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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: T-238/00
Rechtsgebiete: Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB), Verfahrensordnung, EGV


Vorschriften:

Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB)
Verfahrensordnung Art. 114 § 1
EGV Art. 230
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Nicht jede schriftliche Beantwortung eines Antrags durch eine Gemeinschaftseinrichtung gegenüber dem Antragsteller ist eine Entscheidung im Sinne von Artikel 230 EG, gegen die Nichtigkeitsklage erhoben werden kann. Nur Maßnahmen, die verbindliche, die Interessen des Klägers beeinträchtigende Rechtswirkungen erzeugen, indem sie dessen Rechtslage erheblich verändern, stellen Handlungen oder Entscheidungen dar, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG sein können.

( vgl. Randnr. 45 )

2. Eine ablehnende Maßnahme einer Gemeinschaftseinrichtung ist nach der Art des Antrags zu beurteilen, der durch sie beschieden wird. Insbesondere kann die Weigerung einer Gemeinschaftseinrichtung, eine Handlung zu widerrufen oder zu ändern, nur dann eine nach Artikel 230 EG auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfbare Handlung sein, wenn die Handlung, deren Widerruf oder Änderung die Einrichtung verweigert, selbst nach dieser Bestimmung anfechtbar gewesen wäre.

( vgl. Randnr. 46 )

3. Die Beschäftigungsbedingungen und die Dienstvorschriften der Europäischen Zentralbank stellen generelle Rechtsakte dar, die auf objektiv bestimmte Situationen anwendbar sind und Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umschriebene Personengruppen erzeugen.

Eine Gewerkschaft kann nur dann die Änderung oder Aufhebung dieser Rechtsakte beantragen, wenn sie im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG von ihnen unmittelbar und individuell betroffen ist.

Soweit eine Gewerkschaft geltend macht, sie habe nach ihrer Satzung die Aufgabe, für die Beschäftigten der Europäischen Zentralbank Tarifverträge anzustreben, um dadurch an der Gestaltung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Mitglieder mitzuwirken, wobei sie zu diesem Zweck gegebenenfalls auch Streiks zu organisieren habe, reichen die von ihr angeführten besonderen Eigenschaften nicht aus, um darzutun, dass sie von den Regelungen über die Rechtsquellen für die Beschäftigungsverhältnisse zwischen der Europäischen Zentralbank und ihren Mitarbeitern und über die Ausübung des Streikrechts, die in den Beschäftigungsbedingungen und den Dienstvorschriften der Bank enthalten sind, im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individuell betroffen ist. Es handelt sich nämlich nicht um besondere Eigenschaften, da jede Vereinigung, die irgendwann zur Vertretung der Beschäftigten der Europäischen Zentralbank tätig wird, diese Eigenschaften aufweist. Die streitigen Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften betreffen die Klägerin in der gleichen Weise, wie sie jede andere Gewerkschaft betreffen, die tatsächlich oder potenziell die Interessenvertretung dieser Beschäftigten wahrnimmt.

( vgl. Randnrn. 48, 50, 54, 56 )


Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Vierte Kammer) vom 18. April 2002. - International and European Public Services Organisation (IPSO) und Union of Staff of the European Central Bank (USE) gegen Europäische Zentralbank. - Europäische Zentralbank - Ablehnung einer Änderung der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften - Gewerkschaften - Nichtigkeitsklage - Unzulässigkeit. - Rechtssache T-238/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-238/00

International and European Public Services Organisation (IPSO) mit Sitz in Frankfurt am Main (Deutschland),

Union of Staff of the European Central Bank (USE) mit Sitz in Frankfurt am Main,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte T. Raab-Rhein, M. Roth, C. Roth und B. Karthaus, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerinnen,

gegen

Europäische Zentralbank, vertreten durch J. M. Fernández Martín und J. Sánchez Santiago als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung des Vizepräsidenten der Europäischen Zentralbank vom 7. Juli 2000, mit der die Anträge der Klägerinnen auf Änderung einer Reihe von Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank und der Dienstvorschriften der Europäischen Zentralbank abgelehnt wurden,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras, der Richterin V. Tiili und des Richters P. Mengozzi,

Kanzler: H. Jung

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Nach den Artikeln 36.1 und 12.3 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (EZB) im Anhang zum EG-Vertrag (im Folgenden: ESZB-Satzung) legt der EZB-Rat auf Vorschlag des Direktoriums die Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB fest; er beschließt außerdem eine Geschäftsordnung, die die interne Organisation der EZB und ihrer Beschlussorgane regelt.

2 Am 9. Juni 1998 erließ der EZB-Rat aufgrund von Artikel 36.1 der ESZB-Satzung einen Beschluss über die Verabschiedung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB (im Folgenden: Beschäftigungsbedingungen), dessen geänderte Fassung vom 31. März 1999 (ABl. L 125, S. 32) zusammen mit der vom EZB-Rat nach Artikel 12.3 der ESZB-Satzung verabschiedeten Geschäftsordnung der EZB in der geänderten Fassung vom 22. April 1999 (ABL. L 125, S. 34) im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde.

3 Artikel 21 der Geschäftsordnung in der geänderten Fassung lautet:

21.1 Die Beschäftigungsverhältnisse zwischen der EZB und ihren Mitarbeitern werden in den Beschäftigungsbedingungen und den Dienstvorschriften geregelt.

21.2 Die Beschäftigungsbedingungen werden vom EZB-Rat auf Vorschlag des Direktoriums genehmigt und geändert....

21.3 Die Beschäftigungsbedingungen werden durch Dienstvorschriften umgesetzt, die vom Direktorium festgelegt und geändert werden.

21.4 Die Personalvertretung ist vor der Festlegung neuer Beschäftigungsbedingungen oder Dienstvorschriften anzuhören. Ihre Stellungnahme ist dem EZB-Rat oder dem Direktorium vorzulegen."

4 Artikel 8 der Beschäftigungsbedingungen regelt das Streikrecht der Mitarbeiter der EZB; er bestimmt:

Die Ausübung des Streikrechts setzt eine vorherige schriftliche Ankündigung durch die den Streik durchführende Organisation und, wenn das Direktorium dies verlangt, die Aufrechterhaltung eines Mindestdienstes voraus. Einzelheiten zu diesen Beschränkungen werden in den Dienstvorschriften festgelegt."

5 Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen regelt die rechtlichen Grundlagen des Beschäftigungsverhältnisses der Mitarbeiter der EZB; er sieht vor:

a) Das Beschäftigungsverhältnis zwischen der EZB und ihren Mitarbeitern wird durch im Rahmen der vorliegenden Beschäftigungsbedingungen geschlossene Beschäftigungsverträge geregelt. Die Einzelheiten der Umsetzung dieser Beschäftigungsbedingungen werden in den vom Direktorium beschlossenen Dienstvorschriften festgelegt.

...

c) Diese Beschäftigungsbedingungen unterliegen keinem bestimmten nationalen Recht. Die EZB wendet i) die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen allgemeinen Rechtsgrundsätze, ii) die allgemeinen Grundsätze des Rechts der Europäischen Gemeinschaft (EG) und iii) die Vorschriften an, die in den an die Mitgliedstaaten gerichteten Verordnungen und Richtlinien der EG über Sozialpolitik enthalten sind. Diese Rechtsakte werden von der EZB immer dann angewandt, wenn es sich als erforderlich erweist. Empfehlungen der EG auf dem Gebiet der Sozialpolitik werden angemessen berücksichtigt. Die Auslegung der in den vorliegenden Beschäftigungsbedingungen geregelten Rechte und Pflichten erfolgt unter angemessener Berücksichtigung der maßgebenden Grundsätze der Verordnungen, Regelungen und der Rechtsprechung, die für die Bediensteten der EG-Organe gelten."

6 In den Artikeln 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen wird die Vertretung des Personals der EZB geregelt:

45. Eine Personalvertretung, deren Mitglieder in geheimer Wahl gewählt werden, vertritt die allgemeinen Interessen aller Mitarbeiter in Bezug auf Beschäftigungsverträge, Dienstvorschriften und Bezüge, Beschäftigungs-, Arbeits-, Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen in der EZB, soziale Absicherung und Versorgungssysteme.

46. Die Personalvertretung ist vor jeder Änderung dieser Beschäftigungsbedingungen, der Dienstvorschriften und bei allen Fragen im Zusammenhang mit den in Artikel 45 genannten Angelegenheiten anzuhören."

7 Das Direktorium legte am 1. Juli 1998 gemäß den Artikeln 21.3 der Geschäftsordnung und 9 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen die Dienstvorschriften für das Personal der EZB fest; diese sehen in Artikel 1.4 u. a. vor:

Für die Anwendung von Artikel 8 der Beschäftigungsbedingungen gelten folgende Regeln:

...

1.4.2 Der Streik muss von einer Organisation durchgeführt werden, die entweder vom Direktorium als Vertreterin einer Gruppe von Mitarbeitern anerkannt worden ist (wie die Personalvertretung), oder mindestens ein Sechstel der Mitarbeiter der EZB bzw. ein Drittel der Mitarbeiter einer Direktion oder Generaldirektion der EZB vertritt.

1.4.3 Die den Streik durchführende Organisation hat das Direktorium mindestens zehn Arbeitstage vor dem ersten Streiktag schriftlich von dem beabsichtigten Streik zu unterrichten. In der schriftlichen Ankündigung sind der Gegenstand der Streitigkeit, die Art der beabsichtigten Streikmaßnahmen und der geplante Zeitraum des Streiks genau anzugeben.

1.4.4 Das Direktorium der EZB bestimmt im Einzelfall, welche Mindestdienste bei der EZB während des Streiks aufrechtzuerhalten sind.

...

1.4.7 Gegen Mitarbeiter, die sich an einem Streik beteiligen, werden keine Disziplinarmaßnahmen ergriffen, es sei denn, der betreffende Mitarbeiter ist für die oben erwähnten Mindestdienste herangezogen worden und hat diese nicht geleistet, um sich am Streik beteiligen zu können."

Sachverhalt

8 Die International and European Public Services Organisation (IPSO), ein nicht eingetragener Verein nach deutschem Recht, ist eine Gewerkschaft, die die Interessen der Mitarbeiter der in Deutschland tätigen internationalen und europäischen Organisationen vertritt. Zu ihren Mitgliedern gehören auch Mitarbeiter der EZB.

9 Die Union of the Staff of the European Central Bank (USE) ist ebenfalls eine Gewerkschaft in der Rechtsform eines nicht eingetragenen Vereins nach deutschem Recht. Sie vertritt die Interessen der Mitarbeiter der EZB.

10 Nach den Angaben in der Klageschrift vertreten die Klägerinnen etwa 24 % der Mitarbeiter der EZB.

11 Wie sich aus den Akten ergibt, kam es 1999 zu Gesprächen zwischen einerseits der EZB und andererseits deren Personalvertretung sowie den Klägerinnen über die Beteiligung von Gewerkschaften bei der Vertretung der Interessen des Personals gegenüber der Bank. Diese Interessenvertretung wird allein durch die Personalvertretung wahrgenommen, die nach den Artikeln 21.4 der Geschäftsordnung sowie 45 und 46 der Beschäftigungsbedingungen vor der Festlegung neuer Beschäftigungsbedingungen oder Dienstvorschriften und vor jeder Änderung der geltenden Bestimmungen von der EZB angehört werden muss.

12 Im Rahmen dieser Gespräche vertraten die Klägerinnen in einem Schreiben vom 20. September 1999 an den Vizepräsidenten der EZB den Standpunkt, dass die Entwicklung der Bezüge, die Überstundenregelung und die allgemeinen Beschäftigungsbedingungen nicht durch einseitige Entscheidungen des Arbeitgebers, sondern durch Verhandlungen und Tarifverträge zu regeln seien; sie nahmen zugleich zur Kenntnis, dass die EZB nicht beabsichtige, mit den Gewerkschaften, die ihr Personal verträten, Verhandlungen zu führen.

13 Die Klägerinnen bezogen sich in diesem Schreiben auf Äußerungen des Vizepräsidenten sowie des Generaldirektors für Verwaltung und Personal der EZB und legten dar, warum sie den Standpunkt der Bank ablehnten, die die Beschäftigungsbedingungen so auslege, dass der Abschluss von Tarifverträgen oder jedenfalls deren Anwendung auf die Individualarbeitsverhältnisse rechtlich nicht möglich sei. Eine solche Auslegung führt nach dem Schreiben dazu, dass die Beschäftigungsbedingungen wegen Verstoßes gegen die Übereinkommen Nrn. 87, 98 und 135 der Internationalen Arbeitsorganisation, die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft und das gemeinschaftsrechtlich geschützte Grundrecht der Koalitionsfreiheit rechtswidrig seien. Die Klägerinnen beanstandeten auch Artikel 1.4.2 der Dienstvorschriften, soweit darin die Ausübung des Streikrechts davon abhängig gemacht werde, dass die streikführende Organisation vom Direktorium als repräsentätiv anerkannt sei, wobei willkürliche Kriterien für die Anerkennung festgelegt würden.

14 Die Klägerinnen forderten die EZB in dem Schreiben vom 20. September 1999 auf, dazu Stellung zu nehmen, ob die bei der Bank tätigen Gewerkschaften zur Ausrufung von Streiks berechtigt seien und ob die EZB bereit sei, mit den Gewerkschaften in Verhandlungen zu treten.

15 Der Vizepräsident der EZB antwortete den Klägerinnen mit getrennten Schreiben vom 18. November 1999, dass die Bank die Beschäftigungsbedingungen für ihr Personal nicht in Verhandlungen mit Gewerkschaften festlege.

16 Nach dieser Antwort wandten sich die Klägerinnen mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 an den Vizepräsidenten der EZB und beantragten, dass der EZB-Rat (als Artikel 9 Buchstabe e) eine Bestimmung in die Beschäftigungsbedingungen aufnehmen solle, die u. a. die Möglichkeit der Änderung der Beschäftigungsbedingungen durch Tarifverträge zwischen den Gewerkschaften und der EZB vorsehe.

17 Mit Schreiben vom 28. April 2000 forderten die Klägerinnen die EZB - wiederum in der Person ihres Vizepräsidenten - auf, zu der in dem unbeantwortet gebliebenen Schreiben vom 2. Dezember 1999 aufgeworfenen Frage Stellung zu nehmen sowie die Regelung über die Ausübung des Streikrechts in Artikel 1.4 der Dienstvorschriften zu ändern. Dabei beantragten sie die Rücknahme des gesamten Artikels 1.4.2 (Anerkennung der streikführenden Organisation), der letzten beiden Satzteile des Artikels 1.4.3 (Verpflichtung zur Angabe der Art der beabsichtigten Streikmaßnahmen und des geplanten Zeitraums) sowie des zweiten Teils von Artikel 1.4.7 (Zulässigkeit der Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Mitarbeiter, die einer Verpflichtung zu Mindestdiensten nicht nachkommen) durch das Direktorium. Nach Auffassung der beiden Gewerkschaften enthalten diese Bestimmungen zusätzliche, über Artikel 8 der Beschäftigungsbedingungen hinausgehende Beschränkungen der Ausübung des Streikrechts; sie seien daher sowohl in formeller (Fehlen eines Beschlusses des EZB-Rats) als auch in materieller Hinsicht (Verletzung eines Grundrechts) rechtswidrig. Zum Abschluss des Schreibens beantragten die Klägerinnen unter Hinweis auf Artikel 35 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts, dass die EZB ihre Antwort in deutscher Sprache verfassen solle.

18 Der Vizepräsident der EZB richtete daraufhin am 7. Juli 2000 zwei Schreiben mit identischem Inhalt an die Klägerinnen; sie lauteten:

In Beantwortung Ihres Schreibens vom 28. April 2000 teile ich Ihnen nach Einholung einer Stellungnahme unseres Juristischen Dienstes mit, dass ich Ihre Auffassung zur Gültigkeit der Dienstvorschriften und zu den Beschränkungen des Streikrechts aus den folgenden Gründen nicht teile:

- Was die Gültigkeit der Dienstvorschriften angeht, so bin ich der Meinung, dass das Direktorium in Anbetracht von Artikel 36.1 der Satzung des ESZB und der EZB in Verbindung mit Artikel 21.3 der Geschäftsordnung vollauf zum Erlass dieser Vorschriften befugt war. Ich teile weder ihre Auffassung zum Umfang der Befugnis des Direktoriums zum Erlass der Dienstvorschriften noch kann ich mich Ihren Erwägungen zum Begriff der internen Organisation anschließen.

- Die in den Artikeln 1.4.2, 1.4.3 und 1.4.7 der Dienstvorschriften enthaltenen Beschränkungen des Streikrechts setzen die Beschäftigungsbedingungen um, indem sie festlegen, wie die dort aufgestellten allgemeinen Beschränkungen anzuwenden sind.

- In Bezug auf Ihr Schreiben vom 2. Dezember 1999, mit dem Sie die Aufnahme eines neuen Buchstaben e in Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen verlangen, muss ich Ihnen zu meinem Bedauern mitteilen, dass ich insoweit nichts veranlassen kann.

Schließlich haben Sie in Anbetracht der Verfahrensordnung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften um eine Antwort in deutscher Sprache gebeten. Ich möchte betonen, dass ich Ihr Schreiben aus Gründen der Höflichkeit beantworte und dass das vorliegende informelle Verfahren in keinem Zusammenhang mit einem Rechtsstreit steht."

Verfahren und Anträge der Parteien

19 Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 11. September 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage gegen das Schreiben des Vizepräsidenten der EZB vom 7. Juli 2000 erhoben.

20 Mit besonderem Schriftsatz, der am 26. Oktober 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die EZB nach Artikel 114 der Verfahrensordnung eine Einrede der Unzulässigkeit erhoben. Die Klägerinnen haben am 11. Dezember 2000 eine Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit eingereicht.

21 In der Klageschrift beantragen die Klägerinnen,

- die Entscheidung der Beklagten vom 7. Juli 2000 für nichtig zu erklären;

- der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

22 Mit ihrer Einrede beantragt die Beklagte,

- die Klage als offensichtlich unzulässig abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

23 In ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragen die Klägerinnen,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- hilfsweise, die Entscheidung dem Endurteil vorzubehalten.

Zur Zulässigkeit der Klage

24 Gemäß Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach Artikel 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt; im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und sieht daher keinen Anlass, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

Vorbringen der Parteien

25 Die Beklagte macht zunächst geltend, das streitige Schreiben sei keine anfechtbare Handlung im Sinne von Artikel 230 EG. Nach ständiger Rechtsprechung reiche die schriftliche Beantwortung eines Antrags durch eine Gemeinschaftseinrichtung nicht aus, um das entsprechende Schreiben an den Antragsteller als Entscheidung im Sinne von Artikel 230 EG anzusehen, gegen die Nichtigkeitsklage erhoben werden könne. Nur Maßnahmen, die bindende, die Interessen des Klägers beeinträchtigende Rechtsfolgen hervorbrächten, indem sie dessen Rechtslage erheblich veränderten, stellten Handlungen oder Entscheidungen dar, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach der genannten Bestimmung sein könnten (Urteil des Gerichts vom 28. Oktober 1993 in der Rechtssache T-83/92, Zunis Holding u. a./Kommission, Slg. 1993, II-1169, Randnr. 30).

26 Das streitige Schreiben habe keine bindenden Rechtsfolgen, sondern stelle lediglich eine Antwort des Vizepräsidenten der Bank auf die von den Klägerinnen im Rahmen informeller Gespräche mit der EZB gestellten Forderungen dar. Erstens gebe es keine Vorschrift, durch die der Vizepräsident verpflichtet oder auch nur ermächtigt würde, im vorliegenden Zusammenhang rechtlich bindende Beschlüsse zu fassen. Zweitens habe der Vizepräsident den Klägerinnen in dem Schreiben nur mitgeteilt, dass er die in ihren Schreiben vom 2. Dezember 1999 und vom 28. April 2000 vorgetragenen Rechtsansichten nicht teile, wobei er darauf hingewiesen habe, dass er diese Schreiben lediglich aus Gründen der Höflichkeit beantworte.

27 Im Übrigen habe das streitige Schreiben keine erhebliche Veränderung der Rechtslage der Klägerinnen bewirkt. Es stelle lediglich eine Bestätigung der bereits vor dem Erhalt des Schreibens bestehenden Rechtslage dar.

28 Zudem sei das Schreiben vom 7. Juli 2000 gegenüber der den Klägerinnen mit den Schreiben des Vizepräsidenten der EZB vom 18. November 1999 erteilten Antwort nur eine wiederholende Verfügung. In diesen Schreiben habe die Bank die Klägerinnen bereits darüber unterrichtet, dass sie nicht beabsichtige, die Beschäftigungsbedingungen und damit implizit auch die Dienstvorschriften durch den Abschluss von Tarifverträgen mit den Gewerkschaften zu ändern. Die Klägerinnen hätten auf diese Schreiben keine Klage erhoben; sie könnten keine erneute Reaktion der EZB herbeiführen, um eine Wiedereröffnung der abgelaufenen Fristen zu bewirken.

29 Die Beklagte macht außerdem geltend, die Klägerinnen seien nicht klagebefugt. Sie verweist hierzu auf die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte über die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Nichtigkeitsklagen gegen ablehnende Handlungen. Diese seien nach der Art des Antrags zu beurteilen, der durch sie beschieden werde. Insbesondere könne die Weigerung einer Gemeinschaftseinrichtung, eine Handlung zu widerrufen oder zu ändern, nur dann eine nach Artikel 230 EG auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfbare Handlung sein, wenn die Handlung, deren Widerruf oder Änderung die Einrichtung verweigere, selbst nach dieser Bestimmung anfechtbar gewesen wäre (Urteil Zunis Holding u. a./Kommission, Randnr. 31).

30 Im vorliegenden Fall seien die Handlungen, deren Änderung die Klägerinnen begehrten - die Beschäftigungsbedingungen und die Dienstvorschriften -, abstrakt-generelle Rechtsakte, die auf sämtliche gegenwärtigen und künftigen Mitarbeiter der EZB in ihrer Gesamtheit anwendbar seien. Nach ständiger Rechtsprechung könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine zur Verteidigung von Kollektivinteressen einer Personengruppe begründete Vereinigung von einer die allgemeinen Interessen dieser Gruppe berührenden Maßnahme unmittelbar und individuell betroffen werde (Urteil des Gerichtshofes vom 18. März 1975 in der Rechtssache 72/74, Union syndicale u. a./Rat, Slg. 1975, 401, Randnr. 17). Da die Klägerinnen von den Beschäftigungsbedingungen und den Dienstvorschriften nicht unmittelbar und individuell betroffen seien, sei die in dem Schreiben vom 7. Juli 2000 erteilte Auskunft, dass die EZB keine Änderung dieser Rechtsakte beabsichtige, keine nach Artikel 230 EG auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfbare Handlung.

31 Die Beklagte trägt schließlich vor, dass die Klägerinnen gegen die von ihnen beanstandeten Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung hätten Klage erheben müssen. Da die Beschäftigungsbedingungen und die Dienstvorschriften am 9. Juni 1998 und am 1. Juli 1998 festgelegt worden seien, sei die am 11. September 2000 erhobene Klage in Ermangelung neuer Tatsachen verspätet und damit unzulässig.

32 Die Klägerinnen machen zunächst geltend, das streitige Schreiben sei eine anfechtbare Handlung. Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage gegen eine ablehnende Entscheidung einer Gemeinschaftseinrichtung sei diese Entscheidung nach der Art des Antrags zu beurteilen, der durch sie beschieden werde (Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996 in der Rechtssache T-330/94, Salt Union/Kommission, Slg. 1996, II-1475, Randnr. 32). Dabei sei die Form, in der die Handlung oder Entscheidung ergehe, grundsätzlich ohne Einfluss auf ihre Anfechtbarkeit im Wege der Nichtigkeitsklage. Um festzustellen, ob Schreiben einer Gemeinschaftseinrichtung Handlungen im Sinne von Artikel 230 EG seien, sei auf ihren Inhalt und den Kontext, in dem sie verfasst worden seien, abzustellen (Urteil des Gerichts vom 17. Februar 2000 in der Rechtssache T-241/97, Stork Amsterdam/Kommission, Slg. 2000, II-309, Randnr. 62).

33 Nach Auffassung der Klägerinnen sind die mit dem streitigen Schreiben beantworteten Anfragen keinesfalls als bloße Auskunftsersuchen auszulegen. Das streitige Schreiben sei als Ablehnung der Anträge vom 2. Dezember 1999 und vom 28. April 2000 anzusehen. Es gebe eindeutig den endgültigen Standpunkt der Beklagten zu den Anträgen der Klägerinnen wieder, indem es diesen die Möglichkeit der Mitwirkung bei der Gestaltung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB vorenthalte. Das streitige Schreiben enthalte daher eine Entscheidung, die verbindliche Rechtswirkungen für die Klägerinnen entfalte, und stelle folglich eine im Wege der Klage nach Artikel 230 EG anfechtbare Handlung dar.

34 Die Klägerinnen lehnen es auch ab, das Schreiben vom 7. Juli 2000 als bloße Bestätigung der Schreiben des Vizepräsidenten der EZB vom 18. November 1999 anzusehen. Während die EZB die Klägerinnen mit diesen Schreiben davon unterrichtet habe, dass sie als Arbeitgeberin nicht gewillt sei, in Tarifverhandlungen über die Beschäftigungsbedingungen einzutreten, habe sie mit dem Schreiben vom 7. Juli 2000 den Klägerinnen in Ausübung der ihr nach Artikel 36.1 der ESZB-Satzung eingeräumten Befugnisse mitgeteilt, dass sie weder die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf die Beschäftigungsverhältnisse schaffen noch die Bestimmungen über das Streikrecht ändern werde.

35 Die Klägerinnen sind weiterhin der Auffassung, dass sie klagebefugt seien; die entsprechenden Argumente der Beklagten seien nicht stichhaltig.

36 Sie verweisen zunächst darauf, dass sie die Adressatinnen der angefochtenen Entscheidung seien. Außerdem bestreiten sie den normativen Charakter der Rechtsakte, deren Änderung die EZB abgelehnt habe, d. h. der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften. Bei diesen handele es sich nicht um Verordnungen, sondern um allgemeine Vertragsbedingungen privatrechtlicher Natur, deren Rechtswirkung auf einem privatrechtlichen Arbeitsvertrag und nicht auf der Ausübung einer Normsetzungsbefugnis durch die EZB beruhe. Artikel 36.1 der ESZB-Satzung sei nicht so zu verstehen, dass er dem EZB-Rat eine Normsetzungsbefugnis gewähre; er enthalte vielmehr eine Verpflichtung zur Aufstellung einheitlicher Vertragsbedingungen im Sinne einer allgemeinen Übung, die die Gleichbehandlung der Beschäftigten sichern solle. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass diese Vorschrift nicht zu den Bestimmungen der ESZB-Satzung zähle, zu deren Durchführung die EZB nach Artikel 110 EG Verordnungen erlassen könne; zum anderen folge es daraus, dass in der Bestimmung der Begriff Beschäftigungsbedingungen für das Personal" und nicht etwa der Begriff Statut" oder Verordnung" gebraucht werde.

37 Im Übrigen seien die Klägerinnen, selbst wenn man den Beschäftigungsbedingungen und den Dienstvorschriften normativen Charakter zuerkenne, von der Regelung über die Rechtsquellen für die Beschäftigungsverhältnisse bei der EZB (Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen mit dem Ausschluss von Tarifverträgen) und von der Regelung des Streikrechts (Artikel 1.4 der Dienstvorschriften) unmittelbar und individuell betroffen. Sie seien vor allem deshalb von diesen Regelungen individuell betroffen, weil sie nach ihrer Satzung die Aufgabe hätten, für die Beschäftigten der EZB Tarifverträge anzustreben, um dadurch an der Gestaltung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Mitglieder mitzuwirken; zu diesem Zweck hätten sie gegebenenfalls auch Streiks zu organisieren. Sie seien von den streitigen Handlungen unmittelbar und individuell betroffen, weil sie durch diese Handlungen daran gehindert würden, für die Interessenvertretung ihrer Mitglieder gegenüber der EZB auf die in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten niedergelegten Grundsätze über Tarifverträge zurückzugreifen und Streiks zu organisieren. Sie seien sogar in ihren Wesensmerkmalen betroffen, da es um die Bedingungen für die Ausübung der Koalitionsfreiheit gehe.

38 Die Klägerinnen tragen weiter vor:... nähme [man] an, die EZB verfüge über Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Arbeitsrechts, so sähen sich die Gewerkschaften einem Gesetzgeber unterworfen, der durch die angegriffenen Handlungen die Anwendung der Grundsätze über Tarifverträge ausschließt. Wenn die Möglichkeit zum Abschluss von Tarifverträgen, was Frage der Begründetheit ist, zum europäischen Grundrechtsschutz gehört und dieser auch gegenüber europäischer Normsetzung gilt, dann wären die Gewerkschaften durch die Maßnahmen der Beklagten fundamental betroffen". Im Ergebnis machen sie geltend, sie seien durch den Rechtsakt der Ablehnung der gegenüber der EZB gestellten Anträge unmittelbar und individuell betroffen, da ihnen gerade durch diesen Akt die Verwirklichung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit unmöglich gemacht werde.

39 Schließlich treten die Klägerinnen dem Vorbringen der Beklagten über die verspätete Erhebung der vorliegenden Klage entgegen. Folge man der Argumentation der Beklagten, so könne die Ablehnung der Rücknahme oder Änderung einer Handlung nur innerhalb der für die Anfechtung der betreffenden Handlung vorgesehenen Frist angefochten werden. Dass die Rechtsprechung unter bestimmten Voraussetzungen die isolierte Anfechtung der Ablehnung der Rücknahme oder Änderung einer Handlung durch eine Gemeinschaftseinrichtung nach Artikel 230 EG zulasse, zeige die Unrichtigkeit einer solchen Auslegung. Das fristauslösende Ereignis könne nicht der Erlass des Rechtsakts sein, dessen Änderung begehrt werde, sondern die Ablehnung des hierauf gerichteten Antrags.

40 Außerdem seien die Dienstvorschriften durch eine Entscheidung der EZB erlassen worden, die von dieser selbst als vorläufig betrachtet worden sei und daher nicht geeignet sei, eine Klagefrist auszulösen. Auch seien weder die Beschäftigungsbedingungen noch die Dienstvorschriften im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden. Als die Klägerinnen Kenntnis von diesen Rechtsakten erlangt hätten, hätten sie mangels einer besonderen Regelung annehmen müssen, dass die Anwendung von Tarifverträgen unproblematisch sei; von der Auffassung der EZB, dass die Anwendung von Tarifverträgen eine Änderung der Beschäftigungsbedingungen voraussetze, hätten sie erst im September 1999 durch ein Schreiben an die Personalvertretung erfahren, das als solches keine Fristen zu Lasten der Klägerinnen hätte auslösen können. Ein definitiver Rechtsakt hätte jedenfalls erst ab dem Erlass der Entscheidung über die Ablehnung der Anträge vom 2. Dezember 1999 und vom 28. April 2000 vorgelegen, die in dem Schreiben vom 7. Juli 2000 enthalten sei.

41 Hilfsweise machen die Klägerinnen geltend, dass seit dem Erlass der Beschäftigungsbedingungen neue Tatsachen eingetreten seien: Die konstituierende Hauptversammlung der USE habe erst am 18. März 1999 stattgefunden, also nach Ablauf jeglicher Klagefristen hinsichtlich der [Beschäftigungsbedingungen]".

Würdigung durch das Gericht

42 Die Handlungen und Unterlassungen der EZB unterliegen nach Artikel 35.1 der ESZB-Satzung in den Fällen und unter den Bedingungen, die im EG-Vertrag vorgesehen sind, der Überprüfung und Auslegung durch die Gemeinschaftsgerichte; für Streitsachen zwischen der EZB und ihren Bediensteten gilt die Sonderregelung des Artikels 36.2 der ESZB-Satzung. Da es sich bei der vorliegenden Klage nicht um einen Rechtsstreit zwischen der EZB und ihren Bediensteten handelt, ist ihre Zulässigkeit anhand des Artikels 230 EG zu prüfen, auf den Artikel 35.1 der ESZB-Satzung verweist (in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 30. März 2000 in der Rechtssache T-33/99, Méndez Pinedo/EZB, Slg. ÖD 2000, I-A-63 und II-273, Randnr. 23).

43 Gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG kann jede natürliche oder juristische Person unter den in Artikel 230 Absätzen 1 bis 3 genannten Voraussetzungen gegen die an sie ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie unmittelbar und individuell betreffen".

44 Für die Entscheidung über die Zulässigkeit der vorliegenden Klage ist erstens von Belang, dass nach der Rechtsprechung nicht jede schriftliche Beantwortung eines Antrags durch eine Gemeinschaftseinrichtung gegenüber dem Antragsteller eine Entscheidung im Sinne von Artikel 230 EG ist, gegen die Nichtigkeitsklage erhoben werden kann (Urteil Zunis Holding/Kommission, Randnr. 30, und die dort zitierte Rechtsprechung). Nur Maßnahmen, die verbindliche, die Interessen des Klägers beeinträchtigende Rechtswirkungen erzeugen, indem sie dessen Rechtslage erheblich verändern, stellen Handlungen oder Entscheidungen dar, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG sein können (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1998 in den Rechtssachen C-68/94 und C-30/95, Frankreich u. a./Kommission, Slg. 1998, I-1375, Randnr. 62, Urteile des Gerichts Zunis Holding u. a./Kommission, Randnr. 30 und vom 22. März 2000 in den Rechtssachen T-125/97 und T-127/97, Coca-Cola/Kommission, Slg. 2000, II-1733, Randnr. 77).

45 Zweitens ist eine ablehnende Maßnahme einer Gemeinschaftseinrichtung nach ständiger Rechtsprechung nach der Art des Antrags zu beurteilen, der durch sie beschieden wird. Insbesondere kann die Weigerung einer Gemeinschaftseinrichtung, eine Handlung zu widerrufen oder zu ändern, nur dann eine nach Artikel 230 EG auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfbare Handlung sein, wenn die Handlung, deren Widerruf oder Änderung die Einrichtung verweigert, selbst nach dieser Bestimmung anfechtbar gewesen wäre (Urteil Zunis Holding u. a./Kommission, Randnr. 31, und die zitierte Rechtsprechung).

46 Im vorliegenden Fall haben die Klägerinnen bei der EZB beantragt, in die Beschäftigungsbedingungen eine Bestimmung aufzunehmen, die den Abschluss von Tarifverträgen vorsieht und deren Auswirkung auf die Beschäftigungsverhältnisse zwischen der Bank und ihren Mitarbeitern regelt, sowie bestimmte Teile von Artikel 1.4 der Dienstvorschriften aufzuheben, die nach ihrer Auffassung willkürliche Beschränkungen des Streikrechts enthalten.

47 Die Anträge der Klägerinnen zielten folglich auf eine bestimmte Ausübung der Befugnisse ab, die in Artikel 36.1 der ESZB-Satzung dem EZB-Rat und in den Artikeln 21.3 der Geschäftsordnung sowie 9 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen dem Direktorium eingeräumt werden, und die sich auf die Festlegung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB und der Vorschriften zu deren Umsetzung beziehen. Daher können die Klägerinnen eine Änderung der Beschäftigungsbedingungen und die Aufhebung einzelner Bestimmungen der Dienstvorschriften der EZB nur dann beantragen, wenn sie im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG von diesen Handlungen unmittelbar und individuell betroffen sind (in diesem Sinne Urteil Zunis Holding u. a./Kommission, Randnr. 33).

48 Wie das Gericht bereits in seinem Urteil vom 18. Oktober 2001 in der Rechtssache T-333/99 (X/EZB, Slg. ÖD 2001, II-921, Randnrn. 61 und 62) zur Rechtmäßigkeit einer in den Beschäftigungsbedingungen enthaltenen Bestimmung über das Disziplinarverfahren für Mitarbeiter der EZB festgestellt hat, ist das Beschäftigungsverhältnis zwischen der EZB und ihren Mitarbeitern zwar vertraglicher und nicht dienstrechtlicher Natur; die EZB ist jedoch eine Gemeinschaftseinrichtung, die mit einer Aufgabe von Gemeinschaftsinteresse betraut und ermächtigt ist, im Verordnungswege die für ihr Personal geltenden Bestimmungen festzulegen.

49 Sowohl die Beschäftigungsbedingungen als auch die Dienstvorschriften stellen offensichtlich generelle Rechtsakte dar, die auf objektiv bestimmte Situationen anwendbar sind und Rechtswirkungen für allgemein und abstrakt umschriebene Personengruppen erzeugen (Urteil des Gerichts vom 27. Juni 2001 in der Rechtssache T-166/99, Andres de Dios u. a./Rat, Slg. 2001, II-1857, Randnr. 36, und die dort zitierte Rechtsprechung). Die Beschäftigungsbedingungen regeln nämlich - wie das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften für den europäischen öffentlichen Dienst - die Rechte und Pflichten der Mitarbeiter der EZB, während die Dienstvorschriften wie die nach Artikel 110 Absatz 1 dieses Statuts von den einzelnen Gemeinschaftsorganen erlassenen allgemeinen Durchführungsbestimmungen Kriterien festlegen, von denen sich die EZB bei der Ausübung ihres Ermessens leiten lassen soll und die die Bedeutung unklarer Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen erläutern sollen (vgl. zu diesen Funktionen der allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Beamtenstatut Urteil des Gerichts vom 14. Februar 1990 in der Rechtssache T-75/89, Brems/Rat, Slg. 1990, II-899, Randnr. 29, und zu der Analogie zwischen diesen Bestimmungen und den Dienstvorschriften der EZB Urteil X/EZB, Randnr. 105).

50 Dem generellen Charakter der Beschäftigungsbedingungen steht auch nicht entgegen, dass sie vom EZB-Rat in der Form eines als Beschluss" bezeichneten Rechtsakts erlassen worden sind. Bei der Prüfung, ob ein Rechtsakt den Charakter einer Entscheidung oder einer generellen Rechtsnorm hat, ist nämlich nicht auf die Form abzustellen, in der der Rechtsakt erlassen wurde, sondern ausschließlich auf dessen Wesen (Urteil Andres de Dios u. a./Rat, Randnr. 35).

51 Nach der Rechtsprechung kann allerdings unter bestimmten Umständen auch ein genereller Rechtsakt Einzelne individuell betreffen und daher gegenüber diesen eine Entscheidung darstellen. Das ist der Fall, wenn der fragliche Rechtsakt eine natürliche oder juristische Person wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt (Urteil Andres de Dios u. a./Rat, Randnr. 45, und die zitierte Rechtsprechung).

52 Im Licht dieser Rechtsprechung ist daher zu prüfen, ob die Klägerinnen durch die Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften, um deren Änderung sie sich vergeblich bemüht haben, wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt werden.

53 Die Klägerinnen machen hierzu geltend, sie würden von den genannten Bestimmungen berührt, da sie nach ihrer Satzung die Aufgabe hätten, für die Beschäftigten der EZB Tarifverträge anzustreben, um dadurch an der Gestaltung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen ihrer Mitglieder mitzuwirken; zu diesem Zweck hätten sie gegebenenfalls auch Streiks zu organisieren. Die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder durch den Abschluss von Tarifverträgen und die Organisation von Streiks gehörten zu den wesentlichen Aufgaben einer Gewerkschaft. Die Beschränkung der Rechtsquellen für das Beschäftigungsverhältnis der Mitarbeiter der EZB durch Ausschluss von Tarifverträgen und die restriktive Regelung des Streikrechts beeinträchtigten die Ausübung der Koalitionsfreiheit und beträfen daher die Klägerinnen unmittelbar und individuell. Dasselbe gelte für die Rechtshandlung, mit der ihre Anträge auf Änderung dieser Vorschriften zurückgewiesen worden seien.

54 Mit diesem Vorbringen können die Klägerinnen jedoch allenfalls dartun, dass sich die Beklagte zu Unrecht auf die Rechtsprechung beruft, nach der eine Vereinigung zur Vertretung von Kollektivinteressen nicht zur Erhebung von Nichtigkeitsklagen gegen Rechtsakte befugt ist, die die allgemeinen Interessen der von ihr vertretenen Gruppe berühren. Diese Rechtsprechung ist hier nicht einschlägig, weil die Klägerinnen das Schreiben vom 7. Juli 2000 wegen eines Eingriffs in eine Rechtsstellung angefochten haben, die ihnen als eigenständigen, von den Beschäftigten der EZB unabhängigen Rechtssubjekten zukommt. Die Klägerinnen machen also zur Begründung ihrer Klagebefugnis geltend, dass ihre eigenen Interessen und nicht lediglich die allgemeinen Interessen des Personals der EZB berührt seien.

55 Die von den Klägerinnen angeführten besonderen Eigenschaften reichen jedoch nicht aus, um darzutun, dass sie von den Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften, deren Änderung oder Rücknahme sie beantragt haben, im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individuell betroffen sind. Es handelt sich nämlich nicht um besondere Eigenschaften im Sinne der Rechtsprechung zu dieser Vorschrift, da jede Vereinigung, die irgendwann zur Vertretung der Beschäftigten der EZB tätig wird, diese Eigenschaften aufweist. Die streitigen Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften betreffen die beiden Klägerinnen in der gleichen Weise, wie sie jede andere Gewerkschaft betreffen, die tatsächlich oder potenziell die Interessenvertretung dieser Beschäftigten wahrnimmt.

56 Die Klägerinnen bringen noch vor, sie seien von den fraglichen Bestimmungen der Beschäftigungsbedingungen und der Dienstvorschriften und der Ablehnung einer Änderung dieser Bestimmungen durch die EZB individuell betroffen, weil sie durch diese Maßnahmen an der Ausübung eines durch das Gemeinschaftsrecht geschützten Grundrechts wie der Koalitionsfreiheit gehindert würden. Jedoch ist das Bestehen und die Bedeutung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit in der Gemeinschaftsrechtsordnung sowie eine mögliche Verletzung dieses Rechts durch die streitigen Bestimmungen - wie die Klägerinnen selbst einräumen - im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen.

57 Was die Zulässigkeit der Klage angeht, so rechtfertigt beim gegenwärtigen Stand des Rechtsschutzsystems der Gemeinschaften die bloße Tatsache, dass ein genereller Rechtsakt die rechtliche Stellung eines Bürgers beeinflussen kann, nicht die Annahme, dass dieser Bürger von diesem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffen ist. Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, die einen Bürger aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und ihn dadurch in ähnlicher Weise individualisieren wie den Adressaten einer Entscheidung, kann dieser Bürger eine Klage nach Artikel 230 Absatz 4 EG gegen einen generellen Rechtsakt erheben (in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1969 in den Rechtssachen 10/68 und 18/68, Eridania u. a./Kommission, Slg. 1969, 459, Randnr. 7, und vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorniu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnrn. 20 und 22). Wie bereits festgestellt, sind solche Umstände im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben.

58 Damit ist festzustellen, dass die Klägerinnen weder von der Regelung über die Quellen des für das Beschäftigungsverhältnis der Mitarbeiter der EZB maßgeblichen Rechts in Artikel 9 der Beschäftigungsbedingungen noch von den Bestimmungen über die Ausübung des Streikrechts in Artikel 1.4 der Dienstvorschriften individuell betroffen sind. Da mit dem angefochtenen Schreiben die Änderung einer generellen Regelung abgelehnt wird, von der die Klägerinnen nicht individuell betroffen sind, ist die von diesen gegen die Ablehnung erhobene Nichtigkeitsklage nach der in den Randnummern 44, 45 und 47 dargestellten Rechtsprechung unzulässig. Dass das Ablehnungsschreiben an die Klägerinnen gerichtet war, ist dabei unbeachtlich.

59 Die Klage ist daher als unzulässig abzuweisen, ohne dass es einer Prüfung des weiteren Vorbringens der Parteien bedürfte.

Kostenentscheidung:

Kosten

60Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind und die Beklagte einen entsprechenden Antrag gestellt hat, sind den Klägerinnen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Beklagten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerinnen tragen ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Beklagten.

Ende der Entscheidung

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