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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 20.04.2005
Aktenzeichen: T-273/02
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke, Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94, EMRK


Vorschriften:

Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Verordnung Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke Art. 61 Abs. 2
Verordnung Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 Regel 20 Abs. 2 S. 1 d
EMRK Art. 6 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Vierte Kammer) vom 20. April 2005. - Krüger GmbH & Co. KG gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke CALPICO - Ältere nationale Wortmarke CALYPSO - Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Anspruch auf rechtliches Gehör. - Rechtssache T-273/02.

Parteien:

In der Rechtssache T273/02

Krüger GmbH & Co. KG mit Sitz in Bergisch Gladbach (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt S. von Petersdorff-Campen,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM und Streithelferin vor dem Gericht:

Calpis Co. Ltd mit Sitz in Tokyo (Japan), vertreten durch die Rechtsanwälte O. Jüngst und M. Schork,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 25. Juni 2002 (Sache R 484/20001) in dem Widerspruchsverfahren zwischen Calpis Co. Ltd und Krüger GmbH & Co. KG

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie des Richters P. Mengozzi und der Richterin I. Wiszniewska-Biaecka,

Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,

aufgrund der Klageschrift, die am 6. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

aufgrund der Klagebeantwortung, die am 18. Dezember 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

aufgrund der Klagebeantwortung der Streithelferin, die am 27. Dezember 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist,

auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2004

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Am 1. April 1996 meldete The Calpis Food Industry Co. Ltd, nunmehr Calpis Co. Ltd (im Folgenden: Streithelferin), beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung eine Gemeinschaftsmarke an.

2. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen CALPICO.

3. Die Waren, für die die Eintragung beantragt wurde, gehören zu den Klassen 29, 30 und 32 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner überarbeiteten und geänderten Fassung und entsprechen für die Klasse 32 folgender Beschreibung: Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke, insbesondere physiologisch wirkende Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte sowie Getränke auf Fruchtsaftbasis; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken.

4. Am 28. September 1998 wurde die Anmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 74/98 veröffentlicht.

5. Am 11. November 1998 legte die Krüger GmbH & Co. KG (im Folgenden: Klägerin) gegen die Eintragung des Zeichens CALPICO Widerspruch ein und berief sich auf die Gefahr der Verwechslung im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 mit der in Deutschland eingetragenen älteren nationalen Wortmarke CALYPSO, deren Inhaberin sie ist. Die Waren, für die die ältere Marke eingetragen ist, gehören zur Klasse 32 des Abkommens von Nizza und entsprechen folgender Beschreibung: Fruchtpulver und alkoholfreie Fruchtpräparate für die Zubereitung von alkoholfreien Getränken (sämtliche vorgenannten Waren auch in Instant-Form).

6. Mit Bescheid vom 13. März 2000 wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch mit der Begründung zurück, dass die beiden einander gegenüberstehenden Marken hinreichend schriftbildliche, klangliche und begriffliche Unterschiede aufwiesen, um jegliche Verwechslungsgefahr im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 auszuschließen.

7. Am 5. Mai 2000 legte die Klägerin beim HABM Beschwerde gegen den Bescheid der Widerspruchsabteilung ein.

8. Mit Entscheidung vom 25. Juni 2002 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück. Sie vertrat im Wesentlichen die Auffassung, dass die Unterschiede zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen im Schriftbild, im Klang sowie im Sinngehalt trotz teilweiser Warenidentität (Präparate für die Zubereitung von Getränken) und teilweise hochgradiger Warenähnlichkeit (andere Waren) es nicht erlaubten, eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.

Anträge der Beteiligten

9. Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

10. Das HABM und die Streithelferin beantragen,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

11. Die Klägerin stützt ihre Klage auf zwei Gründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 geltend. Mit dem zweiten Klagegrund rügt sie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Artikel 61 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Regel 20 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) und aus Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94

Vorbringen der Beteiligten

12. Die Klägerin ist erstens der Ansicht, dass die Beschwerdekammer dadurch, dass sie die einander gegenüberstehenden Zeichen anhand einer Betrachtung der Ähnlichkeiten im Bild, im Klang und dem Sinn nach verglichen habe, eine kumulative und offensichtlich unzutreffende Prüfung der Verwechslungsgefahr vorgenommen habe. Sobald eine Ähnlichkeit, z. B. im Bild, festgestellt werde und dieser entscheidende Bedeutung zukomme, sei eine Prüfung der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen dem Sinn nach selbst dann nicht mehr erforderlich, wenn festgestellt werde, dass keine Ähnlichkeit im Klang vorliege. Mit der Durchführung einer kumulativen Prüfung habe die Beschwerdekammer die in den Urteilen des Gerichtshofes vom 11. November 1997 in der Rechtssache C251/95 (SABEL, Slg. 1997, I6191) und vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C342/97 (Lloyd Schuhfabrik Meyer, Slg. 1999, I3819, Randnr. 27) bestätigte Rechtsprechung verkannt.

13. Zweitens habe die Beschwerdekammer die Tatsachen nicht korrekt bewertet und die Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken zu Unrecht verneint.

14. Zunächst habe die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen, dass die Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers wegen des reichhaltigen Angebots im Fruchtsaft- und Getränkesektor nicht als gering anzusehen sei. Das Bestehen eines reichhaltigen Angebots im Fruchtsaft- und Getränkesektor werde zwar nicht bestritten, doch sei die Argumentation der Beschwerdekammer widersprüchlich. Wenn es sich, wie diese ausgeführt habe, im vorliegenden Fall um Waren handele, die schnell gekauft würden, könne die Aufmerksamkeit des Verbrauchers nicht hoch sein. Überdies erhöhe das reichhaltige Angebot die Gefahr einer Verwechslung der Marken. Schließlich habe die Beschwerdekammer selbst betont, dass es sich um Billigwaren handele; der durchschnittliche Verbraucher bringe einer Billigware jedoch weniger Aufmerksamkeit entgegen als einer höherpreisigen Ware.

15. Ferner bestehe eine schriftbildliche Ähnlichkeit zwischen den Zeichen CALYPSO und CALPICO. Beide bestünden aus sieben Buchstaben und hätten ein P in der Mitte des Wortes. Darüber hinaus befänden sich die in beiden Zeichen übereinstimmenden Buchstaben (CAL und O) am Zeichenanfang und am Zeichenende; es seien aber die Elemente am Anfang und am Ende eines Wortzeichens, die dessen schriftbildlichen Eindruck bestimmten. Die Feststellung der Beschwerdekammer, dass es schriftbildliche Unterschiede zwischen den beiden Buchstabenfolgen PIC und YPS gebe, sei daher unerheblich, da diese sich in der Mitte des Wortes befänden. Die fraglichen Zeichen würden zudem vor allem bildlich wahrgenommen und entwickelten erst dann einen Wortklang beim Verbraucher, wenn dieser sie mit einer gewissen Aufmerksamkeit genauer betrachte. Da dessen durchschnittliche Aufmerksamkeit aber gering sei, würden die Zeichen überwiegend nur lesend wahrgenommen. Deshalb sei der schriftbildlichen Ähnlichkeit entscheidende Bedeutung beizumessen.

16. Die sich aus der schriftbildlichen Ähnlichkeit ergebende Verwechslungsgefahr werde durch die zwischen den beiden Zeichen bestehende klangliche Ähnlichkeit verstärkt. Übereinstimmung gebe es bei der Vokalfolge a-i-o, wobei das y des Zeichens CALYPSO wie ein i ausgesprochen werde. Die Vokalfolge sei bestimmend für die klangliche Wirkung der in Rede stehenden Wörter. Außerdem werde das Zeichen CALPICO in Deutschland als fremdsprachiges Wort angesehen, und deshalb spreche ein großer Teil der Verbraucher es wie ein italienisches oder spanisches Wort aus, d. h. kalpitscho oder kalpizo. Für den deutschen Verbraucher bestehe somit eine Unsicherheit bezüglich der Aussprache des Wortzeichens CALPICO, was bei ihm die Tendenz begünstige, das Zeichen in klanglicher Übereinstimmung mit dem bereits zuvor wahrgenommenen Zeichen CALYPSO auszusprechen. Die Feststellung der Beschwerdekammer, dass der Buchstabe c in CALPICO als k ausgesprochen werde, da im Deutschen das c vor einem o immer so ausgesprochen werde, sei somit schon deshalb fehlerhaft, weil CALPICO kein deutsches Wort sei.

17. Darüber hinaus erlaube die fehlende Ähnlichkeit im Sinngehalt der beiden Zeichen nicht die Schlussfolgerung, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe. Da das Wort calypso im Deutschen mehrere Bedeutungen habe - es stehe für einen von den Antillen stammenden rhythmischen Tanz, für eine Nymphe aus der griechischen Mythologie oder für einen Mond des Planeten Saturn - und das Wort calpico keine Bedeutung habe, könne der Verbraucher wegen der bildlichen und klanglichen Ähnlichkeit der beiden Zeichen dem Wort calpico die Bedeutungen des Wortes calypso zuschreiben. Außerdem habe das HABM nicht nachgewiesen, warum die Verbraucher bei den unterschiedlichen Bedeutungen des Wortes calypso dieses mit der Karibik, dem Süden und schwingenden Rhythmen in Zusammenhang bringen sollten.

18. Schließlich habe die Beschwerdekammer bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht der Wechselbeziehung von Zeichenähnlichkeit und Warenähnlichkeit Rechnung getragen. Die Beschwerdekammer hätte nämlich bei Feststellung einer Warenähnlichkeit unter Berücksichtigung der bildlichen und klanglichen Ähnlichkeiten der Zeichen eine Verwechslungsgefahr bejahen müssen.

19. Drittens stehe die streitige Entscheidung der Entscheidungspraxis des HABM entgegen, insbesondere den Entscheidungen R 488/2000-4 vom 28. Februar 2002, Robert Krups/Lidl Stiftung, R 622/1999-3 vom 3. April 2001, Almirall-Prodesfarma/Mundipharma, und R 251/2000-3 vom 12. Februar 2001, Karlsberg Brauerei/Mystery Drinks.

20. Das HABM erwidert erstens, die Beschwerdekammer habe nicht behauptet, dass für das Vorliegen von Verwechslungsgefahr gleichzeitig eine Ähnlichkeit im Bild, im Klang und im Sinngehalt vorliegen müsse.

21. Zweitens habe die Beschwerdekammer den Sachverhalt korrekt beurteilt und sei zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.

22. Zunächst sei auch beim Kauf von Massenkonsumgütern von einer durchschnittlichen und nicht von einer geringen Aufmerksamkeit des Verbrauchers auszugehen. Die Klägerin hätte somit nachweisen müssen, dass dies im vorliegenden Fall für Fruchtsäfte nicht gelte. Die einfache Behauptung, dass dies der Lebenserfahrung entspreche, sei kein ausreichender Beweis. In Wirklichkeit habe der deutsche Verbraucher bei Fruchtsäften ein hohes Markenbewusstsein. Der große Erfolg bestimmter Marken auf dem deutschen Markt und die häufigen Werbekampagnen in Funk und Fernsehen wiesen darauf hin, dass der Verbraucher bei der Wahl eines solchen Getränks der Marke einen zumindest normalen Grad an Aufmerksamkeit zukommen lasse.

23. Sodann unterschieden sich die beiden Marken klar hinsichtlich des Sinngehalts, klanglich und schriftbildlich, so dass die Gefahr einer Verwechslung der Marken zu verneinen sei.

24. Die Streithelferin trägt erstens vor, dass sie in der angefochtenen Entscheidung keinen kumulativen Ansatz erkenne. Die Klägerin vermenge zwei Prüfungsansätze. Beim ersten Prüfungsansatz sei die Ähnlichkeit zwischen den Marken zu bestimmen. Aus den Urteilen SABEL und Lloyd Schuhfabrik Meyer ergebe sich, dass zur Feststellung der Ähnlichkeiten zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen der Grad der Ähnlichkeit im Bild, im Klang und in der Bedeutung bestimmt werden müsse. Der zweite Prüfungsansatz sei der der Beurteilung der Verwechslungsgefahr. Für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr sei es ausreichend, wenn eine Ähnlichkeit aufgrund eines dieser drei Beurteilungskriterien vorliege. Komme die Beschwerdekammer also schon im Rahmen der Prüfung der Ähnlichkeit zwischen den Marken zu dem Ergebnis, dass sich die Zeichen voneinander unterschieden, so müsse sie nicht mehr untersuchen, ob nur eine dieser drei Ähnlichkeiten eine Verwechslungsgefahr begründen könne. Genau dies habe die Beschwerdekammer im vorliegenden Fall getan.

25. Zurückzuweisen sei auch das Argument der Klägerin, wonach der klanglichen Ähnlichkeit eine geringere Bedeutung zuzuerkennen sei als der schriftbildlichen Ähnlichkeit der Zeichen, da Wortmarken überwiegend schriftbildlich wahrgenommen würden. Der klanglichen Wirkung der Marken komme wesentliche Bedeutung zu. Sie würden in den Medien viel eher gehört als gelesen.

26. Zweitens sei die Beschwerdekammer zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe.

27. In dieser Hinsicht sei die Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Verbrauchers im vorliegenden Fall nicht gering. Die Beschwerdekammer betone, dass der Verbraucher der Verpackung und der Marke Bedeutung beimesse, da er ein großes Angebot an Fruchtsäften gewohnt sei, und sie folge damit der Rechtsprechung des Gerichtshofes, der verlange, dass der Tatsache Rechnung zu tragen sei, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (Urteil Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 26). Die Aufmerksamkeit des Verbrauchers sei deshalb, auch wenn es sich um gängige Konsumgüter handele, je nach Produkt zu bestimmen, statt dass der Grundsatz einer geringen Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers unterschiedslos auf alle Konsumgüter angewandt werde. Da die fraglichen Getränke von vielen Anbietern angeboten würden, schaue der Verbraucher sie sich relativ genau an. Was den Grad der Aufmerksamkeit des Verbrauchers betreffe, so sei die Beschwerdekammer gegenüber der Widerspruchsabteilung somit nicht zu einem gegenteiligen Ergebnis gelangt; jene lege die Tatsachen nur anders aus als diese.

28. Bezüglich des Zeichenvergleichs schließt sich die Streithelferin im Wesentlichen dem Standpunkt des HABM an.

29. Das Vorbringen der Klägerin, die Beschwerdekammer habe bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht der Wechselbeziehung von Zeichenähnlichkeit und Warenähnlichkeit Rechnung getragen, ist nach Ansicht der Streithelferin ebenfalls unbegründet.

Würdigung durch das Gericht

30. Gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/9 4 ist die angemeldete Marke auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke von der Eintragung ausgeschlossen, wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt.

31. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Verwechslungsgefahr dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen.

32. Nach dieser Rechtsprechung ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr umfassend, aus der Sicht der maßgeblichen Verkehrskreise und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Wechselbeziehung zwischen Zeichenähnlichkeit und Produktähnlichkeit, zu beurteilen (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003 in der Rechtssache T162/01, Laboratorios RTB/HABM - Giorgio Beverly Hills [GIORGIO BEVERLY HILLS], Slg. 2003, II2821, Randnrn. 31 bis 33 und die dort zitierte Rechtsprechung).

33. Aus der Rechtsprechung ergibt sich außerdem, dass bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2003 in der Rechtssache T292/01, Phillips-Van Heusen/HABM - Pash Textilvertrieb und Einzelhandel [BASS], Slg. 2003, II4335, Randnr. 47 und die dort zitierte Rechtsprechung).

34. Im vorliegenden Fall betrifft der Rechtsstreit den Zeichenvergleich. Dass die von den einander gegenüberstehenden Marken bezeichneten Waren zum Teil identisch und zum Teil ähnlich sind, ist unstreitig.

35. Da die ältere Marke in Deutschland eingetragen ist, ist das maßgebliche Publikum der deutsche Durchschnittsverbraucher.

36. Zunächst ist festzuhalten, dass das Vorliegen von Verwechslungsgefahr, anders als die Klägerin meint, nicht festgestellt werden kann, ohne dass zuvor die Ähnlichkeit der Zeichen in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht geprüft worden ist. Die Auffassung der Klägerin, dass Verwechslungsgefahr festgestellt werden könne, sobald die Zeichenähnlichkeit in einer der drei genannten Hinsichten erwiesen sei, widerspricht der oben in Randnummer 33 angeführten Gemeinschaftsrechtsprechung, wonach bei der umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr hinsichtlich der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken in Bild, Klang oder Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die Zeichen hervorrufen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind gegebenenfalls die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den Zeichen gegeneinander abzuwägen.

37. Es ist deshalb zu prüfen, ob die Beschwerdekammer gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen hat, als sie festgestellt hat, dass die fraglichen Zeichen einander schriftbildlich, klanglich sowie im Sinngehalt nicht ähnlich seien und daher trotz Warenidentität oder Warenähnlichkeit eine Gefahr der Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken ausgeschlossen werden könne.

38. Zum bildlichen Vergleich der fraglichen Zeichen hat die Beschwerdekammer in Randnummer 20 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

Die beiden Marken haben sieben Buchstaben, wobei die ersten drei Buchstaben (CAL) sowie der letzte Buchstabe (O) identisch sind. Der gleiche Buchstabe (P) kommt im mittleren Teil der beiden Marken vor. Trotzdem sind beide Marken im Gesamteindruck schriftbildlich klar voneinander zu unterscheiden, da sich die Buchstabenfolge PIC in der Gemeinschaftsmarkenanmeldung klar von der Buchstabenfolge YPS in der Widerspruchsmarke abhebt.

39. Diese Beurteilung kann nicht entkräftet werden. Im Allgemeinen sind bei relativ kurzen Wortzeichen wie den hier in Rede stehenden die Bestandteile in der Mitte ebenso wichtig wie die am Anfang und am Ende des Zeichens (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2004 in der Rechtssache T117/02, Grupo El Prado Cervera/HABM - Erben Debuschewitz [CHUFAFIT], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 48). Die einander gegenüberstehenden Zeichen weisen aber angesichts der Buchstabenfolge pic bei der angemeldeten Gemeinschaftsmarke und yps bei der älteren nationalen Marke tatsächlich Unterschiede in bildlicher Hinsicht auf, die es nicht erlauben, eine Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen im Bild festzustellen.

40. Zum klanglichen Vergleich hat die Beschwerdekammer in Randnummer 21 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

Entgegen der Ansicht der Widersprechenden kann die Beschwerdekammer keine Gründe erkennen, warum die angemeldete Marke in Deutschland als KALPITZO oder KALPISO ausgesprochen werden sollte. Der Buchstabe C wird in der deutschen Sprache, wenn er vor einem O steht, grundsätzlich als K ausgesprochen, wie etwa in Collage, Computer, Container, Coburg oder Coca-Cola®. Er ist daher ein harter Konsonant. Die angemeldete Marke wird sprachlich in drei Silben CAL-PICO (gesprochen KAL-PIKO) unterteilt, wobei die Betonung auf der ersten Silbe liegt. Die Widerspruchsmarke, die sprachlich auch in drei Silben CA-LY-PSO (gesprochen KA-LÜ-PSO) getrennt wird, wird dagegen auf der zweiten Silbe betont. Klanglich sind die Marken daher eindeutig unterschiedlich.

41. Dieser Beurteilung ist zu folgen. Die einander gegenüberstehenden Zeichen enthalten nämlich zwei klanglich völlig unterschiedliche Silben, die Betonung liegt bei den beiden Zeichen nicht auf der gleichen Silbe, und der Buchstabe y wird im Deutschen nicht wie der Buchstabe i ausgesprochen. Zum Vorbringen der Klägerin, der deutsche Verbraucher spreche das Wortzeichen CALPICO kalpitscho oder kalpizo - wie es im Italienischen oder Spanischen ausgesprochen würde - aus, ist ferner zu bemerken, dass CALPICO, selbst wenn das maßgebliche Publikum über ausreichende Kenntnisse der italienischen und der spanischen Sprache verfügen sollte, weder im Italienischen noch im Spanischen kalpitscho oder kalpizo ausgesprochen wird. Selbst wenn ferner, wie die Klägerin geltend macht, der deutsche Verbraucher das Zeichen CALPICO als ein Fremdwort ansehen und es in seiner Unsicherheit so aussprechen sollte, wie es seiner Vorstellung nach im Italienischen oder Spanischen ausgesprochen wird, so bestünde für ihn kein Anlass, dieses Wort wie das Wortzeichen CALYPSO auszusprechen, dessen Aussprache im Deutschen unstreitig ist. Dieser Unterschied trägt dazu bei, jede klangliche Ähnlichkeit der beiden Zeichen auszuschließen.

42. Zum begrifflichen Vergleich hat die Beschwerdekammer in Randnummer 22 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass das Wort calpico ein Fantasiewort ohne Sinngehalt sei, während das Wort calypso an die Karibik, den Süden und schwingende Rhythmen oder an die Nymphe aus der griechischen Mythologie erinnere, bei der Odysseus nach seinem Schiffbruch Aufnahme gefunden habe. Sie ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die beiden Zeichen keine Ähnlichkeit dem Sinngehalt nach aufwiesen.

43. Hierzu ist lediglich festzustellen, dass das Wort calypso für das maßgebliche Publikum in der Tat mindestens die beiden Bedeutungen hat, die die Beschwerdekammer angeführt hat, während das Wort calpico unstreitig keine Bedeutung hat. In begrifflicher Hinsicht kann das maßgebliche Publikum die beiden einander gegenüberstehenden Zeichen daher eindeutig unterscheiden, welche der beiden von der Beschwerdekammer angeführten Bedeutungen es dem Wort calypso im Einzelnen auch zuschreiben mag. Selbst wenn man im Übrigen entsprechend dem Vorbringen der Klägerin unterstellt, dass das maßgebliche Publikum das Wort calypso mit einem Mond des Planeten Saturn in Verbindung bringt, so führt dies doch nicht zu einer begrifflichen Ähnlichkeit mit dem Wort calpico.

44. Die Beschwerdekammer ist somit zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die beiden kollidierenden Zeichen keine Ähnlichkeit im Bild, im Klang und in der Bedeutung aufweisen.

45. Folglich kann eine Verwechslungsgefahr trotz teilweiser Warenidentität und teilweise hochgradiger Warenähnlichkeit aufgrund des Unterschieds der einander gegenüberstehenden Marken im Bild und ihrer klaren Unterschiede im Klang und in der Bedeutung verneint werden.

46. Dieses Ergebnis wird durch die weiteren Argumente der Klägerin nicht in Frage gestellt.

47. Zur Behauptung der Klägerin, der Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Marken werde vor allem durch den schriftbildlichen Eindruck geprägt, ist lediglich festzustellen, dass diese Behauptung, selbst wenn sie zutreffend wäre, bei fehlender bildlicher Ähnlichkeit der Zeichen keine Gefahr der Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken begründen kann.

48. Auch das Vorbringen der Klägerin zur Entscheidungspraxis des HABM ist zurückzuweisen, da die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Beschwerdekammern nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich auf der Grundlage der Verordnung Nr. 40/94 in ihrer Auslegung durch den Gemeinschaftsrichter und nicht anhand einer solchen vorherigen Entscheidungspraxis beurteilt werden muss (Urteile des Gerichts vom 5. Dezember 2002 in der Rechtssache T130/01, Sykes Enterprises/HABM [REAL PEOPLE, REAL SOLUTIONS], Slg. 2002, II5179, Randnr. 31, und vom 3. Juli 2003 in der Rechtssache T129/01, Alejandro/HABM - Anheuser-Busch [BUDMEN], Slg. 2003, II2251, Randnr. 61).

49. Was im Übrigen die oben in Randnummer 19 zitierte und von der Klägerin und der Streithelferin im Einzelnen erörterte Entscheidung der Beschwerdekammer Karlsberg Brauerei/Mystery Drinks angeht, die Gegenstand einer Klage vor dem Gericht war (Urteil des Gerichts vom 15. Januar 2003 in der Rechtssache T99/01, Mystery Drinks/HABM - Karlsberg Brauerei [MYSTERY], Slg. 2003, II43), so hat die Klägerin nicht dargetan, dass eine mit dieser Rechtssache vergleichbare Situation besteht, da sich die einander gegenüberstehenden Zeichen im vorliegenden Fall klanglich klar voneinander unterscheiden, während die fraglichen Zeichen in der dem Urteil MYSTERY zugrunde liegenden Rechtssache als klanglich ähnlich angesehen wurden.

50. Schließlich wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken anders als die Widerspruchsabteilung, die der Ansicht gewesen sei, das maßgebliche Publikum kaufe die mit den einander gegenüberstehenden Marken gekennzeichneten Waren mit einer gewissen Flüchtigkeit, die nicht geringe Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums berücksichtigt zu haben.

51. In ihrer Entscheidung, mit der der Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen wurde, hat die Widerspruchsabteilung ausgeführt:

Selbst insoweit sich im vorliegenden Fall identische Waren gegenüberstehen, reichen die bestehenden Unterschiede der Vergleichszeichen aus, um [die Marken] mit noch hinreichender Sicherheit auseinander zu halten. Zwar sind im vorliegenden Fall strenge Maßstäbe an den einzuhaltenden Markenabstand auch deshalb anzulegen, weil es sich bei den betreffenden Vergleichswaren um Waren des täglichen Bedarfs handelt, die erfahrungsgemäß mit einer gewissen Flüchtigkeit und ohne besondere Aufmerksamkeit gegenüber den Warenkennzeichnungen erworben werden.

52. Die Beschwerdekammer ihrerseits hat in Randnummer 23 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt:

Es handelt sich bei den Waren um Waren des täglichen Lebens, die meist schnell in Supermärkten und Getränkemärkten gekauft werden. Diese Waren sind, was den Preis betrifft, eher Billigwaren. Die Aufmerksamkeit des durchschnittlichen Kunden wird aber aufgrund des großen Angebots im Fruchtsaft- und Getränkesektor nicht als gering anzusehen sein. Der Konsument ist ein großes Angebot an Fruchtsäften und ähnlichen Produkten wie Pulver in gleichartiger Verpackung gewohnt und wird daher entweder der jeweiligen Aufmachung Bedeutung beimessen oder die Marken bei seinem Einkauf genauer betrachten.

53. Da die mit den einander gegenüberstehenden Marken gekennzeichneten Waren solche des täglichen Bedarfs sind, waren sowohl die Widerspruchsabteilung als auch die Beschwerdekammer der Ansicht, dass der Grad der Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums nicht hoch sei. Sicher weicht die Randnummer 23 der angefochtenen Entscheidung in der Beurteilung des genauen Grades der Aufmerksamkeit, die das maßgebliche Publikum den einander gegenüberstehenden Marken widmet, unter Hinweis auf den Einfluss, den das reichhaltige Angebot im Fruchtsaft- und Getränkesektor auf diese Aufmerksamkeit ausüben kann, von der Entscheidung der Widerspruchsabteilung ab. Auch wenn aber die Beschwerdekammer die Auffassung vertreten hat, dass das reichhaltige Angebot im Fruchtsaft- und Getränkesektor dazu führen könne, dass das maßgebliche Publikum den einander gegenüberstehenden Marken besondere Aufmerksamkeit entgegenbringe, hat sie diese Aufmerksamkeit gleichwohl nicht als hoch angesehen.

54. Die unterschiedliche Beurteilung in den Entscheidungen der beiden Instanzen des HABM ändert jedenfalls nichts an der fehlenden Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Zeichen und der fehlenden Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, die diese Instanzen festgestellt haben. Aufgrund der oben in den Randnummern 38 bis 43 genannten Unterschiede der einander gegenüberstehenden Zeichen im Bild, im Klang und in der Bedeutung schreibt der deutsche Verbraucher den mit den einander gegenüberstehenden Marken gekennzeichneten Waren nicht denselben betrieblichen Ursprung zu, auch wenn er diesen Marken keine besondere Aufmerksamkeit entgegenbringt.

55. Die Beschwerdekammer hat daher zu Recht angenommen, dass keine Gefahr der Verwechslung der einander gegenüberstehenden Marken im Sinne des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 besteht.

56. Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Artikel 61 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Regel 20 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und aus Artikel 6 Absatz 1 EMRK

Vorbringen der Beteiligten

57. Die Klägerin trägt vor, die Beschwerdekammer habe die Ansicht vertreten, dass der Grad der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers wegen des reichhaltigen und großen Angebots im Fruchtsaft- und Getränkesektor nicht als gering anzusehen sei. Die Beschwerdekammer habe die Klägerin aber nicht aufgefordert, zu der von ihr vorgenommenen Bewertung des Grades der Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers Stellung zu nehmen, wodurch ihr Anspruch auf rechtliches Gehör im Sinne von Artikel 61 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 in Verbindung mit Regel 20 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 und von Artikel 6 Absatz 1 EMRK verletzt werde.

58. Das HABM führt aus, dass sich sowohl die Widerspruchsabteilung als auch die Klägerin zur Frage des Grades der Aufmerksamkeit des Verbrauchers geäußert hätten, bevor diese Frage von der Beschwerdekammer geprüft worden sei. Die angefochtene Entscheidung könne deshalb von den ihr gegenüber vorgebrachten Argumenten der Parteien abweichen, ohne dass diese darüber vorab hätten informiert werden müssen. Der Vorwurf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sei daher nicht begründet.

59. Nach Ansicht der Streithelferin stellt die Klägerin auf Artikel 73 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 ab, der das HABM zu einem Hinweis an die Parteien verpflichte, wenn es die Entscheidung auf Tatsachen oder Rechtsgründe stützen wolle, zu denen diese noch nicht Stellung genommen hätten. Bei der Frage nach dem Grad der Aufmerksamkeit des Verbrauchers handele es sich um eine Auslegung der Tatsachen. Die Beschwerdekammer und die Widerspruchsabteilung hätten die Tatsachen zwar etwas unterschiedlich ausgelegt, gleichwohl seien die Tatsachen nicht neu. Sie seien sowohl in der Widerspruchsentscheidung als auch in der angefochtenen Entscheidung umfassend dargestellt worden. Eine neue Bewertung bereits bekannter Tatsachen stelle unter diesen Umständen keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Zudem habe die Klägerin gewusst, dass es bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auf die Aufmerksamkeit des Verbrauchers ankomme. Sie hätte somit zu diesem Punkt umfassender vortragen können, was sie aber nicht getan habe.

Würdigung durch das Gericht

60. Nach Artikel 61 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 fordert die Beschwerdekammer [b]ei der Prüfung der Beschwerde... die Beteiligten so oft wie erforderlich auf, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu ihren Bescheiden oder zu den Schriftsätzen der anderen Beteiligten einzureichen. Regel 20 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 sieht darüber hinaus vor, dass das HABM, wenn die Widerspruchsschrift keine Einzelheiten der Tatsachen, Beweismittel und Bemerkungen gemäß Regel 16 Absätze 1 und 2 dieser Verordnung enthält, den Widersprechenden auffordert, diese Unterlagen innerhalb einer vom Amt festgesetzten Frist vorzulegen.

61. Zur Behauptung der Klägerin, die Beschwerdekammer habe gegen diese beiden Bestimmungen verstoßen, ist lediglich festzustellen, dass die Klägerin nicht dargetan hat, dass sie nicht im Sinne des Artikels 61 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 aufgefordert worden ist, zu einem Bescheid der Beschwerdekammer oder einem Schriftsatz der Streithelferin Stellung zu nehmen, und dass sich aus den Akten nicht ergibt, dass die Widerspruchsschrift nicht die in Regel 20 Absatz 2 Satz 1 der Verordnung Nr. 2868/95 genannten Einzelheiten enthielt. Die Rüge, mit der die Klägerin einen Verstoß gegen diese Bestimmungen geltend macht, ist daher zurückzuweisen.

62. Zur Rüge eines Verstoßes gegen Artikel 6 Absatz 1 EMRK ist zu bemerken, dass das Gericht die Geltendmachung des Anspruchs auf einen fairen Prozess gegenüber den Beschwerdekammern ausgeschlossen hat, weil das Verfahren vor den Beschwerdekammern kein gerichtliches Verfahren, sondern ein Verwaltungsverfahren ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache T63/01, Procter & Gamble/HABM [Form einer Seife], Slg. 2002, II5255, Randnrn. 22 und 23).

63. Wie die Streithelferin zu Recht vorträgt, rügt die Klägerin mit ihrem zweiten Klagegrund, mit dem sie die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, jedoch letztlich einen Verstoß der Beschwerdekammer gegen Artikel 73 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94, wonach [die Entscheidungen des Amtes] nur auf Gründe gestützt werden [dürfen], zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Diese Bestimmung stellt die Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Wahrung der Verteidigungsrechte im Rahmen der Verordnung Nr. 40/94 dar.

64. Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass die Klägerin der Beschwerdekammer zur Last legt, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu haben, indem diese sie nicht aufgefordert habe, zu der nicht geringen Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums Stellung zu nehmen, von der diese in der angefochtenen Entscheidung ausgehen wollte. Dagegen wirft die Klägerin der Beschwerdekammer unstreitig nicht vor, sie nicht aufgefordert zu haben, zu der ebenfalls unstreitigen Tatsache des Bestehens eines reichhaltigen Angebots im Fruchtsäfte- und Getränkesektor Stellung zu nehmen, auf die die Beschwerdekammer ihre Annahme bezüglich des Grades der Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums stützt.

65. Der Anspruch auf rechtliches Gehör, wie er in Artikel 73 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 verankert ist, erstreckt sich zwar auf alle tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte sowie auf die Beweise, die die Grundlage für die Entscheidungsfindung bilden, nicht aber auf den endgültigen Standpunkt, den die Verwaltung einnehmen will (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 21. Januar 1999 in den Rechtssachen T129/95, T2/96 und T97/96, Neue Maxhütte Stahlwerke und Lech-Stahlwerke/Kommission, Slg. 1999, II17, Randnr. 231, und vom 3. Dezember 2003 in der Rechtssache T16/02, Audi/HABM [TDI], noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 71 und 75).

66. Da die fragliche Tatsachenwürdigung zum endgültigen Standp unkt der Beschwerdekammer gehört, war diese nicht verpflichtet, die Klägerin hierzu anzuhören.

67. Hinzuzufügen ist, dass - wie die Prüfung des ersten Klagegrundes ergeben hat - die unterschiedliche Beurteilung des genauen Grades der Aufmerksamkeit des maßgeblichen Publikums in den Entscheidungen der beiden Instanzen des HABM nichts an der fehlenden Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Zeichen und der fehlenden Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken ändert, die diese Instanzen festgestellt haben.

68. Selbst wenn man also unterstellt, dass die Beschwerdekammer den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt hätte, so hätte sich dieser Verstoß daher nicht auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auswirken können.

69. Demnach ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen und die Klage insgesamt abzuweisen.

Kosten

70. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

71. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß den Anträgen des HABM und der Streithelferin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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