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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: T-304/02
Rechtsgebiete: Entscheidung 2003/207/EG, Verordnung Nr. 17, EG


Vorschriften:

Entscheidung 2003/207/EG
Verordnung Nr. 17 Art. 15 Abs. 2
EG Art 253
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

4. Juli 2006

"Wettbewerb - Kartelle - Niederländischer Markt für Industrie- und medizinische Gase - Preisfestsetzung - Festsetzung der Höhe der Geldbußen - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung der Höhe von Geldbußen - Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung"

Parteien:

In der Rechtssache T-304/02

Hoek Loos NV mit Sitz in Schiedam (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. J. Feenstra und B. F. Van Harinxma thoe Slooten,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Bouquet als Bevollmächtigten,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 2003/207/EG der Kommission vom 24. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/E-3/36.700 - Industriegase und medizinische Gase) (ABl. 2003, L 84, S. 1), hilfsweise wegen Herabsetzung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richter F. Dehousse und D. Sváby,

Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die Klägerin ist ein niederländisches Unternehmen, das Industriegase und medizinische Gase erzeugt, vermarktet und vertreibt sowie dazugehörige Ausrüstungen, Systeme und Dienstleistungen anbietet.

2 Im Dezember 1997 und während des Jahres 1998 führte die Kommission gemäß Artikel 14 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, 13, S. 204), in den Geschäftsräumen der Klägerin und verschiedener anderer, ebenfalls auf dem Markt für Industriegase und medizinische Gase tätiger Unternehmen Nachprüfungen durch; es handelte sich um folgende Unternehmen: AGA Gas BV, Air Liquide BV, Air Products Nederland BV (im Folgenden: Air Products), Boc Group plc (im Folgenden: BOC), Hydrogas Holland BV, Messer Nederland BV (im Folgenden: Messer) und Westfalen Gassen Nederland BV (im Folgenden: Westfalen).

3 Nachdem die Kommission an die genannten Unternehmen Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 gerichtet hatte, sandte sie am 9. Juli 2001 an acht in dem betreffenden Sektor tätige Unternehmen, darunter die Klägerin, eine Mitteilung der Beschwerdepunkte.

4 Die Klägerin bestritt in ihrer Antwort den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellten Sachverhalt nicht. Nach der Liquidation von AGA Gas antwortete deren Muttergesellschaft, die AGA AB, im Namen ihrer früheren Tochtergesellschaft in der Sache auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und erklärte ausdrücklich, dass sie bereit sei, die Haftung für deren Zuwiderhandlungen zu übernehmen.

5 Nach Anhörung der betreffenden Gesellschaften erließ die Kommission die Entscheidung 2003/207/EG vom 24. Juli 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/E-3/36.700 - Industriegase und medizinische Gase) (ABl. L 84, S. 1, im Folgenden: Entscheidung).

6 Die Entscheidung wurde der Klägerin am 29. Juli 2002 bekannt gegeben; sie war an die AGA AB als Rechtsnachfolgerin von AGA Gas gerichtet.

7 Die Entscheidung enthält in ihrem Tenor folgende Bestimmungen:

"Artikel 1

AGA AB, Air Liquide BV, [Air Products], [BOC], [Messer], Hoek Loos [NV], [Westfalen] haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen, indem sie sich an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sektor Industriegase und medizinische Gase in den Niederlanden beteiligten.

Die Zuwiderhandlung hatte folgende Dauer:

- AGA AB: von September 1993 bis Dezember 1997,

- Air Liquide BV: von September 1993 bis Dezember 1997,

- [Air Products]: von September 1993 bis Dezember 1997,

- [BOC]: von Juni 1994 bis Dezember 1995,

- [Messer]: von September 1993 bis Dezember 1997,

- Hoek Loos [NV]: von September 1993 bis Dezember 1997,

- [Westfalen]: von März 1994 bis Dezember 1995.

...

Artikel 3

Für den in Artikel 1 genannten Verstoß werden die Geldbußen in folgender Höhe festgesetzt:

- AGA AB: 4,15 Mio. EUR,

- Air Liquide BV: 3,64 Mio. EUR,

- [Air Products]: 2,73 Mio. EUR,

- [BOC]: 1,17 Mio. EUR,

- [Messer]: 1 Mio. EUR,

- Hoek Loos [NV]: 12,6 Mio. EUR,

- [Westfalen]: 0,43 Mio. EUR."

8 Zur Berechnung der Höhe der Geldbußen bediente sich die Kommission in der Entscheidung der in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C. 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), und in der Mitteilung vom 18. Juli 1996 über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. C 207, S. 4) (im Folgenden: Mitteilung über die Zusammenarbeit) dargelegten Methode.

9 So wurde der nach Maßgabe der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung ermittelte Grundbetrag der Geldbuße für die Klägerin auf 14 Millionen Euro festgesetzt (Begründungserwägung 438 der Entscheidung).

10 Die Kommission berücksichtigte in der Entscheidung keine erschwerenden Umstände zu Lasten oder mildernden Umstände zugunsten der Klägerin.

11 Schließlich nahm die Kommission eine "spürbar niedrigere Festsetzung" der Geldbußen im Sinne von Abschnitt D der Mitteilung über die Zusammenarbeit vor. In diesem Rahmen setzte sie im Hinblick darauf, dass die Klägerin den in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargelegten Sachverhalt im Wesentlichen nicht bestritten hatte, die Geldbuße, die gegen diese festgesetzt worden wäre, wenn sie nicht mit der Kommission zusammengearbeitet hätte, um 10 % herab (Begründungserwägungen 454 und 457 bis 459 der Entscheidung).

12 Nachdem Westfalen am 4. Oktober 2002 beim Gericht gegen die Entscheidung Klage eingereicht hatte (Rechtssache T-303/02), befand die Kommission, ihr sei hinsichtlich der Dauer der diesem Unternehmen vorgeworfenen Zuwiderhandlung ein Beurteilungsfehler unterlaufen.

13 Sie erließ daher am 9. April 2003 die Entscheidung 2003/355/EG zur Änderung der Entscheidung (ABl. L 123, S. 49). In dieser Berichtigungsentscheidung räumte die Kommission ein, den Beginn der Westfalen vorgeworfenen Zuwiderhandlung zu Unrecht auf März 1994 datiert zu haben.

14 Nunmehr ist in dem geänderten Artikel 1 der Entscheidung ausgeführt, dass Westfalen gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen habe, indem sie sich an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweise im Sektor Industriegase und medizinische Gase in den Niederlanden beteiligt habe, und dass die Zuwiderhandlung von Oktober 1994 - statt von März 1994 - bis Dezember 1995 gedauert habe. Im geänderten Artikel 3 der Entscheidung wird die Geldbuße von 0,43 Mio. Euro auf 0,41 Mio. Euro herabgesetzt.

Verfahren und Anträge der Parteien

15 Mit am 7. Oktober 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

16 Infolge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts ab dem 13. September 2004 ist der Berichterstatter als Präsident der Fünften Kammer zugeteilt worden; die vorliegende Rechtssache ist deshalb an diese Kammer verwiesen worden.

17 Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und im Rahmen der in Artikel 64 der Verfahrensordnung vorgesehenen prozessleitenden Maßnahmen die Kommission zur Vorlage einer Unterlage aufgefordert.

18 Die Parteien haben in der Sitzung vom 19. Januar 2006 mündlich verhandelt und die Fragen des Gerichts beantwortet.

19 Die Klägerin beantragt,

- Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung, soweit er sie betrifft, für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße nach billigem Ermessen erheblich herabzusetzen;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens "zuzüglich der Zinsen, das heißt der mit der Bankgarantie zusammenhängenden Kosten", aufzuerlegen.

20 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Vorbringen der Parteien

Zum Umfang der Klage

21 Die Klägerin führt aus, sie wende sich in der Sache weder gegen die Darstellung des Sachverhalts, wie sie die Kommission in Teil I "E" der Entscheidung gegeben habe, noch gegen ihre rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts in Teil II D der Entscheidung, weist jedoch darauf hin, dass die beanstandeten Vereinbarungen nur einen Teil des gesamten Marktes für Industrie- und medizinische Gase betroffen hätten.

22 Ebenso wenig wende sie sich gegen die einzelnen Schritte, mit denen die Kommission in den Begründungserwägungen 412 bis 448 der Entscheidung die Höhe der einzelnen Geldbußen berechne, gegen die Überlegungen zur Schwere der Zuwiderhandlung, zu deren Dauer und zur Beteiligung der einzelnen Unternehmen; sie akzeptiere jedoch nicht das Endergebnis dieser Berechnung, in dem ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen der ihr auferlegten Geldbuße und den gegen die anderen Unternehmen, insbesondere die AGA AB, festgesetzten Geldbußen zum Ausdruck komme.

23 Die Klägerin weist hierzu mehrmals darauf hin, dass die ihr auferlegte Geldbuße dreimal so hoch sei wie die letztlich gegen die AGA AB festgesetzte, während sie nach den eigenen Angaben der Kommission an dem Kartell im gleichen Umfang und im selben Zeitraum wie die AGA Gas beteiligt gewesen sei, und dass ihre Geldbuße 50 % des Gesamtbetrags der in dieser Sache festgesetzten Geldbußen ausmache, was in keinem Verhältnis zu ihrem Marktanteil oder zu ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung stehe.

24 Die Kommission habe bei der Berechnung der Geldbußen, insbesondere bei der Anwendung der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehenen Regel der Begrenzung auf 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmens, in Ausübung ihres Ermessens, also ohne zwingenden sachlichen oder rechtlichen Grund, bestimmte Festlegungen getroffen. Diese hätten zu einem großen Ungleichgewicht in der Höhe der Geldbußen derart geführt, dass zwischen der gegen sie festgesetzten Geldbuße und den Geldbußen der anderen Unternehmen ein unverhältnismäßiger betragsmäßiger Unterschied bestehe. Dadurch habe die Kommission zum einen gegen Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 und gegen Artikel 253 EG und zum anderen gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots verstoßen, was die Nichtigerklärung von Artikel 3 der Entscheidung rechtfertige.

25 Ferner richte sich die vorliegende Klage nicht gegen die Höhe der Geldbußen, die die Kommission gegen die anderen an dem Kartell beteiligten Unternehmen festgesetzt habe. Die Klägerin behaupte nicht, dass die Festlegungen, die die Kommission zum Vorteil anderer Unternehmen getroffen habe, nicht korrekt oder nicht gerechtfertigt seien, auch wenn insoweit Zweifel gestattet seien, sondern dass die Kommission bei der Berechnung ihrer Geldbuße die gleichen Festlegungen hätte treffen müssen.

26 Im Übrigen hält die Klägerin, unabhängig von den oben dargelegten rechtlichen Erwägungen, den sehr großen betragsmäßigen Unterschied, der zu ihrem Nachteil zwischen den Geldbußen bestehe, für unbillig und beantragt, die gegen sie festgesetzte Geldbuße in Ausübung der dem Gericht in Artikel 229 EG übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung erheblich herabzusetzen.

27 Die Kommission weist darauf hin, dass die Klägerin dadurch, dass sie den Schritten zur Berechnung der Geldbuße nicht widersprochen habe, den Gegenstand ihrer Klage auf den Vorwurf betreffend die Vergleichbarkeit der ihr auferlegten Geldbuße mit den Geldbußen der anderen Teilnehmer des Kartells beschränkt und somit ihre Geldbuße, isoliert betrachtet, akzeptiert habe. Die Klage der Klägerin laufe darauf hinaus, die aufgrund der Obergrenze von 10 % vorgenommene Herabsetzung der Geldbußen der anderen Unternehmen anzufechten.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 3 der Entscheidung

- Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gegen Artikel 253 EG

28 Die Klägerin macht geltend, aus der Entscheidung gehe hervor, dass sie hinsichtlich der beiden einzigen Kriterien, die nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 für die Festsetzung der Geldbußen maßgeblich seien, nämlich der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung, mit AGA Gas auf exakt gleichem Fuß stehe. Die Kommission behaupte nunmehr zu Unrecht, dass ihr Marktanteil deutlich höher als der von AGA Gas sei. Diese sei im Gegenteil für bestimmte Arten von Gas, insbesondere Flüssiggase, der bedeutendste Hersteller.

29 Da sich die Klägerin und AGA Gas, was ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung angehe, in einer ähnlichen Situation befänden, habe die Kommission, indem sie diesen beiden Unternehmen Geldbußen auferlegt habe, deren Höhe zum Nachteil der Klägerin sehr unterschiedlich sei, Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 falsch angewandt. Gleich welcher Methode sich die Kommission in einer Sache bediene, um die Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung anzuwenden, müsse das Endergebnis diesen beiden Kriterien genügen.

30 Die Kommission habe im vorliegenden Fall das Kriterium der Schwere, bei dessen Prüfung die Abschreckungswirkung zu berücksichtigen sei, nicht korrekt angewandt. Der Klägerin als relativ kleinem Unternehmen sei eine hohe Geldbuße auferlegt worden, während andere Unternehmen, die Tochtergesellschaften von weltweit tätigen Unternehmen seien, mit wesentlich geringeren Geldbußen belegt worden seien; dies stehe in völligem Widerspruch zu der angestrebten Abschreckungswirkung.

31 Der extreme Unterschied zwischen der gegen sie festgesetzten und der letztlich der AGA AB auferlegten Geldbuße lasse sich nicht durch die Faktoren erklären und rechtfertigen, die die Kommission berücksichtigt habe, um zu dem beanstandeten Ergebnis zu gelangen, nämlich ihre Festlegungen betreffend die Adressaten der Entscheidung, den Umsatz für die Anwendung der Obergrenze von 10 % sowie die Reihenfolge, in der diese Obergrenze und die Vorschriften der Mitteilung über die Zusammenarbeit angewandt worden seien.

32 Erstens sei die Auffassung der Kommission zur Festlegung der Unternehmen, die Adressaten der Entscheidung sein sollten, kaum nachzuvollziehen. Die Entscheidung sei im Fall bestimmter Unternehmen (BOC und Hoek Loos) an die Muttergesellschaft, im Fall anderer Unternehmen (Air Products, Air Liquide und AGA AB) aber an die niederländische Tochtergesellschaft gerichtet worden, obwohl die Kommission zu den drei letztgenannten Marktteilnehmern in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt habe, dass die Muttergesellschaften in mehr oder weniger großem Umfang an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten. Für diese Änderung finde sich in der Entscheidung keine Erklärung.

33 Auf den Vortrag der Kommission, sie könne den Adressaten einer Entscheidung, mit der eine Geldbuße festgesetzt werde, festlegen, erwidert die Klägerin, sie lasse "offen", ob diese Auffassung mit der Rechtsprechung in Einklang stehe, weist jedoch darauf hin, dass das von der Beklagten angeführte Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-156/94 (Aristrain/Kommission, Slg. 1999, II-645) das Verhältnis zwischen zwei Schwestergesellschaften betreffe.

34 Die Festlegung, welches Unternehmen Adressat sei, habe Auswirkungen auf die Anwendung der Obergrenze von 10 %. In diesem Zusammenhang überrasche es, dass die Kommission, die eine Verantwortlichkeit der AGA AB für das Handeln ihrer früheren Tochtergesellschaft AGA Gas bejaht habe, die Obergrenze von 10 % auf den Umsatz dieser Tochtergesellschaft und nicht auf den Gesamtumsatz der AGA AB bezogen habe.

35 Was, zweitens, den Umsatz für die Anwendung der Obergrenze von 10 % angehe, behaupte die Kommission zu Unrecht, dass mit der Festlegung des Adressaten der Entscheidung auch der Umsatz des Unternehmens feststehe, auf den die Obergrenze von 10 % zu beziehen sei.

36 Nach der Rechtsprechung beziehe sich diese Obergrenze von 10 % auf den Weltumsatz des betreffenden Unternehmens (Urteil des Gerichtshofes vom 12. November 1985 in der Rechtssache 183/83, Krupp/Kommission, Slg. 1985, 3609). Diese Rechtsprechung würde unterlaufen, wenn die Kommission eine Entscheidung über die Festsetzung von Geldbußen nach Belieben an nationale Tochtergesellschaften von weltweit tätigen Unternehmen richten könnte.

37 Überdies sei der Unternehmensbegriff im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft wirtschaftlich und nicht rechtlich zu verstehen. Er betreffe den Konzern. Sei eine Entscheidung über die Festsetzung einer Geldbuße an eine Tochtergesellschaft gerichtet, so schließe dies nicht aus, dass die Obergrenze von 10 % sich auf den Gesamtumsatz des Konzerns beziehe, zu dem die Tochtergesellschaft gehöre (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-9/99, HFB u. a./Kommission, Slg. 2002, II-1487, Randnrn. 528 und 529).

38 Andernfalls würde die Höhe der Geldbuße davon abhängen, wie ein Unternehmen seine Tätigkeiten unter verschiedenen Gesellschaften aufgeteilt habe; die Klägerin weist in diesem Kontext darauf hin, dass viele internationale Unternehmen, wie z. B. Air Products und Air Liquide, ihre Tätigkeiten durch verschiedene nationale Gesellschaften ausübten. Damit würde eine objektive Anwendung des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 aufgegeben und das Abschreckungselement willkürlich.

39 Was, drittens, die Reihenfolge angehe, in der die Obergrenze von 10 % und die Vorschriften der Mitteilung über die Zusammenarbeit anzuwenden seien, so habe die Kommission die Geldbuße der AGA Gas im Hinblick auf die Obergrenze von 10 % von 14 auf 5,54 Mio. Euro herabgesetzt, bevor sie die Mitteilung über die Zusammenarbeit angewandt habe. So sei nach Anwendung einer Herabsetzung um 25 % gemäß dieser Mitteilung gegen die AGA AB für die von ihrer Tochtergesellschaft begangenen Handlungen schließlich eine Geldbuße von 4,15 Mio. Euro festgesetzt worden.

40 Sowohl nach Sicht des Gesetzgebers als auch nach der Rechtsprechung (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002 in der Rechtssache T-23/99, LR AF 1998/Kommission, Slg. 2002, II-1705, Randnrn. 287 bis 289) sei jedoch die Obergrenze von 10 % die äußerste Begrenzung der Höhe der Geldbuße und damit der zuletzt anzuwendende Faktor. Jedenfalls bestehe für die von der Kommission gewählte Reihenfolge keine zwingende Notwendigkeit.

41 Hätte die Kommission die Vorschriften für die Berechnung der Geldbußen in der vorgesehenen Reihenfolge angewandt, so wäre gegen die AGA AB eine Geldbuße von 5,54 Mio. Euro festzusetzen gewesen, was gegenüber der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße von 12,6 Mio. Euro immer noch ein nicht zu rechtfertigender Unterschied wäre.

42 Schließlich weist die Klägerin darauf hin, dass es also keine zwingenden oder objektiv notwendigen Faktoren gebe, durch die sich der große betragsmäßige Unterschied zwischen der gegen sie festgesetzten Geldbuße und den gegen die anderen Unternehmen, insbesondere gegen die AGA AB, festgesetzten Geldbußen erklären ließe. Die Kommission habe daher die Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung falsch angewandt und gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstoßen, "indem sie es versäumt habe, für diese Anwendung eine überzeugende Begründung zu geben".

43 Die Kommission beantragt, den ersten Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

- Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und des Willkürverbots

44 Die Klägerin trägt vor, dass die Kommission, gleich nach welchem Verfahren sie die Geldbußen der jeweiligen Akteure in Wettbewerbssachen berechne, stets darauf achten müsse, dass das Endergebnis dieser Berechnung den genannten allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts entspreche; dies sei vorliegend nicht der Fall.

45 Erstens habe die Kommission dadurch, dass sie zwei Unternehmen, denen sie selbst zur Last lege, auf die gleiche Weise an der Zuwiderhandlung teilgenommen zu haben, so unterschiedlich behandle, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen. Die Anwendung der Obergrenze von 10 % könne den großen Unterschied zwischen den festgesetzten Geldbußen nicht objektiv rechtfertigen, wie zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 angeführt worden sei.

46 Zweitens stelle die im Vergleich zu den Geldbußen der anderen Unternehmen extreme Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Die Kommission habe in der Entscheidung selbst ausgeführt, dass die Klägerin und die AGA Gas hinsichtlich der beiden Kriterien für die Festsetzung der Höhe der Geldbußen, nämlich der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung, auf gleichem Fuß stünden. Daher stehe, wenn die Anwendung einer anderen Bestimmung für das eine Unternehmen zu einer wesentlichen Herabsetzung führe, für das andere Unternehmen aber nicht, die Höhe der von dem zweiten Unternehmen zu tragenden Geldbuße in keinem Verhältnis mehr zu dem mit der Festsetzung der Geldbuße verfolgten Ziel. Die Klägerin verweist im Übrigen auf ihr Vorbringen zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17.

47 Drittens verstoße der große betragsmäßige Unterschied zwischen der gegen sie festgesetzten Geldbuße und den gegen die anderen Unternehmen festgesetzten Geldbußen gegen das Willkürverbot. Es sei ausgeschlossen, dass die Kommission zu dieser Entscheidung auf billige Weise gelangt sei. Die Klägerin verweist im Übrigen auf ihr Vorbringen zur Verletzung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17.

48 Die Kommission beantragt, den zweiten Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen

Zum Antrag auf Herabsetzung der Geldbuße

49 Hilfsweise beantragt die Klägerin, im Rahmen der dem Gericht nach Artikel 229 EG übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung nachzuprüfen, ob die Höhe der gegen sie festgesetzten Geldbuße angemessen sei.

50 Die Art und Weise, wie die Kommission die Obergrenze von 10 % angewandt habe, führe zu der sonderbaren Situation, dass gegen ein kleines Unternehmen wie die Klägerin, das im Wesentlichen nur im Inland tätig sei, eine erheblich höhere Geldbuße festgesetzt werde als gegen die niederländischen Tochtergesellschaften weltweit tätiger Konzerne, deren Umsätze weit über dem der Klägerin lägen. Das stehe im Widerspruch zu der angestrebten Abschreckungswirkung.

51 Die Klägerin widerspricht dem von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung angeführten Zahlenbeispiel und weist darauf hin, dass sie als ein von der Firma Linde, deren Tochtergesellschaft sie sei, völlig getrenntes Unternehmen anzusehen sei.

52 Wenn, wie von der Kommission angegeben, die gegen sie festgesetzte Geldbuße 3 % ihres Gesamtumsatzes in den Niederlanden ausmache, so beziehe sich dieser Betrag auf ihre sämtlichen Tätigkeiten einschließlich des Umsatzes im Tonnage-Geschäft (doppelt so hoch wie der Umsatz mit Flaschengas und Flüssiggas) und des Umsatzes mit medizinischen Gasen. Im Übrigen ergebe sich, wenn man den Umsatz auf dem relevanten Markt vor Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit mit der Höhe der Geldbuße vergleiche, ein großer Unterschied zwischen der Klägerin und der AGA Gas. Die Unverhältnismäßigkeit der gegen die Klägerin verhängten Sanktion zeige sich ferner in dem Umstand, dass die Geldbuße 50 % des Gesamtbetrags der festgesetzten Geldbußen ausmache, während der Marktanteil der Klägerin in dem fraglichen Zeitraum höchstens ein Drittel betragen habe.

53 Die Kommission trägt vor, ein Vergleich zwischen dem auf dem relevanten Markt erzielten Umsatz und der Höhe der Geldbuße vor Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit sei nur dann sinnvoll, wenn der Ausgangsbetrag der Geldbuße vor Anwendung von rein einzelfallbezogenen Erhöhungen und Herabsetzungen herangezogen werde. Ein solcher Vergleich zeige, dass die Klägerin nicht etwa streng behandelt worden sei, sondern dass das Gegenteil der Fall sei. Die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße sei angemessen, und es bestehe kein Grund, sie herabzusetzen.

Würdigung durch das Gericht

Vorbemerkungen

54 Erstens ist festzuhalten, dass die Klägerin mit ihrem ersten Klagegrund die Verletzung einer materiellen Vorschrift, nämlich Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, und die Verletzung einer Formvorschrift, nämlich Artikel 253 EG betreffend die Begründungspflicht, rügt.

55 Als Ergebnis ihres Vorbringens zum ersten Nichtigkeitsgrund behauptet die Klägerin in der Klageschrift, die Kommission habe die Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung falsch angewandt und gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verstoßen, "indem sie es versäumt habe, für diese Anwendung eine überzeugende Begründung zu geben".

56 Aus dieser Formulierung und insbesondere aus der Verwendung des Adjektivs "überzeugende" ergibt sich, dass die Klägerin mit ihrer Rüge eigentlich nicht eine fehlerhafte oder unzureichende Begründung, die unter die Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne von Artikel 230 EG fällt, beanstandet, sondern die Begründetheit der Entscheidung und damit deren Rechtmäßigkeit angreift.

57 Im Übrigen weist die Klägerin darauf hin, dass die Entscheidung im Fall bestimmter Unternehmen (BOC und sie selbst) an die Muttergesellschaft gerichtet sei, im Fall anderer Unternehmen (Air Products, Air Liquide und AGA Gas) an die niederländische Tochtergesellschaft, obwohl die Kommission zu den drei letztgenannten Marktteilnehmern in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt habe, dass die Muttergesellschaften in mehr oder weniger großem Umfang an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten. Für diese Änderung finde sich in der Entscheidung keine Erklärung.

58 Für den Fall, dass diese letztgenannte Behauptung als Formulierung einer Rüge der Verletzung der Begründungspflicht verstanden werden könnte, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die nach Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere von dem Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Anforderungen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontextes sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63 und die zitierte Rechtsprechung).

59 Im vorliegenden Fall ist zum einen hervorzuheben, dass die Entscheidung, obgleich in Form nur einer Entscheidung abgefasst, ein Bündel von Einzelentscheidungen darstellt, mit denen gegenüber jedem der Unternehmen, die Adressaten der Entscheidung sind, festgestellt wird, welche Zuwiderhandlung oder Zuwiderhandlungen es begangen hat, und eine Geldbuße festgesetzt wird, und zum anderen, dass der Gegenstand des Rechtsstreits nur in der Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin durch Artikel 3 der Entscheidung festgesetzten Geldbuße besteht.

60 Beschließt in einem solchen Kontext einer der Adressaten der Entscheidung, Nichtigkeitsklage zu erheben, so wird der Gemeinschaftsrichter nur mit den Teilen der Entscheidung befasst, die diesen Adressaten betreffen. Diejenigen Teile, die andere Adressaten betreffen und die nicht angefochten worden sind, gehören dagegen nicht zum Streitgegenstand, über den der Gemeinschaftsrichter zu entscheiden hat (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. September 1999 in der Rechtssache C-310/97 P, Kommission/AssiDomän Kraft Products u. a., Slg. 1999, I-5363, Randnr. 53).

61 Im vorliegenden Fall macht die Klägerin nicht geltend, dass die Zurechnung der in der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung ihr gegenüber fehlerhaft oder unzureichend begründet sei. Somit könnte der beanstandete Mangel an Erläuterungen nur die Rechtmäßigkeit der Entscheidung gegenüber den drei niederländischen Tochtergesellschaften Air Products, Air Liquide und AGA Gas beeinträchtigen. Air Products und Air Liquide haben jedoch die an sie gerichtete Entscheidung ebenso wenig angefochten wie die AGA AB, der die Entscheidung in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin der AGA Gas bekannt gegeben wurde.

62 Zur Behauptung der Klägerin, die Entscheidung sei rechtswidrig wegen fehlerhafter Begründung hinsichtlich der Behandlung, die den Muttergesellschaften von Air Products und von Air Liquide zuteil wurde, an die die Entscheidung nicht gerichtet ist und denen daher keine Sanktion auferlegt wurde, ist festzustellen, dass sich die Klägerin hierauf nicht mit dem Ziel berufen kann, selbst der ihr wegen Verstoßes gegen Artikel 81 EG auferlegten Sanktion zu entgehen, da das Gericht mit den Fällen dieser beiden anderen Unternehmen nicht befasst ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307, Randnr. 197, und Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 56).

63 Schließlich ist die Entscheidung, jedenfalls gegenüber der Klägerin, als hinreichend begründet anzusehen, da diese in die Lage versetzt wurde, die Gründe, aus denen sich die Kommission veranlasst sah, ihre Verantwortlichkeit für die vorgeworfene Zuwiderhandlung zu bejahen und gegen sie eine Geldbuße festzusetzen, zur Kenntnis zu nehmen, gleich welche Behandlung den anderen Unternehmen zuteil wurde, die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt worden waren, aber nicht Adressaten der Entscheidung wurden. Ebenso sieht sich das Gericht durchaus imstande, die Entscheidung nachzuprüfen, soweit sie den Fall der Klägerin betrifft.

64 Nach alledem ist, sofern die Schriftsätze der Klägerin so verstanden werden können, dass in ihnen eine Verletzung der Begründungspflicht des Artikels 253 EG gerügt wird, diese Rüge zurückzuweisen.

65 Zweitens zeigt eine Prüfung der Schriftsätze der Klägerin, dass sich die beiden geltend gemachten Nichtigkeitsgründe und die Formulierung der drei Rügen, mit denen eine falsche Anwendung der Kriterien der Schwere und der Dauer des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 beanstandet wird, in gewisser Weise überschneiden. Mit den ersten beiden Rügen wird geltend gemacht, dass die festgesetzte Geldbuße unverhältnismäßig und diskriminierend sei. Einen großen Teil ihres Vorbringens widmet die Klägerin den unterschiedlich hohen Endbeträgen der Geldbußen, die sie anhand eines Vergleichs mit der Lage von AGA Gas und im Hinblick auf die konkrete Anwendung der Obergrenze von 10 % prüft und beanstandet. Im Rahmen einer dritten Rüge macht die Klägerin geltend, die auferlegte Geldbuße widerspreche dem Abschreckungsziel.

66 Ferner formuliert die Klägerin ihre Rügen, die auferlegte Geldbuße sei unverhältnismäßig, diskriminierend und widerspreche dem Abschreckungsziel, sowohl in Bezug auf den Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 3 der Entscheidung als auch in Bezug auf den Hilfsantrag, die Geldbuße ihm Rahmen der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung herabzusetzen.

67 Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des darin enthaltenen Antrags auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße zu prüfen, wobei die drei genannten Rügen zu unterscheiden sind.

Zum Antrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße

68 Vorab ist daran zu erinnern, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbußen über ein Ermessen verfügt und nicht verpflichtet ist, eine genaue mathematische Formel anzuwenden (Urteile des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59, und vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-352/94, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 1998, II-1989, Randnr. 268, bestätigt im Rechtsmittelverfahren durch Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-283/98 P, Mo och Domsjö/Kommission, Slg. 2000, I-9855, Randnr. 47). Sie muss jedoch bei ihrer Entscheidung das Gemeinschaftsrecht wahren, zu dem nicht nur die Vorschriften des EG-Vertrags gehören, sondern auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze (Urteil des Gerichtshofes vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677, Randnr. 38).

69 Außerdem unterliegt die Frage, ob die festgesetzte Geldbuße der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung, d. h. den Kriterien des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, angemessen ist, der dem Gericht gemäß Artikel 17 dieser Verordnung übertragenen Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung.

70 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Kommission die Höhe der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße nach dem allgemeinen Verfahren festgelegt hat, an das sie sich in ihren Leitlinien gebunden hat.

71 Nach Nummer 1 Absatz 1 der Leitlinien wird bei der Berechnung der Geldbußen der Grundbetrag nach Maßgabe der Schwere und der Dauer des Verstoßes als den einzigen Kriterien von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 errechnet. Als allgemeine Bemerkung wird in Nummer 5 Buchstabe a der Leitlinien außerdem hinzugefügt, dass "der Endbetrag der nach diesem Schema ermittelten Geldbuße (Grundbetrag einschließlich der durch die erschwerenden oder mildernden Umstände bedingten prozentualen Auf- oder Abschläge) in keinem Fall 10 % des Gesamtumsatzes der betroffenen Unternehmen übersteigen [darf]". Somit gehen die Leitlinien nicht über den in dieser Bestimmung vorgegebenen rechtlichen Sanktionsrahmen hinaus (Urteil des Gerichtshofes vom 28. Juni 2005 in den Rechtssachen C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, Slg. 2005, I-5425, Randnrn. 250 und 252).

72 Bei der Festsetzung des nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrags der Geldbußen ging die Kommission davon aus, dass die Zuwiderhandlung, obwohl die betreffenden Unternehmen an einem Preiskartell teilgenommen hätten, im Hinblick auf den beschränkten geografischen Marktumfang und darauf, dass der betroffene Sektor von mittlerer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen sei, als schwere und nicht als sehr schwere Zuwiderhandlung anzusehen sei (Begründungserwägungen 423 und 428 der Entscheidung).

73 Um die spezifische Bedeutung und damit die tatsächliche Wirkung des Fehlverhaltens eines jeden an dem Kartell beteiligten Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, teilte die Kommission die betreffenden Unternehmen nach ihrer relativen Bedeutung auf dem relevanten Markt in vier Gruppen ein. Als Grundlage für den Vergleich der relativen Bedeutung eines Unternehmens auf dem relevanten Markt hielt die Kommission die Berücksichtigung des 1996 auf dem relevanten Markt erzielten Umsatzes für geeignet (Begründungserwägungen 429 bis 432 der Entscheidung).

74 Folglich wurden die Klägerin und AGA Gas, die als die zwei weitaus größten Akteure auf dem relevanten Markt angesehen wurden, der ersten Gruppe zugeteilt. Air Products und Air Liquide wurden als Unternehmen mittlerer Größe auf diesem Markt der zweiten Gruppe zugeteilt. Die auf dem relevanten Markt als "wesentlich kleiner" eingestuften Messer und BOC wurden in die dritte Gruppe eingeordnet. Westfalen, die auf dem relevanten Markt nur über einen äußerst geringen Marktanteil verfügt, wurde zur vierten Gruppe gezählt (Begründungserwägung 431 der Entscheidung).

75 Aufgrund dieser Überlegungen legte die Kommission für die Klägerin und AGA Gas den gleichen Ausgangsbetrag fest, nämlich 10 Mio. Euro, während sie für Air Products und Air Liquide 2,6 Mio. Euro, für Messer und BOC 1,2 Mio. Euro und für Westfalen 0,45 Mio. Euro als Ausgangsbetrag festlegte.

76 Hinsichtlich des Kriteriums der Dauer stufte die Kommission die Zuwiderhandlung für jedes Unternehmen als von mittlerer Dauer (ein bis vier Jahre) ein, wobei sie zugrunde legte, dass die Klägerin, AGA Gas, Air Products, Air Liquide und Messer von September 1993 bis Dezember 1997 gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen hatten, BOC von Juni 1994 bis Dezember 1995 und Westfalen von Oktober 1994 bis Dezember 1995. Folglich wurde der Ausgangsbetrag für die Klägerin und AGA Gas für jedes Jahr um 10 %, also um 40 % erhöht (Begründungserwägungen 433 und 434 der Entscheidung).

77 Der Grundbetrag der Geldbuße, der nach Maßgabe der Schwere und der Dauer des Verstoßes zu ermitteln ist, wurde daher für die Klägerin und für AGA Gas auf 14 Mio. Euro, für Air Products und Air Liquide auf 3,64 Mio. Euro, für Messer auf 1,68 Mio. Euro, für BOC auf 1,38 Mio. Euro und für Westfalen auf 0,51 Mio. Euro festgesetzt. Die Kommission berücksichtigte keine erschwerenden Umstände zu Lasten oder mildernden Umstände zugunsten der an dem Kartell beteiligten Unternehmen, ausgenommen BOC und Westfalen, denen in Anbetracht ihrer ausschließlich passiven Rolle bei der Zuwiderhandlung eine Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße in Höhe von 15 % gewährt wurde (Begründungserwägungen 438 bis 448 der Entscheidung).

78 Obwohl die Klägerin und AGA Gas in dieser Phase der Berechnung der Geldbußen auf exakt gleichem Fuß standen, wurde gegen die Klägerin schließlich unstreitig eine Geldbuße von 12,6 Mio. Euro festgesetzt, d. h. ein Betrag, der tatsächlich dreimal so hoch ist wie die der AGA AB auferlegte Geldbuße von 4,15 Mio. Euro und der beinahe 50 % des Gesamtbetrags der festgesetzten Geldbußen ausmacht.

79 Nach der Entscheidung hat die in der vorstehenden Randnummer genannte unterschiedliche Höhe der festgesetzten Geldbußen zwei Ursachen, nämlich dass in Anwendung der Obergrenze von 10 % zugunsten von AGA Gas der Grundbetrag der Geldbuße von 14 auf 5,54 Mio. Euro herabgesetzt wurde und dass AGA Gas dann gemäß der Mitteilung über die Zusammenarbeit eine Herabsetzung der Geldbuße um 25 % gewährt wurde, während der Klägerin nur eine Herabsetzung um 10 % gewährt wurde (Begründungserwägungen 450 und 454 bis 459 der Entscheidung).

- Zur Unverhältnismäßigkeit der festgesetzten Geldbuße

80 Die Klägerin weist darauf hin, dass der Endbetrag der ihr auferlegten Geldbuße dreimal so hoch sei wie die gegen die AGA AB festgesetzte Geldbuße und nahezu 50 % des Gesamtbetrags der von der Kommission in der Entscheidung verhängten Geldbußen ausmache; dies stehe in keinerlei Verhältnis zu ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung oder zu ihrem Marktanteil, der im fraglichen Zeitraum höchstens ein Drittel des Marktes betragen habe.

81 Diese Rüge zeigt einen Widerspruch in den Schriftsätzen der Klägerin auf. Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift klar angegeben, dass sie sich nicht gegen die einzelnen Schritte, mit denen die Kommission in den Begründungserwägungen 412 bis 448 der Entscheidung die Höhe der Geldbußen berechne, gegen die Überlegungen zur Schwere der Zuwiderhandlung, zu deren Dauer und zur Beteiligung der einzelnen Unternehmen wende (siehe oben, Randnr. 22).

82 Der Endbetrag der Geldbuße ist jedoch lediglich das Ergebnis einer Reihe von zahlenmäßigen Bewertungen, die die Kommission entsprechend den Leitlinien, auf die oben verwiesen wurde, und gegebenenfalls der Mitteilung über die Zusammenarbeit vornimmt.

83 Überdies wird, was den ersten beanstandeten Parameter betreffend die individuelle Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung angeht, die Behauptung, dass der Endbetrag der der Klägerin auferlegten Geldbuße in keinem Verhältnis zum Gesamtbetrag der verhängten Geldbußen stehe, durch nichts gestützt.

84 Zum zweiten beanstandeten Parameter betreffend die Berücksichtigung der Bedeutung des Unternehmens auf dem betroffenen Markt ist zunächst daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Ermittlung der Höhe der Geldbußen anhand von Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung nicht verpflichtet ist, für den Fall, dass gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen Geldbußen festgesetzt werden, dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz oder ihren relevanten Umsatz zum Ausdruck kommen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 312).

85 Sodann ist festzustellen, dass der Endbetrag der Geldbuße nicht von vornherein ein geeigneter Faktor ist, um zu bestimmen, ob eine Geldbuße im Hinblick auf die Bedeutung der am Kartell Beteiligten etwa unverhältnismäßig ist. Für die Festlegung dieses Endbetrags sind nämlich verschiedene, mit dem individuellen Verhalten des fraglichen Unternehmens zusammenhängende Umstände und nicht sein Marktanteil oder sein Umsatz maßgeblich, etwa die Dauer der Zuwiderhandlung, das Vorliegen von erschwerenden oder mildernden Umständen und der Umfang der Zusammenarbeit des Unternehmens.

86 Dagegen stellt im vorliegenden Fall der Ausgangsbetrag der Geldbuße einen maßgeblichen Faktor dar, um eine etwaige Unverhältnismäßigkeit der Geldbuße im Hinblick auf die Bedeutung der an dem Kartell Beteiligten zu beurteilen.

87 Die Kommission hat nämlich, wie bereits dargelegt, in der Entscheidung, um die spezifische Bedeutung und damit die tatsächliche Wirkung des Fehlverhaltens eines jeden an dem Kartell beteiligten Unternehmens auf den Wettbewerb zu berücksichtigen, die betreffenden Unternehmen eben nach ihrer relativen Bedeutung auf dem relevanten Markt in vier Gruppen eingeteilt. Die Klägerin und AGA Gas, die als die zwei weitaus größten Akteure auf dem relevanten Markt angesehen wurden, wurden der ersten Gruppe zugeteilt.

88 Die Kommission hat sich hierbei auf die Zahlenangaben der Tabelle I, dritte Spalte, in der Begründungserwägung 75 der Entscheidung gestützt:

Unternehmen

Gesamtumsatz für das Jahr 2001 der durch die Entscheidung Betroffenen (in EUR)

In den Niederlanden erwirtschafteter Umsatz aus Flaschengasen und Flüssiggasen (in EUR) sowie geschätzte Marktanteile für 1996

Hoek Loos [NV]

470 648 000

71 400 000 (39,7 %)

AGA Gas BV1

55 479 0002

49 200 000 (27,4 %)

[Air Products]

110 044 000

18 600 000 (10,4 %)

Air Liquide BV

60 720 000

12 900 000 (7,2 %)

[Messer]

11 275 000

8 200 000 (4,4 %)

[BOC]

6 690 905 000

6 800 000 (3,8 %)

[Westfalen]

5 455 000

2 600 000 (1,5 %)

1 Nach der Liquidation von AGA Gas BV 2000-2001 hat AGA AB die Haftung für die Handlungen seiner Tochtergesellschaft übernommen und ist Adressat der Entscheidung.

2 2000 ist das letzte vollständige Geschäftsjahr, für das Umsatzzahlen von AGA Gas BV vorliegen.

89 AGA Gas lag auf dem relevanten Markt gemessen am Umsatz und am Marktanteil erheblich hinter der Klägerin zurück. Obwohl der Umsatz der Klägerin den von AGA Gas um 40 % überstieg, wurden beide Unternehmen in die gleiche Gruppe eingestuft und erhielten denselben Ausgangsbetrag von 10 Mio. Euro, was für die Klägerin objektiv als vorteilhaft betrachtet werden kann. Zudem gibt sie, obwohl sie sich fragt, auf welche Art und Weise der Umsatz von AGA Gas ermittelt wurde, keinerlei konkreten Anhaltspunkt, der es gestatten würde, die zahlenmäßige Auswertung in der oben wiedergegebenen Tabelle in Zweifel zu ziehen.

90 Die Klägerin versucht, ihre Bedeutung zu mindern, indem sie ihre Marktanteile mit den größeren Marktanteilen von AGA Gas auf bestimmten Untersegmenten des relevanten Marktes, d. h. für bestimmte Arten von Gas, vergleicht, und sie verweist zu diesem Zweck auf die Zahlenangaben in den Tabellen 3 (Flaschengas) und 4 (Flüssiggas) der Entscheidung (Begründungserwägungen 77 und 78). Dieser Vergleich ist jedoch, wie die Kommission zu Recht ausführt, für die Beurteilung der Bedeutung der beiden Unternehmen irrelevant, da die in der Tabelle 1 der Entscheidung angegebenen Marktanteile dem gewogenen Durchschnitt der verschiedenen Untersegmente entsprechen und damit eine angemessene Bewertung der relativen Bedeutung der Unternehmen ermöglichen.

91 Tatsächlich ist aufschlussreich, dass die Klägerin in ihren Schriftsätzen die Ähnlichkeit ihrer Situation mit der von AGA Gas betont und hierzu geltend macht, aus der Tabelle 1 der Entscheidung gehe hervor, dass ihr Umsatz mit Flaschengas und Flüssiggas mit dem von AGA Gas vergleichbar sei; die Kommission habe daher diese beiden Unternehmen zu Recht in dieselbe Gruppe eingestuft.

92 Die Höhe des Umsatzes der Klägerin und ihres Marktanteils erklärt und rechtfertigt einen Ausgangsbetrag, der viermal so hoch ist wie der der Unternehmen der zweiten Gruppe und mehr als achtmal so hoch wie der der Unternehmen der dritten Gruppe. Im Übrigen lässt das Verhältnis der Umsätze, die die in der Tabelle 1 der Entscheidung genannten Unternehmen auf dem relevanten Markt erzielen, zu den Ausgangsbeträgen, die die Kommission für die einzelnen Unternehmen festgelegt hat, keine unverhältnismäßige Behandlung der Klägerin erkennen; bei der Klägerin machen die Ausgangsbeträge der Geldbußen 14 % des Umsatzes auf dem relevanten Markt aus, bei AGA Gas 20,3 %, bei Air Products 13,98 %, bei Air Liquide 20,2 %, bei Messer 14,6 %, bei BOC 17,6 % und bei Westfalen 17,3 % dieses Umsatzes.

93 Folglich führt der Umstand, dass der Endbetrag der der Klägerin auferlegten Geldbuße beinahe 50 % des Gesamtbetrags der von der Kommission verhängten Geldbuße darstellt, nicht dazu, dass dieser Betrag unverhältnismäßig wäre, da der Ausgangsbetrag ihrer Geldbuße nach dem von der Kommission bei der Beurteilung der Bedeutung jedes Unternehmens auf dem relevanten Markt herangezogenen Kriterium gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 304).

94 Diese letztgenannte Würdigung trägt auch die Zurückweisung des Vorbringens der Klägerin zum Vergleich mit AGA Gas, was das Verhältnis zwischen dem auf dem relevanten Markt erzielten Umsatz und der Höhe der Geldbuße von Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit betrifft.

95 Zudem ist festzustellen, dass die vor Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit erfolgte Herabsetzung der Geldbuße von AGA Gas von 14 auf 5,54 Mio. Euro auf der Anwendung der Obergrenze von 10 % beruht. Obwohl die Geldbuße der Klägerin unverändert bei 14 Mio. Euro blieb, ist in dieser Herabsetzung, wie nachstehend ausgeführt, keine diskriminierende Behandlung zu Lasten der Klägerin zu sehen.

- Zum diskriminierenden Charakter der festgesetzten Geldbuße

96 Nach ständiger Rechtsprechung liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nur dann vor, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich oder unterschiedliche Sachverhalte gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteile des Gerichtshofes vom 13. Dezember 1984 in der Rechtssache 106/83, Sermide, Slg.1984, 4209, Randnr. 28, und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-174/89, Hoche, Slg. 1990, I-2681, Randnr. 25; Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-311/94, BPB de Eendracht/Kommission, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 309).

97 Die Klägerin beanstandet zwar allgemein den betragsmäßigen Unterschied zwischen der gegen sie festgesetzten Geldbuße und den den anderen am Kartell beteiligten Unternehmen auferlegten Geldbußen, stellt jedoch als Grundlage für ihre Rüge, dass ihre Geldbuße diskriminierend sei, und um diese Rüge herauszuarbeiten, auf die Behandlung insbesondere von AGA Gas ab. So bezieht sie ihre Behauptung, hinsichtlich der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung in derselben Lage gewesen zu sein, nur auf AGA Gas.

98 Aus der Entscheidung geht hervor, dass die Kommission tatsächlich nach Maßgabe der Schwere und der Dauer des Verstoßes für AGA Gas und die Klägerin denselben Grundbetrag der Geldbuße festlegte, dass aber die letztlich gegen die Klägerin festgesetzte Geldbuße dreimal so hoch wie die Geldbuße war, die die Kommission der AGA AB wegen der von ihrer früheren Tochtergesellschaft begangenen Handlungen auferlegte.

99 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe in Ausübung ihres Ermessens bei der Berechnung der Geldbußen, insbesondere im Rahmen der Anwendung der Obergrenze von 10 %, bestimmte Festlegungen getroffen, die zu dem beanstandeten Ergebnis geführt hätten. Sie meint, es gebe keine zwingenden Faktoren, durch die sich der sehr große betragsmäßige Unterschied zwischen der gegen sie festgesetzten Geldbuße und der gegen die AGA AB festgesetzten Geldbuße erklären ließe.

100 Wie bereits dargelegt, erklärt sich der genannte Unterschied daraus, dass die Geldbuße von AGA Gas infolge der Anwendung der Obergrenze von 10 % herabgesetzt wurde und dass AGA Gas gemäß der Mitteilung über die Zusammenarbeit eine Herabsetzung des Betrages der Geldbuße um 25 % gewährt wurde, während der Klägerin nur eine Herabsetzung um 10 % gewährt wurde.

101 Die Klägerin hat sich in ihren Schriftsätzen nicht zu den Voraussetzungen geäußert, unter denen die Kommission die Mitteilung über die Zusammenarbeit auf sie und auf die anderen in Rede stehenden Unternehmen anwandte.

102 Die Kommission kann zwar - unter der Kontrolle des Gerichts - frei entscheiden, ob sie im Einzelfall nach der Mitteilung über die Zusammenarbeit Herabsetzungen von Geldbußen gewährt, ist jedoch zur Einhaltung der Obergrenze von 10 % verpflichtet. Anders als von der Klägerin vorgetragen, verfügt die Kommission bei der Anwendung der Obergrenze von 10 % über kein Ermessen; ihre Anwendung hängt einzig und allein von der Höhe des Umsatzes im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ab. Wie Generalanwalt Tizzano in seinen Schlussanträgen zum Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission (oben in Randnr. 71 angeführt, I-5439, Randnr. 125) ausführt, stellt "ein Plafond per definitionem einen absoluten Grenzwert [dar], der automatisch gilt, sobald eine bestimmte Schwelle erreicht ist, und unabhängig von anderen Bewertungsfaktoren Anwendung findet".

103 Die von der Klägerin behauptete Diskriminierung könnte also nur in der von der Kommission in der Entscheidung zugrunde gelegten Festlegung des Umsatzes liegen.

104 Nach ständiger Rechtsprechung ist unter Umsatz im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens zu verstehen, da nur dieser einen ungefähren Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss des Unternehmens auf den Markt liefern kann (Urteile des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnr. 119, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 181; Urteil des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-43/92, Dunlop Slazenger/Kommission, Slg. 1994, II-441, Randnr. 160).

105 Im vorliegenden Fall hielt es die Kommission aufgrund des in Teil I der Entscheidung geschilderten Sachverhalts für bewiesen, dass die Klägerin direkt an den Absprachen über medizinische Gase und Industriegase in den Niederlanden beteiligt gewesen sei, dass sie folglich die Verantwortung für ihre Verstöße zu tragen habe und die von dieser Entscheidung Betroffene sei (Begründungserwägung 396 der Entscheidung).

106 Weiter geht aus der Entscheidung hervor, dass die Klägerin im Jahr 2001 einen Gesamtumsatz von 470 648 000 Euro erzielt hatte (Tabelle 1 der Entscheidung), während sich der für sie festgelegte Grundbetrag der Geldbuße nach der Berechnung im Einklang mit den Leitlinien auf 14 000 000 Euro belief. Dieser Betrag liegt weit unter der genannten Grenze, die deshalb nicht anzuwenden war.

107 Dagegen war die Kommission für AGA Gas nach der Berechnung im Einklang mit den Leitlinien zu einer Geldbuße von 14 Mio. Euro gelangt, einem Betrag, der offensichtlich über der Grenze von 10 % des Gesamtumsatzes des betreffenden Unternehmens liegt; für das Jahr 2000, das letzte vollständige Geschäftsjahr, für das Umsatzzahlen von AGA Gas BV vorliegen, betrug dieser Umsatz 55 479 000 Euro. Dies erklärt die Herabsetzung der Geldbuße auf den maximal zulässigen Betrag, nämlich 5,54 Mio. Euro. Angesichts eines auf 11,275 Mio. Euro veranschlagten Gesamtumsatzes wurde auch für Messer in Anwendung der Obergrenze von 10 % die Geldbuße auf 1,12 Mio. Euro begrenzt.

108 Abgesehen davon, dass sie den Betrag, den die Kommission für ihren Gesamtumsatz in Ansatz brachte, nicht bestritten hat, hat die Klägerin nicht nachgewiesen und nicht einmal behauptet, dass die ihr von der Kommission vorgeworfenen Wettbewerbsverstöße einem anderen Unternehmen zuzurechnen seien und dass sie die Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG nicht begangen habe. Die Klägerin, Adressatin der Mitteilung der Beschwerdepunkte, besteht vielmehr darauf, dass sie, obwohl 1992 58 % und 1995 65 % ihrer Kapitalanteile Linde gehörten, weitgehend frei gewesen sei, ihre Geschäftspolitik selbst zu bestimmen, und dass kein Konzernverhältnis im Sinne der Rechtsprechung bestanden habe. Hingegen behauptet sie nicht, dass ihre Tochtergesellschaft, Hoek Loos BV, in der ihre niederländischen Tätigkeiten gebündelt sind, die beanstandeten Wettbewerbsverstöße begangen habe und ihr Marktverhalten selbständig bestimmt habe.

109 Die Klägerin beschränkt sich einerseits darauf, zu behaupten, dass die Kommission sie zu Unrecht anders behandelt habe als die anderen Unternehmen, insbesondere AGA Gas, und verlangt andererseits die gleiche, von ihr als günstig angesehene Behandlung, die diesem Unternehmen zuteil wurde.

110 Dieses Vorbringen der Klägerin ist nicht geeignet, die Behauptung zu stützen, dass die Kommission ihr gegenüber hinsichtlich der Obergrenze von 10 % einen Beurteilungsfehler begangen habe, sei es in der Vorfrage der Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung, sei es in der Frage, welcher Umsatz zu berücksichtigen sei.

111 Zum Vorbringen betreffend die Behandlung der anderen Unternehmen und insbesondere von AGA Gas trägt die Klägerin in ihrer Gegenerwiderung vor, sie habe dargetan, dass die mildernden Festlegungen der Kommission betreffend die Adressaten der Entscheidung, den Umsatz für die Anwendung der Obergrenze von 10 % sowie die Reihenfolge, in der diese Obergrenze und die Vorschriften der Mitteilung über die Zusammenarbeit anzuwenden seien, "nicht immer selbstverständlich waren, womit nicht behauptet wird, dass sie unrichtig waren, obwohl insoweit (möglicherweise) Zweifel gestattet sind; auch wird damit nicht zu ihrer Opportunität Stellung genommen". Die Klägerin findet es insbesondere überraschend, dass die Kommission die AGA AB nicht als für die Zuwiderhandlung verantwortlich angesehen und den Gesamtumsatz dieses Unternehmens zugrunde gelegt habe. Dass die Entscheidung gegen die AGA AB als Rechtsnachfolgerin ihrer früheren Tochtergesellschaft AGA Gas gerichtet sei, könne den großen Unterschied zwischen den festgesetzten Geldbußen nicht überzeugend rechtfertigen.

112 Da die Klägerin nur den Vorteil hervorhebt, den die AGA Gas aus der Anwendung der Obergrenze von 10 % zog, ist nur festzustellen, dass dieses Unternehmen und die Klägerin sich nicht in einer vergleichbaren Situation befanden und dass diese objektiv unterschiedliche Situation ihre objektiv unterschiedliche Behandlung erklärt und rechtfertigt. So ist das, was die Klägerin als diskriminierendes Endergebnis der Berechnungen der Kommission beschreibt, in Wirklichkeit nichts weiter als eine unvermeidbare Folge der Anwendung der Obergrenze von 10 %.

113 Soweit die Klägerin geltend macht, die Herabsetzung der Geldbuße von AGA Gas sei rechtswidrig, und sofern unterstellt wird, die Kommission hätte diesem Unternehmen aufgrund einer falschen Anwendung der Obergrenze von 10 % ohne Rechtsgrund eine Herabsetzung gewährt, ist daran zu erinnern, dass die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden muss, das besagt, dass sich niemand darauf berufen kann, Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewendet worden (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 1985 in der Rechtssache 134/84, Williams/Rechnungshof, Slg. 1985, 2225, Randnr. 14; Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998 in der Rechtssache T-327/94, SCA Holding/Kommission, Slg. 1998, II-1373, Randnr. 160, bestätigt im Rechtsmittelverfahren durch Urteil des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-297/98 P, SCA Holding/Kommission, Slg. 2000, I-10101, Randnr. 160, und Urteil LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 40 angeführt, Randnr. 367).

114 Ergänzend ist hervorzuheben, dass die Behauptungen der Klägerin betreffend die Festlegung der Adressaten der Entscheidung, die Anwendung der Obergrenze von 10 % unter Berücksichtigung des Weltumsatzes des Konzerns, zu dem das Unternehmen, das Adressat der Entscheidung ist, gehört, und das Erfordernis, die Mitteilung über die Zusammenarbeit vor der Obergrenze von 10 % anzuwenden, nicht zutreffen.

115 Erstens ist zum einen festzustellen, dass - soweit die Klägerin beanstandet, dass die Kommission, was die Zurechenbarkeit der Wettbewerbsverstöße angeht, ihre Beurteilung von AGA AB geändert habe - die Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht an die AGA AB, sondern allein an AGA Gas gerichtet war, die also das einzige Unternehmen ist, dem die Kommission die Zuwiderhandlung zurechnete, und zum anderen, dass die Kommission in der Entscheidung an dieser Beurteilung festhielt, indem sie AGA Gas als einzige Verantwortliche der in ihr bezeichneten Zuwiderhandlung ansah. Die Klägerin hat nichts vorgetragen, was diese Beurteilung entkräften und als Nachweis dafür dienen könnte, dass die AGA AB von Anfang an allein oder gemeinschaftlich mit AGA Gas als Verantwortliche für deren Handlungen hätte angesehen werden müssen

116 Zweitens hat die Kommission bei der Anwendung der Obergrenze von 10 % den Umsatz des betreffenden Unternehmens zu berücksichtigen, also des Unternehmens, dem die Zuwiderhandlung zugerechnet wurde, das daher für verantwortlich erklärt wurde und dem die Entscheidung, mit der die Geldbuße festgesetzt wird, bekannt gegeben wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005 in den Rechtssachen T-71/03, T-74/03, T-87/03 und T-91/03, Tokai Carbon u. a./Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 390).

117 Die Auffassung der Klägerin, es müsse der Weltumsatz des Konzerns berücksichtigt werden, zu dem die Tochtergesellschaft gehöre, die Adressatin einer Entscheidung sei, mit der wegen der Verletzung von Wettbewerbsvorschriften Geldbußen festgesetzt würden, ist mit der ständigen Rechtsprechung unvereinbar und nimmt ihr jeden Sinn, nach der das wettbewerbswidrige Verhalten eines Unternehmens, das sein Marktverhalten nicht selbständig bestimmt, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zu einem anderen Unternehmen im Wesentlichen dessen Weisungen befolgt hat, dem anderen Unternehmen zugerechnet werden kann (Urteile des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C294/98 P, Metsä-Serla u. a./Kommission, Slg. 2000, I-10065, Randnr. 27, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 71 angeführt, Randnr. 117). Das Verhalten einer Tochtergesellschaft kann der Muttergesellschaft zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft ihr Vorgehen auf dem Markt nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69, ICI/Kommission, Slg. 1972, 619, Randnr. 133).

118 Die Auffassung der Klägerin würde jegliche Untersuchung der Beziehungen innerhalb einer Gruppe von Unternehmen überflüssig machen, mit der festgestellt werden soll, ob diese Gruppe für die Zwecke der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften als ein einziges Unternehmen behandelt werden kann, da die Feststellung der Verantwortlichkeit eines Unternehmens, das Mitglied der Gruppe ist, automatisch die gesamtschuldnerische Haftung der Muttergesellschaft, die, sofern sie denn besteht, die Gruppe repräsentiert, oder die der anderen Unternehmen auslösen würde, die die Gruppe bilden. Diese Auffassung steht daher in völligem Widerspruch zum Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung, wonach gegen ein Unternehmen nur Sanktionen für die Handlungen verhängt werden dürfen, die ihm individuell zur Last gelegt werden. Dieser Grundsatz gilt in allen Verwaltungsverfahren, die aufgrund des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft zu Sanktionen führen können (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001 in den Rechtssachen T-45/98 und T-47/98, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2001, II-3757, Randnr. 63, bestätigt im Rechtsmittelverfahren durch Urteil des Gerichtshofes vom 14. Juli 2005 in den Rechtssachen C-65/02 P und C-73/02 P, Thyssen Krupp Stainless und ThyssenKrupp Acciai speciali Terni/Kommission, Slg. 2005, I-6773, Randnr. 82).

119 In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin zu Unrecht auf das Urteil HFB u. a./Kommission (oben in Randnr. 37 angeführt). Zwar hat das Gericht in diesem Urteil die Obergrenze von 10 % tatsächlich auf der Grundlage der kumulierten Umsätze von drei Unternehmen, die die fragliche Gruppe bildeten, berechnet, doch hat es zugleich die Entscheidung der Kommission bestätigt, jedes dieser Unternehmen gesamtschuldnerisch für die Zuwiderhandlung haftbar zu machen, die in Bezug auf die Gruppe festgestellt worden war, bei der es sich um das Unternehmen handelte, das die Zuwiderhandlung im Sinne von Artikel 81 EG begangen hatte (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 527).

120 Unter diesen Umständen, und weil die AGA AB ursprünglich nicht für die wettbewerbswidrigen Handlungen ihrer Tochtergesellschaft AGA Gas haftbar gemacht worden war, waren nur deren Umsätze für die Anwendung der Obergrenze von 10 % zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, dass die Entscheidung letztlich an die AGA AB als Rechtsnachfolgerin ihrer Tochtergesellschaft gerichtet war, die nach Absendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte aufhörte, rechtlich zu bestehen.

121 Hierzu ist daran zu erinnern, dass grundsätzlich die natürliche oder juristische Person, die das fragliche Unternehmen leitete, als die Zuwiderhandlung begangen wurde, für diese einstehen muss, auch wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergeht, mit der die Zuwiderhandlung festgestellt wird, eine andere Person für den Betrieb des Unternehmens verantwortlich ist (Urteile des Gerichtshofes vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-279/98 P, Cascades/Kommission, Slg. 2000, I-9693, Randnr. 78, und SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 27). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die für den Betrieb des Unternehmens verantwortlichen juristischen Personen nach der Begehung der Zuwiderhandlung rechtlich erloschen sind (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-49/92 P, Kommission/Anic Partecipazioni, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 145, und Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 104), was vorliegend der Fall ist.

122 Nach der Liquidation von AGA Gas übernahm die Muttergesellschaft AGA AB die Haftung für ihre frühere Tochtergesellschaft und damit auch die Sanktion, die AGA Gas auferlegt worden wäre, wenn sie fortbestanden hätte. In einem solchen Fall bleiben für die Höhe der Geldbuße die Teilnahme und die Situation von AGA Gas maßgeblich.

123 Was, drittens, den Umstand angeht, dass die Kommission den Faktor der Zusammenarbeit nach der Anwendung der Obergrenze von 10 % zum Tragen kommen ließ, genügt die Feststellung, dass dieses Verfahren sicherstellt, dass die Mitteilung über die Zusammenarbeit ihre praktische Wirksamkeit in vollem Umfang entfaltet: Würde der Grundbetrag vor Anwendung der Mitteilung über die Zusammenarbeit die Obergrenze von 10 % weit übersteigen, was bei AGA Gas der Fall war, und könnte diese Grenze nicht unmittelbar auf ihn angewandt werden, wäre der Anreiz des betroffenen Unternehmens, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, weit geringer, da der Endbetrag der Geldbuße in jedem Fall, mit oder ohne Zusammenarbeit, auf 10 % herabgesetzt würde (Urteil des Gerichts vom 29. November 2005 in der Rechtssache T-52/02, SNCZ/Kommission, Slg. 2005, II-0000, Randnr. 41).

124 Folglich ist die Rüge der Klägerin, ihre Behandlung sei gegenüber der von AGA Gas und der anderen am Kartell beteiligten Unternehmen, soweit diese Rüge auch deren Behandlung einschließt, diskriminierend gewesen, nicht bewiesen.

- Zum angeblichen Widerspruch zum Abschreckungsziel

125 Nach Auffassung der Klägerin hat die Art und Weise, in der die Kommission die Obergrenze von 10 % in der Entscheidung angewandt habe, zu einem Ergebnis geführt, das hinsichtlich des Endbetrags der Geldbußen dem Abschreckungsziel völlig widerspreche. Als relativ kleines Unternehmen, das hauptsächlich im Inland tätig sei, sei gegen sie eine wesentlich höhere Geldbuße festgesetzt worden als gegen die niederländischen Tochtergesellschaften weltweit tätiger Konzerne, deren Umsätze viel höher seien als der ihre. Sie nennt hierfür die Weltumsätze der Muttergesellschaften von Air Products (5 717 Mio. Dollar) und Air Liquide (8 328 Mio. Euro).

126 Der Umstand, dass die Obergrenze von 10 % nicht auf den Gesamtumsatz des Konzerns angewandt werde, dessen Tochtergesellschaft einziger Adressat einer Entscheidung sei, mit der eine Geldbuße festgesetzt werde, führe dazu, dass die Höhe der Geldbuße davon abhänge, wie ein Unternehmen seine Tätigkeiten auf verschiedene Gesellschaften aufgeteilt habe; dabei sei bemerkenswert, dass viele internationale Unternehmen, z. B. die Muttergesellschaften von Air Products und Air Liquide, ihre Tätigkeiten mittels gesonderter nationaler Gesellschaften ausübten. Dies bedeute einen Bruch mit der objektiven Anwendung von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, und der Abschreckungsfaktor werde willkürlich.

127 Dazu ist sogleich zu bemerken, dass die Klägerin einen völlig irrelevanten Vergleich anstellt, da sie ihren Weltumsatz (470 648 000 Euro im Jahr 2001) mit den - tatsächlich höheren - Weltumsätzen von Unternehmen ins Verhältnis setzt, denen die Kommission keine Zuwiderhandlung vorgeworfen hat und die demgemäß nicht unter die Adressaten der Entscheidung aufgenommen wurden.

128 In Wirklichkeit scheint die Argumentation der Klägerin auf der, wie oben in den Randnummern 116 bis 118 dargelegt, irrigen Prämisse zu beruhen, dass für die Anwendung der Obergrenze von 10 % der Gesamtumsatz des Konzerns, zu dem die Tochtergesellschaft gehört, die für die Zuwiderhandlung allein verantwortlich und Adressat einer Entscheidung ist, mit der Geldbußen festgesetzt werden, berücksichtigt werden müsse.

129 Entgegen den Behauptungen der Klägerin hängt bei einer mit der Rechtsprechung konformen Anwendung der Obergrenze von 10 % die Höhe der Geldbuße nicht davon ab, wie der Wirtschaftsteilnehmer seine Tätigkeiten organisiert. Die Festsetzung der Höhe der Geldbuße beruht auf einer rechtlichen Würdigung der Kommission, die der Kontrolle des Gerichts unterliegt, nämlich der Feststellung, welchem oder welchen Unternehmen die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist; das allein entspricht dem Grundsatz der persönlichen Haftung. Die Frage der Zurechenbarkeit wird je nach den Umständen des Einzelfalls unterschiedlich beantwortet; mögliche Antworten sind die Alleinhaftung der Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft oder die gesamtschuldnerische Haftung beider Gesellschaften.

130 Zur Behauptung der Klägerin, der Endbetrag ihrer Geldbuße widerspreche der angestrebten Abschreckungswirkung, da er viel höher sei als die Geldbußen, die den niederländischen Tochtergesellschaften (der großen multinationalen Gaslieferanten), die Adressaten der Entscheidung sind, auferlegt wurden, ist an die ständige Rechtsprechung zu erinnern, dass die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbußen der Tatsache Rechnung tragen darf, dass offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismäßig häufig sind, und dass es ihr daher freisteht, das Niveau der Geldbußen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken (Urteil vom 14. Mai 1998, SCA Holding/Kommission, oben in Randnr. 113 angeführt, Randnr. 179).

131 Hierzu sieht Nummer 1 A Absatz 4 der Leitlinien u. a. vor, dass es erforderlich ist, im Rahmen der Bewertung der Schwere einer Zuwiderhandlung und des Ausgangsbetrags der Geldbuße "die Geldbuße auf einen Betrag festzusetzen, der eine hinreichend abschreckende Wirkung entfaltet".

132 Im vorliegenden Fall, der eine im Wettbewerbsrecht typische Zuwiderhandlung und ein Verhalten zum Gegenstand hat, dessen Rechtswidrigkeit die Kommission, seit sie auf diesem Gebiet tätig ist, häufig bestätigt hat, durfte diese es als erforderlich ansehen, die Höhe der Geldbuße auf einem Niveau festzusetzen, das innerhalb der durch die Verordnung Nr. 17 gesteckten Grenzen ausreichend abschreckend ist.

133 Wie oben (Randnr. 110) ausgeführt, hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission ihr gegenüber in Bezug auf die Obergrenze von 10 % einen Beurteilungsfehler begangen hat, wobei außerdem darauf hinzuweisen ist, dass die Kommission nach der Verordnung Nr. 17 zur Anwendung dieser Grenze verpflichtet ist.

134 Nach alledem sind die von der Klägerin erhobenen Rügen eines Verstoßes gegen Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17, einer Unverhältnismäßigkeit, eines diskriminierenden Charakters und eines Widerspruchs zum Abschreckungsziel der festgesetzten Geldbuße als unbegründet zurückzuweisen und erscheint der Endbetrag der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbuße völlig angemessen, da keiner der von ihr angeführten Umstände eine Herabsetzung dieses Betrages rechtfertigt.

135 Was schließlich den angeblichen Verstoß gegen das "Willkürverbot" angeht, so ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerin zu dieser Rüge es nicht ermöglicht, sie inhaltlich von den in der vorstehenden Randnummer genannten Rügen zu unterscheiden, so dass sie ebenfalls zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

136 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Juli 2006.

Ende der Entscheidung

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