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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 17.10.2005
Aktenzeichen: T-28/02
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, EWR-Abkommen


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 81 Abs. 1
EWR-Abkommen Art. 53
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache T-28/02

First Data Corp. mit Sitz in Wilmington, Delaware (Vereinigte Staaten von Amerika),

FDR Ltd mit Sitz in Dover, Delaware (Vereinigte Staaten von Amerika),

First Data Merchant Services Corp. mit Sitz in Sunrise, Florida (Vereinigte Staaten von Amerika),

Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte P. Bos und M. Nissen, dann Rechtsanwalt P. Bos,

Klägerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten zunächst durch R. Wainwright, W. Wils und V. Superti, dann durch R. Wainwright und T. Christoforou als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung von Artikel 1 fünfter Gedankenstrich der Entscheidung 2001/782/EG der Kommission vom 9. August 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache Nr. COMP/29.373 - Visa International) (ABl. L 293, S. 24)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, der Richterin V. Tiili und des Richters O. Czúcz,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1. First Data Corp. ist durch ihre Tochtergesellschaft First Data Resources Inc. die Muttergesellschaft der FDR Ltd. Sie ist durch ihre Tochtergesellschaft First Financial Management Corp. auch die Muttergesellschaft der First Data Merchant Services Corp. Alle diese Gesellschaften zusammen bilden die First Data Gruppe (im Folgenden: First Data).

2. FDR übt ihre Tätigkeit im Bereich der Bezahlkarten in Europa unter dem Namen First Data Europe aus. In den Vereinigten Staaten ist die Muttergesellschaft First Data Resources eine der Hauptdienstleistungserbringer für die Aussteller der genannten Karten. Außerdem ist First Data Merchant Services eine der wichtigsten Entscheidungsträgerinnen im amerikanischen Markt der Behandlung der "Anwerben" genannten Operationen.

3. Visa International Service Association (im Folgenden: Visa) ist eine gewinnorientierte private Organisation, die etwa 20 000 Finanzinstituten aus allen Teilen der Welt, ihren Mitgliedern, gehört. Sie betreibt das Kartensystem desselben Namens (im Folgenden: Visa-Kartensystem).

4. Am 31. Januar 1977 hatte Visa (unter ihrem früheren Namen Ibanco Ltd) bei der Kommission bestimmte Regeln und Bestimmungen von Visa und ihren Mitgliedern angemeldet und dafür ein Negativattest oder ersatzweise eine Freistellung nach Artikel 81 Absatz 3 EG beantragt.

5. Die Kommission hatte diesen Vorgang mit der Versendung eines Schreibens am 29. April 1985 abgeschlossen. Aufgrund einer Beschwerde wegen der multilateralen Abwicklungsgebühr für internationale Zahlungen im Visa-Kartensystem nahm sie die Untersuchung wieder auf und zog dieses Schreiben am 4. Dezember 1992 zurück.

6. Am 14. Oktober 2000 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung nach Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), in der sie alle interessierten Dritten aufforderte, Bemerkungen zu dem beabsichtigten Vorgehen der Kommission vorzulegen, keine Einwendungen gegen das Diskriminierungsverbot, die geänderten Regeln über grenzüberschreitende Dienstleistungen und die Regel "Kein Anwerben ohne Ausgabe von Karten" (no-acquiring-without-issuing rule) zu erheben (ABl. C 293, S. 18). Die Klägerinnen legten auf diese Bekanntmachung hin keine Bemerkungen vor.

7. Am 22. Mai 2001 trafen Vertreter von First Data Vertreter von Visa, um ihr Projekt, eine Anwerbeaktivität in Europa zu entwickeln und den Status als Mitglied von Visa zu erhalten, vorzustellen. Bei dieser Gelegenheit wies Visa First Data darauf hin, dass es zwei Voraussetzungen für einen Mitgliedstatus gebe. Der Antragsteller müsse zum einen ein Finanzinstitut sein und zum anderen vor der Aufnahme der Anwerbung ein Aussteller von Karten sein.

8. Am 11. Juli 2001 schrieb First Data an Visa und bat um die Unterlagen für einen Antrag auf Beitritt zu Visa.

9. In ihrer Antwort vom 20. Juli 2001 wies Visa First Data auf die bei dem Treffen am 22. Mai 2001 genannten Voraussetzungen eines Mitgliedstatus hin.

10. Am 9. August 2001 erließ die Kommission die Entscheidung 2001/782/EG in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache Nr. COMP/29.373 - Visa International) (ABl. L 293, S. 24, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

11. Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung bestimmt:

"Artikel 1

Gestützt auf die ermittelten Tatsachen sieht die Kommission keinen Grund für ein Einschreiten nach Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR-Abkommen gegen die nachstehenden Bestimmungen in den angemeldeten Regeln und Bestimmungen des Bezahlkartensystems Visa International:

...

- die Bindung der Ausgabe an das Anwerben in den Abschnitten 2.04 bis 2.07 der Satzung" (im Folgenden: fragliche Regel).

Verfahren

12. Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 4. Februar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

13. Mit gesondertem Schriftsatz, der am 4. April 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Beklagte eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

14. Mit Schriftsatz, der am 17. Juni 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat Visa ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.

15. Mit Schreiben vom 4. Juli 2002 haben die Klägerinnen gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung die vertrauliche Behandlung der Angaben in den Absätzen 6 Sätze 4 bis 7, 7 Satz 3 und 13 Sätze 3 und 4 ihrer Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit beantragt, die Geschäftsgeheimnisse enthielten.

16. Das Gericht hat mit Beschluss vom 7. Januar 2003 die Entscheidung über die Einrede der Unzulässigkeit und über die Kosten der Endentscheidung vorbehalten.

17. Mit Beschluss vom 20. Januar 2003 ist Visa als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden. Die nicht vertraulichen Fassungen der Schriftsätze sind ihr übermittelt worden.

18. Mit Schriftsatz, der am 12. Februar 2003 eingegangen ist, hat Visa Einwendungen gegen den Antrag auf vertrauliche Behandlung vorgebracht. Mit am 10. April 2003 eingetragenem Schriftsatz haben die Klägerinnen zu diesen Einwendungen Stellung genommen.

19. Mit Beschluss des Gerichts vom 14. August 2003 ist die vertrauliche Behandlung für die Angaben in den Absätzen 6 Sätze 4 bis 7, 7 Satz 3 und 13 Sätze 3 und 4 der Stellungnahme der Klägerinnen zur Einrede der Unzulässigkeit gewährt worden. Die Entscheidung über die Kosten wurde vorbehalten.

20. Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ist die Berichterstatterin der Dritten Kammer zugewiesen worden, an die die vorliegende Rechtssache demzufolge verwiesen worden ist.

21. Auf Bericht der Berichterstatterin hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen der in Artikel 64 der Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen die Verfahrensbeteiligten zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert und ihnen schriftlich mehrere Fragen gestellt.

22. Die Klägerinnen beantragen,

- die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die fragliche Regel betrifft;

- der Kommission und Visa aufzugeben, die Angaben und/oder Unterlagen über die Definition der in der 18. Begründungserwägung und in Fußnote 21 der angefochtenen Entscheidung genannten angemessenen Zahl von Karten vorzulegen;

- der Kommission oder Visa aufzugeben, eine Kopie des in der Klagebeantwortung genannten "Cross-border Acquiring Planning and Implementation Guide" (Leitfaden für die Planung und Durchführung von grenzüberschreitendem Anwerben) vorzulegen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

- Visa die im Rahmen der Streithilfe entstandenen Kosten aufzuerlegen.

23. Die Kommission, unterstützt durch Visa, beantragt,

- die Klage als unzulässig und/oder als unbegründet abzuweisen;

- den Klägerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

24. Mit Schreiben vom 28. Januar 2005 hat Visa das Gericht davon unterrichtet, dass sie die fragliche Regel mit sofortiger Wirkung in der europäischen Zone des Visa-Kartensystems aufgehoben habe. Außerdem hat Visa ihren Beitritt als Streithelferin zurückgenommen.

25. Mit Schreiben vom 3. Februar 2005 hat das Gericht die Parteien gebeten, ihre Stellungnahmen zur Rücknahme von Visa sowie zur Frage, ob die Klage gegenstandslos geworden sei, abzugeben. Die Parteien sind auch über die Entscheidung des Präsidenten der Dritten Kammer informiert worden, die mündliche Verhandlung, die für den 24. Februar 2005 terminiert gewesen war, auf ein späteres Datum zu verschieben.

26. Mit Beschluss vom 6. April 2005 ist Visa infolge ihrer Rücknahme im Register des Gerichts als Streithelferin gestrichen worden.

Rechtliche Würdigung

27. Nach Artikel 113 der Verfahrensordnung kann das Gericht, das gemäß Artikel 114 §§ 3 und 4 der Verfahrensordnung entscheidet, jederzeit von Amts wegen die absoluten Unzulässigkeitsgründe prüfen oder nach Anhörung der Parteien feststellen, dass die Klage gegenstandslos geworden und die Hauptsache erledigt ist. Artikel 114 § 3 der Verfahrensordnung sieht vor, dass mündlich verhandelt wird, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

28. Nach Anhörung der Parteien über die Auswirkungen der Aufhebung der fraglichen Regel auf das weitere Verfahren sieht sich das Gericht ausreichend unterrichtet und entscheidet, die eröffnete mündliche Verhandlung zu schließen.

Vorbringen der Parteien

29. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Klage gegenstandslos geworden sei und die Klägerinnen kein Rechtsschutzinteresse mehr hätten.

30. Die Klägerinnen tragen vor, dass weder die Aufhebung der fraglichen Regel durch Visa noch deren Rücknahme des Beitritts als Streithelferin ausreichende Gründe seien, um das Verfahren zu beenden. Sie stützen sich auf dreierlei Erwägungen.

31. Erstens gebe es keine Garantie dafür, dass Visa die fragliche Regel nicht von neuem einführe oder eine ähnliche mit vergleichbarer Wirkung erlasse. Der Fortbestand der angefochtenen Entscheidung erleichtere einen solchen Schritt. Ohne Grundsatzentscheidung des Gerichts könne Visa versuchen, zu verhindern, dass First Data als Anwerber in der europäischen Zone des Visa-Kartensystems auftrete.

32. Die Klägerinnen tragen, zweitens, vor, dass sie ein Interesse an der Weiterverfolgung dieses Rechtsstreits hätten, da das Gericht eventuell zu ihren Gunsten entscheiden könne, insbesondere, weil die Kommission die fragliche Regel rechtsfehlerhaft zugelassen habe, ohne eigene Untersuchungen über deren Gegenstand und Wirkung, einschließlich der Zugangsvoraussetzung einer Bankzulassung vorzunehmen. Die Klage sei nicht gegenstandslos geworden, da diese letztere Voraussetzung nach der Aufhebung der fraglichen Regel durch Visa in Kraft geblieben sei. Die Klägerinnen sind aber der Ansicht, dass die Voraussetzung einer Bankzulassung dafür, einfacher Anwerber zu werden, nicht gerechtfertigt sei.

33. Drittens könne eine Entscheidung des Gerichts, insbesondere eine Entscheidung, nach der ihr dritter Klagegrund - Rechts- und/oder Tatsachenirrtum der Kommission bei der Erwägung, dass es keine spürbare Wettbewerbsbeschränkung gebe - begründet sei, den Klägerinnen als Grundlage für eine eventuelle Schadensersatzklage gegen Visa dienen. Denn die Klägerinnen sind der Ansicht, dass eine Entscheidung des Gerichts, die feststelle, dass die Kommission der fraglichen Regel und folglich der Voraussetzung einer Bankzulassung nicht hätte zustimmen dürfen, zwangsläufig zu dem Schluss führe, dass diese beiden Voraussetzungen bei und nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung rechtswidrig gewesen seien.

Würdigung durch das Gericht

34. Die Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person ist nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse besteht nur, wenn die Nichtigerklärung der Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann oder wenn - anders gesagt - die Klage dem Kläger im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Urteil des Gerichts vom 28. September 2004 in der Rechtssache T-310/00, MCI/Kommission, Slg. 2004, II-0000, Randnr. 44 und die dort zitierte Rechtsprechung).

35. Dabei ist für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage, abgesehen von der eigens zu beurteilenden Frage eines Wegfalls des Rechtsschutzinteresses, der Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift maßgeblich (vgl. Urteil des Gerichts vom 21. März 2002 in der Rechtssache T-131/99, Shaw und Falla/Kommission, Slg. 2002, II-2023, Randnr. 29 und die dort zitierte Rechtsprechung).

36. Es liegt jedoch im Interesse einer geordneten Rechtspflege, dass das Gericht ungeachtet dieser Erwägung über den Zeitpunkt der Prüfung der Zulässigkeit einer Klage auch später feststellen kann, dass der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt hat, wenn ein Kläger, der ursprünglich ein Rechtsschutzinteresse hatte, wegen eines nach Klageerhebung eingetretenen Ereignisses jedes persönliche Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung verloren hat.

37. Denn ein Kläger kann eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung nur dann weiterverfolgen, wenn er weiterhin ein persönliches Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 24. April 2001 in der Rechtssache T-159/98, Torre u. a./Kommission, Slg. ÖD 2001, I-A-83 und II-395, Randnr. 30 und die dort zitierte Rechtsprechung).

38. Dementsprechend hat der Gerichtshof zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels entschieden, dass er von Amts wegen prüfen könne, ob eine Partei an der Einlegung oder Aufrechterhaltung eines Rechtsmittels aufgrund einer nach dem Urteil des Gerichts eingetretenen Tatsache, die dem Urteil seinen den Rechtsmittelführer beeinträchtigenden Charakter nehme, kein Interesse mehr habe, und das Rechtsmittel aus diesem Grund für unzulässig oder gegenstandslos erklären könne. Ein Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelführers setze nämlich voraus, dass sein Rechtsmittel ihm im Ergebnis einen Vorteil verschaffen könne (Urteil des Gerichtshofes vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache C-19/93 P, Rendo u. a./Kommission, Slg. 1995, I-3319, Randnr. 13).

39. Es ist daher zu prüfen, ob eine Nichtigerklärung von Artikel 1 fünfter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung nach der Rücknahme der fraglichen Regel für die Klägerinnen vorteilhafte Rechtsfolgen haben könnte (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Juni 2000 in den Rechtssachen T-204/97 und T-270/97, EPAC/Kommission, Slg. 2000, II-2267, Randnr. 154).

40. Im vorliegenden Fall ist das Rechtsschutzinteresse der Klägerinnen, soweit es bestanden haben sollte, durch die Aufhebung der fraglichen Regel entfallen. Denn ein Urteil des Gerichts, mit dem Artikel 1 fünfter Gedankenstrich der angefochtenen Entscheidung für nichtig erklärt würde, könnte nicht mehr zu den nach Artikel 233 EG vorgesehenen Folgen führen. So könnte die Kommission auch bei einer Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung keine neue Entscheidung ohne vom Gericht festgestellte eventuelle Fehler erlassen, da die fragliche Regel nicht mehr besteht (in diesem Sinne Urteil des Gerichts von 13. Juni 1997 in der Rechtssache T-13/96, TEAM und Kolprojekt/Kommission, Slg. 1997, II-983, Randnrn. 27 und 28).

41. Diesem Ergebnis stehen auch die Erwägungen der Klägerinnen nicht entgegen.

42. Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerinnen, Visa könne eine der fraglichen Regel ähnliche Regel erlassen, ist, erstens, daran zu erinnern, dass ein Wirtschaftsteilnehmer ein bestehendes und gegenwärtiges Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung nachweisen muss (Urteil des Gerichts vom 17. September 1992 in der Rechtssache T-138/89, NBV und NVB/Kommission, Slg. 1992, II-2181, Randnr. 33). Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

43. Denn wenn das vom Kläger geltend gemachte Interesse eine zukünftige Rechtssituation betrifft, muss er nachweisen, dass die Beeinträchtigung dieser Rechtssituation bereits feststeht. So verhält es sich im vorliegenden Fall nicht, da der Erlass einer ähnlichen Regel durch Visa nur eine Möglichkeit darstellt, die nur vom Willen von Visa abhängt. Daher handelt es sich um ein bloß hypothetisches Interesse, das nicht die Feststellung erlaubt, dass die Rechtssituation der Klägerinnen ohne die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung beeinträchtigt wäre.

44. Zweitens sind die Klägerinnen der Ansicht, dass eine günstige Entscheidung des Gerichts auch dazu führen könnte, dass Visa die Voraussetzung änderte, dass ihre Mitglieder eine Bankzulassung haben müssten.

45. Die Regel von Visa, dass eine Bankzulassung erforderlich ist, ist jedoch nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Selbst wenn die Kommission die fragliche Regel im Rahmen der Marktgegebenheiten unter Berücksichtigung dessen, dass eine Bankzulassung vorausgesetzt wird, hätte prüfen müssen, so würde dies nichts daran ändern, dass diese Letztere nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist. Folglich hätte diese Situation, auch wenn Artikel 1 fünfter Spiegelstrich der angefochtenen Entscheidung für nichtig erklärt würde und die Kommission die Vereinbarkeit der fraglichen Regel mit Artikel 81 EG neu überprüfen müsste, keine automatische Auswirkung auf die anderen Regeln, die das Visa-Kartensystem regeln.

46. Überdies hindert die Klägerinnen nichts daran, durch eine Beschwerde bei der Kommission die Beitrittsregeln des Visa-Systems, insbesondere die Voraussetzung, ein Bankinstitut sein zu müssen, zu beanstanden, wie übrigens die Kommission in ihrer Stellungnahme zur Rücknahme des Beitritts der Streithelferin vorträgt.

47. Drittens ist zum Vorbringen der Klägerinnen, die Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung sei erforderlich, um eine Schadensersatzklage gegen Visa vor den nationalen Gerichten auf sie zu stützen, zunächst festzustellen, dass es sich auch hier um einen zukünftigen und hypothetischen Umstand handelt.

48. Denn ob ein nationales Gericht, das über einen eventuellen Schadensersatzanspruch gegen Visa zu entscheiden hätte, die Auffassung der Kommission von der Anwendbarkeit von Artikel 81 Absatz 1 EG berücksichtigen würde, ist ungewiss.

49. Sicherlich haben die Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane grundsätzlich die Vermutung der Gültigkeit für sich, solange sie nicht aufgehoben oder zurückgenommen worden sind (Urteile des Gerichtshofes vom 1. April 1982 in der Rechtssache 11/81, Dürbeck/Kommission, Slg. 1982, 1251, Randnr. 17, und vom 14. Dezember 2000 in der Rechtssache C-344/98, Masterfoods und HB, Slg. 2000, I-11369, Randnr. 53). So dürfen die nationalen Gerichte, wenn sie über Vereinbarungen oder Verhaltensweisen befinden, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission sind, keine Entscheidungen erlassen, die dieser zuwiderlaufen (Urteil Masterfoods und HB, Randnr. 52).

50. Jedoch bindet ein Negativattest die nationalen Gerichte nicht, auch wenn es einen tatsächlichen Umstand darstellt, den diese Gerichte bei ihrer Prüfung berücksichtigen können. Denn aus Artikel 2 der Verordnung Nr. 17 ergibt sich, dass die Negativatteste lediglich zum Ausdruck bringen, dass für die Kommission nach den ihr bekannten Tatsachen kein Anlass zum Einschreiten besteht. Sie geben also keine definitive Wertung und insbesondere keinen Ausspruch wieder, für den die Kommission ausschließlich zuständig wäre. Da Artikel 81 Absatz 1 EG - wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat - unmittelbar anwendbar ist, Einzelne sich also darauf vor nationalen Gerichten berufen und aus ihm Rechte ableiten können, und da nationale Gerichte auch über andere Informationen zum Sachverhalt verfügen können, sind sie naturgemäß gehalten, sich nach ihrem Kenntnisstand selbst eine Meinung über die Anwendbarkeit des Artikels 81 Absatz 1 EG auf bestimmte Abmachungen zu bilden (Schlussanträge des Generalanwalts Reischl in der Rechtssache 37/79, Marty/Lauder, Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980, Slg. 1980, 2481, 2502, 2507; in diesem Sinne auch Urteil Marty/Lauder, Randnr. 13, und Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 1990 in der Rechtssache T-116/89, Prodifarma u. a./Kommission, Slg. 1990, II-843, Randnr. 70).

51. Ferner obliegt es den nationalen Gerichten, bei Zweifeln über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Kommission ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG vorzulegen, um die Gültigkeit der angefochtenen Entscheidung überprüfen zu lassen, so dass den Klägerinnen im Fall eines Rechtsstreits jedenfalls nicht die Möglichkeit genommen wäre, ihre Rechte vor dem nationalen Gericht geltend zu machen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. April 2005 in der Rechtssache T-141/03, Sniace/Kommission, Slg. 2005, II-0000, Randnr. 40).

52. Die Rechtslage der Klägerinnen würde durch die Nichtigerklärung des die fragliche Regel betreffenden Teils der angefochtenen Entscheidung jedenfalls nicht geändert. Wie die Klägerinnen selbst in ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichts vorgetragen haben, gäbe eine Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung den Klägerinnen keinen Zugang zum Anwerbesystem des Visa-Netzes, da sie keine Bankzulassung besitzen, wie aus ihrem Erwiderungsschriftsatz hervorgeht. Da die Voraussetzung einer Bankzulassung für eine Mitgliedschaft bei Visa nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung ist und das Gericht die Würdigung der Kommission nicht durch seine eigene ersetzen darf, hätte eine Nichtigerklärung des die fragliche Regel betreffenden Teils der angefochtenen Entscheidung keine unmittelbare Wirkung auf die Rechtmäßigkeit der Regel, nach der die Mitglieder von Visa Bankinstitute sein müssen. Denn im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG können der Gerichtshof und das Gericht die Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung des EG-Vertrags oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder Ermessensmissbrauch rügen. Ist die Klage begründet, so ist die angefochtene Handlung nach Artikel 231 EG für nichtig zu erklären (Urteil des Gerichtshofes vom 27. Januar 2000 in der Rechtssache C-164/98 P, DIR International Film u. a./Kommission, Slg. 2000, I-447, Randnr. 38).

53. Unter diesen Umständen kann dahin stehen, ob die Klägerinnen bei Klageerhebung ein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hatten; es ist festzustellen, dass sie zumindest kein Interesse an der Weiterverfolgung des vorliegenden Rechtsstreits haben. Da kein gegenwärtiges und bestimmtes Rechtsschutzinteresse besteht, ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

Kostenentscheidung:

Kosten

54. Nach Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen.

55. Da das Ereignis, das zur Erledigung der Hauptsache geführt hat, vom Verhalten der Parteien unabhängig war, sind diesen jeweils ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt.

2. Die Klägerinnen und die Kommission tragen ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 17. Oktober 2005.

Ende der Entscheidung

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