er nach der zitierten Bestimmung der Richtlinie 68/360 nicht auf eine Aufenthaltsgenehmigung mit einjähriger Gültigkeitsdauer, sondern auf eine fünf Jahre gültige und ohne weiteres verlängerbare "Aufenthaltserlaubnis für Gemeinschaftsangehörige" Anspruch gehabt.

26 Ausserdem ist zwar in der Aufenthaltsgenehmigung des Klägers "Staatsangehörigkeit: britisch" angegeben, sie enthält aber auch die Angabe "Staatsangehörigkeit: Melitea", d. h. maltesisch. Dies erklärt, warum die griechischen Behörden dem Kläger keine "Aufenthaltserlaubnis für Gemeinschaftsangehörige", sondern eine solche für Ausländer erteilt haben.

27 Selbst wenn man im übrigen davon ausgeht, die Dienststellen der Kommission hätten, wie in der Klagebeantwortung erläutert, die Angabe "Melitea" in der griechischen Aufenthaltsgenehmigung des Klägers als Angabe seines Geburtsorts in Griechenland aufgefasst und aus diesem Grunde angenommen, er besitze ebenfalls die griechische Staatsangehörigkeit, so konnten sie doch nicht annehmen, daß er gleichzeitig die griechische Staatsangehörigkeit und eine griechische Aufenthaltsgenehmigung für Ausländer besitze.

28 Die Kommission kann auch nicht geltend machen, daß die griechischen Behörden mit der Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung für Drittstaatsangehörige an den Kläger selbst einem Irrtum erlegen seien, da sie, obgleich er "britischer überseeischer Bürger" sei, nicht die Möglichkeit seiner britischen Staatsangehörigkeit berücksichtigt hätten. Der Kläger hatte in seinem Schreiben vom 7. April 1994 nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, daß er nicht britischer Bürger, sondern "britischer überseeischer Bürger" sei. Er nahm dabei Bezug auf die neue Erklärung des Vereinigten Königreichs über die Bestimmung des Begriffs "Staatsangehörige", die nach der Verabschiedung des "British Nationality Act 1981" die entsprechende Erklärung anläßlich des Beitritts zu den Europäischen Gemeinschaften ersetzt hat (siehe oben, Randnr. 16) und wie folgt lautet:

"In bezug auf das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ist unter den Begriffen 'Staatsangehörige' , 'Staatsangehörige von Mitgliedstaaten' oder 'Staatsangehörige von Mitgliedstaaten und überseeischen Ländern und Gebieten' , wo immer sie in dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft oder dem Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl oder in einem der sich von diesen Verträgen herleitenden Rechtsakte der Gemeinschaft verwendet werden, folgendes zu verstehen:

a) Britische Bürger;

b) Personen, die gemäß Abschnitt IV de[s] 'British Nationality Act 1981' britische Untertanen sind und das Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich besitzen und aufgrund dieser Tatsache von der Einwanderungskontrolle des Vereinigten Königreichs befreit sind;

c) Bürger der 'British Dependent Territories' , die ihre Staatsbürgerschaft aufgrund einer Verbindung mit Gibraltar erwerben."

29 Somit konnte die Kommission nicht davon ausgehen, daß der Kläger für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts britischer Staatsangehöriger sei. Denn wie er vor dem Gericht durch Vorlage seines Reisepasses bewiesen hat, fällt er weder unter den Buchstaben b noch unter die Buchstaben a und c der vorstehenden Erklärung des Vereinigten Königreichs.

30 Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, daß der Kläger die britische Staatsangehörigkeit für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts tatsächlich nicht besitze und er infolgedessen die für das beantragte Forschungsausbildungstipendium geltenden Staatsangehörigkeits- und Mobilitätsvoraussetzungen erfuelle.

31 Demnach ist die Begründung der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft und letztere somit aufzuheben.

32 Dem steht nicht das Vorbringen der Kommission in der Klagebeantwortung und der Sitzung entgegen, daß die Bewerbung des Klägers nicht nur wegen seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch aus den in ihrem Schreiben vom 18. März 1994 angegebenen weiteren Gründen abgelehnt worden sei. Dort habe sie den Kläger darauf hingewiesen, daß bestimmte, den Bewerbungsunterlagen beizufügende Stellungnahmen der Aufnahmeeinrichtung fehlten und daß er durch seine Angabe "nicht einschlägig" auf den entsprechenden Vordrucken zum Ausdruck gebracht habe, daß es bei dem Vorhaben für das beantragte Stipendium in Wirklichkeit um eine Lehrveranstaltung und nicht um ein Forschungsprojekt gehe.

33 Denn entgegen dem Vorbringen der Kommission, der Kläger habe die Komplettierung der Stipendienbewerbung durch bestimmte Nachweise über das Vorliegen der sachlichen Vergabevoraussetzungen versäumt, hat er ausweislich der Akten seinem Schreiben vom 7. April 1994 eine Bescheinigung der Aufnahmeeinrichtung (Royal Postgraduate Medical School) beigefügt, die er, wie er in seinem Schreiben anmerkte, für ausreichend erachtete.

34 Gleichwohl sandte die Kommission daraufhin mit Schreiben vom 26. April 1994 dem Kläger die Bewerbung erneut zurück, ohne ihre Ausführungen im Schreiben vom 18. März 1994 aufzugreifen, daß er die Beifügung bestimmter erforderlicher Dokumente zu den Bewerbungsunterlagen versäumt habe. Vielmehr wies sie wiederum darauf hin, daß er nicht Staatsangehöriger eines Drittlands, sondern zweier Mitgliedstaaten sei und aus diesem Grunde weder für Griechenland noch für das Vereinigte Königreich die Voraussetzungen für den Erhalt eines Stipendiums erfuelle.

35 Dies führt zu dem Schluß, daß die Kommission die Bewerbung des Klägers allein wegen Nichterfuellung der Staatsangehörigkeits- und Mobilitätsvoraussetzungen und nicht aus den erstmals in ihrer Klagebeantwortung angegebenen Gründen (siehe oben, Randnrn. 18 und 19) ablehnte.

36 Jedenfalls kann sie die angefochtene Entscheidung nicht mit Gründen rechtfertigen, die in dieser selbst nicht enthalten sind und die sie erst nach Klageerhebung angeführt hat, denn der Kläger konnte sich für die Frage, ob die Ablehnung seiner Bewerbung begründet und die Erhebung einer Klage vor dem Gericht zweckmässig sei, ausschließlich auf die in der Entscheidung selbst genannten Gründe stützen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Februar 1990 in der Rechtssache C-343/87, Culin/Kommission, Slg. 1990, I-225, und Urteil des Gerichts vom 12. Februar 1992 in der Rechtssache T-52/90, Volger/Parlament, Slg. 1992, II-121).

37 Ebensowenig greift das Vorbringen der Kommission durch, der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, weil er nicht die sachlichen Vergabevoraussetzungen für das streitige Stipendium erfuelle und sie daher seine Bewerbung auch ungeachtet des Irrtums über seine Staatsangehörigkeit ohne weiteres ablehnen müsse (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 16. Oktober 1975 in der Rechtssache 90/74, Deböck/Kommission, Slg. 1975, 1123, und vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache 30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, und Urteil des Gerichts vom 9. Oktober 1992 in der Rechtssache T-50/91, De Persio/Kommission, Slg. 1992, II-2365, Randnr. 24).

38 Denn die Kommission hat rechtlich nicht hinreichend belegt, daß sie den Kläger, sollten die mit seinem Schreiben vom 7. April 1994 eingereichten Unterlagen nach ihrer Auffassung für eine ordnungsgemässe Bewerbung nicht genügen, auch nach eingehender Prüfung der Bewerbungsunterlagen etwa wegen Ablaufs einer Ausschlußfrist nicht ° ebenso wie bereits in ihrem Schreiben vom 18. März 1994 ° zur Vorlage geeigneter Unterlagen auffordern könnte.

39 Demnach hat die Kommission die angefochtene Entscheidung vom 26. April 1994 fehlerhaft damit begründet, daß der Kläger die Vergabevoraussetzungen für ein Forschungsstipendium wegen seiner Staatsangehörigkeit nicht erfuelle. Die Entscheidung ist daher aufzuheben.

Zum Schadensersatzantrag

Zur Begründetheit

Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

40 Der Kläger macht geltend, ihm sei durch den Irrtum der Kommission über seine Staatsangehörigkeit ein beträchtlicher Schaden entstanden, da ihm eine einmalige Chance zur Weiterbildung und zur Fortführung seiner Forschung im Vereinigten Königreich entgangen sei. Wie auch das Schreiben der Kommission vom 26. April 1994 erkennen lasse ("Mit dem Ausdruck des Bedauerns senden wir Ihnen Ihre Stipendienbewerbung erneut zurück..."), habe er seine Bewerbung mit erheblichem Aufwand wiederholt eingereicht und dadurch wertvolle Zeit für seine Ausbildung und seinen beruflichen Werdegang verloren. Der hierdurch verursachte Schaden sei auf 10 400 ECU zu veranschlagen. Er habe auch einen erheblichen immateriellen Schaden erlitten, der mit 3 500 ECU zu bewerten sei. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger jedoch den Antrag auf Ersatz des materiellen Schadens zurückgenommen und seinen Schadensersatzantrag auf den immateriellen Schaden beschränkt.

41 Die Kommission entgegnet, der Kläger mache keinen sicheren, sondern einen nur möglichen Schaden geltend. Selbst wenn seine Bewerbung die sachlichen Vergabevoraussetzungen erfuellen würde, was ° wie im Zusammenhang mit dem Aufhebungsantrag dargelegt (siehe oben, Randnrn. 18 und 19) ° nicht der Fall sei, wäre sie noch unter drei Gesichtspunkten sachlich zu prüfen (siehe oben, Randnr. 18), bevor das Stipendium tatsächlich vergeben werden könne. Im Zeitraum 1992 bis 1994 seien bei ihr mehr als 6 000 Bewerbungen für Stipendien der Forschungsausbildung eingegangen, von denen nur 1 800 positiv beschieden worden seien.

Würdigung durch das Gericht

42 Die Haftung der Gemeinschaft ist nach ständiger Rechtsprechung an das Zusammentreffen mehrerer Voraussetzungen geknüpft; es ist erforderlich, daß die den Organen vorgeworfene Handlung rechtswidrig ist, daß ein tatsächlicher Schaden eingetreten ist und daß zwischen der Handlung und dem Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht (vgl. zuletzt Urteile des Gerichtshofes vom 1. Juni 1994 in der Rechtssache C-136/92 P, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., Slg. 1994, I-1981, und des Gerichts vom 26. Oktober 1995 in der Rechtssache T-185/94, Geotronics/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

43 Um nachzuweisen, daß ihm durch den Verlust der Chance, seine Ausbildung und Forschung im Vereinigten Königreich fortzuführen, tatsächlich ein immaterieller Schaden entstanden ist, hätte der Kläger zumindest belegen müssen, daß seine Bewerbung die sachlichen Vergabevoraussetzungen erfuellte und ihm die Chance einer Sachentscheidung über die Stipendienbewerbung somit nur infolge der rechtswidrigen, auf dem Irrtum über die Staatsangehörigkeit beruhenden Ablehnung der Bewerbung durch die Kommission entgangen ist.

44 Er hat jedoch weder im schriftlichen noch im mündlichen Verfahren bewiesen, daß die Bewerbung die sachlichen Voraussetzungen wirklich erfuellte und er demgemäß gute Aussichten auf die schließliche Zuerkennung des beantragten Stipendiums gehabt hätte, wenn die Kommission seine Staatsangehörigkeit nicht unzutreffend beurteilt hätte. So ist für das Gericht aus dem der Antwort des Klägers vom 7. April 1994 auf das Schreiben der Kommission vom 18. März 1994 beigefügten Schriftstück (siehe oben, Randnrn. 3 und 4), das den Briefkopf der Royal Postgraduate Medical School trägt, aber den Kläger nicht namentlich nennt, nicht erkennbar, daß er von dieser Einrichtung tatsächlich als Forscher für ein bestimmtes Vorhaben akzeptiert wurde.

45 Der Kläger hat damit nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, daß er neben den Voraussetzungen der Staatsangehörigkeit und Mobilität auch die sachlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung und etwaige Annahme seiner Bewerbung durch die Kommission erfuellte; demgemäß braucht nicht geprüft zu werden, ob weitere für die Bewerbung erforderliche Unterlagen fehlten und die Bewerbungsunterlagen somit, wie von der Kommission vorgetragen, nicht ordnungsgemäß waren oder welche Aussichten der Kläger auf die Zuerkennung des Stipendiums letztlich hatte.

46 Folglich ist der Antrag auf Ersatz des behaupteten immateriellen Schadens abzuweisen, da der Kläger nicht nachgewiesen hat, daß seine Stipendienbewerbung, hätte die Kommission sie nicht aufgrund ihres Irrtums über seine Staatsangehörigkeit abgelehnt, die Voraussetzungen für ihre Berücksichtigung und Annahme erfuellt hätte und ihm damit ein tatsächlicher und sicherer Schaden entstanden ist (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 2. Juni 1965 in der Rechtssache 9/64, Acciaieria Ferriera di Roma/Hohe Behörde, Slg. 1965, 421, 435, und vom 13. Juli 1972 in der Rechtssache 79/71, Heinemann/Kommission, Slg. 1972, 579, Randnr. 9, und Urteil des Gerichts vom 18. Mai 1995 in der Rechtssache T-478/93, Wafer Zoo/Kommission, Randnr. 49, Slg. 1995, II-1479).

Kostenentscheidung:

Kosten

47 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die im Schreiben vom 26. April 1994 enthaltene Entscheidung der Kommission wird aufgehoben.

2. Der Schadensersatzantrag wird abgewiesen.

3. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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