Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.12.2006
Aktenzeichen: T-259/02
Rechtsgebiete: Entscheidung 2004/138/EG, EG


Vorschriften:

Entscheidung 2004/138/EG
EG Art. 81 Abs. 1

Entscheidung wurde am 22.08.2008 korrigiert: unter Randnummer 571 muß es im letzten Satz statt "3 759 000 Euro" richtig "3 795 000 Euro" heißen
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

14. Dezember 2006

"Wettbewerb - Kartelle - Österreichischer Bankenmarkt - 'Lombardclub' - Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten - Berechnung der Geldbußen"

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen T-259/02 bis T-264/02 und T-271/02

Raiffeisen Zentralbank Österreich AG mit Sitz in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Völcker,

Klägerin in der Rechtssache T-259/02,

Bank Austria Creditanstalt AG mit Sitz in Wien, Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte C. Zschocke und J. Beninca,

Klägerin in der Rechtssache T-260/02,

Anteilsverwaltung BAWAG PSK AG, vormals Bank für Arbeit und Wirtschaft AG, mit Sitz in Wien, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte H.-J. Niemeyer und M. von Hinden, dann Rechtsanwalt Niemeyer,

Klägerin in der Rechtssache T-261/02,

Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG mit Sitz in Wien, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Wollmann,

Klägerin in der Rechtssache T-262/02,

BAWAG PSK Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG, vormals Österreichische Postsparkasse AG, mit Sitz in Wien, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte H.-J. Niemeyer und M. von Hinden, dann Rechtsanwalt Niemeyer,

Klägerin in der Rechtssache T-263/02,

Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG mit Sitz in Wien, Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte W. Kirchhoff, F. Montag, G. Bauer und A. Wegner, dann Rechtsanwälte Montag und Wegner,

Klägerin in der Rechtssache T-264/02,

Österreichische Volksbanken AG mit Sitz in Wien,

Niederösterreichische Landesbank-Hypothekenbank AG mit Sitz in St. Pölten (Österreich),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Roniger, A. Ablasser, R. Bierwagen und F. Neumayr,

Klägerinnen in der Rechtssache T-271/02,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, zunächst vertreten durch S. Rating, dann durch A. Bouquet als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte D. Waelbroeck und U. Zinsmeister,

Beklagte,

wegen vollständiger oder teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 2004/138/EG der Kommission vom 11. Juni 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag in der Sache COMP/36.571/D-1 - Österreichische Banken ("Lombard-Club") (ABl. 2004, L 56, S. 1) und, hilfsweise, wegen Herabsetzung der gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbußen

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Pirrung sowie der Richter N. J. Forwood und S. Papasavvas,

Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

I - Gegenstand des Rechtsstreits

1 Mit der Entscheidung 2004/138/EG vom 11. Juni 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag in der Sache COMP/36.571/D-1 - Österreichische Banken ("Lombard-Club") (ABl. 2004, L 56, S. 1, im Folgenden: angefochtene Entscheidung oder Entscheidung) stellte die Kommission die Beteiligung verschiedener Unternehmen an einer Reihe von Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen im Sinn des Artikels 81 Absatz 1 EG fest.

2 Es handelte sich u. a. um folgende acht Banken, an die sich die angefochtene Entscheidung richtet:

- Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG (im Folgenden: Erste Bank);

- Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (im Folgenden: RZB);

- Bank Austria AG, seit 13. August 2002 Bank Austria Creditanstalt AG (im Folgenden: BA-CA);

- Bank für Arbeit und Wirtschaft AG (im Folgenden: BAWAG);

- Österreichische Postsparkasse AG (im Folgenden: PSK);

- Österreichische Volksbanken-AG (im Folgenden: ÖVAG);

- Niederösterreichische Landesbank-Hypothekenbank AG (im Folgenden: NÖ-Hypo);

- Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG (im Folgenden: RLB).

3 Die Kommission wirft den Adressaten der angefochtenen Entscheidung im Wesentlichen vor, ein von ihr als "Lombard-Netzwerk" bezeichnetes Geflecht inhaltlich umfassender und organisatorisch eng vernetzter regelmäßiger Treffen (im Folgenden: Gesprächsrunden) geschaffen zu haben, in deren Rahmen sie regelmäßig ihr Verhalten hinsichtlich der wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem Markt der Bankprodukte und -dienstleistungen in Österreich koordiniert hätten.

4 Auf der Grundlage der Sachverhaltsfeststellungen und ihrer rechtlichen Würdigung in der angefochtenen Entscheidung setzte die Kommission gegen die beschuldigten Unternehmen Geldbußen fest.

5 Mit den vorliegenden Klagen wird der in der angefochtenen Entscheidung dargestellte Sachverhalt nicht bestritten. Sie betreffen im Kern lediglich bestimmte Aspekte der rechtlichen Würdigung dieses Sachverhalts sowie die Höhe der gegen die Klägerinnen festgesetzten Geldbußen.

II - Klägerinnen

6 In Österreich wird zwischen Banken mit einstufiger Struktur und Bankengruppen mit mehrstufiger, auch als "dezentralisiert" bezeichneter Struktur unterschieden. Einen zweistufigen Aufbau haben Sparkassen und Volksbanken, einen dreistufigen die Raiffeisenbanken. Innerhalb jeder dieser mehrstufigen Strukturen (im Folgenden: Sparkassensektor, Raiffeisensektor und Volksbankensektor sowie gemeinsam dezentralisierte Sektoren) nimmt ein Zentralinstitut, das gewöhnlich als "Spitzeninstitut" bezeichnet wird (im Folgenden: Zentralinstitut oder Spitzeninstitut), für die Banken des Sektors Unterstützungs- und Dienstleistungsfunktionen wahr. Die Erste Bank, die RZB und die ÖVAG sind die jeweiligen Zentralinstitute des Sparkassensektors, des Raiffeisensektors und des Volksbankensektors. Die vielfältigen Beziehungen zwischen diesen Instituten und den einzelnen Mitgliedern des Sektors und ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten sind in dem am 30. Juli 1993 veröffentlichten und am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Bundesgesetz über das Bankwesen (Bankwesengesetz - BWG) (BGBl. 1993/3903) geregelt.

A - Erste Bank (Rechtssache T-264/02)

7 Die Erste Bank, eine Aktiengesellschaft, ist seit 1993 Nachfolgerin einer im Jahr 1819 in Wien unter dem Namen "Erste österreichische Spar-Cassa" gegründeten Vereinssparkasse. In den achtziger Jahren und stärker noch seit 1990 hatte Letztere über die Grenzen ihres Stammmarktes hinaus expandiert. Zunächst hieß die Klägerin "Die Erste Österreichische Spar-Casse-Bank AG" (im Folgenden: EÖ). Im Mai 1997 übernahm sie 53 % der Anteile an der GiroCredit Bank der österreichischen Sparkassen AG (im Folgenden: GiroCredit), die das Spitzeninstitut der Sparkassen war. Von 1994 bis zur Übernahme der Anteile durch die (damals EÖ genannte) Klägerin waren die Aktien der GiroCredit mehrheitlich im Besitz der Bank-Austria-Gruppe.

8 Die GiroCredit blieb eine eigenständige juristische Person und behielt die Rolle des Spitzeninstituts der Sparkassen bis Oktober 1997, als sie und die Erste Bank sich zusammenschlossen und die Firmenbezeichnung der Klägerin in "Erste Bank der oesterreichischen Sparkassen AG" geändert wurde. Mit dem Zusammenschluss im Oktober 1997 übernahm die Erste Bank die Rolle des Spitzeninstituts für die etwa 70 Sparkassen, die es in Österreich während des entscheidungserheblichen Zeitraums gab. Das Verhalten der GiroCredit wird in der angefochtenen Entscheidung der Ersten Bank zugerechnet.

B - RZB (Rechtssache T-259/02)

9 Die RZB ist das Spitzeninstitut des Raiffeisensektors, dessen erste Ebene etwa 615 selbständige lokale Banken mit ihren Filialen umfasst. Die acht regionalen Banken (Raiffeisen-Landesbanken) bilden die zweite Ebene. Die lokalen Raiffeisenbanken eines Landes sind Eigentümer ihrer regionalen Bank. Die RZB, der zentrale Dienstleistungsaufgaben übertragen sind, bildet die dritte Ebene. Die Anteile an der RZB werden zu 80 % von den regionalen Banken gehalten.

C - RLB (Rechtssache T-262/02)

10 Die RLB ist eine der regionalen Banken des Raiffeisensektors. Sie wurde 1997 mit der Raiffeisenbank Wien AG (im Folgenden: RBW) verschmolzen, deren Hauptaktionärin sie war. Die RBW nahm an den Gesprächsrunden teil; ihre Zuwiderhandlung wird der RLB zugerechnet.

D - BA-CA (Rechtssache T-260/02)

11 Die BA-CA ist ein Kreditinstitut, das aus der im September 1998 durchgeführten Fusion der Bank Austria AG (im Folgenden: BA) mit der Creditanstalt AG (im Folgenden: CA) hervorgegangen ist. Die Firma der BA-CA wurde erst am 13. August 2002, also nach Erlass der angefochtenen Entscheidung, aber vor Klageerhebung, in "Bank Austria Creditanstalt AG" geändert. Das Verhalten der CA vor der Fusion wurde der BA-CA zugerechnet.

E - Anteilsverwaltung BAWAG PSK AG (Rechtssache T-261/02) sowie BAWAG PSK Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG (Rechtssache T-263/02)

12 Die Anteilsverwaltung BAWAG PSK AG (Klägerin in der Rechtssache T-261/02, im Folgenden: AVB) ist seit einer im Jahr 2005 durchgeführten Umstrukturierung der Gruppe von Gesellschaften, der die BAWAG und die PSK angehörten, die Bezeichnung der BAWAG, die mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 ihre gesamten Bankgeschäfte auf die BAWAG PSK Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österreichische Postsparkasse AG (Klägerin in der Rechtssache T-263/02, im Folgenden: BAWAG PSK) übertrug. Bis dahin war die BAWAG ein Kreditinstitut und seit Dezember 2000 Hauptaktionärin der PSK. Letztere war ein Kreditinstitut in Form einer Aktiengesellschaft, das 1997 Rechtsnachfolgerin der Österreichischen Postsparkasse, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, wurde. Die PSK war mehrheitlich an der Bank der Österreichischen Postparkasse AG (im Folgenden: PSK-B) beteiligt, mit der sie 1998 fusionierte und deren Verhalten ihr in der angefochtenen Entscheidung zugerechnet wird. Bis zur Fusion der PSK mit der BAWAG PSK mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 waren die BAWAG und die PSK rechtlich unabhängige Aktiengesellschaften und Banken.

F - ÖVAG und NÖ-Hypo (Rechtssache T-271/02)

13 Die ÖVAG ist ein regional tätiges österreichisches Kreditinstitut, das als Kommerzbank auf dem österreichischen Markt Bankdienstleistungen vor allem für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und Privatpersonen anbietet. In geografischer Hinsicht beschränkt sich ihre Tätigkeit auf den Großraum Wien; in dem Zeitraum, auf den sich die angefochtene Entscheidung bezieht, verfügte sie über 26 Filialen in Wien und 2 Filialen in Niederösterreich. Neben ihrer Funktion als Kommerzbank ist die ÖVAG das Spitzeninstitut des österreichischen Volksbanken-Verbundes. Über eine Zwischenholding befindet sich die ÖVAG mehrheitlich im Besitz dieser Institute. Daneben hält die ÖVAG Beteiligungen an kleineren Unternehmen, die Bank- und Finanzdienstleistungen erbringen; zu ihnen zählt die NÖ-Hypo.

14 Die NÖ-Hypo wurde 1888 als Landes-Hypothekenanstalt gegründet. Bis 1992 war sie eine dem Land Niederösterreich zugehörige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im September 1992 wurde sie in eine Aktiengesellschaft eingebracht. Seit 1. Januar 1997 ist die NÖ-Hypo ein Konzernunternehmen der ÖVAG. Sie verfügt über 27 Geschäftsstellen, davon 20 in Niederösterreich und 7 in Wien. Die NÖ-Hypo ist in erster Linie im öffentlich-rechtlichen Bereich tätig. In geografischer Hinsicht beschränkt sich ihre Tätigkeit auf die Bundesländer Niederösterreich und Wien.

III - Verwaltungsverfahren

15 Nachdem die Kommission im April 1997 von einem Schriftstück Kenntnis erlangt hatte, das den Verdacht weckte, dass es auf dem österreichischen Bankenmarkt gegen Artikel 81 EG verstoßende Absprachen oder abgestimmte Verhaltensweisen gab, leitete sie ein förmliches Untersuchungsverfahren ein. Am 30. Juni 1997 reichte die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) eine Beschwerde gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), gegen acht österreichische Kreditinstitute wegen des Verdachts der Teilnahme an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen ein.

16 Am 23. und 24. Juni 1998 nahm die Kommission bei mehreren Banken, zu denen die meisten Adressaten der angefochtenen Entscheidung gehörten, unangekündigt Nachprüfungen vor. Am 21. September 1998 richtete sie an zahlreiche im Verdacht der Teilnahme an den Absprachen oder Verhaltensweisen stehende Kreditinstitute Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17.

17 Unmittelbar nach Erhalt der Auskunftsverlangen boten die größten betroffenen Banken der Kommission ihre "Zusammenarbeit" bei der Ermittlung des Sachverhalts an, wobei sie vorschlugen, den Sachverhalt "freiwillig" darzustellen (statt die Auskunftsverlangen zu beantworten) und auf eine Anhörung zu verzichten; im Gegenzug sollte die Generaldirektion Wettbewerb der Kommission ihre Auskunftsverlangen zurückziehen und nur eine "maßvolle" Geldbuße verhängen. Die Kommission begrüßte zwar die Bereitschaft der Banken zur Zusammenarbeit, lehnte aber jegliches Übereinkommen hierüber ab.

18 In der Folge beantworteten sämtliche Adressaten das Auskunftsverlangen. Einige vertraten in diesem Zusammenhang jedoch die Ansicht, hinsichtlich des überwiegenden Teils der gestellten Fragen keiner Antwortpflicht zu unterliegen und die betreffenden Dokumente und Fragen daher - im Rahmen der erwähnten Zusammenarbeit - auf freiwilliger Basis vorlegen bzw. beantworten zu können. Die Kommission wies diese Rechtsansicht zurück.

19 Wenig später übermittelten die größten betroffenen Banken, zu denen mit Ausnahme der RLB alle Klägerinnen gehörten, der Kommission ein als "Gemeinsame Sachverhaltsdarstellung" bezeichnetes, 132 Seiten umfassendes Dokument, in dem sie den historischen Kontext des Kartells ausführlich beschrieben sowie den aus den sichergestellten und den von ihnen angeforderten Unterlagen ersichtlichen Inhalt ihrer Gesprächsrunden kurz zusammenfassten und aus ihrer Sicht werteten. Gleichzeitig legten sie sechzehn Ordner mit Unterlagen vor, die nach Gesprächsrunden geordnet und denen detaillierte Inhaltsverzeichnisse beigefügt waren. Um den etwaigen Mehrwert dieser mit der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung vorgelegten Dokumente beurteilen zu können, ersuchte die Kommission die Banken um Angaben darüber, ob diese Dokumente - und gegebenenfalls welche - ihr noch nicht bekannt seien. Die Banken hielten dies jedoch weder für möglich noch für erforderlich.

20 Am 13. September 1999 übermittelte die Kommission acht Banken die Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 11. September 1999. Nach der Akteneinsicht und den schriftlichen Stellungnahmen der Banken fand am 18. und 19. Januar 2000 eine mündliche Anhörung statt. Am 22. November 2000 übermittelte die Kommission den Banken eine Mitteilung ergänzender Beschwerdepunkte. Nachdem die betroffenen Unternehmen erneut Akteneinsicht erhalten und gegenüber der Kommission neue schriftliche Stellungnahmen abgegeben hatten, fand am 27. Februar 2001 eine zweite mündliche Anhörung statt.

21 Am 11. Juni 2002 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung.

IV - Angefochtene Entscheidung

A - Allgemeines

22 In Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass die acht Banken, an die diese Entscheidung gerichtet ist, gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen hätten, indem sie an Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen über Preise, Gebühren und Werbemaßnahmen beteiligt gewesen seien, die im Zeitraum vom 1. Januar 1995 bis 24. Juni 1998 den Zweck verfolgt hätten, den Wettbewerb auf dem Markt für Bankprodukte und Bankdienstleistungen in Österreich einzuschränken.

23 Nach Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung müssen die in Artikel 1 genannten Unternehmen, falls dies noch nicht geschehen ist, die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung unverzüglich einstellen und von einer Wiederholung jeglicher Handlung oder Verhaltensweise absehen, die den gleichen Zweck wie diese Zuwiderhandlung verfolgt oder die gleiche Wirkung hat.

24 In Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung werden gegen deren Adressaten folgende Geldbußen verhängt:

- Erste Bank: 37,69 Millionen Euro;

- RZB: 30,38 Millionen Euro;

- BA-CA: 30,38 Millionen Euro;

- BAWAG: 7,59 Millionen Euro;

- PSK: 7,59 Millionen Euro;

- ÖVAG: 7,59 Millionen Euro;

- NÖ-Hypo: 1,52 Millionen Euro;

- RLB: 1,52 Millionen Euro.

B - Feststellungen zum Hintergrund des Kartells, zu den verschiedenen Gesprächsrunden, zu deren Verhältnis und zur Rolle der Spitzeninstitute

25 In der angefochtenen Entscheidung heißt es, dass Absprachen unter den österreichischen Banken - vor allem über Konditionen und Gebühren - in Österreich eine lange Tradition gehabt und bis in die achtziger Jahre zum Teil auf einer gesetzlichen Grundlage beruht hätten, die jedoch spätestens am 1. Januar 1994, dem Zeitpunkt des Beitritts der Republik Österreich zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und des Inkrafttretens des BWG, weggefallen sei.

26 Die Kreditinstitute hätten aber im Rahmen des bestehenden Netzwerks weiterhin Vereinbarungen insbesondere über Aktiv- und Passivzinssätze getroffen.

27 In Kapitel 5 der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, dass die Absprachen inhaltlich umfassend, im höchsten Maße institutionalisiert sowie eng miteinander vernetzt gewesen seien und das gesamte Bundesgebiet Österreichs abgedeckt hätten. Für jedes Bankprodukt habe es eine eigene Gesprächsrunde gegeben, an der die jeweils zuständigen Mitarbeiter der zweiten oder dritten Führungsebene der beteiligten Banken teilgenommen hätten. Diese inhaltliche Trennung sei in der Praxis jedoch nicht strikt durchgehalten worden. Bisweilen seien inhaltlich zusammenhängende Fragen, die mehrere Gesprächsrunden berührt hätten, in ein und derselben Runde behandelt worden. Die einzelnen Runden seien Teil eines organischen Ganzen gewesen.

28 Als übergeordnete Instanz hätten sich monatlich, mit Ausnahme des Urlaubsmonats August, leitende Vertreter der größten österreichischen Banken getroffen ("Lombardclub"). Neben wettbewerbsneutralen Themen allgemeinen Interesses hätten sie dabei Änderungen von Zinssätzen, Werbemaßnahmen und anderes besprochen. An einigen dieser Runden hätten Vertreter der Oesterreichischen Nationalbank (im Folgenden: OeNB) teilgenommen.

29 Eine Ebene tiefer seien die produktbezogenen Fachgesprächsrunden angesiedelt gewesen. Am wichtigsten seien dabei die so genannten "Aktivrunden" in Bezug auf Kredite und "Passivrunden" in Bezug auf Einlagen gewesen; sie hätten, wie ihre Bezeichnung schon andeute, die Abstimmung der Kredit- und der Einlagenkonditionen (d. h. der Zinssätze) zum Inhalt gehabt und entweder getrennt oder als gemeinsame Gesprächsrunden stattgefunden. Zwischen diesen Runden und dem "Lombardclub" habe ein besonders reger Informationsfluss stattgefunden.

30 In allen österreichischen Bundesländern hätten regelmäßig vielfältige und zahlreiche regionale Runden stattgefunden. In einigen Bundesländern sei sogar die hierarchische Anordnung von "Lombardclub" und Fachgesprächsrunden nachgebildet worden.

31 Während der Beratungen der "Bundes-Aktiv- und/oder Passivrunden" seien die Bankenvertreter aus Wien mit ihren Kollegen aus den Bundesländern zusammengekommen; ihre Beschlüsse hätten grundsätzlich für das gesamte Hoheitsgebiet Österreichs gegolten

32 Für das Firmenkundengeschäft, das Privatkundengeschäft mit Freiberuflern, das Hypothekarkreditgeschäft und das Wohnbaukreditgeschäft habe es Spezialrunden gegeben ("Minilombard", "Großkundenbetreuerrunde", "Freiberuflerrunde", "Hypothekarloge" und "Wohnbaubanken-Passivrunde").

33 Schließlich habe regelmäßig eine Vielzahl weiterer Gesprächsrunden zu wettbewerbsrelevanten Themen stattgefunden: In der "Treasurerrunde" seien Fragen der Bundesfinanzierung sowie Konditionenfragen, in den diversen Zahlungsverkehrsrunden (insbesondere der gleichnamigen Runde, der "Bankenrunde Ausland" und dem "Organisationskomitee der österreichischen Kreditinstitutsverbände") Spesen und Gebühren im Zahlungsverkehr, im "Exportklub" die Konditionen der Exportfinanzierung und in der "Bankenrunde Wertpapiere" Mindestspesen, Gebühren und Konditionen besprochen worden.

34 Unter allen Spezialrunden sei die "Controllerrunde" hervorgestochen, an der Vertreter der Controlling-Abteilungen der größten österreichischen Banken teilgenommen hätten. Dabei seien einheitliche Kalkulationsgrundlagen und gemeinsame Vorschläge zur Ertragsverbesserung erarbeitet worden. Dadurch hätten die Banken untereinander die Transparenz ihrer jeweiligen Kosten- und Kalkulationselemente erhöht.

35 Zwischen all diesen vor allem mit Kredit- und Einlagenkonditionen sowie mit Gebühren befassten Runden habe ein regelmäßiger Informationsfluss stattgefunden. Oft seien Beratungen in der einen Gesprächsrunde bis zur Einigung in einer anderen zurückgestellt worden. Schließlich sei aus der instanzlichen Überordnung des "Lombardclubs" gefolgt, dass in kontroversen Fällen dessen Grundsatzentscheidung abgewartet worden sei.

36 Zwecks flächendeckender österreichweiter Umsetzung der in den Wiener Gesprächsrunden getroffenen Absprachen (oder zwecks Abstimmung mit ihnen) sei auch ein regelmäßiger Informationsfluss zu den verschiedenen Regionalrunden in den Bundesländern oder von diesen an die zentralen Gesprächsrunden in Wien erfolgt. Bisweilen hätten die regionalen Runden ihrerseits Vertreter in die Bundes-Aktiv- und/oder Passivrunden entsandt.

37 Die Kommission stellt in der angefochtenen Entscheidung fest, dass in dem von der Untersuchung erfassten Zeitraum (1. Januar 1994 bis Ende Juni 1998) allein in Wien, ohne Berücksichtigung der zahlreichen regionalen Runden, mindestens 300 Treffen stattgefunden hätten. Umgelegt auf Arbeitstage bedeute dies, dass - allein in Wien - etwa alle vier Tage ein Treffen stattgefunden habe. Auch außerhalb dieses institutionalisierten Netzwerks hätten zahlreiche Kontakte zwischen Vertretern der beteiligten Banken - zum Teil auf höchster Ebene - zu Zinsen und Gebühren stattgefunden.

38 Die Kommission hebt die besondere Rolle der Spitzeninstitute als Koordinatoren und Vertreter ihrer jeweiligen Bankengruppe, nämlich der Ersten Bank (davor GiroCredit) für den Sparkassensektor, der RZB für den Raiffeisensektor und der ÖVAG für den Volksbankensektor, im Rahmen des "Lombard-Netzwerks" hervor. Diese Rolle sei unmittelbar für das reibungslose Funktionieren des "Lombard-Netzwerks" nutzbar gemacht worden. Zum einen hätten die Spitzeninstitute den wechselseitigen Informationstransfer zwischen Wien und den Bundesländern innerhalb der jeweiligen Bankengruppe organisiert; zum anderen hätten sie die Interessen ihrer Gruppe gegenüber den anderen Gruppen im Kartell vertreten. Die anderen Kartellteilnehmer hätten die Spitzeninstitute als Vertreter der jeweiligen Gruppe wahrgenommen. Die Absprachen hätten daher nicht bloß zwischen diesen Instituten, sondern auch zwischen den Gruppen stattgefunden.

39 In den Kapiteln 6 bis 12 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission sodann detailliert dar, wie dieses institutionalisierte, ineinander verwobene Netz vielfältiger und umfassender Gesprächsrunden zur regelmäßigen Abstimmung des Marktverhaltens der beteiligten Institute insbesondere in Bezug auf Konditionen und Bankgebühren geführt habe.

C - Prüfung der Argumente der Banken und rechtliche Würdigung

40 Im Anschluss an die Feststellung, dass die betroffenen Banken den von ihr ermittelten Sachverhalt in Bezug auf Verlauf und Inhalt der Gesprächsrunden nicht bestritten, weist die Kommission in Kapitel 13 der angefochtenen Entscheidung die Argumente der Banken zu den spezifischen historischen, gesellschaftlichen, wirtschaftspolitischen und sozialen Aspekten des Kartells und ihre auf ein Wirtschaftsgutachten von Professor von Weizsäcker gestützte These zurück, dass die Absprachen keinen Einfluss auf den österreichischen Bankenmarkt gehabt hätten.

41 Kapitel 14 der angefochtenen Entscheidung enthält die rechtliche Würdigung des Kartells. Die Kommission weist zunächst die These der Banken zurück, dass der spezielle wirtschaftspolitische Kontext des Bankensektors einer uneingeschränkten Anwendung des Wettbewerbsrechts auf diesen Sektor entgegenstehe.

42 In dem Einwand der Banken, dass die Kommission für die Ahndung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 53 des Abkommens über den EWR (im Folgenden: EWR-Abkommen) im Jahr 1994 nicht zuständig sei, sah die Kommission zwar einen der praktischen Wirksamkeit dieses Abkommens zuwiderlaufenden Standpunkt; gleichwohl verzichtete sie darauf, für das fragliche Jahr eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 53 festzustellen.

43 Die Kommission stuft den festgestellten Sachverhalt als komplexen Verstoß von erheblicher Dauer ein, der sowohl Vereinbarungen als auch abgestimmte Verhaltensweisen einschließe. Die beteiligten Unternehmen hätten die Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt; außerdem hätten die abgestimmten Verhaltensweisen tatsächliche Auswirkungen auf den österreichischen Bankenmarkt gehabt, obwohl die eingegangenen Verpflichtungen von den Banken nicht immer eingehalten worden seien.

44 Im Rahmen dieses Kapitels enthalten die Randnummern 438 bis 469 der angefochtenen Entscheidung eine Darstellung der Auswirkungen der festgestellten Verhaltensweisen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten.

45 Zu dem Umstand, dass die angefochtene Entscheidung nur an einige der zahlreichen an den fraglichen Verhaltensweisen beteiligten Banken gerichtet ist, führt die Kommission aus, dass die Adressaten der angefochtenen Entscheidung anhand der Häufigkeit ihrer Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden ausgewählt worden seien und dass sie außerdem, mit Ausnahme der NÖ-Hypo und der RLB, aufgrund ihrer Größe auf dem österreichischen Bankenmarkt eine bedeutende Rolle spielten.

46 Schließlich heißt es zur Dauer des Verstoßes in der angefochtenen Entscheidung, die fraglichen Verhaltensweisen fielen seit 1. Januar 1995 unter Artikel 81 Absatz 1 EG; die Kommission sei davon ausgegangen, dass nach den Nachprüfungen im Juni 1998 keine Gesprächsrunden mehr stattgefunden hätten und der Verstoß daher zu diesem Zeitpunkt geendet habe.

D - Anordnung, die Zuwiderhandlung einzustellen, und Berechnung der Geldbußen

47 Kapitel 16 der angefochtenen Entscheidung ist den von der Kommission getroffenen "Abhilfen" gewidmet.

48 Zum einen verlangt die Kommission von den betroffenen Unternehmen, den Verstoß gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 abzustellen.

49 Zum anderen führt sie zu den festgesetzten Geldbußen zunächst aus, dass die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen worden sei.

50 Die gegen die Adressaten der angefochtenen Entscheidung festgesetzten Geldbußen (siehe oben, Randnr. 24) wurden nach Maßgabe der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), sowie der Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) berechnet.

51 Dabei stufte die Kommission die Bankenrunden als "besonders schweren Verstoß" gegen Artikel 81 EG ein, ohne dass die vergleichsweise geringe Größe des betroffenen räumlichen Marktes an dieser Bewertung etwas änderte. Sodann teilte sie die Kartellunternehmen anhand ihrer jeweiligen Marktanteile in fünf Kategorien ein. Dabei rechnete sie den Spitzeninstituten die Marktanteile der Banken des von ihnen geleiteten Sektors zu. So wurden die Marktanteile sämtlicher Raiffeisenbanken der RZB zugerechnet, die aus diesem Grund in die erste der fünf Kategorien eingestuft wurde, für die ein Ausgangsbetrag der Geldbuße von 25 Millionen Euro festgesetzt wurde.

52 Bei der Bestimmung der Dauer der Zuwiderhandlung legte die Kommission die Zeit vom 1. Januar 1995 bis Ende Juni 1998 zugrunde. Im Hinblick auf diese Dauer erhöhte sie den Ausgangsbetrag um 35 %.

53 Die Kommission billigte keiner Bank mildernde Umstände zu; sie war insbesondere der Meinung, dass die Rollenverteilung bei den Bankenrunden kein hierfür maßgebender Gesichtspunkt sei.

54 Schließlich nahm die Kommission bei den Adressaten der angefochtenen Entscheidung in Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit wegen Nichtbestreitens des Sachverhalts eine Herabsetzung der Geldbuße um 10 % vor.

Verfahren und Anträge der Parteien

55 Mit gesonderten Klageschriften, die am 30. August und am 2. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind, haben die Adressaten der angefochtenen Entscheidung die vorliegenden Klagen erhoben.

56 Nach Anhörung der Parteien sind die sieben Rechtssachen durch Beschluss des Präsidenten der Zweiten Kammer des Gerichts vom 12. September 2005 gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

57 Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die mündliche Verhandlung eröffnet und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Artikel 64 der Verfahrensordnung die Parteien aufgefordert, Fragen zu beantworten und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Die Parteien sind dem fristgerecht nachgekommen.

58 Die Kommission hat beantragt, bestimmte Angaben in den von ihr vorgelegten Unterlagen gegenüber anderen Klägerinnen als der BA-CA vertraulich zu behandeln, weil es sich um Geschäftsgeheimnisse der BA-CA handele; sie hat nichtvertrauliche Fassungen der betreffenden Unterlagen vorgelegt. Da die vertraulichen Angaben für die Prüfung der Klagegründe der BA-CA nicht relevant sind, sondern Klagegründe anderer Klägerinnen betreffen, hat das Gericht beschlossen, nur die nichtvertraulichen Fassungen der betreffenden Unterlagen zu den Akten zu nehmen, so dass die vertraulichen Angaben nach Artikel 67 § 3 der Verfahrensordnung nicht berücksichtigt werden können.

59 In der Sitzung vom 11. Oktober 2005 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Auf Frage des Gerichts hat die Erste Bank Unterlagen zu ihrem Marktanteil vorgelegt. Nach schriftlicher Stellungnahme der übrigen Parteien zu diesen Unterlagen ist das mündliche Verfahren am 7. November 2005 beendet worden.

60 Die RZB (Klägerin in der Rechtssache T-259/02) beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betrifft;

- hilfsweise, die gegen sie festgesetzte Geldbuße zu ermäßigen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

61 Die BA-CA (Klägerin in der Rechtssache T-260/02) beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betrifft;

- hilfsweise, die gegen sie festgesetzte Geldbuße angemessen herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

62 Die AVB (Klägerin in der Rechtssache T-261/02, vormals BAWAG) beantragt,

- die Artikel 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die BAWAG betreffen;

- hilfsweise, die gegen die BAWAG verhängte Geldbuße auf eine angemessene Summe herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

63 Die RLB (Klägerin in der Rechtssache T-262/02) beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, die Artikel 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betreffen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

64 Die BAWAG PSK (Klägerin in der Rechtssache T-263/02, vormals PSK) beantragt,

- die Artikel 1 bis 3 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die PSK betreffen;

- hilfsweise, die gegen die PSK verhängte Geldbuße auf eine angemessene Summe herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen

65 Die Erste Bank (Klägerin in der Rechtssache T-264/02) beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betrifft;

- hilfsweise, die gegen sie festgesetzte Geldbuße aufzuheben;

- höchst hilfsweise, die Geldbuße auf eine angemessene Summe herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

66 Die ÖVAG und die NÖ-Hypo (Klägerinnen in der Rechtssache T-271/02) beantragen,

- Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerinnen betrifft;

- Artikel 2 Satz 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerinnen betrifft;

- Artikel 3 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er die Klägerinnen betrifft, oder, hilfsweise, die dort gegen sie festgesetzte Geldbuße zu ermäßigen;

- hilfsweise zum ersten Antrag, die Zulassung der FPÖ als Beschwerdeführerin und die Weiterleitung der Beschwerdepunkte an diese für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

67 In der Rechtssache T-259/02 beantragt die Kommission,

- die Klage abzuweisen;

- die gegen die RZB festgesetzte Geldbuße auf 33,75 Millionen Euro heraufzusetzen;

- der RZB die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

68 In den Rechtssachen T-260/02 bis T-264/02 und T-271/02 beantragt die Kommission,

- die Klagen abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten der Verfahren aufzuerlegen.

Zur Auswirkung der Umstrukturierung von BAWAG (Rechtssache T-261/02) und PSK (Rechtssache T-263/02)

69 Mit Schreiben vom 16. Januar 2006 hat der Anwalt der BAWAG und der PSK dem Gericht mitgeteilt, dass im Rahmen einer Umstrukturierung des Konzerns, dem diese beiden Kreditinstitute angehörten, die BAWAG PSK nunmehr die Rechtsnachfolgerin der beiden Klägerinnen in den Rechtssachen T-261/02 und T-263/02 sei.

70 Aus den diesem Schreiben beigefügten Unterlagen ergibt sich zum einen, dass die BAWAG ihren Bankbetrieb auf die BAWAG PSK übertragen und ihren Namen in AVB geändert hat, und zum anderen, dass die PSK mit der BAWAG PSK verschmolzen wurde. Der Anwalt der BAWAG und der PSK führt in seinem Schreiben vom 16. Januar 2006 aus, dass die BAWAG PSK die alleinige Rechtsnachfolgerin der BAWAG hinsichtlich ihres Bankbetriebes sei.

71 Die Gemeinschaftsgerichte können zwar die Namensänderung einer Partei berücksichtigen. Darüber hinaus kann eine von dem Adressaten eines Rechtsakts erhobene Nichtigkeitsklage von seinem alleinigen Rechtsnachfolger fortgeführt werden, so etwa beim Tod einer natürlichen Person oder beim Untergang einer juristischen Person unter gleichzeitiger Übertragung aller ihrer Rechte und Pflichten auf einen neuen Inhaber (vgl. in diesem Sinn Urteile des Gerichtshofes vom 20. Oktober 1983 in der Rechtssache 92/82, Gutmann/Kommission, Slg. 1983, 3127, Randnr. 2, und vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnrn. 13 bis 18). In einem solchen Fall tritt der alleinige Rechtsnachfolger von Rechts wegen und zwangsläufig in die Rechtsstellung seines Vorgängers als Adressat des angefochtenen Rechtsakts ein.

72 Dagegen steht es dem Gemeinschaftsrichter weder im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG noch selbst bei der Ausübung seiner unbeschränkten Ermessensnachprüfung von Zwangsmaßnahmen nach Artikel 229 EG zu, die Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans durch den Austausch ihres Adressaten gegen eine andere natürliche oder juristische Person zu ändern, solange der Adressat noch existiert. Dies darf allein das Organ, das die fragliche Entscheidung erlassen hat. Hat also das zuständige Organ eine Entscheidung bereits erlassen und damit die Person identifiziert, an die die Entscheidung zu richten war, so ist es nicht Sache des Gerichts, diese Person durch eine andere zu ersetzen (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in den Rechtssachen T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, JFE Engineering u. a./Kommission, Slg. 2004, II-2501, Randnr. 47).

73 Ferner ist zu berücksichtigen, dass eine Klage, die eine Person als Adressat eines Rechtsakts zur Geltendmachung ihrer Rechte durch einen Nichtigkeitsantrag nach Artikel 230 EG und/oder einen Änderungsantrag nach Artikel 229 EG erhoben hat, nicht auf einen Dritten übertragen werden kann, der nicht Adressat des Rechtsakts ist. Würde eine solche Übertragung zugelassen, so entstünde nämlich eine Abweichung zwischen der Eigenschaft, in der die Klage erhoben wurde, und der Eigenschaft, in der sie vorgeblich weiterverfolgt wird. Damit entstünde überdies eine Disparität zwischen der Identität des Adressaten des Rechtsakts und der Person, die im gerichtlichen Verfahren als Adressat auftritt (oben in Randnr. 72 angeführtes Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, Randnr. 48).

74 Somit sind die Umbenennung der BAWAG in AVB sowie die Tatsache zu berücksichtigen, dass die BAWAG PSK im Anschluss an die oben erwähnte Verschmelzung die Rechtsnachfolgerin der PSK geworden ist. Dagegen kann in der Rechtssache T-261/02 die AVB nicht durch die BAWAG PSK ersetzt werden, ungeachtet der Wirkungen, die die vorgenommene Umstrukturierung im österreichischen Recht hat. Daher bleibt die BAWAG (nunmehr unter dem Namen AVB) die Klägerin in der Rechtssache T-261/02, während die BAWAG PSK von Rechts wegen zur Klägerin in der Rechtssache T-263/02 geworden ist.

75 Da die angefochtene Entscheidung an die BAWAG und die PSK gerichtet war und diese sich dem Gericht gegenüber unter ihren alten Bezeichnungen schriftlich und mündlich geäußert haben, werden diese Bezeichnungen auch im Folgenden verwendet.

Entscheidungsgründe

I - Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung der gesamten angefochtenen Entscheidung

A - Zu den auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützten Klagegründen

1. Zum Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten (Rechtssachen T-260/02, T-261/02 und T-263/02)

a) Vorbringen der Klägerinnen

76 Die BA-CA, die BAWAG und die PSK führen aus, das ihnen nach Artikel 16 Absatz 3 des Beschlusses 2001/462/EG, EGKS der Kommission vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. L 162, S. 21, im Folgenden: Mandatsbeschluss) übermittelte Exemplar des Abschlussberichts der Anhörungsbeauftragten sei nicht unterzeichnet. Dies sei eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften, die die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung rechtfertige.

77 Die BAWAG und die PSK (Rechtssachen T-261/02 und T-263/02) tragen vor, die Ungewissheit darüber, ob das ihnen übermittelte Exemplar des Abschlussberichts tatsächlich dessen endgültige Fassung dargestellt habe, habe ihre Möglichkeiten beeinträchtigt, sich angemessen gegen die angefochtene Entscheidung zu verteidigen.

78 Die BA-CA (Rechtssache T-260/02) macht geltend, die angefochtene Entscheidung sei von der Kommission nicht ordnungsgemäß erlassen worden, weil der Abschlussbericht der Anhörungsbeauftragten nicht festgestellt worden sei. Außerdem sei der Vermerk "Entwurf" auf den Kopien, die dem Beratenden Ausschuss und dem Kollegium vorgelegt worden seien, geeignet gewesen, die Beurteilung des Berichts durch diese Stellen und damit das Ergebnis des Verwaltungsverfahrens zu beeinflussen. Darüber hinaus bestehe der Verdacht, dass der Abschlussbericht dem Kommissionskollegium unter Verstoß gegen Artikel 6 Absatz 4 der Geschäftsordnung der Kommission vom 29. November 2000 (ABl. L 308, S. 26) nur in deutscher Sprache vorgelegt worden sei. Das Gericht werde ersucht, der Kommission im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme aufzugeben, der BA-CA umfassende Einsicht in die Akten der Kommission zu gewähren.

b) Würdigung durch das Gericht

79 Artikel 15 Absatz 1 des Mandatsbeschlusses bestimmt:

"Der Anhörungsbeauftragte erstellt anhand des Entscheidungsentwurfs, der dem Beratenden Ausschuss in der fraglichen Sache vorzulegen ist, einen schriftlichen Abschlussbericht über die Wahrung des in Artikel 13 Absatz 1 genannten Rechts auf Anhörung. Der Bericht geht auch auf die Frage ein, ob der Entscheidungsentwurf ausschließlich Beschwerdepunkte behandelt, zu denen sich die Parteien haben äußern können, und nimmt gegebenenfalls zur Objektivität einer Untersuchung im Sinne von Artikel 14 Stellung."

80 Artikel 16 des Mandatsbeschlusses lautet:

"(1) Der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten wird dem der Kommission vorgelegten Entscheidungsentwurf beigefügt, damit diese ihre Entscheidung in einer bestimmten Sache in voller Kenntnis aller sachdienlichen Informationen über den Ablauf des Verfahrens und die Ausübung des Anhörungsrechts treffen kann.

(2) Der Abschlussbericht kann von dem Anhörungsbeauftragten im Lichte von Änderungen des Entscheidungsentwurfs bis zum Erlass der Entscheidung durch die Kommission geändert werden.

(3) Die Kommission übermittelt den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten zusammen mit der dazugehörigen Entscheidung an die Adressaten der Entscheidung. Sie veröffentlicht den Abschlussbericht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften gemeinsam mit der Entscheidung, dabei berücksichtigt sie ein berechtigtes Interesse von Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse."

81 Was erstens die Rüge anbelangt, dass der Abschlussbericht nicht unterzeichnet worden sei, so ist festzustellen, dass die Kommission als Anlage zu den Klagebeantwortungen drei Kopien dieses Berichts (in deutscher Sprache) vorgelegt hat, und zwar

- die den Adressaten der angefochtenen Entscheidung übermittelte Kopie,

- die dem Beratenden Ausschuss übermittelte Kopie und

- die dem Kommissionskollegium übermittelte Kopie.

Ihr Wortlaut ist identisch, aber nur die zweite Kopie ist unterzeichnet. Außerdem tragen die beiden letztgenannten Kopien die Vermerke "Entwurf" und "Intern".

82 Aus diesen Schriftstücken geht hervor, dass die Anhörungsbeauftragte mindestens ein Exemplar des Abschlussberichts mit ihrer Unterschrift versehen hat; dies zeigt, dass es sich um die endgültige Fassung handelte, deren Übermittlung an die zuständigen Stellen dem Willen der Anhörungsbeauftragten entsprach. Unter diesen Umständen kann die Tatsache, dass andere Exemplare dieses Berichts, die (abgesehen davon, dass in einigen Fällen der Vermerk "Entwurf" fehlt) mit der unterzeichneten Fassung übereinstimmen, ihren Adressaten ohne Unterschrift übermittelt wurden, nicht als eine die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung rechtfertigende Verletzung wesentlicher Formvorschriften eingestuft werden.

83 Die Rüge der BAWAG und der PSK, dass das Fehlen einer Unterschrift auf der ihnen zusammen mit der angefochtenen Entscheidung zugestellten Kopie des Abschlussberichts ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigt habe, weil die Ausarbeitung ihrer Verteidigung gegen die Entscheidung dadurch erschwert worden sei, geht ins Leere. Das Fehlen der Unterschrift konnte die Verteidigungsrechte der Klägerinnen während des Verwaltungsverfahrens nicht beeinträchtigen. Soweit die Klägerinnen geltend machen wollen, dass das Fehlen der Unterschrift zu Zweifeln an der Endgültigkeit des Berichts habe führen können, die dessen Beanstandung und damit ihre Verteidigung vor dem Gericht riskanter gemacht hätten, ist festzustellen, dass solche Zweifel mittels prozessleitender Maßnahmen beseitigt werden konnten und dass Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung es den Parteien ermöglicht, ihre Rechte unter Berücksichtigung des Ergebnisses solcher Maßnahmen zu verteidigen, indem sie gegebenenfalls neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorbringen.

84 Zweitens vermag die Rüge der BA-CA nicht durchzudringen, wonach die Pflicht zur Feststellung des Abschlussberichts des Anhörungsbeauftragten verletzt worden sei. Der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten gehört nicht zu den in den Artikeln 14 EGKS, 249 EG und 161 EAG genannten Rechtsakten, die nach Artikel 18 Absatz 5 der Geschäftsordnung festgestellt werden müssen.

85 Was drittens den Vermerk "Entwurf" auf den dem Beratenden Ausschuss und dem Kommissionskollegium vorgelegten Exemplaren des Abschlussberichts betrifft, so kann dieser Bericht nach Artikel 16 Absatz 2 des Mandatsbeschlusses vom Anhörungsbeauftragten unter Berücksichtigung von Änderungen des Entscheidungsentwurfs bis zum Erlass der Entscheidung geändert werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Bericht zum Zeitpunkt seiner Übermittlung an die zuständigen Stellen den Vermerk "Entwurf" trägt. Dass dieser "Entwurf" bei unterbliebener Änderung nicht durch eine endgültige Fassung ersetzt wird, kann nicht zur Rechtswidrigkeit der auf seiner Grundlage ergangenen Entscheidung führen. Es kann nämlich nicht angenommen werden, dass die mit einer Bußgeldentscheidung befassten Kommissionsmitglieder ihre in Artikel 16 Absatz 1 des Mandatsbeschlusses niedergelegte Pflicht zur Berücksichtigung des Abschlussberichts des Anhörungsbeauftragten deshalb verletzen, weil dieser den Vermerk "Entwurf" trägt.

86 Viertens ist festzustellen, dass der Verdacht der BA-CA, der Abschlussbericht sei den zuständigen Stellen nicht in allen erforderlichen Sprachen vorgelegt worden, unbegründet ist. Hierzu heißt es in Artikel 6 Absatz 4 der Geschäftsordnung:

"Die Tagesordnung und die notwendigen Arbeitsunterlagen müssen den Mitgliedern der Kommission innerhalb der Fristen und in den Arbeitssprachen zugehen, die von der Kommission gemäß Artikel 25 festgelegt werden."

87 Es ist allgemein bekannt, dass die Arbeitsunterlagen der Kommission in der Regel in deutscher, englischer und französischer Sprache vorgelegt werden.

88 Die Kommission hat im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen die deutsche, die englische und die französische Fassung des Abschlussberichts nebst Vermerken des Generalsekretariats der Kommission vom 4. Juni 2002 vorgelegt, aus denen sich die Übermittlung dieser Fassungen an die Kommissionsmitglieder ergibt. Die Rüge der BA-CA geht daher in der Sache fehl.

89 Nicht durchzudringen vermag auch der Antrag der BA-CA, ihr umfassende Einsicht in die Verwaltungsakten der Kommission zu gewähren. Wie soeben festgestellt, ist diese Maßnahme nicht erforderlich, um ihr die Prüfung zu ermöglichen, ob der Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten tatsächlich in den erforderlichen Sprachfassungen vorgelegt wurde. Im Übrigen hat die BA-CA nicht erläutert, welche anderen Klagegründe die Vorlage der Verwaltungsakten der Kommission erforderlich machen könnte.

90 Folglich sind die den Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten betreffenden Rügen der BA-CA, der BAWAG und der PSK zu verwerfen.

2. Zur Stellung der FPÖ im Verwaltungsverfahren (Rechtssachen T-260/02 und T-271/02)

a) Vorbringen der Parteien

91 Die BA-CA, die ÖVAG und die NÖ-Hypo werfen der Kommission vor, dadurch regelwidrig gehandelt zu haben, dass sie die FPÖ als Beschwerdeführerin im Sinn von Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 zugelassen und ihr nichtvertrauliche Fassungen der Mitteilungen der Beschwerdepunkte übermittelt habe. Durch diese Entscheidungen seien die Artikel 3 und 20 der Verordnung Nr. 17 und ihre Verteidigungsrechte verletzt worden, erstens, weil die - nach der Eröffnung des Verfahrens durch die Kommission eingereichte - Beschwerde der FPÖ für dieses Verfahren nicht ursächlich gewesen sei, zweitens, weil die FPÖ sich nicht auf ein berechtigtes Interesse für die Einreichung eines Antrags gemäß Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 habe berufen können, wofür ihre Eigenschaft als Bankkundin nicht ausreiche, drittens, weil diese beiden Entscheidungen erst nach den mündlichen Anhörungen getroffen worden seien, und viertens, weil sich die FPÖ gegenüber der Kommission nicht verpflichtet habe, die Pflichten eines Beschwerdeführers einzuhalten. Infolge dieser Regelwidrigkeiten müsse die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt werden.

92 Außerdem rügt die BA-CA, dass die Kommission ihre Verteidigungsrechte verletzt habe, indem sie ihr - trotz mehrerer entsprechender Anträge - keine rechtsmittelfähige Entscheidung hierüber habe zukommen lassen und ihr deshalb die Möglichkeit genommen habe, gegen die Übermittlung der Mitteilungen der Beschwerdepunkte Rechtsmittel einzulegen. Zudem habe die Kommission den EG-Vertrag dadurch verletzt, dass sie nicht alles in ihrer Macht stehende getan habe, um den Missbrauch der Mitteilungen der Beschwerdepunkte durch die FPÖ zu unterbinden, und dass sie es unterlassen habe, der missbräuchlichen Verwendung der übermittelten Unterlagen durch die FPÖ zu widersprechen und diese insbesondere zurückzufordern.

93 Die Kommission ist der Ansicht, dass die Rügen in Bezug auf die Weiterleitung der Mitteilungen der Beschwerdepunkte an die FPÖ in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des vorliegenden Verfahrens stünden. Die Zulassung der FPÖ als Beschwerdeführerin habe nicht den geringsten Einfluss auf die angefochtene Entscheidung gehabt. Die Entscheidung über die Weiterleitung der Mitteilungen der Beschwerdepunkte an die FPÖ hätte in einem eigenständigen Verfahren angefochten werden müssen; eine nachträgliche Anfechtung im vorliegenden Rechtsstreit sei schon wegen Verfristung nicht mehr möglich.

94 In der Gegenerwiderung fügt die Kommission hinzu, die Klägerinnen seien in Bezug auf die Zulassung der FPÖ als Beschwerdeführerin und die Weiterleitung der Mitteilungen der Beschwerdepunkte nicht klagebefugt nach Artikel 230 Absatz 4 EG, weil ihre Rechtsposition durch diese Maßnahmen nicht berührt werde. Zudem folgten die von ihnen gerügten Beeinträchtigungen und der ihnen angeblich entstandene Schaden nicht aus Handlungen der Kommission, sondern aus einem eigenständigen späteren Verhalten der FPÖ. Im Übrigen sei die Kommission sowohl zur Zulassung der FPÖ als Beschwerdeführerin berechtigt als auch zur Weiterleitung der Mitteilungen der Beschwerdepunkte an sie verpflichtet gewesen.

b) Würdigung durch das Gericht

95 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission, wenn sie "auf Antrag oder von Amts wegen" eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG oder Artikel 82 EG feststellt, die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die Zuwiderhandlung abzustellen. Nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 sind Personen und Personenvereinigungen, die ein berechtigtes Interesse darlegen, zur Stellung eines solchen Antrags berechtigt. Ferner geht aus den Artikeln 6 bis 8 der Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel [81] und [82] EG-Vertrag (ABl. L 354, S. 18) hervor, dass die Personen, die einen solchen Antrag gestellt haben, über bestimmte Verfahrensrechte verfügen, zu denen u. a. das Recht gehört, eine Kopie der nichtvertraulichen Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erhalten.

96 Was erstens die Frage betrifft, ob die Kommission durch die Zulassung der FPÖ zum Verfahren Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 verletzt hat, so kann der These der Klägerinnen nicht gefolgt werden, dass ein solcher Antrag nicht mehr mit Erfolg gestellt werden kann, sobald ein Zuwiderhandlungsverfahren von Amts wegen eröffnet wurde. Für die Anerkennung als Antragsteller verlangen die Verordnungen Nrn. 17 und 2842/98 nämlich nicht, dass die Eröffnung des Zuwiderhandlungsverfahrens durch die Kommission auf dem betreffenden Antrag beruht und dass die Untersuchung der gerügten Zuwiderhandlung noch nicht begonnen hat. Andernfalls wären Personen, die ein berechtigtes Interesse an der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln besitzen, daran gehindert, während des Verfahrens die damit nach den Artikeln 6 bis 8 der Verordnung Nr. 2842/98 verbundenen Verfahrensrechte wahrzunehmen.

97 Zweitens ist die Kommission zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die FPÖ auf ihre Stellung als Endkundin von Bankdienstleistungen in Österreich und eine Verletzung ihrer wirtschaftlichen Interessen durch die als wettbewerbswidrig gerügten Verhaltensweisen stützen konnte, um ein berechtigtes Interesse an einem Antrag auf Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Verhaltensweisen mit den Artikeln 81 EG und 82 EG durch die Kommission darzulegen.

98 Insoweit ist nicht ersichtlich, was einen Endabnehmer von Waren oder Dienstleistungen daran hindern sollte, den Begriff des berechtigten Interesses im Sinn von Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 zu erfüllen. Vielmehr hat ein Endkunde, der darlegt, dass er durch die fragliche Wettbewerbsbeschränkung in seinen wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt wurde oder beeinträchtigt sein kann, ein berechtigtes Interesse im Sinn dieser Bestimmung an der Einreichung eines Antrags oder einer Beschwerde zu dem Zweck, die Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG oder 82 EG durch die Kommission zu erwirken.

99 Die Bestimmungen, die einen unverfälschten Wettbewerb im Binnenmarkt gewährleisten sollen, verfolgen nämlich letztlich den Zweck, das Wohlergehen des Verbrauchers zu erhöhen. Dieser Zweck ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des Artikels 81 EG: Auch wenn von dem Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG Kartelle ausgenommen werden können, die zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen, ist diese in Artikel 81 Absatz 3 EG vorgesehene Möglichkeit doch namentlich an die Voraussetzung geknüpft, dass die Verbraucher der in Frage stehenden Waren an dem entstehenden Gewinn angemessen beteiligt werden. Das Wettbewerbsrecht und die Wettbewerbspolitik haben damit auf die konkreten wirtschaftlichen Interessen der Endabnehmer von Waren oder Dienstleistungen unbestreitbare Auswirkungen. Wenn diesen Endkunden - die geltend machen, sie hätten infolge eines zur Beschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs geeigneten Vertrages oder Verhaltens einen Vermögensschaden erlitten - ein berechtigtes Interesse daran zuerkannt wird, dass die Kommission eine Zuwiderhandlung gegen die Artikel 81 EG und 82 EG feststellt, so trägt dies folglich zur Verwirklichung der Ziele des Wettbewerbsrechts bei.

100 An diesem Ergebnis ändert es nichts, dass sich die FPÖ zunächst auf ein allgemeines Interesse berief, das sie als Oppositionspartei verteidigen wolle, und erst anschließend ausführte, sie habe als Endabnehmerin von Bankdienstleistungen in Österreich durch das beanstandete Kartell einen Vermögensschaden erlitten. Ersteres konnte ihr nämlich nicht die Möglichkeit nehmen, ihr berechtigtes Interesse im Sinn der Verordnung Nr. 17 später mit ihrer Eigenschaft als Kundin der Banken, gegen die das Verfahren eröffnet worden war, zu rechtfertigen, und ihren durch die fraglichen Absprachen angeblich erlittenen Vermögensschaden geltend zu machen.

101 Drittens können die Zulassung eines Betroffenen als Beschwerdeführer und die Übermittlung der Mitteilung der Beschwerdepunkte an ihn nicht davon abhängig gemacht werden, dass noch keine mündliche Anhörung vor der Kommission stattgefunden hat. Die Verordnungen Nr. 17 und Nr. 2842/98 bestimmen nämlich keine besondere Frist für die Ausübung des Rechts eines Antragstellers oder Beschwerdeführers, der ein berechtigtes Interesse dargelegt hat, auf Erhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte und auf Anhörung im Rahmen eines Zuwiderhandlungsverfahrens. So wird in den Artikeln 7 und 8 der Verordnung Nr. 2842/98 lediglich festgelegt, dass die Kommission dem Antragsteller oder Beschwerdeführer die Beschwerdepunkte übermittelt und ihm eine Frist zur schriftlichen Äußerung setzt, wobei er auf Antrag auch mündlich angehört werden kann. Folglich kann ein Antragsteller oder Beschwerdeführer sein Recht auf Erhalt der Beschwerdepunkte und auf Anhörung im Verwaltungsverfahren zur Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 81 EG und 82 EG ausüben, solange das Verfahren anhängig ist.

102 Viertens ist zu den Argumenten in Bezug auf die Verwendung der übermittelten Unterlagen durch die FPÖ festzustellen, dass die FPÖ nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 2842/98 Anspruch auf Erhalt einer nichtvertraulichen Fassung der Mitteilungen der Beschwerdepunkte hatte. Die Kommission kann nicht wegen eines bloßen Verdachts, dass die genannten Unterlagen missbräuchlich verwendet werden könnten, das Recht eines Antragstellers, der ordnungsgemäß ein berechtigtes Interesse darlegt, auf Erhalt der Mitteilungen der Beschwerdepunkte nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 2842/98 einschränken. Schließlich kann die Verwendung der der FPÖ übermittelten Unterlagen durch diese nicht der Kommission angelastet werden und hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

103 Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen zur Zulassung der FPÖ zum Verfahren als unbegründet zu verwerfen, ohne dass sich das Gericht zu seiner Zulässigkeit zu äußern braucht.

3. Ergebnis

104 Den auf eine Verletzung der Verfahrensregeln gestützten Klagegründen ist daher insgesamt der Erfolg zu versagen.

B - Zu den auf eine fehlerhafte Würdigung der Vereinbarungen gestützten Klagegründen

1. Vorbemerkungen

105 Ohne die Existenz der Gesprächsrunden zu bestreiten, begehren die BAWAG und die PSK (Rechtssachen T-261/02 und T-263/02) die Nichtigerklärung der gesamten angefochtenen Entscheidung, wobei sie eine Verletzung von Artikel 81 Absatz 1 EG wegen fehlerhafter Würdigung der Vereinbarungen geltend machen.

106 Zum einen rügen sie im Wesentlichen, dass die Gesprächsrunden als ein einziges Kartell eingestuft wurden. Ohne einen eigenständigen Klagegrund vorzutragen, wenden sich die RLB, die ÖVAG und die NÖ-Hypo (Rechtssachen T-262/02 und T-271/02) im Rahmen der auf das Fehlen grenzüberschreitender Wirkungen der Vereinbarungen gestützten Klagegründe gegen die Einstufung als einziges Kartell und machen geltend, dass die Eignung der Gesprächsrunden zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten bei jeder von ihnen gesondert geprüft werden müsse. Auf dieses Vorbringen wird im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes eingegangen.

107 Zum anderen machen die BAWAG und die PSK geltend, die Gesprächsrunden hätten nicht zu einem hohen Maß an gegenseitigem Einverständnis zwischen den Banken geführt, die in scharfem Wettbewerb gestanden hätten. Diese Rüge betrifft im Wesentlichen die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und kann, auch wenn sie begründet sein sollte, nicht zur Nichtigerklärung der gesamten angefochtenen Entscheidung führen. Auf sie wird daher im Folgenden zusammen mit den anderen die Schwere der Zuwiderhandlung betreffenden Rügen im Kontext der Anträge auf Herabsetzung der Geldbuße eingegangen.

2. Zur Einstufung der Gesprächsrunden als eine einzige Zuwiderhandlung (Rechtssachen T-261/02 bis T-263/02 und T-271/02)

a) Vorbringen der Parteien

108 Die Klägerinnen in diesen Rechtssachen tragen vor, die Kommission sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Gesprächsrunden ein einziges Gesamtkartell dargestellt hätten. Sie machen insbesondere geltend, dass die verschiedenen Gesprächsrunden autonom agiert hätten und dass der "Lombardclub" insoweit keine Koordinierungs- oder Leitungsfunktion gehabt habe.

109 Die RLB (Rechtssache T-262/02) bestreitet nicht, dass es einen Informationsaustausch zwischen den die Einlagen und die Kredite betreffenden Gesprächsrunden (Aktiv- und Passivrunden, "Lombardclub", Controllerrunde) gab, macht aber geltend, dass sich der "Lombardclub" nie mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen befasst habe. Außerdem habe sich die Kommission erstmals in ihrer Klagebeantwortung auf die Existenz einer Gesamtvereinbarung berufen.

110 Die Kommission führt aus, die Einstufung der Gesprächsrunden als Gesamtkartell sei gerechtfertigt. Als Anlage zur Gegenerwiderung legt sie eine Reihe von Schriftstücken aus den Verwaltungsakten vor, die die enge Verflechtung der Gesprächsrunden belegen sollen.

b) Würdigung durch das Gericht

111 Ein Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG kann sich nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben. Dieser Auslegung lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zweckes der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen "Gesamtplan" ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Januar 2004 in den Rechtssachen C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Aalborg Portland u. a./Kommission, Slg. 2004, I-123, Randnr. 258).

112 Hierzu heißt es in Randnummer 73 der angefochtenen Entscheidung: "Zweck der gegenständlichen Absprachen war die Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den beteiligten Unternehmen im Hinblick auf die von den Gesprächsrunden umfassten Themen. Absprachen und abgestimmte Maßnahmen sollten - auf Kosten der Konsumenten - die Ertragslage der Banken verbessern. Eine Abkehr von Kartellabsprachen - welche nach Ansicht der Banken 'vernünftigen Wettbewerb' sicherstellten - würde dagegen zu einer 'Margenerosion' führen." Die Kommission führt somit an dieser Stelle im Wesentlichen aus, dass ein Gesamtplan bestanden habe, mit dem das Ziel verfolgt worden sei, bei allen Bankdienstleistungen, die Gegenstand der Gesprächsrunden gewesen seien, den Preiswettbewerb zu beseitigen. Die Rüge der RLB, dass sich die Kommission in ihrer Klagebeantwortung erstmals auf die Existenz eines Gesamtkartells berufen habe, kann daher keinen Erfolg haben.

113 Um zu prüfen, ob die Kommission auf der Grundlage der ihr vorliegenden Beweise zu dem Schluss berechtigt war, dass die Abstimmungen in den verschiedenen Gesprächsrunden Teil eines Gesamtplans zur Einschränkung des Wettbewerbs waren, sind die Abschnitte der angefochtenen Entscheidung zu analysieren, die bestimmte Feststellungen enthalten, aus denen die Kommission auf das Vorliegen eines einzigen Kartells schließt und auf die sie in ihren Gegenerwiderungen in den Rechtssachen T-261/02 bis T-263/02 und T-271/02 Bezug nimmt, sowie die als Anlage dazu beigefügten Unterlagen, auf denen diese Feststellungen beruhen.

114 Erstens verweist die Kommission zum Nachweis dafür, dass sich der "Lombardclub" als übergeordnete Instanz aller anderen Gesprächsrunden mit Fragen befasste, die zahlreiche spezielle Gesprächsrunden betrafen, auf Unterlagen über Sitzungen dieses Gremiums am 7. Juni 1995 und am 8. Mai 1996.

115 Zur ersten dieser Sitzungen wird in Randnummer 167 der angefochtenen Entscheidung aus einer "vertraulichen Notiz" eines Vorstandsmitglieds der CA zitiert, in der es um ein informelles Treffen von Vertretern der BA, der CA, der BAWAG, der GiroCredit, der RZB und der PSK geht, das die bei der Sitzung des "Lombardclubs" am 7. Juni 1995 zu besprechenden und beschließenden Punkte zum Gegenstand hatte. Dieses Schriftstück zeigt, dass sich der "Lombardclub" tatsächlich mit Fragen befasste, die Gesprächsrunden mit verschiedenem Gegenstand betrafen und auch grenzüberschreitende Dienstleistungen einschlossen; dazu gehörten Abstimmungen über die Haben- und Sollzinssätze sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen und über die sonstigen Konditionen für Kredite unter Einschluss von Exportkrediten.

116 In Bezug auf die Sitzung des "Lombardclubs" am 8. Mai 1996 wird in Randnummer 248 der angefochtenen Entscheidung auf drei Schriftstücke verwiesen; das erste davon ist ein zu den Akten der NÖ-Hypo gegebener Vermerk vom 10. Mai 1996, der u. a. für die Generaldirektoren dieser Bank bestimmt war und in dem es heißt, dass bei der Sitzung des "Lombardclubs" am 8. Mai 1996 "die Generaldirektorenrunde einige grundsätzliche Dinge abgestimmt" habe, darunter die Hausbankspanne bei Exportkrediten, Zinssätze und andere Konditionen für verschiedene Kreditarten, die Werbung mit Zinssätzen und Bearbeitungsgebühren. Im zweiten Schriftstück wird hinzugefügt, dass ein "Mindestgebührenvorschlag für das Wertpapiergeschäft und den Zahlungsverkehr" ausgearbeitet werden sollte, während das dritte Schriftstück die bei dieser Sitzung des "Lombardclubs" angenommenen Vorschläge enthält. Auch diese Schriftstücke bestätigen, dass der "Lombardclub" in Angelegenheiten tätig geworden ist und entschieden hat, die zahlreiche spezielle Gesprächsrunden betrafen. Insbesondere die ersten beiden Schriftstücke untermauern die Feststellung, dass der "Lombardclub" als zuständige Stelle für die Entscheidung über die Festlegung der Preise bestimmter wichtiger grenzüberschreitender Geschäfte wie Exportkredite, Zahlungsverkehr und Wertpapiertransaktionen angesehen wurde.

117 Zweitens geht aus den von der Kommission in den Randnummern 216 und 284 der angefochtenen Entscheidung zitierten Schriftstücken hervor, dass der "Lombardclub" die grundlegenden Entscheidungen traf. So wird in Randnummer 216 der angefochtenen Entscheidung auf eine Aktennote über eine Sitzung der Wiener Passiv- und Privatkreditrunde am 6. Februar 1996 Bezug genommen, die an den Generaldirektor einer der betroffenen Banken gerichtet war und zur Vorbereitung der für den folgenden Tag vorgesehenen Sitzung des "Lombardclubs" diente. Nach dieser Note erwartete man sich "[v]on der am 7. Februar [1996] stattfindenden Lombardrunde ... entsprechende grundsätzliche Entscheidungen" über bestimmte bei der Gesprächsrunde erörterte Punkte. In Randnummer 284 der angefochtenen Entscheidung wird eine von einem Mitarbeiter der BAWAG verfasste Aktennote über eine Sitzung der Passivrunde am 25. Oktober 1996 zitiert, bei der eine Senkung der Zinsen für Kapitalsparbücher erörtert worden war. Nach dieser Note war für den 12. November 1996 eine Bundespassivrunde vorgesehen, "um dem Generaldirektoren-Lombard am 13. November 1996 entsprechende Empfehlungen vorlegen zu können". Diese Schriftstücke machen deutlich, dass ihre Verfasser erwarteten, der "Lombardclub" werde Grundsatzentscheidungen über die bei den anderen Gesprächsrunden erörterten Fragen treffen.

118 Drittens hat die Kommission nachgewiesen, dass der "Lombardclub" eine Schiedsfunktion wahrnahm und von den verschiedenen Gruppen bei Disziplinproblemen angerufen wurde. Dazu hat sie insbesondere in Randnummer 166 der angefochtenen Entscheidung auf eine interne Notiz der PSK Bezug genommen, in der ein "Bankenerfahrungsaustausch" vom 24. Mai 1995 zusammengefasst wird; danach sollte die "Konditionendisziplin ... auch Thema des 'Lombardclubs' im Juni sein", wobei die Teilnehmer davon ausgingen, dass eine bessere Disziplin nur dann zu erwarten sei, "wenn die Einhaltung von Mindestmargen 'Ehrensache' von Vorstandsmitgliedern wird". Dieses Schriftstück belegt, dass der "Lombardclub" von den Mitgliedern der übrigen Gesprächsrunden als die geeignete Stelle zur Regelung von "Disziplinproblemen" bei der Einhaltung der Vereinbarungen angesehen wurde.

119 Viertens wird in Randnummer 67 der angefochtenen Entscheidung die enge Verflechtung der Gesprächsrunden und ihres Entscheidungsprozesses geschildert; dort heißt es: "Der gemeinsame Entscheidungsfindungsprozess durchlief oft ... mehrere Gesprächsrunden (meist Wiener Aktiv- und/oder Passivrunde, 'Minilombard', Bundes-Aktiv- und/oder Passivrunde und 'Lombardclub')." Diese Feststellung beruht auf zwei Schriftstücken zur Wiener Aktiv- und Passivrunde am 30. August 1995, aus denen hervorgeht, dass die Bankenvertreter ihre Reaktion auf eine Senkung der Zinssätze der OeNB erörterten. Eine Entscheidung über die Einlagen- und Kreditzinssätze bei Privatpersonen war für eine folgende Sitzung über das Aktiv- und Passivgeschäft am 7. September 1995 vorgesehen, während die abschließende Entscheidung über eine etwaige Anpassung der Kreditzinssätze für Unternehmen vom "Lombardclub" am 13. September 1995 auf der Grundlage des bei einer Sitzung des "Minilombard" am 8. September 1995 erstellten Vorschlags getroffen werden sollte. Aus diesen übereinstimmenden Schriftstücken ergibt sich, dass die Gesprächsrunden über die Aktiv- und Passivzinssätze für Privatpersonen und Unternehmen Teil eines gemeinsamen Planes zur umfassenden Einschränkung des Wettbewerbs mittels Zinssätzen waren.

120 Fünftens liefern die Randnummern 126, 130 und 237 der angefochtenen Entscheidung Beispiele dafür, dass die Gesprächsrunden gelegentlich gemeinsame Sitzungen abhielten, dass sich die Zuständigkeiten der Gruppen überschnitten und dass sich die Gesprächsrunden gegenseitig über ihre Aktivitäten informierten. Während in Randnummer 126 eine Controllerrunde im Dezember 1994 geschildert wird, bezieht sich Randnummer 130 auf eine Treasurerrunde, die Anfang Januar 1995 stattfand. In der Einladung zu dieser Gesprächsrunde, bei der die kurzfristigen aktiv- und passivseitigen Konditionen erörtert werden sollten, wurde angeregt, dass Teilnehmer, die selbst keinen direkten Einfluss auf die Gestaltung der Fixvorlagenkonditionen ihres Instituts hatten, einen "Großkundenbetreuungsverantwortlichen" (z. B. das Mitglied der Großkundenbetreuerrunde) mitbringen sollten. In Randnummer 237 wird eine Nachricht des Verbandes der österreichischen Landes-Hypothekenbanken an seine Mitglieder zitiert, worin sie über eine Sitzung des "Minilombard" vom 23. April 1996 informiert werden und ein ähnlicher wie der oben in Randnummer 119 beschriebene Entscheidungsfindungsprozess in Aussicht gestellt wird.

121 Diese Anhaltspunkte rechtfertigen zusammen genommen den von der Kommission gezogenen Schluss, dass es eine Grundsatzvereinbarung aller an dem Kartell beteiligten Banken über die Beseitigung des Preiswettbewerbs bei einem breiten Spektrum von Bankdienstleistungen für Privatpersonen und Unternehmen einschließlich der Großkunden gab. Dass in den zitierten Schriftstücken nicht ausdrücklich auf alle von den verschiedenen Sitzungen betroffenen Bankdienstleistungen und alle Gesprächsrunden Bezug genommen wird, spielt dabei keine Rolle.

122 Es ist zwar richtig, dass sich die Kommission im vorliegenden Kontext auch auf bestimmte Schriftstücke berufen hat, die den von ihr gezogenen Schluss nicht stützen, weil sie sich nicht auf den Zeitraum der Zuwiderhandlung beziehen oder nicht den Wiener "Lombardclub" betreffen (so die in den Randnrn. 66, 107 und 160 der angefochtenen Entscheidung zitierten Schriftstücke, in denen es um die Umsetzung der Entscheidungen des "Lombardclubs" auf der Ebene der verschiedenen Gesprächsrunden geht), doch kann dies die Schlussfolgerung, dass die Gesprächsrunden Teil eines Gesamtplans zur Verfolgung eines gemeinsamen Zieles waren, nicht in Frage stellen.

123 Aus den oben in den Randnummern 114 bis 121 analysierten Schriftstücken ergibt sich außerdem, dass die Entscheidungen des "Lombardclubs" vor allem Grundsatzfragen betrafen und dass sie von anderen Gesprächsrunden eingehend vorbereitet wurden. Mit dieser Aufgabenverteilung lässt sich entgegen dem Vorbringen der RLB leicht erklären, wie die Generaldirektoren der im "Lombardclub" vertretenen Banken das Kartell mit nur elf Sitzungen pro Jahr leiten konnten.

124 Nicht durchzudringen vermag auch die These der BAWAG und der PSK, die den Beweiswert dieser Schriftstücke zu mindern versuchen, indem sie geltend machen, dass "die Rolle des 'Lombardclubs' von den Teilnehmern der anderen Runden, in der Regel Angehörige des mittleren Managements, falsch eingeschätzt und überbewertet" worden sei. Verfasser oder Adressaten eines Teils der vorstehend analysierten Schriftstücke waren nämlich die Generaldirektoren einiger Banken, die persönlich an den Sitzungen des "Lombardclubs" teilnahmen und deshalb genaue Kenntnis von dessen Rolle hatten. Der Kommission kann somit nicht vorgeworfen werden, den Beweiswert dieser Schriftstücke übertrieben zu haben.

125 Schließlich geht aus den analysierten Schriftstücken entgegen dem Vorbringen der BAWAG und der PSK hervor, dass die Hinweise auf die Führungsrolle des "Lombardclubs" in den Randnummern 304 und 306 der angefochtenen Entscheidung keine Einzelfälle darstellen. Dies wird auch durch eine von der BAWAG und der PSK als Anlage zu ihren Klageschriften vorgelegte interne Notiz der CA bestätigt, mit der die Adressaten über den Inhalt einer Aktiv- und Passivrunde am 17. April 1996 informiert werden. Nach dieser Notiz sollte ein Vorschlag ausgearbeitet werden, der Gegenstand einer Abstimmung in dieser Gesprächsrunde und dann einer Diskussion und gegebenenfalls einer Vereinbarung im "Lombardclub" sein sollte.

126 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Rügen gegen die Einstufung der Gesprächsrunden als ein einziges Gesamtkartell unbegründet sind.

C - Zur Wahl der Adressaten der angefochtenen Entscheidung (Rechtssache T-271/02)

1. Vorbringen der Parteien

a) Vorbringen der Klägerinnen

127 Die ÖVAG und die NÖ-Hypo sind der Ansicht, dass die Wahl der Adressaten der angefochtenen Entscheidung in ihrem Fall rechtswidrig sei. Sie wenden sich nicht gegen die ihres Erachtens dabei herangezogenen Kriterien, nämlich die Häufigkeit der Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden und die Größe des Instituts auf dem österreichischen Bankenmarkt. Sie machen vielmehr geltend, dass die Anwendung dieser Kriterien rechtswidrig sei, weil sie nicht hinreichend begründet sei, auf unzutreffenden tatsächlichen Feststellungen beruhe und den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht beachte. Aus der angefochtenen Entscheidung sei nicht ersichtlich, warum und anhand welcher Kriterien die Wiener und Bundes-Aktiv- und/oder Passivrunden einschließlich der Privatkredit- und Freiberuflerrunden, der "Minilombard" sowie die Controllerrunden als "wichtigste" Gesprächsrunden ausgewählt worden seien.

128 Außerdem habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht zu ihrem Argument Stellung genommen, wonach der Abstimmungsprozess in den Gesprächsrunden von einem "engeren Kreis" von Großbanken bestimmt worden sei, dem sie nicht angehört hätten und der die wichtigste der Gesprächsrunden gewesen sei.

129 Die ÖVAG und die NÖ-Hypo räumen ihre Teilnahme an einigen der in der Entscheidung zu den "wichtigsten" gezählten Gesprächsrunden ein, machen aber geltend, dass sie an diesen Gesprächsrunden nicht sehr häufig und deutlich seltener nicht nur als die meisten anderen Adressaten der Entscheidung teilgenommen hätten, sondern auch als manche Banken, an die die Entscheidung nicht gerichtet worden sei.

130 In der angefochtenen Entscheidung sei mehrfach von der Teilnahme der CA, der BA, der RZB, der Ersten Bank bzw. der GiroCredit, der PSK und (wenn auch seltener) der BAWAG an einem "engeren Kreis von Banken" die Rede, in dem die Vertreter der größten österreichischen Banken u. a. zur Vorbereitung des "Lombardclubs" zusammengekommen seien. Der eigentliche Abstimmungsprozess sei von diesem "engeren Kreis" bestimmt worden, dem sie nicht angehört hätten. Der Adressatenkreis der angefochtenen Entscheidung hätte völlig anders ausgesehen, wenn die Kommission richtigerweise den "Lombardclub" und insbesondere die Treffen des "engeren Kreises", in dem alle Entscheidungen vorbereitet worden seien, als "wichtigste Runden" eingestuft hätte.

131 Überdies sei ihre Einbeziehung in den Adressatenkreis der angefochtenen Entscheidung nach dem Kriterium der Bankengröße nicht gerechtfertigt, und die Kommission habe gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen, als sie sie als Adressaten der angefochtenen Entscheidung ausgewählt habe.

b) Vorbringen der Kommission

132 Die Kommission trägt vor, die Größe der Institute auf dem österreichischen Markt habe nicht als Auswahlkriterium gedient; die Adressaten der angefochtenen Entscheidung seien ausschließlich aufgrund der Häufigkeit ihrer Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden ausgewählt worden. Es treffe nicht zu, dass die ÖVAG und die NÖ-Hypo deutlich seltener an den Gesprächsrunden teilgenommen hätten als die meisten anderen Adressaten der angefochtenen Entscheidung.

133 Die Kommission ist der Ansicht, sie sei nicht verpflichtet gewesen, bei ihrer Entscheidung die Existenz eines engeren Kreises von Banken zu berücksichtigen. Entscheidend für die Auswahl der ÖVAG und der NÖ-Hypo als Adressaten der Entscheidung sei allein gewesen, dass sie gemeinsam mit den anderen Banken häufig an den wichtigsten Gesprächsrunden teilgenommen und sich dort über die anzuwendenden Zinsen und Konditionen geeinigt hätten. In der Gegenerwiderung fügt sie hinzu, zwar hätten sich einige Mitglieder des "Lombardclubs" möglicherweise vorab untereinander ausgetauscht und abgestimmt, doch hätten diese punktuellen Abstimmungen lediglich der Vorbereitung der Abstimmungen in den verschiedenen Gesprächsrunden gedient.

2. Würdigung durch das Gericht

a) Zu den von der Kommission angewandten Kriterien und zur Größe der Institute

134 Zunächst ist festzustellen, dass die These der ÖVAG und der NÖ-Hypo, wonach die Größe der Unternehmen als Kriterium bei der Bestimmung der Adressaten der angefochtenen Entscheidung herangezogen worden sei, auf einer falschen Auslegung von Randnummer 470 der angefochtenen Entscheidung beruht, in der es u. a. heißt:

"Die Adressaten dieser Entscheidung wurden aufgrund ihrer besonders häufigen Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden - Wiener und Bundes-Aktiv- und/oder Passivrunden (einschließlich Privatkredit- und Freiberuflerrunden), 'Minilombard' und Controllerrunden - bestimmt. Darüber hinaus spielen sie, mit Ausnahme von NÖ-Hypo und RBW (ab Juli 1997 RLB), aufgrund ihrer Größe auf dem österreichischen Bankenmarkt eine bedeutende Rolle."

135 Der letzte Satz dieser Randnummer enthält kein von der Kommission angewandtes Kriterium, sondern das Ergebnis - bezogen auf die Größe der betroffenen Unternehmen - der Anwendung des einzigen herangezogenen Kriteriums: der Häufigkeit der Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden.

136 Die Rügen der Klägerinnen in Bezug auf die Anwendung des angeblichen Kriteriums der Unternehmensgröße gehen daher ins Leere.

137 Falls die ÖVAG und die NÖ-Hypo überdies geltend machen wollten, dass die Kommission die Unternehmensgröße als Kriterium bei der Auswahl der Adressaten hätte heranziehen müssen, so kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden.

138 Nach gefestigter Rechtsprechung kann die Tatsache, dass die Kommission gegenüber einem Wirtschaftsteilnehmer, der sich in einer ähnlichen Lage wie ein Kläger befand, keine Zuwiderhandlung festgestellt hat, es keinesfalls rechtfertigen, die diesem Kläger zur Last gelegte Zuwiderhandlung, sofern sie ordnungsgemäß nachgewiesen worden ist, außer Betracht zu lassen (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307, Randnr. 146).

139 Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass die Kommission berechtigt ist, an jedes Unternehmen, dem eine Zuwiderhandlung nachgewiesen wurde, eine Entscheidung zu richten, in der diese Zuwiderhandlung festgestellt und gegen das Unternehmen eine Sanktion verhängt wird. Argumente, die sich auf einen Vergleich der Lage des Adressaten einer solchen Entscheidung mit der Lage anderer Unternehmen (unabhängig davon, ob sie zu den Adressaten dieser Entscheidung gehören) stützen, können keinesfalls die Rechtmäßigkeit der Entscheidung in Frage stellen, soweit darin eine tatsächlich nachgewiesene Zuwiderhandlung festgestellt und geahndet wird. Solche Argumente gehen daher in Bezug auf die Auswahl der ÖVAG und der NÖ-Hypo als Adressaten der Entscheidung ins Leere.

b) Zur Bestimmung der wichtigsten Gesprächsrunden

Zur Begründung

140 Nach der oben in Randnummer 134 zitierten Randnummer 470 der angefochtenen Entscheidung wurden als "wichtigste Gesprächsrunden" die Wiener und Bundes-Aktiv- und/oder Passivrunden (einschließlich der Privatkredit- und Freiberuflerrunden), der "Minilombard" und die Controllerrunden eingestuft.

141 Die verschiedenen Gesprächsrunden werden in Randnummer 51 der angefochtenen Entscheidung beschrieben, wo für die meisten der oben genannten Gesprächsrunden klar angegeben ist, weshalb ihnen besondere Bedeutung beigemessen wurde. Zwar wird die Bedeutung des "Minilombard" in dieser Randnummer nicht ausdrücklich angesprochen. Wie die Kommission zutreffend ausführt, versteht es sich aber von selbst, dass eine den Kreditzinssätzen für Firmenkunden gewidmete Gesprächsrunde besondere Bedeutung hat. Diese Bedeutung musste für die Adressaten der angefochtenen Entscheidung offensichtlich sein.

142 Da die Kommission die Gründe dargelegt hatte, aus denen sie bestimmte Gesprächsrunden als besonders bedeutsam einstufte, brauchte sie nicht näher zu erläutern, weshalb sie anderen Gesprächsrunden nicht die gleiche Bedeutung beimaß.

143 Somit geht die Rüge einer unzureichenden Begründung für die Wahl der "wichtigsten Gesprächsrunden" fehl.

Zur Beurteilung der Bedeutung der Gesprächsrunden und zum "engeren Kreis von Banken"

144 Angesichts des hier vorliegenden komplexen Netzwerks von Vereinbarungen stand der Kommission ein Ermessen bei der Entscheidung darüber zu, welche der verschiedenen Abstimmungen sie für besonders bedeutsam hielt, so dass diese Wahl nur in begrenztem Umfang Gegenstand einer gerichtlichen Kontrolle sein kann. Insoweit durfte die Kommission, ohne einen offensichtlichen Fehler zu begehen, den Wiener Gesprächsrunden mit allgemeinem Charakter größere Bedeutung beimessen als den regionalen oder speziellen Abstimmungen, weil diese Gesprächsrunden geeignet waren, die genannten Abstimmungen zu beeinflussen. Dass an den von der Kommission als besonders bedeutsam eingestuften Gesprächsrunden die in Wien ansässigen Banken stärker beteiligt waren als Banken in anderen Städten oder Regionen, ändert nichts an der Schlussfolgerung, dass die von der Kommission getroffene Wahl zulässig war.

145 Die Kommission hat die Grenzen ihres Ermessens auch nicht dadurch überschritten, dass sie es ablehnte, in die wichtigsten Gesprächsrunden einen "engeren Kreis von Banken" einzubeziehen, innerhalb dessen sich die größten Banken vor den Gesprächsrunden abstimmten. Im Übrigen können sich die ÖVAG und die NÖ-Hypo nicht auf die Lage anderer an der Zuwiderhandlung beteiligter Unternehmen berufen, um ihre eigene Einbeziehung in den Adressatenkreis der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen.

c) Zur Häufigkeit der Teilnahme der ÖVAG und der NÖ-Hypo an den wichtigsten Gesprächsrunden

146 Zur Häufigkeit der Teilnahme der ÖVAG und der NÖ-Hypo an den Gesprächsrunden geht aus einer von der Kommission als Anlage zu ihrer Klagebeantwortung vorgelegten Tabelle, deren Inhalt nicht bestritten worden ist, hervor, dass beide Institute an allen wichtigen Gesprächsrunden teilnahmen. Zwar erscheint die Teilnahme der NÖ-Hypo am "Minilombard" (3 von 21 Sitzungen) und an der Controllerrunde (1 von 40 Sitzungen) wenig bedeutsam. Dagegen nahm sie an 14 von 15 Bundesrunden und an 32 von 50 Wiener Runden teil. Die ÖVAG nahm nach dieser Tabelle an allen Bundesrunden, an 42 von 50 Wiener Runden, an 17 von 21 Sitzungen des "Minilombard" und an 14 von 40 Controllerrunden teil. Der Rüge, dass die Kommission die Häufigkeit der Teilnahme der ÖVAG und der NÖ-Hypo an den wichtigsten Gesprächsrunden falsch beurteilt habe, ist daher nicht stattzugeben.

d) Ergebnis

147 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass den Rügen der ÖVAG und der NÖ-Hypo in Bezug auf die Wahl der Adressaten der angefochtenen Entscheidung nicht gefolgt werden kann.

D - Zur Beweisführung anhand von Unterlagen aus dem Jahr 1994 (Rechtssache T-271/02)

1. Vorbringen der Parteien

148 Die ÖVAG und die NÖ-Hypo werfen der Kommission vor, die Begründungspflicht dadurch verletzt zu haben, dass sie einige wichtige Feststellungen auf Unterlagen gestützt habe, die aus der Zeit vor dem festgestellten Zeitraum der Zuwiderhandlung stammten. Ferner machen sie geltend, dass die Heranziehung dieser Unterlagen die Bußgeldentscheidung habe beeinflussen können.

149 Die Kommission räumt ein, zur Schilderung des Gesamtkontexts des Kartells auf Unterlagen von 1994 zurückgegriffen zu haben. Ihre Feststellungen zu den Zuwiderhandlungen beruhten jedoch auf Unterlagen aus dem Jahr 1995.

2. Würdigung durch das Gericht

150 Die Begründungspflicht kann durch die Verwendung von Unterlagen, die aus einem früheren als dem von der angefochtenen Entscheidung erfassten Zeitraum stammen, nicht verletzt worden sein. Die Kommission darf nämlich in einer Bußgeldentscheidung den allgemeinen Kontext der Zuwiderhandlung schildern.

151 Im Übrigen wenden sich die ÖVAG und die NÖ-Hypo nach eigenen Angaben nicht gegen den Inhalt der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Sie bestreiten auch nicht die Richtigkeit konkreter Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung mit der Begründung, diese seien nicht auf Beweise aus dem relevanten Zeitraum gestützt.

152 Unter diesen Umständen kann es die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht beeinträchtigen, dass darin auf Unterlagen aus der Zeit vor dem festgestellten Zeitraum der Zuwiderhandlung Bezug genommen wird.

E - Zu den auf das Fehlen von Auswirkungen der Gesprächsrunden auf den Handelsverkehr gestützten Klagegründen

1. Vorbemerkungen

153 Alle Klägerinnen machen geltend, dass die Gesprächsrunden des "Lombardclubs" nicht unter das Verbot des Artikels 81 Absatz 1 EG fielen, weil sie nicht geeignet gewesen seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

154 In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten global, für alle Gesprächsrunden als Ganzes geprüft. Das in den Randnummern 442, 451 und 469 der angefochtenen Entscheidung dargelegte Ergebnis dieser globalen Prüfung lässt sich wie folgt zusammenfassen:

- Das vom "Lombardclub" geschaffene Netzwerk bestand aus einer Vielzahl eng miteinander verwobener Gesprächsrunden und umspannte das gesamte Hoheitsgebiet Österreichs.

- Es band fast alle österreichischen Kreditinstitute ein.

- Es deckte die gesamte Palette der in Österreich angebotenen Bankprodukte und -dienstleistungen ab.

- Der wettbewerbswidrige Zweck der Gesprächsrunden ist unbestritten.

- Das Kartell veränderte in ganz Österreich die Wettbewerbsbedingungen.

- Es war somit geeignet, sich auf der Nachfrageseite auf das unmittelbar oder mittelbar an die grenzüberschreitenden Warenströme anknüpfende Verhalten der Unternehmen und Verbraucher auszuwirken.

- Es war ferner geeignet, die Markteintrittsentscheidungen ausländischer Banken zu beeinflussen.

- Es war daher geeignet, den Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinflussen.

Dieses Ergebnis wird in den Randnummern 454 bis 465 durch eine Reihe von Beispielen zur Nachfrage- und zur Angebotsseite veranschaulicht.

155 Die Klägerinnen wenden sich gegen diese Einschätzung. Sie tragen erstens einige allgemeine Erwägungen zur Auslegung des Kriteriums des grenzüberschreitenden Charakters und seiner Anwendung im vorliegenden Fall vor, wobei sie insbesondere geltend machen, dass die Eignung der verschiedenen Gesprächsrunden zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten für jede Runde hätte gesondert geprüft werden müssen. Zweitens beanstanden sie die von der Kommission in den Randnummern 454 bis 465 der angefochtenen Entscheidung gelieferten Beispiele für eine potenzielle Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten. Drittens beruft sich die RLB auf die besondere Lage der RBW.

2. Zur Auslegung des Kriteriums der Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und seiner Anwendung im vorliegenden Fall

a) Vorbringen der Parteien

156 Die Klägerinnen machen geltend, die Vereinbarungen des "Lombardclubs" hätten ein rein nationales Kartell dargestellt, weil nur österreichische Kreditinstitute daran teilgenommen hätten und weil es nur die Erbringung von Dienstleistungen auf dem österreichischen Markt oder sogar nur auf regionalen oder lokalen Märkten zum Gegenstand gehabt habe.

157 Die RLB verweist auf das in Artikel 5 EG niedergelegte Subsidiaritätsprinzip, das eine weite Auslegung des Zwischenstaatlichkeitserfordernisses in Artikel 81 Absatz 1 EG nicht zulasse. Zwischen dem Ziel der Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs und anderen volkswirtschaftlichen Zielsetzungen wie etwa der Geldwertstabilität könnten Zielkonflikte auftreten, deren Lösung letztlich eine politische Frage sei. Die Kommission habe zumindest bis 1986 Vereinbarungen zwischen Banken, die lediglich die Zinssätze betroffen hätten und von den nationalen Behörden genehmigt oder gebilligt worden seien, als ein legitimes währungspolitisches Instrument der Mitgliedstaaten angesehen. Die Beteiligung der OeNB an den fraglichen Gesprächsrunden zeige, dass es nicht Aufgabe der Kommission sei, ihre heutige Auffassung zum Verhältnis von Wettbewerbs- und Währungspolitik in einem Fall, dessen Auswirkungen sich auf das österreichische Hoheitsgebiet beschränkten, an die Stelle der Auffassung der österreichischen Bankenaufsicht zu setzen.

158 Alle Klägerinnen machen geltend, die Eignung der verschiedenen Gesprächsrunden zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten müsse für jede Runde gesondert geprüft werden. Zur Begründung ihrer Ansicht, dass es keine Verbindung zwischen den Gesprächsrunden gebe, die eine Gesamtbeurteilung ihrer Auswirkungen rechtfertige, tragen sie zum einen vor, dass die Einstufung der Gesprächsrunden als Gesamtkartell nicht zutreffe, und zum anderen, dass die in den Gesprächsrunden behandelten Bankdienstleistungen zu verschiedenen Märkten gehört hätten. Die RZB, die ÖVAG und die NÖ-Hypo führen aus, wenn keine der Vereinbarungen für sich genommen zwischenstaatliche Wirkungen entfalte, könne sich der grenzüberschreitende Charakter der Vereinbarungen als Ganzes nicht aus einer Gesamtwürdigung ergeben. Die BAWAG, die RLB, die PSK und die Erste Bank heben hervor, dass aus dem grenzüberschreitenden Charakter der von einigen Gesprächsrunden erfassten Dienstleistungen nicht auf eine solche Wirkung aller Vereinbarungen geschlossen werden könne. Schließlich ist die RLB der Ansicht, dass eine gesonderte Prüfung der im Rahmen der Zahlungsverkehrsrunden behandelten multilateralen Interbankentarife deshalb erforderlich sei, weil die sie betreffenden Vereinbarungen nach Artikel 81 Absatz 3 EG freistellungsfähig gewesen seien.

159 Die Klägerinnen sind der Auffassung, man könne nicht generell sagen, dass ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecke, schon seinem Wesen nach geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Januar 1999 in den Rechtssachen C-215/96 und C-216/96, Bagnasco u. a., Slg. 1999, I-135) und der Entscheidungspraxis der Kommission (Entscheidung 1999/687/EG der Kommission vom 8. September 1999 betreffend ein Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag [Sache IV/34.010 Nederlandse Vereniging van Banken (GSA-Vereinbarung 1991), Sache IV/33.793 Nederlandse Postorderbond, Sache IV/34.234 Verenigde Nederlandse Uitgeversbedrijven und Sache IV/34.888 Nederlandse Organisatie van Tijdschriften Uitgevers/Nederlandse Christelijke Radio Vereniging] [ABl. L 271, S. 28], im Folgenden: Entscheidung Niederländische Banken II) gelte dies in besonderem Maß für Vereinbarungen zwischen Kreditinstituten. Es bedürfe zusätzlicher Umstände (die im vorliegenden Fall fehlten) neben der räumlichen Ausdehnung, um den grenzüberschreitenden Charakter eines "nationalen" Kartells feststellen zu können. Nach Ansicht eines Teils der Klägerinnen ist es insoweit unabdingbar, dass das Kartell marktabschottende Wirkungen hat.

160 Die Klägerinnen führen hierzu aus, es sei keine Maßnahme zum Ausschluss ausländischer Konkurrenten vom österreichischen Markt getroffen oder ins Auge gefasst worden. Zum einen seien solche Maßnahmen nicht erforderlich gewesen, weil die von den wichtigsten Vereinbarungen betroffenen Bankdienstleistungen (Einlagen und Kredite von Privatpersonen und kleinen Unternehmen) für ausländische Banken von geringem Interesse gewesen seien. Dies habe erstens an den hohen Marktzutrittsschranken (vor allem wegen der Präferenz der Kunden für lokale Banken, der Sprachprobleme und des Erfordernisses eines großen Filialnetzes) gelegen, zweitens daran, dass mit diesen Dienstleistungen keine nennenswerten Gewinne zu erzielen seien, und drittens daran, dass der Markt für solche Dienstleistungen in Österreich gesättigt sei. Zum anderen seien ausländische Banken auf dem österreichischen Markt tätig gewesen.

161 Die Kommission hält diese Argumente für unzutreffend.

b) Würdigung durch das Gericht

Zu den Grundsätzen für die Beurteilung der Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten

162 Durch die Voraussetzung der Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten in Artikel 81 Absatz 1 EG soll auf dem Gebiet der Regelung des Wettbewerbs der Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts von dem des Rechts der Mitgliedstaaten abgegrenzt werden. Unter das Gemeinschaftsrecht fallen somit alle Kartelle und alle Verhaltensweisen, die geeignet sind, die Freiheit des Handels zwischen Mitgliedstaaten in einem für die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten nachteiligen Sinn zu gefährden, indem insbesondere die nationalen Märkte abgeschottet werden oder die Wettbewerbsstruktur im Gemeinsamen Markt verändert wird. Dagegen fallen Verhaltensweisen, deren Auswirkungen sich auf das Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats beschränken, unter den Geltungsbereich der nationalen Rechtsordnung (Urteil des Gerichtshofes vom 31. Mai 1979 in der Rechtssache 22/78, Hugin/Kommission, Slg. 1979, 1869, Randnr. 17).

163 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Vereinbarung zwischen Unternehmen geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie den Warenverkehr zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell in einem für die Verwirklichung der Ziele eines einheitlichen zwischenstaatlichen Marktes nachteiligen Sinn beeinflussen kann (Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 42/84, Remia u. a./Kommission, Slg. 1985, 2545, Randnr. 22). Somit liegt im Allgemeinen eine Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels vor, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind, die für sich allein genommen nicht unbedingt entscheidend sind (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-250/92, DLG, Slg. 1994, I-5641, Randnr. 54, oben in Randnr. 159 angeführtes Urteil Bagnasco u. a., Randnr. 47, und Urteil vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-359/01, British Sugar/Kommission, Slg. 2004, I-4933, Randnr. 27).

164 Dabei spielt es keine Rolle, ob der Einfluss eines Kartells auf den Handelsverkehr ungünstig, neutral oder günstig ist. Eine Wettbewerbsbeschränkung ist geeignet, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, wenn sie die Handelsströme von der Richtung abzulenken vermag, die sie andernfalls genommen hätten (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 172). Die im vorliegenden Fall von einigen Klägerinnen vertretene These, dass bei der Beurteilung der Eignung des Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nur marktabschottende Wirkungen berücksichtigt werden könnten, ist daher zu verwerfen.

165 Diese weite Auslegung des Kriteriums der Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten steht nicht im Widerspruch zu dem von der RLB angeführten Subsidiaritätsprinzip. Wie die Kommission zutreffend ausführt, sieht der Vertrag vor, dass etwaige Konflikte zwischen der Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs und anderen legitimen wirtschaftspolitischen Zielen durch die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG gelöst werden. Dieser kann somit als Spezialvorschrift für die Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips im Kartellsektor angesehen werden. Das genannte Prinzip kann daher nicht geltend gemacht werden, um den Anwendungsbereich von Artikel 81 EG einzuschränken (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2003 in der Rechtssache T-65/98, Van den Bergh Foods/Kommission, Slg. 2003, II-4653, Randnr. 197).

166 Sodann ist hervorzuheben, dass die Eignung eines Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, d. h. seine potenzielle Wirkung, ausreicht, damit es in den Anwendungsbereich von Artikel 81 EG fällt, und dass es keines Nachweises einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Handelsverkehrs bedarf (oben in Randnr. 159 angeführtes Urteil Bagnasco u. a., Randnr. 48, und Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juli 1997 in der Rechtssache C-219/95 P, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 19). Dass es sich im vorliegenden Fall um die nachträgliche Beurteilung einer beendeten Zuwiderhandlung handelt, vermag an diesem Kriterium nichts zu ändern; auch dann genügt eine potenzielle Auswirkung des Kartells auf den Handelsverkehr. Folglich ist dem Vorbringen der Ersten Bank, der ÖVAG und der NÖ-Hypo, wonach die angeblich fehlenden Auswirkungen der Vereinbarungen auf den Markt als Indiz für ihre mangelnde Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten hätten berücksichtigt werden müssen, der Erfolg zu versagen.

167 Die potenzielle Auswirkung des Kartells auf den zwischenstaatlichen Handel muss allerdings spürbar sein, d. h. sie darf nicht nur geringfügig sein (Urteil des Gerichtshofes vom 28. April 1998 in der Rechtssache C-306/96, Javico, Slg. 1998, I-1983, Randnrn. 12 bis 17; Urteil des Gerichts vom 19. März 2003 in der Rechtssache T-213/00, CMA CGM u. a./Kommission, Slg. 2003, II-913, im Folgenden: Urteil FETTCSA, Randnr. 207).

Zur Gesamtprüfung der grenzüberschreitenden Wirkung der Gesprächsrunden

168 Zu der Frage, ob die Kommission berechtigt war, diesen potenziellen Einfluss im vorliegenden Fall insgesamt für alle Abstimmungen im Rahmen der Gesprächsrunden des "Lombard-Netzwerks" zu beurteilen, geht aus der Rechtsprechung hervor, dass Vereinbarungen, zwischen denen ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und die Teil eines Ganzen sind, in ihren Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten zusammen zu prüfen sind, während Vereinbarungen, zwischen denen kein unmittelbarer Zusammenhang besteht und die gesonderte Tätigkeiten betreffen, Gegenstand einer getrennten Prüfung sein müssen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1997 in der Rechtssache T-77/94, VGB u. a./Kommission, Slg. 1997, II-759, Randnrn. 126, 142 und 143).

169 Entgegen dem Vorbringen der ÖVAG und der NÖ-Hypo ist insoweit nicht entscheidend, ob es sich um einheitliche vertragliche Regelungen handelt, die gleichartige einfache Produkte betreffen und deren Bedeutung für den zwischenstaatlichen Handel offenkundig ist.

170 Ein Zusammenhang, der eine gemeinsame Prüfung der Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten rechtfertigt und erforderlich macht, besteht nämlich insbesondere zwischen Vereinbarungen oder anderen Verhaltensweisen, die zu einer einzigen Zuwiderhandlung gehören. Wie sich aus den Randnummern 111 bis 125 des vorliegenden Urteils ergibt, war die Kommission aber zu dem Schluss berechtigt, dass die Abstimmungen in den verschiedenen Gesprächsrunden des "Lombardclubs" Teil einer einzigen Zuwiderhandlung waren, weil sie sich in einen Gesamtplan zur Verfälschung des Wettbewerbs einfügten.

171 Die Klägerinnen können aus der Tatsache, dass der Gerichtshof im Urteil Bagnasco u. a. (oben in Randnr. 159 angeführt) die für zwei gesonderte Bankgeschäfte geltenden Klauseln in den von den Mitgliedern des italienischen Bankenverbandes verwendeten einheitlichen Bankbedingungen getrennt geprüft hat, keine allgemeine Regel ableiten, wonach eine Gesamtprüfung der Eignung der hier in Rede stehenden Vereinbarungen zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten verboten wäre. In der oben in Randnummer 159 angeführten Rechtssache Bagnasco u. a. hatte der Gerichtshof eine Vorabentscheidung über die Vereinbarkeit der genannten Klauseln mit Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) zu treffen. Er stellte für eines der betroffenen Geschäfte fest, dass die einheitlichen Bankbedingungen keine Wettbewerbsbeschränkung bezweckten oder bewirkten, während die das andere Geschäft betreffenden Klauseln nicht zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet waren. Die Frage einer Gesamtprüfung der grenzüberschreitenden Wirkungen der Bankbedingungen, zu denen die fraglichen Klauseln gehörten, stellte sich somit in jener Rechtssache nicht.

172 Zur Argumentation der BA-CA, der BAWAG, der PSK, der Ersten Bank, der ÖVAG und der NÖ-Hypo, wonach die Kommission außer Acht gelassen habe, dass die verschiedenen in den Gesprächsrunden behandelten Bankprodukte zu gesonderten Märkten gehört hätten und dass die Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten für jeden dieser Märkte getrennt zu prüfen sei, ist zunächst daran zu erinnern, dass die Definition des relevanten Marktes für die Anwendung von Artikel 81 EG nicht dieselbe Rolle spielt wie für die Anwendung von Artikel 82 EG. Bei der Anwendung von Artikel 81 EG ist der relevante Markt nämlich zur Klärung der Frage zu bestimmen, ob eine Vereinbarung, ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt. Aus diesem Grund kann im Rahmen der Anwendung von Artikel 81 Absatz 1 EG den Rügen, die gegen die Definition des Marktes durch die Kommission erhoben werden, keine eigenständige Bedeutung gegenüber den die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und des Wettbewerbs betreffenden Rügen zukommen. Daher gehen Einwände gegen die Definition des relevanten Marktes ins Leere, wenn die Kommission auf der Grundlage der in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Schriftstücke zu Recht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die fragliche Vereinbarung den Wettbewerb verfälschte und geeignet war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen (Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 2003 in der Rechtssache T-61/99, Adriatica di Navigazione/Kommission, Slg. 2003, II-5349, Randnr. 27). Im vorliegenden Fall richtet sich die Rüge in Bezug auf die Festlegung der Märkte aber gegen die Methode der Kommission bei der Beurteilung der Auswirkungen auf den Handelsverkehr, so dass sie nicht von vornherein ins Leere geht.

173 Nach der Rechtsprechung sind in dem zu berücksichtigenden Markt sämtliche Erzeugnisse zusammengefasst, die sich aufgrund ihrer Merkmale zur Befriedigung eines gleich bleibenden Bedarfs besonders eignen und mit anderen Erzeugnissen nur in geringem Maß austauschbar sind (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 37).

174 Im vorliegenden Fall sind die verschiedenen Bankdienstleistungen, auf die sich die Vereinbarungen beziehen, nicht untereinander austauschbar. Die meisten Kunden der Universalbanken möchten allerdings ein Einlagen, Kredite und Zahlungsverkehr umfassendes Paket von Bankdienstleistungen in Anspruch nehmen, und ein Wettbewerb zwischen diesen Banken kann alle diese Dienstleistungen betreffen. Eine enge Definition des relevanten Marktes wäre daher in diesem Tätigkeitsbereich gekünstelt. Außerdem würde eine getrennte Prüfung keine vollständige Erfassung der Auswirkungen der Vereinbarungen ermöglichen, die, auch wenn sie verschiedene Produkte oder Dienstleistungen und verschiedene Kunden (Privatpersonen oder Unternehmen) betreffen, gleichwohl zum gleichen Tätigkeitsbereich gehören. Die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten kann nämlich indirekt sein, und der Markt, auf dem sie auftreten kann, ist nicht unbedingt mit dem Markt der Produkte oder Dienstleistungen identisch, deren Preise vom Kartell festgelegt wurden (Urteil des Gerichtshofes vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, BNIC, Slg. 1985, 391, Randnr. 29, und oben in Randnr. 138 angeführtes Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Randnr. 142). Wie die Kommission in den Randnummern 456 bis 459 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, ist die Festsetzung der Preise eines breiten Spektrums von Bankdienstleistungen für Privatpersonen und Unternehmen geeignet, in ihrer Gesamtheit Auswirkungen auf andere Märkte zu entfalten.

175 Folglich war die Kommission nicht verpflichtet, bei der Beurteilung der Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten im vorliegenden Fall die Märkte der verschiedenen von den Gesprächsrunden erfassten Bankprodukte getrennt zu prüfen (vgl. analog dazu Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnrn. 76 bis 83, wo der niederländische Baumarkt als relevanter Markt zugrunde gelegt wurde).

176 Sodann geht das Vorbringen der RLB ins Leere, die Eignung der Vereinbarungen über die in den Gesprächsrunden zum grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr behandelten multilateralen Interbankentarife zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten müsse getrennt von den übrigen Vereinbarungen geprüft werden, weil die zuerst genannten Vereinbarungen nach Artikel 81 Absatz 3 EG freistellungsfähig gewesen seien. Zunächst macht die RLB nicht geltend, dass eine Freistellung dieser Vereinbarungen beantragt worden wäre. Sodann steht nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 25. Februar 1986 in der Rechtssache 193/83 (Windsurfing International/Kommission, Slg. 1986, 611, Randnrn. 96 und 97) die Tatsache, dass bestimmte Klauseln einer Vereinbarung keine Wettbewerbsbeschränkung bezwecken oder bewirken, einer Gesamtprüfung der Vereinbarung nicht entgegen. Dies gilt erst recht, wenn bestimmte Vereinbarungen innerhalb eines einzigen Kartells für eine Freistellung geeignet sind.

177 Daraus folgt, dass die Kommission die potenzielle kumulierte Wirkung aller Gesprächsrunden bei der Klärung der Frage berücksichtigen kann, ob das Gesamtkartell geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (oben in Randnr. 168 angeführtes Urteil VGB u. a./Kommission, Randnr. 140). Dagegen spielt es insoweit keine Rolle, ob jede der Gesprächsrunden für sich genommen geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (vgl. analog dazu das oben in Randnr. 176 angeführte Urteil Windsurfing International/Kommission, Randnr. 96). Deshalb hängt die Feststellung, dass das Gesamtkartell geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, auch nicht von dem Nachweis ab, dass die eine oder andere der verschiedenen Gesprächsrunden für sich genommen dazu geeignet ist.

178 Die Eignung der Gesprächsrunden zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels setzt daher nicht voraus, dass einzelne Abstimmungen Leistungen mit grenzüberschreitendem Charakter zum Gegenstand hatten. Das Vorbringen, die Kommission dürfe eine grenzüberschreitende Wirkung des Kartells nicht mittels einer Gesamtprüfung aus der grenzüberschreitenden Wirkung einiger, im Verhältnis zur Gesamtheit der Vereinbarungen wenig bedeutsamer Gesprächsrunden ableiten, geht somit ins Leere.

Zur Eignung eines das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats umfassenden Kartells, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen

179 Es ist unstreitig, dass sich das von der Kommission im vorliegenden Fall festgestellte Gesamtkartell auf das gesamte österreichische Hoheitsgebiet erstreckte.

180 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts hat ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindert (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1972 in der Rechtssache 8/72, Vereeniging van Cementhandelaren/Kommission, Slg. 1972, 977, Randnr. 29, oben in Randnr. 163 angeführtes Urteil Remia u. a./Kommission, Randnr. 22, Urteile des Gerichtshofes vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Randnr. 48, und vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C-309/99, Wouters u. a., Slg. 2002, I-1577, Randnr. 95; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T-62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II-2707, Randnr. 179). Ferner ist entschieden worden, dass eine staatliche Maßnahme, mit der eine Gebührenordnung für Rechtsanwälte genehmigt wird, im Sinn von Artikel 81 Absatz 1 EG zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet ist (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichtshofes vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C-35/99, Arduino, Slg. 2002, I-1529, Randnr. 33)

181 Nach dieser Rechtsprechung besteht zumindest eine starke Vermutung dafür, dass eine wettbewerbswidrige Verhaltensweise, die im gesamten Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats angewandt wird, geeignet ist, zur Abschottung der Märkte beizutragen und den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr zu beeinträchtigen. Diese Vermutung entfällt nur dann, wenn sich bei Untersuchung der Merkmale und des wirtschaftlichen Gesamtzusammenhangs der Vereinbarung das Gegenteil herausstellt.

182 Insoweit geht in Bezug auf den Bankensektor aus dem oben in Randnummer 159 angeführten Urteil Bagnasco u. a. (Randnrn. 51 bis 53) hervor, dass es Vereinbarungen geben kann, die sich zwar auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstrecken, aber keine spürbare Auswirkung auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben. Einen ähnlichen Ansatz hat die Kommission in der oben in Randnummer 159 angeführten Entscheidung Niederländische Banken II (Randnr. 61) gewählt.

183 Die komplexe Zuwiderhandlung, um die es sich hier handelt, unterscheidet sich aber von den Vereinbarungen, die Gegenstand des in der vorstehenden Randnummer angeführten Urteils und der dort erwähnten Entscheidung waren; diese betrafen jeweils ein spezielles Bankgeschäft (zum einen die Generalbürgschaft zur Sicherung der Gewährung eines Kontokorrentkredits und zum anderen das Lastschriftverfahren). Die Abstimmungen innerhalb des "Lombard-Netzwerks" erstreckten sich nicht nur auf fast alle Kreditinstitute in Österreich, sondern auch auf ein breites Spektrum von Bankprodukten und -dienstleistungen, insbesondere auf Einlagen und Kredite: sie waren deshalb geeignet, die Wettbewerbsbedingungen in ganz Österreich zu verändern.

184 Unter diesen Umständen kann aus dem Argument, dass die Kartellmitglieder keine Maßnahmen zum Ausschluss ausländischer Konkurrenten vom Markt getroffen hätten, nicht auf das Fehlen einer grenzüberschreitenden Wirkung geschlossen werden.

185 Das "Lombard-Netzwerk" kann nämlich zum Fortbestand der von den Klägerinnen beschriebenen Marktzutrittsschranken (siehe oben, Randnr. 160) beigetragen haben, indem es die Beibehaltung der Strukturen des österreichischen Bankenmarkts, deren Ineffizienz von der BA-CA selbst anerkannt worden ist, und der entsprechenden Verbrauchergewohnheiten ermöglichte.

186 Die Klägerinnen haben somit nicht die Vermutung widerlegt, dass das Kartell, das sich auf ganz Österreich erstreckte, bei einer Gesamtbetrachtung marktabschottende Wirkungen haben und den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen konnte.

c) Ergebnis

187 Da die Kommission im vorliegenden Fall die Eignung des Gesamtkartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten zulässigerweise daraus geschlossen hat, dass es sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckte, gehen die gegen die Beispiele in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Einwände der Klägerinnen ins Leere.

3. Sonderfall der RLB (Rechtssache T-262/02)

a) Vorbringen der Parteien

188 Die RLB führt aus, die RBW, deren Verhalten ihr zugerechnet werde, habe an den meisten Gesprächsrunden nicht teilgenommen, und diejenigen, an denen sie teilgenommen habe, hätten sich nicht mit grenzüberschreitenden Geschäften befasst. Man könne der RBW nicht vorwerfen, an einem Kartell teilgenommen zu haben, das die gesamte Palette der Bankprodukte in untrennbarer Weise umfasst habe; die Eignung zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten müsse daher für die Gesprächsrunden, an denen die RBW teilgenommen habe, gesondert geprüft werden.

b) Würdigung durch das Gericht

189 Um die Teilnahme eines Unternehmens an einer einheitlichen Vereinbarung darzutun, muss die Kommission beweisen, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte, dass es das von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigte oder an den Tag gelegte tatsächliche Verhalten kannte oder vernünftigerweise vorhersehen konnte und dass es bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (oben in Randnr. 111 angeführtes Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 83; Urteile des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 87, und vom 28. Juni 2005 in den Rechtssachen C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 145).

190 Die RLB räumt ein, dass die RBW an den Aktiv- und Passivrunden sowohl auf Bundesebene als auch in Wien teilnahm, d. h. an den wichtigsten Gesprächsrunden über Kredit- und Einlagenkonditionen (siehe oben, Randnrn. 140 und 144). Die Kommission stellt in Randnummer 51 Buchstabe b der angefochtenen Entscheidung fest, dass zwischen diesen Gesprächsrunden und dem "Lombardclub" besonders enge Beziehungen bestanden, was die RLB nicht bestreitet.

191 Der RBW konnte daher nicht verborgen bleiben, dass die Gesprächsrunden, an denen sie teilnahm, Teil eines umfassenderen Komplexes von Vereinbarungen waren und dass sie mit ihrer Teilnahme an den Abstimmungen der Aktiv- und Passivkonditionen zur Verfolgung der Ziele des Gesamtkartells beitrug. Da die Aktiv- und Passivrunden für das Kartell als Ganzes besonders wichtig waren, wusste die RBW aufgrund ihrer Teilnahme an ihnen von dem bedeutsamsten tatsächlichen Verhalten, das die anderen Banken in Verfolgung der Ziele des Kartells beabsichtigten oder an den Tag legten, nämlich der Koordinierung der Einlagen- und Kreditkonditionen.

192 Die RLB hebt insbesondere hervor, dass die RBW an den Gesprächsrunden zu grenzüberschreitenden Geschäften nicht teilgenommen habe. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt hat oder dass es bei seiner Beteiligung eine untergeordnete Rolle gespielt hat, ist aber für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens irrelevant. Diese Umstände sind nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinn das oben in Randnr. 189 angeführte Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 90, und das oben in Randnr. 111 angeführte Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, Randnr. 86).

193 Ebenso vermag weder die Tatsache, dass die RBW die Abstimmungen in den zahlreichen Gesprächsrunden, an denen sie nicht teilgenommen hatte, nicht im Einzelnen kannte, noch die Tatsache, dass sie von der Existenz bestimmter Gesprächsrunden, z. B. der Runde zu grenzüberschreitenden Geschäften, nichts wusste - das Vorliegen dieser Tatsachen unterstellt -, die Feststellung der Kommission zu widerlegen, dass die RBW am Gesamtkartell beteiligt war. Aufgrund ihrer Teilnahme an den Bundes-Aktiv- und Passivrunden konnten der RBW die allgemeine Tragweite und die wesentlichen Merkmale des Gesamtkartells nicht verborgen geblieben sein.

194 Die Kommission ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die RBW am Gesamtkartell und nicht nur an einigen isolierten Vereinbarungen teilgenommen hatte. Sie ist folglich zu Recht davon ausgegangen, dass das Verhalten der RBW unter Artikel 81 EG fiel.

195 Außerdem ist, wie sich aus der obigen Randnummer 178 ergibt, die Tatsache, dass sich das Gesamtkartell u. a. auf bestimmte grenzüberschreitende Geschäfte erstreckte, für die Schlussfolgerung, dass es zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten geeignet war, nicht entscheidend, weil die Vereinbarungen über Einlagen- und Kreditkonditionen, die im Mittelpunkt des Kartells standen und an denen die RBW teilnahm, insoweit erheblich wichtiger waren.

196 Im Übrigen braucht die Kommission, wenn ihr rechtlich der Beweis gelungen ist, dass die Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG, an der ein Unternehmen beteiligt war, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet war, nicht darzutun, dass die individuelle Beteiligung dieses Unternehmens den Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt hat (Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89, ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021, Randnr. 305).

197 Der von der RLB auf die begrenzte Teilnahme der RBW an den Gesprächsrunden gestützten Rüge bleibt daher der Erfolg versagt.

II - Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung (Rechtssachen T-259/02, T-264/02 und T-271/02)

A - Vorbringen der Klägerinnen

198 Die RZB, die Erste Bank, die ÖVAG und die NÖ-Hypo beantragen die Nichtigerklärung der in Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung an die Banken gerichteten Aufforderung, die Zuwiderhandlung einzustellen. Sie halten diese Aufforderung für rechtswidrig, weil die Banken die Zuwiderhandlung unstreitig bereits zum Zeitpunkt der Nachprüfungen im Juni 1998 eingestellt hätten.

B - Würdigung durch das Gericht

199 Die Kommission verfügt über ein weites Ermessen bei der Entscheidung darüber, ob zur Erfüllung ihrer Aufgabe, über die Einhaltung der Wettbewerbsregeln zu wachen, Maßnahmen gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 erforderlich sind. Schon die Existenz eines letzten Zweifels an der tatsächlichen Einstellung einer Zuwiderhandlung berechtigt sie daher, die Unternehmen zur Einstellung der Zuwiderhandlung zu verpflichten.

200 Die Anträge der RZB, der Ersten Bank, der ÖVAG und der NÖ-Hypo auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der angefochtenen Entscheidung sind somit unbegründet.

III - Zu den Anträgen auf Nichtigerklärung von Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung

A - Fehlendes Verschulden (Rechtssachen T-261/02 bis T-263/02, T-264/02 und T-271/02)

1. Vorbringen der Parteien

201 Die BAWAG, die RLB, die PSK, die Erste Bank, die ÖVAG und die NÖ-Hypo sind der Ansicht, dass die Kommission gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstoßen habe, als sie ihnen eine Geldbuße auferlegt habe, weil der ihnen zur Last gelegte Verstoß gegen Artikel 81 EG - sein Vorliegen unterstellt - weder vorsätzlich noch fahrlässig begangen worden sei. Insbesondere könne ihnen kein Verschulden in Bezug auf die Eignung der Vereinbarungen zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten zur Last gelegt werden.

202 Die BAWAG, die PSK, die Erste Bank, die ÖVAG und die NÖ-Hypo machen geltend, die in den Randnummern 29 bis 50 der angefochtenen Entscheidung angeführten Anhaltspunkte belegten nicht, dass den österreichischen Banken die Unvereinbarkeit der Gesprächsrunden mit Artikel 81 EG bewusst gewesen sei. Die BAWAG, die PSK, die ÖVAG und die NÖ-Hypo berufen sich auch auf das zur maßgebenden Zeit geltende österreichische Kartellrecht, wonach "Verhaltenskartelle", d. h. Vereinbarungen ohne Bindungswirkung für die Parteien, in Österreich bis zum 1. Januar 2000 zulässig gewesen seien, solange das zuständige Gericht sie nicht untersagt habe. Die ÖVAG und die NÖ-Hypo verweisen zudem darauf, dass die Gesprächsrunden öffentlich bekannt gewesen seien und dass staatliche Stellen an ihnen teilgenommen hätten.

203 Die RLB trägt vor, bei der Verschuldensfrage komme es nicht auf die Kenntnis des Kartellverbots, sondern auf die Kenntnis der Fakten an, die es im konkreten Fall anwendbar machten; daran habe es bei der RBW (deren Verhalten ihr zugerechnet wird) aufgrund ihrer räumlich begrenzten Tätigkeiten gefehlt. In der mündlichen Verhandlung hat die RLB ausgeführt, für die RBW habe nur eine Person an den Gesprächsrunden teilgenommen, und die RBW habe zur Zeit der Zuwiderhandlung nicht über eine Rechtsabteilung verfügt. Die BAWAG, die ÖVAG und die NÖ-Hypo heben ebenfalls den regionalen Charakter ihrer Tätigkeiten und die unbedeutende Rolle grenzüberschreitender Geschäfte in diesem Rahmen hervor.

204 Die Kommission hält diese Argumente für unzutreffend.

2. Würdigung durch das Gericht

205 Nach ständiger Rechtsprechung ist es für die Erfüllung des Tatbestands einer vorsätzlich begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nicht erforderlich, dass sich das Unternehmen des Verstoßes gegen diese Regeln bewusst war, sondern es genügt, dass das Unternehmen sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, dass sein Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs im Gemeinsamen Markt bezweckte (Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 157, oben in Randnr. 175 angeführtes Urteil SPO u. a./Kommission, Randnr. 356, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-347/94, Mayr-Melnhof/Kommission, Slg. 1998, II-1751, im Folgenden: Urteil Mayr-Melnhof, Randnr. 375).

206 Insoweit kommt es nicht darauf an, ob die Klägerinnen die Auslegung des Kriteriums des grenzüberschreitenden Charakters durch die Kommission oder die Rechtsprechung kannten, sondern darauf, ob sie die Umstände kannten, aus denen sich konkret die Eignung des Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten ergibt, oder ob sie sich zumindest nicht in Unkenntnis darüber befinden konnten.

207 Alle Klägerinnen wussten aufgrund ihrer Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden, dass sich das Netzwerk des "Lombardclubs" auf das gesamte österreichische Hoheitsgebiet und auf ein sehr großes Spektrum wichtiger Bankprodukte erstreckte, insbesondere auf Einlagen und Kredite. Sie kannten somit die wesentlichen Tatsachen, aus denen sich im vorliegenden Fall die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten ergibt.

208 Wie oben in Randnummer 178 ausgeführt, ist dagegen die Tatsache, dass einige, im Verhältnis zum Gesamtkartell wenig bedeutsame Vereinbarungen grenzüberschreitende Geschäfte betrafen, für die Feststellung der Eignung des Gesamtkartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten weder unerlässlich noch für sich genommen ausreichend. Es ist auch nicht entscheidend, ob alle Banken darüber informiert waren, dass die Vereinbarungen u. a. grenzüberschreitende Geschäfte betrafen.

209 Es ist daher im vorliegenden Zusammenhang irrelevant, inwieweit sich die Klägerinnen der Unvereinbarkeit ihres Verhaltens mit Artikel 81 EG bewusst waren. Ebenso hat die Tatsache, dass nach österreichischem Recht bestimmte Kartelle nicht von Rechts wegen untersagt waren, sondern auf Antrag vom zuständigen Gericht untersagt werden konnten (unterstellt, die Vereinbarungen des "Lombardclubs" hätten zu diesen Kartellen gehört), keine Auswirkungen auf die Qualifizierung der Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG als vorsätzlich (vgl. in diesem Sinn das oben in Randnr. 205 angeführte Urteil Mayr-Melnhof, Randnrn. 373 bis 376). Schließlich ändern die Argumente, dass die Treffen öffentlich bekannt gewesen seien und dass nationale Behörden daran teilgenommen hätten, weder etwas an der wettbewerbsbeschränkenden Absicht noch an der Kenntnis der Umstände, aus denen sich die Eignung des Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten ergibt.

210 Was speziell die Rechtssache T-262/02 angeht, so belegt die Teilnahme der RBW an über 80 % der Wiener Gesprächsrunden und an über 90 % der Bundes-Aktiv- und Passivrunden, dass ihrem Vertreter nicht verborgen geblieben sein konnte, dass sich die Abstimmungen über diese Geschäfte nicht auf Wien beschränkten, sondern auf große Teile Österreichs oder sogar auf das gesamte Land erstreckten. Daher ist unabhängig davon, ob die Verantwortlichen der RBW über die Abstimmungen anderer Bankgeschäfte im "Lombard-Netzwerk" informiert wurden, festzustellen, dass die RBW Kenntnis von den wesentlichen Tatsachen hatte, aus denen sich die Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch das Kartell ergibt, an dem sie teilnahm.

211 Der Rüge, dass die Zuwiderhandlung nicht vorsätzlich begangen worden sei, kann somit nicht gefolgt werden. Das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen das Fehlen von Fahrlässigkeit darzutun versuchen, geht daher ins Leere.

B - Möglichkeit einer Freistellung der Vereinbarungen (Rechtssachen T-262/02 und T-271/02)

1. Vorbringen der Parteien

212 Die RLB, die ÖVAG und die NÖ-Hypo tragen vor, die Kommission setze üblicherweise keine Geldbußen fest, wenn die fraglichen Vereinbarungen nach Artikel 81 Absatz 3 EG freigestellt werden könnten. Dies sei bei den hier in Rede stehenden Vereinbarungen der Fall. Die RLB verweist auf Artikel 4 Absatz 2 Nummer 1 der Verordnung Nr. 17, der eine Vermutung der Gesetzmäßigkeit enthalte und der Kommission im vorliegenden Fall eine rückwirkende Freistellung ermöglicht hätte. Die ÖVAG und die NÖ-Hypo machen u. a. geltend, die streitigen Vereinbarungen seien darauf gerichtet gewesen, den österreichischen Verbrauchern das gesamte Spektrum der Bankdienstleistungen in bester Qualität zu angemessenen Preisen anzubieten; einige Vereinbarungen hätten die Festsetzung von Interbankgebühren betroffen, die freigestellt werden könnten.

2. Würdigung durch das Gericht

213 Diesem Klagegrund kann nicht gefolgt werden, weil die hier in Rede stehenden Vereinbarungen nicht angemeldet wurden. Die Anmeldung ist nämlich keine bloße von den Unternehmen zu erfüllende Formalität, sondern eine unverzichtbare substanzielle Voraussetzung für die Gewährung bestimmter Vergünstigungen. Nach Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 darf keine Geldbuße für Handlungen festgesetzt werden, die nach der Anmeldung begangen werden, soweit sie in den Grenzen der in der Anmeldung dargelegten Tätigkeit liegen. Diese Vergünstigung für Unternehmen, die eine Vereinbarung oder eine abgestimmte Verhaltensweise angemeldet haben, stellt den Ausgleich für das Risiko dar, das ein Unternehmen dadurch eingeht, dass es selbst die Vereinbarung oder die abgestimmte Verhaltensweise anzeigt. Das Unternehmen muss nämlich nicht nur damit rechnen, dass die Unvereinbarkeit der Vereinbarung oder der Verhaltensweise mit Artikel 81 Absatz 1 EG festgestellt und die Anwendung von Absatz 3 abgelehnt wird, sondern auch damit, dass ihm für seine vor der Anmeldung vorgenommenen Handlungen eine Geldbuße auferlegt wird. Einem Unternehmen, das dieses Risiko nicht eingehen wollte, ist es deshalb erst recht versagt, sich gegen eine Geldbuße, die ihm wegen einer nicht angemeldeten Zuwiderhandlung auferlegt wurde, unter Berufung darauf zu wehren, dass eine Anmeldung möglicherweise zu einer Freistellung geführt hätte (Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, im Folgenden: Urteil MDF, Randnr. 93).

214 Die Klägerinnen haben jedenfalls nicht dargetan, dass das vorliegende Netzwerk von Preisabsprachen die Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllte.

C - Ergebnis

215 Die auf die Nichtigerklärung von Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung gerichteten Klagegründe sind daher unbegründet.

IV - Zu den Anträgen auf Herabsetzung der verhängten Geldbußen

A - Vorbemerkungen

216 Die Kommission hat gegen alle Klägerinnen Geldbußen nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verhängt. Aus den Randnummern 502 bis 542 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass sich die Kommission - auch wenn dies in der angefochtenen Entscheidung nicht ausdrücklich angesprochen wird, außer in Randnummer 529 in Bezug auf mildernde Umstände und im Rahmen der Schilderung eines Arguments der Banken in Fußnote 519 - bei der Berechnung der Geldbußen an der in den Leitlinien beschriebenen Vorgehensweise orientiert hat. Außerdem hat die Kommission diese Beträge in Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit um 10 % herabgesetzt.

1. Zur Anwendbarkeit der Leitlinien und der Mitteilung über Zusammenarbeit

a) Zur behaupteten Verletzung des Rückwirkungsverbots (Rechtssache T-264/02)

217 Die Erste Bank wendet gegen die Methode zur Berechnung der Geldbußen ein, die Kommission habe durch die Heranziehung der nach Beendigung der Zuwiderhandlung erlassenen Leitlinien und durch die erneute Verschärfung ihrer Praxis im Herbst 2001 gegen das in Artikel 7 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in Artikel 49 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) verankerte Rückwirkungsverbot verstoßen.

218 Wie der Gerichtshof in seinem oben in Randnummer 189 angeführten Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission (Randnrn. 202 bis 232) entschieden hat, ist diesem Klagegrund nicht stattzugeben, weil die Leitlinien und speziell die darin vorgesehene neue Methode für die Berechnung der Geldbußen, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, für Unternehmen wie die Klägerinnen zum Zeitpunkt der Begehung der betreffenden Zuwiderhandlungen hinreichend vorhersehbar waren.

b) Zur Relevanz der Leitlinien und der Mitteilung über Zusammenarbeit für die gerichtliche Kontrolle der angefochtenen Entscheidung

219 Die Leitlinien sind ein Instrument, mit dem unter Beachtung höherrangigen Rechts die Kriterien präzisiert werden sollen, die die Kommission im Rahmen der Ausübung des ihr nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 zustehenden Ermessens bei der Festsetzung von Geldbußen anzuwenden gedenkt.

220 Als die Kommission in ihren Leitlinien ankündigte, welche Methode sie bei der Berechnung von Geldbußen gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 anwenden wolle, blieb sie innerhalb des durch diese Bestimmung gesteckten rechtlichen Rahmens und überschritt das ihr durch den Verordnungsgeber eingeräumte Ermessen nicht (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 252).

221 Solche Normen, die Außenwirkungen entfalten sollen, können zwar nicht als Rechtsnormen qualifiziert werden, die die Verwaltung auf jeden Fall zu beachten hat, doch stellen sie Verhaltensnormen dar, die einen Hinweis auf die zu befolgende Praxis enthalten und von denen die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen abweichen kann, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind.

222 Das in Rede stehende Organ hat dadurch, dass es derartige Verhaltensnormen erlassen und durch ihre Veröffentlichung angekündigt hat, sie von nun an auf die von ihnen erfassten Fälle anzuwenden, die Ausübung seines eigenen Ermessens beschränkt; es kann daher nicht von ihnen abweichen, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie diejenigen der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde.

223 Die Leitlinien stellen somit zwar nicht die Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung dar, die vielmehr auf den Artikeln 3 und 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 beruht; sie enthalten gleichwohl eine allgemeine und abstrakte Regelung der Vorgehensweise, die sich die Kommission zur Festsetzung der in dieser Entscheidung verhängten Geldbußen auferlegt hat, und schaffen damit Rechtssicherheit für die Unternehmen (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 209 bis 213).

224 Die aus dem Erlass der Leitlinien resultierende Selbstbeschränkung des Ermessens der Kommission ist jedoch nicht unvereinbar mit dem Fortbestand eines erheblichen Ermessens der Kommission (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T-44/00, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Slg. 2004, II-2223, Randnrn. 246, 274 und 275). Die Leitlinien enthalten nämlich verschiedene Spielräume, die es der Kommission ermöglichen, ihr Ermessen im Einklang mit den Vorschriften des Artikels 15 der Verordnung Nr. 17 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof auszuüben (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnr. 267).

225 Ebenso wie die Leitlinien hat auch die Mitteilung über Zusammenarbeit berechtigte Erwartungen der Unternehmen geweckt, so dass die Kommission verpflichtet ist, sich bei der Beurteilung ihrer Zusammenarbeit im Rahmen der Bemessung der Geldbuße an diese Mitteilung zu halten (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II-1705, Randnr. 360).

226 Das Gericht hat daher im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle der angefochtenen Entscheidung zu prüfen, ob die Kommission ihr Ermessen anhand der in den Leitlinien und der Mitteilung über Zusammenarbeit beschriebenen Methode ausgeübt hat und, falls es feststellen sollte, dass sie davon abgewichen ist, ob diese Abweichung zulässig und rechtlich hinreichend begründet ist.

227 Indessen greifen das der Kommission zustehende Ermessen und die diesem von ihr selbst gezogenen Grenzen nicht der Ausübung der dem Gemeinschaftsrichter zustehenden Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung vor.

2. Zur Gliederung der Rügen der Klägerinnen

228 Mit Ausnahme der RLB (Rechtssache T-262/02) wenden sich alle Klägerinnen gegen die Festsetzung der Höhe der Geldbußen. Sie machen erstens geltend, dass die Zuwiderhandlung zu Unrecht als "besonders schwer" eingestuft worden sei (siehe unten, Abschnitt B). Zweitens wenden sich mehrere Klägerinnen gegen die Einteilung der Adressaten der angefochtenen Entscheidung in Kategorien und die Festsetzung der Ausgangsbeträge anhand ihrer Marktanteile (siehe unten, Abschnitt C). Drittens rügen die RZB (Rechtssache T-259/02), die BAWAG (Rechtssache T-261/02) und die PSK (Rechtssache T-263/02) die Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung (siehe unten, Abschnitt D). Viertens führen die Klägerinnen verschiedene mildernde Umstände an (siehe unten, Abschnitt E). Fünftens machen sie geltend, dass die Kommission die Mitteilung über Zusammenarbeit falsch angewandt habe (siehe unten, Abschnitt F). Sechstens beantragen die ÖVAG und die NÖ-Hypo (Rechtssache T-271/02) schließlich, ihre Geldbuße wegen Verletzung bestimmter Verfahrensregeln herabzusetzen (siehe unten, Abschnitt G).

229 Zwischen dem Vorbringen, mit dem sich die Klägerinnen gegen die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung wenden, und den geltend gemachten mildernden Umständen gibt es gewisse Überschneidungen, während die rechtliche Qualifizierung dieses Vorbringens und die Gliederung der Klagegründe je nach Rechtssache schwanken.

230 Die Prüfung dieses Vorbringens folgt zweckmäßigerweise dem Aufbau der Leitlinien.

231 Während in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 nur die beiden Kriterien der Schwere und der Dauer erwähnt sind, sehen die Leitlinien erstens die Ermittlung der Schwere des Verstoßes als solcher vor, auf deren Grundlage ein "allgemeiner Ausgangsbetrag" festgesetzt werden kann. Zweitens wird die Schwere anhand der Merkmale des betreffenden Unternehmens, insbesondere seiner Größe und seiner Stellung auf dem relevanten Markt, geprüft; dies kann zur Gewichtung des Ausgangsbetrags, zur Einteilung der Unternehmen in Kategorien und zur Festsetzung eines "spezifischen Ausgangsbetrags" führen (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T-224/00, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, Slg. 2003, II-2597, im Folgenden: Urteil ADM, Randnrn. 45 bis 47). Drittens wird die Dauer des Verstoßes bei der Festsetzung des Grundbetrags berücksichtigt, und viertens sehen die Leitlinien die Berücksichtigung erschwerender und mildernder Umstände vor, die es ermöglichen, u. a. die relative Schwere des Tatbeitrags jedes betroffenen Unternehmens zu bewerten (Urteil ADM, Randnr. 260).

232 Die Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung als solcher hängt somit u. a. von der Eignung des beanstandeten Verhaltens zur Beeinträchtigung der Ziele der Verträge ab (oben in Randnr. 213 angeführtes Urteil MDF, Randnr. 107), unabhängig vom Beitrag jedes einzelnen Unternehmens und dessen individuellem Verschulden, während sich die erschwerenden oder mildernden Umstände, wie die in den Leitlinien aufgezählten Beispiele zeigen, auf den Unrechtsgehalt des individuellen Verhaltens des betreffenden Unternehmens beziehen.

233 Daher ist zu trennen zwischen den - im Rahmen der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zu prüfenden - Faktoren, die geeignet sind, das Potenzial der Zuwiderhandlung zur Beeinträchtigung eines unverfälschten Wettbewerbs und der anderen Ziele des Vertrages zu beeinflussen, sowie den - im Rahmen der mildernden Umstände zu prüfenden - Faktoren, die das individuelle Verhalten der Adressaten der angefochtenen Entscheidung betreffen. Bestimmte von den Klägerinnen angeführte Gesichtspunkte sind jedoch unter diesen beiden Aspekten zu prüfen.

B - Zur Einstufung der Zuwiderhandlung als "besonders schwer"

1. Allgemeine Erwägungen zur Beurteilung der Schwere

234 Zur Beurteilung der Schwere des Verstoßes als solcher heißt es in den Leitlinien:

"Bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes sind seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen.

Die Verstöße werden in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße ..."

235 Die Klägerinnen machen erstens geltend, der Verstoß könne seinem Wesen nach nicht als besonders schwer eingestuft werden, und werfen der Kommission vor, den historischen Hintergrund des Kartells außer Acht gelassen zu haben. Zweitens führen sie aus, die Vereinbarungen hätten keine konkreten Auswirkungen auf den Markt gehabt. Drittens berufen sie sich auf die geringe Größe des betroffenen räumlichen Marktes. Viertens ist die RZB der Ansicht, dass die Kommission ihre Verfolgungsmaßnahmen selektiv getroffen habe, was eine Einstufung des Verstoßes als "besonders schwer" ausschließe.

236 Vor der Prüfung dieser Rügen der Klägerinnen ist einleitend darzulegen, in welchem Verhältnis die drei nach den Leitlinien bei der Bewertung der Schwere des Verstoßes zu berücksichtigenden Aspekte zueinander stehen.

237 Zunächst ist die Kommission dadurch, dass sie in den Leitlinien ihre Vorgehensweise bei der Bewertung der Schwere eines Verstoßes präzisiert hat, nicht daran gehindert, die Schwere umfassend anhand aller relevanten Umstände des Einzelfalls einschließlich der Gesichtspunkte zu beurteilen, die in den Leitlinien nicht ausdrücklich erwähnt sind.

238 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind nämlich bei der Festsetzung des Betrags der Geldbußen die Dauer sowie sämtliche Faktoren zu berücksichtigen, die für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlungen eine Rolle spielen (oben in Randnr. 213 angeführtes Urteil MDF, Randnr. 129). Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 240 und 241).

239 Dabei erlaubt insbesondere die Beurteilung des Wesens der Zuwiderhandlung die Berücksichtigung verschiedener relevanter Faktoren, deren erschöpfende Aufzählung in den Leitlinien nicht möglich wäre und zu denen die potenzielle Auswirkung (die sich von der konkreten und messbaren Auswirkung unterscheidet) der Zuwiderhandlung auf den Markt gehört.

240 Sodann ist festzustellen, dass die drei oben genannten Aspekte der Bewertung der Schwere des Verstoßes im Rahmen der Gesamtprüfung nicht das gleiche Gewicht haben. Das Wesen der Zuwiderhandlung spielt insbesondere bei der Einstufung der Zuwiderhandlungen als "besonders schwer" eine vorrangige Rolle. Insoweit ergibt sich aus der Beschreibung der besonders schweren Verstöße in den Leitlinien, dass sich Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die - wie im vorliegenden Fall - insbesondere auf die Festsetzung der Preise abzielen, bereits aufgrund ihres Wesens als "besonders schwer" einstufen lassen, ohne dass es erforderlich wäre, dass solche Verhaltensweisen durch eine besondere Auswirkung oder einen besonderen räumlichen Umfang gekennzeichnet sind. Dies wird dadurch bekräftigt, dass bei der Beschreibung der schweren Verstöße ausdrücklich davon die Rede ist, dass sie Auswirkungen auf den Markt haben und in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen, während bei den besonders schweren Verstößen kein Erfordernis einer konkreten Auswirkung auf den Markt oder von Auswirkungen in einem besonderen räumlichen Bereich erwähnt ist (Urteil des Gerichts vom 27. Juli 2005 in den Rechtssachen T-49/02 bis T-51/02, Brasserie nationale u. a./Kommission, Slg. 2005, II-0000, Randnr. 178).

241 Außerdem besteht zwischen den drei Kriterien insofern eine Wechselbeziehung, als ein höherer Schweregrad hinsichtlich des einen oder anderen Kriteriums die geringere Schwere der Zuwiderhandlung unter anderen Aspekten ausgleichen kann.

2. Zu Wesen und Kontext der Zuwiderhandlung

a) Vorbringen der Parteien

242 Zum Wesen der Zuwiderhandlung tragen die BAWAG, die PSK und die Erste Bank (Rechtssachen T-261/02, T-263/02 und T-264/02) vor, nach der Entscheidungspraxis der Kommission würden horizontale Preisabsprachen typischerweise als "besonders schwere" Zuwiderhandlungen eingestuft, wenn andere Beschränkungen wie eine Marktabschottung hinzukämen. Die BAWAG und die PSK machen geltend, die Tatsache, dass sich das Kartell auf zahlreiche Bankprodukte erstrecke, sei für die Beurteilung seiner Schwere irrelevant, weil diese von dem durch das Kartell verursachten Schaden, nicht aber von seinem Umfang abhänge. Auch die Teilnahme aller großen österreichischen Banken genüge nicht, um eine Einstufung als besonders schwer zu rechtfertigen, denn dafür sei die Beteiligung von Unternehmen erforderlich, die praktisch den gesamten europäischen Markt repräsentierten.

243 Die Banken führen weiter aus, die ihnen zur Last gelegte Zuwiderhandlung sei kein klassisches zu wettbewerbswidrigen Zwecken geschaffenes geheimes Kartell gewesen, das zur Erlangung von Monopolgewinnen und zur Schädigung der Verbraucher gedient habe. Nach Ansicht der ÖVAG und der NÖ-Hypo bestand das wahre Wesen der Gesprächsrunden eher in einem (womöglich unzulässigen) Informationsaustausch als in einem typischen "Hardcore-Kartell".

244 Was den Kontext der Zuwiderhandlung angeht, so werfen die Klägerinnen der Kommission erstens vor, außer Acht gelassen zu haben, dass die Vereinbarungen eine gesetzliche Grundlage gehabt hätten, weil sie vom Staat als Instrument der Wirtschaftslenkung eingerichtet worden seien und - so die RZB, die ÖVAG und die NÖ-Hypo - mit der österreichischen Tradition im Einklang gestanden hätten, wonach sich der Staat zur Verwirklichung seiner Gemeinwohlzwecke der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und mit den Sozialpartnern bediene. Es müsse unterschieden werden zwischen der Lage von Unternehmen, die ein geheimes und wettbewerbswidrigen Zwecken dienendes Kartell bildeten, und ihrer eigenen Lage, die dadurch gekennzeichnet sei, dass sie lediglich die rechtzeitige Einstellung einer ehemals zulässigen Verhaltensweise unterlassen hätten. Die RZB und die Erste Bank weisen auf die Besonderheiten des Bankenmarktes und insbesondere auf das Interesse des Staates an der Stabilität dieses Sektors hin, die zu erheblichen Eingriffen staatlicher Stellen geführt hätten und die Schwere der Zuwiderhandlung milderten. Die BAWAG und die PSK fügen hinzu, die Vereinbarungen seien ein einzigartiges historisches Phänomen, das sich nicht wiederholen könne, so dass es im vorliegenden Fall keiner hohen Geldbuße zur Abschreckung bedürfe.

245 Zweitens machen die BA-CA, die ÖVAG und die NÖ-Hypo geltend, auch nach dem Beitritt Österreichs zur Gemeinschaft seien Kartelle wie die Gesprächsrunden im österreichischen Wettbewerbsrecht, das unverbindliche "Verhaltenskartelle" privilegiert habe, nicht verboten gewesen.

246 Drittens weisen die Klägerinnen auf den Einfluss staatlicher Stellen, insbesondere der OeNB, der Wirtschaftskammer und des Finanzministeriums bei den Gesprächsrunden hin. Die staatlichen Stellen hätten aktiv an den Gesprächsrunden teilgenommen und sich insbesondere gegen den starken Wettbewerb zwischen den Banken ausgesprochen. Die BA-CA trägt vor, die Rolle der OeNB sei erheblich bedeutsamer gewesen, als in Randnummer 374 der angefochtenen Entscheidung angegeben werde; sie habe Druck auf die Banken ausgeübt, damit diese ihre Geschäftskonditionen änderten.

247 Viertens sind die Klägerinnen der Ansicht, dass die Institutionalisierung des Kartells mit dem legalen Ursprung der Treffen zusammenhänge und somit nichts zur Schwere der Zuwiderhandlung beitrage. Die BAWAG und die PSK fügen hinzu, die Treffen seien zum größten Teil wettbewerbsrechtlich neutralen Themen gewidmet gewesen.

248 Fünftens beruft sich die Erste Bank darauf, dass Österreich erst kürzlich der Union beigetreten sei.

b) Würdigung durch das Gericht

249 Was das Wesen der Zuwiderhandlung angeht, so hat die Kommission in Randnummer 506 und Fußnote 514 der angefochtenen Entscheidung zutreffend hervorgehoben, dass horizontale Preisabsprachen auch ohne weitere Wettbewerbsbeschränkungen wie eine Marktabschottung zu den besonders schweren Verstößen gehören (oben in Randnr. 231 angeführtes Urteil ADM, Randnrn. 117 bis 126; vgl. auch das oben in Randnr. 175 angeführte Urteil SPO u. a./Kommission, Randnr. 377).

250 Im vorliegenden Fall wird die besondere Schwere der Zuwiderhandlung, wie in Randnummer 506 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt, insbesondere durch die Bedeutung des Bankensektors für die gesamte Volkswirtschaft und durch den Umfang der Vereinbarungen verstärkt, die ein breites Spektrum wichtiger Bankprodukte umfassten und an denen die ganz überwiegende Mehrzahl der Wirtschaftsteilnehmer auf dem betreffenden Markt teilnahmen, darunter die wichtigsten Unternehmen. Die auf dem Wesen beruhende Schwere einer Zuwiderhandlung hängt nämlich insbesondere von der Gefahr ab, die sie für einen unverfälschten Wettbewerb darstellt. Insoweit spielt der Umfang einer Preisabsprache, sowohl hinsichtlich der betreffenden Erzeugnisse als auch hinsichtlich der Mitgliedsunternehmen, eine entscheidende Rolle. Die These der Klägerinnen, dass nur Zuwiderhandlungen, an denen fast alle Unternehmen auf dem europäischen Markt teilgenommen hätten, als besonders schwer eingestuft werden könnten, ist jedenfalls unbegründet (vgl. auch die nachstehenden Randnrn. 307 und 313 zur Bedeutung des Umfangs des betreffenden räumlichen Marktes).

251 Das Vorbringen der Banken, dass das Kartell kein wettbewerbswidriges Ziel gehabt habe, steht im Widerspruch zum Wesen der Vereinbarungen, die zur Beschränkung oder sogar zur Ausschaltung des Preiswettbewerbs dienten. Gleiches gilt für die Behauptung der ÖVAG und der NÖ-Hypo, die Zuwiderhandlung sei eher als Informationsaustausch denn als Preisabsprache einzustufen.

252 Zu dem Argument, das Kartell sei nicht geheim gewesen, ist festzustellen, dass in der angefochtenen Entscheidung die Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer nicht mit ihrer Geheimhaltung gerechtfertigt wird (vgl. Randnrn. 505 bis 514). Die Kommission nimmt zwar in einem Teil ihrer Klagebeantwortungen auf die Mitteilung über Zusammenarbeit Bezug, nach deren Abschnitt A Nummer 1 "[g]eheime Absprachen zwischen Unternehmen über die Festsetzung von Preisen ... zu den schwerwiegendsten Wettbewerbsbeschränkungen [gehören]". Diese Bezugnahme steht aber im Zusammenhang mit Ausführungen, die zum Nachweis der besonderen Schwere von horizontalen Preisabsprachen dienen; dies geht klar aus der anschließenden Bezugnahme auf die Leitlinien hervor, nach denen es sich bei der Kategorie der besonders schweren Verstöße im Wesentlichen um "horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle" handelt, wobei es keine Rolle spielt, ob diese geheim waren. Folglich geht das Vorbringen zur fehlenden Geheimhaltung der Vereinbarungen für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung durch die Kommission ins Leere. Auch wenn die Geheimhaltung eines Kartells ein Umstand ist, der seine Schwere verstärken kann, handelt es sich jedenfalls nicht um eine unabdingbare Voraussetzung für die Einstufung einer Zuwiderhandlung als "besonders schwer".

253 Die Rügen der Klägerinnen, die sich dagegen richten, dass das Kartell seinem Wesen nach als besonders schwer eingestuft wurde, haben daher keinen Erfolg.

254 Sodann ist festzustellen, dass eine horizontale Preisabsprache mit dem von der Kommission hier festgestellten Umfang, die sich auf einen so wichtigen Wirtschaftssektor bezieht, normalerweise unabhängig von ihrem Kontext als besonders schwere Zuwiderhandlung zu qualifizieren ist. Die von den Klägerinnen im vorliegenden Fall angeführten Umstände sind jedenfalls nicht geeignet, die Stichhaltigkeit der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung in Frage zu stellen.

255 Zum historischen Hintergrund des Kartells führt die Kommission erstens zutreffend aus, dass die Rechtsgrundlagen, auf denen die Gesprächsrunden ursprünglich beruhten, spätestens zum Zeitpunkt des Beitritts Österreichs zum EWR weggefallen waren. In dem von der angefochtenen Entscheidung erfassten Zeitraum gab es keine Bestimmung des nationalen Rechts, die die Banken zu einer Abstimmung oder Einschränkung ihres Handlungsspielraums auf dem Markt verpflichtet hätte. Zu den "österreichischen Traditionen", auf die einige Klägerinnen verweisen, ist festzustellen, dass die politischen Traditionen und Präferenzen der Mitgliedstaaten bisweilen in Konflikt mit dem in Artikel 3 Buchstabe g EG verankerten grundlegenden Ziel eines unverfälschten Wettbewerbs geraten können. Dass das Kartell mit Unterstützung des Staates errichtet und fortgeführt wurde, ändert daher nichts an seinem Potenzial zur Beeinträchtigung der Ziele des Vertrages.

256 Das Argument, eine hohe Geldbuße sei wegen der Einzigartigkeit der Vereinbarungen nicht erforderlich, ist im vorliegenden Zusammenhang irrelevant. Die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehört zwar zu den zahlreichen Gesichtspunkten, die bei der Beurteilung der Schwere eines Verstoßes im Sinn von Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 berücksichtigt werden müssen (oben in Randnr. 213 angeführtes Urteil MDF, Randnr. 120). Wie oben in Randnummer 231 ausgeführt, differenzieren die Leitlinien jedoch zwischen verschiedenen Aspekten der Schwere im Sinn von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, wobei sie die Berücksichtigung der Abschreckungswirkung neben derjenigen der "eigentlichen" Schwere der Zuwiderhandlung vorsehen. Diese Unterscheidung ist gerechtfertigt, weil sie zur größeren Transparenz des Bußgeldbemessungsverfahrens der Kommission beiträgt. Erwägungen im Zusammenhang mit der Abschreckungswirkung der Geldbuße greifen deshalb gegen die Beurteilung der eigentlichen Schwere der Zuwiderhandlung nicht durch.

257 Zweitens hält die Kommission dem Vorbringen, das sich darauf stützt, dass das österreichische Recht "Verhaltenskartelle" auch nach dem Beitritt zu den Gemeinschaften und während der gesamten Dauer der Zuwiderhandlung toleriert habe, zutreffend entgegen, dass dies keine Auswirkungen auf das Vorliegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 EG hat und auch die Beurteilung der Schwere dieses Verstoßes nicht zu beeinflussen vermag. Nach der insbesondere von der BA-CA, der ÖVAG und der NÖ-Hypo gegebenen Beschreibung des österreichischen Rechts knüpfte die bis 2000 bestehende Privilegierung der "Verhaltenskartelle" an deren fehlende Bindungswirkung an. Dagegen verbietet Artikel 81 EG abgestimmte Verhaltensweisen ebenso wie Vereinbarungen, und auch die Leitlinien unterscheiden bei der Beurteilung der Schwere nicht zwischen bindenden Vereinbarungen und "Gentlemen's agreements".

258 Drittens ist in Bezug auf die von den Klägerinnen angeführte Teilnahme staatlicher Stellen an den Gesprächsrunden zunächst daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen treffen dürfen, die es privaten Unternehmen ermöglichen, sich den ihnen durch die Artikel 81 EG bis 89 EG auferlegten Bindungen zu entziehen (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77, INNO, Slg. 1977, 2115, Randnr. 33). Zwar können Unternehmen nicht mit einer Sanktion wegen eines wettbewerbswidrigen Verhaltens belegt werden, zu dem sie durch ein mit den genannten Bestimmungen unvereinbares nationales Gesetz oder durch übermächtigen Druck, der von den nationalen Behörden auf sie ausgeübt wurde, gezwungen wurden, doch gilt dies nicht, wenn sich ein solches Gesetz oder Verhalten darauf beschränkte, die Unternehmen zu eigenständigen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen zu ermuntern oder diese zu erleichtern (vgl. analog dazu Urteil des Gerichtshofes vom 9. September 2003 in der Rechtssache C-198/01, CIF, Slg. 2003, I-8055, Randnrn. 52 bis 56, und Urteil des Gerichts vom 18. September 1996 in der Rechtssache T-387/94, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1996, II-961, Randnr. 65).

259 Insoweit ist unstreitig, dass das hier in Rede stehende Verhalten der nationalen Behörden die Banken nicht zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen zwang. In einem von der BAWAG und der PSK vorgelegten Vermerk ist zwar die Rede von einem "Appell der OeNB an die Banken, den unvernünftigen Preiswettbewerb der Banken bei Einlagen und Krediten zu reduzieren". Ein solcher Appell musste aber offenbar von den Banken nicht unbedingt befolgt werden. Die von der BA-CA angeführten Beispiele für angeblich von der OeNB auf die Banken ausgeübten Druck zeigen, dass diese die Banken ermahnte, die Zinssätze zu senken, enthalten aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie die Banken aufgefordert hätte, sich insoweit abzustimmen, oder gar dafür, dass die Banken in dieser Hinsicht übermächtigem Druck ausgesetzt gewesen wären. Die Beteiligung der OeNB ändert daher nichts an der Verantwortung der Klägerinnen für ihr rechtswidriges Verhalten.

260 Sie hat auch keine Auswirkungen auf die eigentliche Schwere der Zuwiderhandlung. Die von den Klägerinnen beschriebene Mitwirkung der staatlichen Stellen an den Gesprächsrunden vermag das Potenzial der hier in Rede stehenden Preisabsprache zur Beeinträchtigung der Ziele des Vertrages nicht zu verringern. Eine solche Billigung oder Duldung des rechtswidrigen Verhaltens durch die öffentliche Gewalt ist im Gegenteil geeignet, die Wirkungen der unzulässigen Vereinbarungen zu verstärken.

261 Im Übrigen wird die Frage, ob das Verhalten der nationalen Stellen gleichwohl als mildernder Umstand herangezogen werden kann (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 258 angeführte Urteil CIF, Randnr. 57), im Folgenden in den Randnummern 504 und 505 geprüft.

262 Was viertens die Institutionalisierung des Kartells angeht, so darf die Kommission berücksichtigen, dass ein Kartell als System regelmäßiger institutionalisierter Sitzungen ausgestaltet war (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-308/94, Cascades/Kommission, Slg. 1998, II-925, Randnrn. 104 und 194). Als das "Lombard-Netzwerk" geschaffen wurde, waren die Vereinbarungen zwar nicht rechtswidrig. Dies ändert aber nichts daran, dass die Banken diese vorhandene Struktur für ihre unzulässigen Abstimmungen nutzten, was erheblich zum Funktionieren und zur Wirksamkeit des Gesamtkartells beitragen konnte. Dass bei den Treffen auch andere, wettbewerbsrechtlich neutrale Themen behandelt wurden, verringert die Gefahren für einen unverfälschten Wettbewerb nicht, die sich aus einem so gut organisierten System von Absprachen ergeben.

263 Schließlich hat es keinen Einfluss auf die eigentliche Schwere der Zuwiderhandlung, dass die Republik Österreich der Europäischen Union erst kurz vor dem relevanten Zeitraum beigetreten war.

264 Folglich sind die von den Klägerinnen angeführten Umstände nicht geeignet, die Stichhaltigkeit der Feststellung in Randnummer 506 der angefochtenen Entscheidung in Frage zu stellen, wonach die Vereinbarungen des "Lombard-Netzwerks" ihrer Natur nach ein besonders schwerer Verstoß sind.

3. Zur konkreten Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt

265 Die Klägerinnen halten der Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer entgegen, dass die Kommission keine spürbaren Auswirkungen des Kartells auf den Markt nachgewiesen habe. Sie machen erstens geltend, dass ein solcher Nachweis als Rechtfertigung für die Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer unabdingbar sei, zweitens, dass die Erwägungen zur Auswirkung des Kartells in der angefochtenen Entscheidung hierfür nicht ausreichten, und drittens, dass das von ihnen im Verwaltungsverfahren vorgelegte Wirtschaftsgutachten von Professor von Weizsäcker das Fehlen einer solchen Auswirkung belege.

a) Angefochtene Entscheidung

266 Im Rahmen ihrer Analyse der Schwere der Zuwiderhandlung führt die Kommission in Randnummer 508 der angefochtenen Entscheidung aus:

"Was die Umsetzung und die Auswirkungen des Kartells betrifft, so können diese unter der Vielzahl von Gesichtspunkten dann berücksichtigt werden, wenn es um Verhaltensweisen geht, die nicht unmittelbar Wettbewerbsbeschränkung bezwecken und daher nur infolge ihrer konkreten Auswirkungen in den Anwendungsbereich von Artikel 81 EG ... fallen können."

267 Sodann legt sie dar, dass die beteiligten Banken regelmäßig und häufig an einer Vielzahl von Gesprächsrunden teilgenommen hätten und dass die sichergestellten Unterlagen aus dem relevanten Zeitraum deutlich zeigten, wie die Banken die in den Gesprächsrunden getroffenen Vereinbarungen umgesetzt oder die dort von ihren Wettbewerbern erlangten Informationen bei ihrer eigenen Entscheidungsfindung berücksichtigt hätten. Wegen der Einzelheiten verweist die Kommission auf die Randnummern 430 bis 437 der angefochtenen Entscheidung, die im Rahmen der Feststellung der Zuwiderhandlung eine Beschreibung der Umsetzung der Kartellbeschlüsse enthalten.

268 Die Kommission schließt daraus in Randnummer 510 der angefochtenen Entscheidung, dass sich die über mehrere Jahre hindurch getroffenen umfassenden Absprachen auf dem Markt ausgewirkt hätten. Sie fügt hinzu, der Umstand, dass die Kartellteilnehmer auch Rückschläge hätten hinnehmen oder einander bisweilen das Scheitern ihrer Bemühungen hätten eingestehen müssen, schließe die Auswirkung ihrer Absprachen auf den Markt nicht aus. Schließlich vermöge auch das von den Banken in Auftrag gegebene Gutachten nicht nachzuweisen, dass sich das Kartell nicht ausgewirkt habe.

b) Zur Einstufung der Argumente der BA-CA

269 Die BA-CA, die nur die letzten beiden in Randnummer 265 genannten Rügen erhebt, trägt vor, mit ihrem Klagegrund wende sie sich nicht gegen die Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer, sondern rüge eine Verletzung der Begründungspflicht. Wirtschaftliche Auswirkungen könnten bei der Bemessung der Geldbuße nur dann berücksichtigt werden, wenn sie tatsächlich nachgewiesen und begründet worden seien, wobei die Kommission insofern die Beweislast trage.

270 Mit dieser Argumentation wirft die BA-CA der Kommission im Wesentlichen vor, die Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt nicht nachgewiesen zu haben. Diese Rüge betrifft nicht die Begründung der angefochtenen Entscheidung, sondern die Einstufung der Zuwiderhandlung als besonders schwer. Bei der Begründungspflicht handelt es sich nämlich um ein wesentliches Formerfordernis, das von der Frage der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört (Urteile des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 67, und vom 22. März 2001 in der Rechtssache C-17/99, Frankreich/Kommission, Slg. 2001, I-2481, Randnr. 35). Somit sind die Rügen der BA-CA zusammen mit den Rügen der übrigen Klägerinnen in Bezug auf die Stichhaltigkeit der Beurteilung der Schwere des Verstoßes in der angefochtenen Entscheidung zu prüfen.

c) Vorbringen der Parteien

271 Die Banken machen erstens geltend, nach den Leitlinien und der Rechtsprechung seien bei der Ermittlung der Schwere einer Zuwiderhandlung deren konkrete Auswirkungen auf den Markt zu berücksichtigen. Die BAWAG fügt hinzu, nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien besonders schädliche Absprachen mit einer härteren Sanktion zu ahnden als solche mit geringen oder gar keinen Auswirkungen.

272 Die Klägerinnen heben hervor, dass die Beweislast für eine konkrete Auswirkung des Kartells auf den Markt bei der Kommission liege. Die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung zur Umsetzung der Vereinbarungen reichten als Nachweis für eine solche Auswirkung nicht aus. Die RZB, die BAWAG, die PSK und die Erste Bank machen geltend, zur Erbringung dieses Nachweises müsse durch ein Wirtschaftsgutachten dargelegt werden, dass sich die in Österreich im streitigen Zeitraum angewandten Zinssätze und Gebühren erheblich von denen unterschieden, die ohne Zuwiderhandlung angewandt worden wären.

273 Zweitens wenden sich die Klägerinnen gegen die Argumentation in der angefochtenen Entscheidung. Ohne die tatsächlichen Feststellungen der Kommission zur Umsetzung der Vereinbarungen in Frage zu stellen, machen die BA-CA, die BAWAG, die PSK und die Erste Bank geltend, dass die angeführten Beispiele nicht repräsentativ seien, dass es in den Akten zahlreiche Beispiele für die Nichteinhaltung der Vereinbarungen gebe und dass zwischen den Banken ein intensiver heimlicher Wettbewerb bestanden habe. Die BA-CA und die BAWAG führen aus, dies gelte namentlich für ihr eigenes Verhalten. Nach Ansicht der BAWAG und der PSK enthalten die Dokumente, in denen sich die Banken zur Umsetzung und Einhaltung der Vereinbarungen äußern, nur die subjektiven Einschätzungen einzelner Mitarbeiter und bilden daher keine verlässliche Grundlage für eine Beurteilung ihrer tatsächlichen wirtschaftlichen Auswirkungen.

274 Die BA-CA und die Erste Bank tragen vor, die Vereinbarungen hätten auf dem Markt jedenfalls nicht eingehalten werden können, weil sie nur die "offiziellen", am Schalter ausgehängten Zinssätze betroffen hätten, während die den Kunden tatsächlich angebotenen Sätze von anderen Parametern, insbesondere vom Umfang des Geschäfts, der Bonität des Kunden und den Befugnissen der Mitarbeiter zur Abweichung vom offiziellen Satz, abhängig gewesen seien.

275 Die BA-CA und die Erste Bank heben die Bedeutung der Leitzinsen für die Entwicklung der Zinssätze der Banken hervor. Die wirtschaftliche Notwendigkeit, auf Änderungen dieser Zinssätze zu reagieren, schließe einen Kausalzusammenhang zwischen den Ergebnissen der Gesprächsrunden und den von den Banken festgelegten Sätzen aus.

276 Die RZB, die BAWAG, die PSK und die Erste Bank sind schließlich der Ansicht, dass die Kommission aus der Häufigkeit der Gesprächsrunden nicht auf das Vorliegen von Auswirkungen schließen könne. Bei diesen Treffen seien zahlreiche wettbewerbsneutrale Fragen behandelt worden; außerdem hätten sie eine soziale Funktion erfüllt.

277 Drittens werfen die Klägerinnen der Kommission vor, die Feststellungen in dem von ihnen vorgelegten Wirtschaftsgutachten von Professor von Weizsäcker außer Acht gelassen zu haben. In diesem Gutachten sei mit statistischen Methoden nachgewiesen worden, dass weder die von den Banken verlangten Preise noch ihre Renditen im Durchschnitt über dem gelegen hätten, was ohne die Vereinbarungen hätte erzielt werden können. Die in der angefochtenen Entscheidung gegen dieses Gutachten erhobenen Einwände seien unbegründet. Nach Auffassung der RZB, der ÖVAG und der NÖ-Hypo können die Schlussfolgerungen des Gutachtens nur durch eine andere wissenschaftlich fundierte Studie widerlegt werden. Die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung das Gegengutachten, das sie habe erstellen lassen, wegen seiner technischen Mängel nicht herangezogen.

278 Die Kommission ist der Ansicht, dass ein Kartell aufgrund seines wettbewerbswidrigen Zweckes selbst dann zu den besonders schweren Zuwiderhandlungen gezählt werden könne, wenn es sich nicht auf den Markt ausgewirkt habe. Im vorliegenden Fall sei die Auswirkung des Kartells aber erwiesen.

279 Ein Kartell wirke sich nicht erst dann aus, wenn nachgewiesen sei, dass sich die Preise im freien Wettbewerb anders entwickelt hätten, sondern bereits dann, wenn die Absprachen umgesetzt würden. Die von ihr sichergestellten Unterlagen aus dem maßgebenden Zeitraum zeigten deutlich, wie die Banken die in den Gesprächsrunden getroffenen Vereinbarungen umgesetzt und die dort von ihren Wettbewerbern erlangten Informationen bei ihrer eigenen Entscheidungsfindung berücksichtigt hätten. Es sei unbestreitbar, dass sich das Kartell auf dieser Ebene ausgewirkt habe, auch wenn sich die Banken in einigen Fällen nicht geeinigt oder nicht an die Absprachen gehalten hätten.

280 Das von den Banken vorgelegte Gutachten sei daher für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes nicht relevant. Außerdem liefere es keinen schlüssigen Nachweis dafür, dass sich das Kartell nicht auf die Preisentwicklung ausgewirkt habe.

d) Würdigung durch das Gericht

281 Vorab ist festzustellen, dass in der angefochtenen Entscheidung die konkrete Auswirkung des Kartells auf den Markt bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes berücksichtigt wurde. Zwar führt die Kommission in den Randnummern 429 und 508 aus, dass konkrete Auswirkungen nicht berücksichtigt zu werden brauchten, wenn der wettbewerbswidrige Zweck eines Kartells erwiesen sei, doch wird in den Randnummern 509 und 510 sowie in den Randnummern 430 bis 436 gleichwohl festgestellt, dass es im vorliegenden Fall insbesondere durch die Umsetzung der Vereinbarungen Auswirkungen gegeben habe, auch wenn es in Randnummer 436 heißt, dass sie nicht exakt quantifiziert werden könnten.

282 Es spielt daher im vorliegenden Fall keine Rolle, ob nach den Leitlinien die Einstufung eines Kartells als "besonders schwer" vom Nachweis einer konkreten Auswirkung auf den Markt abhängt. Da die Kommission über ein Ermessen bei der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlungen verfügt, hängt die Rechtmäßigkeit dieser Bewertung von der Stichhaltigkeit der Feststellungen ab, auf denen sie tatsächlich beruht, und nicht davon, ob alle von der Kommission herangezogenen Gesichtspunkte insoweit unverzichtbar waren.

283 Daher ist erstens zu prüfen, ob die Kommission berechtigt ist, aus der Umsetzung eines Kartells auf die Existenz einer konkreten Auswirkung des Kartells auf den Markt zu schließen, zweitens, ob sie im vorliegenden Fall eine solche Umsetzung zu Recht festgestellt hat, und drittens, ob sie in diesem Zusammenhang die Relevanz und Beweiskraft des von den Banken vorgelegten Gutachtens falsch beurteilt hat.

284 Einleitend ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission, wenn sie die konkrete Auswirkung einer Zuwiderhandlung auf den Markt beurteilt, auf den Wettbewerb beziehen muss, der normalerweise ohne die Zuwiderhandlung geherrscht hätte (vgl. in diesem Sinn Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 619 und 620, sowie das oben in Randnr. 205 angeführte Urteil Mayr-Melnhof, Randnr. 235, das Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-141/94, Thyssen Stahl/Kommission, Slg. 1999, II-347, Randnr. 645, und das oben in Randnr. 231 angeführte Urteil ADM, Randnr. 150).

285 Erstens darf die Kommission im Fall einer Preisabsprache annehmen, dass die Zuwiderhandlung Auswirkungen hatte, wenn die Kartellmitglieder Maßnahmen zur Anwendung der vereinbarten Preise trafen, indem sie diese z. B. den Kunden ankündigten, ihre Mitarbeiter anwiesen, sie als Verhandlungsgrundlage zu benutzen, und die Anwendung durch ihre Konkurrenten sowie ihren eigenen Vertrieb überwachten. Um auf eine Auswirkung auf den Markt schließen zu können, genügt es nämlich, dass die vereinbarten Preise als Grundlage für die Festlegung individueller Transaktionspreise dienten und damit den Verhandlungsspielraum der Kunden einschränkten (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnrn. 340 und 341, und vom 20. April 1999 in den Rechtssachen T-305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 1999, II-931, Randnrn. 743 bis 745).

286 Dagegen kann, wenn die Umsetzung eines Kartells erwiesen ist, von der Kommission nicht verlangt werden, systematisch darzulegen, dass die Vereinbarungen es den betroffenen Unternehmen tatsächlich ermöglichten, ein höheres Niveau der Transaktionspreise als ohne Kartell zu erzielen. Insoweit kann der These, bei der Ermittlung der Schwere der Zuwiderhandlung könne nur berücksichtigt werden, dass ohne Absprache ein anderes Niveau der Transaktionspreise bestanden hätte, nicht gefolgt werden (Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P, Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnrn. 53 und 62). Im Übrigen wäre es unverhältnismäßig, eine solche Darlegung zu verlangen, die beträchtliche Ressourcen in Anspruch nehmen würde, weil sie den Rückgriff auf hypothetische Berechnungen anhand wirtschaftlicher Modelle erfordern würde, deren Genauigkeit nur schwer gerichtlich nachprüfbar und deren Unfehlbarkeit keineswegs erwiesen ist (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache C-283/98 P, Mo och Domsjö/Kommission, Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000, Slg. 2000, I-9855, I-9858, Nr. 109).

287 Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ist nämlich entscheidend, ob die Kartellmitglieder alles in ihrer Macht Stehende taten, damit ihre Pläne konkrete Auswirkungen hatten. Was dann auf der Ebene der tatsächlich erzielten Marktpreise geschah, konnte durch andere, von den Kartellmitgliedern nicht kontrollierbare Faktoren beeinflusst werden. Die Kartellmitglieder können externe Faktoren, die ihre Bemühungen durchkreuzten, nicht zu ihren Gunsten anführen und zu Umständen umdeuten, die eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen (oben in Randnr. 286 angeführte Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, Nrn. 102 bis 109).

288 Die Kommission war somit berechtigt, aus der Umsetzung des Kartells auf das Vorliegen einer Auswirkung auf den Markt zu schließen.

289 Zweitens ist zur Stichhaltigkeit der Feststellungen, aus denen die Kommission diesen Schluss im vorliegenden Fall zog, zunächst zu sagen, dass die Klägerinnen die in der angefochtenen Entscheidung genannten Beispiele für eine Umsetzung der Vereinbarungen des "Lombard-Netzwerks" nicht in Abrede stellen.

290 Soweit geltend gemacht wird, diese Beispiele seien nicht repräsentativ, weil die Akten auch zahlreiche Beispiele für die Nichteinhaltung der Vereinbarungen und für Wettbewerb zwischen den Banken enthielten, ist dem entgegenzuhalten, dass die Tatsache, dass sich die Kartellmitglieder nicht immer an die Vereinbarungen hielten, nicht ausreicht, um eine Auswirkung auf den Markt auszuschließen.

291 Insoweit belegen die von der BA-CA, der BAWAG, der PSK und der Ersten Bank angeführten Beispiele nicht, dass der Schluss auf eine Umsetzung des Kartells nicht zutrifft.

292 Die BA-CA verweist auf mehrere Abschnitte der angefochtenen Entscheidung (Randnrn. 149, 172, 199, 229, 264, 283 und 299 ff.), worin Fälle erwähnt werden, in denen bestimmte Vereinbarungen von einigen Banken nicht eingehalten wurden. Diese Beispiele belegen zunächst, dass die Kommission nicht außer Acht gelassen hat, dass die Vereinbarungen nicht vollständig umgesetzt wurden. Sie bestätigen aber keineswegs die These der BA-CA, dass es nur "vereinzelte Umsetzungsversuche" der Vereinbarungen gegeben habe. So heißt es in Randnummer 149, dass die PSK von den anderen Banken gerügt worden sei, weil sie die Vereinbarung über die Zinssätze für ein bestimmtes Sparprodukt nicht eingehalten habe, in Randnummer 172 wird die Reaktion der anderen Banken auf eine von der BAWAG "ohne Ankündigung" vorgenommene Senkung der Kreditzinsen geschildert, und in Randnummer 199 ist die Rede von mangelnder Disziplin, wobei die Erste Bank von den anderen Banken als "Übeltäter" angesehen wurde. Aus diesen Beispielen ergibt sich, dass Banken, die individuell von den Vereinbarungen abwichen, den Vorwürfen der übrigen Kartellmitglieder ausgesetzt waren, die sich anscheinend daran gehalten hatten. Bei einer in Randnummer 229 geschilderten Gesprächsrunde wurden zwar die entgegen den Vereinbarungen "von einigen Instituten gestarteten Sonderaktionen" angesprochen, doch stellten die Teilnehmer auch fest, dass sich alle Banken "im Wesentlichen an die [einen Monat zuvor] getroffenen Vereinbarungen gehalten" hätten. Ebenso werden in Randnummer 264 Gespräche beschrieben, bei denen sich die Erste Bank über die Anwendung vereinbarungswidriger Zinssätze durch mehrere Konkurrenten beklagte, während diese zwar anerkannten, dass bei ihnen "die Maßnahmen langsamer greifen", aber behaupteten, dass grundsätzlich alles nach Plan laufe. Schließlich heißt es in Randnummer 283, dass der "Lombardclub" wegen der Disziplinlosigkeit bei den Konditionen eine Rüge in Betracht gezogen habe, während in den Randnummern 299 bis 301 die Verletzung bestimmter Vereinbarungen und die Gegenmaßnahmen der Banken beschrieben werden. Diese Abschnitte bestätigen insgesamt gesehen in keiner Weise die These der BA-CA, dass die Nichteinhaltung der Vereinbarungen die Regel und ihre Umsetzung durch die Banken die Ausnahme gewesen sei. 293 Die BAWAG und die PSK führen 28 Dokumente in den Akten der Kommission an, in denen von der Nichteinhaltung der Vereinbarungen und dem zwischen den Banken bestehenden Wettbewerb die Rede ist, während die Erste Bank eine Liste von 85 Fundstellen in 74 Dokumenten vorlegt, von denen 22 auch von der BAWAG und der PSK angeführt wurden.

294 Diese Dokumente sind jedoch mit der Schlussfolgerung der Kommission nicht unvereinbar. Die drei Banken stützen sich z. B. auf die Aktennote über eine Passivrunde am 27. September 1995, aus der die BAWAG und die PSK folgenden Auszug zitieren: "Der Vertreter der [RBW] gab zu bedenken, dass die in der Runde abgesprochenen Konditionen und Termine ... nicht eingehalten werden ..." Unmittelbar davor heißt es aber: "In diesem Zusammenhang wurde von einigen Institutsvertretern Klage geführt, dass bei den in der Passivrunde angepeilten Zinssatzsenkungsterminen nicht automatisch auch die [Sätze bestimmter Sparverträge] zurückgenommen werden. Volksbank, CA-BV, [RBW], Hypo NÖ, PSK und [Erste Bank] haben in diesem Bereich ihre Konditionen angepasst. [BA] und BAWAG werden dieses erst Ende September durchführen." In demselben, für den Generaldirektor der BAWAG bestimmten Schriftstück heißt es außerdem, dass eine andere Bank Klage darüber geführt habe, dass bei der BAWAG und der PSK bei Testeinlagen höhere als die für Neuanlagen vereinbarten Zinssätze hätten lukriert werden können. Es wird hinzugefügt: "Im gegenständlichen Fall handelt es sich dabei um unsere Außenstellen [Nennung der Anschriften]. Entsprechende Schritte wurden bereits über die Zweigstellenabteilung von uns eingeleitet." Dieses Schriftstück enthält somit sowohl Beispiele für die Nichteinhaltung der Vereinbarungen in bestimmten Punkten als auch für ihre Umsetzung in anderer Hinsicht sowie dafür, dass eine Bank gegen Zweigstellen, die sich nicht an die Vereinbarungen hielten, Schritte einleitete.

295 Angesichts der zahlreichen unstreitigen Beispiele für eine Umsetzung der Vereinbarungen in der angefochtenen Entscheidung genügt es nicht, dass die Vereinbarungen in einigen Fällen von einer oder mehreren Banken nicht eingehalten wurden, dass es den Banken nicht gelang, die Zinssätze auf dem vereinbarten Niveau zu halten oder ihre Rentabilität zu erhöhen und dass es bei bestimmten Produkten Wettbewerb zwischen ihnen gab, um die Feststellung zu entkräften, dass die Vereinbarungen umgesetzt wurden und Auswirkungen auf den Markt hatten.

296 In diesem Zusammenhang kann dem von der BA-CA und der BAWAG auf ihr eigenes Verhalten gestützten Vorbringen nicht gefolgt werden. Das von einem Unternehmen behauptete tatsächliche Verhalten ist nämlich bei der Bewertung der Auswirkungen eines Kartells auf den Markt nicht von Bedeutung; zu berücksichtigen sind lediglich die Wirkungen der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnrn. 150 und 152, und oben in Randnr. 285 angeführtes Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 342).

297 Das Argument der Banken, dass die für die Kunden tatsächlich geltenden Zinssätze häufig von den bei den Gesprächsrunden vereinbarten und an den Schaltern ausgehängten "offiziellen" Sätzen abgewichen seien, weil die einzelnen Geschäfte besondere Merkmale aufgewiesen hätten und die Bankmitarbeiter innerhalb gewisser Grenzen zu Abweichungen von diesen Sätzen befugt gewesen seien, ist irrelevant. Die von den Banken ausgehängten "offiziellen" Sätze stellen nämlich den Ausgangspunkt für die mit den einzelnen Kunden geführten Verhandlungen dar und beeinflussen dadurch deren Ergebnis.

298 Zum Argument der BAWAG und der PSK, dass die Schriftstücke, in denen die Banken selbst die konkrete Anwendung ihrer Vereinbarungen bewerteten, nicht beweiskräftig seien, weil sie nur subjektive Einschätzungen der Bankmitarbeiter enthielten, ist festzustellen, dass die Verlässlichkeit von Dokumenten, in denen die Mitglieder eines Kartells eine Meinung hinsichtlich des "Erfolgs" des Kartells äußern, von Fall zu Fall zu beurteilen ist (oben in Randnr. 262 angeführtes Urteil Cascades/Kommission, Randnr. 186, und oben in Randnr. 285 angeführtes Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnrn. 746 und 747). Zweifel an der Beweiskraft solcher Erklärungen können vor allem dann gerechtfertigt sein, wenn Eindrücke wiedergegeben werden, die nicht auf konkreten Anhaltspunkten beruhen, und wenn es entgegengesetzte Stellungnahmen anderer Kartellmitglieder für die gleichen Zeiträume gibt. Die zuletzt genannten Stellungnahmen haben aber nicht automatisch eine höhere Glaubwürdigkeit als Erstere. Im vorliegenden Fall führt die Kommission aus, dass die Banken die konkrete Umsetzung der Absprachen auf der Grundlage regelmäßiger Testveranlagungen bei anderen Banken beurteilt hätten (Randnr. 433 der angefochtenen Entscheidung), was nicht bestritten worden ist. Unter diesen Umständen war die Kommission berechtigt, sich u. a. auf die Schriftstücke zu stützen, in denen sich die Kartellmitglieder im maßgebenden Zeitraum zur Umsetzung des Kartells äußerten, und aus ihnen zu folgern, dass sich das Kartell auf den Markt ausgewirkt hat.

299 Sodann ist festzustellen, dass die Kommission die Bedeutung der Leitzinsen für die von den Banken angewandten Zinssätze nicht bestritten hat; sie wirft den Banken gerade vor, ihre Reaktion auf die Entwicklung der Leitzinsen koordiniert zu haben. Die Wirkung der Vereinbarungen, die im vorliegenden Fall aus ihrer Umsetzung resultiert, und die Tatsache, dass die von den Banken angewandten Zinssätze den Leitzinsen folgten, so dass die konkrete Auswirkung der Vereinbarungen nur schwer messbar ist, reichen aber für sich genommen nicht aus, um die Stichhaltigkeit der Argumentation der Kommission in Frage zu stellen.

300 Schließlich kann die Kommission zwar aus der Zahl und der Häufigkeit der Gesprächsrunden allein nicht ableiten, dass diese sich auf den Markt auswirkten (oben in Randnr. 231 angeführtes Urteil ADM, Randnr. 159), doch ist die Bezugnahme auf ihre Häufigkeit in der angefochtenen Entscheidung nur ein zweitrangiger Bestandteil der Argumentation der Kommission, von dem die Rechtmäßigkeit der Beurteilung der Schwere des Verstoßes nicht abhängen kann.

301 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Feststellung, wonach das Kartell umgesetzt wurde, durch das Parteivorbringen nicht entkräftet worden ist.

302 Drittens belegt das von den Banken vorgelegte Gutachten nicht, dass die Kommission einen Fehler beging, als sie aus der Umsetzung der Vereinbarungen schloss, dass diese sich konkret auf den Markt ausgewirkt hatten. Der Gutachter hat anhand eines Vergleichs zwischen dem österreichischen und dem deutschen Bankenmarkt festgestellt, dass die den Bankkunden in Österreich gewährten Konditionen nicht ungünstiger waren als die Konditionen auf dem deutschen Markt und dass die Rentabilität der österreichischen Banken niedriger war als die der deutschen Banken. Außerdem hat der Gutachter durch zwei Untersuchungen repräsentativer Bankprodukte ermittelt, dass kein messbarer Einfluss der in den Vereinbarungen festgelegten Zielzinssätze auf die von den Banken tatsächlichen angewandten Durchschnittssätze feststellbar war.

303 Der Gutachter hat somit den Gegenstand seiner Studie auf die Prüfung ganz bestimmter Fragen beschränkt; dagegen erstreckte sich seine Analyse nicht auf alle potenziellen Auswirkungen der Vereinbarungen auf den Markt. Aus diesem Grund vermag das Gutachten keinen Beleg für das Fehlen einer konkreten Auswirkung des Kartells auf den Markt zu liefern.

304 Die Kommission beging daher zum einen keinen Fehler, als sie die Ansicht vertrat, dass der Vergleich mit dem Markt eines anderen Mitgliedstaats nicht belegen könne, welche Konditionen auf dem österreichischen Markt ohne die Vereinbarungen gegolten hätten, und dass aus den Angaben zur Rentabilität der Banken nicht auf das Fehlen von Auswirkungen des Kartells geschlossen werden könne.

305 Zum anderen beweist die Tatsache, dass nach dem Gutachten statistisch keine spürbare Auswirkung des Kartells auf den Durchschnittspreis messbar war, nicht, dass die Vereinbarungen keine Auswirkung auf die bei der Beurteilung der Schwere des Verstoßes zu berücksichtigende Festsetzung der von den Kunden verlangten Transaktionspreise hatten.

306 Folglich sind die Rügen in Bezug auf die Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt insgesamt zu verwerfen.

4. Zum Umfang des betroffenen räumlichen Marktes

a) Vorbringen der Parteien

307 Mit Ausnahme der BA-CA (Rechtssache T-260/02) und der RLB (Rechtssache T-262/02) halten es alle Klägerinnen für unvereinbar mit den Leitlinien, der Entscheidungspraxis der Kommission und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Zuwiderhandlung trotz des geringen Umfangs des betroffenen räumlichen Marktes als "sehr schwer" eingestuft wurde. Ferner sind die RZB, die BAWAG und die PSK (Rechtssachen T-259/02, T-261/02 und T-263/02) der Ansicht, dass die Begründung der angefochtenen Entscheidung insoweit nicht ausreiche. Die RZB erklärt jedoch, sich nicht auf die Unzulänglichkeit der Begründung berufen zu wollen, und fordert das Gericht auf, die angefochtene Entscheidung inhaltlich zu überprüfen.

b) Würdigung durch das Gericht

308 Randnummer 511 der angefochtenen Entscheidung lautet:

"Angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles sowie des Kontexts der Zuwiderhandlung vermag die vergleichsweise geringe Größe des Staatsgebiets Österreichs an der Qualität des besonders schweren Verstoßes nichts zu ändern."

309 In Verbindung mit den Randnummern 506 bis 510 der angefochtenen Entscheidung, die die Natur des Verstoßes sowie die Umsetzung des Kartells und dessen Auswirkungen betreffen, ist diese kurze Begründung hinreichend klar, um den Banken das Verständnis der Gründe zu ermöglichen, aufgrund deren die Kommission der Ansicht war, dass die Zuwiderhandlung trotz des begrenzten Umfangs des Marktes als "besonders schwer" einzustufen sei.

310 Was die Stichhaltigkeit dieser Beurteilung angeht, so belegt Randnummer 511, dass die Kommission den begrenzten Umfang des betroffenen räumlichen Marktes weder verkannt noch unberücksichtigt gelassen hat.

311 Außerdem ist der Umfang des räumlichen Marktes nach den Leitlinien nur eines von drei Kriterien für die Gesamtbeurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung. Bei diesen miteinander verflochtenen Kriterien spielt die Art des Verstoßes die wichtigste Rolle (siehe oben, Randnrn. 240 und 241). Dagegen ist der Umfang des räumlichen Marktes kein eigenständiges Kriterium in dem Sinn, dass nur Zuwiderhandlungen, die die Mehrzahl der Mitgliedstaaten betreffen, als "besonders schwer" eingestuft werden könnten. Weder der Vertrag noch die Verordnung Nr. 17, die Leitlinien oder die Rechtsprechung gestatten die Annahme, dass nur räumlich sehr ausgedehnte Beschränkungen so eingestuft werden können (Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005 in der Rechtssache T-241/01, Scandinavian Airlines System/Kommission, Slg. 2005, II-00000, Randnr. 87). Daher greift das Argument der BAWAG und der PSK nicht durch, dass nur Zuwiderhandlungen, an denen fast alle Unternehmen auf dem europäischen Markt teilgenommen hätten, als besonders schwer eingestuft werden könnten (siehe oben, Randnrn. 242 und 250).

312 Schließlich stellt das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, auch wenn es im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten relativ "klein" ist, jedenfalls einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes dar (oben in Randnr. 173 angeführtes Urteil Michelin/Kommission, Randnr. 28, für den niederländischen Markt, und oben in Randnr. 240 angeführtes Urteil Brasserie nationale u. a./Kommission, Randnr. 177, für den luxemburgischen Markt). In diesem Kontext greift das Vorbringen der BAWAG, die Vereinbarungen, an denen sie teilgenommen habe, hätten sich nur auf Wien und den östlichen Teil Österreichs erstreckt, nicht durch, weil die Schwere der gesamten Zuwiderhandlung zu beurteilen ist, die nicht vom tatsächlichen Verhalten eines bestimmten Unternehmens abhängt (vgl. in diesem Sinn das oben in Randnr. 285 angeführte Urteil Hercules Chemicals/Kommission, Randnr. 342). Das Gesamtkartell erstreckte sich aber unstreitig auf ganz Österreich.

313 Der begrenzte Umfang des betroffenen räumlichen Marktes steht somit der Einstufung der hier festgestellten Zuwiderhandlung als "besonders schwer" nicht entgegen.

5. Zur Selektivität der Verfolgungsmaßnahmen (Rechtssache T-259/02)

314 Die RZB macht ferner geltend, die Einstufung der Zuwiderhandlung als "besonders schwer" sei unvereinbar mit der Entscheidung der Kommission, nur einige der an ihr beteiligten Unternehmen zu verfolgen.

315 Dieses Argument greift nicht durch. Da die Kommission zulässigerweise als Kriterium für die Auswahl der Adressaten der Entscheidung ihre häufige Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden herangezogen hat (siehe oben, Randnrn. 134 bis 145), steht die Tatsache, dass sie nicht gegen alle Mitglieder des Kartells vorging, der von ihr vorgenommenen Einstufung der hier in Rede stehenden Zuwiderhandlung in Form eines Preiskartells als "besonders schwer" nicht entgegen.

6. Ergebnis hinsichtlich der Schwere der Zuwiderhandlung

316 Aus den oben genannten Gründen sind sämtliche Rügen der Klägerinnen in Bezug auf die Einstufung der Zuwiderhandlung als "besonders schwer" in der angefochtenen Entscheidung zu verwerfen.

C - Zur Einteilung der Adressaten der angefochtenen Entscheidung in Kategorien und zur Festsetzung der Ausgangsbeträge

317 Wie aus den Randnummern 519 und 520 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, hat die Kommission die Adressaten der angefochtenen Entscheidung anhand der verfügbaren Angaben über ihre Marktanteile in fünf Kategorien eingeteilt, für die sie Ausgangsbeträge von 25, 12,5, 6,25, 3,13 und 1,25 Millionen Euro festgesetzt hat. In ihren Klagebeantwortungen hat die Kommission ausgeführt, dass die Orientierungswerte bei den Marktanteilen für die ersten vier Kategorien von Unternehmen ca. 22 %, 11 %, 5,5 % und 2,75 % betragen hätten, während in die (von ihr als "Auffangkategorie" bezeichnete) fünfte Kategorie Banken mit einem Marktanteil von weniger als 1 % aufgenommen worden seien.

318 Die Klägerinnen tragen eine Reihe von Rügen gegen verschiedene Aspekte der Ermittlung ihrer Marktanteile, der Einteilung in Kategorien und der Festsetzung der Ausgangsbeträge vor. Erstens macht die Erste Bank (Rechtssache T-264/02) geltend, es sei rechtswidrig, dass die Kommission ihr die Zuwiderhandlung einer Bank (GiroCredit) zugerechnet habe, mit der sie fusioniert habe, die aber zuvor zur BA-CA-Gruppe gehört habe (siehe unten, Randnrn. 319 ff.). Zweitens wenden sich die RZB (Rechtssache T-259/02), die Erste Bank und die ÖVAG (Rechtssache T-271/02) dagegen, dass die Kommission ihnen in ihrer Eigenschaft als Zentralinstitute der dezentralisierten Sektoren der Raiffeisenbanken, der Sparkassen und der Volksbanken die Marktanteile ihrer jeweiligen Sektoren bei der Einteilung in Kategorien zugerechnet hat (siehe unten, Randnrn. 337 ff.). Drittens werfen mehrere Klägerinnen der Kommission vor, die Begründungspflicht in Bezug auf die Einteilung in Kategorien und die Festsetzung der Ausgangsbeträge verletzt zu haben (siehe unten, Randnrn. 410 ff.). Viertens rügen die BAWAG, die PSK und die NÖ-Hypo (Rechtssachen T-261/02, T-263/02 und T-271/02) einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (siehe unten, Randnrn. 418 ff.), während fünftens die PSK, die Erste Bank und die ÖVAG vortragen, dass die Feststellungen der Kommission zu ihren Marktanteilen falsch seien (siehe unten, Randnrn. 432 ff.).

1. Zu der Tatsache, dass der Ersten Bank die Zuwiderhandlung der GiroCredit zugerechnet wurde (Rechtssache T-264/02)

a) Diesem Klagegrund zugrunde liegender Sachverhalt und angefochtene Entscheidung

319 Die Erste Bank übernahm im Mai 1997 (unter ihrem damaligen Namen EÖ) 53 % der Anteile an der GiroCredit, die das Spitzeninstitut der Sparkassen war. Von 1994 bis zur Übernahme der Anteile durch die EÖ waren die Aktien der GiroCredit mehrheitlich im Besitz der Bank-Austria-Gruppe (siehe oben, Randnrn. 7 und 11). Im Oktober 1997 schlossen sich die GiroCredit und die EÖ zusammen, wobei der Name der EÖ in "Erste Bank" geändert wurde.

320 Die Kommission hat in den Randnummern 475 bis 481 der angefochtenen Entscheidung geprüft, ob die von der GiroCredit begangene Zuwiderhandlung der Ersten Bank oder der BA zuzurechnen war. Sie war der Ansicht, dass es keinen Hinweis auf eine Einflussnahme der BA auf die Geschäftspolitik der GiroCredit vor deren Übernahme durch die Erste Bank gebe. Sie kam daher zu dem Ergebnis, dass die GiroCredit selbst für die Zuwiderhandlung verantwortlich sei und dass diese Verantwortung im Zuge der Verschmelzung auf die Erste Bank übergegangen sei.

b) Vorbringen der Parteien

321 Die Erste Bank ist der Auffassung, das rechtswidrige Verhalten der GiroCredit in der Zeit vor deren Erwerb sei der BA und nicht ihr selbst zuzurechnen. Sie macht unter Vorlage mehrerer Beweismittel geltend, dass die Voraussetzungen, unter denen die Verantwortung für das Verhalten einer Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft auferlegt werden könne, im Verhältnis zwischen der BA und der GiroCredit erfüllt seien.

322 Die Kommission trägt vor, das Vorliegen der Voraussetzungen, um der BA die Zuwiderhandlung der GiroCredit zuzurechnen, sei nicht erwiesen. Es stehe ihr jedenfalls frei, die Sanktion gegen die Muttergesellschaft oder die Tochtergesellschaft zu verhängen, auch wenn die Voraussetzungen erfüllt seien, unter denen der Muttergesellschaft das Verhalten der Tochtergesellschaft zugerechnet werden könne.

c) Würdigung durch das Gericht

323 Im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes ist erstens zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen der Erwerber eines Unternehmens für die von diesem Unternehmen vor dem Erwerb begangenen Zuwiderhandlungen verantwortlich ist, im vorliegenden Fall erfüllt sind, und zweitens, welche Auswirkung es auf die Verantwortlichkeit des Erwerbers hat, dass das erworbene Unternehmen zuvor von einer anderen Muttergesellschaft kontrolliert wurde.

324 Nach ständiger Rechtsprechung muss grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, die das fragliche Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, für diese einstehen, auch wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergeht, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird, eine andere Person für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist (oben in Randnr. 286 angeführtes Urteil Cascades/Kommission, Randnr. 78). Solange die juristische Person, die das Unternehmen während der Zuwiderhandlung leitete, besteht, haftet ihr die Verantwortung für das rechtswidrige Verhalten des Unternehmens an, selbst wenn die materiellen und personellen Faktoren, die an der Begehung der Zuwiderhandlung beteiligt waren, später auf Dritte übergingen (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373, Randnr. 63, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-297/98 P, SCA Holding/Kommission, Slg. 2000, I-10101, Randnr. 25).

325 Dagegen ist, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Zuwiderhandlung und dem Zeitpunkt, zu dem das betreffende Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden soll, die für den Betrieb dieses Unternehmens verantwortliche Person aufgehört hat, rechtlich zu existieren, zunächst die Gesamtheit der materiellen und personellen Faktoren festzustellen, die an der Zuwiderhandlung beteiligt waren, um sodann zu ermitteln, wem die Verantwortung für den Betrieb dieser Gesamtheit übertragen worden ist, damit sich das Unternehmen seiner Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung nicht deshalb entziehen kann, weil die zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung für seinen Betrieb verantwortliche Person nicht mehr besteht (oben in Randnr. 285 angeführtes Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 953).

326 Hat das fragliche Unternehmen zu existieren aufgehört, weil es von einem Erwerber übernommen wurde, so gehen auf diesen die Aktiva und Passiva einschließlich der Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen das Gemeinschaftsrecht über (Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache C-286/98 P, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000, Slg. 2000, I-9925, I-9928, Nr. 75). In diesem Fall kann die Verantwortung für die von dem übernommenen Unternehmen begangene Zuwiderhandlung dem Erwerber zugerechnet werden (vgl. analog dazu das oben in Randnr. 189 angeführte Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 145).

327 Im vorliegenden Fall war vor der Verschmelzung mit der EÖ die "GiroCredit Bank der österreichischen Sparkassen AG" die für die Bankgeschäfte der GiroCredit verantwortliche juristische Person. Nach dem Erwerb durch die EÖ im Mai 1997 hörte diese juristische Person im Oktober 1997 aufgrund ihrer Verschmelzung mit der später in Erste Bank umbenannten EÖ zu existieren auf.

328 Nach den oben dargelegten Grundsätzen muss somit die Erste Bank für die von der GiroCredit vor deren Erwerb durch die EÖ begangene Zuwiderhandlung einstehen.

329 Sodann ist zu prüfen, ob diese Verantwortung des Erwerbers dann entfällt, wenn die Verantwortung für eine von dem übernommenen Unternehmen vor dem Erwerb begangene Zuwiderhandlung einer früheren Muttergesellschaft dieses Unternehmens auferlegt werden kann.

330 Insoweit ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das Verhalten einer Tochtergesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit der Muttergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden kann, wenn die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnrn. 132 und 133, vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-294/98 P, Metsä-Serla u. a./Kommission, Slg. 2000, I-10065, Randnr. 27, und vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-196/99 P, Aristrain/Kommission, Slg. 2003, I-11005, Randnr. 96; oben in Randnr. 285 angeführtes Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Randnr. 960), oder wenn die Muttergesellschaft, die die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft maßgebend zu beeinflussen vermag, deren Kartellteilnahme kennt und billigt (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-309/94, KNP BT/Kommission, Slg. 1998, II-1007, Randnrn. 41, 42, 45, 47 und 48, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-248/98 P, KNP BT/Kommission, Slg. I-9641, Randnr. 73).

331 Diese Möglichkeit, der Muttergesellschaft die Sanktion für das rechtswidrige Verhalten der Tochtergesellschaft aufzuerlegen, steht jedoch der Verhängung einer Sanktion gegen die Tochtergesellschaft selbst nicht entgegen. Ein Unternehmen - d. h. eine aus persönlichen, materiellen und immateriellen Elementen bestehende wirtschaftliche Einheit (Urteil des Gerichtshofes vom 13. Juli 1962 in der Rechtssache 19/61, Mannesmann/Hohe Behörde, Slg. 1962, 719, 750) - wird nämlich von den nach seiner Rechtsform vorgesehenen Organen geleitet, und alle Entscheidungen, mit denen ihm eine Geldbuße auferlegt wird, können an die satzungsgemäße Leitung des Unternehmens (Verwaltungsrat, Vorstand, Präsident, Geschäftsführer usw.) gerichtet werden, auch wenn die finanziellen Auswirkungen letztlich von seinen Eigentümern getragen werden. Gegen diesen Grundsatz würde verstoßen, wenn von der Kommission verlangt würde, bei einem rechtswidrigen Verhalten eines Unternehmens stets zu prüfen, wer der Eigentümer ist, der maßgebenden Einfluss auf das Unternehmen ausübt, und wenn sie nur gegen diesen Eigentümer eine Sanktion verhängen dürfte (Urteil des Gerichts vom 29. April 2004 in den Rechtssachen T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Tokai Carbon u. a./Kommission, Slg. 2004, II-1181, im Folgenden: Urteil Tokai I, Randnrn. 279 bis 281). Die Befugnis, gegen die Muttergesellschaft eine Sanktion wegen des Verhaltens einer Tochtergesellschaft zu verhängen, wirkt sich daher nicht auf die Rechtmäßigkeit einer allein an die an der Zuwiderhandlung beteiligte Tochtergesellschaft gerichteten Entscheidung aus, weil die Kommission die Wahl hat, die Sanktion entweder der an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft aufzuerlegen, die sie im fraglichen Zeitraum kontrollierte.

332 Diese Wahl hat die Kommission auch im Fall einer wirtschaftlichen Nachfolge in der Kontrolle über die Tochtergesellschaft. In diesem Fall kann die Kommission zwar das Verhalten der Tochtergesellschaft für die Zeit vor dem Übergang der alten Muttergesellschaft und für die Zeit danach der neuen Muttergesellschaft zurechnen (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 330 angeführte Urteil KNP BT/Kommission vom 16. November 2000, Randnr. 73), doch ist sie dazu nicht verpflichtet und kann sich dafür entscheiden, nur die Tochtergesellschaft wegen ihres eigenen Verhaltens mit einer Sanktion zu belegen.

333 Zwar ist die Verantwortlichkeit für die Begehung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht angesichts von deren Art sowie der Art und Schwere der daran anknüpfenden Sanktionen persönlicher Natur (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, Randnr. 78), und eine natürliche oder juristische Person darf nur für ihr individuell zur Last gelegte Handlungen mit Sanktionen belegt werden (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T-45/98 und T-47/98, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II-3757, im Folgenden: Urteil KTS, Randnr. 63 und oben in Randnr. 231 angeführtes Urteil ADM, Randnr. 261). Nach diesem Grundsatz darf die Kommission dem Erwerber einer Gesellschaft die Verantwortung für deren Verhalten vor ihrem Erwerb nicht auferlegen, weil das Unternehmen selbst sie tragen muss, sofern es noch existiert (vgl. in diesem Sinne das oben in Randnr. 330 angeführte Urteil KNP BT/Kommission vom 16. November 2000, Randnr. 72, und das oben in Randnr. 286 angeführte Urteil Cascades/Kommission, Randnrn. 77 bis 80).

334 Dagegen ist es mit diesem Grundsatz vereinbar, der Tochtergesellschaft die Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zuzurechnen, auch wenn dies für den Fall, dass die Tochtergesellschaft ihre Rechtspersönlichkeit nach der Zuwiderhandlung verloren hat, zur Folge hat, dass die Sanktion dem Erwerber auferlegt wird, der nichts mit der Zuwiderhandlung zu tun hatte.

335 Hat nämlich die Kommission die Beteiligung eines Unternehmens an einem Kartell nachgewiesen, so ist sie berechtigt, gegen die das Unternehmen leitende natürliche oder juristische Person oder auch, wenn diese nicht mehr existiert, gegen ihre Rechtsnachfolgerin eine Geldbuße festzusetzen, ohne dass sie prüfen müsste, ob das Unternehmen eigenständig gehandelt oder Anweisungen einer Muttergesellschaft befolgt hat. Andernfalls würden die Ermittlungen der Kommission erheblich durch das Erfordernis erschwert, bei jedem Fall der Nachfolge in der Kontrolle über ein Unternehmen zu prüfen, inwieweit dessen Handlungen der ehemaligen Muttergesellschaft zurechnet werden können.

336 Aus dem Vorstehenden folgt - ohne dass geprüft zu werden brauchte, ob der BA das Verhalten der GiroCredit hätte zugerechnet werden können -, dass die Kommission keinen Rechtsfehler begangen hat, als sie der Ersten Bank in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der GiroCredit dieses Verhalten zurechnete.

2. Zu der Tatsache, dass die Marktanteile der Banken der dezentralisierten Sektoren den Zentralinstituten zugerechnet wurden (Rechtssachen T-259/02, T-264/02 und T-271/02)

337 Die RZB, die Erste Bank und die ÖVAG sind der Ansicht, dass ihre Kategorieeinteilung rechtswidrig sei, weil die Kommission ihnen als Spitzeninstituten der dezentralisierten Sektoren der Raiffeisenbanken, der Sparkassen und der Volksbanken die gesamten Marktanteile des jeweiligen Sektors zugerechnet habe.

a) Angefochtene Entscheidung

338 In der angefochtenen Entscheidung wird mit folgenden Erwägungen gerechtfertigt, dass den Zentralinstituten die Marktanteile der jeweiligen Sektoren zugerechnet wurden:

"(515) Innerhalb der hier als besonders schwer eingestuften Zuwiderhandlungen ermöglicht die Skala der festzusetzenden Geldbußen eine Differenzierung nach [der] tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der betroffenen Unternehmen, den Wettbewerb in erheblichem Umfang zu schädigen. Die Skala macht es auch möglich, die Geldbuße auf eine Höhe festzusetzen, die eine hinreichend abschreckende Wirkung gewährleistet. Ein solches differenziertes Vorgehen ist im vorliegenden Fall besonders angezeigt, weil ein erhebliches Ungleichgewicht in der Größe der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen bzw. Gruppen besteht.

(516) Im vorliegenden Fall sind die Besonderheiten des österreichischen Bankenmarktes zu berücksichtigen. Es wäre in der Tat realitätsfern, die Bedeutung von Erste [Bank], RZB und ÖVAG im Rahmen des Netzwerks sowie deren tatsächliche Fähigkeit, den Wettbewerb zu Lasten der Verbraucher zu beschränken, auf ihre jeweils eigene geschäftliche Tätigkeit als Geschäftsbank zu reduzieren.

(517) Aus der Ermittlungsakte ergibt sich vielmehr eindrucksvoll, dass diese Unternehmen - ihrer Rolle als Spitzeninstitut der jeweiligen Gruppe entsprechend - im Wege intensiver gruppeninterner Informationsflüsse wesentlich zur Wirksamkeit des Netzwerks in ganz Österreich beitrugen. Diese Institute vertraten nicht bloß ihre eigenen Interessen, sondern auch jene ihrer jeweiligen Gruppe, und wurden in diesem Sinne von den anderen Kartellteilnehmern als Vertreter der jeweiligen Gruppe wahrgenommen. Die Absprachen fanden daher nicht bloß zwischen den einzelnen Instituten selbst, sondern auch zwischen den Gruppen statt.

(518) Die hinter den Spitzeninstituten stehenden Gruppen - Sparkassengruppe, Raiffeisengruppe und Volksbankengruppe - zu ignorieren, würde daher zu einer unsachgemäßen und von der wirtschaftlichen Realität abgekoppelten Bemessung der Geldbuße - ohne Abschreckungswirkung - führen. In der Tat ist eine ausreichende Abschreckungswirkung nur dann gegeben, wenn die betroffenen Spitzeninstitute in Zukunft nicht mehr als Vertreter ihrer jeweiligen Gruppe an Kartellverhaltensweisen teilnehmen."

b) Vorbringen der Parteien

Argumente der Klägerinnen

339 Die Klägerinnen machen erstens geltend, die Kommission habe ihre Verteidigungsrechte und die Begründungspflicht verletzt. Zweitens tragen sie vor, die Kommission habe in rechtlicher Hinsicht die Voraussetzungen falsch beurteilt, unter denen es zulässig sei, bei der Bußgeldbemessung einem Unternehmen die Marktanteile eines anderen Unternehmens zuzurechnen. Drittens wenden sich die Klägerinnen gegen die tatsächlichen Feststellungen, auf die sich die Kommission zur Rechtfertigung der Zurechnung der Marktanteile gestützt hat, und gegen die Würdigung dieses Sachverhalts.

- Zu den Verteidigungsrechten und zur Begründung

340 Die Erste Bank wirft der Kommission vor, ihre Verteidigungsrechte verletzt zu haben, weil in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht angekündigt worden sei, dass die Kommission den Zentralinstituten die Marktanteile ihrer Gruppe zurechnen wolle. Ferner machen die Erste Bank und die ÖVAG geltend, dass weder die angebliche Informationsweiterleitung an die dezentralisierten Banken noch deren angebliche Vertretung durch die Spitzeninstitute in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt werde.

341 Außerdem ist die Erste Bank der Ansicht, dass die Kommission in Bezug auf die Zurechnung der Marktanteile die Begründungspflicht verletzt habe.

- Zu den Voraussetzungen für eine Zurechnung der Marktanteile

342 Die RZB und die Erste Bank führen aus, wenn den Zentralinstituten die Marktanteile der Banken ihres Sektors zugerechnet würden, liefe dies darauf hinaus, ihnen das Verhalten all dieser Banken zuzurechnen. Diese Zurechnung entbehre der Rechtsgrundlage und stehe im Widerspruch zur persönlichen Natur der Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht, weil die Sektoren nicht als wirtschaftliche Einheiten angesehen werden könnten. Die Kommission versuche damit, von ihrer Entscheidung abzurücken, selektiv nur einen Teil der an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen zu verfolgen, und das Verhalten der den drei genannten Sektoren angehörenden Unternehmen zu ahnden, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen.

343 Die RZB fügt hinzu, die Vorgehensweise der Kommission sei inkonsequent, weil sie gegen die RLB, die auch zur Raiffeisengruppe gehöre, eine Geldbuße verhängt habe. Ebenso macht die Erste Bank im Rahmen ihres Vorbringens zur falschen Ermittlung der Marktanteile der Sparkassengruppe (siehe unten, Randnr. 440) geltend, der Marktanteil der EÖ sei doppelt berücksichtigt worden, weil gegen sie eine individuelle Geldbuße verhängt worden sei, obwohl sie vor ihrer Verschmelzung mit dem Zentralinstitut GiroCredit, aus der sie hervorgegangen sei (siehe oben, Randnr. 319), zu den dezentralisierten Banken der Sparkassengruppe gehört habe. Werde das Verhalten der Sparkassen dem Zentralinstitut zugerechnet, so führe dies zu unbilligen Ergebnissen, weil sie weder rechtlich noch faktisch die Möglichkeit habe, die Geldbuße auf die rechtlich selbständigen Sparkassen zu verteilen.

344 Nach Ansicht der Klägerinnen kann weder die "tatsächliche Fähigkeit" der Unternehmen zur Schädigung der Verbraucher noch das Erfordernis einer hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbuße diese Zurechnung rechtfertigen. In diesem Zusammenhang werfen die ÖVAG und die Erste Bank der Kommission vor, den Grundsatz der Gleichbehandlung der großen zentralisierten Banken mit den dezentralisierten Sektoren nicht beachtet zu haben. Die ÖVAG fügt hinzu, die Kommission habe, indem sie die Marktanteile der Sektoren den Spitzeninstituten zugerechnet habe, diese zu Unrecht den großen Geschäftsbanken gleichgestellt, die über ein den Weisungen des Hauptsitzes unterliegendes Filialnetz verfügten. Außerdem rügt sie, dass die Kommission es zu Unrecht unterlassen habe, eine ähnliche wie die den dezentralisierten Sektoren zur Last gelegte Informationsübermittlung zwischen der BA-CA und bestimmten Banken, an denen diese erhebliche Beteiligungen halte, zu berücksichtigen.

345 Die RZB und die Erste Bank berufen sich ferner auf die für Unternehmensvereinigungen geltenden Regeln, die es im vorliegenden Fall ausschlössen, den Spitzeninstituten die Marktanteile ihrer Sektoren zuzurechnen. Sie führen erstens das Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1997 in den Rechtssachen T-213/95 und T-18/96 (SCK und FNK/Kommission, Slg. 1997, II-1739, Randnr. 254) an; danach sei es ausgeschlossen, den Spitzeninstituten die Wirtschaftskraft der Sektoren zuzurechnen, weil sie keine Unternehmensvereinigungen, sondern Unternehmen seien. Zweitens machen sie geltend, es sei ausgeschlossen, die Marktanteile der dezentralisierten Banken den Spitzeninstituten zuzurechnen, weil Letztere keine Möglichkeit hätten, die Banken ihres Sektors zu verpflichten, während nach der Rechtsprechung die Fähigkeit einer Vereinigung, ihre Mitglieder zu verpflichten, Voraussetzung für die Zurechnung von deren Marktanteilen sei. Drittens sei eine solche Zurechnung unvereinbar mit der Nachrangigkeit der Haftung von Unternehmensvereinigungen gemäß Nummer 5 Buchstabe c der Leitlinien. Es sei im vorliegenden Fall ohne weiteres möglich, das Zuwiderhandlungsverfahren gegen die dezentralisierten Banken einzuleiten und ihnen geeignete Sanktionen aufzuerlegen.

- Zu den tatsächlichen Feststellungen und ihrer Würdigung

346 Die Klägerinnen werfen der Kommission erstens vor, die rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der dezentralisierten Banken außer Acht gelassen zu haben, wobei sie betonen, dass sie den Instituten ihres Sektors keine Weisungen erteilen könnten. In ihren Antworten auf Fragen des Gerichts heben sie insbesondere das Fehlen jeder "faktischen" Möglichkeit zur Beeinflussung des Wettbewerbsverhaltens der dezentralisierten Banken hervor.

347 Die RZB führt hierzu aus, die Raiffeisengruppe weise eine "Bottom up"-Struktur auf, wobei die lokalen (oder "primären") Raiffeisenbanken Genossenschafter der regionalen (oder "sekundären") Raiffeisen-Landesbanken seien, die wiederum rund 80 % der Anteile an der RZB hielten. Die RZB und die Raiffeisen-Landesbanken nähmen lediglich gewisse "Servicefunktionen" gegenüber den Banken auf der Primär- oder Sekundärstufe wahr. Die RZB halte keinerlei Beteiligung an deren Kapital und unterscheide sich dadurch von den Spitzeninstituten der anderen dezentralisierten Sektoren. Sie sei allenfalls das Instrument der Primärbanken und der Raiffeisen-Landesbanken; umgekehrt unterlägen diese nicht ihren Weisungen. Die genossenschaftliche Organisation des Sektors schließe es aus, ihr das Verhalten der Primärbanken zuzurechnen, woran auch das in Teilbereichen gemeinsame Erscheinungsbild nichts ändern könne. Das Fehlen hierarchischer Strukturen habe die notorische "Disziplinlosigkeit" der Raiffeisengruppe bei der Umsetzung der Empfehlungen der Bankenrunden bedingt, die den anderen Banken regelmäßig Grund zur Klage gegeben habe. Es liege im Wesen der Raiffeisenstruktur, dass die einzelnen auf ihre Selbständigkeit bedachten Raiffeisenbanken die RZB nur unvollständig über beabsichtigte Konditionen informiert oder gar vorab angekündigt hätten, ihre Konditionen im "Alleingang" festzusetzen.

348 Die Erste Bank stellt zunächst ihre Beteiligungen an bestimmten Sparkassen dar. Unter Berücksichtigung des geringen Umfangs dieser Beteiligungen sei es ausgeschlossen, dass die Sparkassengruppe eine wirtschaftliche Einheit bilde, die es rechtfertigen könnte, das Verhalten der Sparkassen dem Zentralinstitut zuzurechnen. Die Rechtsvorschriften für den Sparkassensektor und die Satzung des Zentralinstituts zielten darauf ab, kleinen Kreditinstituten des dezentralisierten Sektors die Ausführung des Bankgeschäfts zu ermöglichen oder zu erleichtern; sie bezögen sich auf Funktionen, die diese Institute wegen ihrer geringen Größe und mangelnden Ressourcen nicht allein wahrnehmen könnten. Eine detaillierte Untersuchung dieser Bestimmungen ergebe, dass sie dem Zentralinstitute keinen Einfluss auf das Geschäftsgebaren der Sparkassen verliehen. Die Kommission habe unterschiedliche Maßstäbe angelegt, weil die Rechte und Pflichten, aufgrund deren sie der GiroCredit das Verhalten der Regionalsparkassen zugerechnet habe, bis Oktober 1997 in deutlich weiterem Umfang zwischen der GiroCredit und der BA bestanden hätten, die zudem die Mehrheit der Anteile an der GiroCredit besessen habe. Trotzdem habe die Kommission der BA das Verhalten der GiroCredit nicht zugerechnet. Auch tatsächlich sei das Geschäftsgebaren der Sparkassen vom Spitzeninstitut unabhängig gewesen. Es obliege der Kommission, den Beweis dafür zu erbringen, dass die Erste Bank/GiroCredit das Geschäftsgebaren der Sparkassen tatsächlich kontrolliert habe; dieser Nachweis werde in der Entscheidung nicht geführt. Gleichwohl trägt die Erste Bank folgende Argumente vor, um die Unabhängigkeit des Geschäftsgebarens der Sparkassen zu belegen:

- Die Selbständigkeit der Sparkassen gegenüber dem Spitzeninstitut werde durch das österreichische Sparkassengesetz und das Aktiengesetz gesichert.

- Wenn das Spitzeninstitut das Recht besessen hätte, beherrschenden Einfluss auf das Verhalten der Sparkassen auszuüben, hätten die Sondervorschriften des Artikels 30 BWG Anwendung finden müssen, was nicht geschehen sei.

- Die Sparkassen seien eher als das Spitzeninstitut in der Lage gewesen, sich bei der Festlegung ihrer Geschäftskonditionen an den regionalen und örtlichen Verhältnissen zu orientieren.

- Jede Sparkasse habe ihre eigene Geschäftspolitik verfolgt, und die Sparkassen hätten im Geschäftsverkehr mit ihren Kunden unterschiedliche Bankkonditionen festgelegt.

- Vor allem die Regionalsparkassen hätten im fraglichen Zeitraum untereinander und mit den Filialen des Spitzeninstituts auf zahlreichen lokalen Märkten in Wettbewerb gestanden.

349 Zweitens räumt die RZB hinsichtlich des Informationsaustauschs zwischen den Spitzeninstituten und den dezentralisierten Banken ein, dass ein solcher Austausch in ihrem Sektor stattfand, bestreitet aber, dass interne Informations- und Vertretungsmechanismen speziell zur Umsetzung der Absprachen eingerichtet wurden. Die Infrastruktur des Raiffeisensektors sei bei Beginn der Zuwiderhandlungen bereits vorhanden gewesen und habe schlicht der dreistufigen Struktur dieses Sektors entsprochen. Die Informationsweitergabe durch die RZB für die Umsetzung von Absprachen auf lokaler Ebene sei nicht von entscheidender Bedeutung gewesen, weil es unmittelbare "horizontale" Kontakte auf lokaler Ebene gegeben habe und die Raiffeisen-Landesbanken sich die Informationen über die Absprachen auch selbst hätten beschaffen können. Die Erste Bank und die ÖVAG tragen dagegen vor, dass die Existenz eines Informationstransfers zwischen dem Zentralinstitut und den dezentralisierten Instituten weder für die Sparkassen noch für die Volksbanken nachgewiesen worden sei.

350 Drittens wenden sich die RZB und die Erste Bank gegen die insbesondere in den Randnummern 61 und 517 der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen, wonach sie "Vertreter" ihres Sektors gewesen und/oder von den anderen Banken als solcher angesehen worden seien.

351 Die RZB betont, sie habe keinerlei Befugnis gehabt, bei den betreffenden Bankenrunden den gesamten Sektor zu verpflichten; dies sei den übrigen Teilnehmern an den Runden völlig klar gewesen. Sie habe auch kein Interesse daran gehabt, dass der gesamte Raiffeisensektor die Vereinbarungen umsetze, weil sie von vermeintlichen Mehrerlösen aus unerlaubten Absprachen aufgrund der Struktur des Sektors nicht profitiert hätte.

352 Die Erste Bank trägt vor, eine eingehende Analyse der in der angefochtenen Entscheidung, insbesondere in Randnummer 62, zitierten Schriftstücke ergebe, dass diese keinen Beweis für die Behauptung enthielten, dass sie (d. h. vor dem Zusammenschluss die GiroCredit) bei den Gesprächsrunden als Vertreterin des gesamten Sparkassensektors aufgetreten sei. In der Erwiderung fügt sie hinzu, auch aus der im Oktober 1999 erfolgten Anmeldung einer geplanten Vereinbarung innerhalb des Sparkassensektors, der zufolge das Spitzeninstitut auf "die Wahrung der Interessen der Sparkassen Bedacht zu nehmen hat", habe die Kommission nicht schließen können, dass sie bei den Gesprächsrunden die Interessen der Sparkassen vertreten habe. In der mündlichen Verhandlung hat sie ausgeführt, der Sparkassensektor sei von 1997 bis 1999 im Sinn einer Annäherung der Institute und ihrer Präsentation auf dem Markt tief greifend umgestaltet worden. Sie wendet sich ferner gegen die ihres Erachtens in Randnummer 61 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Behauptung, dass es auch innerhalb der Gruppe Vereinbarungen über Geschäftskonditionen gegeben habe.

353 Viertens macht die Erste Bank geltend, die Kommission könne die streitige Zurechnung nicht mit dem angeblichen Einfluss der Wiener Gesprächsrunden auf die Gesprächsrunden auf regionaler Ebene rechtfertigen. In der angefochtenen Entscheidung werde verkannt, dass die Erste Bank/GiroCredit in den Bundesländern zwar durch ihre eigene Filialen tätig gewesen sei, nicht aber mittels der selbständigen Regionalsparkassen. Sie bestreite nicht, dass sie selbst oder die GiroCredit an den Gesprächsrunden jener regionalen Standorte teilgenommen habe, an denen sie Filialen gehabt habe. Dies bedeute aber nicht, dass sie versucht habe, auf die Regionalsparkassen Einfluss zu nehmen, die an den gleichen Gesprächsrunden unabhängig von ihrem Spitzeninstitut teilgenommen hätten; sie habe die Regionalsparkassen in den Gesprächsrunden genauso behandelt wie die anderen anwesenden Banken.

Argumente der Kommission

354 Die Kommission macht vor allem geltend, es sei zu unterscheiden zwischen der Tatsache, dass einem Unternehmen die Zuwiderhandlung eines anderen Unternehmens zugerechnet werde, und der Einteilung der Unternehmen in Kategorien zur Ermittlung des Ausgangsbetrags der Geldbuße. Sie habe jedes Spitzeninstitut nur wegen seines eigenen Verhaltens mit einer Sanktion belegt, und zwar wegen seines Beitrags zum Gelingen des Kartells im gesamten österreichischen Hoheitsgebiet durch Übermittlung von Informationen, die für die Institute seines Sektors bestimmt gewesen seien oder von diesen gestammt hätten. Die Argumente, die sich auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Einheit und die für Unternehmensvereinigungen geltenden Regeln stützten, seien daher irrelevant. Die Berücksichtigung der Marktanteile sei angesichts der Leitlinien aufgrund des Erfordernisses gerechtfertigt, der tatsächlichen Fähigkeit der Spitzeninstitute zur Schädigung des Wettbewerbs Rechnung zu tragen. Schließlich bildeten die Spitzeninstitute mit ihren Gruppen Einheiten, die analog zu den wirtschaftlichen Einheiten eine gemeinsame wirtschaftliche Tätigkeit ausübten.

c) Würdigung durch das Gericht

Vorbemerkungen

355 Einleitend ist daran zu erinnern, dass den Zentralinstituten die Marktanteile der Banken ihres Sektors im Rahmen der Einteilung der Adressaten der angefochtenen Entscheidung in Kategorien zugerechnet wurden. Durch die Inanspruchnahme dieser in Nummer 1 Teil A Absatz 6 der Leitlinien vorgesehenen Möglichkeit wollte die Kommission der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit dieser Institute zur Verfälschung des Wettbewerbs sowie dem jeweiligen Gewicht und damit der tatsächlichen Auswirkung ihrer Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb Rechnung tragen.

356 Insoweit vermag die These der Klägerinnen nicht durchzudringen, dass ihnen in der angefochtenen Entscheidung durch die Zurechnung der Marktanteile der Banken ihres Sektors deren Zuwiderhandlung zugerechnet worden sei. In der angefochtenen Entscheidung beruht die Zurechnung der Marktanteile nämlich nicht auf konkreten Feststellungen zur tatsächlichen Beteiligung der dezentralisierten Banken an der Zuwiderhandlung. Wie aus den Randnummern 516 bis 518 hervorgeht, hat sich die Kommission erstens auf die Berücksichtigung der Besonderheiten des österreichischen Bankenmarktes gestützt, der ihres Erachtens dadurch gekennzeichnet ist, dass die Bedeutung der Zentralinstitute im Rahmen ihrer Netzwerke und die tatsächliche Fähigkeit dieser Institute zur Verfälschung des Wettbewerbs wichtiger sind als ihre jeweiligen Tätigkeiten als Geschäftsbanken. Zweitens hat die Kommission auf die Rolle der Spitzeninstitute Bezug genommen, zum einen innerhalb der Sektoren bei der Umsetzung der Vereinbarungen, insbesondere durch den Austausch von Informationen, und zum anderen als Vertreter der Sektoren im Kartell. Damit hat die Kommission die Spitzeninstitute wegen ihres eigenen Verhaltens zur Rechenschaft gezogen, dessen Schwere anhand der Art der begangenen Zuwiderhandlung - horizontale Preisabsprachen - und auch unter Berücksichtigung der Tatsache ermittelt wurde, dass der Bankensektor Dienstleistungen von überragender Bedeutung sowohl für Konsumenten als auch für Unternehmen - und damit für die gesamte Volkswirtschaft - anbietet (Randnrn. 506 und 507 der angefochtenen Entscheidung).

357 Alle Rügen der Klägerinnen, die auf der falschen Prämisse beruhen, dass die Kommission ihnen eine Zuwiderhandlung der Banken ihres Sektors zugerechnet habe, sind daher zu verwerfen.

358 Unstreitig ist auch, dass die von der Kommission gegen die Spitzeninstitute verhängten Geldbußen die in Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 festgelegte Obergrenze von 10 % ihres Umsatzes nicht übersteigen. Darüber hinaus steht fest, dass die Kommission die Spitzeninstitute nicht als Unternehmensvereinigungen eingestuft hat. Daher sind die Voraussetzungen, die nach der Rechtsprechung erfüllt sein müssen, damit einer Unternehmensvereinigung der Umsatz ihrer Mitglieder bei der Ermittlung der genannten Obergrenze zugerechnet werden kann, im vorliegenden Fall nicht relevant. Desgleichen greifen alle übrigen Rügen nich durch, mit denen die Nichteinhaltung der Voraussetzungen geltend gemacht wird, unter denen der Umsatz der Mitglieder einer Unternehmensvereinigung bei der Festsetzung einer gegen diese verhängten Geldbuße berücksichtigt werden darf.

359 Sodann sind, wie alle Parteien in ihren Antworten auf Fragen des Gerichts bestätigt haben, bei der Einteilung der Unternehmen in Kategorien nach Nummer 1 Teil A Absatz 6 der Leitlinien die objektiven oder strukturellen Eigenschaften der Unternehmen sowie die Situation auf dem betroffenen Markt zu berücksichtigen.

360 Zu diesen objektiven Umständen gehören nicht nur die Größe und die Marktmacht eines Unternehmens, wie sie sich in seinem Marktanteil oder seinem Umsatz widerspiegeln, sondern auch seine Verbindungen zu anderen Unternehmen, wenn diese die Marktstruktur beeinflussen können. Denn wie die Kommission in den Randnummern 516 und 518 der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, sind die tatsächliche Fähigkeit eines Unternehmens zur Herbeiführung eines erheblichen Schadens und die tatsächliche Auswirkung der von ihm begangenen Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität zu prüfen. Es ist daher legitim, wenn die Kommission im Hinblick auf die Leitlinien solche Beziehungen bei der Ermittlung der tatsächlichen wirtschaftlichen Fähigkeit der Mitglieder eines Kartells zur Herbeiführung eines Schadens und des jeweiligen Gewichts ihrer Zuwiderhandlung berücksichtigt.

361 In der Tat kann die Struktur des Marktes nicht nur beeinflusst werden, wenn Verbindungen, die zwischen Unternehmen bestehen, einem von ihnen eine Leitungsbefugnis oder die vollständige Kontrolle über das Wettbewerbsverhalten anderer Wirtschaftsteilnehmer verleihen, wie es bei wirtschaftlichen Einheiten der Fall ist. Die Marktmacht eines Unternehmens kann auch dann über seinen eigenen Marktanteil hinaus steigen, wenn es feste Beziehungen zu anderen Unternehmen unterhält, in deren Rahmen es informell einen faktischen Einfluss auf ihr Verhalten ausüben kann. Dies gilt auch dann, wenn die zwischen den Unternehmen bestehenden Verbindungen den Wettbewerb zwischen ihnen verringern oder beseitigen (vgl. analog dazu Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1978 in der Rechtssache 27/76, United Brands/Kommission, Slg. 1978, 207, Randnrn. 99 bis 103). Dass solche Verbindungen nicht die Feststellung einer wirtschaftlichen Einheit der betreffenden Unternehmen rechtfertigen können, bedeutet nicht, dass die Kommission sie außer Acht lassen und die Marktsituation so beurteilen müsste, als ob es diese Verbindungen nicht gäbe.

362 Dagegen sind das konkrete Verhalten der verschiedenen Mitglieder eines Kartells und ihr individueller Verschuldensgrad als solche für die Einteilung in Kategorien nicht maßgebend. Das Verhalten eines Unternehmens kann zwar einen Anhaltspunkt für die Art seiner Beziehungen zu anderen Unternehmen darstellen. Die Existenz spezieller Verhaltensweisen, wie die Durchführung eines Informationsaustauschs mit anderen Unternehmen oder ausdrückliche Stellungnahmen bei Kartelltreffen, die dazu dienten, ihre Interessen zu verteidigen oder sie zur Einhaltung der wettbewerbswidrigen Vereinbarungen zu verpflichten, ist aber weder unabdingbar noch für sich genommen ausreichend, um die Berücksichtigung der Marktanteile der anderen Unternehmen bei der Beurteilung der Marktmacht des erstgenannten Unternehmens zu rechtfertigen. Mangels fester Beziehungen zu den Unternehmen, mit denen die Informationen ausgetauscht oder deren Interessen vertreten werden, sind solche Verhaltensweisen für die Einteilung in Kategorien nicht ausschlaggebend, während sie gegebenenfalls bei der Würdigung erschwerender und mildernder Umstände gemäß den Nummern 2 und 3 der Leitlinien herangezogen werden können.

363 Die Argumentation, auf die die Kommission die Zurechnung der Marktanteile gestützt hat (siehe oben, Randnr. 356), ist unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen auszulegen.

364 Insoweit ist die Bezugnahme in den Randnummern 516 und 517 der angefochtenen Entscheidung auf die Rolle der Spitzeninstitute als Vertreter des jeweiligen Sektors und die Behauptung, dass es Absprachen zwischen den Gruppen gegeben habe, im Wesentlichen als Hinweis auf Elemente zu verstehen, die der Eigenschaft als Spitzeninstitut innewohnen - wie der Einfluss, den ein solches Institut aufgrund seiner Rolle auf die Mitglieder der Gruppe ausüben kann -, nicht aber auf konkrete Handlungen der Klägerinnen. Dies wird durch Randnummer 58 der angefochtenen Entscheidung bestätigt, die lautet:

"An dieser Stelle ist auf die besondere Rolle der Spitzeninstitute Erste [Bank] (davor GiroCredit), RZB und ÖVAG in Rahmen des Netzwerks einzugehen. Deren historisch gewachsene und seit langem eingespielte Rolle als Koordinator und Vertreter ihrer jeweiligen Bankengruppe am österreichischen Bankenmarkt wurde unmittelbar für das reibungslose Funktionieren des "Lombard-Netzwerks" nutzbar gemacht. Auf der einen Seite organisierten die Spitzeninstitute den wechselseitigen Informationstransfer zwischen Wien und den Bundesländern innerhalb der jeweiligen Bankengruppe, und zum anderen vertraten sie die Interessen ihrer Gruppe gegenüber den anderen Gruppen im Kartell."

365 Die Kommission hat sich außerdem auf objektive, die Marktstruktur betreffende Umstände gestützt, indem sie ausführte, dass es "besondere Bindungen" gebe, die der Sparkassengruppe "konzernähnliche Struktur verleihen" (Fußnote 21), und dass die lokalen Raiffeisenbanken, auch wenn sie keinen Weisungen der RZB oder der regionalen Banken unterlägen, "in einem eingeschränkten Wettbewerbsverhältnis zueinander" stünden (Fußnote 23).

366 In diesem Zusammenhang gehört der Hinweis auf bestimmte Verhaltensbestandteile zur Beschreibung der Rolle der Spitzeninstitute. So ist der in der angefochtenen Entscheidung angesprochene Informationsaustausch ein Indiz für die Rolle der Spitzeninstitute und ihre Stellung innerhalb der Gruppen, während sich der Begriff "Vertretung" nicht allein auf ein konkretes Verhalten bezieht, sondern auch in einem strukturellen Sinn verstanden werden kann.

367 Bei der Prüfung der Klagegründe der Zentralinstitute, mit denen diese die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen, weil ihnen die Marktanteile der Banken ihrer Sektoren zugerechnet wurden, muss das Gericht die vorstehenden Erwägungen sowie den Ermessensspielraum berücksichtigen, über den die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen verfügt (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59), und seine Kontrolle auf die Beachtung der Verfahrens- und Begründungsvorschriften sowie die inhaltliche Richtigkeit der Tatsachen, auf das Fehlen von Rechtsfehlern und offensichtlichen Beurteilungsfehlern und auf Ermessensmissbrauch beschränken. Über diese Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus hat das Gericht zu klären, ob Anlass besteht, von seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung der gegen die Zentralinstitute verhängten Geldbuße Gebrauch zu machen.

368 Somit ist erstens zu prüfen, ob in der angefochtenen Entscheidung die zu den Verfahrensregeln gehörenden Verteidigungsrechte beachtet wurden und ob sie eine ausreichende Begründung dafür enthält, dass den Zentralinstituten die Marktanteile der dezentralisierten Banken zugerechnet wurden. Zweitens ist die Rechtmäßigkeit der Argumentation, die die Kommission zu dieser Zurechnung veranlasste, im Hinblick auf die persönliche Natur der Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht zu prüfen. Drittens sind die Rügen der Klägerinnen zu analysieren, die auf die Nichteinhaltung der Leitlinien, einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Unvereinbarkeit des Vorgehens der Kommission mit dem oben in Randnummer 345 angeführten Urteil SCK und FNK/Kommission gestützt sind. Viertens schließlich sind die Rügen der Klägerinnen in Bezug auf die inhaltliche Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen, auf die sich die Kommission gestützt hat, sowie die Frage zu prüfen, ob angesichts der Rolle der Zentralinstitute die von der Kommission vorgenommene Zurechnung gerechtfertigt war.

Zu den Verteidigungsrechten und zur Begründung

369 Zunächst greift die Rüge nicht durch, dass die Kommission die Verteidigungsrechte der Klägerinnen dadurch verletzt habe, dass sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Absicht unerwähnt gelassen habe, die Marktanteile der dezentralisierten Sektoren den Zentralinstituten zuzurechnen. Bei der Bußgeldbemessung genügt es nach ständiger Rechtsprechung, dass die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich darauf hinweist, dass sie prüfen wird, ob gegen die betreffenden Unternehmen Geldbußen festzusetzen sind, und die für die etwaige Festsetzung einer Geldbuße wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte wie Schwere und Dauer der vermuteten Zuwiderhandlung sowie den Umstand anführt, ob sie vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde (oben in Randnr. 213 angeführtes Urteil MDF, Randnr. 21). Dagegen braucht die Kommission, wenn sie die tatsächlichen und rechtlichen Umstände angegeben hat, auf die sich ihre Berechnung der Geldbußen stützt, nicht zu erläutern, in welcher Weise sie jeden dieser Gesichtspunkte bei der Bemessung der Geldbuße heranziehen wird. Überdies verfügen die Unternehmen bezüglich der Bemessung der Geldbußen über eine zusätzliche Garantie, weil das Gericht zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung befugt ist und u. a. die Geldbuße gemäß Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 aufheben oder herabsetzen kann (oben in Randnr. 225 angeführtes Urteil LR AF 1998/Kommission, Randnrn. 199, 200 und 206). Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte angegeben, dass die RZB, die Erste Bank und die ÖVAG die Spitzeninstitute ihres jeweiligen Sektors gewesen seien. Diese Angabe reichte aus, um insoweit die Verteidigungsrechte der Klägerinnen zu wahren.

370 Folglich kann auch den Rügen der Ersten Bank und der ÖVAG nicht gefolgt werden, dass die Mitteilung der Beschwerdepunkte keine hinreichenden Angaben zur Informationsübermittlung innerhalb ihrer Sektoren und zur Vertretung der dezentralisierten Banken durch diese Zentralinstitute enthalte. Die Bezugnahme auf diese Umstände in der angefochtenen Entscheidung fügt sich nämlich in die im Rahmen der Einteilung in Kategorien vorgenommene Analyse der tatsächlichen Fähigkeit der Spitzeninstitute zur Verfälschung des Wettbewerbs ein. In diesem Zusammenhang stellen sie Indizien zur Veranschaulichung der Rolle der Spitzeninstitute dar, die wiederum in der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt worden war. Dagegen haben diese Umstände keinen eigenständigen Einfluss auf die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung, die, wie bereits ausgeführt, auf der Grundlage des Wesens der Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung der Bedeutung des Bankensektors für die gesamte Volkswirtschaft ermittelt wurde (vgl. in diesem Sinn das oben in Randnr. 311 angeführte Urteil Scandinavian Airlines System/Kommission, Randnrn. 158 und 159). Die Kommission war somit nicht verpflichtet, dies in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erwähnen.

371 Zur Rüge einer unzureichenden Begründung ist festzustellen, dass die Angaben in den Randnummern 515 bis 518 der angefochtenen Entscheidung zu den Gründen für die Zurechnung der Marktanteile der dezentralisierten Gruppen ausreichen, um den Klägerinnen die Verteidigung ihrer Rechte und dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle zu ermöglichen. Aus den Randnummern 516 und 518 geht nämlich hervor, dass die Kommission die in der Stellung der Zentralinstitute innerhalb der dezentralisierten Bankensysteme und ihres möglichen Einflusses auf die Banken ihres Sektors bestehende wirtschaftliche Realität bei der Beurteilung der tatsächlichen Fähigkeit dieser Institute zur Verfälschung des Wettbewerbs berücksichtigen wollte. Um zu erläutern, weshalb die tatsächliche Fähigkeit der Zentralinstitute zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs der Fähigkeit aller dezentralisierten Sektoren entsprach, wird in Randnummer 517 auf den Beitrag der Zentralinstitute zur Wirksamkeit des "Lombard-Netzwerks", auf die Vertretung der sektoriellen Interessen durch diese Institute und auf die Wahrnehmung seitens der übrigen Teilnehmer an den Gesprächsrunden verwiesen, die der angefochtenen Entscheidung zufolge die Zentralinstitute als Vertreter ihrer Sektoren ansahen. Unabhängig davon, ob diese Erwägungen die Vorgehensweise der Kommission rechtfertigen, geht aus ihnen mit hinreichender Deutlichkeit hervor, aus welchen Gründen sie diese Vorgehensweise gewählt hat.

Zur Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Kommission im Hinblick auf die persönliche Natur der Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht

372 Nach dem Grundsatz der persönlichen Natur der Verantwortung für die Begehung von Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht darf eine natürliche oder juristische Person nur für ihr individuell zur Last gelegte Handlungen mit Sanktionen belegt werden (siehe oben, Randnr. 333).

373 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass den Spitzeninstituten in der angefochtenen Entscheidung nicht die Zuwiderhandlungen der Banken ihres Sektors zugerechnet wurden, sondern dass sie wegen ihres eigenen Verhaltens mit einer Sanktion belegt wurden, das anhand der Fähigkeit zur Schädigung des Wettbewerbs und der konkreten Auswirkung ihrer Zuwiderhandlung ermittelt wird, die sich aus ihrer Stellung innerhalb des Sektors der dezentralisierten Banken ergeben (siehe oben, Randnrn. 355 bis 366).

374 Da die Kommission den Spitzeninstituten keine Zuwiderhandlung der dezentralisierten Banken zugerechnet hat, spielt es im vorliegenden Fall keine Rolle, ob die zwischen den Mitgliedern einer solchen Bankengruppe bestehenden Bindungen es gestatten, sie als wirtschaftliche Einheit einzustufen. Folglich ist die Rüge unbegründet, dass die Vorgehensweise der Kommission mit der persönlichen Natur der Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht unvereinbar sei.

375 Die Klägerinnen werfen der Kommission in diesem Zusammenhang vor, sie sei inkonsequent vorgegangen und habe eine Doppelbestrafung vorgenommen, indem sie individuelle Sanktionen gegen zwei Institute aus dezentralisierten Sektoren verhängt habe, bei denen eine Zuwiderhandlung festgestellt worden sei. Es handele sich zum einen um die zum Raiffeisensektor gehörende RLB und zum anderen um die EÖ, die vor ihrer Verschmelzung mit dem Spitzeninstitut GiroCredit, aus der die Erste Bank hervorgegangen sei, zu den dezentralisierten Banken der Sparkassengruppe gehört habe (siehe oben, Randnr. 319).

376 Mit dieser Rüge machen die Spitzeninstitute im Wesentlichen geltend, nachdem die Kommission sich dafür entschieden habe, die Kartellmitglieder anhand ihrer Marktanteile in Kategorien einzuteilen, sei sie verpflichtet gewesen, vorab einen - 100 % der Marktanteile der Kartellmitglieder entsprechenden - Gesamthöchstbetrag der Geldbuße festzusetzen und diese Summe dann unter den mit einer Sanktion belegten Unternehmen nach Maßgabe ihrer individuellen Marktanteile aufzuteilen. Der Gerichtshof und das Gericht haben zwar die Vereinbarkeit einer solchen Vorgehensweise mit dem Grundsatz der individuellen Zumessung von Sanktionen anerkannt (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 45/69, Boehringer/Kommission, Slg. 1970, 769, Randnrn. 55 und 56, und vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 52 und 53; Urteil des Gerichts vom 30. September 2003 in den Rechtssachen T-191/98 und T-212/98 bis T-214/98, Atlantic Container Line u. a./Kommission, Slg. 2003, II-3275, Randnr. 1572). Sie kann jedoch nicht als die allein zulässige Vorgehensweise angesehen werden. Die einzige bindende Obergrenze, die die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen einhalten muss, ergibt sich aus Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und bezieht sich individuell auf jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen. Die Kommission kann daher insbesondere, wie sie es in den Leitlinien getan hat, eine Vorgehensweise bevorzugen, bei der die Schwere der individuellen Zuwiderhandlung jedes Unternehmens, gemessen an seiner Marktmacht, als Ausgangspunkt dient.

377 Wie oben in Randnummer 361 ausgeführt, können die Marktmacht eines Unternehmens und seine Fähigkeit zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs aufgrund informeller Bindungen zu anderen Wirtschaftsteilnehmern, auch wenn diese ihm keine vollständige Kontrolle über deren Marktverhalten verschaffen, größer sein, als sie sich unmittelbar aus seinem individuellen Marktanteil ergeben. Liegen solche Bindungen vor, so wird die Verantwortung dieser anderen Wirtschaftsteilnehmer nicht durch die Berücksichtigung des informellen Einflusses berührt, den das erstgenannte Unternehmen auf ihr Verhalten ausüben kann. Unter dem Aspekt der individuellen Zumessung der Sanktion für jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen darf folglich eine Sanktion sowohl gegen das Spitzeninstitut unter Berücksichtigung der Auswirkung seiner Zuwiderhandlung, wie sie sich aus dem Einfluss ergibt, den es auf die dezentralisierten Banken ausüben kann, als auch gegen Letztere wegen der von ihnen selbst begangenen Zuwiderhandlung verhängt werden.

378 Da die Vorgehensweise der Kommission somit darin bestand, gegen jeden Adressaten der angefochtenen Entscheidung wegen seines eigenen Verhaltens eine Sanktion zu verhängen, kann diese Vorgehensweise nicht als inkonsequent bezeichnet werden, so dass gegen die Banken keine doppelte Sanktion verhängt wurde. Folglich greift auch der von der RZB erhobene Vorwurf nicht durch, dass die Kommission eine Sanktion wegen des Verhaltens der dezentralisierten Banken verhängt habe, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen.

379 Da die Spitzeninstitute nicht wegen des Verhaltens der dezentralisierten Banken mit einer Sanktion belegt wurden, hängt die Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Kommission auch nicht davon ab, ob jedes Spitzeninstitut die Möglichkeit hat, die ihm auferlegte Geldbuße auf die dezentralisierten Banken abzuwälzen.

380 Daraus folgt ferner, dass der Vorwurf unbegründet ist, die Kommission habe versucht, die Auswirkungen ihrer Entscheidung, nicht alle an den Gesprächsrunden beteiligten Banken zu verfolgen, rückgängig zu machen. Die Tatsache, dass die Kommission gegen bestimmte am Kartell beteiligte Unternehmen kein Verfahren einleitet oder keine Sanktion verhängt, kann es ihr für sich genommen nicht verwehren, die Marktanteile dieser Unternehmen anderen Kartellmitgliedern zuzurechnen, wenn eine solche Zurechnung erforderlich ist, um der Marktmacht Letzterer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität voll gerecht zu werden.

Zu den übrigen Rügen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Kommission

- Zur Vereinbarkeit der Vorgehensweise der Kommission mit den Leitlinien

381 Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung zu den Faktoren, anhand deren die Schwere einer Zuwiderhandlung zu beurteilen ist, je nach den Umständen die Menge und der Wert der Produkte, die Gegenstand der Zuwiderhandlung waren, sowie die Größe und die Wirtschaftskraft des Unternehmens gehören können (oben in Randnr. 213 angeführtes Urteil MDF, Randnr. 120, und oben in Randnr. 376 angeführtes Urteil IAZ u. a./Kommission, Randnr. 52). Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kommission nicht berechtigt wäre, bei der Bestimmung der Schwere der Zuwiderhandlung deren Art größeres Gewicht beizumessen als der Größe der Unternehmen (oben in Randnr. 167 angeführtes Urteil FETTCSA, Randnr. 411). Im vorliegenden Fall war, wie oben in den Randnummern 356 und 370 ausgeführt, die Art der Zuwiderhandlung das Kriterium zur Bestimmung von deren Schwere, während das Kriterium der Marktanteile der Klägerinnen nach den Angaben in Randnummer 519 der angefochtenen Entscheidung erst später im gesonderten Stadium ihrer Einteilung in Kategorien nach Nummer 1 Teil A Absatz 6 der Leitlinien herangezogen wurde. Aus den Erwägungen in den obigen Randnummern 360 und 361 folgt, dass die Kommission berechtigt ist, im letztgenannten Stadium die Beziehungen zwischen den Tätern einer Zuwiderhandlung und anderen Unternehmen zu berücksichtigen. Die Rüge, wonach die streitige Zurechnung nicht unter Hinweis auf die tatsächliche Fähigkeit der Spitzeninstitute zur Schädigung der Verbraucher gerechtfertigt werden könne, greift somit nicht durch.

382 Sodann ist festzustellen, dass der von der RZB erhobene Vorwurf, die angefochtene Entscheidung verstoße deswegen gegen die Leitlinien, weil das Erfordernis einer hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbußen als eigenständiger Grund für die Zurechnung der Marktanteile herangezogen worden sei, inhaltlich nicht zutrifft. Wie oben in den Randnummern 364 bis 366 ausgeführt, hat die Kommission diese Zurechnung im Wesentlichen auf die Rolle der Spitzeninstitute gestützt. Unter diesen Umständen geht weder die allgemeine Bezugnahme auf die abschreckende Wirkung der Geldbuße in Randnummer 515 der angefochtenen Entscheidung noch die Bezugnahme in Randnummer 518, wo es um die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität bei der Beurteilung der tatsächlichen Fähigkeit der Banken zur Beeinträchtigung des Wettbewerbs und des jeweiligen Gewichts der Zuwiderhandlung geht, über die in Nummer 1 Teil A Absatz 4 der Leitlinien vorgesehene Berücksichtigung der abschreckenden Wirkung der Geldbußen hinaus. Da die Geldbuße abschrecken soll, ist die Abschreckung ein allgemeines Erfordernis, von dem sich die Kommission bei der gesamten Bußgeldberechnung leiten lassen muss.

383 Zur Rüge der RZB, einer Berücksichtigung der Marktanteile der Gruppen bedürfe es in ihrem Fall zur Gewährleistung einer hinreichenden Abschreckung nicht, ist festzustellen, dass das Erfordernis einer hinreichenden Abschreckungswirkung der Geldbußen nicht davon abhängt, dass die Betroffenen wahrscheinlich erneut eine Zuwiderhandlung begehen werden. Auch wenn die Adressaten der angefochtenen Entscheidung nicht beabsichtigen, sich nochmals ähnlich wie in der angefochtenen Entscheidung beschrieben zu verhalten, könnte sich die Abschreckungswirkung von Sanktionen, die allein anhand der Marktanteile der Spitzeninstitute als Geschäftsbanken festgesetzt würden, im Verhältnis zu dem durch ihre Zuwiderhandlungen möglicherweise verursachten Schaden als unzureichend erweisen. Außerdem ist es legitim, wenn die Kommission die Abschreckungswirkung ihrer Entscheidung gegenüber anderen Unternehmen berücksichtigt, die sich unter Umständen in einer vergleichbaren Situation wie die Spitzeninstitute befinden. Schließlich ist die Rüge der RZB, die Kommission habe die Begründungspflicht dadurch verletzt, dass sie in der angefochtenen Entscheidung keine Erwägungen zu einer solchen Abschreckungswirkung im Allgemeinen angestellt habe, unbegründet. Die Bedeutung dieses Aspekts der Abschreckungswirkung liegt nämlich auf der Hand, so dass spezielle Ausführungen dazu nicht erforderlich waren, um insoweit der RZB die Anfechtung der Entscheidung oder dem Gericht die Ausübung seiner Kontrolle zu ermöglichen.

384 In diesem Zusammenhang greift auch das Vorbringen der ÖVAG nicht durch, bei der Einteilung in Kategorien sei nur die Größe der Unternehmen zu berücksichtigen, die Abschreckungswirkung dagegen irrelevant. Die Berücksichtigung der Größe der Unternehmen und die Einteilung in Kategorien sind nämlich im Wesentlichen deshalb vorgesehen, um eine ausreichende Abschreckungswirkung der Geldbußen zu gewährleisten.

385 Folglich sind die Rügen der Klägerinnen, mit denen sie geltend machen, die Vorgehensweise der Kommission verstoße gegen die Leitlinien, zu verwerfen.

- Zum behaupteten Verstoß gegen den Gleichheitssatz

386 Zu dem Vorwurf, die Kommission habe gegen den Gleichheitssatz verstoßen, indem sie zu Unrecht die dezentralisierten Sektoren den großen zentralisierten Banken gleichgestellt habe, ist festzustellen, dass die Kommission, sofern die persönliche Natur der Verantwortung für Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht beachtet wurde, im Einklang mit den Leitlinien zu beurteilen hatte, ob die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität es rechtfertigte, den Spitzeninstituten die Wirtschaftskraft ihrer Sektoren zuzurechnen. Vorbehaltlich der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung kann das Gericht diese Beurteilung nur bei offensichtlichen Fehlern beanstanden. Ein solcher Fehler ist aber nicht dargetan.

387 Zu der Rüge der ÖVAG, die Kommission habe den Informationsaustausch zwischen der BA-CA und bestimmten Banken, an denen sie beteiligt sei, außer Acht gelassen, führt die Kommission zutreffend aus, dass die BA-CA auch dann nicht in eine andere Kategorie eingeteilt würde, wenn ihr die Marktanteile der betreffenden Banken zugerechnet würden.

- Zum Urteil SCK und FNK/Kommission

388 Zu dem Argument, es verstoße gegen das oben in Randnummer 345 angeführte Urteil SCK und FNK/Kommission, dass die Marktanteile den Zentralinstituten zugerechnet worden seien, ist festzustellen, dass nach dieser Entscheidung des Gerichts die Verhältnismäßigkeit einer gegen ein Unternehmen (unter Beachtung der Grenzen des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17) verhängten Geldbuße anhand des Umsatzes dieses Unternehmens zu beurteilen ist, wobei der Umsatz anderer, wirtschaftlich mit ihm verbundener Unternehmen nicht zu berücksichtigen ist, wenn ihr Verhältnis nicht als Unternehmensvereinigung eingestuft werden kann. Da die Klägerinnen nicht bestreiten, dass die gegen sie verhängte Geldbuße in angemessenem Verhältnis zu ihrem eigenen Umsatz steht, geht ihre auf das Urteil SCK und FNK/Kommission gestützte Rüge ins Leere.

Zu den Rügen, die Tatsachenfeststellungen und die Beurteilung der Rolle der Zentralinstitute betreffen

389 In Bezug auf die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen, auf denen die angefochtene Entscheidung beruht, werfen die Klägerinnen der Kommission im Wesentlichen vor, bestimmte in Randnummer 517 der angefochtenen Entscheidung behandelte Verhaltensweisen nicht nachgewiesen zu haben, und zwar den Informationsaustausch (Erste Bank und ÖVAG) und die Vertretung der dezentralisierten Banken in den Gesprächsrunden (RZB und Erste Bank).

390 Dagegen wenden sich die Klägerinnen mit ihrem Vorbringen zur Unabhängigkeit der dezentralisierten Banken, der Struktur der Sektoren und der Aufgaben der Zentralinstitute nicht gegen konkrete Tatsachenfeststellungen zur Rolle der genannten Institute innerhalb der in der angefochtenen Entscheidung genannten Sektoren, sondern im Wesentlichen gegen die Beurteilung dieser Rolle und der daraus für die Würdigung ihrer Marktmacht zu ziehenden Konsequenzen durch die Kommission.

391 Bei der Prüfung dieser Rügen hat das Gericht zum einen im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle der angefochtenen Entscheidung zu klären, ob die Kommission insoweit Fehler in der Sachverhaltsfeststellung oder offensichtliche Beurteilungsfehler begangen hat. Zum anderen ist es im Rahmen der ihm durch Artikel 229 EG und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung dafür zuständig, die Angemessenheit der Höhe der Geldbußen zu beurteilen. Diese Beurteilung kann die Vorlage und Heranziehung zusätzlicher Informationen erfordern, die an sich nicht in der angefochtenen Entscheidung erwähnt zu werden brauchen, damit diese dem Begründungserfordernis des Artikels 253 EG genügt (oben in Randnr. 330 angeführtes Urteil vom 16. November 2000, KNP BT/Kommission, Randnrn. 38 bis 40, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T-220/00, Cheil Jedang/Kommission, Slg. 2003, II-2473, Randnr. 215).

392 Insoweit werden die zwischen den Zentralinstituten der drei Sektoren und den dezentralisierten Banken bestehenden Bindungen insbesondere in einer Erkenntnis des österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 23. Juni 1993 beschrieben, die die Kommission in Beantwortung von Fragen des Gerichts vorgelegt hat.

393 Der mit der Klage einer lokalen (oder primären) Raiffeisenbank gegen eine Bestimmung des Kreditwesengesetztes in der damaligen Fassung - nach der die einem Zentralinstitut im Rahmen eines "sektoralen Verbundes" angeschlossenen dezentralisierten Banken verpflichtet waren, beim Zentralinstitut Liquiditätsreserven von bestimmtem Umfang zu halten - befasste Verfassungsgerichtshof führt zunächst aus, dass der Beitritt der Banken zu einem solchen Verbund freiwillig sei und dass es zwischen den Mitgliedern des Verbundes und dem Zentralinstitut vielfältige Rechtsbeziehungen auf der Grundlage des Gesellschafts-, Genossenschafts- und Vereinsrechts sowie ihrer Satzungen gebe. Dieses dichte Netz gegenseitiger Rechte und Pflichten habe sich sowohl für den von dieser Erkenntnis betroffenen Raiffeisensektor als auch für die Volksbanken und Sparkassen in einer viele Jahrzehnte dauernden Entwicklung herausgebildet. Es sei dem Gesetzgeber unbenommen, an diese Gegebenheiten anzuknüpfen und davon auszugehen, dass die im Verbund zusammengeschlossenen Partner auf der Grundlage der gleichen Genossenschaftsphilosophie ihre gleichgerichteten Interessen miteinander in optimaler Weise zu verwirklichen suchten. Die Bestimmung, die Gegenstand des Rechtsstreits sei, ziele gerade auch darauf ab, die rechtliche und wirtschaftliche Selbständigkeit der Primärbanken zu erhalten, hingegen die Nachteile zu minimieren, die mit dem Wirtschaften kleinerer und kleinster wirtschaftlicher Einheiten verbunden seien. Die genannte Bestimmung verfolge nicht nur das Ziel der Realisierung einer ausreichenden Liquiditätsvorsorge; hinzu trete die "gesetzliche Sicherung des sektoralen Verbundes über das Zentralinstitut". Diese beiden Ziele lägen offenkundig im öffentlichen Interesse und rechtfertigten die angefochtene Regelung, werde doch in vielen Belangen durch einen Verbund eine den Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens und davon abgeleiteten Vorstellungen des Gesetzgebers entsprechende Tätigkeit vieler kleinerer Geldinstitute erst gewährleistet. 394 Die Klägerinnen haben nicht dargetan, dass diese Beschreibung der Rolle der Zentralinstitute und ihrer Beziehungen zu den dezentralisierten Banken unzutreffend war oder dass sich die Situation im Zeitraum der Zuwiderhandlung erheblich von der in der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs behandelten Situation unterschied. Die Klägerinnen haben zwar in der mündlichen Verhandlung auf Fragen des Gerichts erklärt, dass 1994 - also nach der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs und vor dem Zeitraum der Zuwiderhandlung - ein neues Bankwesengesetz ergangen sei. Sie haben jedoch keinen konkreten Anhaltspunkt für etwaige Unterschiede zwischen diesem neuen Gesetz und der früheren Rechtslage geliefert, die für die Beurteilung der Rolle der Zentralinstitute im Rahmen der vorliegenden Rechtssachen relevant sein könnten.

395 Angesichts der Rolle der Zentralinstitute und ihrer Beziehungen zu den dezentralisierten Banken, wie sie von einem hochrangigen Gericht des betreffenden Mitgliedstaats auf der Grundlage von Angaben der Regierung dieses Staates beschrieben wurden, ist davon auszugehen, dass die Banken der drei Gruppen untereinander dergestalt verbunden waren, dass es ausgeschlossen war, sie in jeder Hinsicht als Konkurrenten auf dem Markt anzusehen, und dass sie gemeinsame Interessen hatten, zu deren Verfolgung die Spitzeninstitute dienten.

396 Die RZB und die Erste Bank behaupten zwar, es gebe Wettbewerb zwischen den dezentralisierten Banken, soweit sie auf den gleichen Märkten tätig seien.

397 Die RZB erkennt allerdings an, dass die dezentralisierten Banken des Raiffeisensektors auf verschiedenen Märkten und an verschiedenen Orten tätig sind. Zum Raiffeisensektor hat der Verfassungsgerichtshof im Übrigen ausgeführt, zu berücksichtigen seien die "erst durch ein gemeinsames österreichweites und darüber hinausgehendes Auftreten der im Verbund zusammengeschlossenen Mitglieder im Wirtschaftsleben erzielbaren besonderen Marktchancen, wodurch die Vorteile sowohl der lokalen Verankerung als auch der regionalen und überregionalen Repräsentanz kumuliert werden können". Außerdem hat die Kommission Auszüge aus einem Geschäftsbericht der RZB für das Jahr 2000 vorgelegt, in dem die RZB selbst die "Raiffeisen Bankengruppe" so beschreibt, als stelle sie ein einziges Unternehmen dar.

398 Dagegen führt die Erste Bank aus, es gebe 17 oder sogar 29 Orte, an denen die GiroCredit und sie selbst über ihre Zweigstellen in unmittelbarem Wettbewerb mit Mitgliedern der Sparkassengruppe stünden, und an zahlreichen Orten gebe es mehrere miteinander konkurrierende Sparkassen.

399 Diese Behauptung ist jedoch nicht unvereinbar mit der Existenz struktureller Bindungen zwischen den Instituten der dezentralisierten Sektoren und den Zentralinstituten, auf der die Annahme der Kommission beruht, dass der Wettbewerb auf dem österreichischen Bankenmarkt zwischen den Geschäftsbanken (Aktienbanken) und den drei "Sektoren" der Sparkassen, der Raiffeisenbanken und der Volksbanken stattfindet. Auf dieser Annahme beruhen nicht nur die angefochtene Entscheidung, sondern auch Entscheidungen, in denen sich die Kommission zu Zusammenschlüssen auf diesem Markt geäußert hat (vgl. u. a. die Entscheidungen der Kommission vom 7. November 2000 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt [Fall COMP/M.2140 - BAWAG/PSK] und vom 14. November 2000 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt [Fall COMP/M.2125 - HypoVereinsbank/Bank Austria], ABl. C 362, S. 7). Es ist nämlich auch im Fall einer Geschäftsbank, die auf den lokalen Märkten durch ihre Zweigstellen präsent ist, nicht ausgeschlossen, dass zwischen den am gleichen Ort ansässigen Zweigstellen einer solchen Bank ein gewisser Wettbewerb besteht.

400 Sodann geht aus der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hervor, dass eine der Aufgaben der Zentralinstitute darin besteht, den Banken ihres Sektors Dienstleistungen in Bezug auf Funktionen zur Verfügung zu stellen, die sie wegen ihrer geringen Größe und mangelnden Ressourcen allein nicht wahrnehmen können, und dass diese Aufgabe nicht mit der Unabhängigkeit der dezentralisierten Institute der Sektoren unvereinbar ist, sondern im Gegenteil ihre Eigenständigkeit gewährleistet. In ihren Antworten auf schriftliche Fragen des Gerichts haben die Erste Bank und die ÖVAG bestätigt, dass sie eine solche Aufgabe erfüllten. Dagegen hat die RZB zwar anerkannt, dass sie in der Vergangenheit eine solche Aufgabe hatte, aber bestritten, dass dies noch immer der Fall sei, und insbesondere erklärt, dass die regionalen Banken solche Dienstleistungen seit den achtziger Jahren nicht mehr benötigten. Diese Erklärung ist jedoch unvereinbar mit der Beschreibung der Funktionsweise der Zentralinstitute in der Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, die von 1993 stammt und speziell den Raiffeisensektor betrifft. Insoweit hat der Verfassungsgerichtshof insbesondere bestimmte in der Satzung der betreffenden regionalen Raiffeisenbank vorgesehene Leistungen wie die Beratung und Betreuung der Mitglieder in wirtschaftlichen Angelegenheiten, die Teilnahme an Garantieeinrichtungen zum Schutz der Mitglieder und ihrer Kunden sowie die Vertretung der Mitgliederinteressen genannt. Außerdem heißt es in dem oben genannten Geschäftsbericht der RZB für das Jahr 2000, dass sie "zentrale Serviceaufgaben" innerhalb der Gruppe erfülle. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Rolle der Zentralinstitute u. a. durch Dienstleistungsaufgaben gekennzeichnet war, die es den Mitgliedern der dezentralisierten Netzwerke ermöglichen sollten, trotz ihrer oft geringen Größe als Bank tätig zu sein.

401 Angesichts all dieser Umstände waren die zwischen den Mitgliedern der Bankengruppen bestehenden Bindungen geeignet, sich auf die Struktur des Marktes auszuwirken. Sie zeigen außerdem, dass es zur Rolle der Spitzeninstitute gehörte, bei den wichtigsten Gesprächsrunden, an denen sie regelmäßig teilnahmen, ihre Sektoren zu vertreten, von denen die meisten Mitglieder, mit Ausnahme der RBW und der NÖ-Hypo, nicht anwesend waren.

402 Hierzu ist festzustellen, dass der Begriff "Vertretung" im vorliegenden Kontext in wirtschaftlichem und nicht in streng zivilrechtlichem Sinn zu verstehen ist. Dieser Begriff impliziert, wie in Randnummer 517 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, die Vertretung der wirtschaftlichen Interessen des gesamten Sektors. Dagegen spielt die Frage, ob die Zentralinstitute befugt waren, die dezentralisierten Banken rechtlich zu verpflichten, im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle, weil eine rechtsgültige "Verpflichtung" dieser Banken gegenüber anderen Kartellmitgliedern aufgrund von Artikel 81 Absatz 2 EG ohnehin nicht in Betracht kam.

403 Insoweit ist auch irrelevant, ob die Interessenvertretung der Gruppen zu den Aufgaben gehörte, die den Zentralinstituten durch Gesetz oder durch ihre Satzungen übertragen worden waren, oder ob mit dieser Aufgabe die Verbände betraut waren, denen die Institute der verschiedenen Gruppen angehören (Österreichischer Raiffeisenverband, Sparkassenverband und Österreichischer Genossenschaftsverband). Angesichts der wichtigen und zentralen Rolle, die die Spitzeninstitute innerhalb ihrer jeweiligen Gruppe spielten, wurde ihre Teilnahme an den wichtigsten Gesprächsrunden von den anderen Banken zwangsläufig nicht als Teilnahme allein in der Eigenschaft als Geschäftsbanken, sondern als Teilnahme der Sektoren als solcher angesehen. Dies gilt umso mehr, als die Beschlüsse der meisten wichtigen Gesprächsrunden Bankdienstleistungen betrafen, die bei der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Spitzeninstitute eine untergeordnete Rolle spielten, während sie für die dezentralisierten Banken einen Hauptbestandteil ihrer Tätigkeit darstellten. Außerdem hatten diese Gesprächsrunden "Signalwirkung" für die Beschlüsse der regionalen und lokalen Gesprächsrunden. Unter diesen Umständen ist es unerheblich, ob die Vertreter der Spitzeninstitute in den Gesprächsrunden bei deren Treffen konkrete "Vertretungshandlungen" für die dezentralisierten Banken wie die Abgabe von Erklärungen oder die Eingehung von Verpflichtungen in deren Namen vornahmen. Folglich gehen die Rügen der Klägerinnen, dass es für solche Verhaltensweisen keine schriftlichen Beweise gebe, ins Leere.

404 Aufgrund der vorstehend geschilderten Bindungen müssen zur korrekten Beurteilung der tatsächlichen Fähigkeit der Spitzeninstitute, einen erheblichen Schaden herbeizuführen, und des jeweiligen Gewichts ihrer Zuwiderhandlung nach Ansicht des Gerichts nicht nur ihre eigenen Marktanteile als Geschäftsbanken, sondern auch die Marktanteile der dezentralisierten Banken berücksichtigt werden.

405 Die oben beschriebenen Dienstleistungs- und Hilfsaufgaben implizieren nämlich, dass der nötige Sachverstand für Geschäfte, die wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Bedeutung oder ihrer Seltenheit aus dem Rahmen der alltäglichen Bankleistungen fielen, nur bei den Spitzeninstituten zu finden war. Die dezentralisierten Banken, die über keinen entsprechenden Sachverstand verfügten, mussten daher den Angaben der Spitzeninstitute vertrauen, wenn sie Entscheidungen über Fragen trafen, die über die Abwicklung der üblichen Bankgeschäfte hinausgingen. Unter diesen Umständen konnten die Verantwortlichen der dezentralisierten Banken leicht dazu veranlasst werden, die Zuwiderhandlung ihres Spitzeninstituts nachzuahmen, ohne sich große Gedanken über deren Rechtmäßigkeit zu machen, es sei denn, dass sie konkrete wirtschaftliche Gründe für ein abweichendes Verhalten hatten. Der Beitritt der Spitzeninstitute zum Kartell war daher geeignet, bei den Verantwortlichen der den Gruppen angehörenden Banken den Eindruck zu erwecken, dass eine Teilnahme an den Vereinbarungen ein im Interesse der gesamten Gruppe wünschenswertes Verhalten war, das von Instanzen befürwortet wurde, die über größeren Sachverstand und bessere Informationen verfügten und denen ohne übermäßiges Risiko gefolgt werden konnte. Er erleichtert damit erheblich die Entscheidung der Verantwortlichen der dezentralisierten Banken, ebenfalls daran teilzunehmen. Wären die Spitzeninstitute dagegen dem Gesamtkartell nicht beigetreten, so hätte dies den dezentralisierten Banken signalisiert, dass jedes etwaige wettbewerbswidrige Verhalten im Rahmen des "Lombard-Netzwerks" auf lokaler oder regionaler Ebene allein in ihre eigene Verantwortung fiel und vom Spitzeninstitut nicht gebilligt wurde. Dabei ist es kaum denkbar, dass die dezentralisierten Banken systematisch an lokalen oder regionalen Abstimmungen teilgenommen hätten, wenn die Spitzeninstitute den Wiener Gesprächsrunden ferngeblieben wären.

406 Dieser Einfluss des Verhaltens der Spitzeninstitute auf das Verhalten der Mitglieder ihrer Gruppen konnte zwar durch Informationsflüsse zwischen dem Zentralinstitut und den dezentralisierten Instituten - wie sie von der RZB eingeräumt worden sind - verstärkt werden, doch ist die Existenz eines solchen Austauschs insoweit nicht entscheidend. Es spielt nämlich keine Rolle, auf welchem Weg die dezentralisierten Banken über die Vereinbarungen, an denen die Spitzeninstitute teilnahmen, informiert wurden, denn es war gerade diese Teilnahme in Verbindung mit der Stellung des Zentralinstituts innerhalb des Sektors, die das Wettbewerbsverhalten der dezentralisierten Banken in dem in der vorstehenden Randnummer beschriebenen Sinn zu beeinflussen vermochte. Folglich geht das Vorbringen der Ersten Bank und der ÖVAG, dass ein solcher Informationsaustausch in Bezug auf sie nicht erwiesen sei, ins Leere.

407 Aus alledem folgt, dass die zwischen den Spitzeninstituten und den dezentralisierten Banken ihrer Gruppen bestehenden Bindungen den Spitzeninstituten eine weitaus größere als die aus ihren Marktanteilen als Geschäftsbanken resultierende wirtschaftliche Macht verliehen, die dem gesamten Marktanteil der jeweiligen Gruppe entsprach.

408 Unter diesen Umständen greifen die Rügen der Klägerinnen gegen die Würdigung des Sachverhalts in der angefochtenen Entscheidung insoweit nicht durch.

Ergebnis

409 Folglich sind alle Rügen zu verwerfen, die sich dagegen richten, dass die Marktanteile der Banken der dezentralisierten Sektoren den Zentralinstituten zugerechnet wurden.

3. Zur Begründung für die Einteilung in Kategorien und die Festsetzung der Ausgangsbeträge (Rechtssachen T-260/02, T-261/02, T-263/02 und T-264/02)

a) Vorbringen der Parteien

410 Die BA-CA, die BAWAG, die PSK und die Erste Bank halten die angefochtene Entscheidung in Bezug auf die Einteilung in Kategorien für nicht ausreichend begründet. Erstens werfen sie der Kommission vor, die insoweit herangezogenen Kriterien nicht angegeben zu haben. Zweitens machen sie geltend, die angefochtene Entscheidung ermögliche es nicht, die Berechnung der Marktanteile zu überprüfen, auf deren Grundlage die Einteilung in Kategorien vorgenommen worden sei. Die BAWAG und die PSK führen u. a. aus, weder der von der Kommission als relevant angesehene Zeitraum noch die von ihr benutzten Quellen, ihre Berechnungsmethode anhand der Marktanteile auf den verschiedenen berücksichtigten Märkten oder der gesamte Marktanteil gingen aus der angefochtenen Entscheidung klar hervor. Die PSK macht ferner geltend, die Kommission habe für sie und für die PSK-B (siehe oben, Randnr. 12) gesonderte Ausgangsbeträge festgesetzt, ohne ihre jeweiligen Marktanteile anzugeben.

411 Die BA-CA, die BAWAG und die PSK sind zudem der Ansicht, dass die Festsetzung der Ausgangsbeträge bei den verschiedenen Kategorien insbesondere in Bezug auf die Berechnungsmethode und die herangezogenen Kriterien nicht ausreichend begründet sei.

412 Die Kommission hält die angefochtene Entscheidung für ausreichend begründet. In Bezug auf die Rüge, dass die Marktanteile der PSK und der PSK-B nicht gesondert angegeben worden seien, fügt sie hinzu, den Banken seien ihre eigenen Marktanteile bekannt, so dass sie die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung überprüfen könnten.

b) Würdigung durch das Gericht

413 Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, weil die Frage, ob sie den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand des Wortlauts des fraglichen Rechtsakts zu beurteilen ist, sondern auch anhand des Zusammenhangs, in dem dieser Rechtsakt erlassen wurde (oben in Randnr. 270 angeführtes Urteil Kommission/Sytraval und Brink's France, Randnr. 63).

414 Bei der Festsetzung von Geldbußen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts genügt die Kommission ihrer Begründungspflicht, wenn sie in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die es ihr ermöglichten, Schwere und Dauer der begangenen Zuwiderhandlung zu ermessen; sie ist nicht verpflichtet, darin eingehendere Ausführungen oder Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbuße zu machen (oben in Randnr. 286 angeführtes Urteil Cascades/Kommission, Randnrn. 38 bis 47; vgl. auch das oben in Randnr. 376 angeführte Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, Randnrn. 1522 und 1525). Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen sind, so nützlich sie auch sein mögen, für die Beachtung der Begründungspflicht nicht unabdingbar (Urteil des Gerichtshofes vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-182/99 P, Salzgitter/Kommission, Slg. 2003, I-10761, Randnr. 75).

415 Im vorliegenden Fall haben es die Angaben in der angefochtenen Entscheidung den Klägerinnen ermöglicht, zahlreiche Klagegründe zu erheben, die sich gegen die inhaltliche Rechtswidrigkeit der Berechnungsfaktoren für ihre Einteilung in Kategorien richten. Die Kommission hat nämlich zum einen angegeben, dass diese Einteilung anhand der Marktanteile vorgenommen wurde (Randnr. 519), und zum anderen, wie hoch nach ihren Berechnungen die Marktanteile der Adressaten der angefochtenen Entscheidung waren (Randnr. 9). Die österreichischen Banken kennen aber ihre eigenen Marktanteile, die sie anhand monatlich von der OeNB veröffentlichter Aufstellungen und ihres eigenen Umsatzes berechnen können. Daher hat die Tatsache, dass in der angefochtenen Entscheidung nur teilweise (in den Fußnoten 17 und 522) die konkreten Quellen angegeben sind, denen die Kommission die von ihr herangezogenen Zahlen entnahm, und dass sie die zur Bestimmung der Marktanteile und zur Einteilung der Banken in Kategorien angewandte Berechnungsmethode nicht erläutert hat, die Verteidigung der Banken nicht behindert. Dies gilt auch für die Tatsache, dass sie die Marktanteile der PSK und der PSK-B nicht gesondert angegeben hat; die PSK war dadurch nicht daran gehindert, diesen Aspekt der angefochtenen Entscheidung substantiiert anzugreifen. Folglich hat die Kommission die Begründungspflicht in Bezug auf die Einteilung in Kategorien nicht verletzt.

416 Was die Festsetzung der Ausgangsbeträge angeht, so stellen diese die zahlenmäßige Umsetzung der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Einteilung in Kategorien dar; dies reicht zur Begründung ihrer relativen Bedeutung aus (oben in Randnr. 376 angeführtes Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, Randnr. 1555). In Bezug auf die Begründung für diese Beträge in absoluten Zahlen ist daran zu erinnern, dass die Geldbußen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission darstellen, die bei ihrer Festsetzung eines Ermessens bedarf, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten (oben in Randnr. 367 angeführtes Urteil Martinelli/Kommission, Randnr. 59). Außerdem muss verhindert werden, dass die Geldbußen für die Wirtschaftsteilnehmer leicht vorhersehbar sind. Daher kann nicht verlangt werden, dass die Kommission insoweit andere als die die Schwere der Zuwiderhandlung betreffenden Begründungsfaktoren liefert.

417 Die Rügen, die sich gegen die Begründung der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf die Einteilung in Kategorien und die Festsetzung der Ausgangsbeträge richten, sind somit unbegründet.

4. Zum behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Rechtssachen T-261/02, T-263/02 und T-271/02)

a) Vorbringen der Parteien

418 Die BAWAG und die PSK sind der Ansicht, es verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, dass sie mit einem Marktanteil von je 5 % neben der ÖVAG und der Ersten Bank, deren Marktanteil jeweils 7 % betrage, der dritten Kategorie zugeordnet worden seien. Die BAWAG führt aus, dieser relative Abstand von 40% liege sehr nahe an dem Abstand zwischen der ÖVAG und der CA (42,9 %), die in verschiedene Kategorien eingeteilt worden seien. Die BAWAG, die ÖVAG und die NÖ-Hypo vertreten die Auffassung, die Abgrenzung zwischen den Kategorien könne nicht mit den absoluten Abständen zwischen den Marktanteilen gerechtfertigt werden; maßgebend seien die relativen Abstände.

419 Die BAWAG und die PSK sind ferner der Ansicht, sie seien gegenüber der BA-CA und der Ersten Bank benachteiligt worden, die den fünf- oder sechsfachen Marktanteil hätten, während ihre Geldbußen nur vier- oder fünfmal höher seien.

420 Die ÖVAG und die NÖ-Hypo machen geltend, die Einteilung in Kategorien trage der Differenz zwischen den Umsätzen und Marktanteilen der in die vierte und in die fünfte Kategorie eingestuften Unternehmen - die weitaus größer sei als die Abstände zwischen den übrigen Kategorien - und den Größenunterschieden zwischen den in die letztgenannte Kategorie eingestuften Unternehmen nicht hinreichend Rechnung. Außerdem müsse die Einteilung in Kategorien bei der ÖVAG (deren Marktanteil unter 1 % liege) und der Volksbankengruppe (deren Marktanteil etwa 4 % betrage) gesondert vorgenommen werden, mit der Folge, dass die Volksbankengruppe der vierten und die ÖVAG der letzten Kategorie zuzuordnen sei. Bei der Ersten Bank sei die Kommission in dieser Weise vorgegangen. 421 Die Kommission führt aus, die Marktanteile der in ein und dieselbe Kategorie eingestuften Unternehmen lägen näher beieinander als die Marktanteile der in benachbarte Kategorien eingestuften Unternehmen; die Unterschiede zwischen den Marktanteilen der in dieselbe Kategorie eingestuften Unternehmen seien systemimmanent.

b) Würdigung durch das Gericht

422 Zur Einteilung der Kartellmitglieder in mehrere Kategorien, die zu einer Pauschalierung des für die Unternehmen einer Kategorie festgesetzten Ausgangsbetrags führte, ist festzustellen, dass eine solche Vorgehensweise der Kommission, auch wenn sie bewirkt, dass die Größenunterschiede zwischen Unternehmen ein und derselben Kategorie unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich nicht zu beanstanden ist. Die Kommission ist nämlich, wenn Geldbußen gegen mehrere an derselben Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen festgesetzt werden, nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, dass in den Endbeträgen der Geldbußen alle Unterschiede, die zwischen der Größe der betreffenden Unternehmen bestehen, zum Ausdruck kommen (vgl. das oben in Randnr. 167 angeführte Urteil FETTCSA, Randnr. 385 und die dort genannte Rechtsprechung).

423 Gleichwohl muss bei einer solchen Einteilung in Kategorien der Grundsatz der Gleichbehandlung beachtet werden, und die Bestimmung der Schwellenwerte für jede der auf diese Weise gebildeten Kategorien muss schlüssig und objektiv gerechtfertigt sein (oben in Randnr. 167 angeführtes Urteil FETTCSA, Randnr. 416).

424 Im vorliegenden Fall hat die Kommission keine genauen Schwellenwerte für die fünf von ihr gebildeten Kategorien festgelegt, sondern in ihren Klagebeantwortungen "Orientierungswerte" genannt, um die sich die Marktanteile der in ein und dieselbe Kategorie eingestuften Unternehmen bewegen. Die Abstände zwischen diesen Orientierungswerten sind in Bezug auf die erste bis vierte Kategorie schlüssig und objektiv gerechtfertigt. Der Orientierungswert für die zweite bis vierte Kategorie ist nämlich jeweils halb so hoch wie der Wert der nächsthöheren Kategorie; das Gleiche gilt für den jeweiligen Ausgangsbetrag.

425 Bei der fünften, der "Auffangkategorie", ist die Kommission von diesem System abgewichen und hat Unternehmen zusammengefasst, deren Marktanteil (unter 1 %) maximal etwa ein Drittel des Orientierungswerts für die vierte Kategorie (2,75 %) beträgt, aber auch weit darunter liegen kann. Die Abstände zwischen den Marktanteilen der Unternehmen dieser Kategorie sind zwar prozentual gesehen gering, aber die relativen Abstände zwischen ihnen können erheblich sein. Der für diese Kategorie festgesetzte Ausgangsbetrag von 1,25 Millionen Euro beträgt weniger als die Hälfte, aber mehr als ein Drittel des für die vierte Kategorie festgesetzten Betrages von 3,13 Millionen Euro.

426 Trotz der relativen Größenunterschiede, die zwischen den Unternehmen mit einem Marktanteil von unter 1 % bestehen können, hat die Kommission ihr Ermessen nicht überschritten, als sie diese Unternehmen in ein und dieselbe Kategorie einstufte. Zwar spiegeln nach der Rechtsprechung die relativen Größenunterschiede das tatsächliche spezifische Gewicht der Adressaten einer Entscheidung wider (oben in Randnr. 167 angeführtes Urteil FETTCSA, Randnr. 424). Die Befugnis der Kommission, eine Einteilung in Kategorien vorzunehmen, würde jedoch eines großen Teils ihrer Zweckmäßigkeit beraubt, wenn jeder relativ gesehen erhebliche Abstand bei den Marktanteilen, auch wenn er prozentual gesehen einem sehr geringen Abstand entspricht, der Einstufung verschiedener Unternehmen in ein und dieselbe Bußgeldkategorie entgegenstünde.

427 Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz, dass der Ausgangsbetrag dieser "Auffangkategorie", gemessen an der Größe der betreffenden Unternehmen, höher ist als der Betrag bei den darüber liegenden Kategorien. Die Abschreckungswirkung einer Geldbuße hängt nämlich nicht nur von ihrer relativen Bedeutung im Verhältnis zur Größe des mit der Sanktion belegten Unternehmens oder zu dessen Marktstellung ab, sondern auch vom absoluten Betrag der Geldbuße. Insoweit ist es Sache der Kommission, in Ausübung ihres Ermessens bei Geldbußen und vorbehaltlich der Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung, die Ausgangsbeträge bei allen von ihrer Entscheidung erfassten Unternehmen so festzusetzen, dass sie hoch genug sind, um eine Abschreckungswirkung zu entfalten.

428 Die Kommission hat somit gegenüber den in die letzte Kategorie eingestuften Unternehmen nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

429 Sodann ist - vorbehaltlich der Prüfung der Rügen in Bezug auf die Richtigkeit der Marktanteile - festzustellen, dass die Einstufung der BAWAG und der PSK (mit einem Marktanteil von 5 %) in dieselbe Kategorie wie die ÖVAG und die Erste Bank (mit einem Marktanteil von 7 %) nicht die Grenzen des nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung Zulässigen überschreitet. Ein Marktanteil von 5 % liegt nämlich sehr nahe bei dem Orientierungswert von 5,5 % für die dritte Kategorie, während ein Marktanteil von 7 % deutlich näher an diesem Orientierungswert liegt als an dem für die nächsthöhere Kategorie festgelegten Wert (11 %).

430 Schließlich war die Kommission im vorliegenden Fall nicht nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung gehalten, die Einteilung in Kategorien für die ÖVAG und die Volksbankengruppe getrennt vorzunehmen. Das Vorbringen der ÖVAG, die Kommission habe im Fall des Spitzeninstituts Erste Bank und der Sparkassengruppe eine solche getrennte Einteilung vorgenommen, beruht auf einem sachlichen Fehler, weil die getrennte Geldbuße für die Erste Bank/EÖ den Zeitraum betraf, in dem diese noch nicht das Spitzeninstitut dieser Gruppe war, während für das Spitzeninstitut (GiroCredit vor der Verschmelzung, dann Erste Bank) ein einziger Ausgangsbetrag unter Berücksichtigung des Marktanteils der Gruppe festgesetzt wurde.

431 Die in den Rechtssachen T-261/02, T-263/02 und T-271/02 auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung bei der Festsetzung der Ausgangsbeträge gestützten Rügen sind daher unbegründet.

5. Zur Bestimmung der Marktanteile (Rechtssachen T-263/02, T-264/02 und T-271/02)

a) Vorbringen der Parteien

PSK und PSK-B (Rechtssache T-263/02)

432 Die PSK wirft der Kommission erstens vor, willkürlich gehandelt zu haben, indem sie sich für die Zwecke der Kategorisierung auf die Marktanteile bei den Aktiv- und Passivgeschäften mit Privat- und Firmenkunden gestützt habe, ohne den Markt genau abzugrenzen, obwohl das Kartell der angefochtenen Entscheidung zufolge weit über diese Geschäfte hinausgegangen sei.

433 Zweitens macht die PSK geltend, die Unangemessenheit und Willkürlichkeit des pauschalisierenden Ansatzes der Kommission werde durch ihre eigene Situation verdeutlicht. Ihre Marktanteile im Aktiv- und Passivgeschäft wichen erheblich voneinander ab. Der von der Kommission herangezogene gemeinsame Marktanteil für sie und die PSK-B von etwa 5 % sei falsch; mit Ausnahme der Spareinlagen im Privatkundengeschäft sei ihr Marktanteil wesentlich niedriger als 5 %. In der Erwiderung macht die PSK detaillierte Angaben, die sie auf die offiziellen Zahlen der Monatsausweise der OeNB stützt; danach lag ihr genauer Marktanteil beim Einlagen- und Kreditgeschäft mit Privat- und Firmenkunden von 1999 bis 2001 (d. h. nach dem Zusammenschluss mit der PSK-B) zwischen 3,2 % und 3,6 %. In Beantwortung von Fragen des Gerichts hat sie zudem eine Aufstellung ihrer Marktanteile für die Jahre 1995 bis 1998 und der Marktanteile der PSK-B in den Jahren 1996 bis 1998 vorgelegt.

434 Drittens wirft die PSK der Kommission vor, die vollkommen unbedeutende Marktposition der PSK-B verkannt zu haben. Bei der PSK-B habe es sich quasi um eine ausgelagerte Kreditabteilung der PSK gehandelt, weil sie in allen anderen Bereichen des Bankgeschäfts gar nicht oder nur in verschwindend geringem Umfang tätig gewesen sei. Der Marktanteil der PSK-B habe im Untersuchungszeitraum nur bei knapp 1,5 % im Privatkreditbereich und bei etwa 0,7 % im Bereich der Unternehmenskredite gelegen. Wenn die Marktanteile korrekt ermittelt worden wären, hätte die PSK-B allenfalls in die fünfte Kategorie eingeordnet werden dürfen. In der Erwiderung fügt sie hinzu, selbst wenn man dem von der Kommission in der Klagebeantwortung dargelegten Ansatz folge und den kumulierten Marktanteil beider Institute hälftig auf die PSK und die PSK-B verteile, entfalle auf jede Bank lediglich ein durchschnittlicher Marktanteil von 1,6 % bis 1,8 %. Infolgedessen hätte sowohl die PSK als auch die PSK-B in die fünfte Kategorie eingeordnet und die Geldbuße entsprechend niedriger festgesetzt werden müssen.

435 Die Kommission führt erstens aus, sie habe die Frage, in welchem Umfang die Banken den Wettbewerb hätten verfälschen können, anhand ihrer Marktanteile in einem repräsentativen Markt bestimmt, wobei die Märkte für Aktiv- und Passivgeschäfte mit Privat- und Firmenkunden die wichtigsten Märkte der Bankprodukte seien. Die auf dieser Grundlage vorgenommene Einteilung in Kategorien sei objektiv und angemessen; sie sei nicht verpflichtet, die Marktanteile des Einlagen- und Kreditgeschäfts zu gewichten, weil beide Geschäftsbereiche ähnlich hohe Umsätze aufwiesen.

436 Zweitens trägt die Kommission vor, die PSK habe nicht nachgewiesen, dass ihre Marktanteile niedriger gewesen seien als in der Entscheidung angegeben. Wie die von der PSK selbst übermittelten Informationen zeigten, hätten die PSK und die PSK-B zusammen einen Marktanteil von mindestens 4 % gehabt Zum einen ergebe sich aus der Klageschrift der PSK, dass deren Marktanteil beim Einlagengeschäft zusammen mit dem der PSK-B bei 5 % gelegen habe, und zum anderen habe die PSK in der Anmeldung ihrer Fusion mit der BAWAG beim Kreditgeschäft einen gemeinsamen Anteil von 3 % angegeben. Würden diese beiden Anteile gemittelt, so ergebe sich ein Gesamtmarktanteil von 4 %, der dann etwa hälftig auf die beiden Banken zu verteilen sei, weil sich die PSK lange Zeit, weil sie nicht zur Vergabe von Krediten berechtigt gewesen sei, auf das Einlagengeschäft konzentriert und das Kreditgeschäft der PSK-B überlassen habe. Somit ergebe sich für jede der beiden Banken ein durchschnittlicher Marktanteil von mindestens 2 %.

437 Drittens ist die Kommission der Ansicht, dass die PSK und die PSK-B zu Recht in die vierte Kategorie eingeordnet worden seien, deren Orientierungswert 2,75 % betrage. Dabei spiele es keine Rolle, ob ihr Marktanteil 2,5 %, wie von der Kommission geltend gemacht, oder 1,6 % bis 1,8 %, wie nunmehr von der PSK behauptet, betragen habe. Die der vierten Kategorie zugeordneten Unternehmen hätten geringere Marktanteile als in der dritten Kategorie (etwa 5,5 %) und größere als in der fünften Gruppe (weniger als 1 %) gehabt. Die Unternehmen der Kategorie, in die die PSK und die PSK-B einzuordnen gewesen seien, hätten zwischen diesen beiden Gruppen gelegen, d. h. also in einem Bereich zwischen deutlich mehr als 1 % und weit weniger als 5 % der Marktanteile.

Erste Bank und Sparkassengruppe (Rechtssache T-264/02)

438 Die Erste Bank trägt vor, der in Randnummer 9 der angefochtenen Entscheidung der Sparkassengruppe zugeordnete Marktanteil von 30 % schließe die Marktanteile von zwei Banken ein, gegen die gesonderte Geldbußen verhängt worden seien, und zwar zum einen der BA (ohne CA) und zum anderen der EÖ (frühere Bezeichnung der Ersten Bank vor ihrer Verschmelzung mit der GiroCredit).

439 Zum einen sei die BA der Rechtsform nach eine Sparkasse und werde deshalb in den Statistiken der OeNB zum Sparkassensektor gezählt. Nach den Zahlen der OeNB für die Jahre 1995 bis 1998 liege der Marktanteil des Sparkassensektors (einschließlich BA) bei etwa 30 % (je nach Markt zwischen 25 % und 35 %), von denen 12 % bis 13 % auf die BA entfielen. Folglich sei der Marktanteil der BA fälschlich der Sparkassengruppe zugeordnet worden; dies werde durch die Angaben zur Zahl der Zweigstellen und Mitarbeiter in Randnummer 9 der angefochtenen Entscheidung bestätigt, die ebenfalls die BA einschlössen. Die offiziellen Statistiken der OeNB hätten eine größere Beweiskraft als die von der Kommission herangezogenen Fusionskontrollentscheidungen; die Kommission habe es unterlassen, die verschiedenen Tätigkeitsbereiche zu gewichten.

440 Zum anderen schließe der Marktanteil des Sparkassensektors den Anteil der EÖ ein, obwohl gegen sie für die Zeit vor dem Zusammenschluss mit der GiroCredit eine gesonderte Geldbuße verhängt worden sei.

441 Außerdem sei die Geldbuße der EÖ auf der Grundlage eines Marktanteils von 7 % berechnet worden; dies entspreche aber ihrem Marktanteil nach dem Zusammenschluss mit der GiroCredit, während er in dem Zeitraum, für den die gesonderte Geldbuße festgesetzt worden sei, nur etwa 4 % betragen habe.

442 Die Kommission bestreitet, der Ersten Bank den Marktanteil der BA zugerechnet zu haben. Hilfsweise macht sie geltend, diese Rüge gehe ins Leere, weil die Erste Bank auch dann in die erste Kategorie einzuordnen sei, wenn ihr Marktanteil 12 % bis 13 % niedriger sei als in der angefochtenen Entscheidung festgestellt. Auch die angebliche Einbeziehung des Marktanteils der EÖ in den Anteil der Sparkassengruppe habe keine Auswirkungen auf die Einteilung in Kategorien. Der für die Erste Bank/EÖ (vor dem Zusammenschluss) festgestellte Marktanteil schließe den Anteil der GiroCredit nicht mit ein und liege jedenfalls über 5 %.

ÖVAG und Volksbankengruppe (Rechtssache T-271/02)

443 Die ÖVAG und die NÖ-Hypo tragen vor, der Marktanteil der Volksbankengruppe (einschließlich ÖVAG) liege weit unter 7 %; nach Berechnungen der ÖVAG betrage er etwa 5 % und nach offiziellen Studien nur 3 % bis 4 %.

444 Nach Ansicht der Kommission gehen diese Rügen ins Leere, weil die ÖVAG mit einem Marktanteil von 5 % jedenfalls in die dritte Kategorie eingestuft worden wäre. Ihr Marktanteil liege aber deutlich über 5 %; dies könne durch vertrauliche Unterlagen belegt werden, die im Rahmen von Fusionskontrollverfahren, auf die sie in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen habe, vorgelegt worden seien.

b) Würdigung durch das Gericht

PSK und PSK-B (Rechtssache T-263/02)

445 Was zunächst die Wahl der Märkte angeht, so hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie die Ansicht vertrat, dass die Märkte für Aktiv- und Passivgeschäfte mit Privat- und Firmenkunden für die Beurteilung der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse auf dem österreichischen Bankenmarkt repräsentativ seien, und als sie die durchschnittlichen Marktanteile der Banken auf diesen Märkten als Grundlage für die Einteilung in Kategorien heranzog.

446 Was sodann die Feststellung der Kommission betrifft, dass der gemeinsame Marktanteil der PSK und der PSK-B auf den kombinierten Märkten für Einlagen und Kredite 5 % betragen habe, so ist diese Zahl in Bezug auf die Einlagen von Privatkunden nicht bestritten worden, und nach den Antworten der PSK auf Fragen des Gerichts lag der gemeinsame Marktanteil der PSK und der PSK-B für alle Einlagen, einschließlich Firmenkunden, im Durchschnitt der Jahre 1996 bis 1998 nicht unter 4,89 %.

447 Dagegen trägt die Klägerin in Bezug auf Kredite vor, der gemeinsame Marktanteil der PSK und der PSK-B habe unter 2 % gelegen, während er der Kommission zufolge 3,5 % oder 4 % betrug. Die Parteien haben ihr Vorbringen auf folgende Schriftstücke gestützt:

- ein von der Kommission als Anlage zur Gegenerwiderung vorgelegtes Dokument, das aus einem Fusionskontrollverfahren stammt; danach betrug im Jahr 1998 der Marktanteil der "PSK Group" bei Krediten 3 %;

- ein von der PSK im Jahr 1997 erstelltes Dokument, das zu den Verwaltungsakten der vorliegenden Rechtssache gehört und von der Kommission in Beantwortung von Fragen des Gerichts vorgelegt wurde; danach lag ihr "Kundenanteil" auf dem Kreditmarkt bei 3 % bis 4 %;

- ein im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens COMP/M.873, BA/CA, erstelltes Dokument, das die Kommission in Beantwortung von Fragen des Gerichts vorgelegt hat und dessen vertrauliche Fassung nach Ansicht der Kommission zeigt, dass die PSK im Jahr 1995 einen Marktanteil von 4 % bei Krediten hatte, während in der nichtvertraulichen Fassung für verschiedene Kreditmärkte Spannen von 2 % bis 6 %, von 3 % bis 7 % und von 1 % bis 5 % angegeben sind;

- eine von der PSK in Beantwortung von Fragen des Gerichts vorgelegte Aufstellung, wonach der gemeinsame Marktanteil der PSK und der PSK-B auf dem Kreditmarkt von 1996 bis 1998 zwischen 1,49 % und 2,03 % schwankte und im Durchschnitt etwa 1,8 % betrug.

448 Zum ersten Dokument ist zunächst festzustellen, dass die Kommission in ihrer Gegenerwiderung irrtümlich angegeben hatte, dass es aus dem Verfahren COMP/M.2140, BAWAG/PSK, stamme (siehe oben, Randnr. 436). In ihren schriftlichen Antworten auf Fragen des Gerichts hat sie darauf hingewiesen, dass es tatsächlich im Rahmen des Verfahrens COMP/M.2125, HypoVereinsbank/Bank Austria, vorgelegt wurde und dort Teil der Anmeldung war. Dieser Irrtum hat die Kommission möglicherweise dazu veranlasst, dem Dokument eine größere als die ihm tatsächlich zukommende Beweiskraft beizumessen. Anders als die Kommission bei seiner Vorlage annahm, stammte es nämlich nicht von der PSK, sondern von deren Konkurrenten, den Parteien eines anderen Zusammenschlusses. Da jede Bank ihren eigenen Marktanteil kennt (siehe oben, Randnr. 415), haben Angaben, die die Parteien eines Zusammenschlusses auf dem österreichischen Bankenmarkt zu ihren eigenen Marktanteilen machen, erhöhten Beweiswert. Dagegen handelt es sich bei Angaben von Banken zu den Marktanteilen ihrer Konkurrenten normalerweise um Schätzungen, weil sie deren Geschäftsgeheimnis sind. Dies wird im vorliegenden Fall dadurch bestätigt, dass nach dem Dokument, aus dem nicht hervorgeht, auf welchen Zeitraum es sich bezieht, der Marktanteil der PSK-Gruppe bei Einlagen 4 % betrug, während er der PSK und der Kommission zufolge bei etwa 5 % lag. Die in diesem Dokument enthaltenen Zahlen können daher hinsichtlich der Marktanteile der PSK und der PSK-B nicht als zuverlässig angesehen werden.

449 Der im zweiten Dokument erwähnte "Kundenanteil" ist vom Marktanteil zu unterscheiden; Letzterer hängt nicht nur von der Zahl der Kreditgeschäfte ab, sondern auch von deren Umfang. Beim dritten Dokument kann das Gericht nach Artikel 67 § 3 der Verfahrensordnung nur die nichtvertrauliche Fassung berücksichtigen. Diese Fassung enthält zu große Spannbreiten, um im vorliegenden Zusammenhang eine hinreichend genaue Bewertung des gemeinsamen Marktanteils zu ermöglichen. Schließlich ist festzustellen, dass die von der PSK auf der Grundlage der Monatsausweise der OeNB errechneten Zahlen deutlich niedriger sind als die Zahlen, die sich aus den von der Kommission vorgelegten Dokumenten ergeben.

450 Nach diesen Zahlen lag der gemeinsame Marktanteil der PSK und der PSK-B auf den Märkten für Einlagen (4,89 %) und Kredite (1,8 %), berechnet nach der Methode der Kommission, im Durchschnitt bei etwa 3,35 %. Aus den von den Parteien im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen gemachten Angaben ergibt sich kein Beweis dafür, dass der gemeinsame Marktanteil der PSK und der PSK-B höher als 3,35 % war.

451 Der Unterschied zwischen dieser Zahl und den Feststellungen der Kommission zum gemeinsamen Marktanteil der PSK und der PSK-B ist so bedeutsam, dass er ihre Kategorieeinteilung beeinflusst haben kann.

452 In der Tat wäre auf der Grundlage eines gemeinsamen Marktanteils der PSK und der PSK-B von 3,35 % auf jedes der beiden Institute nach der Vorgehensweise der Kommission ein Marktanteil von 1,675 % entfallen. Dann hätte ihre Einteilung in die vierte Kategorie die unter dem Aspekt des Verhältnismäßigkeits- und des Gleichbehandlungsgrundsatzes akzeptablen Grenzen überschritten und die Kohärenz des von der Kommission im vorliegenden Fall gewählten Systems der Einteilung in Kategorien beeinträchtigt. Ein Marktanteil von 1,675 % entspricht nämlich nur etwa 60 % des für die vierte Kategorie festgelegten Orientierungswerts von 2,75 % und etwa 25 % eines Marktanteils von 7 %, der nach Ansicht der Kommission die Einstufung der Ersten Bank und der ÖVAG in die dritte Kategorie und die Festlegung einer doppelt so hohen Geldbuße wie bei der PSK und der PSK-B rechtfertigte. Schließlich hätte die Berücksichtigung des kumulierten Marktanteils der PSK und der PSK-B (3,35 %) nach dem von der Kommission gewählten System zur Einteilung in die vierte Kategorie führen müssen, in die die PSK und die PSK-B jede für sich eingestuft wurden. Es ist aber mit dem hier gewählten Einteilungssystem unvereinbar, dass Unternehmen, von denen das eine einen doppelt so hohen Marktanteil wie das andere hat, ein und derselben Kategorie zugeordnet werden; davon ausgenommen ist nur die "Auffangkategorie". Zwar ist der Abstand zwischen einem Marktanteil von 1,675 % und dem Orientierungswert für die fünfte Kategorie (weniger als 1 %), wie die Kommission zutreffend ausführt, zu groß, um die PSK und die PSK-B dort einstufen zu können. Die Kommission hat jedoch im Hinblick auf die Daten, auf deren Grundlage sie die Einteilung in Kategorien vornahm, bei ihrem System Marktanteile zwischen 1 % und 2 % nicht berücksichtigt; dies hätte sie aber tun müssen, wenn die Marktanteile der PSK und der PSK-B tatsächlich in diesem Bereich lagen.

453 Unter diesen Umständen obliegt es dem Gericht, in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung den Ausgangsbetrag der gegen die PSK und die PSK-B zu verhängenden Geldbußen festzusetzen.

454 Dabei ist es angebracht, für die PSK und die PSK-B einen einzigen Ausgangsbetrag festzusetzen. Es ist zwar richtig, dass die Kommission gesonderte Ausgangsbeträge ermittelt hatte; gleichwohl hat sie unter Berücksichtigung des Zusammenschlusses beider Institute im Jahr 1998 gegen die PSK eine einzige Geldbuße verhängt. Angesichts aller Anhaltspunkte, die in den Akten zu den Marktanteilen der PSK und der PSK-B zu finden sind - insbesondere der im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen erteilten Auskünfte -, ist ein der vierten Kategorie entsprechender Ausgangsbetrag von 3,13 Millionen Euro angemessen.

Erste Bank und Sparkassengruppe (Rechtssache T-264/02)

455 Nach Randnummer 9 der angefochtenen Entscheidung hatten die Erste Bank (nach dem Zusammenschluss mit der GiroCredit) und die Sparkassengruppe einen Marktanteil von 30 %, während der Marktanteil allein der Ersten Bank etwa 7 % betrug. Aus den Randnummern 519 und 522 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission zwei gesonderte Ausgangsbeträge berechnete, zum einen für das Spitzeninstitut (GiroCredit vor dem Zusammenschluss und Erste Bank danach), dem die Marktanteile der Sparkassengruppe zugeordnet wurden, und zum anderen für die EÖ in Bezug auf die Zeit vor dem Zusammenschluss. Die Erhöhung aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung wurde im Fall des Ausgangsbetrags des Spitzeninstituts für den gesamten betroffenen Zeitraum (dreieinhalb Jahre) und im Fall des Ausgangsbetrags der EÖ für den Zeitraum vor dem Zusammenschluss (drei Jahre) vorgenommen.

- Die gegen das Spitzeninstitut verhängte Geldbuße

456 Nach den oben in den Randnummern 377 und 378 angestellten Erwägungen ist die Kommission nicht zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Marktanteil der Sparkassengruppe den Anteil der EÖ einschloss, der damit sowohl bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Sparkassengruppe als auch bei der Festsetzung ihrer eigenen Geldbuße berücksichtigt wurde.

457 Zu der Rüge, der Marktanteil der BA in Höhe von 12 % bis 13 % sei fälschlich in den Anteil von 30 % einbezogen worden, über den nach der angefochtenen Entscheidung die aus dem Spitzeninstitut und den Sparkassen bestehende Einheit verfügte, ist festzustellen, dass der nach Abzug des Marktanteils der BA verbleibende Anteil von 17 % bis 18 % immer noch die Einstufung in die erste Kategorie rechtfertigen würde, weil er deutlich näher am Orientierungswert von 22 % als an dem für die zweite Kategorie geltenden Wert von 11 % liegt. Diese Rüge greift daher im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle der angefochtenen Entscheidung nicht durch, denn selbst wenn sie begründet wäre, könnte sie den verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellen. Im Übrigen ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung der Ansicht, dass die Einteilung der Ersten Bank in die erste Kategorie im Hinblick auf die Verhängung einer angemessenen Geldbuße gerechtfertigt ist.

- Die gesonderte Geldbuße der EÖ

458 Die Rüge, der EÖ sei in der angefochtenen Entscheidung zu Unrecht ein Marktanteil von 7 % zugeschrieben worden, geht ins Leere. Nach den Angaben, die die Erste Bank in ihrer Klageschrift und in Beantwortung von Fragen des Gerichts gemacht hat, betrug der Marktanteil der EÖ 5,3 % bei Einlagen, 4,8 % bei Firmenkundenkrediten und 4,1 % bis 4,4 % bei Privatkundenkrediten. Auch wenn die Richtigkeit dieser Zahlen unterstellt wird, würde sich daraus nur ergeben, dass der Marktanteil der EÖ insgesamt gesehen knapp unter 5 % lag, so dass ihre Einstufung in die dritte Kategorie mit einem Orientierungswert von 5,5 % jedenfalls als gerechtfertigt anzusehen ist.

ÖVAG und Volksbankengruppe (Rechtssache T-271/02)

459 Um den Fehler der Kommission hinsichtlich des der ÖVAG in der angefochtenen Entscheidung zugeschriebenen Marktanteils zu belegen, hat die ÖVAG drei Dokumente vorgelegt, und zwar

- eine Tabelle für die Jahre 1994 bis 1998, wonach der Marktanteil der Volksbankengruppe, gemessen an der Bilanzsumme, zwischen 4,31 % und 4,45 % schwankte;

- eine offenbar von der OeNB erstellte Tabelle der Marktanteile der österreichischen Banken in den Jahren 1999 und 2000, nach der der Marktanteil der Volksbankengruppe bei 2,7 % oder 2,8 % lag, ohne dass jedoch angegeben wird, für welchen Markt diese Zahlen ermittelt wurden;

- ein offenbar von der OeNB erstelltes Diagramm der Marktanteile in Prozent der Bilanzsumme ohne Angabe des berücksichtigten Zeitraums; danach lag der Marktanteil der ÖVAG bei 4,38 %.

460 Diese Dokumente beziehen sich nicht auf die Märkte für Aktiv- und Passivgeschäfte mit Privat- und Firmenkunden, anhand deren die Kommission die Marktanteile der Adressaten der angefochtenen Entscheidung bestimmt hat. Außerdem bezieht sich das zweite Dokument nicht auf den Zeitraum der Zuwiderhandlung, wobei die in ihm enthaltenen Zahlen erheblich von den Zahlen abweichen, die sich aus dem ersten Dokument für diesen Zeitraum ergeben. Darüber hinaus liegen die im ersten und im dritten Dokument angegebenen Marktanteile sowohl absolut als auch relativ gesehen näher am Orientierungswert der dritten Kategorie (5,5 %) als an dem Wert für die vierte Kategorie (2,75 %).

461 Folglich sind die Rügen der ÖVAG nicht geeignet, die Rechtswirksamkeit ihrer Einstufung in die dritte Kategorie in Frage zu stellen. Im Übrigen ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung der Ansicht, dass die Einteilung der ÖVAG in die dritte Kategorie im Hinblick auf die Verhängung einer angemessenen Geldbuße gerechtfertigt ist.

c) Ergebnis

462 Demnach ist der Ausgangsbetrag der Geldbuße für die PSK und die PSK-B (Rechtssache T-263/02) auf 3,13 Millionen Euro festzusetzen, während den Rügen der Ersten Bank (Rechtssache T-264/02) und der ÖVAG (Rechtssache T-271/02) in Bezug auf die Bestimmung der Marktanteile und die Festsetzung der Ausgangsbeträge nicht stattzugeben ist.

6. Ergebnis für die Einteilung in Kategorien und die Festsetzung der Ausgangsbeträge

463 Nach alledem ist sämtlichen Rügen der Klägerinnen in Bezug auf die Einteilung in Kategorien und die Festsetzung der Ausgangsbeträge mit Ausnahme des Vorbringens der PSK und der PSK-B (Rechtssache T-263/02) der Erfolg zu versagen.

D - Zu den die Dauer der Zuwiderhandlung betreffenden Klagegründen (Rechtssachen T-259/02, T-261/02 und T-263/02)

a) Vorbringen der Parteien

464 Die RZB, die BAWAG und die PSK halten es für unverhältnismäßig, dass der Ausgangsbetrag wegen der Dauer der Vereinbarungen um 35 % erhöht wurde. Sie tragen vor, die Zahl der Gesprächsrunden und die Intensität der Abstimmung zwischen den Banken hätten 1997 und 1998 abgenommen; ein Aufschlag von 10 % pro Jahr stelle nach den Leitlinien das Maximum dar, um das der Ausgangsbetrag erhöht werden könne. Die BAWAG und die PSK weisen ferner darauf hin, dass bei Zuwiderhandlungen, die weniger als ein Jahr dauerten, keine Erhöhung der Geldbuße zulässig sei. Die Kommission habe es bei der Anwendung eines Erhöhungssatzes von 10 % pro Jahr in rechtswidriger Weise unterlassen, von dem ihr nach den Leitlinien zustehenden Ermessen Gebrauch zu machen.

b) Würdigung durch das Gericht

465 Nach Artikel 15 Absatz 2 letzter Unterabsatz der Verordnung Nr. 17 ist bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Folglich muss die Dauer der Zuwiderhandlung im Allgemeinen erhebliche Auswirkungen auf den Grundbetrag der Geldbuße haben. Dies steht, sofern keine besonderen Umstände vorliegen, einer rein symbolischen Erhöhung des Ausgangsbetrags wegen der Dauer der Zuwiderhandlung entgegen. Wenn eine Vereinbarung mit wettbewerbswidrigem Zweck nicht umgesetzt wird, ist daher gleichwohl zu berücksichtigen, wie lange sie bestand, d. h. wie groß der Zeitraum von ihrem Abschluss bis zu ihrer Beendigung war (oben in Randnr. 167 angeführtes Urteil FETTCSA, Randnr. 280).

466 Dem Vorbringen der Klägerinnen, dass nach den Leitlinien der Ausgangsbetrag wegen der Dauer der Zuwiderhandlung nicht um mehr als 10 % pro Jahr erhöht werden dürfe, kann nicht gefolgt werden. Die Leitlinien sehen eine solche Obergrenze nur für Verstöße von langer Dauer vor, während sie für Verstöße von mittlerer Dauer (in der Regel zwischen einem und fünf Jahren) bei 50 % des Ausgangsbetrags liegt, was einen Erhöhungssatz von mehr als 10 % pro Jahr nicht ausschließt. Das Vorbringen der Klägerinnen, eine Erhöhung um 10 % des Ausgangsbetrags pro Jahr müsse Ausnahmefällen vorbehalten bleiben, greift daher nicht durch. Auch der Vorwurf, die Kommission habe von dem ihr bei der Festsetzung des zusätzlichen Betrages im Rahmen der Obergrenze zustehenden Ermessen keinen Gebrauch gemacht, ist unbegründet.

467 Zu der Behauptung, dass die Intensität der den Klägerinnen zur Last gelegten Zuwiderhandlung abgenommen habe, ist daran zu erinnern, dass eine Erhöhung der Geldbuße nach Maßgabe der Dauer nicht auf den Fall beschränkt ist, dass zwischen der Dauer und einer erhöhten Schädigung der mit den Wettbewerbsregeln verfolgten Zielen der Gemeinschaft ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001 in den Rechtssachen T-202/98, T-204/98 und T-207/98, Tate & Lyle u. a./Kommission, Slg. 2001, II-2035, Randnr. 106; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 30. September 2003 in der Rechtssache T-203/01, Michelin/Kommission, Slg. 2003, II-4071, Randnr. 278).

468 Somit greifen die die Erhöhung des Ausgangsbetrags wegen der Dauer der Zuwiderhandlung betreffenden Klagegründe nicht durch.

E - Zu den mildernden Umständen

1. Vorbemerkungen

469 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, die von ihnen während des Verwaltungsverfahrens angeführten mildernden Umstände nicht berücksichtigt zu haben.

470 Erstens machen die RZB (Rechtssache T-259/02), die BAWAG (Rechtssache T-261/02), die PSK (Rechtssache T-263/02), die ÖVAG und die NÖ-Hypo (Rechtssache T-271/02) geltend, die Zuwiderhandlung sei fahrlässig und nicht vorsätzlich begangen worden. Wie oben in den Randnummern 201 bis 211 festgestellt, ist diese Rüge unbegründet. Zweitens tragen die BAWAG, die PSK und die Erste Bank (Rechtssache T-264/02) vor, die Vereinbarungen seien nicht umgesetzt worden. Soweit sich ihr Vorbringen auf die gesamte Zuwiderhandlung und nicht auf das individuelle Verhalten der Klägerinnen bezieht, ist es im Zusammenhang mit der Beurteilung der eigentlichen Schwere der Zuwiderhandlung geprüft worden (siehe oben, Randnrn. 289 bis 295). Gleiches gilt drittens für das in den Rechtssachen T-259/02, T-261/02 und T-263/02 als mildernder Umstand geltend gemachte Argument, die Zuwiderhandlung habe nur geringfügige Auswirkungen gehabt; auch dieses Argument gehört zur Beurteilung der eigentlichen Schwere der Zuwiderhandlung (siehe oben, Randnrn. 231 bis 233).

471 Viertens rügen die RZB, die BAWAG, die PSK, die ÖVAG und die NÖ-Hypo, dass die Kommission ihre individuelle Rolle im Kartell falsch beurteilt habe. Fünftens verweisen mehrere Banken auf die sofortige Einstellung der Zuwiderhandlung nach den Nachprüfungen. Sechstens führen die BAWAG, die PSK und die Erste Bank aus, die Kommission hätte berücksichtigen müssen, dass berechtigte Zweifel an der Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Banken bestanden hätten. Siebentens schließlich wirft die Erste Bank der Kommission vor, die Krise des österreichischen Bankensektors nicht als mildernden Umstand berücksichtigt zu haben.

472 Vor der Prüfung der vorstehend aufgezählten Rügen ist daran zu erinnern, dass sich die Kommission bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen an ihre eigenen Leitlinien halten muss. Diese schreiben der Kommission aber nicht vor, alle in Nummer 3 der Leitlinien aufgeführten mildernden Umstände stets gesondert zu berücksichtigen; die Kommission ist nicht verpflichtet, insoweit automatisch eine zusätzliche Herabsetzung zu gewähren, weil die Frage, ob eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände angemessen ist, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Weg einer Gesamtwürdigung zu beurteilen ist.

473 Der Erlass der Leitlinien hat nämlich keine Auswirkungen auf die frühere Rechtsprechung, nach der die Kommission über ein Ermessen verfügt, das es ihr erlaubt, bei der Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht (vgl. in diesem Sinn Beschluss des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54, oben in Randnr. 166 angeführtes Urteil Ferriere Nord/Kommission, Randnrn. 32 und 33, und Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C-238/99 P, C-244/95 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I-8375, Randnr. 465; vgl. in diesem Sinn auch das oben in Randnr. 330 angeführte Urteil KNP BT/Kommission, Randnr. 68). Da sich aus den Leitlinien kein zwingender Anhaltspunkt dafür ergibt, welche mildernden Umstände berücksichtigt werden können, ist davon auszugehen, dass der Kommission ein gewisser Spielraum verblieben ist, um im Weg einer Gesamtwürdigung über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände zu entscheiden.

2. Zur Rolle bestimmter Klägerinnen bei den Gesprächsrunden (Rechtssachen T-259/02, T-260/02, T-261/02, T-263/02 und T-271/02)

a) Vorbringen der Parteien

474 Die RZB (Rechtssache T-259/02) trägt vor, die Vereinbarungen hätten im Wesentlichen nichts mit ihren eigenen Bankgeschäften zu tun gehabt, so dass sie daran kein eigenes Interesse gehabt habe; ihr Beitrag zu den Gesprächsrunden habe sich auf die Weiterleitung von Informationen an die übrigen Banken des Raiffeisensektors beschränkt und sei im Vergleich zum Beitrag der anderen Banken, auf deren eigene Tätigkeiten sich die Vereinbarungen bezogen hätten, unbedeutend gewesen. Ihre Stellung sei mit der eines "Kartellwächters" vergleichbar, d. h. eines Unternehmens, dessen Rolle sich auf die Überwachung der Einhaltung des Kartells und auf Teilnahmehandlungen wie Informationsweiterleitung, Koordination und Kontrolle beschränke.

475 Die PSK (Rechtssache T-263/02) macht geltend, ihre Rolle sei aufgrund der Beschränkungen ihrer Geschäftstätigkeit unbedeutend gewesen, während die PSK-B nur ein verschwindend geringes wirtschaftliches Gewicht gehabt habe. Sie hätten an bestimmten Gesprächsrunden überhaupt nicht und an den übrigen nur geringfügig oder passiv teilgenommen. Die PSK-B habe sich an den Gesprächsrunden nur sporadisch beteiligt (15 % der 335 Gesprächsrunden, für die der Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Teilnehmerliste beigefügt wurde). Die Kommission habe die individuelle Teilnahme der PSK und der PSK-B nicht gesondert gewürdigt, obwohl sie ihnen gesonderte Geldbußen auferlegt habe.

476 Die ÖVAG und die NÖ-Hypo (Rechtssache T-271/02) führen aus, sie seien als "Mitläufer" einzustufen. Sie verweisen erneut auf die Existenz eines "engeren Kreises von Banken" (siehe oben, Randnr. 145), innerhalb dessen sich die größten Banken vor den Gesprächsrunden abgestimmt und Entscheidungen getroffen hätten, denen sich die übrigen Kartellmitglieder (wie die ÖVAG und die NÖ-Hypo) ohne Einflussmöglichkeit auf ihren Inhalt nur hätten anschließen können.

477 Die BA-CA (Rechtssache T-260/02) trägt - ohne sich ausdrücklich auf mildernde Umstände zu berufen - vor, sie habe sich nicht absprachegemäß verhalten, und zwischen den Absprachen und ihrer eigenen Zinspolitik habe kein Kausalzusammenhang bestanden. Die BAWAG (Rechtssache T-261/02) beruft sich auf ihre Rolle als "Konditionenbrecherin", deren systematische Missachtung der Vereinbarungen die Arbeit der Gesprächsrunden empfindlich gestört und zu Vergeltungsmaßnahmen und Kritik seitens der anderen Banken geführt habe. Sie rechtfertigt ihre Teilnahme an den Gesprächsrunden mit dem Erfordernis einer Teilhabe an den zahlreichen mit dem Wettbewerbsrecht vereinbaren Abstimmungen, die in diesem Rahmen stattgefunden hätten.

478 Unter Hinweis auf ihr Ermessen bei der Berücksichtigung mildernder Umstände vertritt die Kommission die Ansicht, es habe kein Anlass bestanden, der Rollenverteilung im Kartell Rechnung zu tragen, weil alle Teilnehmer in gleichem Maß von den Absprachen und dem Informationsaustausch profitiert hätten und die Teilnahme aller Banken von entscheidender Bedeutung für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Kartells gewesen sei.

479 In Bezug auf die RZB, die PSK und die PSK-B führt sie aus, deren Rolle bei den Gesprächsrunden sei nicht passiv oder unbedeutend gewesen. In der Rechtssache T-271/02 bestreitet sie nicht, dass es den von der ÖVAG und der NÖ-Hypo angeführten "engeren Kreis" gab, macht aber geltend, diese punktuellen Abstimmungen zwischen einem Teil der Kartellmitglieder seien nur vorbereitender Natur gewesen. Sie hebt die aktive Teilnahme der ÖVAG und der NÖ-Hypo an den Abstimmungen im Rahmen der wichtigsten Gesprächsrunden und die Bedeutung dieser Teilnahme für die Funktionsfähigkeit des Kartells hervor.

480 Die BAWAG habe nicht dargetan, dass sie gegen ihren Willen an der Zuwiderhandlung habe teilnehmen müssen; jedenfalls habe sie durch ihr Verhalten die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Absprachen der anderen Banken nicht in wesentlichem Umfang aufheben können, weil ihr Marktanteil nur 5 % betragen habe.

b) Würdigung durch das Gericht

Zum passiven Verhalten oder Mitläufertum (Rechtssachen T-259/02, T-263/02 und T-271/02)

481 Nach Nummer 3 erster Gedankenstrich der Leitlinien kann "ausschließlich passive Mitwirkung oder reines Mitläufertum" eines Unternehmens bei der Zuwiderhandlung, sofern erwiesen, einen mildernden Umstand darstellen.

482 Insoweit kann nach der Rechtsprechung als Anhaltspunkt für die passive Rolle eines Unternehmens innerhalb eines Kartells angesehen werden, dass dieses Unternehmen deutlich seltener als die gewöhnlichen Kartellmitglieder an den Treffen teilnahm (Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 343, oben in Randnr. 391 angeführtes Urteil Cheil Jedang/Kommission, Randnr. 168, und oben in Randnr. 331 angeführtes Urteil Tokai I, Randnr. 331).

483 Die Kommission hat die Adressaten der angefochtenen Entscheidung aber gerade wegen ihrer häufigen Teilnahme an den von ihr als besonders wichtig angesehenen Gesprächsrunden ausgewählt (vgl. Randnr. 470 der Entscheidung), wobei aus der von der Kommission vorgelegten Aufstellung der Teilnahme der verschiedenen Banken an diesen Gesprächsrunden hervorgeht, dass die RZB, die PSK und die ÖVAG an etwa 70 % der (insgesamt 126) Treffen teilnahmen, die PSK-B an etwa 30 % und die NÖ-Hypo an etwa 40 %; dies kann nicht als sporadisch eingestuft werden (siehe oben, Randnr. 146). Dass die PSK-B seltener an anderen Gesprächsrunden teilnahm, rechtfertigt keine andere Schlussfolgerung.

484 Zum Vorwurf der ÖVAG und der NÖ-Hypo, die Rolle eines "engeren Kreises von Banken", der das Kartell geleitet habe, sei falsch beurteilt worden, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Existenz vorheriger Abstimmungen zwischen den großen Banken nicht außer Acht gelassen hat und dass ihre Entscheidung, anderen Gesprächsrunden entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der jeweiligen Rolle der Kartellmitglieder beizumessen, keine Verfahrens- oder Begründungsmängel erkennen lässt. Die ÖVAG und die NÖ-Hypo haben auch nicht dargetan, dass die Kommission Fehler im Tatsächlichen oder einen Ermessensmissbrauch begangen hat oder dass sie einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie sich dafür entschied, auf die "institutionalisierten" Treffen der verschiedenen Gesprächsrunden des "Lombard-Netzwerks" abzustellen (siehe oben, Randnrn. 144 und 145).

485 Was das Verhalten der Banken bei den Treffen angeht, so führen die RZB, die PSK, die ÖVAG und die NÖ-Hypo weder konkrete Umstände noch Beweise wie Erklärungen anderer Kartellmitglieder an, die belegen könnten, dass ihr Verhalten bei den fraglichen Treffen rein passiv oder bloßes Mitläufertum war und sich damit erheblich vom Verhalten der übrigen Banken unterschied.

486 Außerdem ist, wenn ein Unternehmen, auch ohne eine aktive Rolle zu spielen, an einem oder mehreren Treffen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilgenommen hat, davon auszugehen, dass es am Kartell beteiligt war, sofern es nicht beweist, dass es sich offen von der rechtswidrigen Abstimmung distanziert hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 2000, II-491, im Folgenden: Zement-Urteil, Randnr. 3199 und die dort genannte Rechtsprechung). Durch ihre Teilnahme an den Gesprächsrunden haben die Klägerinnen dem Inhalt der dort getroffenen wettbewerbswidrigen Vereinbarungen grundsätzlich zugestimmt oder bei den anderen Teilnehmern zumindest diesen Eindruck erweckt (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T-50/00, Dalmine/Kommission, Slg. 2004, II-2395, Randnr. 296). 487 Überdies wird in den Randnummern 539 bis 541 der angefochtenen Entscheidung anerkannt, dass gewisse Unterschiede zwischen den Rollen der verschiedenen Banken bei den Gesprächsrunden bestanden und dass insbesondere die großen Banken und Bankengruppen eine wichtigere Rolle sowohl bei den Einladungen zu den Gesprächsrunden als auch bei deren Ablauf spielten. Darin heißt es jedoch, dass die entsprechende Differenzierung, soweit die Rolle der einzelnen Banken oder Bankengruppen mit ihrer Marktposition korreliere, bereits im Rahmen der Kategorienbildung berücksichtigt worden sei. Die Klägerinnen haben nicht dargetan, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hat, als sie diese Differenzierung als ausreichend ansah, um die Rolle der verschiedenen Banken innerhalb des Kartells widerzuspiegeln (vgl. analog dazu das oben in Randnr. 167 angeführte Urteil FETTCSA, Randnr. 293), und das Gericht hält es auch nicht für angebracht, davon in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung abzuweichen.

488 Diese Differenzierung genügt auch, um der Behauptung der RZB und der PSK Rechnung zu tragen, dass sie kein eigenes Interesse an den Absprachen über von ihnen selbst nicht getätigte Bankgeschäfte gehabt hätten. Im Fall der RZB kann die Beurteilung ihrer Rolle innerhalb des Kartells nicht von der Beurteilung ihrer Rolle als Spitzeninstitut getrennt werden; die Rügen in Bezug auf die Berücksichtigung dieser Rolle sind oben in den Randnummern 367 bis 407 verworfen worden. In Bezug auf die PSK und die PSK-B ist festzustellen, dass die von der PSK im vorliegenden Zusammenhang geltend gemachten Umstände bei der Einteilung in Kategorien berücksichtigt wurden (siehe oben, Randnrn. 445 bis 454); dies genügt, um der Rolle der PSK und der PSK-B innerhalb des Kartells angemessen Rechnung zu tragen.

489 Schließlich ist es für die Beurteilung der passiven Rolle oder des Mitläufertums der Klägerinnen unerheblich, ob die Adressaten der angefochtenen Entscheidung von den Vereinbarungen einen Vorteil hatten. Zum einen kann auch ein Mitläufer von den Auswirkungen eines Kartells profitieren. Zum anderen kann die Tatsache, dass aus einer Zuwiderhandlung kein Vorteil gezogen wurde, keinen mildernden Umstand darstellen, weil die verhängte Geldbuße sonst ihren abschreckenden Charakter verlieren würde (vgl. in diesem Sinn das oben in Randnr. 167 angeführte Urteil FETTCSA, Randnrn. 340 bis 342 und die dort genannte Rechtsprechung, und das oben in Randnr. 331 angeführte Urteil Tokai I, Randnr. 347).

Zur Rolle der BA-CA (Rechtssache T-260/02) und der BAWAG (Rechtssache T-261/02)

490 Nach Nummer 3 zweiter Gedankenstrich der Leitlinien kann auch die "tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen über Verstöße" einen mildernden Umstand darstellen. Die Tatsache, dass sich ein Unternehmen, dessen Beteiligung an einer Vereinbarung mit seinen Konkurrenten erwiesen ist, auf dem Markt nicht vereinbarungsgemäß verhalten hat, ist bei der Bestimmung der Höhe der zu verhängenden Geldbuße jedoch nicht zwangsläufig als mildernder Umstand zu berücksichtigen.

491 Ein Unternehmen, das trotz der Abstimmung mit seinen Konkurrenten eine mehr oder weniger unabhängige Marktpolitik verfolgt, versucht nämlich möglicherweise nur, das Kartell zum eigenen Vorteil zu nutzen (oben in Randnr. 324 angeführtes Urteil vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, Randnr. 142, und oben in Randnr. 262 angeführtes Urteil Cascades/Kommission, Randnr. 230), und ein Unternehmen, das sich von den Ergebnissen eines Treffens, an dem es teilgenommen hat, nicht distanziert, behält grundsätzlich seine volle Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell (oben in Randnr. 486 angeführtes Zement-Urteil, Randnr. 1389). Daher braucht die Kommission das Vorliegen eines mildernden Umstands in Form der Nichtumsetzung eines Kartells nur anzuerkennen, wenn das Unternehmen, das diesen Umstand geltend macht, nachweisen kann, dass es sich der Umsetzung des Kartells so eindeutig und nachdrücklich widersetzte, dass dadurch sogar dessen Funktionieren gestört wurde, und dass es der Vereinbarung auch nicht scheinbar zustimmte und dadurch andere Unternehmen zur Umsetzung des fraglichen Kartells veranlasste. Unternehmen könnten das Risiko, eine beträchtliche Geldbuße zahlen zu müssen, nämlich zu leicht minimieren, wenn sie zunächst von einem rechtswidrigen Kartell profitieren und anschließend eine Herabsetzung der Geldbuße mit der Begründung beanspruchen könnten, dass sie bei der Durchführung der Zuwiderhandlung nur eine begrenzte Rolle gespielt hätten, obgleich ihre Haltung andere Unternehmen dazu veranlasste, sich in stärkerem Maß wettbewerbsschädigend zu verhalten (oben in Randnr. 224 angeführtes Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnrn. 277 bis 279).

492 In Bezug auf die BA-CA geht aus den Akten nicht hervor, dass sie sich dem Abschluss von Vereinbarungen oder deren Umsetzung offen widersetzt hätte. Sie macht nämlich lediglich geltend, dass sich die bei bestimmten Gesprächsrunden gefassten Beschlüsse nicht auf die von ihr oder der früheren CA angewandten Zinssätze ausgewirkt hätten. Dieser Umstand kann nicht herangezogen werden, um die Geldbuße der BA-CA herabzusetzen.

493 Hinsichtlich der BAWAG ergeben die von ihr als Anlage zu ihrer Klageschrift vorgelegten Auszüge aus den Verwaltungsakten der Kommission kein einheitliches Bild ihres Verhaltens. So geht daraus hervor, dass die BAWAG ihren Kunden mehrmals einseitig bessere als die zwischen den Banken vereinbarten Konditionen anbot, teils zur Überraschung ihrer Konkurrenten oder abweichend von dem bei einer Gesprächsrunde angekündigten Verhalten, teils nach Ankündigung ihrer Absicht, die Vereinbarungen nicht einzuhalten. Bei einer dieser Gelegenheiten verhielten sich jedoch die CA und die Erste Bank genauso wie die BAWAG, die somit nicht das einzige Kartellmitglied war, das dabei ein eigenständiges Verhalten zeigte. Es gibt auch Beispiele für Treffen, bei denen die BAWAG zumindest teilweise oder in Bezug auf den Zeitpunkt der Umsetzung der vereinbarten Konditionen ihre Missbilligung zum Ausdruck brachte. Ihr Verhalten zwang andere Banken bisweilen, sich anzupassen oder zu prüfen, ob sie eine Vereinbarung unabhängig vom Verhalten der BAWAG umsetzen konnten; sie wurde insoweit kritisiert, wobei die anderen Banken erklärten, ihr Vertrauen in die BAWAG sei erschüttert, und deren Ausschluss von bestimmten Gesprächsrunden in Betracht gezogen wurde. Aus einer von der BAWAG selbst in anderem Zusammenhang angeführten Aktennote (siehe oben, Randnr. 294) geht jedoch hervor, dass sie gegen bestimmte Zweigstellen, die sich nicht an die Vereinbarungen hielten, Schritte einleitete.

494 Diese Dokumente zeigen, dass sich die BAWAG bisweilen ausdrücklich weigerte, an den Vereinbarungen teilzunehmen, und dass sie bei bestimmten Gelegenheiten das Kartell zu ihren Gunsten ausnutzte, während sie bei anderen Gelegenheiten die getroffenen Vereinbarungen einhielt. Trotz ihres begrenzten Marktanteils ist nicht ausgeschlossen, dass ihr Verhalten zudem in einigen Fällen die Umsetzung der Vereinbarungen durch die anderen Banken gestört haben könnte. Angesichts der Widersprüchlichkeit des Verhaltens der BAWAG ist aber nicht dargetan, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hätte, als sie sich weigerte, ihr einen mildernden Umstand zuzubilligen. Das Gericht hält es auch nicht für angebracht, die Geldbuße aus diesem Grund in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung herabzusetzen.

3. Zur Beendigung der Zuwiderhandlung (Rechtssachen T-259/02, T-261/02, T-263/02, T-264/02 und T-271/02)

a) Vorbringen der Parteien

495 Die RZB, die BAWAG, die PSK, die Erste Bank, die ÖVAG und die NÖ-Hypo werfen der Kommission vor, die Leitlinien nicht beachtet zu haben, weil sie nicht berücksichtigt habe, dass die Banken unmittelbar nach den Nachprüfungen die Gesprächsrunden eingestellt hätten. Die Kommission könne im vorliegenden Fall ihre Weigerung, diese Tatsache als mildernden Umstand im Sinn der Leitlinien zu betrachten, nicht mit der "Offenkundigkeit" der fraglichen Zuwiderhandlung begründen. Die ÖVAG und die NÖ-Hypo betonen insoweit, dass ihnen ein Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG nicht bewusst gewesen sei. Sie fügen hinzu, die Kommission habe die Begründungspflicht verletzt, weil aus der angefochtenen Entscheidung nicht ersichtlich sei, welche "besonderen Umstände" gegen die Berücksichtigung der sofortigen Beendigung der Zuwiderhandlung als mildernder Umstand sprächen.

496 Die Kommission führt aus, es gebe keinen Automatismus in dem Sinn, dass die Beendigung einer Zuwiderhandlung stets einen mildernden und ihre Fortsetzung einen erschwerenden Umstand darstelle. Im vorliegenden Fall könne die mutmaßliche Beendigung der Zuwiderhandlung nach ihren Nachprüfungen angesichts der langjährigen "Offenkundigkeit" des Verstoßes nicht als mildernder Umstand im Sinn der Leitlinien angesehen werden.

b) Würdigung durch das Gericht

497 Nach Nummer 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien gehört die "Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen)" zu den mildernden Umständen. Eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission kann jedoch nicht automatisch eintreten, sondern hängt von einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls durch die Kommission im Rahmen ihres Ermessens ab. Insoweit erscheint die Anwendung dieser Bestimmung der Leitlinien zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist (oben in Randnr. 224 angeführtes Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnr. 281, und Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005 in den Rechtssachen T-71/03, T-74/03, T-87/03 und T-91/03, Tokai Carbon u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 292 und 294).

498 Auch wenn die Kommission in der Vergangenheit die freiwillige Beendigung einer Zuwiderhandlung als mildernden Umstand angesehen hat, darf sie bei der Anwendung ihrer Leitlinien berücksichtigen, dass schwerwiegende offensichtliche Zuwiderhandlungen immer noch verhältnismäßig häufig sind, obwohl deren Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand; es steht ihr daher frei, diese großzügige Praxis aufzugeben und die Beendigung einer solchen Zuwiderhandlung nicht mehr durch eine Herabsetzung der Geldbuße zu belohnen (vgl. analog dazu das oben in Randnr. 213 angeführte Urteil MDF, Randnrn. 108 und 109).

499 Unter diesen Umständen hängt die Angemessenheit einer Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung der Zuwiderhandlung davon ab, ob die Banken vernünftige Zweifel an der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens haben konnten; dies wird anschließend in den Randnummern 500 ff. geprüft. Aus dem Vorstehenden folgt zudem, dass die Bezugnahme auf den offenkundigen Charakter der Zuwiderhandlung in Randnummer 529 der angefochtenen Entscheidung eine ausreichende Begründung für die von der Kommission getroffene Wahl darstellt.

4. Zum Vorliegen vernünftiger Zweifel an der Rechtswidrigkeit des wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens

a) Vorbringen der Parteien

500 Die BAWAG (Rechtssache T-261/02), die PSK (Rechtssache T-263/02) und die Erste Bank (Rechtssache T-264/02) sind der Ansicht, die Kommission hätte als mildernden Umstand berücksichtigen müssen, dass die Banken vernünftige Zweifel an der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens gehabt hätten. Sie berufen sich insoweit auf bestimmte von ihnen selbst, aber auch von anderen Klägerinnen vorgetragene Gesichtspunkte, mit denen sie die Einstufung der Zuwiderhandlung als "besonders schwer" in Frage stellen. Da diese Gesichtspunkte nicht geeignet sind, die eigentliche Schwere der Zuwiderhandlung zu mindern (siehe oben, Randnrn. 252 bis 263), ist in diesem Stadium noch zu prüfen, ob sie sich auf den Unrechtsgehalt des individuellen Verhaltens der Klägerinnen auswirken, die sie vorgetragen haben. Das dahin gehende Vorbringen der Klägerinnen betrifft insbesondere den historischen Hintergrund des Kartells und die Rolle der nationalen Behörden, die Tatsache, dass das österreichische Recht im fraglichen Zeitraum "Verhaltenskartelle", d. h. Vereinbarungen ohne Bindungswirkung, nicht verbot und eine sektorielle Ausnahme vom Kartellrecht zugunsten von Kreditinstituten vorsah, dass das Kartell nicht geheim war und dass die Republik Österreich erst kurz zuvor der Europäischen Union beigetreten war.

501 Die BAWAG, die PSK und die Erste Bank verweisen ferner auf die Entscheidungspraxis der Kommission, die in Bezug auf Kreditinstitute und insbesondere auf Vereinbarungen über Zinssätze unklar sei.

502 Die Erste Bank macht weiter geltend, die Banken hätten vernünftige Zweifel am grenzüberschreitenden Charakter ihres Verhaltens gehabt. Sie nimmt eine eingehende Analyse der Umstände vor, aus denen die Kommission in den Randnummern 30 bis 50 der angefochtenen Entscheidung schloss, dass den Banken die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bekannt gewesen sei, und führt aus, diese Umstände bewiesen nicht, dass den Banken die Möglichkeit einer Zuwiderhandlung während des gesamten relevanten Zeitraums oder in Bezug auf alle Treffen bekannt gewesen sei; Zweifel habe es nur für die Gesprächsrunden über grenzüberschreitende Geschäfte oder gegen Ende des relevanten Zeitraums gegeben.

b) Würdigung durch das Gericht

503 Anders als bei den Regeln, anhand deren zu klären ist, ob die Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen wurde (siehe oben, Randnrn. 205 bis 211), kommt es im vorliegenden Zusammenhang darauf an, ob den Klägerinnen vernünftigerweise hätte bewusst sein müssen, dass sie gegen Artikel 81 EG verstießen, und nicht nur darauf, ob sie Kenntnis von dem diese Zuwiderhandlung begründenden Sachverhalt hatten.

504 Es ist richtig, dass in der vorliegenden Rechtssache aufgrund des historischen Hintergrundes und des rechtmäßigen Ursprungs der Gesprächsrunden eine besondere Situation vorliegt. Es oblag jedoch den Klägerinnen als über beträchtliche Mittel verfügenden Kreditinstituten, sich auf die rechtlichen Folgen des Beitritts der Republik Österreich zur Europäischen Union vorzubereiten, die für sie keine Überraschung sein konnten. Sie mussten sich insbesondere rechtzeitig über den Inhalt der für sie geltenden Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts (sowie des EWR-Rechts) und die damit gegenüber dem österreichischen Recht verbundenen Neuerungen informieren. Die etwaige Zulässigkeit der Vereinbarungen nach nationalem Recht genügt daher für sich genommen nicht, um Raum für vernünftige Zweifel an der Vereinbarkeit ihres Verhaltens mit dem Gemeinschaftsrecht zu lassen.

505 Was die Teilnahme bestimmter staatlicher Stellen (OeNB, Finanzministerium und Wirtschaftskammer) an den Treffen angeht, so reichen die von den Klägerinnen vorgetragenen Gesichtspunkte nicht aus, um vernünftige Zweifel an der Vereinbarkeit der Gesprächsrunden mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu begründen. Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass unter bestimmten Gegebenheiten eine nationale Regelung oder ein Verhalten der nationalen Behörden mildernde Umstände darstellen können (vgl. analog dazu das oben in Randnr. 258 angeführte Urteil CIF, Randnr. 57), doch kann die Billigung oder Tolerierung der Zuwiderhandlung durch die österreichischen Behörden insbesondere angesichts der Mittel, über die die Banken verfügen, um sich genaue und korrekte Rechtsauskünfte zu verschaffen, im vorliegenden Fall insoweit nicht berücksichtigt werden.

506 Dem Vorbringen, die Klägerinnen hätten vernünftigerweise annehmen können, dass ihre Vereinbarungen zulässig seien, weil das Kartell nicht geheim gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Die Presseartikel, auf die sich die BA-CA und die Erste Bank stützen, zeigen zwar, dass der "Lombardclub" und in geringerem Maß bestimmte andere Gesprächsrunden den interessierten Kreisen bekannt waren und dass die Existenz von Abstimmungen der Zinssätze kein Geheimnis war. Dies genügt aber nicht als Nachweis dafür, dass das Kartell in seinem ganzen Ausmaß öffentlich bekannt war. Die RZB und die BA-CA, die die Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung für rechtswidrig halten, haben im Übrigen auf Fragen des Gerichts bestätigt, dass der genaue Inhalt der Erörterungen bei den Gesprächsrunden nicht öffentlich bekannt gewesen sei.

507 Die Banken behaupten auch zu Unrecht, dass Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Anwendbarkeit von Artikel 81 EG auf Bankzinsen bestanden habe, die zu vernünftigen Zweifeln an der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens Anlass gegeben habe. Selbst wenn man unterstellt, dass der Standpunkt der Kommission zu solchen Vereinbarungen während der achtziger Jahre mehrdeutig war, macht die (in Fußnote 425 der angefochtenen Entscheidung zitierte) Presseerklärung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds vom 16. November 1989 deutlich, dass nach Ansicht der Kommission Vereinbarungen über Bankzinsen "den Wettbewerb in gleicher Weise beschränken wie Preisabsprachen" und "vermieden oder aufgegeben werden sollten". Zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Österreich zur Europäischen Union bestand somit in diesem Punkt keine Ungewissheit mehr.

508 Die BAWAG und die PSK können die Relevanz dieser Stellungnahme nicht mit der Begründung in Frage stellen, dass sie keine rechtliche Bindungswirkung habe und auf bestimmte rechtliche Aspekte der Anwendung von Artikel 81 EG, insbesondere die Spürbarkeit der Auswirkungen solcher Vereinbarungen auf den Wettbewerb, die Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels und die Möglichkeit einer Freistellung, nicht ausdrücklich eingehe. In den von den Klägerinnen als Beleg für die Existenz von Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Zinsabsprachen herangezogenen Rechtsakten hat die Kommission ihren Standpunkt zu solchen Absprachen offen gelassen; es handelt sich nicht um bindende Rechtsakte, in denen sie die Anwendbarkeit von Artikel 81 EG verneint hätte. Außerdem betreffen die Fragen nach der Spürbarkeit der Auswirkungen auf den Wettbewerb und der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht speziell die Zinsabsprachen, während die Frage, ob eine Freistellung möglich ist, durch eine Anmeldung hätte geklärt werden können. Im Übrigen kann die Tatsache, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung erstmals eine Geldbuße wegen Absprachen über Zinssätze verhängt hat, als solche nicht als mildernder Umstand eingestuft werden.

509 Schließlich kann ein etwaiger Zweifel der Klägerinnen am grenzüberschreitenden Charakter der Vereinbarungen im vorliegenden Fall nicht als vernünftiger Zweifel betrachtet werden.

5. Zur Krise im Bankensektor (Rechtssache T-264/02)

510 Was schließlich die von der Ersten Bank angeführte strukturelle Krise im österreichischen Bankensektor angeht, so ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, die schlechte Finanzlage des betroffenen Sektors als mildernden Umstand zu berücksichtigen (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-16/99, Lögstör Rör/Kommission, Slg. 2002, II-1633, Randnrn. 319 und 320). Die Kommission muss nicht deshalb, weil sie in früheren Rechtssachen die wirtschaftliche Situation des Sektors als mildernden Umstand berücksichtigt hat, diese Praxis unbedingt fortsetzen (oben in Randnr. 196 angeführtes Urteil ICI/Kommission, Randnr. 372). Kartelle entstehen nämlich im Allgemeinen gerade dann, wenn eine Branche in Schwierigkeiten ist.

6. Ergebnis

511 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Rügen der Klägerinnen in Bezug auf die Beurteilung mildernder Umstände durch die Kommission unbegründet sind.

F - Zu den auf eine falsche Beurteilung der Mitteilung über Zusammenarbeit gestützten Klagegründen

1. Angefochtene Entscheidung

512 Die Kommission hat die Zusammenarbeit der Banken anhand von Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit bewertet. Sie hat ihre Geldbußen gemäß Abschnitt D Nummer 2 zweiter Gedankenstrich um 10 % herabgesetzt, weil sie den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellten Sachverhalt nicht bestritten haben (Randnrn. 558 und 559 der angefochtenen Entscheidung). Dagegen hat sie eine Herabsetzung nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich abgelehnt; danach kann die Geldbuße niedriger festgesetzt werden, wenn "ein Unternehmen der Kommission vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte Informationen, Unterlagen oder andere Beweismittel liefert, die zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes beitragen".

513 Zu den Antworten auf die Auskunftsverlangen hat die Kommission die Ansicht vertreten, weil weder die Bekanntgabe der Daten und Teilnehmer der Gesprächsrunden noch die Übermittlung von Unterlagen über die Gesprächsrunden freiwillig erfolgt sei, könnten sie nicht als Zusammenarbeit eingestuft werden. Zu den Antworten auf Fragen, die auf den Inhalt von Kartellbesprechungen abzielten, führt die Kommission aus, die Entscheidung stütze sich nur auf bereits vorhandene Unterlagen, so dass diese Antworten keinen Mehrwert gebracht hätten (Randnrn. 545 und 546 der angefochtenen Entscheidung).

514 In Bezug auf die gemeinsame Sachverhaltsdarstellung durch die Banken ist sie der Auffassung, diese habe gegenüber dem rechtlich geschuldeten Maß keinen Mehrwert gebracht. Sie erkennt an, dass die gemeinsame Sachverhaltsdarstellung über die verlangten Auskünfte hinausgehe, indem der historische Kontext des Netzwerks ausführlich beschrieben und der Inhalt der einzelnen Gesprächsrunden zusammengefasst werde. Diese Darstellung habe aber nicht zur Aufklärung des Sachverhalts, sondern mehr zur Verteidigung der Banken gedient, wobei der Sachverhalt verharmlost worden sei; insbesondere hätten die Banken keine genauen Zins- oder Gebührensätze genannt, bei der Beschreibung bestimmter Gesprächsrunden die Wirklichkeit beschönigt, die verschiedenen Gesprächsrunden isoliert dargestellt und die Leitungsfunktion des "Lombardclubs" bestritten.

515 Zu den mit der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung vorgelegten Schriftstücken führt die Kommission aus, die Banken seien nicht in der Lage gewesen, auf ihre Anfrage anzugeben, welche Schriftstücke neue Tatsachen enthielten und welche bereits bei den Nachprüfungen sichergestellt worden seien oder aufgrund der Auskunftsverlangen hätten übermittelt werden müssen; daher hätten diese Schriftstücke trotz ihrer großen Zahl und ihrer chronologischen Reihenfolge keinen Mehrwert gebracht. Sie wirft den Banken ferner vor, nicht alle angeforderten Dokumente übermittelt zu haben. Sie nennt dabei das Protokoll der "Haller Bankenrunde" am 25. Mai 1998, das sie im Januar 2001 von einem anonymen Informanten erhalten habe, und Protokolle, die mit der Antwort auf die ergänzenden Beschwerdepunkte vorgelegt worden seien (Randnrn. 547 bis 557 der angefochtenen Entscheidung).

2. Vorbringen der Parteien

516 Mit Ausnahme der RLB (Rechtssache T-262/02) machen alle Klägerinnen geltend, die Kommission habe es rechtswidrig unterlassen, insbesondere die Antworten auf die an sie gerichteten Auskunftsverlangen und die Vorlage der diesen beigefügten Schriftstücke sowie die gemeinsame Sachverhaltsdarstellung und die Vorlage der dieser beigefügten Schriftstücke als freiwillige Zusammenarbeit nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit mit einer Herabsetzung der Geldbuße um 10 % bis 50 % zu honorieren.

517 In der Rechtssache T-259/02 ist die RZB der Ansicht, ihre Zusammenarbeit sei einer spontanen Zusammenarbeit nach Abschnitt B oder C der Mitteilung über Zusammenarbeit gleichzustellen; außerdem habe sie den rechtswidrigen Zweck der Zuwiderhandlung eingestanden. In der Rechtssache T-260/02 rügt die BA-CA, dass die Kommission 33 Aktenordner mit über 10 000 Seiten zusätzlicher Dokumente, die sie im April 1999 vorgelegt habe, sowie die zusätzlichen Auskünfte in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte außer Acht gelassen habe.

518 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, als Voraussetzung für die Berücksichtigung der Zusammenarbeit einen "Mehrwert" verlangt zu haben. Dabei handele sich um eine unzulässige rückwirkende Anwendung der Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3).

519 Ihre Zusammenarbeit mittels der Antworten auf die Auskunftsverlangen und der Vorlage der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung sei insofern freiwillig gewesen, als sie weit über das hinausgegangen sei, was die Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 habe verlangen können; sie habe jedenfalls die Arbeit der Kommission beträchtlich erleichtert.

520 Zu den Antworten auf die Auskunftsverlangen machen die Klägerinnen geltend, die Kommission habe ihnen Fragen gestellt, die im Hinblick auf ihre Verteidigungsrechte unzulässig gewesen seien und auf die sie nicht hätten antworten müssen. Sie tragen mit Ausnahme der RZB (Rechtssache T-259/02) vor, dies sei der Fall gewesen bei Fragen nach

- der Vorlage interner Schriftstücke (Aktenvermerke, Protokolle usw.) zu bestimmten Treffen

- oder, falls es solche Schriftstücke nicht gebe, der Schilderung des Inhalts dieser Treffen.

Zum anderen seien "Catch-all"-Fragen unzulässig, mit denen sie aufgefordert worden seien,

- die Daten (einschließlich der Daten des ersten und des letzten Treffens) und Teilnehmer (Namen, Unternehmen, Funktion) zahlreicher namentlich aufgeführter Gesprächsrunden sowie "allfälliger weiterer regelmäßig stattfindender Gesprächsrunden" und von sämtlichen Bundesländerrunden oder regionalen Runden (für jedes Bundesland einzeln) anzugeben sowie

- der Kommission alle - offiziellen oder inoffiziellen - Protokolle, Aktenvermerke, Korrespondenzen oder sonstige Schriftstücke vorzulegen (soweit sie nicht bereits im Zug der Nachprüfung sichergestellt wurden), die sich auf Zusammenkünfte, Gespräche oder andere Kontakte jeder Bank mit anderen österreichischen Kreditinstituten im Rahmen der in der vorhergehenden Frage angeführten Gesprächsrunden bezögen (seien sie vor, während oder nach solchen Kontakten angefertigt worden).

521 Nach Ansicht der Banken sind ihre Antworten auf diese unzulässigen Fragen und die Vorlage der verlangten Schriftstücke als freiwillige Zusammenarbeit einzustufen. Die BA-CA (Rechtssache T-260/02) trägt vor, dies gelte sogar für alle Antworten auf das Auskunftsverlangen, weil die Antworten auf die zulässigen Fragen in engem Zusammenhang mit den Antworten auf die unzulässigen Fragen gestanden hätten. Die RZB macht ferner geltend, alle Antworten der Banken seien als freiwillig einzustufen, weil die Kommission keine Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 erlassen habe.

522 Zur gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung führen die Klägerinnen aus, die darin enthaltenen Informationen und die ihr beigefügten Schriftstücke gingen weit über die Auskünfte und Schriftstücke hinaus, die Gegenstand der Auskunftsverlangen gewesen seien.

523 Die Klägerinnen heben den Nutzwert ihrer Zusammenarbeit für die Untersuchung der Kommission hervor. Die Antworten auf die unzulässigen Fragen und die gemeinsame Sachverhaltsdarstellung hätten neue Tatsachen enthalten, denn die Kommission sei über mehrere Gesprächsrunden unterrichtet worden, von denen sie trotz der Nachprüfungen nichts gewusst habe. In der Erwiderung haben mehrere Klägerinnen eine Liste von 36 in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Schriftstücken vorgelegt, die erstmals mit der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung übermittelt worden seien.

524 Auch unabhängig von solchen neuen Anhaltspunkten habe ihre Zusammenarbeit jedenfalls die Arbeit der Kommission beträchtlich erleichtert. Zum einen seien die Antworten auf die Auskunftsverlangen sehr eingehend gewesen. Zum anderen wäre es ohne die gemeinsame Sachverhaltsdarstellung, in der alle Tatsachen und Unterlagen mit großen Kosten und hohem Aufwand zusammengestellt und geordnet worden seien und die der Kommission kurz nach Beginn der Untersuchung übergeben worden sei, für die Kommission sehr schwer gewesen, die Beziehungen zwischen den einzelnen von verschiedenen Banken stammenden Informationen und Schriftstücken zu verstehen. Es gebe Beispiele dafür, dass die Kommission wiederholt die Beschreibung der Gesprächsrunden in dieser Darstellung und die ihr beigefügten Schriftstücke herangezogen habe, insbesondere in Bezug auf Tatsachen, die ihr aufgrund der Nachprüfungen und der Antworten auf die Auskunftsverlangen nicht bekannt gewesen seien. Es treffe nicht zu, dass die gemeinsame Darstellung des Sachverhalts zu dessen Verharmlosung gedient habe. Die Nichtvorlage des Protokolls eines einzigen lokalen Treffens, an dem mehrere von ihnen nicht teilgenommen und von dem sie gar nichts gewusst hätten, beeinträchtige den Nutzwert der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung nicht, und die in Beantwortung der ergänzenden Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegten Schriftstücke seien irrelevant.

525 Die BAWAG und die PSK (Rechtssachen T-261/02 und T-263/02) sind ferner der Ansicht, die Ermäßigung um 10 % für das Nichtbestreiten des Sachverhalts sei im Hinblick auf die Entscheidungspraxis der Kommission zu gering.

526 Die Kommission macht im Wesentlichen geltend, die von den Klägerinnen sowohl in ihren Antworten auf die Auskunftsverlangen als auch im Rahmen der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung gelieferten Auskünfte und Schriftstücke hätten gegenüber den Angaben, zu deren Übermittlung die Banken nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet gewesen seien, keinen Mehrwert gebracht. Selbst wenn man unterstelle, dass ein Teil der im Rahmen der Auskunftsverlangen gestellten Fragen über das hinausgegangen sei, was sie von den Banken habe verlangen können, sei dies unerheblich, weil die angefochtene Entscheidung ausschließlich auf vorhandenen Schriftstücken beruhe.

3. Würdigung durch das Gericht

a) Vorbemerkungen

527 Einleitend ist das Vorbringen der RZB zu verwerfen, dass ihre Zusammenarbeit anhand der Abschnitte B oder C der Mitteilung über Zusammenarbeit gewürdigt werden müsse.

528 Da diese Zusammenarbeit nach Abschluss der Nachprüfungen der Kommission stattfand, ist Abschnitt B der Mitteilung, der den Fall betrifft, dass ein Unternehmen der Kommission eine geheime Absprache anzeigt, bevor sie eine Nachprüfung vorgenommen hat, nicht anwendbar. Was Abschnitt C angeht, der dann zur Anwendung kommt, wenn ein Unternehmen "die geheime Absprache anzeigt, nachdem die Kommission aufgrund einer Entscheidung bei den am Kartell beteiligten Unternehmen eine Nachprüfung vorgenommen hat, die keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hat", so kann aus der Tatsache, dass die Kommission im Anschluss an Nachprüfungen Auskünfte verlangt hat, nicht geschlossen werden, dass die Nachprüfungen keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines Verfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hätten. Außerdem waren, wie oben in Randnummer 506 ausgeführt, einige Aspekte des Kartells gar nicht geheim. Auch Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit ist daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

529 Sodann rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung eine Mitwirkung an der Untersuchung, die nicht über das hinausgeht, wozu die Unternehmen nach Artikel 11 Absätze 4 und 5 der Verordnung Nr. 17 verpflichtet sind, keine Herabsetzung der Geldbuße (Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnrn. 341 und 342, und oben in Randnr. 262 angeführtes Urteil Cascades/Kommission, Randnr. 260). Dagegen ist eine solche Herabsetzung gerechtfertigt, wenn das Unternehmen Auskünfte gegeben hat, die weit über das hinausgehen, was die Kommission nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 verlangen kann (oben in Randnr. 262 angeführtes Urteil Cascades/Kommission, Randnrn. 261 und 262, und Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T-230/00, Daesang und Sewon Europe/Kommission, Slg. 2003, II-2733, Randnr. 137).

530 Überdies ist nach ständiger Rechtsprechung die Herabsetzung einer Geldbuße wegen Kooperation nur gerechtfertigt, wenn das Verhalten eines Unternehmens der Kommission die Wahrnehmung ihrer Aufgabe erleichtert hat, Zuwiderhandlungen gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen (vgl. das oben in Randnr. 333 angeführte Urteil KTS, Randnr. 270 und die dort genannte Rechtsprechung, und Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T-48/00, Corus UK/Kommission, Slg. 2004, II-2325, Randnr. 193); außerdem muss das Verhalten ein Zeichen echter Zusammenarbeit sein (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 395 und 396).

531 Das Gericht hat daher zum einen zu prüfen, ob die Kommission falsch beurteilt hat, inwieweit die Zusammenarbeit der Banken im vorliegenden Fall über das nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 erforderliche Maß hinausging. Insoweit übt es eine umfassende Kontrolle aus, die insbesondere die Grenzen betrifft, die sich aus den Verteidigungsrechten der Unternehmen für ihre Pflicht zur Beantwortung von Auskunftsverlangen ergeben.

532 Zum anderen hat das Gericht zu prüfen, ob die Kommission im Hinblick auf die Mitteilung über Zusammenarbeit den Nutzen einer Kooperation für den Nachweis der Zuwiderhandlung korrekt beurteilt hat. Innerhalb der durch diese Mitteilung vorgegebenen Grenzen verfügt die Kommission über ein Ermessen bei der Beurteilung der Frage, ob Auskünfte oder Schriftstücke, die die Unternehmen freiwillig geliefert haben, ihre Aufgabe erleichtert haben und ob einem Unternehmen ein Nachlass gemäß dieser Mitteilung zu gewähren ist (oben in Randnr. 189 angeführtes Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Randnrn. 393 und 394). Diese Beurteilung unterliegt nur einer beschränkten gerichtlichen Kontrolle.

533 Die Kommission darf bei der Ausübung ihres Ermessens aber nicht den Grundsatz der Gleichbehandlung außer Acht lassen, der verletzt ist, wenn gleiche Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden und eine Differenzierung nicht objektiv gerechtfertigt ist (oben in Randnr. 333 angeführtes Urteil KTS, Randnr. 237; vgl. auch Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-31/99, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, Slg. 2002, II-1881, Randnr. 240 und die dort genannte Rechtsprechung, und das oben in Randnr. 331 angeführte Urteil Tokai I, Randnr. 394). Nach diesem Grundsatz darf die Kommission die Zusammenarbeit der von ein und derselben Entscheidung betroffenen Unternehmen nicht unterschiedlich behandeln

534 Dagegen kann allein aus der Tatsache, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis bei einem bestimmten Verhalten die Geldbuße in bestimmtem Umfang herabgesetzt hat, nicht abgeleitet werden, dass sie verpflichtet wäre, bei der Beurteilung eines ähnlichen Verhaltens im Rahmen eines späteren Verwaltungsverfahrens eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen (vgl. in Bezug auf einen mildernden Umstand das oben in Randnr. 205 angeführte Urteil Mayr-Melnhof/Kommission, Randnr. 368, und das Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-319/94, Fiskeby Board/Kommission, Slg. 1998, II-1331, Randnr. 82, sowie in Bezug auf die Zusammenarbeit Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-15/99, Brugg Rohrsysteme/Kommission, Slg. 2002, II-1613, Randnr. 193).

b) Zu den Antworten auf die Auskunftsverlangen

Zum Fehlen einer Entscheidung nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 (Rechtssache T-259/02)

535 Zunächst greift das Vorbringen der RZB nicht durch, dass die Antworten auf die Auskunftsverlangen in vollem Umfang als freiwillige Zusammenarbeit zu berücksichtigen seien, weil die Kommission an die Banken keine Entscheidungen nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 gerichtet habe.

536 Sollen durch ein Auskunftsverlangen nach Artikel 11 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 Informationen erlangt werden, deren Offenlegung die Kommission durch eine Entscheidung nach Absatz 5 dieses Artikels fordern kann, so kann allein die Schnelligkeit der Antwort des betreffenden Unternehmens als freiwillig eingestuft werden. Es ist Sache der Kommission, zu beurteilen, ob diese Schnelligkeit ihre Arbeit in einer Weise erleichtert hat, die eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigt; die Mitteilung über Zusammenarbeit verpflichtet sie nicht, die Geldbuße aus diesem Grund systematisch herabzusetzen.

Zur Beurteilung der Freiwilligkeit der Antworten auf die Auskunftsverlangen

537 Der Umfang der von der Kommission nach Artikel 11 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 17 an die verschiedenen Banken gerichteten Auskunftsverlangen schwankte zwischen 30 Fragen (BA-CA) und drei Fragen (ÖVAG und PSK-B). Die von den Banken beantworteten Fragen in den detailliertesten Auskunftsverlangen betrafen u. a.

- für spezielle Treffen bestimmter Gesprächsrunden

- die Angabe der Teilnehmer (Namen, Unternehmen, Funktion);

- die Vorlage aller sie betreffenden internen Schriftstücke (Aktenvermerke, Memos, Gesprächsprotokolle);

- die Beschreibung des Inhalts der Gespräche, soweit er sich nicht aus den vorgelegten Schriftstücken ergab;

- für namentlich genannte Gesprächsrunden

- die Angabe der Daten ihrer Treffen, einschließlich des ersten und des letzten Treffens, und der Teilnehmer;

- die Vorlage aller sie betreffenden Schriftstücke, soweit sie nicht bereits im Zug der Nachprüfung sichergestellt worden waren;

- für allgemein umschriebene Gesprächsrunden

- die Angabe der Daten, einschließlich des ersten und des letzten Treffens, und der Teilnehmer;

- die Vorlage aller sie betreffenden Schriftstücke, soweit sie nicht bereits im Zug der Nachprüfung sichergestellt worden waren;

- die Beschreibung des Inhalts der Gespräche;

- für "allfällige weitere regelmäßig stattfindende Gesprächsrunden" die Angabe der Daten, einschließlich des ersten und des letzten Treffens, und der Teilnehmer.

538 Die Auskunftsverlangen enthielten außerdem Ersuchen der folgenden Art:

- "Bitte legen Sie alle Protokolle, Aktenvermerke, Korrespondenz oder sonstigen Schriftstücke vor, die sich auf Zusammenkünfte, auf Gespräche oder auf andere Kontakte Ihres Unternehmens mit anderen österreichischen Kreditinstituten im Rahmen der unten angeführten Gesprächsrunden oder auf allfällige weitere regelmäßig stattfindende Gesprächsrunden beziehen (seien sie vor, während oder nach solchen Kontakten angefertigt worden). Nennen Sie bitte die Kalenderdaten (einschließlich des Datums des jeweils ersten und letzten Zusammentreffens) und die Teilnehmer (jeweils Namen, Unternehmen, Funktion." (es folgte eine Liste bestimmter Gesprächsrunden)

- "Bitte legen Sie sämtliche Schriftstücke (Korrespondenz, Anweisungen, Memos, Aktenvermerke, Rundschreiben etc.) sowie öffentliche Stellungnahmen Ihres Unternehmens im Zusammenhang mit Veränderungen der Aktiv- und Passivkonditionen, mit Werbemaßnahmen, mit der Gestaltung von Gebühren und mit der Einführung der 'Zinsgleitklausel' im Zeitraum Jänner 1994 bis zum heutigen Tag vor."

539 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Kommission ein Unternehmen durch ein Auskunftsverlangen nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 nicht zu Antworten verpflichten, mit denen es das Vorliegen der Zuwiderhandlung eingestehen müsste, für die die Kommission den Nachweis zu erbringen hat (Urteil des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1989 in der Rechtssache 374/87, Orkem/Kommission, Slg. 1989, 3283, Randnr. 35; Urteil des Gerichts vom 20. Februar 2001 in der Rechtssache T-112/98, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Slg. 2001, II-729, Randnr. 67). Gleichwohl darf sie die Unternehmen zwingen, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihnen eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und erforderlichenfalls die in ihrem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln, selbst wenn diese dazu verwendet werden können, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten zu erbringen. Die Kommission kann die Unternehmen somit verpflichten, rein tatsächliche Fragen zu beantworten und vorhandene Unterlagen vorzulegen (Urteile Orkem/Kommission, Randnr. 34, und Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnr. 65).

540 Auskunftsverlangen, mit denen ein Unternehmen aufgefordert wird, Gegenstand und Ablauf von Treffen, an denen es teilgenommen haben soll, sowie deren Ergebnisse oder Schlussfolgerungen zu schildern, wenn der Verdacht besteht, dass Gegenstand dieser Treffen die Einschränkung des Wettbewerbs war, sind dagegen mit den Verteidigungsrechten unvereinbar, weil solche Auskunftsverlangen das betreffende Unternehmen zwingen können, seine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zuzugeben (vgl. das oben in Randnr. 539 angeführte Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnrn. 71 bis 73 und die dort genannte Rechtsprechung, und das oben in Randnr. 331 angeführte Urteil Tokai I, Randnrn. 402, 403, 406 und 407).

541 Folglich war die Kommission berechtigt, von den Banken durch Auskunftsverlangen nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 die Angabe der Daten der Gesprächsrunden und ihrer Teilnehmer zu fordern. Dies gilt nicht nur für die Gesprächsrunden, hinsichtlich deren die Kommission nach den Nachprüfungen über genaue Informationen wie ihre Bezeichnung und die Daten bestimmter Treffen verfügte, sondern auch für alle anderen Gesprächsrunden, weil die Kommission im Anschluss an die Nachprüfungen zahlreiche Anhaltspunkte für die Existenz eines Netzwerks von Vereinbarungen im Rahmen einer Vielzahl von Gesprächsrunden über alle Bankprodukte hatte. Unter diesen Umständen können die Antworten auf Verlangen, mit denen tatsächliche Auskünfte über alle Gesprächsrunden angefordert wurden, nicht als freiwillig eingestuft werden, so dass die Kommission durch ihre Weigerung, sie als freiwillige Zusammenarbeit zu berücksichtigen, keinen Rechtsfehler begangen hat.

542 Wie sodann aus Randnummer 546 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, hat die Kommission die Freiwilligkeit der Antworten auf Fragen nach dem Inhalt der Kartelltreffen anerkannt.

543 Zur Frage, ob die Kommission einen Rechtsfehler begangen hat, als sie in Randnummer 546 der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertrat, dass die Übermittlung von Schriftstücken in Beantwortung der Auskunftsverlangen nicht freiwillig geschehen sei, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im Interesse der praktischen Wirksamkeit von Artikel 11 Absätze 2 und 5 der Verordnung Nr. 17 berechtigt ist, das Unternehmen zu verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und ihr erforderlichenfalls die in seinem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln, selbst wenn sie dazu verwendet werden können, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten des betreffenden oder eines anderen Unternehmens zu erbringen (oben in Randnr. 539 angeführtes Urteil Orkem/Kommission, Randnr. 34, Urteil des Gerichtshofes vom 29. Juni 2006 in der Rechtssache C-301/04 P, Kommission/SGL Carbon, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 41, und oben in Randnr. 539 angeführtes Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnr. 65)

544 Folglich kann die Vorlage von Schriftstücken in Bezug auf die in den Auskunftsverlangen genannten Treffen nicht als freiwillige Zusammenarbeit eingestuft werden, weil die Kommission die Banken durch ein Auskunftsverlangen nach Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 zur Vorlage dieser Schriftstücke hätte verpflichten können (oben in Randnr. 543 angeführtes Urteil Kommission/SGL Carbon, Randnr. 44). Die Rüge, dass die Kommission in Bezug auf die Freiwilligkeit der Vorlage dieser Schriftstücke einen Rechtsfehler begangen habe, greift daher nicht durch.

545 Im Übrigen würde Gleiches jedenfalls auch bei einer abweichenden Beurteilung der Freiwilligkeit der Vorlage dieser Schriftstücke gelten.

546 Würden die von den Banken auf die Auskunftsverlangen vorgelegten Schriftstücke als freiwillige Zusammenarbeit berücksichtigt, so könnte dies nämlich im vorliegenden Fall nicht zu einer größeren Herabsetzung der Geldbußen als den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung bereits gewährten 10 % führen.

547 Insoweit geht aus den Antworten der BAWAG, der PSK, der Ersten Bank und der Kommission auf Fragen des Gerichts, deren Richtigkeit von den übrigen Klägerinnen nicht in Abrede gestellt worden ist, hervor, dass die Kommission im Anschluss an ihre Nachprüfungen über etwa 5 000 Seiten von Dokumentenkopien verfügte, die zum Nachweis von Existenz, Funktionsweise, Teilnehmern, Dauer und Umfang des Kartells im Rahmen des "Lombardclubs" und zur Ermittlung der wichtigsten Gesprächsrunden relevant waren. Es ist zwar richtig, dass die Klägerinnen in Beantwortung der Auskunftsverlangen 11 000 Seiten Dokumente vorgelegt haben, doch bestreiten sie nicht, dass sich darunter bei zahlreichen Dokumenten mehrere Kopien befinden und dass die Antworten auf die Auskunftsverlangen zahlreiche Dokumente enthielten, über die die Kommission aufgrund der Nachprüfungen bereits verfügte. Die Klägerinnen haben in ihren Antworten auf die Fragen des Gerichts auch nicht angegeben, wie hoch der Anteil der auf die Auskunftsverlangen vorgelegten Dokumente war, die bei den Nachprüfungen nicht beschlagnahmt worden waren und deren Vorlage einem Eingeständnis der Zuwiderhandlung gleichkam.

548 Hierzu ergibt sich aus einer von der Ersten Bank vorgelegten und von den übrigen Parteien nicht beanstandeten Übersicht, dass 44 % der Bezugnahmen auf Schriftstücke in der angefochtenen Entscheidung Dokumente betreffen, die bei den Nachprüfungen gefunden wurden. Dies belegt die Bedeutung dieser Schriftstücke für die Feststellung der Zuwiderhandlung. Sie wird dadurch bestätigt, dass die Kommission in der Lage war, sehr eingehende Auskunftsverlangen an die Banken zu richten. Diese Auskunftsverlangen zeigen, dass die Kommission Indizien oder Beweismittel für sehr viele Treffen der wichtigsten Gesprächsrunden entdeckt hatte. Hinzu kommt, dass die Kommission zwar zahlreiche Fragen gestellt hat, zu deren Beantwortung die Betroffenen nicht hätten gezwungen werden können - was sie auch nicht bestreitet -, doch gilt dies nicht für Fragen nach den Daten der Treffen und den Namen der Teilnehmer. Die Klägerinnen hätten daher verpflichtet werden können, der Kommission Informationen zu liefern, die es ihr ermöglicht hätten, die bei den Nachprüfungen beschlagnahmten Schriftstücke den verschiedenen Gesprächsrunden zuzuordnen und so ihre Bedeutung und ihren Beweiswert zu ermitteln.

549 Dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf Schriftstücke Bezug genommen hat, die in Beantwortung der Auskunftsverlangen vorgelegt wurden, belegt überdies nicht, dass sie über diese Schriftstücke nicht schon aufgrund der Nachprüfungen verfügte. Die Kommission hat nämlich unwidersprochen ausgeführt, dass sie es vorgezogen habe, die von den Klägerinnen in geordneter Form vorgelegten Schriftstücke anzuführen, unabhängig davon, ob sie sich zuvor bereits in den Akten befunden hätten.

550 Außerdem haben diejenigen Klägerinnen, die den Beweiswert der genannten Schriftstücke analysiert haben, nur wenige Dokumente angeführt, denen sie erhöhten Beweiswert beimessen. So machen die BAWAG und die PSK geltend, dass 37 der von ihnen auf die Auskunftsverlangen vorgelegten Schriftstücke - von fast 900 in der angefochtenen Entscheidung zitierten Schriftstücken - erhöhten Beweiswert hätten. Sie machen aber nicht geltend, dass diese Schriftstücke zur Untermauerung der wesentlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung erforderlich gewesen seien.

551 Die Klägerinnen haben somit nicht nachgewiesen, dass die in Beantwortung der Auskunftsverlangen vorgelegten Schriftstücke erforderlich waren, um der Kommission die Ermittlung aller wesentlichen Gesprächsrunden zu ermöglichen, oder dass ohne sie die bei den Nachprüfungen erlangten Schriftstücke nicht ausgereicht hätten, um die Zuwiderhandlung im Wesentlichen nachzuweisen und eine Bußgeldentscheidung zu erlassen.

c) Zur Würdigung der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung

552 Die Kommission hat in Randnummer 553 der angefochtenen Entscheidung anerkannt, dass die Banken in der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung freiwillig umfassendere als die von ihnen verlangten Auskünfte gegeben hatten.

553 Sie hat die Berücksichtigung dieser Zusammenarbeit von der Existenz eines Mehrwerts in Form der Mitteilung "neuer Tatsachen" oder von das Verständnis der Sache fördernden Erläuterungen abhängig gemacht; damit hat sie das ihr zustehende Ermessen bei der Prüfung der Frage, ob eine Zusammenarbeit nach Abschnitt D Nummer 2 erster Gedankenstrich der Mitteilung über Zusammenarbeit "zur Feststellung des Vorliegens eines Verstoßes bei[trägt]", nicht überschritten. Weder die Mitteilung über Zusammenarbeit noch die oben in Randnummer 530 angeführte Rechtsprechung verpflichtet nämlich die Kommission, eine Geldbuße wegen einer praktischen oder logistischen Unterstützung ihrer Untersuchung herabzusetzen.

554 Zu der Frage, ob die Kommission bei ihrer Beurteilung der Tragweite und des Wertes dieser Zusammenarbeit falsch beurteilt hat, inwieweit die als Anlage zur gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung vorgelegten Schriftstücke gegenüber den Anlagen zu den Antworten auf die Auskunftsverlangen "neu" waren, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Banken im Verwaltungsverfahren nicht in der Lage sahen, der Kommission die hierzu gewünschten Erläuterungen zu geben (siehe oben, Randnr. 19). Unter diesen Umständen kann der Kommission insoweit kein Fehler angelastet werden.

555 Die Kommission war sodann berechtigt, bei ihrer Würdigung des Nutzens der freiwilligen Zusammenarbeit der Banken zu berücksichtigen, dass diese ihr mit der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung nicht alle Unterlagen über die Gesprächsrunden geliefert hatten (siehe oben, Randnr. 515). Die Unvollständigkeit der Anlagen zur gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung beeinträchtigte nämlich deren Verlässlichkeit und minderte ihren Nutzen für die Arbeit der Kommission.

556 Die Kommission hatte auch zu beurteilen, ob die in der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung gegebenen Erläuterungen ihr Verständnis der Sache förderten; das Gericht kann diese Beurteilung nur bei einem offensichtlichen Fehler beanstanden. Die Kommission war insoweit zu der Annahme berechtigt, dass die Banken dieses Dokument zur Darlegung ihrer eigenen Sichtweise der Gesprächsrunden benutzt hatten, d. h. als Verteidigungsmittel. Es ist in der Tat natürlich und legitim, dass ein von einer Untersuchung der Kommission betroffenes Unternehmen in dieser Weise vorgeht. Folglich kann ein solches Dokument, ganz unabhängig von seinem konkreten Inhalt, der Kommission ihre eigene Untersuchung des Falles sowie ihre eigene Analyse und Bewertung des Sachverhalts und der Beweismittel nicht ersparen.

557 Dass die Kommission bei der Abfassung der angefochtenen Entscheidung auf die von den Banken als Anlage zur gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung geordnet vorgelegten Kopien von Unterlagen und nicht auf die Kopien, die sie sich selbst durch die Nachprüfungen und Auskunftsverlangen beschafft hatte, sowie auf den redaktionellen Teil der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung zurückgegriffen hat, belegt unter diesen Umständen nicht, dass die gegebenen Erläuterungen die inhaltliche Arbeit der Kommission erleichtert hätten, auch wenn die Sachbehandlung durch die Kommission in technischer Hinsicht erleichtert worden sein mag.

558 Somit ist den Rügen der Klägerinnen in Bezug auf die Würdigung der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung durch die Kommission der Erfolg zu versagen.

d) Zu den speziellen Rügen der RZB und der BA-CA

Zum Eingeständnis des wettbewerbswidrigen Zweckes der Zuwiderhandlung durch die RZB

559 Das Vorbringen der RZB, die Kommission hätte ihr ausdrückliches Eingeständnis des wettbewerbswidrigen Zweckes berücksichtigen müssen, greift nicht durch. Die Anerkennung der Existenz eines Kartells kann zwar die Arbeit der Kommission während der Untersuchung stärker erleichtern als die bloße Anerkennung des wesentlichen Sachverhalts, so dass die Kommission Unternehmen, die den Sachverhalt eingeräumt haben, anders behandeln darf als Unternehmen, die auch die Existenz eines Kartells eingeräumt haben (oben in Randnr. 333 angeführtes Urteil KTS, Randnr. 270). Die Kommission ist jedoch zu einer solchen Unterscheidung nicht verpflichtet. Sie hat in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein solches Eingeständnis ihre Arbeit tatsächlich erleichtert hat. Der wettbewerbswidrige Zweck des hier in Rede stehenden Verhaltens ergibt sich aber für die meisten Treffen, deren Existenz alle Banken eingeräumt haben, schon aus ihrem Gegenstand, die Preise oder andere Wettbewerbsparameter abzustimmen. Das ausdrückliche Eingeständnis dieses Zweckes fügt dem nichts hinzu. Die Kommission war daher im vorliegenden Fall nicht verpflichtet, die Geldbuße aus diesem Grund herabzusetzen.

Zu den zusätzlichen von der BA-CA geltend gemachten Umständen

560 In Bezug auf die 33 Aktenordner, die über 10 000 Seiten an Dokumenten enthielten und der Kommission im April 1999 von der BA-CA übersandt wurden, ist festzustellen, dass die Banken durch die Vorlage der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung alle bestrebt waren, in gleicher Weise an der Untersuchung mitzuwirken, so dass zur Wahrung der Gleichbehandlung im Rahmen der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit eine etwaige Herabsetzung der Geldbuße aus diesem Grund für alle gleich ausfallen muss (oben in Randnr. 333 angeführtes Urteil KTS, Randnr. 270). Unter diesen Umständen kann die Vorlage zusätzlicher Unterlagen durch eine der Banken eine weitere Herabsetzung ihrer individuellen Geldbuße nur rechtfertigen, wenn diese Zusammenarbeit im Verhältnis zu den von allen Unternehmen gemachten Angaben tatsächlich neue und nützliche Elemente erbracht hat. Außerdem ist, wie die Kommission zutreffend ausführt, der Wert dieser zusätzlichen Unterlagen umgekehrt proportional zum Wert der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung: War Letztere erschöpfend, so kann die Beibringung neuer Dokumente durch die BA-CA nicht bedeutsam gewesen sein, während im umgekehrten Fall der Nutzen der gemeinsamen Sachverhaltsdarstellung als begrenzt anzusehen ist.

561 Hierzu geht aus den Antworten der BA-CA auf Fragen des Gerichts hervor, dass von den über 10 000 vorgelegten Seiten 33 Dokumente in der angefochtenen Entscheidung genannt wurden. Der Wert einer freiwilligen Zusammenarbeit hängt aber nicht von der Zahl der vorgelegten Dokumente ab, sondern von ihrer Bedeutung und ihrem Nutzen für die Feststellung der Zuwiderhandlung. Es kann nicht automatisch anerkannt werden, dass die Vorlage von über 10 000 Seiten an Dokumenten, von denen nur 33 zu denen gehören, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, die Arbeit der Kommission erleichtert hat. Die von der BA-CA vorgelegten Dokumente können zwar, auch ohne in der angefochtenen Entscheidung genannt worden zu sein, zum Nachweis der Zuwiderhandlung beigetragen haben, doch stellt die Verwendung der Dokumente ein wichtiges Indiz für ihren Nutzen dar, wie die BA-CA im Übrigen schriftsätzlich selbst eingeräumt hat. Angesichts dessen, dass die Kommission der BA-CA zufolge in der Sachverhaltsdarstellung der angefochtenen Entscheidung 892 Dokumente anführt, ist der Beitrag durch die von der BA-CA vorgelegten zusätzlichen Unterlagen als begrenzt anzusehen. Dies gilt umso mehr, als die BA-CA nicht behauptet, dass die im April 1999 vorgelegten Dokumente für die wesentlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung entscheidend gewesen wären. Sie trägt zwar vor, in 21 Fällen beruhten die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung ausschließlich auf einem der von ihr im April 1999 vorgelegten Dokumente. In sechs dieser Fälle wurde das von der BA-CA angeführte Dokument jedoch zusammen mit anderen Dokumenten zitiert, ohne dass die Klägerin nähere Angaben gemacht hätte, die eine Prüfung der jeweiligen Bedeutung der verschiedenen Schriftstücke ermöglichten. In zwei weiteren Fällen beziehen sich die Dokumente der BA-CA auf Beispiele für Abstimmungen, die im Rahmen des Gesamtkartells von untergeordneter Bedeutung sind (Randnrn. 65 und 66 der angefochtenen Entscheidung), und in einem Fall handelt es sich um eines von mehreren Protokollen desselben Treffens (Randnr. 248 der angefochtenen Entscheidung).

562 Unter diesen Umständen war die Kommission nicht verpflichtet, die Geldbuße der BA-CA aus diesem Grund weiter herabzusetzen.

563 Zum Nachweis dafür, dass die Kommission die von ihr vorgelegten Dokumente verwendet hat, beantragt die BA-CA, den federführend mit der Abfassung der angefochtenen Entscheidung betrauten Beamten der Kommission als Zeugen zu vernehmen. Da die Verwendung dieser Dokumente für sich genommen nicht belegt, dass ihre Vorlage die Arbeit der Kommission substanziell erleichtert hätte, ist dieses Beweisangebot für die Bewertung des Nutzens der genannten Dokumente nicht unmittelbar relevant. Dem Beweisantrag ist daher nicht stattzugeben.

564 Die BA-CA macht auch zu Unrecht geltend, dass die Kommission ihre Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als Zusammenarbeit hätte berücksichtigen müssen. Diese Erwiderung soll dem Unternehmen im Wesentlichen die Verteidigung seiner Rechte ermöglichen, so dass ihr Inhalt Gegenstand einer sehr aufmerksamen Prüfung durch die Kommission sein muss. Der Einfluss einer solchen Erwiderung auf die Entscheidung der Kommission zeigt, dass sie diese Verteidigungsfunktion erfüllt hat, bedeutet aber nicht, dass sie einen Mehrwert erbracht oder die Arbeit der Kommission erleichtert oder vereinfacht hätte.

e) Ergebnis

565 Die auf eine falsche Beurteilung der Mitteilung über Zusammenarbeit gestützten Klagegründe sind somit zu verwerfen.

566 Im Übrigen ist das Gericht angesichts der Schwere der Zuwiderhandlung, die das von der Kommission festgelegte Bußgeldniveau niedrig erscheinen lässt, im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung der Ansicht, dass die Zusammenarbeit der Klägerinnen im vorliegenden Fall keine zusätzliche Herabsetzung ihrer Geldbußen rechtfertigt.

G - Zur Verletzung von Verfahrensregeln (Rechtssache T-271/02)

567 Der von der ÖVAG und der NÖ-Hypo gestellte Hilfsantrag, die gegen sie verhängten Geldbußen wegen der rechtswidrigen Zulassung der FPÖ als Beschwerdeführerin und der Weiterleitung der Beschwerdepunkte an diese politische Partei herabzusetzen, greift nicht durch.

568 Bestimmte Verfahrensfehler können zwar bisweilen eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen, auch wenn sie nicht zur Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen können (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Dezember 1998 in der Rechtssache C-185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I-8417, Randnrn. 26 bis 48).

569 Nur Verfahrensfehler, die die Interessen der Partei, die sie geltend macht, erheblich beeinträchtigen können, vermögen jedoch eine Herabsetzung der Geldbuße zu rechtfertigen (oben in Randnr. 568 angeführtes Urteil Baustahlgewebe/Kommission, Randnr. 30). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es sich um Fehler handelt, die zu einer Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten führen. Eine solche Verletzung wird im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht; es ergibt sich auch nicht aus den Akten, dass das von den Banken beanstandete Verhalten der Kommission - im Unterschied zum Verhalten der FPÖ, deren Handlungen der Kommission nicht zuzurechnen sind - geeignet gewesen wäre, die Interessen der Banken gravierend zu verletzen. Folglich sind die im vorliegenden Fall behaupteten Unregelmäßigkeiten - ohne dass das Gericht über die Unzulässigkeit des Verhaltens der Kommission zu entscheiden braucht - nicht so gravierend, dass sie, ihr Nachweis unterstellt, eine Herabsetzung der Geldbuße rechtfertigen würden.

H - Ergebnis in Bezug auf die Anträge auf Herabsetzung der Geldbußen

570 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Klagegründe, die auf eine Herabsetzung der Geldbußen im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle abzielen, mit Ausnahme derjenigen, die die Richtigkeit der Feststellungen zum gemeinsamen Marktanteil der PSK und der PSK-B betreffen (siehe oben, Randnrn. 446 bis 452), zu verwerfen sind. Darüber hinaus ist das Gericht der Ansicht, dass kein Anlass besteht, die Geldbußen in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung aus anderen Gründen herabzusetzen.

571 In Bezug auf den Betrag der gemeinsamen Geldbuße für die PSK und die PSK-B ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung und unter Berücksichtigung der Dauer der Zuwiderhandlung und der Zusammenarbeit der Banken mit der Kommission der Ansicht, dass der Endbetrag der in Randnummer 560 und in Artikel 3 der Entscheidung gegen die PSK (einschließlich der PSK-B) verhängten Geldbuße um die Hälfte zu verringern ist. Somit ist die gemeinsame Geldbuße der PSK und der PSK-B auf 3 795 000 Euro festzusetzen.

V - Zum Antrag der Kommission auf Erhöhung der Geldbuße der RZB

572 In der Rechtssache T-259/02 hat die Kommission beantragt, das Gericht möge die Geldbuße der RZB erhöhen, weil diese in der Klageschrift erstmals bestritten habe, dass Absprachen der Banken über den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, über Dokumentengeschäfte und über den An- und Verkauf von Wertpapieren stattgefunden hätten.

573 Insoweit kommt es darauf an, ob das Verhalten der RZB die Kommission gezwungen hat, entgegen den Erwartungen, die sie vernünftigerweise aufgrund der Zusammenarbeit der RZB im Verwaltungsverfahren hegen durfte, vor Gericht eine Verteidigung gegen das Bestreiten von Zuwiderhandlungen auszuarbeiten und vorzubringen, von denen sie mit gutem Grund angenommen hatte, dass die RZB sie nicht mehr in Frage stellen werde.

574 Die Bedeutung, die den von der RZB bestrittenen Punkten nach der Systematik der angefochtenen Entscheidung zukommt, ist sehr gering. Entgegen dem Vorbringen der RZB ist nämlich das Vorliegen von Absprachen über die oben genannten grenzüberschreitenden Geschäfte für die Feststellung der Eignung des von der angefochtenen Entscheidung erfassten Kartells zur Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten nicht entscheidend (siehe oben, Randnrn. 177 und 178).

575 Die Kommission hat ihrer Entgegnung auf dieses Vorbringen der RZB drei Absätze ihrer Klagebeantwortung gewidmet. Zunächst hat sie die Argumentation der Klägerin zusammengefasst, dann darauf hingewiesen, dass die RZB erklärt habe, den Sachverhalt nicht bestreiten zu wollen, und schließlich ausgeführt, sie habe in der angefochtenen Entscheidung das Vorliegen der Absprachen nachgewiesen; die von der RZB beanstandeten Dokumente hätten nicht diesem Nachweis gedient, sondern als Beispiele für grenzüberschreitende Zahlungen. Die Ausarbeitung dieser Verteidigung erforderte daher von der Kommission keine besonderen Anstrengungen.

576 Unter diesen Umständen ist eine Erhöhung der Geldbuße im vorliegenden Fall nicht angebracht.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidungen, die FPÖ als Beschwerdeführerin zuzulassen und die Beschwerdepunkte an sie weiterzuleiten (Rechtssache T-271/02)

577 Der Hilfsantrag der ÖVAG und der NÖ-Hypo auf Nichtigerklärung der Entscheidungen, die FPÖ als Beschwerdeführerin zuzulassen und die Beschwerdepunkte an sie weiterzuleiten, ist als verspätet zurückzuweisen. Auf Fragen des Gerichts haben die ÖVAG und die NÖ-Hypo erklärt, sie seien über die Zulassung der FPÖ zum Verfahren und die Absicht, die Beschwerdepunkte an diese weiterzuleiten, mit Schreiben der Kommission vom 5. November 1999 informiert worden, während die Kommission ausführt, sie habe ihnen diese Information mit Schreiben vom 27. März 2001 übermittelt. Die Klage in der Rechtssache T-271/02 wurde aber am 2. September 2002 und damit in Bezug auf diese Entscheidungen jedenfalls zu spät erhoben.

Kostenentscheidung:

Kosten

578 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen in den Rechtssachen T-260/02 bis T-262/02, T-264/02 und T-271/02 mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen gemäß den Anträgen der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

579 Was die Rechtssachen T-259/02 und T-263/02 angeht, so kann das Gericht nach Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

580 In der Rechtssache T-259/02 ist die Klägerin mit ihrer Klage und die Kommission mit ihrer Widerklage unterlegen. Da Letztere nur auf die Erhöhung der Geldbuße um 10 % abzielte, ist die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen. Unter diesen Umständen hat sie ihre eigenen Kosten und 90 % der der Kommission entstandenen Kosten zu tragen, während die Kommission 10 % ihrer eigenen Kosten trägt.

581 In der Rechtssache T-263/02 trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. In der Rechtssache T-263/02 wird die in Artikel 3 der Entscheidung 2004/138/EG der Kommission vom 11. Juni 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag in der Sache COMP/36.571/D-1 - Österreichische Banken ("Lombard-Club") gegen die Österreichische Postsparkasse AG, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, verhängte Geldbuße auf 3 795 000 Euro herabgesetzt.

2. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

3. In der Rechtssache T-259/02 wird die Widerklage der Kommission abgewiesen.

4. In den Rechtssachen T-260/02 bis T-262/02, T-264/02 und T-271/02 tragen die Klägerinnen die Kosten.

5. In der Rechtssache T-259/02 trägt die Klägerin ihre eigenen Kosten und 90 % der der Kommission entstandenen Kosten. Die Kommission trägt 10 % ihrer eigenen Kosten.

6. In der Rechtssache T-263/02 trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 14. Dezember 2006.

Ende der Entscheidung

Zurück