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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 21.12.1994
Aktenzeichen: T-295/94 R
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 85
EG-Vertrag Art. 173
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Für den Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung besteht nur dann Anlaß, die Verpflichtung des antragstellenden Unternehmens zur Stellung einer Bankbürgschaft für die Zahlung einer gegen das Unternehmen festgesetzten Geldbusse auszusetzen, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen. Solche Umstände können sich insbesondere daraus ergeben, daß die Existenz des Unternehmens durch die Stellung einer Bankbürgschaft gefährdet würde oder daß die Rügen, die im Rahmen der Klage gegen die Bußgeldentscheidung vorgebracht worden sind, dem ersten Anschein nach besonders ernsthafte Zweifel an der Rechtmässigkeit dieser Entscheidung hervorrufen.

Die Schwierigkeiten, mit denen der Antragsteller wegen seiner finanziellen Situation bei dem Versuch, eine von der Kommission verlangte Bankbürgschaft beizubringen, konfrontiert ist, können nicht allein deshalb als unüberwindlich angesehen werden, weil die Unterstützung der Bank davon abhängig gemacht wird, daß die Gesellschafter zur Sicherheitsleistung die Haftung mit ihrem persönlichen Vermögen übernehmen. Unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses am Vollzug der Entscheidungen der Kommission und der Wahrung der finanziellen Interessen der Gemeinschaft einerseits und der Vorteile, die sich aus einem etwaigen wettbewerbswidrigen Verhalten einer Gesellschaft für deren Gesellschafter ergeben können, andererseits erscheint es angemessen, etwaige Möglichkeiten der Gesellschafter, die Gesellschaft bei der Stellung einer Bankbürgschaft zu unterstützen, zu berücksichtigen.


BESCHLUSS DES PRAESIDENTEN DES GERICHTS ERSTER INSTANZ VOM 21. DEZEMBER 1994. - BUCHMANN GMBH GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - WETTBEWERB - ZAHLUNG DER GELDBUSSE - BANKBUERGSCHAFT - VERFAHREN DER EINSTWEILIGEN ANORDNUNG - AUSSETZUNG DES VOLLZUGS. - RECHTSSACHE T-295/94 R.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Am 13. Juli 1994 erließ die Kommission die Entscheidung 94/601/EG in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 ° Carton) (ABl. L 243, S. 1; im folgenden: Entscheidung). Laut Artikel 1 der Entscheidung haben die 19 dort aufgezählten Kartonanbieter, darunter die Antragstellerin, gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstossen, indem sie sich an einer Vereinbarung und einer abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die sie verschiedene, in Artikel 1 der Entscheidung zusammengefasste Tätigkeiten entfalteten, die dem Wettbewerb im Gemeinsamen Markt zuwiderliefen.

2 In der Entscheidung wird festgestellt, daß diese Verhaltensweisen im Rahmen der "Produktgruppe Karton" (im folgenden: PG Karton) praktiziert worden seien, der eine Reihe von wichtigen europäischen Kartonherstellern angehörten. Aus der Entscheidung ergibt sich ferner, daß die PG Karton im Bezugszeitraum, d. h. von 1986 bis 1991, über verschiedene Ausschüsse verfügte, darunter u. a. die "Presidents Working Group" (Präsidentenausschuß; im folgenden: PWG), die "President Conference" (Präsidentenkonferenz) und das "Joint Marketing Comittee" (im folgenden: JMC). Der PWG sollen Vertreter der acht führenden Kartonhersteller angehört haben. Sie soll Entscheidungen allgemeiner Art über die Terminierung und den Umfang der von den Kartonherstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen getroffen haben. Sie soll ferner die Vereinbarungen zwischen den Beteiligten über ihre jeweiligen Marktanteile herbeigeführt haben, und zwar mit dem Ziel, zu verhindern, daß die abgestimmten Initiativen auf dem Gebiet der Preise durch ein Überangebot gefährdet würden. Die Ergebnisse der PWG-Sitzungen seien regelmässig der Präsidentenkonferenz übermittelt worden, in der laut Randnummer 42 der Entscheidung alle Adressaten der Entscheidung vertreten waren. Hauptaufgabe des JMC, in dem alle europäischen Kartonhersteller vertreten gewesen seien, sei die Durchführung der vom PWG vereinbarten Preiserhöhungen gewesen.

3 Durch Artikel 3 der Entscheidung wird wegen des in Artikel 1 festgestellten Verstosses gegen die Antragstellerin eine Geldbusse von 2,2 Millionen ECU festgesetzt. Artikel 4 sieht vor, daß die in Artikel 3 festgesetzten Geldbussen binnen drei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung in ECU zu zahlen sind.

4 Mit Schreiben vom 1. August 1994 gab die Kommission die Entscheidung der Antragstellerin bekannt. Sie wies diese in dem Schreiben darauf hin, daß sie im Fall einer Klageerhebung durch die Antragstellerin vor dem Gericht während der Dauer der Anhängigkeit der Rechtssache beim Gericht von einer Beitreibung der Geldbusse absehen würde, sofern die Forderung vom Ablauf der Zahlungsfrist an verzinst und ordnungsgemäß eine Bankbürgschaft in Höhe des geschuldeten Betrags zuzueglich Zinsen oder Zuschlägen gestellt würde.

5 Mit Klageschrift, die am 28. September 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung erhoben.

6 Mit besonderem Schriftsatz, der am 14. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Antragstellerin gemäß Artikel 185 EG-Vertrag den vorliegenden Antrag gestellt, der dahin geht, den Vollzug der Entscheidung ohne Stellung einer Bankbürgschaft auszusetzen, soweit mit der Entscheidung eine Geldbusse gegen sie festgesetzt wird.

7 Die Kommission hat ihre Stellungnahme zu dem vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung am 2. November 1994 eingereicht. Die Parteien haben am 25. November 1994 mündliche Ausführungen gemacht.

Entscheidungsgründe

8 Nach den Artikeln 185 und 186 EG-Vertrag in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, den Vollzug der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

9 Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts müssen Anträge auf einstweilige Anordnungen im Sinne der Artikel 185 und 186 EG-Vertrag die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen. Die beantragten Maßnahmen müssen in dem Sinn vorläufig sein, daß sie die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 26. Oktober 1994 in den Rechtssachen T-231/94 R, T-232/94 R und T-234/94 R, Transacciones Marítimas/Kommission, Slg 1994, I-0000, Randnr. 20).

Vorbringen der Parteien

10 Um die Begründetheit ihres Begehrens glaubhaft zu machen, beruft sich die Antragstellerin auf folgende vier der Rügen, die sie in ihrer Klage erhoben hat: Irrtum über die Dauer ihrer Beteiligung an der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlung, Irrtum über ihre Beteiligung an einem Austausch von Geschäftsdaten zur Absicherung der fraglichen wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen und an der Präsidentenkonferenz der PG Karton und schließlich Rechtswidrigkeit der Erlangung bestimmter Beweise.

11 Zur Begründung ihrer ersten Rüge trägt die Antragstellerin vor, in Randnummer 2 wie auch im verfügenden Teil der Entscheidung beschuldige die Kommission sie, sich ab Mitte 1986 an der beanstandeten Vereinbarung beteiligt zu haben. Wie sich aber aus der der Entscheidung beigefügten Tabelle 4 betreffend die Teilnahme an JMC-Treffen und aus dem Schriftverkehr vor Erlaß der Entscheidung und aus der individuellen Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 21. Dezember 1992 ergebe, könne als Beginn ihrer Beteiligung an der angeblichen Zuwiderhandlung frühestens das Jahr 1988 angesetzt werden.

12 Die zweite Rüge geht dahin, daß sich die Kommission hinsichtlich der Klägerin auf eine unzutreffende Tatsachenwürdigung gestützt habe, als sie in der Entscheidung ausgeführt habe, daß alle betroffenen Unternehmen einschließlich der kleineren Hersteller durch Austausch von Informationen an der Überwachung der Auftragsbestände mitgewirkt hätten. Dies ergebe sich aus einem Schreiben der Antragstellerin an die Kommission vom 13. August 1991 und aus den der Kommission vorliegenden Statistiken.

13 Mit ihrer dritten Rüge macht die Antragstellerin geltend, entgegen Randnummer 42 der Entscheidung habe sie niemals an einer Präsidentenkonferenz teilgenommen. Dies habe die Kommission in den der Entscheidung beigefügten Tabellen 3 und 7 und in einem Schreiben an die Antragstellerin vom 1. März 1994 selbst eingeräumt.

14 Im Rahmen ihrer vierten Rüge bezieht sich die Antragstellerin auf eine von der Kommission durchgeführte Anhörung vom 20. Dezember 1993, bei der sie nicht vertreten gewesen sei. Sie macht geltend, laut dem Protokoll, das ihr von einem Dritten weitergegeben worden sei, habe der Vertreter der Kommission bei dieser Anhörung folgendes ausgeführt: "Bei den Herstellern, die mehr oder weniger praktisch alle Behauptungen eingeräumt haben (und ich lasse mich wiederum gern korrigieren, falls ich mich geirrt haben sollte), handelt es sich meines Erachtens um Buchmann... Sie haben im wesentlichen die Richtigkeit der gegen sie gerichteten Behauptungen anerkannt." Dies sei, was die Antragstellerin betreffe, eine falsche Tatsachenbehauptung, die sie erst mit Schreiben vom 2. Februar 1994 habe zurückweisen können. Demnach seien sämtliche Beweise, die bei der Anhörung und später erlangt worden seien, rechtswidrig erlangt worden, da die Kommission die beschuldigten Unternehmen bewusst getäuscht habe.

15 Zur Dringlichkeit trägt die Antragstellerin vor, die Stellung einer Bankbürgschaft, wie sie die Kommission bei Nichtzahlung der Geldbusse verlange, würde ihre Existenz und 450 Arbeitsplätze in ihrem Unternehmen akut gefährden. Da ihr Eigenkapital angesichts der aufgelaufenen Verluste und der erforderlichen Rückstellungen für die Zahlung der Geldbusse schon jetzt nicht mehr ausreiche, würde die Stellung einer Bürgschaft in der vorgesehenen Höhe es ihr unmöglich machen, sich neues Kapital zu beschaffen. Für die kommenden Monate benötige sie aber einen zusätzlichen Betriebsmittelkredit. Nach Ankündigung mit einem dem Antrag auf einstweilige Anordnung beigefügten Schreiben vom 11. August 1994 habe ihre Hausbank inzwischen den bis dahin gewährten Wechselkredit gekündigt. Die Klägerin fügt hinzu, selbst durch eine spätere Erstattung oder durch Zahlung von Schadensersatz nach einer eventuellen Nichtigerklärung der Entscheidung könnten die ausserordentlich schwerwiegenden Folgen, die die Stellung einer Bürgschaft hätte, nicht wieder behoben werden.

16 Die Kommission macht einleitend geltend, der Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung könne nur unter ganz aussergewöhnlichen Umständen einem Antrag stattgeben, der wie der hier vorliegende darauf abziele, den Vollzug einer Entscheidung insoweit auszusetzen, als der Antragsteller verpflichtet werde, eine Bankbürgschaft in Höhe einer gegen ihn festgesetzten Geldbusse zu stellen. Solche aussergewöhnlichen Umstände lägen hier nicht vor, denn die Antragstellerin habe weder die Dringlichkeit dargetan noch die Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft gemacht.

17 Auf die Rüge eines Irrtums über die Dauer der Beteiligung der Antragstellerin an der von der Kommission festgestellten Zuwiderhandlung entgegnet die Kommission mit dem Hinweis auf Randnummer 162 und Artikel 1 der Entscheidung, wonach die Zuwiderhandlung "im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990" gedauert habe. Die Entscheidung beruhe somit nicht auf einer unzutreffenden Tatsachenwürdigung hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung.

18 Die Ausführungen der Antragstellerin zum Austausch von Geschäftsdaten zur Absicherung der Wettbewerbsbeschränkungen gehen nach Ansicht der Kommission an der Sache vorbei. Angesichts der Konzeption der festgestellten Zuwiderhandlung, wie sie sich aus der Begründung der Entscheidung ergebe, könne es im vorliegenden Fall nicht auf die minuziöse Darlegung der Beteiligung jedes einzelnen Unternehmens an jeder einzelnen Handlung ankommen.

19 Zur Teilnahme der Antragstellerin an der Präsidentenkonferenz trägt die Kommission vor, wie sich aus der der Entscheidung beigefügten Tabelle 3 ergebe, sei sie von einer solchen Teilnahme nicht ausgegangen. Ihre Ausführungen zur zweiten Rüge träfen auch auf die dritte Rüge zu. Jedenfalls sei die Antragstellerin von anderen Unternehmen desselben Wirtschaftszweigs über die Ergebnisse der Sitzungen der PWG informiert worden und habe ihr Wettbewerbsverhalten entsprechend einrichten können.

20 Zur Rüge der rechtswidrigen Erlangung bestimmter Beweise erklärt die Kommission zunächst, ihrer Ansicht nach ergebe sich aus der Klage nicht, daß die Antragstellerin ihre Beteiligung an dem Kartell bestreite, sondern die Antragstellerin mache lediglich geltend, daß einzelne Tatbeiträge nicht richtig bewertet worden seien, da sie an einzelnen Sitzungen nicht teilgenommen habe. Die Aussage, daß die Antragstellerin die gegen sie erhobenen Vorwürfe anerkenne, sei also nicht völlig aus der Luft gegriffen. Ferner habe der Berichterstatter seine Ausführungen unter dem Vorbehalt der Berichtigung gemacht. Schließlich erkläre die Antragstellerin nicht, warum gerade die Erwähnung des Umstands, daß sie die erhobenen Vorwürfe anerkenne, die übrigen Unternehmen so entscheidend beeinflusst haben solle. Dies stehe auch im Widerspruch zu dem Eindruck, den die Antragstellerin erwecken wolle, nämlich daß sie nur eine untergeordnete Rolle in dem Kartell gespielt habe. Im übrigen sei nicht ersichtlich, wie ein etwaiger Einfluß auf andere Unternehmen sich auf die Rechtmässigkeit der Entscheidung bezueglich der Antragstellerin auswirken könne.

21 Zur Dringlichkeit vertritt die Kommission die Ansicht, diese sei in keiner Weise dargetan. Das genannte Schreiben vom 11. August 1994 lasse nicht den Schluß zu, daß die Existenz der Antragstellerin und damit 450 Arbeitsplätze bedroht seien, denn in ihm werde nicht ein etwaiger Antrag auf Übernahme einer Bankgarantie abgelehnt, sondern es enthalte sogar Vorschläge für die Fortführung der Zusammenarbeit zwischen der Antragstellerin und ihrer Hausbank. Die Antragstellerin habe nicht einmal vorgetragen, daß sie sich an anderer Stelle erfolglos um eine Bankbürgschaft bemüht habe. Abgesehen von den Ausführungen der Antragstellerin zur angeblichen Kündigung des Wechselkredits, die die Antragstellerin im übrigen nicht hinreichend untermauert habe, enthalte der Antrag keine Angaben zur tatsächlichen finanziellen und wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin.

Würdigung durch den Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung

22 Vorab ist festzustellen, daß die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren der einstweiligen Anordnung die Befreiung von der ihr in dem in Randnummer 4 dieses Beschlusses genannten Schreiben auferlegten Verpflichtung beantragt, als Voraussetzung für die Abwendung der sofortigen Beitreibung der gegen sie festgesetzten Geldbusse eine Bankbürgschaft in Höhe dieser Geldbusse zu stellen.

23 Nach ständiger Rechtsprechung kann einem solchen Antrag nur stattgegeben werden, wenn aussergewöhnliche Umstände vorliegen (siehe u. a. die Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Mai 1982 in der Rechtssache 107/82 R, AEG/Kommission, Slg. 1982, 1549, Randnr. 6, und vom 15. März 1983 in der Rechtssache 234/82 R, Ferriere di Roè Volciano/Kommission, Slg. 1983, 725, Randnrn. 2 und 8). Die Antragstellerin hat aber nichts vorgetragen, was aufgrund des ersten Anscheins die Feststellung zuließe, daß diese Voraussetzung im vorliegenden Fall erfuellt ist. Dies gilt sowohl für ihr auf den Nachweis der Dringlichkeit ihres Aussetzungsbegehrens gerichtetes Vorbringen, daß ihre Existenz durch die Stellung der Bankbürgschaft gefährdet würde, als auch für den Fumus boni iuris ihrer Klage.

24 Zur angeblichen Unmöglichkeit, die Bankbürgschaft ohne Gefährdung der Existenz der Antragstellerin zu stellen, ist zu bemerken, daß die Antragstellerin als einziges Schriftstück zur Untermauerung ihrer Argumentation das oben genannte Schreiben ihrer Hausbank vom 11. August 1994 vorgelegt hat. Darin ist zwar von einer prekären Situation der Antragstellerin die Rede, doch lässt sich daraus dem ersten Anschein nach nicht ableiten, daß die Verpflichtung, eine Bankbürgschaft zu stellen, um für die Zeit bis zum Erlaß des Urteils in der Hauptsache die sofortige Beitreibung der Geldbusse abzuwenden, den Fortbestand der Antragstellerin gefährden würde. Zum einen sind in der Untersuchung der finanziellen Lage der Antragstellerin, auf die sich das genannte Schreiben stützt, bereits die Nachteile berücksichtigt, die mit der Vornahme einer Rückstellung in Höhe der festgesetzten Geldbusse zusammenhängen; zum anderen enthält es keine Ablehnung eines eventuellen Antrags auf Stellung der fraglichen Bürgschaft. Weder anhand des Schreibens der Bank noch anhand der Darlegungen der Antragstellerin selbst lässt sich konkret prüfen, ob und inwiefern sich die Lage der Antragstellerin verschlechtern könnte, wenn sie statt der blossen Vornahme oder Aufrechterhaltung der genannten Rückstellung eine Bankgarantie in entsprechender Höhe stellen müsste. Allgemein ergibt sich aus dem Schreiben der Bank, daß diese sich nach wie vor als "verläßlichen Partner" der Antragstellerin sieht und daß sie unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere wenn die Gesellschafter der Antragstellerin voll hinter dieser stehen, bereit ist, die Antragstellerin "durch eine schwierige Zeit zu begleiten" und ihr dabei zu helfen, daß sie "wieder zur alten Stärke zurückfindet". Der Akteninhalt lässt dem ersten Anschein nach keineswegs den Schluß zu, daß die genannten Voraussetzungen nicht erfuellt werden könnten.

25 Im einzelnen ermöglicht es der Akteninhalt dem Richter im Verfahren der einstweiligen Anordnung in keiner Weise, die Stichhaltigkeit des Vorbringens der Antragstellerin zu beurteilen, daß sie für die kommenden Monate einen zusätzlichen Betriebsmittelkredit benötige und daß die Stellung der Bürgschaft es ihr unmöglich machen würde, diesen Kredit zu erhalten. Ausserdem hat die Antragstellerin bei der Anhörung eingeräumt, daß ein anderes örtliches Geldinstitut sich bereit erklärt habe, ihr eine Bankbürgschaft zu gewähren, sofern ihre Gesellschafter dafür die Haftung mit ihrem persönlichen Vermögen übernähmen.

26 Unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses am Vollzug der Entscheidungen der Kommission und der Wahrung der finanziellen Interessen der Gemeinschaft einerseits und der Vorteile, die sich aus einem etwaigen wettbewerbswidrigen Verhalten einer Gesellschaft für deren Gesellschafter ergeben können, erscheint es, wie in der Rechtsprechung anerkannt ist, angemessen, etwaige Möglichkeiten der Gesellschafter, die Gesellschaft bei der Stellung einer Bankbürgschaft der im vorliegenden Fall von der Kommission verlangten Art zu unterstützen, zu berücksichtigen (Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 7. Mai 1982 in der Rechtssache 86/82 R, Hasselblad/Kommission, Slg. 1982, 1555, Randnr. 4, sowie Beschluß des Präsidenten des Gerichts vom 25. August 1994 in den Rechtssachen T-156/94 R, Aristrain/Kommission, Slg. 1994, I-0000, Randnr. 33, und in der Rechtssache Transacciones Marítimas u. a., a. a. O.).

27 Abschließend ist jedenfalls zum Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände, durch die die Notwendigkeit der beantragten Anordnung glaubhaft gemacht werden könnte, festzustellen, daß sich aus den von der Antragstellerin zur Begründung ihrer Klage vorgebrachten Rügen nichts ergibt, was dem ersten Anschein nach besonders ernsthafte Zweifel an der Rechtmässigkeit der Entscheidung hervorrufen könnte.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1) Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 21. Dezember 1994

Ende der Entscheidung

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