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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 09.07.2003
Aktenzeichen: T-288/02 R
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 230
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung im Sinne von Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts beurteilt sich danach, ob eine einstweilige Entscheidung notwendig ist, um zu verhindern, dass der Partei, die die einstweilige Anordnung beantragt, ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht. Folglich genügt es den Anforderungen dieser Vorschrift nicht, wenn der Antragsteller lediglich geltend macht, dass der Vollzug der Maßnahme, deren Aussetzung beantragt wird, unmittelbar bevorstehe, sondern es müssen außerdem Umstände vorgetragen werden, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt und durch die nachgewiesen werden kann, dass der Partei, die die Aussetzung beantragt, ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstuende, wenn die Aussetzung nicht angeordnet würde.

Im Übrigen ist die Einreichung des Antrags auf einstweilige Anordnung mehrere Monate nach der Klageerhebung, obwohl sich die Umstände seit der Klageerhebung nicht geändert haben, ein Faktor, der auf eine fehlende Dringlichkeit der Anordnung der beantragten Aussetzung hindeuten kann.

( vgl. Randnrn. 14-15, 17 )


Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 9. Juli 2003. - Asian Institute of Technology (AIT) gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Keine Dringlichkeit. - Rechtssache T-288/02 R.

Parteien:

In der Rechtssache T-288/02 R

Asian Institute of Technology (AIT) mit Sitz in Pathumthani (Thailand), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H. Teissier du Cros, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsteller,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P.-J. Kuijper und B. Schöfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung der Kommission vom 22. Februar 2002 über den Abschluss eines Forschungsvertrags mit dem Center for Energy-Environment Research and Development im Rahmen des Asia-Invest-Programms

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Mit Klageschrift, die am 23. September 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat das Asian Institute of Technology (im Folgenden: AIT) nach Artikel 230 Absatz 4 EG Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 22. Februar 2002 über den Abschluss eines Forschungsvertrags mit dem Center for Energy-Environment Research and Development im Rahmen des Asia-Invest-Programms (im Folgenden: streitige Entscheidung).

2 Mit besonderem Schriftsatz, der am 23. Mai 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Antragsteller ferner beantragt, die Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung anzuordnen.

3 Die Kommission hat am 12. Juni 2003 ihre schriftliche Stellungnahme zum Antrag auf einstweilige Anordnung eingereicht.

4 Mit Schreiben vom 17. Juni 2003 hat der Antragsteller beantragt, sich schriftlich zu der von der Kommission eingereichten Stellungnahme äußern zu dürfen.

5 Der Präsident des Gerichts hat diesen Antrag mit Entscheidung vom 20. Juni 2003, die den Parteien am 24. Juni 2003 zugestellt worden ist, zurückgewiesen.

6 Vor der Prüfung des vorliegenden Antrags ist an die Vorgeschichte des Verfahrens zu erinnern, die sich aus den Schriftsätzen der Parteien im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Anordnung ergibt.

7 Das AIT ist eine in Thailand niedergelassene nicht gewinnorientierte Einrichtung für technologische Studien und Forschung, die im November 1967 durch königliche Gründungsurkunde errichtet wurde.

8 Das Center for Energy-Environment and Development (CEERD) war bis 2001 eine Abteilung des AIT ohne Rechtspersönlichkeit. Sein Direktor war bis zum 31. Dezember 2001 Thierry Lefèvre.

9 Am 17. Juli 2002 richtete der Anwalt des AIT ein Schreiben an die Kommission, in dem es heißt:

Ich handele für Rechnung des Asian Institute of Technology mit Sitz in Bangkok, Thailand, dessen Präsident Jean-Louis Armand ist.

Dieser teilt mir ohne nähere Angaben mit, dass die Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Center for Energy-Environment Research & Development im Rahmen des Asia-Invest-Programms ein Projekt mit der Bezeichnung ,Facilitating the Dissemination of European Clean Technologies in Thailand [Förderung der Verbreitung sauberer europäischer Technologien in Thailand] übertragen habe.

Dieses Projekt, das notwendigerweise mit einer europäischen Finanzierung verbunden ist, hat sich, wenn ich es richtig sehe, durch einen Vertrag zwischen der Kommission und dem CEERD, vertreten durch seinen angeblichen Direktor, Herrn Thierry Lefèvre, konkretisiert.

Ich bin beauftragt, die Entscheidung über den Abschluss dieses Vertrages vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wegen Nichtigkeit anzufechten, da das CEERD eine bloße Dienststelle des AIT ohne Rechtspersönlichkeit (,not a legal entity) ist, die nicht befugt ist, unter diesem angemaßten Namen Verträge zu schließen, vor allem nicht durch Herrn Thierry Lefèvre, der seit langem nicht mehr Direktor dieser Einrichtung ist.

Da ich dabei jedoch eine Frist zu beachten habe, bitte ich Sie, mir mitzuteilen, ob und wann die Entscheidung über den Abschluss dieses Vertrages mit dem CEERD im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht worden ist.

..."

10 Auf dieses Schreiben vom 17. Juli 2002 richtete Herr E. W. Muller, Direktor des Amtes für Zusammenarbeit der Kommission (EuropeAid), am 21. Juli 2002 folgendes Schreiben an den Anwalt des AIT:

Auf Ihre Bitte erteile ich Ihnen folgende Auskünfte:

- Der oben genannte Vertrag wurde am 22. Februar 2002 von mir und Herrn Eich von EuropeAid einerseits sowie am 27. Februar 2002 von Professor Thierry Lefèvre, Direktor des ,Center for Energy-Environment Research and Development, andererseits unterzeichnet;

- der Gesamtbetrag des Projekts beläuft sich auf 68 704,70 [Euro], von denen ein Betrag von 34 352,35 [Euro] den von der Europäischen Kommission zu diesem Projekt geleisteten Zuschuss darstellt;

- 80 % des Gemeinschaftszuschusses, d. h. 27 481,88 [Euro] wurden als Vorschuss gezahlt. Der Rest, d. h. 6 870,47 [Euro], wird ausgezahlt, wenn das Projekt abgeschlossen ist;

- der Durchführungszeitraum des Projekts beträgt fünfzehn Monate und endet am 28. Mai 2003;

- die Anlage zu diesem Schreiben gibt Ihnen Aufschluss über den Verbleib des Betrages;

- der Vertrag wurde im Anschluss an die Veröffentlichung einer Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für das Asia-Invest-Programm im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 10. April 2001 mit der gleichen Gegenstandsbezeichnung wie der oben genannten geschlossen;

- die Bewilligung der Verträge ist Ergebnis von Beratungen innerhalb eines Prüfungsausschusses, und die Verträge müssen anschließend von der vertragschließenden Behörde, also von der Europäischen Kommission, genehmigt werden.

..."

Entscheidungsgründe

11 Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 225 Absatz 1 EG kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

12 Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts sieht vor, dass die Anträge auf einstweilige Anordnung die Umstände anführen müssen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen.

13 Im vorliegenden Fall ist zunächst die Voraussetzung der Dringlichkeit zu prüfen, ohne dass über die eventuelle Unzulässigkeit des Antrags entschieden werden müsste.

14 Nach ständiger Rechtsprechung beurteilt sich die Dringlichkeit im Sinne von Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung danach, ob eine einstweilige Entscheidung notwendig ist, um zu verhindern, dass der Partei, die die einstweilige Anordnung beantragt, ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht.

15 Folglich genügt es den Anforderungen dieser Vorschrift nicht, wenn der Antragsteller, wie es beim AIT der Fall ist, lediglich geltend macht, dass der Vollzug der Maßnahme, deren Aussetzung beantragt wird, unmittelbar bevorstehe, sondern es müssen außerdem Umstände vorgetragen werden, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt und durch die nachgewiesen werden kann, dass der Partei, die die Aussetzung beantragt, ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entstuende, wenn die Aussetzung nicht angeordnet würde (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 22. Januar 1988 in der Rechtssache 378/87 R, Top Hit Holzvertrieb/Kommission, Slg. 1988, 161, Randnr. 18, und Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 16. Februar 1995 in der Rechtssache T-5/95 R, Amicale des résidents du square d'Auvergne/Kommission, Slg. 1995, II-255, Randnrn. 15 bis 17, und vom 3. Juli 2000 in der Rechtssache T-163/00 R, Carotti/Rechnungshof, Slg. ÖD 2000, I-A-133 und II-607, Randnr. 8).

16 Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller diese letztgenannte Voraussetzung keineswegs erfuellt, da in seinem Antrag der Schaden, der ihm bei Vollzug der streitigen Entscheidung entstuende, nicht spezifiziert ist und nicht nachgewiesen wird, dass die unterbliebene Aussetzung schwere und nicht wieder gutzumachende Folgen für ihn hätte. Der Antragsteller gibt nämlich in seinem Aussetzungsantrag nur an, dass [d]er Ablauf des Vertrages am 28. Mai... für sich allein die Dringlichkeit [belegt]". Die bloße Berufung auf den bevorstehenden Vertragsablauf reicht jedoch für den Nachweis nicht aus, dass ihm ohne Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung ein Schaden entstehen wird, und erst recht nicht dafür, dass es sich um einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden handeln wird.

17 Im Übrigen hat der Antragsteller seinen Antrag auf einstweilige Anordnung acht Monate nach Erhebung seiner Klage und weniger als eine Woche vor dem Ablauf des Vertrages eingereicht. Auch wenn es Sache des Antragstellers ist, zu beurteilen, ob die Einreichung eines Antrags auf Aussetzung des Vollzugs zweckmäßig ist, und den Verfahrenszeitpunkt zu bestimmen, zu dem er ihn einreicht, so hält es der Richter der einstweiligen Anordnung doch für erforderlich, hervorzuheben, dass sich die Umstände im vorliegenden Fall seit der Klageerhebung nicht geändert haben und dass daher die Einreichung des Antrags auf einstweilige Anordnung mehrere Monate nach der Klageerhebung ein Faktor ist, der auf eine fehlende Dringlichkeit für die Anordnung der beantragten Aussetzung hindeuten kann. Die Kommission macht daher in ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Begründung ihrer Feststellung, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht erfuellt sei, zutreffend geltend, dass die Zahlung des Restbetrags des Vertrages an den CEERD ein Ereignis sei, das dem Kläger nicht erst im Mai 2003 bekannt geworden, sondern seit langem vorhersehbar gewesen sei.

18 Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist der vorliegende Antrag zurückzuweisen, ohne dass eine mündliche Anhörung der Parteien erforderlich wäre.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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