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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.07.1999
Aktenzeichen: T-266/97
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 97/606/EG


Vorschriften:

EGV Art. 86
EGV Art. 43
Entscheidung 97/606/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 3 EG) verleiht der Kommission die Befugnis, festzustellen, daß eine bestimmte staatliche Maßnahme mit den Vorschriften des Vertrages unvereinbar ist, und anzugeben, welche Maßnahmen der Mitgliedstaat, an den die Entscheidung gerichtet ist, zu treffen hat, um seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Das Verfahren, das zum Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag führt, ist folglich ein gegen den betroffenen Mitgliedstaat eingeleitetes Verfahren, womit alle in Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 1 EG) genannten Unternehmen in diesem Verfahren als Dritte anzusehen sind. Schon aus diesem Grund befindet sich das durch die beanstandete staatliche Maßnahme begünstigte Unternehmen in einem Verfahren nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag nicht in einer ähnlichen Lage wie ein Unternehmen, gegen das ein Verfahren wegen Verstosses gegen die Artikel 85 oder 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG und 82 EG) anhängig ist.

2 Die Beachtung der Verteidigungsrechte ist in jedem Verfahren, das gegen eine Person eingeleitet wird und zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen kann, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muß auch dann sichergestellt sein, wenn eine besondere Regelung fehlt. Dieser Grundsatz gebietet es, daß der betroffene Mitgliedstaat vor Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 3 EG) eine genaue und vollständige Darstellung der ihm von der Kommission zur Last gelegten Beschwerdepunkte erhält und Gelegenheit hat, zu den Äusserungen beteiligter Dritter in zweckdienlicher Weise Stellung zu nehmen.

Ein in Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 1 EG) genanntes Unternehmen, das durch die gerügte staatliche Maßnahme unmittelbar begünstigt und im einschlägigen Gesetz namentlich bezeichnet ist, das ferner in der streitigen Entscheidung ausdrücklich genannt wird und das die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung unmittelbar betreffen, hat Anspruch darauf, im Verfahren von der Kommission gehört zu werden.

Um dieses Anhörungsrecht zu wahren, muß die Kommission dem durch die gerügte staatliche Maßnahme begünstigten Unternehmen förmlich die konkreten Beschwerden mitteilen, die sie in ihrem an den Mitgliedstaat gerichteten Mahnschreiben - und gegebenenfalls in dem weiteren Schriftwechsel - gegen die Maßnahme im einzelnen erhebt, und ihm Gelegenheit geben, sich in zweckdienlicher Weise zu diesen Beschwerdepunkten zu äussern. Die Beachtung des Anhörungsrechts erfordert es jedoch nicht, daß die Kommission dem durch die staatliche Maßnahme begünstigten Unternehmen Gelegenheit gibt, zu den Erklärungen Stellung zu nehmen, die der Mitgliedstaat, gegen den das Verfahren eingeleitet wurde, zu den gegen ihn erhobenen Beschwerden oder zu den Äusserungen beteiligter Dritter abgibt; sie braucht dem Unternehmen auch nicht förmlich eine Kopie der etwaigen Beschwerde, die das Verfahren veranlasst hat, zu übermitteln.

3 Eine Meinungsäusserung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds über ein anhängiges Verfahren gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 3 EG) ist, soweit sie streng persönlich ist und zurückhaltend formuliert wurde, nur diesem Mitglied zuzurechnen und greift der Beurteilung nicht vor, zu der das Kollegium der Kommissionsmitglieder am Ende des Verfahrens gelangt. Für die Tätigkeit der Kommission gilt nämlich nach Artikel 163 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 219 EG) das Kollegialprinzip. Dieses Prinzip beruht auf der Gleichheit der Kommissionsmitglieder bei der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung und besagt insbesondere, daß Entscheidungen gemeinsam erlassen werden.

4 Aus Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 3 EG) und aus dem Sinn und Zweck dieses gesamten Artikels ergibt sich, daß die Kommission in dem in den Absätzen 1 und 3 bezeichneten Bereich sowohl hinsichtlich des Tätigwerdens, das sie für erforderlich hält, als auch hinsichtlich der geeigneten Mittel ein weites Ermessen besitzt.

Stellt die Kommission einen Verstoß gegen Artikel 90 EG-Vertrag durch einen Mitgliedstaat fest, so kann sie zur Durchsetzung der Beachtung dieses Artikels an den betroffenen Staat auch dann eine geeignete Entscheidung richten, wenn aufgrund der Vermutung, daß die nationale Regelung dem Gemeinschaftsrecht zuwiderläuft, zuvor bereits mehrere Verfahren eröffnet worden waren.

5 Daß Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 1 EG) von der Existenz von Unternehmen ausgeht, die bestimmte besondere oder ausschließliche Rechte innehaben, kann nicht dahin verstanden werden, daß deshalb alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendig mit dem Vertrag vereinbar wären. Dies hängt vielmehr von den einzelnen Vorschriften ab, auf die Artikel 90 Absatz 1 verweist.

Unbeschadet der Anwendung von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag müssen somit Maßnahmen der Mitgliedstaaten in bezug auf die in Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag genannten Unternehmen mit den Vertragsbestimmungen, insbesondere mit Artikel 52 Absatz 1 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 Absatz 1 EG), in Einklang stehen.

Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag greift ein, wenn die Maßnahme eines Mitgliedstaats in seinem Gebiet die freie Niederlassung von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats beschränkt und gleichzeitig ein Unternehmen durch die Einräumung eines Exklusivrechts begünstigt, es sei denn, diese staatliche Maßnahme verfolgt einen mit dem Vertrag zu vereinbarenden berechtigten Zweck und ist dauerhaft durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses wie die Kulturpolitik oder die Aufrechterhaltung des Pluralismus gerechtfertigt. In einem solchen Fall muß die staatliche Maßnahme ausserdem geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zweckes zu gewährleisten, und darf nicht über das dafür Erforderliche hinausgehen.

Es genügt daher nicht, daß die Gewährung eines Exklusivrechts aus vertretbaren Gründen erfolgte, denn in diesem Fall könnte eine staatliche Maßnahme, mit der einem Unternehmen ein Exklusivrecht eingeräumt wurde, nicht mehr angegriffen werden, sofern die Gewährung dieses Rechts ursprünglich gerechtfertigt war, und auch die Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten könnten nicht mehr auf eine staatliche Maßnahme, mit der einem Unternehmen ein Exklusivrecht eingeräumt wurde, angewandt werden, selbst wenn die sich aus diesem Recht ergebenden Einschränkungen nicht mehr durch einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses gerechtfertigt wären.

6 Das Niederlassungsrecht gemäß Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) umfasst vorbehaltlich der vorgesehenen Ausnahmen und Bedingungen die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten jeder Art, die Gründung und Leitung von Unternehmen und die Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats. Der Begriff der Niederlassung im Sinne des EG-Vertrags ist also ein sehr weiter, der Gemeinschaftsangehörigen die Möglichkeit eröffnet, stabil und kontinuierlich am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen; die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Gemeinschaft im Bereich selbständiger Tätigkeiten wird dadurch gefördert. Artikel 52 EG-Vertrag steht jeder nationalen Regelung entgegen, die zwar ohne Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, aber die Ausübung der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen behindern oder weniger attraktiv machen kann.

7 Eine Handlung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel vorgenommen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen.

8 Die nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) vorgeschriebene Begründung muß die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle wahrnehmen kann.

Die Beanstandung des Fehlens oder der Unzulänglichkeit einer Begründung stellt die Rüge einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften dar, die sich von der Rüge der Unrichtigkeit der Gründe der angefochtenen Entscheidung unterscheidet, deren Kontrolle vielmehr zur Prüfung der Begründetheit dieser Entscheidung gehört.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste erweiterte Kammer) vom 8. Juli 1999. - Vlaamse Televisie Maatschapij NV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 3 EG) - Anspruch auf rechtliches Gehör - Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 1 EG) in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) - Exklusivrecht auf Ausstrahlung von Fernsehwerbung in Flandern. - Rechtssache T-266/97.

Parteien:

In der Rechtssache T-266/97

Vlaamse Televisie Maatschappij NV, Gesellschaft belgischen Rechts mit Sitz in Vilvoorde (Belgien), Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Francis Herbert und Dirk Arts, Brüssel, Zustellungsanschrift: Kanzlei des Rechtsanwalts Carlos Zeyen, 56-58, rue Charles Martel, Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Wouter Wils, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigten, Zustellungsbevollmächtigter: Carlos Gómez de la Cruz, Juristischer Dienst, Centre Wagner, Luxemburg-Kirchberg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung 97/606/EG der Kommission vom 26. Juni 1997 nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag über die Vergabe eines Exklusivrechts zur Ausstrahlung von Fernsehwerbung in Flandern (ABl. L 244, S. 18)

erläßtDAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

(Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter C. W. Bellamy, J. Pirrung, A. W. H. Meij und M. Vilaras,

Kanzler: A. Mair, Verwaltungsrat

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. November 1998,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Gemäß Artikel 127 der belgischen Verfassung sind der Rat der Französischen Gemeinschaft und der Rat der Flämischen Gemeinschaft für die Regelung der kulturellen Angelegenheiten ihrer jeweiligen Gemeinschaft zuständig.

2 Die flämische Mediengesetzgebung wurde durch einen Erlaß der flämischen Regierung vom 25. Januar 1995 zur Koordinierung der Dekrete über Rundfunk und Fernsehen geschaffen, die durch ein Dekret des Rates der Flämischen Gemeinschaft vom 23. Februar 1995 bestätigt wurde (Belgisch Staatsblad vom 30. Mai 1995, S. 15058; Berichtigung in Belgisch Staatsblad vom 31. Oktober 1995, S. 30555) (im folgenden: Kodex).

3 Der Kodex faßt insbesondere die Vorschriften der Dekrete vom 28. Januar 1987 über die Übertragung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen über die Rundfunk- und Fernsehkabelnetze und die Zulassung von nicht öffentlich-rechtlichen Fernsehgesellschaften (im folgenden: Dekret von 1987; Belgisch Staatsblad vom 19. März 1987, S. 4196), vom 12. Juni 1991 über Rundfunk- und Fernsehwerbung und Sponsoring (Belgisch Staatsblad vom 14. August 1991, S. 17730) und vom 4. Mai 1994 über die erforderlichen Genehmigungen für die Errichtung und Nutzung von Hörfunk- und Fernsehkabelnetzen und über die Förderung der Ausstrahlung und Herstellung von Fernsehprogrammen (Belgisch Staatsblad vom 4. Juni 1994, S. 15434) zusammen.

4 Die Artikel 39 bis 41 des Kodex bestimmen:

"Art. 39. Nach Stellungnahme des flämischen Medienrats kann die flämische Regierung gemäß den in diesem Kapitel festgelegten Voraussetzungen private Fernsehveranstalter zulassen.

Als Veranstalter können nur juristische Personen des Privatrechts mit Sitz im niederländischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt zugelassen werden.

Art. 40. Die privaten Fernsehveranstalter verfolgen den Gesellschaftszweck der Gestaltung von Programmen. Sie dürfen alle Handlungen ausführen, die unmittelbar oder mittelbar zur Verwirklichung dieses Zweckes beitragen.

Art. 41. Folgende Veranstalter können zugelassen werden:

1. ein privater Fernsehveranstalter, der sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richtet;

..."

5 Die Artikel 44 bis 50 des Kodex enthalten Vorschriften über private Fernsehveranstalter, die sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richten. Artikel 44 Absatz 1 Unterabsatz 1, der die Zulassungsvoraussetzungen regelt, lautet:

"Der private Fernsehveranstalter, der sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richtet, hat die Rechtsform einer Gesellschaft des privaten Rechts. Sein Gesellschaftskapital besteht ausschließlich aus Namensaktien. Es muß zu mindestens 51 % von Herausgebern von Tageszeitungen und Wochenblättern in niederländischer Sprache gezeichnet sein."

6 Gemäß Artikel 46 Absatz 1 wird "die Zulassung des privaten Fernsehveranstalters, der sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richtet, für achtzehn Jahre" erteilt.

7 In Artikel 80 Absätze 1 und 2 des Kodex heißt es:

"Rundfunk- und Fernsehveranstalter, die der Flämischen Gemeinschaft gehören oder von ihr zugelassen sind, dürfen Werbung nur mit Erlaubnis der flämischen Regierung ausstrahlen...

Die Erlaubnis zur Ausstrahlung von Werbung wird nur einem einzigen der Rundfunk- und Fernsehveranstalter erteilt, die der Flämischen Gemeinschaft gehören oder von ihr zugelassen sind. Dieses Exklusivrecht gilt auch für Werbung ohne Gewinnabsicht."

8 Gemäß den einschlägigen Bestimmungen wurde die Vlaamse Televisie Maatschappij (im folgenden: VTM oder Klägerin), eine private Fernsehgesellschaft niederländischer Sprache mit Sitz in Flandern, durch Entscheidung der flämischen Regierung vom 19. November 1987 für die Dauer von achtzehn Jahren als einziger privater Fernsehveranstalter zugelassen, der sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richtet.

9 Durch Königlichen Erlaß vom 3. Dezember 1987, bestätigt durch Entscheidung der flämischen Regierung vom 11. Dezember 1991, wurde der VTM für ebenfalls achtzehn Jahre auch die Genehmigung zur Ausstrahlung von Werbung gemäß Artikel 80 des Kodex erteilt.

10 Der andere Fernsehveranstalter, der sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richtet, die von der Flämischen Gemeinschaft kontrollierte öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehanstalt Belgische Radio en Televisie Nederlands (im folgenden: BRTN), darf keine Fernsehwerbung ausstrahlen.

11 Die VTM wurde 1987 durch neun Anteilseigner gegründet, die alle über Beteiligungen an den flämischen Printmedien verfügten und jeweils 11,1 % des Gesellschaftskapitals der VTM hielten.

12 Als die vorliegende Klage erhoben wurde, hielten nur noch vier Aktionäre das Kapital der VTM. Drei von ihnen sind Tochtergesellschaften der niederländischen Unternehmensgruppe Verenigde Nederlandse Uitgeverijen (im folgenden: VNU). Der vierte Aktionär, das Unternehmen Vlaamse Media Holding (im folgenden: VMH), hält 55,55 % der Aktien der Klägerin. Die größte und die drittgrößte Unternehmensgruppe der flämischen Presse, die Vlaamse Uitgevers Maatschappij NV und die Concentra Holding NV, sind nicht Aktionäre der VTM.

13 Nach der ursprünglichen Fassung des Dekrets von 1987 war die Aktienmehrheit des sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richtenden privaten Fernsehveranstalters den Herausgebern von Tageszeitungen und Wochenblättern in niederländischer Sprache mit Sitz in der Flämischen Region oder in der Region Brüssel-Hauptstadt vorbehalten. Die Bedingung, daß der Sitz der Anteilseigner in Flandern oder Brüssel liegen müsse, wurde aufgehoben, nachdem der Gerichtshof sie für mit dem Vertrag unvereinbar erklärt hatte (Urteil vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-211/91, Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-6757).

14 Am 16. Dezember 1994 erhob die VT4 Ltd (im folgenden: VT4), eine Gesellschaft englischen Rechts mit Sitz in London, die über Satellit Programme für das flämische Publikum ausstrahlt, bei der Kommission eine Beschwerde, mit der sie rügte, die VTM werde durch das Exklusivrecht zur Ausstrahlung von Fernsehwerbung in Flandern bevorzugt.

15 Am 13. Juli 1995 ersuchte die Kommission die belgische Regierung, zur Vereinbarkeit der flämischen Rechtsvorschriften, mit denen der VTM das Exklusivrecht zur Ausstrahlung von Fernsehwerbung in Flandern eingeräumt wurde, mit Artikel 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 EG) in Verbindung mit Artikel 59 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 49 EG) Stellung zu nehmen. Die Kommission gelangte letztlich zu dem Schluß, daß diese Vorschriften den Gemeinschaftsnormen über die Dienstleistungsfreiheit nicht zuwiderliefen, da sie die Ausstrahlung für die flämische Öffentlichkeit bestimmter Werbung Sendeanstalten, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig seien, nicht untersagten.

16 Mit Schreiben vom 10. Januar 1997 teilte die Kommission der belgischen Regierung mit, sie erachte das der VTM eingeräumte Exklusivrecht aus Gründen, die in dem Schreiben näher ausgeführt waren, für unvereinbar mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG), und bat die belgische Regierung um Stellungnahme.

17 Die flämischen Behörden beantworteten dieses Schreiben der Kommission am 11. Februar 1997.

18 Außer dem oben in Randnummer 16 genannten Verfahren richtete die Kommission am 15. Mai 1997 an die belgische Regierung eine mit Gründen versehene Stellungnahme, die das Erfordernis betraf, daß 51 % des Kapitals des sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft richtenden privaten Fernsehveranstalters Herausgebern von Tageszeitungen und Wochenblättern in niederländischer Sprache gehörten.

19 Am 26. Juni 1997 erließ die Kommission die Entscheidung 97/606/EG nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag über die Vergabe eines Exklusivrechts zur Ausstrahlung von Fernsehwerbung in Flandern (ABl. L 244, S. 18; im folgenden: angefochtene Entscheidung). Artikel 1 der Entscheidung lautet:

"Artikel 80 Absatz 2 und Artikel 41 Ziffer 1 des flämischen Kodex betreffend die Vorschriften für Hörfunk- und Fernsehprogramme, Werbung, Sponsoring und Kabelnetze, nach denen die flämische Regierung nur einem einzigen nicht öffentlich-rechtlichen Fernsehsender die Sendeerlaubnis für die gesamte Flämische Gemeinschaft zur Ausstrahlung von kommerzieller und nichtkommerzieller Werbung erteilen darf (im vorliegenden Fall ist dies die privatrechtliche Fernsehgesellschaft Vlaamse Televisie Maatschappij NV), sowie der Beschluß der flämischen Exekutive vom 19. November 1987 und der durch einen Beschluß der flämischen Exekutive vom 11. Dezember 1991 bestätigte Königliche Erlaß vom 3. Dezember 1987, durch den VTM als einzige nichtöffentliche Fernsehgesellschaft zugelassen wurde, die in der gesamten Flämischen Gemeinschaft senden darf und die Genehmigung zur Aufnahme von kommerzieller Werbung in ihre Programme erhielt, sind mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar."

Verfahren und Anträge der Parteien

20 Mit Klageschrift, die am 6. Oktober 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

21 Nach Anhörung der Parteien gemäß Artikel 51 seiner Verfahrensordnung hat das Gericht die Rechtssache auf Vorschlag der Ersten Kammer gemäß Artikel 14 der Verfahrensordnung an eine erweiterte Kammer verwiesen.

22 Das Gericht (Erste erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters die Eröffnung der mündlichen Verhandlung beschlossen und die Parteien im Wege verfahrensleitender Maßnahmen um Beantwortung bestimmter schriftlicher Fragen und um Vorlage bestimmter Schriftstücke gebeten. Die Parteien haben dem entsprochen.

23 In der Sitzung vom 20. November 1998 sind die Parteien angehört worden und haben Fragen des Gerichts beantwortet.

24 Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

25 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zur Begründetheit

26 Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe, mit denen sie erstens eine Verletzung der Rechte der Verteidigung, zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit und gegen Vorsorge- und Sorgfaltspflichten, drittens eine Verletzung von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag, viertens einen Ermessensmißbrauch und fünftens einen Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) rügt.

Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Rechte der Verteidigung

Zum ersten Teil des ersten Klagegrundes

- Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

27 Im Rahmen des ersten Teils dieses Klagegrundes macht die Klägerin im wesentlichen geltend, das von einer staatlichen Maßnahme im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag begünstigte Unternehmen sei im Verfahren des Erlasses einer Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag kein Dritter. Es müsse deshalb die gleichen Verteidigungsrechte besitzen wie der Mitgliedstaat. Vor Erlaß einer Entscheidung gemäß dieser Bestimmung seien dem Unternehmen deshalb außer einer genauen und vollständigen Darlegung der an den betroffenen Mitgliedstaat gerichteten Beschwerdepunkte alle Äußerungen beteiligter Dritter zu übermitteln (Urteil des Gerichtshofes vom 12. Februar 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-48/90 und C-66/90, Niederlande u. a./Kommission, Slg. 1992, I-565, Randnrn. 45 f.). Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen, da sie weder die Beschwerde der VT4 noch die Stellungnahme der flämischen Regierung zu den Rügen der Kommission in Kopie erhalten habe. Die Kommission habe sich außerdem bei ihren Darlegungen, aus welchen Gründen das Exklusivrecht nicht gerechtfertigt sei (Nr. 13 der Gründe der Entscheidung), auf diese Stellungnahme gestützt.

28 In ihrer Erwiderung führt die Klägerin aus, zwischen den Verteidigungsrechten des Mitgliedstaats, an den eine Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag gerichtet werde, und denen der durch die gerügte staatliche Maßnahme begünstigten Unternehmen dürfe kein Unterschied gemacht werden. Nichts im genannten Urteil Niederlande u. a./Kommission spreche dagegen, daß einem Unternehmen, das durch eine beanstandete staatliche Maßnahme begünstigt werde, nicht die gleichen Verteidigungsrechte zuzuerkennen seien wie einem, das Adressat einer Entscheidung nach Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG) oder Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG) sei.

29 Die Kommission räume auch ein, daß die Lage, in der sich die Klägerin befinde, ihrem Wesen nach der des Mitgliedstaats gleiche, an den die angefochtene Entscheidung gerichtet sei. Erstens nämlich lasse die Präambel der Entscheidung erkennen, daß die Kommission den belgischen Behörden und der Klägerin hinsichtlich der Verteidigungsrechte den gleichen Status zuerkannt habe. Zweitens habe die Kommission die Entscheidung auch nicht nur den belgischen Behörden, sondern ebenso der Klägerin zugestellt. Drittens habe die Kommission damit, daß sie die Zulässigkeit der Klage nicht bestritten habe, anerkannt, daß die Entscheidung die Klägerin im Sinne von Artikel 173 Absatz 4 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 230 Absatz 4 EG) unmittelbar und individuell betreffe und somit in ihre Rechtsstellung unmittelbar genauso eingreife, wie dies bei einer an die Klägerin selbst gerichteten Entscheidung der Fall wäre.

30 Schließlich habe die Kommission in einem Verfahren, das das in Flandern bestehende Rundfunkmonopol öffentlich-rechtlicher Anstalten betreffe, den durch die staatliche Maßnahme begünstigten Unternehmen Gelegenheit gegeben, vor Eröffnung eines förmlichen Verfahrens zum Inhalt der gegen das Monopol gerichteten Beschwerde Stellung zu nehmen.

31 Die Kommission widerspricht der Rüge, sie habe die Verteidigungsrechte der Klägerin mißachtet. Das klägerische Vorbringen verkenne die Tragweite des Urteils Niederlande u. a./Kommission sowie den besonderen Charakter des Verfahrens gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag. Tatsächlich habe der Gerichtshof zwischen den Verteidigungsrechten des Mitgliedstaats, der durch eine nach dieser Bestimmung erlassene Entscheidung betroffen sei, einerseits und den Verteidigungsrechten der unmittelbar durch die gerügte staatliche Maßnahme begünstigten Unternehmen andererseits klar unterschieden.

- Würdigung durch das Gericht

32 Nach Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag dürfen die Mitgliedstaaten in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine dem EG-Vertrag - insbesondere seinen Artikeln 6 (nach Änderung jetzt Artikel 12 EG) und 85 bis 94 (jetzt Artikel 89 EG) - widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.

33 Nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag hat die Kommission darüber zu wachen, daß die Mitgliedstaaten hinsichtlich der in Absatz 1 genannten Unternehmen ihre Verpflichtungen einhalten, und ist ausdrücklich befugt, zu diesem Zweck durch den Erlaß von Richtlinien und Entscheidungen tätig zu werden. Die nach dieser Bestimmung erlassenen Rechtsakte der Kommission - gleichviel, ob Richtlinien oder Entscheidungen - sind an die betroffenen Mitgliedstaaten gerichtet.

34 Wie der Gerichtshof entschieden hat, verleiht Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag der Kommission demgemäß die Befugnis, festzustellen, daß eine bestimmte staatliche Maßnahme mit den Vorschriften des Vertrages unvereinbar ist, und anzugeben, welche Maßnahmen der Mitgliedstaat, an den die Entscheidung gerichtet ist, zu treffen hat, um seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen (Urteil Niederlande u. a./Kommission, Randnr. 28). Das Verfahren, das zum Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag führt, ist folglich ein gegen den betroffenen Mitgliedstaat eingeleitetes Verfahren, womit alle in Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag genannten Unternehmen in diesem Verfahren als Dritte anzusehen sind. Schon aus diesem Grund befindet sich - entgegen der Auffassung der Klägerin - das durch die beanstandete staatliche Maßnahme begünstigte Unternehmen in einem Verfahren nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag nicht in einer ähnlichen Lage wie ein Unternehmen, gegen das ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Artikel 85 oder 86 EG-Vertrag anhängig ist.

35 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Beachtung der Verteidigungsrechte in jedem Verfahren, das gegen eine Person eingeleitet wird und zu einer sie beschwerenden Maßnahme führen kann, ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts und muß auch dann sichergestellt sein, wenn eine besondere Regelung fehlt (vgl. z. B. Urteil Niederlande u. a./Kommission, Randnr. 44). Dieser Grundsatz gebietet es, daß der betroffene Mitgliedstaat vor Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag eine genaue und vollständige Darstellung der ihm von der Kommission zur Last gelegten Beschwerdepunkte erhält und Gelegenheit hat, zu den Äußerungen beteiligter Dritter in zweckdienlicher Weise Stellung zu nehmen (Urteil Niederlande u. a./Kommission, Randnrn. 45 und 46).

36 Nach dem Urteil Niederlande u. a./Kommission (Randnrn. 50 f.) hat ein in Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag genanntes Unternehmen, das durch die gerügte staatliche Maßnahme unmittelbar begünstigt und im einschlägigen Gesetz namentlich bezeichnet ist, das ferner in der streitigen Entscheidung ausdrücklich genannt wird und das die wirtschaftlichen Folgen dieser Entscheidung unmittelbar betreffen, Anspruch darauf, gehört zu werden.

37 Um dieses Anhörungsrecht zu wahren, muß die Kommission dem durch die gerügte staatliche Maßnahme begünstigten Unternehmen förmlich die konkreten Beschwerden mitteilen, die sie in ihrem an den Mitgliedstaat gerichteten Mahnschreiben - und gegebenenfalls in dem weiteren Schriftwechsel - gegen die Maßnahme im einzelnen erhebt, und ihm Gelegenheit geben, sich in zweckdienlicher Weise zu diesen Beschwerdepunkten zu äußern. Die Beachtung des Anhörungsrechts erfordert es jedoch nicht, daß die Kommission dem durch die staatliche Maßnahme begünstigten Unternehmen Gelegenheit gibt, zu den Erklärungen Stellung zu nehmen, die der Mitgliedstaat, gegen den das Verfahren eingeleitet wurde, zu den gegen ihn erhobenen Beschwerden oder zu den Äußerungen beteiligter Dritter abgibt; sie braucht dem Unternehmen auch nicht förmlich eine Kopie der etwaigen Beschwerde, die das Verfahren veranlaßt hat, zu übermitteln.

38 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, daß die VTM als Unternehmen durch das Exklusivrecht zur Ausstrahlung von Fernsehwerbung für die Flämische Gemeinschaft begünstigt wird, daß sie in den flämischen Rechtsvorschriften ebenso wie in der streitigen Entscheidung ausdrücklich genannt wird und daß deren wirtschaftliche Folgen sie unmittelbar treffen.

39 Aus den Akten ergibt sich weiter, daß die Kommission die belgische Regierung mit Mahnschreiben vom 10. Januar 1997 um eine Stellungnahme zu den in einer Anlage zum Schreiben näher dargelegten Beschwerdepunkten ersuchte, wonach das der VTM eingeräumte Exklusivrecht mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar sei. Die flämische Regierung nahm zu diesen Punkten mit Schreiben vom 11. Februar 1997 Stellung.

40 Das Mahnschreiben und die Darlegung der Beschwerdepunkte wurden der Klägerin in Kopie übermittelt und gingen ihr spätestens am 20. März 1997 zu. Mit Schreiben vom 16. Mai 1997 nahm sie dazu innerhalb der ihr gesetzten zweimonatigen Frist gegenüber der Kommission Stellung.

41 Da die Klägerin nicht bestreitet, daß ihr die Kommission vor Erlaß der angefochtenen Entscheidung Gelegenheit gegeben hatte, sich zu den Beschwerden in bezug auf das "Fernsehwerbungsmonopol" (Präambel der angefochtenen Entscheidung) zu äußern und daß diese Beschwerden auch den später in der angefochtenen Entscheidung erhobenen entsprachen, ist festzustellen, daß sie ordnungsgemäß angehört wurde. Daß auch die belgische Regierung zu den Beschwerden Stellung nehmen konnte, bedeutet entgegen der Ansicht der VTM nicht, daß sich der betroffene Mitgliedstaat und das durch die staatliche Maßnahme begünstigte Unternehmen verfahrensrechtlich in der gleichen Position befänden oder ihnen in einem Verfahren nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag die gleichen Rechte zustuenden.

42 Im übrigen macht die Klägerin zu Unrecht geltend, daß sich die Kommission zur Begründung ihrer Auffassung, das Exklusivrecht der Klägerin sei nicht gerechtfertigt, insbesondere auf die Stellungnahme der flämischen Regierung gestützt habe. Die Kommission hat nämlich, wie der vollständige Wortlaut der Randnummer 13 der Begründungserwägungen der angefochtenen Entscheidung erkennen läßt, zunächst die Äußerungen der belgischen Behörden zu der Frage, ob kulturpolitische Gründe das an die "VTM vergebene Monopol im Bereich der Fernsehwerbung" rechtfertigen könnten, wiedergegeben (Randnr. 13 erster Absatz), sodann die klägerische Beurteilung dieser Frage resümiert (Randnr. 13 zweiter Absatz) und schließlich ihre eigene Auffassung zum Ausdruck gebracht (Randnr. 13 dritter bis siebter Absatz).

43 Gleichfalls zurückzuweisen ist das Argument der Klägerin, aus der Zulässigkeit ihrer Klage folge, daß sie sich in einer ähnlichen Lage wie der Empfänger des angefochtenen Rechtsakts befinde. Daraus, daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Nichtigkeitsklage einer juristischen Person, an die eine Entscheidung nicht gerichtet ist, erfuellt sind, läßt sich nicht der Schluß ziehen, daß dieser die gleichen Verteidigungsrechte zustehen wie der Person, an die sich die Entscheidung richtet und gegen die das zu einer beschwerenden Maßnahme führende Verfahren eröffnet worden ist.

44 Schließlich ist der Umstand, daß die Kommission in einem Verfahren wegen des flämischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols dem von der staatlichen Maßnahme begünstigten Unternehmen vor Eröffnung eines förmlichen Verfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu der gegen das Monopol erhobenen Beschwerde gegeben hat, nicht geeignet, sich auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auszuwirken. Dieses Argument ist daher nicht stichhaltig.

45 Demnach ist der erste Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen. Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes

- Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien

46 Die Klägerin macht geltend, die Kommission sei von Anfang an entschlossen gewesen, ihre Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht zu berücksichtigen; dies ergebe sich aus zwei Erklärungen des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds zur gemeinschaftsrechtlichen Zulässigkeit der streitigen staatlichen Maßnahmen vom 2. Mai 1996 und 5. Februar 1997.

47 Die Kommission wendet dagegen ein, aus den angeführten öffentlichen Erklärungen lasse sich nichts für eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung herleiten. Im übrigen werde eine Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag vom Kollegium der Kommissionsmitglieder erlassen.

- Würdigung durch das Gericht

48 Nach Auffassung des Gerichts greift das Vorbringen der Klägerin nicht durch.

49 Unbeschadet der Wahrung des Berufsgeheimnisses, der jedes Kommissionsmitglied nach Artikel 214 EG-Vertrag (jetzt Artikel 287 EG) unterliegt, ist eine Meinungsäußerung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds über ein anhängiges Verfahren gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag, soweit sie streng persönlich ist und zurückhaltend formuliert wurde, nur diesem Mitglied zuzurechnen und greift der Beurteilung nicht vor, zu der das Kollegium der Kommissionsmitglieder am Ende des Verfahrens gelangt. Für die Tätigkeit der Kommission gilt nämlich nach Artikel 163 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 219 EG) das Kollegialprinzip. Dieses Prinzip beruht auf der Gleichheit der Kommissionsmitglieder bei der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung und besagt insbesondere, daß Entscheidungen gemeinsam erlassen werden (Urteile des Gerichtshofes vom 23. September 1986 in der Rechtssache 5/85, AKZO Chemie/Kommission, Slg. 1986, 2585, Randnr. 30, und vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache C-137/92 P, Kommission/BASF u. a., Slg. 1994, I-2555, Randnr. 63).

50 Im vorliegenden Fall beruft sich die Klägerin zunächst auf einen Bericht über die Anhörung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds am 2. Mai 1996, den Herr Van Rompaey für den Medienausschuß des flämischen Parlaments verfaßte. Darin heißt es im wesentlichen:

"Was das Monopol der VTM angeht, so hält der europäische Kommissar an seiner Auffassung fest, daß es mit dem Europarecht nicht in Einklang stehe. Nach einer Beschwerde von VT4 gemäß Artikel [90 EG-Vertrag] ist insoweit bei der Europäischen Kommission derzeit ein Verfahren anhängig."

51 Selbst wenn man die Ausführungen des Vorredners im flämischen Parlament berücksichtigt, nach dessen Beitrag das genannte Kommissionsmitglied das Wort ergriffen hat, geht aus dem Bericht doch hervor, daß dieses lediglich seine "Meinung" zum Ausdruck gebracht und im übrigen nur mitgeteilt hat, daß bei der Kommission ein Verfahren anhängig sei, in dem die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des Exklusivrechts der VTM geprüft werde.

52 Zweitens stützt sich die Klägerin auf einen Presseartikel vom 14. Mai 1997, in dem über Ausführungen des flämischen Medienministers Van Rompuy vom 5. Februar 1997 berichtet und dieser wie folgt zitiert wird: "Das für Wettbewerbspolitik zuständige europäische Kommissionsmitglied Karel Van Miert, hat uns im Februar zugesagt, daß uns das offizielle Mahnschreiben Anfang Mai übermittelt wird."

53 Abgesehen davon, daß dieser Artikel das Kommissionsmitglied nur indirekt zitiert und das erwähnte Mahnschreiben in Wirklichkeit nur als die verfahrensabschließende Entscheidung der Kommission verstanden werden kann, läßt sich die fragliche Äußerung nicht der Kommission zurechnen und demgemäß die "Zusage" des Kommissionsmitglieds an den flämischen Medienminister nur dahin auffassen, daß möglicherweise im Mai 1997 eine Entscheidung getroffen würde, in der die Unvereinbarkeit bestimmter Vorschriften des flämischen Fernsehrechts mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag festgestellt würde.

54 Ferner ist nicht bestritten worden, daß der Beschlußfassung sowohl über das Mahnschreiben an die belgische Regierung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag als auch über die auf derselben Rechtsgrundlage fußende Entscheidung jeweils eine gemeinsame Beratung vorausging.

55 Im übrigen werden in den Gründen der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 13 zweiter Absatz) bestimmte Argumente der VTM wiedergegeben, auf die in der entsprechenden Passage der Anlage zum Mahnschreiben (Randnr. 12) noch nicht Bezug genommen war. Entgegen der Rüge der Klägerin hat die Kommission ihre Stellungnahme somit tatsächlich berücksichtigt.

56 Der erste Klagegrund ist deshalb insgesamt zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie gegen Vorsorge- und Sorgfaltspflichten

Vorbringen der Parteien

57 Die Klägerin weist zunächst darauf hin, daß die Kommission gegen das Königreich Belgien mehrere Verfahren eingeleitet habe, in denen sie Bestimmungen des Fernseh- und Rundfunkrechts der Flämischen Gemeinschaft beanstandet habe.

58 So habe ein im März 1990 eröffnetes Verfahren gemäß Artikel 169 EG-Vertrag (jetzt Artikel 226 EG) zu dem bereits genannten Urteil Kommission/Belgien geführt. Darin habe der Gerichtshof festgestellt, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 52 und Artikel 221 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 294 EG) verstoßen habe, indem es 51 % des Kapitals der nichtöffentlichen Fernsehgesellschaft, die sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft wende, den Verlegern von Tageszeitungen und Wochenzeitschriften in niederländischer Sprache mit Sitz im niederländischen Sprachgebiet oder im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt vorbehalten habe. Der Gerichtshof habe somit keine andere Bestimmung des Dekrets von 1987 für mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar erachtet.

59 Weiterhin habe die Kommission die belgischen Behörden im Juli 1995 in einem Verfahren nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag mittels eines Mahnschreibens ersucht, zur Vereinbarkeit des der Klägerin eingeräumten Exklusivrechts mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 59 EG-Vertrag Stellung zu nehmen. Dieses Verfahren sei schließlich eingestellt worden.

60 Da die Kommission in diesem Verfahren umfassend habe prüfen können, ob das Dekret von 1987 mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei, habe man annehmen dürfen, daß die in dem Verfahren nicht beanstandeten Bestimmungen des Dekrets mit dem Vertrag in Einklang stuenden.

61 Sie habe deshalb in schutzwürdiger Weise darauf vertraut, daß die Kommission die gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit des flämischen Fernsehrechts nicht erneut in Frage stellen werde.

62 Die Feststellung der Kommission, das der VTM eingeräumte Exklusivrecht sei nach Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag rechtswidrig, verletze deshalb den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Urteile des Gerichtshofes vom 3. Mai 1978 in der Rechtssache 112/77, Töpfer/Kommission, Slg. 1978, 1019, Randnr. 19, und vom 17. April 1997 in der Rechtssache C-90/95 P, de Compte/Parlament, Slg. 1997, I-1999, Randnrn. 39 f.). Auf den Schutz des berechtigten Vertrauens könne sich jeder Bürger berufen, der in einer Situation sei, aus der sich ergebe, daß die Gemeinschaftsverwaltung ihm bestimmte Zusicherungen gegeben und dadurch bei ihm begründete Erwartungen geweckt habe (Urteil des Gerichts vom 16. Oktober 1996 in der Rechtssache T-336/94, Efisol/Kommission, Slg. 1996, II-1343, Randnr. 31).

63 Die Kommission habe damit zugleich ihre Vorsorge- und Sorgfaltspflichten verletzt und den Grundsatz der Rechtssicherheit verkannt. Aus dem letztgenannten Grundsatz folge, daß die Kommission vorliegend nicht ein weiteres gegen die streitigen Rechtsvorschriften gerichtetes Verfahren hätte eröffnen dürfen, nachdem deren gemeinschaftsrechtliche Zulässigkeit bereits zuvor umfassend geprüft worden sei. Dies sei vergleichbar mit der verfahrensrechtlichen Lage eines nationalen Gerichts, dem es der Grundsatz der Rechtssicherheit verwehre, im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens die Frage nach der Gültigkeit eines Gemeinschaftsakts aufzuwerfen, wenn dieser nicht innerhalb der vom Vertrag vorgesehenen Klagefrist angefochten worden sei (Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92, TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833, Randnrn. 24 bis 26)

64 In ihrer Erwiderung hebt die Klägerin hervor, sie stelle nicht in Abrede, daß die Artikel 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag unmittelbar anwendbar seien und daß somit ein nationales Gericht die Rechtmäßigkeit von der Kommission bereits geprüfter nationaler Rechtsvorschriften seinerseits überprüfen und sie gegebenenfalls für mit den genannten Vertragsbestimmungen unvereinbar erklären dürfe. Die Sorgfaltspflichten und der Grundsatz der Rechtssicherheit hinderten aber die Kommission selbst - und nur sie - daran, die Vereinbarkeit des der VTM eingeräumten Exklusivrechts mit dem Gemeinschaftsrecht erneut in Frage zu stellen. Solange die Regelung des Exklusivrechts in dem Dekret nicht so substantiell geändert werde, daß dies eine neue Untersuchung der Kommission rechtfertige, müsse sie das Exklusivrecht, nachdem es im Urteil Kommission/Belgien umfassend geprüft worden sei, als endgültig gelten lassen.

65 Auf einer Verkennung der Sorgfaltspflicht beruhe auch das Hilfsvorbringen der Kommission, es könne kaum erwartet werden, daß sie gleich nach Erlaß einer Maßnahme durch einen Mitgliedstaat, die möglicherweise gegen eine oder mehrere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen verstoße, sofort über alle notwendigen Informationen verfüge, um die Angelegenheit tatsächlich und rechtlich erschöpfend zu prüfen und umgehend alle in Betracht kommenden Verfahren einzuleiten. Die sich aus Artikel 155 EG-Vertrag (jetzt Artikel 211 EG) ergebende Sorgfaltspflicht gebiete es nämlich, daß die Kommission auf eine Beschwerde hin nicht nur die darin genannten Elemente der nationalen Maßnahme oder nur die darin angeführten Gemeinschaftsvorschriften prüfe, sondern sie habe die gesamte nationale Maßnahme an allen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu messen.

66 Bei durchschnittlich sorgfältiger Prüfung der Bestimmungen des flämischen Fernsehrechts hätte die Kommission in dem durch das Urteil Kommission/Belgien abgeschlossenen Verfahren nach Artikel 169 EG-Vertrag feststellen müssen, daß der VTM mit dem Dekret von 1987 ein Exklusivrecht eingeräumt worden sei; andernfalls habe sie ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigt, so daß der Erlaß der angefochtenen Entscheidung gegenüber der Klägerin den Grundsatz des Vertrauensschutzes verletze. Es sei zwar auch nicht ausgeschlossen, daß die Kommission im genannten Verfahren vom Bestehen des Exklusivrechts Kenntnis genommen und seine Vereinbarkeit mit dem Vertrag geprüft habe. Auch in diesem Fall verletze aber die Beurteilung der Vereinbarkeit des Exklusivrechts mit dem Vertrag, die die Kommission im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorgenommen habe, gegenüber der Klägerin den Grundsatz des Vertrauensschutzes, so daß sich die Klägerin mit Erfolg auf den Grundsatz der Rechtssicherheit berufen könne, um eine Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung zu erwirken.

67 Als Beleg für diese letztgenannte Möglichkeit verweist die Klägerin auf die mit Gründen versehene Stellungnahme zur Zulassungsvoraussetzung eines bestimmten Sitzes privater Fernsehveranstalter, die die Kommission der belgischen Regierung am 13. Februar 1991 zugestellt habe und in der es heiße:

"Das von der Flämischen Gemeinschaft für die Verwirklichung dieses Zweckes gewählte Mittel ist jedoch mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar. Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73 (Sacchi, Slg. 1974, 409) dürfen die Mitgliedstaaten Sendeanstalten zwar gemäß Artikel 90 EG-Vertrag besondere Rechte einräumen; sie dürfen aber nach diesem Artikel keine dem Vertrag widersprechende Maßnahmen beibehalten. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat dafür, einer Gesellschaft privaten Rechts besondere Rechte einzuräumen, so darf er in deren Kapitalstruktur nicht mehr durch eine Maßnahme eingreifen, die den Artikeln [52 und 221 EG-Vertrag] zuwiderläuft und auch nicht mit Gründen der öffentlichen Ordnung nach Artikel 56 EG-Vertrag gerechtfertigt werden kann."

68 Die Kommission wendet ein, die klägerische Auffassung, wonach sie das mit der streitigen Entscheidung abgeschlossene Verfahren nicht hätte eröffnen dürfen, könne nicht durchgreifen, es sei denn, man wolle ein wohlerworbenes und unmittelbar wirkendes Recht auf Verletzung des Vertrages anerkennen.

69 Die Anwendbarkeit von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag bestehe unmittelbar und hänge folglich keineswegs davon ab, ob die Kommission nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag tätig werde. Die nationalen Gerichte hätten somit jederzeit die Unvereinbarkeit des Exklusivrechts der Klägerin mit dem Gemeinschaftsrecht feststellen können. Von einem schutzwürdigen Vertrauen darauf, daß es zur Feststellung dieser Unvereinbarkeit niemals kommen werde, könne deshalb keine Rede sein.

70 Hilfsweise macht die Kommission geltend, es könne nicht erwartet werden, daß sie, wenn ein Mitgliedstaat mit dem Erlaß einer Maßnahme möglicherweise gegen eine oder mehrere gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen verstoße, sogleich über alle Informationen verfüge, die erforderlich seien, um die Angelegenheit tatsächlich und rechtlich erschöpfend zu prüfen und unverzüglich alle in Betracht kommenden Verfahren zu eröffnen.

Würdigung durch das Gericht

71 Nach ständiger Rechtsprechung ist der Grundsatz des Vertrauensschutzes Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung (Urteil Töpfer/Kommission, Randnr. 19). Auf den Vertrauensschutz kann sich jeder einzelne berufen, der sich in einer Situation befindet, aus der sich ergibt, daß die Gemeinschaftsverwaltung ihm bestimmte Zusicherungen gegeben und dadurch bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat (Urteil des Gerichts vom 14. September 1995 in der Rechtssache T-571/93, Lefebvre u. a./Kommission, Slg. 1995, II-2379, Randnr. 72).

72 Obgleich die Kommission im vorliegenden Fall über mehrere Jahre hinweg nacheinander verschiedene Verfahren eröffnet und durchgeführt hat, die die Vereinbarkeit des flämischen Fernsehrechts mit den Vertragsbestimmungen betrafen und sich gegen eine unverändert geltende Regelung richteten, wurden der Klägerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, weder bestimmte Zusicherungen gegeben, wonach die flämischen Vorschriften, mit denen der VTM ein Exklusivrecht zur Ausstrahlung von Fernsehwerbung für die ganze Flämische Gemeinschaft eingeräumt wurde, gemäß den Artikeln 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag rechtmäßig seien, noch führte die Kommission ihre Prüfung der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Vertrag in einer Weise durch, die bei der Klägerin ein schutzwürdiges Vertrauen hätte erwecken können.

73 Tatsächlich enthält der von der Klägerin angeführte Auszug aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme, die die Kommission der belgischen Regierung am 13. Februar 1991 zustellte (vgl. oben, Randnr. 67), nichts, was dafür sprechen könnte, daß die Kommission die Vorschriften über das Exklusivrecht schon damals anhand aller Vertragsbestimmungen geprüft hätte. Darin wird vielmehr nur der allgemeine Grundsatz bestätigt, daß die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte nicht unzulässig ist, solange gegen keine Vertragsbestimmung verstoßen wird, und außerdem festgestellt, daß ein Mitgliedstaat "in die Kapitalstruktur" eines mit solchen Rechten ausgestatteten Unternehmens "nicht mehr durch eine Maßnahme eingreifen [darf], die den Artikeln [52 und 221 EG-Vertrag] zuwiderläuft". Die Kommission hat somit in der mit Gründen versehenen Stellungnahme keine bestimmte Zusicherung gegeben und konnte folglich bei der Klägerin nicht die begründete Erwartung wecken, daß die Vereinbarkeit des im flämischen Recht vorgesehenen Exklusivrechts mit den Vertragsbestimmungen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr in Frage gestellt würde.

74 Ebensowenig kann eine bestimmte Zusicherung darin gesehen werden, daß die Kommission in den früheren Verfahren, die dem mit der angefochtenen Entscheidung abgeschlossenen vorausgingen, nicht darauf hingewiesen hat, daß die Vereinbarkeit des Exklusivrechts mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag fraglich erscheine. Diese Situation ist nicht vergleichbar mit der einer Person, die begründete Erwartungen in bezug auf die Rechtmäßigkeit eines sie begünstigenden Verwaltungsakts hat (Urteil de Compte/Parlament). Die Feststellung, daß eine nationale Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar ist, kann demgemäß nicht mit der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts verglichen werden, auf dessen Rechtmäßigkeit der einzelne vertraut hat.

75 Was die Rüge der Klägerin angeht, die Kommission habe ihre Vorsorge- und Sorgfaltspflichten verletzt, so achtet die Kommission gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag "auf die Anwendung dieses Artikels und richtet erforderlichenfalls geeignete Richtlinien oder Entscheidungen an die Mitgliedstaaten". Nach den Artikeln 155 und 169 EG-Vertrag ist sie im übrigen die Hüterin der Rechtmäßigkeit der Gemeinschaft. In dieser Eigenschaft fällt ihr im allgemeinen Interesse der Gemeinschaft die Aufgabe zu, die Ausführung des Vertrages durch die Mitgliedstaaten zu überwachen und etwaige Vertragsverletzungen aufzudecken, um sie abstellen zu lassen (Urteil des Gerichtshofes vom 4. April 1974 in der Rechtssache 167/73, Kommission/Frankreich, Slg. 1974, 359, Randnr. 15). Es ist somit Sache der Kommission, zu beurteilen, ob ein Einschreiten gegen einen Mitgliedstaat gemäß Artikel 169 oder Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag zweckmäßig ist, die nach ihrer Ansicht verletzten Vorschriften zu benennen und den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem gegen den Mitgliedstaat ein Verfahren eröffnet wird (vgl. - nur zu Artikel 169 EG-Vertrag - Urteil des Gerichtshofes vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Randnr. 27). Insoweit ergibt sich aus Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag und aus dem Sinn und Zweck dieses gesamten Artikels, daß die Kommission in dem in den Absätzen 1 und 3 bezeichneten Bereich sowohl hinsichtlich des Tätigwerdens, das sie für erforderlich hält, als auch hinsichtlich der geeigneten Mittel ein weites Ermessen besitzt (Urteil des Gerichtshofes vom 20. Februar 1997 in der Rechtssache C-107/95 P, Bundesverband der Bilanzbuchhalter/Kommission, Slg. 1997, I-947, Randnr. 27).

76 Verstoßen also nach Auffassung der Kommission nationale Vorschriften gegen andere Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts als die, deren Verletzung die Einleitung früherer Verfahren veranlaßte, so darf sie, um die ihr in den Artikeln 155 und 169 EG-Vertrag übertragenen Aufgaben in vollem Umfang zu erfuellen, zur Feststellung dieser neuen Verstöße ein neues Vertragsverletzungsverfahren einleiten (in diesem Sinne Urteil Kommission/Italien, Randnr. 28). Desgleichen kann sie, wenn sie einen Verstoß gegen Artikel 90 EG-Vertrag durch einen Mitgliedstaat feststellt, zur Durchsetzung der Beachtung dieses Artikels an den betroffenen Staat auch dann eine geeignete Entscheidung richten, wenn aufgrund der Vermutung, daß die nationale Regelung dem Gemeinschaftsrecht zuwiderläuft, zuvor bereits mehrere Verfahren eröffnet worden waren.

77 Da die Kommission die Rechtmäßigkeit einer nationalen Regelung somit nicht in einem Zuge anhand sämtlicher Vertragsbestimmungen prüfen muß, ist das Vorbringen der Klägerin, wonach die Kommission in der Verfahrensführung ihr obliegende Sorgfaltspflichten aus Artikel 155 EG-Vertrag verletzt habe, zurückzuweisen.

78 Da die Klägerin schließlich nicht nachgewiesen hat, daß die Kommission ihr die Vereinbarkeit der flämischen Vorschriften über die Gewährung des Exklusivrechts mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag zugesichert hatte, und konkrete Umstände, nach denen die Klägerin darauf hätte vertrauen dürfen, daß die Kommission die fragliche Regelung hinnehmen werde, nicht ersichtlich sind, greift die Rüge der Klägerin nicht durch, daß die Kommission mit der Eröffnung des durch die angefochtene Entscheidung abgeschlossenen Verfahrens den Grundsatz der Rechtssicherheit verkannt habe.

79 Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen.

Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

80 Die Klägerin hält es für unzutreffend, daß die Bestimmungen des Kodex und die Maßnahmen zu ihrer Durchführung gegen Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag verstießen, weil durch sie "unbestreitbar mit Bedacht eine protektionistische Wirkung erzeugt" würden (Randnr. 12 der Gründe der angefochtenen Entscheidung).

81 Mit ihrer ersten Rüge im Rahmen dieses Klagegrundes wendet sie sich dagegen, wie die Kommission die Frage der Rechtfertigung des befristeten Exklusivrechts beurteilt hat.

82 Die Frage, ob die Gewährung des Exklusivrechts erforderlich und deshalb gerechtfertigt sei, sei eine Vorfrage. Wenn nachgewiesen werde, daß ein Mitgliedstaat für die Einräumung eines Exklusivrechts vertretbare Gründe habe, so werde dadurch jede Beanstandung unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit und damit letztlich allein wegen des einem Exklusivrecht innewohnenden Ausschlußcharakters unerheblich.

83 In der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei außerdem anerkannt, daß Ziele der Kulturpolitik im Allgemeininteresse liegende Ziele darstellten, die ein Mitgliedstaat verfolgen dürfe, indem er die Regelung für seine eigenen Sendeanstalten entsprechend ausgestalte (Urteile des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-23/93, TV10, Slg. 1994, I-4795, Randnr. 19, und vom 26. Juni 1997 in der Rechtssache C-368/95, Familiapress, Slg. 1997, I-3689, Randnr. 18).

84 Im vorliegenden Fall hätten die staatlichen Stellen, als die flämische Fernsehlandschaft liberalisiert worden sei, jedoch gerade aus kulturpolitischen Gründen und besonders zur Erhaltung des Pluralismus und der Unabhängigkeit der Presse als Printmedium die Gewährung eines befristeten Exklusivrechts an nur einen privaten Fernsehveranstalter vorgesehen.

85 Die Einrichtung einer kommerziellen Sendeanstalt in Flandern habe nämlich unvermeidlich eine Verlagerung der Werbeausgaben vom Bereich der auf Papier erscheinenden Presse zum kommerziellen Fernsehen hin bewirkt.

86 Dieser Austauscheffekt zwischen den traditionellen Trägern der Markenwerbung und dem kommerziellen Fernsehen habe sich als einschneidender als vorhergesehen erwiesen und im Printmedienbereich erhebliche Einkommensverluste bewirkt. Zwischen 1988 und 1990 sei der Marktanteil der Zeitungen an kommerzieller Werbung von 25 % auf 17 % und der der Zeitschriften von 43 % auf 24 % gesunken. Diese Verschiebung sei dem kommerziellen Fernsehen zugute gekommen, dessen Marktanteil 1990 34 % betragen habe. Dieser Einkommensverlust sei durch die Dividendenausschüttungen der Klägerin an die Pressekonzerne, die ihr Gesellschaftskapital hielten, nur sehr begrenzt ausgeglichen worden. Die flämische Presse habe sich deshalb den neuen Wettbewerbsbedingungen auf dem Werbemarkt angepaßt. Die flämische Medienpolitik habe es ermöglicht, daß sich dieser nach der Liberalisierung des flämischen Fernsehmarktes unvermeidliche Sanierungsprozeß unter Erhaltung einer unabhängigen und pluralistischen flämischen Presse als Printmedium habe vollziehen können, und zwar ohne jede staatliche Subventionierung mit der möglichen Folge von Wettbewerbsverzerrungen.

87 Dagegen habe die Kommission für ihre Auffassung, daß zwischen der Kulturpolitik zur Erhaltung einer pluralistischen Presse in Flandern und dem der Klägerin eingeräumten befristeten Exklusivrecht zum Betreiben einer kommerziellen Sendeanstalt in Flandern kein notwendiger Zusammenhang bestehe, keine überzeugenden Gründe angeführt.

88 So heiße es erstens in der angefochtenen Entscheidung, daß "der Kodex keine Gewähr dafür [biete], daß sämtliche Verleger von in niederländischer Sprache erscheinenden Zeitschriften ausnahmslos die Möglichkeit einer Beteiligung an VTM oder Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung" hätten (Randnr. 13 vierter Absatz der Gründe). Zunächst hätten jedoch bei Gründung der Klägerin alle Herausgeber von Tageszeitungen oder Wochenzeitschriften in niederländischer Sprache die Möglichkeit gehabt, sich an ihrem Kapital zu beteiligen. Der heute für manche von ihnen bestehende Wettbewerbsnachteil sei somit nicht unmittelbare Folge des der Klägerin eingeräumten Exklusivrechts, sondern ihres eigenen Verhaltens. Die Kommission habe auch nicht angegeben, welche Herausgeber angeblich bei ihrer Gründung noch nicht existiert hätten und erst nach 1987 auf dem flämischen Pressemarkt aufgetreten seien. Jedenfalls seien etwaige neue Herausgeber von negativen Auswirkungen der Gründung einer privaten Fernsehanstalt auf dem Werbemarkt, wie sie sich bei Gründung der Klägerin möglicherweise für Presseverleger ergeben hätten, nicht mehr betroffen, da sie bereits vom Beginn ihrer Geschäftstätigkeit an eine Kostenstruktur schaffen könnten, die der Verminderung des Marktanteils der Presse an der Werbung Rechnung trage.

89 Gleichfalls nicht stichhaltig sei das Argument der Kommission, es sei "keinesfalls sichergestellt, daß die Werbeeinnahmen von VTM, die anteilig unter den Gesellschaftern aufgeteilt werden, von diesen auch dazu verwendet werden, um ihre - möglicherweise sogar in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen - Zeitschriften zu unterstützen" (Randnr. 13 vierter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). Sie zahle an ihre Aktionäre Dividenden und keine Werbeeinnahmen aus, und die Kommission habe nicht erläutert, zu welchen anderen Zwecken diese Einnahmen verwendet werden könnten. Um den Pluralismus der Presse zu gewährleisten, müßten die Verlage finanziell gesund sein. Es sei also nicht die Frage zu stellen, ob die Einnahmen der Herausgeber aus ihrer Beteiligung unmittelbar ihrer Herausgebertätigkeit zuflössen, sondern, ob sie zur Stärkung oder sogar Wiederherstellung der finanziellen Gesundheit ihrer Verlage beitrügen. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Lage der Zeitung "De Morgen", die die Wirksamkeit der flämischen Medienpolitik belege.

90 Ebensowenig überzeugend seien drittens die Ausführungen der Kommission, wonach "die Auflagen, die der Kodex in bezug auf die Struktur der einzigen von der flämischen Exekutive in Flandern zugelassenen nicht öffentlich-rechtlichen Fernsehgesellschaft [enthalte] - 51 % des Kapitals von VTM müssen von Herausgebern niederländischsprachiger Zeitschriften gezeichnet sein -, zur Erreichung des erklärten kulturpolitischen Ziels nicht geeignet [seien], da eine Konzentration des Kapitals von VTM, insbesondere die vorbehaltenen 51 %, in den Händen eines Alleingesellschafters nicht ausgeschlossen [sei], was dem Pluralismus im Mediensektor abträglich wäre" (Randnr. 13 fünfter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). Der flämische Gesetzgeber habe den Herausgebern die freie Wahl gelassen, ob sie sich am Kapital der Klägerin beteiligen wollten oder nicht. Die Reservierung von 51 % des Kapitals der Klägerin biete den Herausgebern, die sich beteiligen wollten, eine hinreichende Garantie, daß die Verlagerung der Werbeeinnahmen vom Printbereich zum Fernsehen ihre wirtschaftliche Situation nicht übermäßig beeinträchtige.

91 Die Möglichkeit, daß ein Verlag eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Klägerin erwerbe, stelle den notwendigen Zusammenhang zwischen dem gewährten Exklusivrecht und der Erhaltung des Pluralismus der flämischen Presse nicht in Frage. Das der Klägerin eingeräumte Ausschließlichkeitsrecht sei nämlich zeitlich begrenzt, und außerdem wären die Dividendeneinnahmen eines zum Mehrheitsaktionär gewordenen Presseverlags nur der Gegenwert seiner Investitionen in den Ankauf weiterer Aktien, flössen damit aber anderen Herausgebern für den Verkauf ihrer Beteiligung zu und ermöglichten somit wiederum diesen, in die Zukunft ihrer Zeitungen zu investieren.

92 Viertens wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung der Kommission, es bestehe "kein Grund zu der Annahme, daß in der Flämischen Gemeinschaft eine private Fernsehanstalt nur überleben kann, wenn sie über das Werbemonopol verfügt", was auch der Umstand zeige, daß die Klägerin ein zweites Programm gestartet habe (Randnr. 13 sechster Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). Die Klägerin führt aus, diese Behauptung mache deutlich, daß die Kommission die wirtschaftliche Wirklichkeit der flämischen Fernsehlandschaft verkenne, die durch einen engen Markt gekennzeichnet sei. Die Auswirkungen, die das Auftreten der VT4 auf der Grundlage der Dienstleistungsfreiheit auf dem flämischen Fernsehmarkt gehabt habe, bewiesen, daß ein in Flandern ansässiges und allen gesetzlichen Voraussetzungen entsprechendes kommerzielles Fernsehen nur rentabel sein könne, wenn es ein ausschließliches Ausstrahlungsrecht besitze. Nach dem Auftreten der VT4 sei der Werbungsumsatz der Klägerin im Jahr 1996 um 21,6 % geringer gewesen als 1994, und ihre liquiden Mittel seien erheblich zurückgegangen.

93 Im übrigen besitze die Klägerin kein Monopol, weil es einen Markt für Fernsehwerbung als solchen in Wirklichkeit nicht gebe. Die Lebensfähigkeit eines kommerziellen Fernsehunternehmens auf dem flämischen Markt werde durch zwei wesentliche Gesichtspunkte bestimmt. Zum einen sei die Klägerin seit ihrer Gründung auf dem Markt, den die Fernsehzuschauer bildeten, der scharfen Konkurrenz der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt ausgesetzt, die einen Monopolanspruch auf öffentliche Zuschüsse und außerdem ein Sendemonopol für landesweit zu empfangende Rundfunkkanäle, verbunden mit einer zeitlich unbegrenzten Exklusivstellung im Werbesektor, besitze. Die Klägerin unterliege ferner den strengen Anforderungen an ihre Programmgestaltung und den kommerziellen Beschränkungen, die ihr die flämischen Behörden vorschrieben. Unter diesen Umständen sei das befristete Exklusivrecht eine unverzichtbare Voraussetzung für ihre Rentabilität, ohne die die Herausgeber keine Einnahmen zu erwarten hätten, die den Rückgang ihrer Werbeeinnahmen ausgleichen könnten.

94 Daß sie selbst eine zweite Sendeanstalt, den Kanaal 2, in Betrieb genommen habe, ändere nichts daran, daß das befristete Exklusivrecht sachlich gerechtfertigt sei. Die Sendeanstalt VTM mache nämlich Verluste, die darauf beruhten, daß sie ihr Programmangebot als Gegenleistung für das Exklusivrecht, das ihr für achtzehn Jahre eingeräumt worden sei, vollständig an den qualitativen Anforderungen der flämischen Behörden ausgerichtet habe.

95 Die Klägerin bestreitet fünftens, daß das Exklusivrecht nicht als Garantie für den Pluralismus der flämischen Presse gerechtfertigt sei, weil "die flämische Regierung auf geeignete Maßnahmen zurückgreifen [könnte], die die wirtschaftliche Integration weniger beeinträchtigen" (Randnr. 13 siebter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). Abgesehen davon, daß die Kommission diese anderen geeigneten Maßnahmen nicht näher angebe, bewirke die der Klägerin eingeräumte Exklusivstellung deutlich geringere Wettbewerbsverzerrungen als eine Zahlung unmittelbarer oder mittelbarer Beihilfen an die Presse. Die Klägerin führt in diesem Zusammenhang mehrere Beispiele an.

96 Die zweite Rüge der Klägerin im Rahmen dieses Klagegrundes richtet sich gegen die Feststellung im Tenor der angefochtenen Entscheidung, daß die Vorschriften des Kodex und die Maßnahmen zu ihrer Durchführung mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar seien, weil sie eine "verschleierte Diskriminierung" seien und "protektionistische Wirkungen" hätten.

97 Artikel 41 Absatz 1 des Kodex (vgl. oben, Randnr. 4) sei nicht bereits deshalb eine verschleierte Diskriminierung, weil nur eine sich an die Flämische Gemeinschaft wendende Fernsehanstalt zugelassen werden könne. Die in Artikel 44 des Kodex festgelegten Zulassungsvoraussetzungen für diese private Anstalt (vgl. oben, Randnr. 5) ließen auch nicht auf eine verschleierte Diskriminierung zugunsten "flämischer" oder "belgischer" Unternehmen schließen. Daß bei Gründung der Klägerin zwei ausländische Medienkonzerne mittels ihrer Tochtergesellschaften 22,22 % ihres Kapitals gezeichnet hätten und daß gegenwärtig ein niederländischer Medienkonzern, die VNU, 45 % ihres Kapitals halte, beweise, daß die Zulassungsvoraussetzungen ausländische Unternehmen nicht an einer Beteiligung am Kapital der privaten Fernsehanstalt hindere. Die Anforderung, daß 51 % des Kapitals der Klägerin Herausgebern von Tageszeitungen oder Wochenzeitschriften in niederländischer Sprache gehören müßten, schließe im übrigen ausländische Herausgeber solcher Printmedien von einer Kapitalbeteiligung nicht aus.

98 Ebensowenig handele es sich bei Artikel 80 Absatz 2 des Kodex (vgl. oben, Randnr. 7) um eine verschleierte Diskriminierung. Diese Bestimmung hindere die flämischen Behörden keineswegs daran, zur Ausstrahlung von Werbung für die gesamte Flämische Gemeinschaft eine private Fernsehanstalt zuzulassen, deren Gesellschaftskapital voll in der Hand ausländischer Aktionäre sei, von denen mindestens 51 % Herausgeber von Tages- und Wochenzeitungen in niederländischer Sprache seien. Das Dekret enthalte auch keine Bestimmung, wonach das Exklusivrecht hinfällig würde, wenn sein Inhaber ganz oder teilweise unter die Kontrolle eines ausländischen Unternehmens geriete.

99 Was die Durchführungsmaßnahmen, die Entscheidung der flämischen Regierung vom 19. November 1987 über die Zulassung der Klägerin als einzige sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft wendende kommerzielle Sendeanstalt und den (durch Entscheidung der flämischen Regierung vom 11. Dezember 1991 bestätigten) Königlichen Erlaß vom 3. Dezember 1987, der ihr die Ausstrahlung von Werbung erlaube, angehe, so treffe das Niederlassungshindernis, das mit der Gewährung eines Exklusivrechts notwendig einhergehe, belgische und ausländische Unternehmen in gleicher Weise, so daß die Entscheidung, die Klägerin als einzige sich an die gesamte Flämische Gemeinschaft wendende kommerzielle Sendeanstalt zuzulassen, die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich nicht beeinträchtige.

100 Die Kommission erkennt im Zusammenhang mit dem ersten Teil des Klagegrundes an, daß die Kulturpolitik und die Erhaltung einer pluralistischen Presse zwingende, im Allgemeininteresse liegende Gründe sein könnten, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten. Es bestehe aber kein notwendiger Zusammenhang zwischen einer Kulturpolitik, die den Pluralismus der flämischen Presse zu wahren trachte, und dem der Klägerin eingeräumten Exklusivrecht. Zu keinem der Gründe der Entscheidung habe die Klägerin stichhaltige Argumente vorgetragen.

101 Was den zweiten Teil des Klagegrundes angehe, so beruhten die Einwendungen der Klägerin gegen die Entscheidung offenbar auf der Annahme, darin seien zwei verschiedene Diskriminierungen festgestellt worden. Die Kommission habe jedoch nur einen Verstoß gegen Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag festgestellt, der aus der kombinierten Anwendung der Vorschriften über das Exklusivrecht folge.

Würdigung durch das Gericht

102 Gemäß Artikel 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts dürfen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

103 Es ist deshalb vorab zu prüfen, ob das Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die kombinierte Anwendung von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 52 EG-Vertrag sei "widersprüchlich", ein Angriffsmittel darstellt, das - wie die Kommission meint - erstmals im Laufe des Verfahrens vorgebracht wurde.

104 Mit der in der mündlichen Verhandlung erhobenen Rüge entwickelt die Klägerin jedoch lediglich das Vorbringen in ihrer Klageschrift im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes (vgl. oben, Randnr. 82) weiter. Sie ist deshalb kein neues, erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachtes Angriffsmittel und somit zulässig.

105 Die Kommission stellt in der angefochtenen Entscheidung fest, daß die flämischen Vorschriften, mit denen der VTM ein Exklusivrecht zur Ausstrahlung an die ganze Flämische Gemeinschaft gerichteter Fernsehwerbung eingeräumt wird, mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar seien. Sie führt aus, daß die dieses Recht begründenden staatlichen Maßnahmen mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar (Randnr. 12 zweiter bis fünfter Absatz der Gründe) und nicht durch "zwingende Gründe des öffentlichen Interesses" gerechtfertigt seien (Randnr. 13 siebenter Absatz der Gründe). Zwar könnten eine bestimmte Kulturpolitik und die Erhaltung des Pluralismus, die mit der Meinungsfreiheit in Zusammenhang stehe, zwingende Gründe des öffentlichen Interesses darstellen, die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten (Randnr. 13 dritter Absatz der Gründe). Die flämischen Vorschriften seien aber nicht geeignet, die Verwirklichung dieser Ziele zu gewährleisten, und gingen über das für dafür Erforderliche hinaus (Randnr. 13 dritter bis fünfter Absatz der Gründe). Die Kommission gelangt daher zu dem Ergebnis, daß "die Monopolisierung der Werbeeinnahmen in der Hand von VTM durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses [nicht] gerechtfertigt" sei (Randnr. 13 siebenter Absatz der Gründe).

106 Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag bestimmt: "Die Mitgliedstaaten werden in bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag und insbesondere dessen Artikeln 6 und 85 bis 94 widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten." Auch wenn dieser Artikel von der Existenz von Unternehmen ausgeht, die bestimmte besondere und ausschließliche Rechte innehaben, sind deshalb doch nicht alle besonderen und ausschließlichen Rechte notwendig mit dem Vertrag vereinbar. Dies hängt vielmehr von den einzelnen Vorschriften ab, auf die Artikel 90 Absatz 1 verweist (Urteile des Gerichtshofes vom 19. März 1991 in der Rechtssache C-202/88, Frankreich/Kommission, Slg. 1991, I-1223, Randnr. 22, und vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-353/89, Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I-4069, Randnr. 34).

107 Unbeschadet der Anwendung von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag müssen somit Maßnahmen der Mitgliedstaaten in bezug auf die in Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag genannten Unternehmen mit den Vertragsbestimmungen und insbesondere mit Artikel 52 Absatz 1 EG-Vertrag in Einklang stehen, wonach "die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats... während der Übergangszeit schrittweise aufgehoben [werden]".

108 Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag greift ein, wenn die Maßnahme eines Mitgliedstaats in seinem Gebiet die freie Niederlassung von Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats beschränkt und gleichzeitig ein Unternehmen durch die Einräumung eines Exklusivrechts begünstigt, es sei denn, diese staatliche Maßnahme verfolgt einen mit dem Vertrag zu vereinbarenden berechtigten Zweck und ist dauerhaft durch zwingende Gründe des öffentlichen Interesses wie die Kulturpolitik oder die Aufrechterhaltung des Pluralismus gerechtfertigt (Urteile des Gerichtshofes vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-288/89, Collectieve Antennevoorziening Gouda, Slg. 1991, I-4007, Randnr. 23, und Familiapress, Randnr. 18). In einem solchen Fall muß die staatliche Maßnahme außerdem geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zweckes zu gewährleisten, und darf nicht über das dafür Erforderliche hinausgehen (Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in der Rechtssache C-19/92, Kraus, Slg. 1993, I-1663, Randnr. 32).

109 Das Vorbringen der Klägerin, die Gewährung eines Exklusivrechts sei bereits immer dann gerechtfertigt, wenn sie aus vertretbaren Gründen erfolgt sei (vgl. oben, Randnr. 82), geht deshalb von einer irrigen Voraussetzung aus und ist somit zurückzuweisen. Folgte man diesem Vorbringen, so könnte im übrigen eine staatliche Maßnahme, mit der einem Unternehmen ein Exklusivrecht eingeräumt wird, nicht mehr angegriffen werden, sofern die Gewährung dieses Rechts ursprünglich durch - mit den von der Klägerin verwendeten Worten - "vertretbare Gründe" gerechtfertigt war. Damit könnten auch die Vertragsbestimmungen über die Grundfreiheiten nicht mehr auf eine staatliche Maßnahme, mit der einem Unternehmen ein Exklusivrecht eingeräumt wird, angewandt werden, selbst wenn die sich aus diesem Recht ergebenden Einschränkungen nicht mehr durch einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses gerechtfertigt wären.

110 Da dieses Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen ist, sind auch ihre weiteren Ausführungen zu den Gründen, aus denen das Exklusivrecht 1987 gewährt worden sei (vgl. oben, Randnrn. 84 bis 86), irrelevant. Maßgebend ist vielmehr die Frage, ob der zwingende Grund des öffentlichen Interesses, der die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit durch das Inkrafttreten der nationalen Regelung über das Exklusivrecht im Jahr 1987 möglicherweise gerechtfertigt hat, sie auch jetzt noch rechtfertigt.

111 Gemäß Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung, der im Licht der Gründe der Entscheidung auszulegen ist, werden im übrigen alle dort genannten staatlichen Regelungen, also die Artikel 80 Absatz 2 und 41 Absatz 1 des Kodex und die Durchführungsregelungen, für unvereinbar mit Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag erklärt. Der Beurteilungsweise der Klägerin, die jede der fraglichen Bestimmungen isoliert prüft, kann deshalb nicht gefolgt werden.

112 Die Feststellung der Kommission, "das Monopol, aufgrund dessen allein VTM die flämische Öffentlichkeit mit Werbefernsehen versorgen darf, [sei] gleichbedeutend mit einem Ausschluß aller Betreiber von Rundfunk- und Fernsehanstalten aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in Flandern niederlassen oder dort eine Niederlassung errichten möchten, um über das belgische Kabelnetz Werbebotschaften für das flämische Fernsehpublikum zu verbreiten" (Randnr. 12 zweiter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung), und ihre Schlußfolgerung, die flämischen Vorschriften verletzten deshalb Artikel 52 EG-Vertrag, lassen auch keinerlei Beurteilungsfehler erkennen.

113 Das Niederlassungsrecht gemäß Artikel 52 EG-Vertrag umfaßt vorbehaltlich der vorgesehenen Ausnahmen und Bedingungen nämlich die Aufnahme und Ausübung selbständiger Tätigkeiten jeder Art, die Gründung und Leitung von Unternehmen und die Errichtung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften im Hoheitsgebiet jedes anderen Mitgliedstaats (Urteil des Gerichtshofes vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94, Gebhard, Slg. 1995, I-4165, Randnr. 23). Der Begriff der Niederlassung im Sinne des EG-Vertrags ist also ein sehr weiter, der Gemeinschaftsangehörigen die Möglichkeit eröffnet, stabil und kontinuierlich am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen; die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Gemeinschaft im Bereich selbständiger Tätigkeiten wird dadurch gefördert (ebenda, Randnr. 25). Wie der Gerichtshof im Urteil Kraus ausgeführt hat, steht Artikel 52 EG-Vertrag schließlich jeder nationalen Regelung entgegen, die zwar ohne Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, aber die Ausübung der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen behindern oder weniger attraktiv machen kann (in diesem Sinne Urteil Kraus, Randnr. 32).

114 Im vorliegenden Fall machen die flämischen Vorschriften, mit denen der VTM ein Exklusivrecht eingeräumt wird, dem Konkurrenzunternehmen eines anderen Mitgliedstaats, das in Belgien an die gesamte Flämische Gemeinschaft gerichtete Fernsehwerbung ausstrahlen möchte, die Niederlassung in Belgien unmöglich. Da bereits damit eine Einschränkung der Niederlassungsfreiheit festgestellt ist, braucht die - von der Klägerin im Rahmen des zweiten Teil dieses Klagegrundes aufgeworfene - Frage, ob diese Vorschriften "eine versteckte Form der Diskriminierung mit einer protektionistischen Wirkung" enthalten (Randnr. 12 sechster Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung), nicht erörtert zu werden. Zu prüfen ist jedoch, ob die Kommission nachgewiesen hat, daß diese Einschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht durch einen zwingenden Grund des öffentlichen Interesses gerechtfertigt ist. Die Klägerin wendet sich nämlich gegen die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung angeführten Gründe, warum zwischen der Kulturpolitik zur Erhaltung des Pluralismus der flämischen Presse und dem befristeten Exklusivrecht zum Betreiben einer kommerziellen Sendeanstalt in Flandern, das der Klägerin gewährt wurde, kein notwendiger Zusammenhang bestehe.

115 Das Vorbringen der Klägerin (vgl. oben, Randnrn. 88 bis 95) läßt indessen nicht den Schluß zu, daß die Beurteilung, die die Kommission in Randnummer 13 zweiter bis vierter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung wiedergibt, fehlerhaft war.

116 Auch wenn sich nämlich - wie die Kommission in Randnummer 13 vierter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Recht darlegt - bei Gründung der klagenden Gesellschaft alle Herausgeber an ihrem Kapital beteiligen konnten, machten doch einige von ihnen von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und kamen damit nicht in den Genuß der Gewinne, die den am Kapital der Klägerin beteiligten Herausgebern vorbehalten sind. Auch Herausgeber, die erst später auf dem Markt der niederländischen Presse auftraten, können nicht die Vorteile nutzen, die eine Beteiligung am Kapital der VTM mit sich bringt. Für einen nicht am Kapital der VTM beteiligten Herausgeber besteht somit keine Möglichkeit, an den von ihr ausgeschütteten Dividenden und damit auch an den Einnahmen aus der Fernsehwerbung zu partizipieren. Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung ausführt, wird folglich "durch das VTM übertragene Exklusivrecht... eine Gruppe von Verlegern auf Kosten der anderen begünstigt" (Randnr. 13 vierter Absatz der Gründe).

117 Zweitens können die Aktionäre der Klägerin, die im Bereich der flämischen Presse engagiert sind, den Ertrag der von der VTM ausgeschütteten Dividenden verwenden, wie sie wollen. Sie sind durch nichts daran gehindert, diese Gewinne in Form von Dividenden an ihre eigenen Aktionäre weiterzugeben oder sie für Geschäftstätigkeiten einzusetzen, die mit der flämischen Presse nichts zu tun haben. Die Kommission hat deshalb in Randnummer 13 vierter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, daß die beanstandeten staatlichen Maßnahmen die Verwirklichung der verfolgten Ziele nicht notwendig förderten.

118 Drittens bestreitet die Klägerin nicht, daß die flämischen Vorschriften die Möglichkeit offen lassen, daß ein einziger Herausgeber der Presse in niederländischer Sprache 51 % des Kapitals der VTM in seinen Händen vereinigt. Die fragliche Regelung über die Reservierung der Kapitalmehrheit der Klägerin kann somit nicht gewährleisten, daß die Einnahmen aus der Fernsehwerbung über die Dividendenausschüttung zumindest zwischen zwei Herausgebern der Presse in niederländischer Sprache geteilt werden, womit sie aber auch den Pluralismus der flämischen Presse nicht zu sichern vermag.

119 Viertens wendet sich die Klägerin gegen die Feststellung, es gebe keinen Grund zu der Annahme, daß eine private Fernsehanstalt in Flandern nur lebensfähig sei, wenn sie über ein Exklusivrecht zur Ausstrahlung von Werbung verfüge, was durch den Umstand belegt werde, daß die Klägerin ein zweites Programm gestartet habe (Randnr. 13 sechster Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin darauf, daß die Gewinne aus der Fernsehwerbung insbesondere wegen der Konkurrenz durch die VT4 in den vergangenen vier Jahren zurückgegangen seien. Eine bloße Verschlechterung der Ertragsbilanz ist jedoch als solche und ohne weitere einschlägige Nachweise nicht geeignet, die genannte Feststellung der Kommission in tatsächlicher Hinsicht zu entkräften.

120 Auch das Vorbringen der Klägerin, ihr Exklusivrecht finde in der staatlichen Subventionierung der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt BRTN eine Rechtfertigung, ist zurückzuweisen. Die Kommission macht insoweit zu Recht geltend, daß die BRTN mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EG-Vertrag betraut ist und sich deshalb in einer besonderen Lage befindet (Randnr. 14 zweiter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). Überdies folgt aus dem Umstand, daß eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt staatlich bezuschußt wird, nicht zwangsläufig, daß einer privaten Sendeanstalt ein Exklusivrecht zur Ausstrahlung von Werbung im gesamten fraglichen Gebiet einzuräumen wäre.

121 Da die Klägerin nichts vorgetragen hat, was den Schluß zuließe, daß die rechtlichen Anforderungen an die Programmgestaltung, auf die sie sich beruft, nicht auch von mehreren konkurrierenden Sendeanstalten gewahrt werden könnten, erscheinen auch die Argumente nicht stichhaltig, die sie aus dem Bestehen dieser Anforderungen herleitet.

122 Fünftens wendet sich die Klägerin gegen den Schluß der Kommission, das fragliche Exklusivrecht sei auch deshalb nicht als Maßnahme zur Erhaltung des Pluralismus der flämischen Presse gerechtfertigt, weil "die flämische Regierung [insoweit] auf andere Maßnahmen zurückgreifen [könne], die die wirtschaftliche Integration weniger beeinträchtigen" (Randnr. 13 siebenter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). Allerdings wollte die Kommission mit dieser Erwägung nicht ihre Feststellung, zwischen dem verfolgten Zweck und der Einräumung des Exklusivrechts an die VTM bestehe kein notwendiger Zusammenhang, zusätzlich begründen, sondern auf eine notwendige Konsequenz hinweisen, die die flämische Regierung ziehen müsse, wenn sie den Pluralismus nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung sichern wolle, ohne gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag zu verstoßen. Die Kommission hat in ihren Ausführungen im übrigen deutlich gemacht, daß die Ziele der Kulturpolitik und der Förderung des Pressepluralismus durch die Gewährung öffentlicher Zuschüsse an die Presse verwirklicht werden könnten. Auf diese Weise könnten alle Herausgeber nach Kriterien, die den verfolgten Zwecken entsprächen, in den Genuß von Zuschüssen kommen, und die Subventionierung der Presse führe auch nicht zur Einschränkung der Niederlassungsfreiheit auf einem anderen Markt, nämlich dem des Privatfernsehens.

123 Der dritte Klagegrund ist deshalb als nicht stichhaltig zurückzuweisen.

Zum vierten Klagegrund: Ermessensmißbrauch

Vorbringen der Parteien

124 Die Klägerin trägt vor, es gebe schwerwiegende und übereinstimmende Anhaltspunkte dafür, daß die angefochtene Entscheidung auf einem Ermessensmißbrauch beruhe. Die Vorschriften des Dekrets von 1987 seien nacheinander Gegenstand eines 1990 eröffneten Verfahrens gemäß Artikel 169 EG-Vertrag, eines 1995 eingeleiteten Verfahrens gemäß Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 59 EG-Vertrag und eines 1996 eingeleiteten Verfahrens ebenfalls gemäß Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag gewesen. Außerdem sei die Regelung, wonach die Mehrheit des Kapitals der Klägerin Herausgebern der Tages- und Wochenpresse in niederländischer Sprache vorzubehalten sei, Gegenstand einer mit Gründen versehenen Stellungnahme gewesen, die den belgischen Behörden am 15. Mai 1997 zugestellt worden sei.

125 Das vorliegende Verfahren gehöre zu dieser Serie von Verfahren, die die Kommission gegen das Dekret von 1987 eingeleitet habe. Dabei sei zu berücksichtigen, daß die Kommission nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag keineswegs verpflichtet sei, das Exklusivrecht zu "verfolgen", sondern insoweit über ein weites Ermessen verfüge (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 9. Januar 1996 in der Rechtssache T-575/93, Koelmann/Kommission, Slg. 1993, II-1).

126 Lasse ein gemeinschaftlicher Rechtsakt einen schwerwiegenden Mangel an Vorsorge oder Umsicht des Organs, das ihn erlassen hat, erkennen, so komme dies einer Verkennung des Gesetzeszwecks gleich, für den dem Organ die Befugnis zum Erlaß des Rechtsakts verliehen wurde (Urteil des Gerichtshofes vom 21. Juni 1998 in der Rechtssache 13/57, Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie u. a./Hohe Behörde, Slg. 1958, 271, 306). Alle vorgenannten Verfahren ließen jedoch in evidenter Weise einen solchen schwerwiegenden Mangel an Vorsorge und Umsicht der Kommission erkennen, was für den Nachweis eines Ermessensmißbrauchs genüge.

127 Daß die Kommission nach Erlaß des genannten Urteils Kommission/Belgien weitere Verfahren nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag eingeleitet habe, zeige, daß diesen andere Beweggründe zugrunde lägen als das Bestreben der Kommission, ihrer Aufgabe als Hüterin des Vertrages gerecht zu werden. Gleiches gelte, wenn man diese Verfahren einzeln betrachte. Die Kommission sei in ihrer Beurteilung umgeschwenkt, indem sie plötzlich die Unvereinbarkeit der Vorschriften des Kodex mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag festgestellt habe, nachdem sie zuvor ihre Vereinbarkeit mit den Artikeln 90 Absatz 1 und 59 EG-Vertrag konstatiert habe. Sie verfolge also allein das Ziel, das der Klägerin gewährte Exklusivrecht zu Fall zu bringen.

128 In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, daß sich die flämische Sozialistische Partei, die während der vorbereitenden Arbeiten für das Dekret von 1987 in der Opposition gewesen sei, der Liberalisierung der flämischen Fernsehlandschaft durch die Schaffung einer kommerziellen Sendeanstalt mit einem befristeten Exklusivrecht mit Nachdruck widersetzt habe. Es sei zu vermuten, daß die Sozialistische Partei eine Beschwerde eingelegt und damit das durch das Urteil Kommission/Belgien abgeschlossene Verfahren initiiert habe. Das gegenwärtig für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissionsmitglied habe jedoch von 1978 bis 1988 an der Spitze der flämischen Sozialistischen Partei gestanden.

129 Für diese Wertung spreche auch, daß die jüngst in diesem Verfahren ergangene Entscheidung das Ergebnis eines äußerst engen Zusammenwirkens zwischen dem für das Fernsehen zuständigen flämischen Minister und dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglied sei. Ihre öffentlichen Äußerungen stimmten genau überein; der Minister habe das Exklusivrecht der Klägerin abschaffen wollen, aber zur Vermeidung einer Schadensersatzklage der Klägerin eine Entscheidung der Kommission angestrebt, mit der das Exklusivrecht für mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar erklärt würde.

130 Nach Ansicht der Kommission sind die Voraussetzungen, die einen Rechtsakt als ermessensmißbräuchlich kennzeichnen, im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Würdigung durch das Gericht

131 Eine Handlung ist nur dann ermessensmißbräuchlich, wenn aufgrund objektiver, schlüssiger und übereinstimmender Indizien anzunehmen ist, daß sie ausschließlich oder zumindest vorwiegend zu anderen als den angegebenen Zwecken oder mit dem Ziel vorgenommen worden ist, ein Verfahren zu umgehen, das der Vertrag speziell vorsieht, um die konkrete Sachlage zu bewältigen (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache C-48/96 P, Windpark Groothusen/Kommission, Slg. 1998, I-2873, Randnr. 52, und des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr. 68).

132 Da die Kommission bei der Wahrnehmung ihrer Zuständigkeit nach Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag über ein Ermessen verfügt (vgl. oben, Randnr. 75), ist es nicht zu beanstanden, daß sie von dieser Zuständigkeit zu dem Zeitpunkt Gebrauch gemacht hat, den sie für angemessen erachtete. Allein daraus, daß die Kommission das Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, eröffnete, nachdem sie bereits zwei frühere Verfahren eingeleitet hatte, läßt sich deshalb nicht schließen, daß dieses Verfahren etwas anderes als die Beendigung eines tatsächlich gegebenen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht bezweckte.

133 Die Rüge eines Ermessensmißbrauchs richtet sich außerdem gegen die Kommission in der Frage der Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten. Die Übermittlung eines Mahnschreibens an einen Mitgliedstaat und der Erlaß einer Entscheidung gemäß Artikel 90 Absatz 3 EG-Vertrag obliegen jedoch dem Kollegium der Kommissionsmitglieder und nicht einem einzelnen von ihnen. Die Behauptungen der Klägerin, mit denen sie die Haltung des für Wettbewerbsfragen zuständigen Kommissionsmitglieds zum flämischen Fernsehrecht unter Bezugnahme auf seine frühere politische Haltung in Frage stellt, sind deshalb auch dann, wenn man sie für erwiesen hielte, unerheblich.

134 Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich auf das Urteil Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie u. a./Hohe Behörde berufen. In diesem Verfahren hatte eine der Klägerinnen im Rahmen eines Klagegrundes, der auf einen Ermessensmißbrauch gestützt war, der Hohen Behörde eine schwerwiegende Verkennung bestimmte Ziele des EGKS-Vertrags vorgeworfen, "weil sie mit den angefochtenen Bestimmungen den Aufbau bestimmter Produktionsmittel praktisch unterbunden habe". In diesem Zusammenhang stellte der Gerichtshof fest, es sei "zu prüfen, ob diese Bestimmungen einen entsprechenden unzulässigen Beweggrund oder einen schwerwiegenden Mangel an Umsicht erkennen lassen, der einer Verkennung des Gesetzeszwecks gleichkäme, und ob sie in dieser Hinsicht nicht gewissen gesetzlichen Zielen zum Nachteil bestimmter anderer in einem nach den Umständen nicht gerechtfertigten Umfang den Vorrang einräumen". Im vorliegenden Verfahren bezieht sich die Klägerin jedoch lediglich auf diese Rechtsprechung, ohne anzugeben, welches Ziel des EG-Vertrags die Kommission - abgesehen von der Einhaltung des Gemeinschaftsrechts - mit dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung verletzt habe.

135 Die Ausführungen der Klägerin bieten deshalb keinen Anhalt dafür, daß das Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, zu einem anderen Zweck geführt wurde als dem, eine tatsächlich gegebene Verletzung des Gemeinschaftsrechts abzustellen.

136 Der vierte Klagegrund ist deshalb, da er nicht stichhaltig ist, zurückzuweisen.

Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag

Vorbringen der Parteien

137 Die Klägerin macht erstens geltend, wenn sich die Kommission für einen neuen Weg entscheide und weiter als in früheren Entscheidungen gehe, habe sie eine umfassendere Begründungspflicht und müsse ihren Gedankengang ausdrücklich darlegen (Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74, Papiers Peints/Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 31).

138 Demgemäß habe die angefochtene Entscheidung einer besonderen Begründung bedurft, denn sie sei die erste, mit der ein Exklusivrecht gemäß den Artikeln 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag für unzulässig erklärt worden sei. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung 85/276/EWG der Kommission vom 24. April 1985 über die in Griechenland vorgeschriebene Versicherung von öffentlichen Vermögen und der von griechischen öffentlichen Banken gewährten Kredite (ABl. L 152, S. 25) beruhe nicht einfach auf der Anwendung der Artikel 90 Absatz 1 und 52 des Vertrages, sondern auch der Artikel 3 Buchstabe f, 85 und 86 EWG-Vertrag.

139 Zweitens wäre die angefochtene Entscheidung auch deshalb eingehender zu begründen gewesen, weil die kombinierte Anwendung der Artikel 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag widersprüchlich erscheine. Denn einerseits erlaube Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag die Gewährung und das Bestehen eines Exklusivrechts, das Privatpersonen und Unternehmen, die nicht zu seinen Inhabern gehörten, notwendig ausschließe. Artikel 52 EG-Vertrag untersage andererseits jede Maßnahme eines Mitgliedstaats, die die Niederlassung des Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats in seinem Gebiet erschweren oder weniger attraktiv machen könne, und zwar auch dann, wenn sie keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthalte (Urteil Kraus, Randnr. 32). Die Unvereinbarkeit der beiden Bestimmungen ergebe sich somit daraus, daß das nach Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag zulässige Bestehen eines Exklusivrechts ausländische Unternehmen, die nicht dessen Inhaber seien, aber im Schutzbereich des Exklusivrechts tätig werden wollten, in der Wahrnehmung ihrer Niederlassungsfreiheit behindere. Angesichts dieses offenkundigen Widerspruchs hätte die Kommission erläutern müssen, wieso das Exklusivrecht, dessen Existenz Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag gestatte, plötzlich zu einem unzulässigen Hindernis für die Niederlassungsfreiheit werde.

140 Die Ausschlußwirkung (vgl. Randnr. 12 der Gründe der angefochtenen Entscheidung) wohne einem Exklusivrecht inne und könne deshalb kein ausreichender Grund sein, um das ausschließliche Recht, vom Gebiet der Flämischen Gemeinschaft aus an diese gerichtete Werbung auszustrahlen, für unvereinbar mit Artikel 52 EG-Vertrag zu erklären.

141 Die angefochtene Entscheidung sei auch deshalb unzureichend begründet, da sie nicht klar erkennen lasse, welche Passage des verfügenden Teils der Entscheidung die Erwägung stützen solle, "daß die Erträge des gesamten Marktes für Fernsehwerbung oder zumindest eines überwiegenden Teils desselben der heimischen Wirtschaft zugute kommen" (Randnr. 12 vierter Absatz der Gründe der angefochtenen Entscheidung). Aus dem verfügenden Teil der angefochtenen Entscheidung gehe hervor, daß sowohl die Vorschriften des Kodex, die sich auf das Exklusivrecht zur Ausstrahlung kommerzieller Werbung bezögen, als auch die Durchführungsmaßnahmen, mit denen das Ausschließlichkeitsrecht vergeben worden sei, gegen Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag verstießen.

142 Die Kommission verweist darauf, daß die angefochtene Entscheidung nicht der erste Fall sei, in dem Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag angewandt worden sei. Nach ihrer Auffassung ist die Entscheidung hinreichend begründet.

Würdigung durch das Gericht

143 Die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung muß die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, daß die Betroffenen die Gründe für die erlassene Maßnahme erkennen können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrolle wahrnehmen kann (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 7. November 1997 in der Rechtssache T-84/96, Cipeke/Kommission, Slg. 1997, II-2081, Randnr. 46).

144 Somit stellt die Beanstandung des Fehlens oder der Unzulänglichkeit einer Begründung die Rüge einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften dar, die sich von der Rüge der Unrichtigkeit der Gründe der angefochtenen Entscheidung unterscheidet, deren Kontrolle vielmehr zur Prüfung der Begründetheit dieser Entscheidung gehört (Urteil Cipeke/Kommission, Randnr. 47, und Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in den Rechtssachen T-295/94, Buchmann/Kommission, Slg. 1998, II-813, Randnr. 45, und T-310/94, Gruber + Weber/Kommission, Slg. 1998, II-1043, Randnr. 41). Soweit die Klägerin mit ihrem Vorbringen, sie sei zu Unrecht als "nationales Unternehmen" eingestuft worden, die sachliche Begründetheit der angefochtenen Entscheidung rügt, ist dieses Vorbringen darum im vorliegenden Zusammenhang unbeachtlich.

145 Die Klägerin trägt vor, die angefochtene Entscheidung sei hinsichtlich der Feststellung, daß das von den flämischen Behörden vergebene Exklusivrecht gegen Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag verstoße, nicht hinreichend begründet.

146 Diese Rüge greift jedoch nicht durch. In den Randnummern 11 bis 14 der Gründe der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission nämlich ihre rechtliche Beurteilung dargelegt, und insbesondere den Randnummern 11 und 12 lassen sich dabei die Erwägungen entnehmen, von denen sie sich bei der Anwendung von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag leiten ließ.

147 So heißt es in Randnummer 11 erster Absatz der Gründe: "Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag bestimmt, daß die Mitgliedstaaten in bezug auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine diesem Vertrag widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten dürfen." Die Kommission führt sodann aus, daß die VTM ein privatwirtschaftliches Unternehmen sei, dem die Flämische Gemeinschaft das Exklusivrecht zur Ausstrahlung der für das flämische Fernsehpublikum bestimmten Werbung übertragen habe, und fügt hinzu: "Dieses Recht geht auf eine Initiative des Staates zurück" (Randnr. 11 zweiter Absatz der Gründe).

148 Nachdem sie den Inhalt von Artikel 52 EG-Vertrag wiedergegeben hat, erläutert sie weiter: "Das Monopol, aufgrund dessen allein VTM die flämische Öffentlichkeit mit Werbefernsehen versorgen darf, ist gleichbedeutend mit einem Ausschluß aller Betreiber von Rundfunk- und Fernsehanstalten aus anderen Mitgliedstaaten, die sich in Flandern niederlassen oder dort eine Niederlassung errichten möchten, um über das belgische Kabelnetz Fernsehbotschaften für das flämische Fernsehpublikum zu verbreiten" (Randnr. 12 zweiter Absatz der Gründe). Sodann führt sie aus: "Die Tatsache, daß die betreffenden Bestimmungen unterschiedslos sowohl für alle sonstigen in Belgien niedergelassenen Unternehmen als auch für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten [gelten], ist kein Grund für die Ausschließung der Anwendbarkeit von Artikel 52 EG-Vertrag auf die VTM gewährte Vorzugsbehandlung" (Randnr. 12 dritter Absatz der Gründe).

149 Die Kommission hat somit klar dargelegt, daß im vorliegenden Fall die Artikel 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag kombiniert anzuwenden waren, da die streitigen staatlichen Maßnahmen der Klägerin ein Exklusivrecht einräumen und mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar sind.

150 Da die Erwägungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung eingehend dargelegt sind, kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung berufen, wonach eine Entscheidung, die eine ständige Entscheidungspraxis fortsetzt, summarisch, insbesondere unter Bezugnahme auf diese Praxis, begründet werden kann, die Kommission aber ihren Gedankengang ausdrücklich darlegen muß, wenn eine Entscheidung erheblich weiter geht als die früheren Entscheidungen (Urteile Papiers Peints u. a./Kommission, Randnr. 31, und des Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-34/92, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905, Randnr. 35). Jedenfalls ist die Kommission von ihrer vorherigen Entscheidung nicht so weit abgewichen, daß sie ihre Beurteilung des Verstoßes gegen die Artikel 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag noch eingehender hätte begründen müssen. Sie hatte nämlich, wie sie geltend macht, bereits in der Entscheidung 85/276 vom 24. April 1985 die Artikel 90 und 52 EG-Vertrag zusammen angewandt. Daß die Kommission ihre Schlußfolgerung, die dort beanstandete nationale Regelung sei mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar, in jener Entscheidung nicht nur auf die Anwendung von Artikel 90 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag, sondern auch auf weitere Vertragsbestimmungen stützte, ändert nichts daran, daß sie in ihr eine kombinierte Anwendung der Artikel 90 Absatz 1 und 52 EG-Vertrag für möglich hielt.

151 Schließlich ist der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung im Licht der Entscheidungsgründe auszulegen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den verbundenen Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 122 bis 124). Nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung sind die dort genannten staatlichen Maßnahmen "mit Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 52 EG-Vertrag unvereinbar". Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist zu entnehmen, daß die festgestellte Unvereinbarkeit nicht auf jede einzelne der flämischen Vorschriften für sich genommen, sondern auf ihr "Zusammenspiel" bezogen wird (Randnr. 2 erster Absatz und Randnr. 11 zweiter Absatz der Gründe). Welche Passage des verfügenden Teils die Feststellung stützen soll, "daß die Erträge des gesamten Marktes für Fernsehwerbung oder zumindest eines überwiegenden Teils derselben der heimischen Wirtschaft zugute kommen" (Randnr. 12 vierter Absatz der Gründe), ist deshalb unerheblich.

152 Der fünfte Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

153 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

154 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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