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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 03.03.1993
Aktenzeichen: T-25/92
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 43
EWG/EAG BeamtStat Art. 90 Abs. 2
EWG/EAG BeamtStat Art. 29
EWG/EAG BeamtStat Art. 25
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Anstellungsbehörde hat bei der Ablehnung einer Bewerbung um eine freie Planstelle zumindest die Entscheidung zu begründen, mit der sie die Beschwerde des Betroffenen zurückweist.

Handelt es sich um ein Verfahren zur Besetzung im Wege der Versetzung, so braucht sich die Begründung der Zurückweisung einer Beschwerde nur darauf zu beziehen, daß die rechtlichen Voraussetzungen vorgelegen haben, von denen das Statut die Ordnungsmässigkeit des Verfahrens abhängig macht. Gibt es für die Ablehnung eines Bewerbers jedoch einen individuellen und entscheidenden Grund, ist eine allgemein und rein verfahrensmässig gehaltene Begründung der Zurückweisung der Beschwerde unzureichend.

Diese unzureichende Begründung kann jedoch durch entsprechende Ergänzungen durch die Verwaltung während des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden, die es dem Betroffenen ermöglichen, die Erheblichkeit der Begründung für die Ablehnung seiner Bewerbung zu beurteilen, und dem Gericht, seine Rechtmässigkeitskontrolle auszuüben. Unter diesen Umständen wird der Klagegrund der unzureichenden Begründung gegenstandslos.

2. Die Beurteilung des Beamten stellt ein unentbehrliches Bewertungskriterium stets dann dar, wenn die Laufbahn des Beamten für den Dienstherrn von Bedeutung ist. Ein Beförderungsverfahren ist nicht ordnungsgemäß abgelaufen, wenn die Anstellungsbehörde keine Abwägung der Verdienste der Bewerber vornehmen konnte, weil die Beurteilungen eines Bewerbers oder mehrerer Bewerber durch das Verhalten der Verwaltung mit erheblicher Verspätung erstellt worden sind.

Allerdings darf das Fehlen von Beurteilungen nicht zum Stillstand jedes im dienstlichen Interesse gebotenen Beförderungs- oder Versetzungsverfahrens führen. Die Anstellungsbehörde ist also nicht verpflichtet, ihre Beförderungs- oder Versetzungsentscheidungen aufzuschieben, sondern sie kann nach anderen Mitteln suchen, die geeignet sind, dieses Fehlen auszugleichen.

Ermöglichten Gespräche der Verwaltung mit jedem Bewerber eine direkte und persönliche Einschätzung der Fähigkeiten jedes einzelnen in bezug auf die für die freie Stelle geforderten Kenntnisse, wurde das Fehlen einer Beurteilung in der Akte eines Bewerbers ausgeglichen und konnte sich damit auf das Besetzungsverfahren nicht entscheidend auswirken.

3. Die Anstellungsbehörde verfügt bei der Abwägung der Verdienste der Bewerber um eine Versetzung oder Beförderung gemäß Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts über ein weites Ermessen, und die gerichtliche Nachprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob die Anstellungsbehörde von diesem Ermessen nicht einen offensichtlich fehlerhaften Gebrauch gemacht hat.


URTEIL DES GERICHTS ERSTER INSTANZ (VIERTE KAMMER) VOM 3. MAERZ 1993. - JUANA DE LA CRUZ ELENA VELA PALACIOS GEGEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS. - BEAMTE - VERSETZUNG - ABLEHNUNGSENTSCHEIDUNG - BEGRUENDUNG - VERSPAETETE BEURTEILUNG. - RECHTSSACHE T-25/92.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin Juana de la Cruz Elena Vela Palacios ist spanische Staatsangehörige und seit 1986 Beamtin des Wirtschafts- und Sozialausschusses (nachstehend: WSA). Sie ist gegenwärtig als Bürosekretärin der Besoldungsgruppe C 3 im spanischen Schreibpool beschäftigt.

2 Am 20. August 1991 wurde die Stellenausschreibung Nr. 56/91 für den Dienstposten einer Bürosekretärin in der Abteilung "Studien und Konferenzen" der Generaldirektion veröffentlicht. Bei den "erforderlichen Fähigkeiten" waren "gründliche Kenntnisse einer Sprache der Gemeinschaften" und "ausreichende Kenntnisse einer anderen Gemeinschaftssprache" angeführt. In der Ausschreibung war u. a. angegeben, daß die Anstellungsbehörde die Möglichkeiten einer Besetzung der Stelle im Wege der Beförderung oder Versetzung mit Vorrang prüfen werde.

3 Nach der Veröffentlichung dieser Stellenausschreibung reichten die Klägerin und zwei weitere Beamtinnen einen Versetzungsantrag, zwei andere Beamtinnen einen Beförderungsantrag ein. Die fünf Bewerbungen wurden von einem Hauptverwaltungsrat der Abteilung "Studien und Konferenzen" geprüft.

4 Durch Entscheidung vom 28. Oktober 1991 wurde die freie Stelle im Wege der Beförderung besetzt. Mit Schreiben des Generalsekretärs des WSA vom gleichen Tag wurde den übrigen Bewerberinnen, darunter der Klägerin, mitgeteilt, daß ihrer Bewerbung nicht habe entsprochen werden können.

5 Unstreitig enthielt die Personalakte der Klägerin zu diesem Zeitpunkt ° fünf Jahre nach ihrer Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit ° keine Beurteilung im Sinne des Artikels 43 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (nachstehend: Statut). Erst im April 1992 erhielt die Klägerin ihre Beurteilungen für die Jahre 1986 bis 1988 und 1988 bis 1990.

6 Am 27. November 1991 legte die Klägerin eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ein, in der sie der Verwaltung u. a. vorwarf, die Ablehnung ihrer Bewerbung nicht begründet zu haben, und in der das Fehlen jeder Beurteilung ihrer Person entgegen Artikel 43 des Statuts hervorgehoben wurde.

7 Am 8. Januar 1992 wurde ihr mit Schreiben des Generalsekretärs vom 20. Dezember 1991 die Zurückweisung ihrer Beschwerde, die wie folgt begründet war, mitgeteilt:

"Eine amtliche Entscheidung, Ihre Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle (Nr. 56/91) abzulehnen, ist nicht ergangen. Die Anstellungsbehörde ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auch nicht verpflichtet, ihre Entscheidungen gegenüber den Bewerbern, die bei einem Ausleseverfahren nach Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts nicht berücksichtigt worden sind, zu begründen.

Mit meiner Entscheidung vom 28. Oktober ist die Bewerberin ernannt worden, die im Hinblick auf die mit der Stelle einer Bürosekretärin in der Abteilung 'Studien und Konferenzen' der Generaldirektion verbundenen Aufgaben und die dafür erforderlichen Eigenschaften für die Beste gehalten wurde. Da diese Entscheidung ausserdem nach Prüfung eines Berichts des Leiters dieser Abteilung, der mit jeder der fünf Bewerberinnen ein Gespräch geführt hat, getroffen worden ist, kann Ihrem Antrag nicht stattgegeben werden."

Verfahren

8 Daraufhin hat die Klägerin mit Klageschrift, die am 9. April 1992 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

9 Das schriftliche Verfahren ist ordnungsgemäß abgelaufen. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Vierte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit Zustimmung des Gerichts mehrere Bescheinigungen über ihre Sprachkenntnisse zu den Akten gereicht.

10 Die Klägerin beantragt,

° die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

° demgemäß die Entscheidung des Generalsekretärs des WSA vom 28. Oktober 1991, mit der ihre Bewerbung um die freie Stelle einer Bürosekretärin in der Abteilung "Studien und Konferenzen" abgelehnt worden ist, und, soweit erforderlich, die Zurückweisung ihrer Beschwerde vom 20. Dezember 1991 aufzuheben;

° dem Beklagten sämtliche Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

11 Der WSA beantragt,

° die Klage als unbegründet abzuweisen.

Zur Begründetheit

12 Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Klagegründe, mit denen sie zum einen unzureichende Begründung und zum anderen einen Verstoß gegen das dienstliche Interesse sowie eine Verletzung des Grundsatzes der guten und ordnungsgemässen Verwaltung rügt.

Zum ersten Klagegrund

° Vorbringen der Parteien

13 Die Klägerin macht geltend, die Ablehnung ihrer Bewerbung habe keine Begründung enthalten, und die Zurückweisung ihrer Beschwerde habe keine angemessenen Gründe angeführt. Mithin liege ein klarer Verstoß gegen Artikel 25 Absatz 2 des Statuts vor. Wegen der grundlegenden Bedeutung des Erfordernisses einer angemessenen Begründung verweist die Klägerin auf die Urteile des Gerichtshofes vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80 (Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861, Randnr. 22) und des Gerichts vom 20. März 1991 in der Rechtssache T-1/90 (Perez-Mingüz Casariego/Kommission, Slg. 1991, II-143, Randnrn. 73, 76 und 80).

14 Bezueglich des Fehlens einer Begründung der Ablehnung der Bewerbung der Klägerin beruft sich der WSA auf die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach die Anstellungsbehörde deswegen nicht verpflichtet sei, Beförderungsentscheidungen den nicht beförderten Bewerbern gegenüber zu begründen, weil diesen oder zumindest einigen von ihnen durch die Begründung Nachteile erwachsen könnten (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 30. Oktober 1974 in der Rechtssache 188/73, Grassi/Rat, Slg. 1974, 1099). Die von der Klägerin angeführte Rechtssache Perez-Mingüz Casariego/Kommission, a. a. O., sei nicht maßgebend, da sie sich auf einen anderen Sachverhalt beziehe, nämlich eine Ernennung im Anschluß an ein Auswahlverfahren.

15 Zur ausdrücklichen Zurückweisung einer Beschwerde, mit der eine Beförderung angefochten wird, weist der WSA darauf hin, daß die Anstellungsbehörde zwar gehalten sei, eine solche Entscheidung zu begründen, daß sie aber nicht verpflichtet sei, dem nicht berücksichtigten Bewerber die Abwägung offenzulegen, mit der er und der zur Beförderung vorgeschlagene Bewerber miteinander verglichen worden seien, oder im einzelnen darzulegen, wie sie zu der Auffassung gelangt sei, daß der ernannte Bewerber die in der Stellenausschreibung aufgestellten Voraussetzungen erfuelle; die Anstellungsbehörde könne sich vielmehr auf eine Begründung beschränken, die sich nur darauf beziehe, daß die rechtlichen Voraussetzungen vorgelegen hätten, von denen das Statut die Ordnungsmässigkeit der Beförderung abhängig mache (Urteile des Gerichts vom 30. Januar 1992 in der Rechtssache T-25/90, Schönherr/WSA, Slg. 1992, II-63, Randnr. 21, und vom 25. Februar 1992 in der Rechtssache T-11/91, Schloh/Rat, Slg. 1992, II-203, Randnr. 73). Im vorliegenden Fall genüge die gegebene Begründung, auch wenn sie knapp sei, diesen Erfordernissen, und sie genüge dem Zweck der Begründungspflicht, die es dem Betroffenen und dem Gemeinschaftsrichter ermöglichen solle, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu überprüfen und die für die Entscheidung der Verwaltung maßgeblichen Gesichtspunkte kennenzulernen (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1989 in der Rechtssache C-169/88, Prelle/Kommission, Slg. 1989, 4335, Randnrn. 9 und 10).

16 Die Gründe für die Ablehnung der Bewerbung ergäben sich im vorliegenden Fall aber eindeutig aus einem an den Generalsekretär des WSA gerichteten Schreiben des mit der Prüfung der Bewerbungen betrauten Hauptverwaltungsrats Catling vom 21. Oktober 1991, in dem es heisse:

"Ich habe die Bewerbungen aller Beamtinnen um diese freie Stelle geprüft und mit jeder der fünf Bewerberinnen, die gegenwärtig beim WSA tätig sind, ein Gespräch geführt.

Für diese Stelle, bei der eine Vielzahl von Aufgaben in mindestens vier Gemeinschaftssprachen anfällt, muß jemand gefunden werden, der mindestens eine romanische und eine germanische Sprache beherrscht. Falls möglich, sollte ausserdem jemand innerhalb des WSA gefunden werden.

Von den drei in C 3 eingestuften Bewerberinnen ist nur Frau Fe. in der Lage, eine germanische Sprache (Englisch) einzusetzen; ihre Kenntnisse sind aber nicht ganz zufriedenstellend. Frau A. (Italienisch/Französisch) und Frau Vela Palacios (Spanisch/Italienisch) erfuellen die sprachlichen Grundvoraussetzungen nicht.

Somit ist der Beförderungsweg zu prüfen. Zwei Personen haben hier einen Antrag gestellt: Frau B. (die leider nicht das erforderliche Dienstalter für eine Beförderung hat) und Frau Fi. Diese hat mehrere Jahre in Südafrika gelebt, besitzt sehr gute Kenntnisse in Englisch und Französisch sowie ausgezeichnete Kenntnisse des Programms 'Wordperfect' , das für das ordentliche Funktionieren unserer Dienststellen sehr wichtig ist.

Ich bitte Sie daher, das Erforderliche für eine Beförderung von Frau Fi. nach Besoldungsgruppe C 3 zu veranlassen und sie als Sekretärin der Abteilung 'Studien und Konferenzen' zuzuweisen."

17 Das Gericht habe aber in seinen Urteilen Perez-Mingüz Casariego/Kommission (a. a. O., Randnrn. 83 bis 89) und Schloh/Rat (a. a. O., Randnr. 86) entschieden, daß eine Begründung, selbst wenn sie nach Klageerhebung gegeben werde, den Klagegrund einer Verletzung des Artikels 25 des Statuts gegenstandslos machen könne (vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 8. März 1988 in den verbundenen Rechtssachen 64/86, 71/86 bis 73/86 und 78/86, Sergio u. a./Kommission, Slg. 1988, 1399, Randnrn. 52 und 53). Der WSA könne im vorliegenden Fall kein Interesse der Klägerin an der weiteren Betreibung ihrer Klage erkennen, da eine mögliche Aufhebung wegen Begründungsmangels lediglich zum Erlaß einer neuen inhaltsgleichen Entscheidung führen könnte, die dieselben Gründe wie die ihr bereits mitgeteilten anführen würde.

18 In ihrer Erwiderung weist die Klägerin darauf hin, daß sich die Rechtsprechung, die der Beklagte angeführt hat, um die Begründungspflicht abzuschwächen, im wesentlichen auf Beförderungen beziehe, während es im vorliegenden Fall um eine Versetzung gehe. Im übrigen sei in dem Urteil Perez-Mingüz Cariego/Kommission, a. a. O., die Begründungspflicht gegenüber nicht ernannten Bewerbern verallgemeinert worden. So gesehen gebe das Schreiben, mit dem ihre Beschwerde zurückgewiesen worden sei, keine angemessene, sondern lediglich eine rein formale Begründung, die es weder ihr ermögliche, die wahren Gründe für die Ablehnung ihrer Bewerbung kennenzulernen, noch dem Gemeinschaftsrichter, die Rechtmässigkeit der Entscheidung zu kontrollieren.

19 In seiner Gegenerwiderung macht der WSA unter Hinweis auf die Artikel 7 Absatz 1 und 29 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts geltend, daß die Versetzung nach dem Statut inhaltlich genauso geregelt sei wie die Beförderung. Nach ständiger Rechtsprechung müssten Beförderung und Versetzung "auf die gleiche Ebene" gestellt werden (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 12. Mai 1971 in der Rechtssache 55/70, Reinarz/Kommission, Slg. 1971, 379, Randnrn. 4 und 5). Die angeführte Rechtsprechung, der zufolge bei Ablehnung einer Beförderung keine Begründungspflicht bestehe, sei daher sehr wohl auf eine Entscheidung anzuwenden, mit der ein Versetzungsantrag abgelehnt werde. In seinem Urteil vom 12. Februar 1987 in der Rechtssache 233/85 (Bonino/Kommission, Slg. 1987, 739, Randnr. 4) habe der Gerichtshof sie sogar bei Einweisungsverfügungen herangezogen.

20 Soweit die Klägerin mit diesem Klagegrund anscheinend die fehlende Erwähnung der verspäteten Vorlage ihrer Beurteilungen in der Entscheidung über die Zurückweisung ihrer Beschwerde rüge, müsse sie sich sagen lassen, daß diese Unterlassung keinen Begründungsmangel darstelle, da sie die Sachlage vollauf gekannt habe und sie selbst es gewesen sei, die die Verwaltung in ihrer Beschwerde darauf aufmerksam gemacht habe (u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1977 in der Rechtssache 61/76, Geist/Kommission, Slg. 1977, 1419, Randnrn. 23 bis 26).

21 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin geltend gemacht, daß das Schreiben von Herrn Catling vom 21. Oktober 1991, das erst mit der Klagebeantwortung in das Verfahren eingeführt worden sei, neue und verspätet vorgebrachte Gesichtspunkte enthalte und daß seine Vorlage daher offensichtlich unzulässig sei. Mit der Vorlage dieses Schreibens während des Gerichtsverfahrens könne der Beklagte keinesfalls das Fehlen einer Begründung, die das Verwaltungsverfahren kennzeichne, in Ordnung bringen. Die in diesem Schreiben angeführten Gründe hätten vielmehr in die angefochtene Entscheidung oder in die Zurückweisung ihrer Beschwerde aufgenommen werden müssen.

° Würdigung durch das Gericht

22 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Anstellungsbehörde bei der Ablehnung einer Bewerbung, wie das Gericht in seinem Urteil vom 12. Februar 1992 in der Rechtssache T-52/90 (Volger/Parlament, Slg. 1992, II-121, Randnr. 36) entschieden hat, eine Begründung zumindest dann zu geben hat, wenn sie eine gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde zurückweist. Dies entspricht Artikel 90 Absatz 2 des Statuts, der als Antwort auf eine Beschwerde eine "begründete" Entscheidung verlangt. Da Beförderungen und Versetzungen "aufgrund einer Auslese" erfolgen, braucht sich die Begründung der Zurückweisung einer Beschwerde nur darauf zu beziehen, daß die rechtlichen Voraussetzungen vorgelegen haben, von denen das Statut die Ordnungsmässigkeit des Verfahrens abhängig macht.

23 Im vorliegenden Fall hat zwar der Generalsekretär des WSA in seinem Schreiben vom 20. Dezember 1991, mit dem die Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen wurde, erklärt, die Anstellungsbehörde sei nicht verpflichtet, ihre Entscheidungen gegenüber den bei einem Auswahlverfahren nach Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts ausgeschiedenen Bewerbern zu begründen. Diese Erklärung gibt aber nur die Rechtsauffassung des Generalsekretärs wieder und kann daher für sich allein nicht als Beleg für eine fehlende Begründung angesehen werden. Tatsächlich hat es ja der Generalsekretär trotz der von ihm vertretenen Rechtsauffassung im dritten Absatz seines Schreibens unternommen, die Zurückweisung der Beschwerde zu begründen.

24 Zu der Frage, ob die beiden in diesem Schreiben angeführten Gründe im Hinblick auf Artikel 90 Absatz 2 des Statuts ausreichend sind, stellt das Gericht fest, daß es dort zum einen heisst: "... ist die Bewerberin ernannt worden, die im Hinblick auf die mit der Stelle einer Sekretärin in der Abteilung 'Studien und Konferenzen' der Generaldirektion verbundenen Aufgaben und die dafür erforderlichen Eigenschaften für die Beste gehalten wurde." Hieraus ergibt sich, daß der Beklagte eine Abwägung der jeweiligen Fähigkeiten und Verdienste der Bewerberinnen vorgenommen hat und daß diese Abwägung zur Auswahl einer anderen Bewerberin als der Klägerin geführt hat. Zum anderen heisst es in diesem Schreiben: "[D]iese Entscheidung [ist] nach Prüfung eines Berichts des Leiters dieser Abteilung, der mit jeder der fünf Bewerberinnen ein Gespräch geführt hat, getroffen worden." Damit wurde der Klägerin das konkrete Verfahren bekanntgegeben, das die Anstellungsbehörde zur Vorbereitung ihrer Wahl unter den Bewerberinnen eingeschlagen hatte. Angesichts dieser beiden Mitteilungen kann vom völligen Fehlen einer Begründung nicht die Rede sein.

25 Wie sich allerdings aus dem genannten Schreiben von Herrn Catling ergibt und wie auch der Beklagte vor dem Gericht dargelegt hat, lag der entscheidende Grund dafür, daß die Bewerbung der Klägerin um die streitige Stelle nicht erfolgreich war, in der angeblichen Unzulänglichkeit ihrer Sprachkenntnisse. Unter diesen Umständen hätte der Beklagte nach Auffassung des Gerichts der Klägerin spätestens bei der Zurückweisung ihrer Beschwerde diesen individuellen und entscheidenden Grund bekanntgeben müssen (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. Juni 1991 in der Rechtssache T-156/89, Valverde Mordt/Gerichtshof, Slg. 1991, II-407, Randnr. 130, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der der Prüfungsausschuß in einem internen Auswahlverfahren verpflichtet ist, jedem Bewerber die zahlenmässigen Ergebnisse mitzuteilen, die er nach Bewertung seiner Befähigungsnachweise oder für seine Prüfungsleistung erzielt hat). Die allgemein und rein verfahrensmässig gehaltene Begründung des Beklagten in der Entscheidung über die Zurückweisung der Beschwerde war daher unzureichend.

26 Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch bei unzureichender Begründung entsprechende Ergänzungen noch während des gerichtlichen Verfahrens nachgereicht werden (Urteil des Gerichts vom 20. September 1990 in der Rechtssache T-37/89, Hanning/Parlament, Slg. 1990, II-463, Randnr. 44). Eine solche Ergänzung der bereits in der Zurückweisung der Beschwerde enthaltenen Begründung stellt aber das dem Gericht im schriftlichen Verfahren eingereichte Schreiben des Herrn Catling dar, das den entscheidenden Grund für die Ablehnung der Bewerbung der Klägerin erkennen lässt. Dieses Schreiben stammt vom 21. Oktober 1991 und ging damit der angefochtenen Entscheidung vom 28. Oktober 1991 voraus. Entgegen der Meinung der Klägerin handelt es sich somit nicht um ein neues und damit unzulässiges Verteidigungsmittel im Sinne des Artikels 48 § 2 der Verfahrensordnung, sondern um ein tatsächliches Argument, das der Beklagte in seiner Klagebeantwortung gemäß Artikel 46 § 1 Buchstabe b der Verfahrensordnung vorbringen durfte. Die Klägerin ist in die Lage versetzt worden, sich während des Verfahrens vor dem Gericht ein Urteil über die Erheblichkeit der ihre Sprachkenntnisse betreffenden Begründung zu bilden, was sie im übrigen dadurch getan hat, daß sie in ihrer Erwiderung einen Beurteilungsfehler geltend gemacht hat (vgl. unten, Randnr. 35). Dieses Schreiben hat es auch dem Gericht ermöglicht, das streitige Beschwerdeverfahren und die angefochtene Entscheidung einer Rechtmässigkeitskontrolle zu unterziehen.

27 Es ist daher festzustellen, daß der Klagegrund der unzureichenden Begründung durch die Erläuterung, die der Beklagte während des gerichtlichen Verfahrens gegeben hat, gegenstandslos geworden ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache Sergio u. a./Kommission, a. a. O., Randnr. 52, und Urteil des Gerichts in der Rechtssache Schloh/Rat, a. a. O., Randnr. 86).

Zum zweiten Klagegrund

° Vorbringen der Parteien

28 Die Klägerin trägt vor, zum Zeitpunkt der Prüfung ihrer Bewerbung habe sich keine Beurteilung in ihrer Personalakte befunden, obwohl sie 1986 zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt worden sei und nach Artikel 43 des Statuts für jeden Beamten alle zwei Jahre eine Beurteilung zu erstellen sei. Ohne jegliche Beurteilung sei es der Anstellungsbehörde nicht möglich gewesen, ihre Befähigung für die zu besetzende Stelle objektiv zu beurteilen.

29 Der WSA führt aus, das Fehlen von Beurteilungen habe jedenfalls keinen Einfluß auf die angefochtene Entscheidung gehabt und könne mithin deren Aufhebung nicht rechtfertigen.

30 Nach ständiger Rechtsprechung könne eine Beförderung nicht deshalb aufgehoben werden, weil bei der Abwägung der Verdienste der Bewerber die Personalakte eines Bewerbers nicht ordnungsgemäß geführt oder ° etwa wegen des Fehlens einer Beurteilung ° unvollständig gewesen sei, sofern nicht feststehe, daß dieser Mangel sich entscheidend auf das Beförderungsverfahren habe auswirken können (u. a. Urteil des Gerichts vom 10. Juli 1992 in der Rechtssache T-68/91, Barbi/Kommission, Slg. 1992, II-2127, Randnr. 26). Das Fehlen einer Beurteilung sei daher nicht erheblich, wenn die Anstellungsbehörde über weitestgehende Informationsmöglichkeiten verfüge, um alle für die Abwägung der Verdienste erforderlichen Gesichtspunkte zu sammeln (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Oktober 1978 in der Rechtssache 86/77, Ditterich/Kommission, Slg. 1978, 1855, Randnrn. 18 bis 20).

31 Im vorliegenden Fall sei die Klägerin einzig und allein deshalb nicht ausgewählt worden, weil sie keine ausreichenden Kenntnisse einer "germanischen" Sprache gehabt habe. Der englischsprachige Herr Catling sei der Auffassung gewesen, daß die Englischkenntnisse der Klägerin nicht zufriedenstellend gewesen seien. Bei ihrem Gespräch habe sie grosse Schwierigkeiten sowohl beim Sprechen als auch beim Verstehen des Englischen gehabt.

32 Als Anlage zu seiner Klagebeantwortung hat der WSA zwei Beurteilungen vom 1. September 1988 und 14. September 1990 in Abschrift vorgelegt, in denen die für die Sprachkenntnisse der Klägerin vorgesehenen Spalten nicht ausgefuellt waren. Als Anlage zu seiner Gegenerwiderung hat der WSA sodann zwei Auszuege aus diesen Beurteilungen eingereicht. Der erste Auszug aus der Beurteilung von 1988 enthält Angaben zu den Englischkenntnissen der Klägerin, der zweite wiederum keine Angabe zu den Sprachen.

33 Der WSA führt aus, daß in diesen Beurteilungen bei den Sprachkenntnissen der Klägerin lediglich erwähnt sei, daß ihre Muttersprache Spanisch sei und sie gegenwärtig in französischer Sprache arbeite. Bei der ersten Beurteilung habe die Klägerin in der für die Sprachkenntnisse vorgesehenen Spalte ein "durchschnittliches" Verständnis des Englischen und eine geringe Sprech- und Schreibfähigkeit im Englischen vermerkt. Sie habe eine geringe Kenntnis des Deutschen angegeben. In der zweiten Beurteilung habe sie die Spalte für Sprachkenntnisse überhaupt nicht ausgefuellt. Diese Beurteilungen seien im übrigen ganz allgemein bei weitem keine Lobeshymnen auf die Klägerin, so daß auch eine Kenntnis von ihnen bei der Anstellungsbehörde ganz unabhängig von der Sprachenfrage die Sache der Klägerin offensichtlich kaum gefördert haben dürfte.

34 Zu den Englischkenntnissen der Klägerin führt der WSA in seiner Gegenerwiderung aus, die Klägerin sei in drei aufeinanderfolgenden Jahren (von 1977/1988 bis 1989/1990) in Englischkursen derselben Stufe eingeschrieben gewesen. Inzwischen habe sie einen Kurs der Stufe 4 ° bei insgesamt sechs möglichen ° mit der Note "gut" absolviert.

35 In ihrer Erwiderung macht die Klägerin unter Hinweis auf mehrere Teilnahmebestätigungen für Sprachkurse geltend, es sei, wenn ihre Bewerbung nur mit der Begründung abgelehnt worden sei, daß sie nicht die erforderlichen sprachlichen Grundkenntnisse gehabt habe, die ihr zugrunde liegende Feststellung nicht nur falsch, sondern sie zeige auch, daß eine Abwägung der Verdienste im Sinne des Artikels 45 des Statuts nicht stattgefunden habe. Dieser Fehler sei um so schwerwiegender, als die Beurteilungsformulare eine Spalte "Sprachkenntnisse" enthielten, die vom beurteilten Beamten selbst auszufuellen sei. Wenn ihr diese Beurteilungen fristgerecht übermittelt worden wären, hätte die fehlerhafte Beurteilung ihrer Sprachkenntnisse vermieden werden können, und die letztlich getroffene Entscheidung hätte wahrscheinlich anders ausgesehen.

36 Ausserdem enthalte das Schreiben von Herrn Catling vom 21. Oktober 1991 fehlerhafte Beurteilungen ihrer Sprachkenntnisse und ihrer beruflichen Fähigkeiten, denn in Wirklichkeit "erfuelle sie die geforderten sprachlichen Voraussetzungen". Neben dem Spanischen, ihrer Muttersprache, besitze sie solide Kenntnisse des Französischen, des Italienischen und des Englischen. Sie beherrsche also entsprechend den festgelegten sprachlichen Kriterien eine romanische und eine germanische Sprache. Darüber hinaus verfüge sie über Kenntnisse in der Datenverarbeitung. Die Lücken, die das Schreiben von Herrn Catling enthalte, seien in erster Linie darauf zurückzuführen, daß es infolge der verspäteten Vorlage ihrer Beurteilungen nicht möglich gewesen sei, eine ordnungsgemässe Abwägung der jeweiligen Verdienste der Bewerberinnen vorzunehmen.

37 In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin weitere Teilnahmebestätigungen für Sprachkurse sowie eine Kopie der ordnungsgemäß ausgefuellten Spalten für Sprachkenntnisse, die Teil ihrer beiden Beurteilungen sind, vorgelegt. Die verspätete Vorlage hat sie damit erklärt, daß sie gegen die ihr im April 1992 übermittelten Beurteilungen Berufung eingelegt habe; die betreffenden Spalten habe sie erst im November 1992, also nach der Ablehnung ihrer Bewerbung, ausgefuellt. In diesen Spalten, die beide das Datum "18.XI.1992" und den Vermerk "am 12. November 1992 vorgelegte Stellungnahme ° der Berufungsbeurteilende°" tragen, hat sich die Klägerin selbst im Englischen ein "gutes" Verständnis, eine "gute" Sprech- und eine "passable" Schreibfähigkeit bescheinigt, die für das Deutsche vorgesehenen Kästchen dagegen freigelassen.

38 Ferner hat die Klägerin die Behauptung des Beklagten bestritten, daß sie drei Jahre hintereinander für Englischkurse derselben Stufe eingeschrieben gewesen sei. Ihre Englischkenntnisse hätten sich im Gegenteil fortwährend verbessert, denn 1987/1988 habe sie einen Kurs der Stufe 1 begonnen und 1991 mit einem Kurs der Stufe 4 abgeschlossen.

° Würdigung durch das Gericht

39 Es ist festzustellen, daß der zweite Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen das dienstliche Interesse sowie eine Verletzung des Grundsatzes der guten und ordnungsgemässen Verwaltung gerügt werden, zu global gefasst ist. Nach Auffassung des Gerichts sind daher im Interesse einer genauen Beurteilung der verschiedenen Aspekte der Rechtssache zwei Klagegründe zu unterscheiden.

40 Zunächst ist der Klagegrund zu prüfen, der auf die verspätete Vorlage der Beurteilungen der Klägerin gestützt wird, die ihrer Meinung nach eine Verletzung der Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a, 43 und 45 Absatz 1 des Statuts darstellt. Im Rahmen dieses Klagegrundes ist zu prüfen, ob die Anstellungsbehörde im vorliegenden Fall tatsächlich zu einer ordnungsgemässen vergleichenden Beurteilung der Bewerbung der Klägerin um die streitige Stelle gelangt ist. Die Anstellungsbehörde muß nämlich, wie der Gerichtshof in seinem Urteil Bonino/Kommission (a. a. O., Randnr. 5) bezueglich der Einweisung eines Beamten in eine freie Planstelle entschieden hat, bei einer solchen Entscheidung das dienstliche Interesse und die Befähigung der Bewerber für die betreffende Stelle beurteilen. Ausserdem hat das Gericht in seinem Urteil Volger/Parlament (a. a. O., Randnr. 24) klargestellt, daß die Anstellungsbehörde bei mehreren Bewerbungen um Versetzung oder Beförderung nach Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts eine Abwägung der Verdienste der betreffenden Beamten vorzunehmen hat, wie dies Artikel 45 des Statuts bei Beförderungen vorsieht.

41 Danach ist der Klagegrund der fehlerhaften Beurteilung der Sprachkenntnisse der Klägerin zu prüfen. Im Rahmen dieses Klagegrundes ist das Vorbringen der Klägerin zu untersuchen, die Prüfung der Bewerbungen durch die Anstellungsbehörde sei durch einen tatsächlichen Irrtum beeinträchtigt worden.

1. Zum Klagegrund einer Verletzung der Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a und 43 des Statuts

42 Gemäß Artikel 43 des Statuts wird über Befähigung, Leistung und dienstliche Führung aller Beamten mindestens alle zwei Jahre eine Beurteilung erstellt. Diese Frist ist von der Anstellungsbehörde im Fall der Klägerin nicht nur nicht eingehalten, sondern im Gegenteil weit überschritten worden, so daß zum Zeitpunkt der Prüfung ihrer Bewerbung um die streitige Stelle keine endgültige Beurteilung vorlag.

43 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes stellt die Beurteilung des Beamten ein unentbehrliches Bewertungskriterium stets dann dar, wenn die Laufbahn des Beamten für den Dienstherrn von Bedeutung ist. Ein Beförderungsverfahren ist nicht ordnungsgemäß abgelaufen, wenn die Anstellungsbehörde keine Abwägung der Verdienste der Bewerber vornehmen konnte, weil die Beurteilungen eines Bewerbers oder mehrerer Bewerber durch das Verhalten der Verwaltung mit erheblicher Verspätung erstellt worden sind (vgl. zuletzt Urteil des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1992 in der Rechtssache C-68/91 P, Moritz/Kommission, Slg. 1992, I-6849, Randnr. 16).

44 Das Fehlen einer Beurteilung kann allerdings, wie der Gerichtshof auch entschieden hat (Urteil Moritz/Kommission, a. a. O., Randnr. 18), unter aussergewöhnlichen Umständen durch andere Informationen über die Verdienste des Beamten ausgeglichen werden. So hat der Gerichtshof entschieden, daß bei einem Beförderungsverfahren aus dem Umstand, daß die Personalakte eines Beamten wegen des Fehlens zweier Beurteilungen unvollständig gewesen sei, nicht zwingend geschlossen werden könne, daß das Beförderungsverzeichnis im Hinblick auf Artikel 45 des Statuts fehlerhaft sei, wenn die zuständigen Stellen auch bei Fehlen dieser Beurteilungen über die weitestgehenden Informationsmöglichkeiten verfügt hätten, um alle für die Abwägung der Verdienste erforderlichen Gesichtspunkte zu sammeln (Urteil Ditterich/Kommission, a. a. O., Randnrn. 18 und 19).

45 Ausserdem darf das Fehlen von Beurteilungen ° mag es vom Standpunkt einer guten Verwaltung und einer gesunden Personalführung aus auch noch so beklagenswert und unverzeihlich sein ° nicht zum Stillstand jedes im dienstlichen Interesse gebotenen Beförderungs- oder Versetzungsverfahrens führen. In einer solchen Lage ist die Anstellungsbehörde also nicht verpflichtet, ihre Beförderungs- oder Versetzungsentscheidungen aufzuschieben, sondern sie kann nach anderen angemessenen Mitteln als Ausgleich für die fehlenden Beurteilungen suchen.

46 Hierzu ist festzustellen, daß die angefochtene Entscheidung getroffen worden ist, weil die Klägerin nicht die für die freie Stelle geforderten "sprachlichen Grundvoraussetzungen", u. a. die Beherrschung einer "germanischen" Sprache, aufwies. Dieser Entscheidung sind Gespräche eines englischsprachigen Beamten mit jeder der fünf Bewerberinnen um die freie Stelle vorausgegangen, die zur Erstellung eines Berichts an die Anstellungsbehörde geführt haben. Diese Informationen hat die Anstellungsbehörde folglich aufgrund einer direkten und persönlichen Einschätzung der wirklichen Sprachkenntnisse der Bewerberinnen einschließlich der Klägerin erlangt. Nach Auffassung des Gerichts konnten diese Informationen im vorliegenden Fall das Fehlen der Beurteilungen in der Personalakte der Klägerin ausgleichen, da die Anstellungsbehörde über die für eine ordnungsgemässe Abwägung der Verdienste erforderlichen Kenntnisse verfügte.

47 Unter diesen Umständen hat die Tatsache, daß die endgültigen Beurteilungen der Klägerin nicht innerhalb der im Statut vorgeschriebenen Fristen erstellt wurden und daher bei der Beurteilung der Bewerbungen um die streitige Stelle nicht zu Rate gezogen werden konnten, eine Abwägung der Verdienste nicht verhindert und sich damit auf das Verfahren zur Besetzung dieser Stelle nicht entscheidend ausgewirkt (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juni 1987 in der Rechtssache 7/86, Vincent/Parlament, Slg. 1987, 2473, Randnr. 18).

48 Dieses Ergebnis wird weder durch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bescheinigungen über ihre Teilnahme an Englischkursen noch durch die nach Abschluß des Verfahrens zur Besetzung des Dienstpostens erstellten Beurteilungen in Frage gestellt. Der Wert solcher Bescheinigungen liegt unter dem der fünf Gespräche, die mit den Bewerberinnen geführt worden sind. Ebensowenig entwerten die von der Klägerin nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung erstellten Selbstbewertungen ihrer Sprachkenntnisse die Ergebnisse der vorausgegangenen Abwägung. Dieser Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

2. Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers

49 Soweit die Klägerin die Richtigkeit der Bewertung ihrer Sprachkenntnisse in dem Verfahren zur Besetzung der streitigen Stelle in Frage zieht, ist darauf hinzuweisen, daß die Anstellungsbehörde bei mehreren Bewerbungen um Versetzung oder Beförderung nach Artikel 29 Absatz 1 Buchstabe a des Statuts eine Abwägung der Verdienste der betreffenden Beamten vorzunehmen hat, wie dies Artikel 45 des Statuts bei Beförderungen vorsieht (Urteil des Gerichts in der Rechtssache Volger/Parlament, a. a. O., Randnr. 24). Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Anstellungsbehörde bei dieser Entscheidung über ein weites Ermessen, so daß sich die gerichtliche Nachprüfung darauf zu beschränken hat, ob sie von diesem Ermessen nicht einen offensichtlich fehlerhaften Gebrauch gemacht hat (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Januar 1992 in der Rechtssache C-107/90 P, Hochbaum/Kommission, Slg. 1992, I-157, Randnr. 8).

50 Mit der Durchführung der vorstehend beschriebenen persönlichen Gespräche mit den einzelnen Bewerberinnen, die anschließend Gegenstand eines entsprechenden Berichts waren, hat aber die Anstellungsbehörde eine ordnungsgemässe Abwägung der ° im vorliegenden Fall allein fraglichen ° Sprachkenntnisse der Klägerin vorgenommen. Bei seinem Gespräch mit der Klägerin hat der englischsprachige Beamte des WSA, Herr Catling, festgestellt, daß die praktischen Sprachkenntnisse der Klägerin im Englischen den für die freie Stelle erforderlichen Voraussetzungen nicht genügten. Die Klägerin hat den Ablauf dieses Gesprächs nicht beanstandet. Der Hinweis der Klägerin auf die von ihr absolvierten Sprachkurse sowie auf die Bewertungen in den ihren Sprachkenntnissen geltenden Spalten ihrer Beurteilungen können aus den vorstehend angeführten Gründen das Ergebnis dieser Abwägung nicht in Frage stellen. Diese Schlußfolgerung gilt auch für den Umstand, daß sich die Englischkenntnisse der Klägerin nach ihrer Behauptung in den letzten Jahren verbessert haben, weil diese Kenntnisse von Herrn Catling bei dem genannten Gespräch als unzureichend eingestuft wurden.

51 Die Klägerin hat somit ihr Vorbringen, der Anstellungsbehörde sei ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, nicht hinreichend belegt. Dieser Klagegrund kann daher ebenfalls nicht durchgreifen.

52 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

53 Gemäß Artikel 87 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Allerdings tragen gemäß Artikel 88 dieser Verfahrensordnung die Gemeinschaftsorgane bei Rechtsstreitigkeiten mit ihren Bediensteten ihre Kosten selbst.

54 Im vorliegenden Fall vertritt der Beklagte selbst die Auffassung, daß es angesichts der ihm zuzurechnenden Verspätung bei der Vorlage der Beurteilungen der Klägerin nicht billig wäre, diese ihre gesamten Kosten selbst tragen zu lassen.

55 Das Fehlen der Beurteilungen kann mit eine Ursache für die Erhebung der Klage gewesen sein. Im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten und auf die zunächst unzureichende Mitteilung der Gründe für die angefochtene Entscheidung durch den Beklagten sind daher die Kosten der Klägerin dem Beklagten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1) Die Klage wird abgewiesen.

2) Der Wirtschafts- und Sozialausschuß trägt sämtliche Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Klägerin.

Ende der Entscheidung

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