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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 10.06.2004
Aktenzeichen: T-307/01
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 86/610 der Kommission vom 11. Dezember 1986 mit Durchführungsbestimmungen zu einigen Vorschriften der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977, EWG/EAGBeamtStat


Vorschriften:

Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 86/610 der Kommission vom 11. Dezember 1986 mit Durchführungsbestimmungen zu einigen Vorschriften der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 Art. 68
EWG/EAGBeamtStat Art. 21
EWG/EAGBeamtStat Art. 88 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 10. Juni 2004. - Jean-Paul François gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Beamte - Disziplinarordnung - Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe - Vertrag über die Bewachung der Gebäude der Kommission - Angemessene Frist - Strafverfahren - Schadensersatzklage. - Rechtssache T-307/01.

Parteien:

In der Rechtssache T-307/01

Jean-Paul François, Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wohnhaft in Wavre (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin A. Colson, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 5. April 2001, mit der gegen den Kläger die Disziplinarstrafe der Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe verhängt wurde, und wegen Ersatzes des dem Kläger entstandenen materiellen und immateriellen Schadens,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin P. Lindh sowie der Richter R. García-Valdecasas und J. D. Cooke,

Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die Sitzung vom

2. Dezember 2003,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1. Die zur maßgeblichen Zeit geltende Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 86/610 der Kommission vom 11. Dezember 1986 mit Durchführungsbestimmungen zu einigen Vorschriften der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 (ABl. L 360, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung zur Haushaltsordnung) (die Verordnung Nr. 86/610 wurde durch die Verordnung [Euratom, EGKS, EG] Nr. 3418/93 der Kommission vom 9. Dezember 1993 [ABl. L 315, S. 1] aufgehoben und ersetzt) bestimmte in Artikel 68:

Nach Maßgabe der Artikel 54, 55 und 94 der Haushaltsordnung wird der Vergabebeirat in folgenden Fällen gutachtlich gehört:

a) zu allen Entwürfen von Aufträgen über Bauleistungen, Lieferungen oder sonstige Leistungen, deren Summe die in den Artikeln 54 und 94 der Haushaltsordnung genannten Summen übersteigt, sowie, unabhängig von ihrem Betrag, zu allen Entwürfen von Kaufverträgen über Grundstücke und Gebäude;

b) zu den Entwürfen von Zusatzaufträgen zu den in Buchstabe a genannten Aufträgen in allen den Fällen, in denen sich der Betrag des ursprünglichen Auftrags durch diese Zusatzaufträge ändern würde;

...

f) zu den bei der Vergabe oder Ausführung der Aufträge auftretenden Fragen (Annullierung von Bestellungen, Ersuchen um Erlass von Verzugsstrafen, Abweichungen von den Vorschriften der Lastenhefte und von den Allgemeinen Bestimmungen usw.), wenn die betreffende Frage so schwerwiegend ist, dass sie die Einholung einer Stellungnahme rechtfertigt;

...

2. Nach Artikel 11 Absatz 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) hat sich der Beamte bei der Ausübung seines Amtes und in seinem Verhalten ausschließlich von den Interessen der Gemeinschaften leiten zu lassen.

3. Artikel 21 des Status bestimmt:

Der Beamte hat ungeachtet seines dienstlichen Ranges seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen; er ist für die Durchführung der ihm übertragenen Aufgaben verantwortlich.

Der mit der Leitung eines Dienstbereichs beauftragte Beamte ist seinen Vorgesetzten für die Ausübung der ihm übertragenen Befugnisse und für die Ausführung seiner Anordnungen verantwortlich. Die Verantwortung seiner Untergebenen befreit ihn nicht von seiner eigenen Verantwortung.

Hält ein Beamter eine ihm erteilte Anordnung für fehlerhaft oder ist er der Meinung, dass ihre Ausführung schwerwiegende Nachteile zur Folge haben kann, so hat er seinem Vorgesetzten seine Auffassung, erforderlichenfalls schriftlich, mitzuteilen. Bestätigt dieser die Anordnung schriftlich, so muss der Beamte sie ausführen, sofern sie nicht gegen die Strafvorschriften oder die Sicherheitsvorschriften verstößt.

4. Nach Artikel 86 des Statuts kann gegen Beamte oder ehemalige Beamte, die vorsätzlich oder fahrlässig die ihnen durch das Statut auferlegten Pflichten verletzen, eine Disziplinarstrafe verhängt werden. Die in Absatz 2 dieser Bestimmung vorgesehenen Disziplinarstrafen umfassen auch die Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe.

5. Artikel 88 Absatz 5 des Statuts sieht vor:

Ist... gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet worden, so wird seine Rechtsstellung erst dann endgültig geregelt, wenn das Urteil des Gerichtes rechtskräftig geworden ist.

Sachverhalt

6. Der Kläger ist Beamter der Kommission der Besoldungsgruppe B 3. Zur für das Disziplinarverfahren maßgeblichen Zeit war er dem Sicherheitsbüro der Generaldirektion Personal und Verwaltung der Kommission zugewiesen und leitete dessen Verwaltungseinheit Finanzen. Die damaligen Vorgesetzten des Klägers waren der Direktor des Sicherheitsbüros De Haan und dessen Assistent Eveillard, Leiter des Bereichs Schutz Brüssel.

7. 1991 schrieb die Kommission einen Auftrag zur Bewachung ihrer Gebäude in Brüssel aus. Der Bewachungsauftrag mit einem Auftragswert von 75 000 000 ECU wurde an die Gesellschaft IMS/Group 4 vergeben; Beginn des auf fünf Jahre geschlossenen Vertrages war der 1. November 1992. Im Rahmen der Aufgaben, mit denen er damals betraut war, war der Kläger an der Ausarbeitung und der Durchführung dieses Vertrages beteiligt.

8. Vor Unterzeichnung des Bewachungsvertrags verlangte das Unternehmen, das den Zuschlag erhalten hatte, eine Garantie zur Deckung des Risikos von Wechselkursschwankungen zwischen dem belgischen Franken und der ECU, die Vertragswährung war. Daraufhin einigte man sich auf einen Vertragszusatz (Anhang 1), mit dem der dem Vergabebeirat bereits zugeleitete Vertragsentwurf geändert wurde, ohne diesen jedoch erneut anzurufen. Dieser Anhang 1 enthielt eine Bestimmung, nach der die im Vertrag ausgewiesenen Preise den Kursschwankungen der ECU gegenüber dem belgischen Franken angepasst werden konnten, und führte weitere Änderungen des Bewachungsvertrags ein.

9. Im November 1992 wurde ein Konsultationsvermerk über den fraglichen Vertragszusatz für den Vergabebeirat verfasst. Dieses Schreiben wurde jedoch im Archiv des Sicherheitsbüros verlegt. Als es im Januar 1993 wieder aufgefunden wurde, wurde es dem Vergabebeirat nicht übermittelt.

10. Im Januar 1993 verweigerte die Finanzkontrolle ihren Sichtvermerk für eine Auszahlungsanordnung betreffend die Durchführung des Bewachungsvertrags mit der Begründung, dass Zahlungen in belgischen Franken und nicht in ECU vorgesehen gewesen seien, wie sich aus dem vom damaligen Leiter der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission Reichenbach auf Ersuchen des Generalsekretärs der Kommission Trojan erstellten Untersuchungsbericht der Verwaltung vom 14. Juli 1998 (S. 13), dem Bericht der Generaldirektorin des Übersetzungsdienstes der Kommission Flesch an die Anstellungsbehörde vom 6. Januar 1999 (S. 12) sowie aus dem Bericht der Anstellungsbehörde an den Disziplinarrat vom 24. Februar 1999 (Nr. 31) ergibt.

11. Nach dieser Weigerung der Finanzkontrolle wurde am 27. Januar 1993 vom Direktor des Sicherheitsbüros De Haan und vom Vorstand des Unternehmens, das den Zuschlag erhalten hatte, Herrn Alexandre, ein Anhang 3 zum Vertrag unterzeichnet. Dieser Anhang 3 hob die Bestimmungen des Anhangs 1 über die Überprüfung bezüglich der Wechselkursschwankungen zwischen dem belgischen Franken und dem ECU mit Wirkung vom 1. Februar 1993 auf.

12. Am 17. Februar 1993 leitete die Generaldirektion Finanzkontrolle der Kommission ein Audit hinsichtlich der Tätigkeiten des Sicherheitsbüros, insbesondere der Vergabe des Bewachungsauftrags, ein. Ihren Abschlussbericht legte sie am 7. Juli 1993 vor. Dieser Bericht (S. 10, 11 und 12) nimmt u. a. auf die Änderungen, die nach der Befassung des Vergabebeirats mit Anhang 1 in den Bewachungsvertrag eingeführt worden waren, und auf die nachteiligen finanziellen Folgen dieses Anhangs Bezug.

13. Nachdem am 18. August 1997 ein Artikel in der Zeitung De Morgen erschienen war, der die persönliche Haftung wegen des Abschlusses des Bewachungsvertrags sowie die allgemeine Verantwortung der Kommission für die Kontrolle der Verwaltung dieses Vertrages ansprach, führte die Einheit für die Koordinierung der Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung (UCLAF) eine Untersuchung hinsichtlich dieses Vertrages durch. Die UCLAF legte ihren Untersuchungsbericht am 12. März 1998 vor. Sie rügte darin schwerwiegende Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe des Auftrags und der Durchführung des fraglichen Bewachungsvertrags. Am 21. April 1998 ersuchte Trojan Reichenbach um eine Untersuchung hinsichtlich des an die IMS/Group 4 vergebenen Bewachungsauftrags. Der Bericht über diese verwaltungsinterne Untersuchung wurde am 14. Juli 1998 vorgelegt.

Disziplinarverfahren

14. Am 29. Juli 1998 beschloss die Anstellungsbehörde die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen den Kläger. Sie leitete zugleich Disziplinarverfahren gegen die Vorgesetzten des Klägers De Haan und Eveillard ein.

15. Mit Schreiben vom 29. Juli 1998 erteilte die Anstellungsbehörde dem Kläger schriftlich Rügen, die sich auf dessen fehlerhaftes berufliches Verhalten und grobe Fahrlässigkeit bei der Haushaltsführung, insbesondere bei der Ausarbeitung [des mit der Firma IMS/Group 4 geschlossenen Bewachungsvertrags], bezogen (im Folgenden: Rüge 1). Mit Vermerk vom 23. September 1998 teilte die Anstellungsbehörde dem Kläger folgende sechs weitere Rügen mit:

Rüge 2:

Zulassung von oder Teilnahme an einer Manipulation der im Rahmen der Vergabe des Auftrags über die Bewachung der Gebäude der Kommission für das Jahr 1992 (Fünfjahresvertrag mit einem Auftragswert von etwa 75 000 000 ECU) eingegangenen Angebote nach dem für diesen Eingang vorgesehenen Zeitpunkt; diese Manipulation bestand in der Übermittlung von Angaben über eines oder mehrere Angebote an einen der Bieter (IMS/Group 4), der Entgegennahme eines neuen Angebots dieses Unternehmens und der Ersetzung seines ursprünglichen Angebots in der Absicht, den Auftrag an dieses Unternehmen zu vergeben, was ein unredliches, betrügerisches Verhalten darstellt, das gegen die einschlägigen Bestimmungen, u. a. gegen Artikel 17 Absatz 1 des Statuts, verstößt.

Rüge 3:

Beteiligung an der Erarbeitung eines Anhangs zum (Entwurf eines) Bewachungsvertrag(s) von 1992 im Anschluss an die vom Vergabebeirat erteilte Genehmigung des Vorschlags, der IMS/Group 4 den Zuschlag zu erteilen, und der Bedingungen des Vertragsentwurfs, sei es durch bewusstes und damit betrügerisches Hinwirken darauf, dass das Unternehmen den aufgrund des neuen Angebots erlittenen Verlust ausgleicht, sei es durch grobe Fahrlässigkeit, da die Bestimmungen des Anhangs teilweise gegen die Bedingungen der Ausschreibung und das Lastenheft, wie sie vom Vergabebeirat genehmigt wurden, verstoßen, was die finanziellen Interessen der Kommission verletzt.

Rüge 4:

Nach der Erarbeitung des genannten Anhangs: vorsätzlich oder grob fahrlässig unterbliebene Unterrichtung und Anhörung des Vergabebeirats und/oder der Finanzkontrolle vor oder nach Abschluss des Vertrages, zu dem der Anhang gehört, über den Letzteren und die sich daraus für den vom Vergabebeirat genehmigten Vertragsentwurf ergebende Änderung des Vertrages.

Rüge 5:

Zulassung der oder Beteiligung an der missbräuchlichen Verwendung des erarbeiteten Bewachungsvertrags, mit der umfassend vorgeschlagen wurde, zahlreiche Personen für die Wahrnehmung administrativer oder sonstiger Aufgaben vom Sicherheitsbüro und von anderen Dienststellen aufgrund von Beschäftigungsverträgen des Unternehmens einstellen zu lassen, womit gegen die Bestimmungen des von der Kommission geschlossenen Vertrages, die für die Personaleinstellung vorgesehenen Verfahren und die Bestimmungen der entsprechenden Haushaltslinie verstoßen wurde, ohne dass eine gültige Genehmigung der zuständigen Dienststellen vorgelegen hätte oder diese informiert worden wären, und womit die vertraglichen Bestimmungen über die Zahlung von Überstunden im Rahmen der Bewachungsaufgaben umgangen wurden.

Rüge 6:

[Der Kläger] hat sich allgemein bei der Ausübung seines Amtes als Leiter der Verwaltungseinheit Finanzen des Sicherungsbüros nicht ausschließlich von den Interessen der Gemeinschaft leiten lassen und damit gegen Artikel 11 Absatz 1 des Statuts verstoßen.

Rüge 7:

Heranziehung zum vollen oder teilweisen Ersatz des Schadens, der den Gemeinschaften durch sein schweres Verschulden entstanden ist (Artikel 22 des Statuts).

16. Am 6. Oktober 1998 wurde der Kläger gemäß Artikel 87 des Statuts von der Generaldirektorin des Übersetzungsdienstes der Kommission Flesch, die von der Anstellungsbehörde hierzu beauftragt worden war, angehört.

17. In ihrem der Anstellungsbehörde überreichten Bericht vom 6. Januar 1999 stellte Flesch beim Kläger berufliche Mängel, fahrlässiges Verhalten hinsichtlich der Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge, der Bestimmungen über die Haushaltsordnung und der Verwaltungs- und Haushaltsverfahren sowie Verstöße gegen das Statut fest. Daraufhin wandte sich die Anstellungsbehörde mit einem Bericht vom 24. Februar 1999, in dem sie die gegen den Kläger vorgebrachten sieben Rügen anführte, an den Disziplinarrat.

18. In seiner mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 9. März 2000 sah der Disziplinarrat die Rügen 1, 3, 4, 5 und 6 als begründet an und verwarf die Rügen 2 und 7. Er empfahl darin, gegen den Kläger die Disziplinarstrafe des Artikels 86 Absatz 2 Buchstabe d des Statuts - Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe - zu verhängen, und schlug konkret eine Rückstufung um zwei Dienstaltersstufen vor.

19. Am 25. Mai 2000 wurde der Kläger von der Anstellungsbehörde angehört und überreichte eine Stellungnahme.

20. Mit Entscheidung vom 5. April 2001 sprach die Anstellungsbehörde die Disziplinarstrafe der Einstufung in eine um eine Stufe niedrigere Dienstaltersstufe mit Wirkung vom 1. Mai 2001 aus. Sie bezog sich darin auf die Stellungnahme des Disziplinarrats, der die Rügen 1, 3, 4, 5 und 6 als begründet angesehen hatte, und bestätigte dessen Auffassung. Nach dieser Disziplinarentscheidung lassen sich die gegen den Kläger erhobenen Rügen wie folgt zusammenfassen:

- fehlerhaftes berufliches Verhalten und grobe Fahrlässigkeit bei der Haushaltsführung, namentlich bei der Erarbeitung und der Durchführung des im Oktober 1992 zwischen der Kommission und der Firma IMS/Group 4 geschlossenen Bewachungsvertrags, insbesondere wegen der Beteiligung des Klägers an der Erarbeitung eines Anhangs zu diesem Vertrag, dessen Bestimmungen sich als gegen die Bedingungen der Ausschreibung und des Lastenhefts, wie sie vom Vergabebeirat genehmigt worden seien, verstoßend und die finanziellen Interessen der Kommission verletzend erwiesen hätten (Rügen 1 und 3);

- grob fahrlässiges Unterlassen der zwingend vorgeschriebenen Anhörung des Vergabebeirats zum fraglichen Anhang unter Verstoß gegen Artikel 111 der Allgemeinen Bestimmungen zur Durchführung der Haushaltsordnung (Rüge 4);

- missbräuchliche Verwendung des Bewachungsvertrags zu dem Zweck, die Einstellung zahlreicher Personen zur Wahrnehmung administrativer oder sonstiger Aufgaben durch das Sicherheitsbüro sowie andere Dienststellen der Kommission und sonstige Stellen aufgrund von Beschäftigungsverträgen der Firma IMS/Group 4 vorzuschlagen, unter Verstoß gegen den Vertrag über die Beschäftigung von Wachpersonal, die für die Personaleinstellung vorgesehenen Verfahren und die Bestimmungen der entsprechenden Haushaltslinie, ohne dass eine Genehmigung der zuständigen Dienststellen vorgelegen hätte oder diese Dienststellen informiert worden wären, als Gegenleistung für die Bezahlung von im Rahmen von Bewachungstätigkeiten vorgesehenen Überstunden, unter Berücksichtigung des mildernden Umstands, dass beim Sicherheitsbüro chronischer Personalmangel geherrscht habe und dass diese Praxis damals nicht üblich gewesen sei (Rüge 5);

- Ausübung seines Amtes unter Verstoß gegen die Maßgabe, sich nur von den Interessen der Gemeinschaft leiten zu lassen, und damit Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Statuts (Rüge 6).

21. Hinsichtlich der Rüge 2 bestimmt die Entscheidung vom 5. April 2001:

Gegebenenfalls hat die Anstellungsbehörde das Disziplinarverfahren nach Artikel 11 des Anhangs IX des Statuts wieder aufzunehmen, insbesondere wenn das laufende gerichtliche Ermittlungsverfahren... ergeben sollte, dass das Gebot der Firma IMS/Group 4 nach dem 28. August 1992 und vor Einreichung der Unterlagen beim Vergabebeirat manipuliert wurde.

22. Auch das gegen Eveillard eingeleitete Disziplinarverfahren führte zur Verhängung einer Disziplinarstrafe. Gegen diese Entscheidung wurde beim Gericht Klage in der Rechtssache T-258/01 (Eveillard/Kommission) erhoben. Hingegen ist es zu einer endgültigen Entscheidung im Fall von De Haan nicht gekommen, der am 30. August 2000 verstarb, kurz nachdem die ihn betreffende Stellungnahme des Disziplinarrats abgegeben worden war.

23. Am 29. Mai 2001 legte der Kläger gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts Beschwerde gegen die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 5. April 2001 ein.

24. Mit Entscheidung vom 10. September 2001 verwarf die Anstellungsbehörde die Beschwerde des Klägers. In ihrer Entscheidung bestätigte sie die Begründetheit der gegen diesen erhobenen Rügen, nahm dabei jedoch in Beantwortung des Vorbringens des Klägers einige Klarstellungen vor. Die Anstellungsbehörde nahm, erstens, hinsichtlich der Rügen 3 und 4, die die Erarbeitung des fraglichen Anhangs und die fehlende Anhörung des Vergabebeirats betreffen, an, die Fehlerhaftigkeit des Verhaltens des Klägers bestehe darin, dass dieser entgegen dem Erfordernis des Artikels 21 des Statuts seine Vorgesetzten nicht über die Verpflichtung zur Anhörung des Vergabebeirats unterrichtet und darauf aufmerksam gemacht habe, dass der fragliche Anhang die finanziellen Interessen der Kommission verletze. Zweitens sei dem Kläger, was die Rüge 5 über die missbräuchliche Verwendung des Bewachungsvertrags angehe, vorzuwerfen, seine Vorgesetzten nicht über die ihm bekannte Unregelmäßigkeit unterrichtet zu haben, dass sein Mitarbeiter Burlet rein administrative Aufgaben wahrgenommen habe, hierfür jedoch vom Unternehmen, das den Zuschlag für den Bewachungsauftrag erhalten habe, entlohnt worden sei. Drittens habe der Kläger, was die Rüge 6 -Ausübung seines Amtes unter Verstoß gegen die Maßgabe, sich nur von den Interessen der Gemeinschaft leiten zu lassen - betreffe, seine Vorgesetzten unter Verstoß gegen Artikel 11 Absatz 1 des Statuts nicht auf die Folgen einer unterbliebenen Anhörung des Vergabebeirats aufmerksam gemacht, obwohl es für den Leiter einer Verwaltungseinheit Finanzen offenkundig gewesen sei, dass der Inhalt des Anhangs zu einer Wettbewerbsverzerrung führen würde.

25. Mit Entscheidung vom 10. September 2001 bot die Anstellungsbehörde dem Kläger eine Entschädigung von 500 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens an, der ihm infolge des länger anhaltenden Zustands der Ungewissheit dadurch entstanden sei, dass zwischen der letzten Stellungnahme des Disziplinarrats, die dieser in den Disziplinarverfahren abgegeben habe - nämlich der Stellungnahme vom 4. Juli 2000 im Verfahren gegen Eveillard -, und der den Kläger betreffenden Entscheidung der Anstellungsbehörde neun Monate gelegen hätten.

Strafverfahren vor den belgischen Gerichten

26. Im Anschluss an den Untersuchungsbericht der UCLAF zeigte die Kommission am 23. April 1998 beim Procureur du roi (Staatsanwaltschaft) von Brüssel die vermuteten Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe und der Durchführung des Bewachungsvertrags an. Diese Anzeige, der der Bericht der UCLAF vom 12. März 1998 beigefügt war, nahm Bezug auf die Bedingungen der Vergabe des Auftrags, insbesondere die mögliche Manipulation des Gebotes der Firma IMS/Group 4, sowie auf die Abfassung der Anhänge des Vertrages, die fehlende Anhörung des Vergabebeirats, die Frage, ob die Leistungen tatsächlich erbracht worden seien, und die Frage, ob das Verfahren zur Einstellung des Personals, das nach dem Vertrag Lohn erhielt, ordnungsgemäß war.

27. Am 1. März 2001 trat die Europäische Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, dem bei den belgischen Gerichten anhängigen Verfahren gegen den Kläger sowie gegen Eveillard und Alexandre, den Vorstand des den Zuschlag erhaltenden Unternehmens, als Zivilpartei bei.

28. Am 27. März 2001 beantragte der Procureur du roi von Brüssel, das Verfahren nach Anklageerhebung einzustellen.

29. Am 4. Mai 2001 beantragte die Kommission beim Ermittlungsrichter die Durchführung zusätzlicher Ermittlungen; dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 31. Mai 2001 abgelehnt.

30. Am 15. Juni 2001 legte die Kommission gegen diesen Beschluss ein Rechtsmittel ein. Mit Urteil vom 6. August 2001 erklärte die Chambre des mises en accusation (Anklagekammer) der Cour d'appel Brüssel das Rechtsmittel der Kommission für unbegründet.

31. Mit Beschluss vom 19. März 2002 wies die Chambre du conseil (Beschlusskammer) des Tribunal de première instance Brüssel die von der Kommission in der Sitzung vom 12. März 2002 eingereichten Anträge zurück. Die Beschlusskammer nahm an, die verspätete Einreichung dieses Schriftsatzes sei in keiner Weise gerechtfertigt und es liege kein Tatverdacht bezüglich der bezeichneten Straftatbestände vor.

32. Gegen diesen Beschluss legte die Kommission am 2. April 2002 ein Rechtsmittel bei der Cour d'appel Brüssel ein.

33. Der Procureur général bei der Cour d'appel Brüssel beantragte am 30. April 2002 bei der Anklagekammer der Cour d'appel, das Rechtsmittel der Kommission für unbegründet zu erklären, da seiner Ansicht nach kein Tatverdacht gegen die Angeklagten bestehe.

34. Mit Urteil vom 28. Mai 2002 erklärte die Anklagekammer der Cour d'appel Brüssel das Rechtsmittel der Kommission für unbegründet. Gegen die Angeklagten bestehe in Bezug auf die Anklagepunkte, insbesondere soweit es um eine Änderung des Gebotes, die Erstellung des fraglichen Anhangs und die Inrechnungstellung von Fremdleistungen im Rahmen der Durchführung des Bewachungsvertrags gehe, kein Tatverdacht. Außerdem habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass ihr ein Schaden entstanden sei. Da die Kommission gegen dieses Urteil keine Kassationsbeschwerde einlegte, ist es rechtskräftig geworden.

Verfahren und Anträge der Parteien

35. Mit Klageschrift, die am 10. Dezember 2001 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.

36. Das Gericht (Fünfte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters das mündliche Verfahren eröffnet. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen hat es die Parteien aufgefordert, bestimmte Schriftstücke vorzulegen und bestimmte Fragen schriftlich zu beantworten. Insbesondere hat das Gericht die Kommission aufgefordert, die Disziplinarakte des Klägers vorzulegen. Die Parteien sind diesen Aufforderungen fristgerecht nachgekommen.

37. Die Parteien haben in der öffentlichen Sitzung vom 2. Dezember 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

38. In der Sitzung hat der Kläger zur Beantwortung einer Frage des Gerichts ausgeführt, der Betrag, den er als Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens verlange, belaufe sich auf 37 500 Euro. Ebenfalls in Beantwortung einer Frage des Gerichts hat die Kommission von ihrem Vorbringen Abstand genommen, dass der Klageantrag hinsichtlich des dem Kläger angeblich entstandenen Schadens, weil erstmals im Stadium der Erwiderung gestellt, unzulässig sei.

39. Der Kläger beantragt,

- die Entscheidung der Anstellungsbehörde vom 5. April 2001 aufzuheben;

- die Beklagte zur Zahlung von 37 500 Euro als Ersatz des ihm entstandenen materiellen und immateriellen Schadens zu verurteilen;

- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

40. Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- über die Kosten nach Rechtslage zu entscheiden.

Rechtslage

I - Zum Anfechtungsantrag

41. Der Kläger macht zur Begründung seines Anfechtungsantrags vier Klagegründe geltend: Verstoß gegen Verfahrensvorschriften und Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Disziplinarverfahren, offensichtlich fehlerhafte Beurteilung der ihm zur Last gelegten Handlungen, Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und von Treu und Glauben.

A - Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Verfahrensvorschriften und Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Disziplinarverfahren

42. Der Kläger trägt vor, dem Disziplinarverfahren hafteten Verfahrensmängel an, die sich aus einem Verstoß der Anstellungsbehörde gegen die dieses Verfahren regelnden Statutsbestimmungen sowie aus einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergäben. Er erhebt folgende Rügen: übermäßige Verzögerung bei der Verhängung der Strafe, keine Aussetzung des Disziplinarverfahrens trotz Durchführung eines Strafverfahrens, verspäteter und unvollständiger Zugang zu den Akten, unvollständige Akten und fehlende Mitteilung wichtiger Unterlagen sowie fehlende Anhörung wichtiger Zeugen.

1. Zur verspäteten Verhängung der Strafe

Vorbringen der Parteien

43. Der Kläger führt aus, die Verhängung der Strafe gegen ihn sei über acht Jahre nach den ihm zur Last gelegten Vorgängen erfolgt, obwohl er in der Zwischenzeit ohne Bemerkung seitens der Verwaltung seine Aufgaben weiter wahrgenommen und seine Dienststelle weiter geleitet habe.

44. Die Kommission weist darauf hin, dass das Statut in den auf Beamten anwendbaren Bestimmungen der Disziplinarordnung keine Verjährungsfrist bezüglich der Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorsehe.

Würdigung durch das Gericht

45. Das Statut sieht in den Artikeln 86 bis 89 und in seinem Anhang IX über die auf die Gemeinschaftsbeamten anwendbare Disziplinarordnung keine Frist für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Beamten vor, dem ein Verstoß gegen eine seiner Dienstpflichten angelastet wird. Eine Frist kann ihre Aufgabe, die Rechtssicherheit zu gewährleisten, nur erfuellen, wenn sie vom Gemeinschaftsgesetzgeber im Voraus festgelegt ist (Urteile des Gerichts vom 17. Oktober 1991 in der Rechtssache T-26/89, de Compte/Parlament, Slg. 1991, II-781, Randnr. 68, und vom 30. Mai 2002 in der Rechtssache T-197/00, Onidi/Kommission, Slg. ÖD 2002, I-A-69 und II-325, Randnr. 88).

46. Der Gerichtshof hat jedoch, um den möglichen nachteiligen Folgen des Fehlens einer Verjährungsfrist für die Ausübung der Befugnisse der Verwaltung zu begegnen, befunden, dass die Kommission, solange eine solche Verjährungsfrist nicht festgelegt sei, durch das grundlegende Erfordernis der Rechtssicherheit daran gehindert sei, unbegrenzt lange zuzuwarten, ehe sie von ihren Befugnissen Gebrauch mache, und dass daher der Gemeinschaftsrichter bei der Prüfung einer Rüge, die auf ein verspätetes Tätigwerden der Kommission gestützt werde, sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfe, dass keine Verjährungsfrist existiere, sondern auch prüfen müsse, ob die Kommission nicht zu spät tätig geworden sei (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 52/69, Geigy/Kommission, Slg. 1972, 787, Randnr. 21, zur Befugnis der Kommission, bei Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln Geldbußen zu verhängen, und vom 24. September 2002 in den Rechtssachen C-74/00 P und C-75/00 P, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, Slg. 2002, I7869, Randnr. 140, zur Kontrolle von nach dem EGKS-Vertrag gewährten Beihilfen).

47. Was des Näheren die Disziplinarordnung für Gemeinschaftsbeamte angeht, so kennt das Statut zwar keine Frist für die Einleitung des Disziplinarverfahrens, wohl aber in Artikel 7 des Anhangs IX strenge Fristen für dessen Ablauf. Nach ständiger Rechtsprechung sind diese Fristen zwar keine Ausschlussfristen, stellen jedoch Regeln ordnungsgemäßer Verwaltung dar, die im Interesse sowohl der Verwaltung als auch der Beamten eine ungerechtfertigte Verzögerung des Beschlusses, der das Disziplinarverfahren beendet, verhindern soll (Urteile des Gerichtshofes vom 4. Februar 1970 in der Rechtssache 13/69, Van Eick/Kommission, Slg. 1970, 3, vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 228/83, F./Kommission, Slg. 1985, 275, und vom 19. April 1988 in den Rechtssachen 175/86 und 209/86, M./Rat, Slg. 1988, 1891; Urteil de Compte/Parlament, Randnr. 88). Aus diesem vom Gemeinschaftsgesetzgeber bekundeten Anliegen der ordnungsgemäßen Verwaltung folgt, dass die Disziplinarbehörden verpflichtet sind, das Disziplinarverfahren mit Umsicht zu betreiben und jede Verfahrenshandlung in angemessenem zeitlichen Abstand zur vorhergehenden Maßnahme vorzunehmen (Urteile des Gerichts vom 26. Januar 1995 in der Rechtssache T-549/93, D/Kommission, Slg. ÖD 1995, IA13 und II43, Randnr. 25, und Onidi/Kommission, Randnr. 91). Fehlt es an dieser Angemessenheit - die nur anhand des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden kann -, so kann dies die Nichtigkeit der verspätet getroffenen Maßnahme zur Folge haben (Urteile D/Kommission, Randnr. 25, und de Compte/Parlament, Randnr. 88).

48. Diese Pflicht zur Umsicht und zur Beachtung des angemessenen zeitlichen Abstands gilt auch für die Einleitung des Disziplinarverfahrens, insbesondere wenn die Verwaltung Kenntnis von Vorgängen und Verhaltensweisen, die Zuwiderhandlungen gegen die Dienstpflichten eines Beamten darstellen können, erlangt hat, und zwar ab Zeitpunkt dieser Kenntnis. Auch wenn nämlich keine Frist vorgesehen ist, sind die Disziplinarbehörden doch verpflichtet, so vorzugehen, dass die Einleitung des Disziplinarverfahrens innerhalb angemessener Frist erfolgt (Urteil des Gerichts vom 19. Juni 2003 in der Rechtssache T-78/02, Voigt/BCE, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 64). Geschieht das nicht - wobei die Angemessenheit auch hier von den Umständen des Einzelfalls abhängt -, so kann diese Nichteinhaltung das Disziplinarverfahren, das von der Verwaltung verspätet eingeleitet wurde, rechtswidrig machen und zur Aufhebung der am Ende dieses Verfahrens verhängten Disziplinarmaßnahme führen (vgl. analog Urteil des Gerichtshofes vom 27. November 2001 in der Rechtssache C-270/99 P, Z/Parlament, Slg. 2001, I-9197, Randnrn. 43 und 44; Urteile D/Kommission, Randnr. 25, und de Compte/Parlament, Randnr. 88).

49. Zudem ist festzustellen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt ist, wenn die Verwaltung die Einleitung des Disziplinarverfahrens übermäßig verzögert. Sowohl die Beurteilung der Handlungen und Verhaltensweisen, die möglicherweise eine disziplinarrechtlich zu ahndende Pflichtverletzung darstellen, durch die Verwaltung als auch die Wahrnehmung der Anhörungsrechte durch den Beamten können sich nämlich als besonders schwierig erweisen, wenn zwischen dem Zeitpunkt, zu dem diese Handlungen und Verhaltensweisen vorgenommen wurden, und dem Beginn der disziplinarrechtlichen Untersuchung eine große Zeitspanne liegt. Denn zum einen besteht die Möglichkeit, dass inzwischen wichtige - be oder entlastende - Zeugen oder Schriftstücke nicht mehr vorhanden sind, und zum anderen wird es für alle Betroffenen und die Zeugen schwierig, sich an die Vorgänge des betreffenden Falles und die Umstände ihres Eintritts genau zu erinnern. So ist im vorliegenden Fall z. B. De Haan, der, wie gesagt, seinerzeit das Sicherheitsbüro leitete, am 30. August 2000 und damit lange nach Vornahme der dem Kläger hier zur Last gelegten Handlungen, aber noch vor Abschluss des ihn betreffenden Disziplinarverfahrens verstorben.

50. Somit kann das Gericht seine Prüfung der Begründetheit dieser Rüge im vorliegenden Fall nicht auf die Feststellung beschränken, dass es im fraglichen Bereich keine Frist gibt. Zu prüfen ist vielmehr, ob die Kommission verspätet tätig geworden ist.

51. Der Bewachungsvertrag, dessen Abschluss und Durchführung zu dem Disziplinarverfahren gegen den Kläger geführt haben, wurde im Oktober 1992 unterzeichnet. Auch die Erarbeitung und die Einbeziehung des streitigen Anhangs in den Vertrag, an denen der Kläger beteiligt war und die Gegenstand der dritten gegen ihn erhobenen Rüge sind, fanden im Oktober 1992 statt. Der Konsultationsvermerk betreffend diesen Anhang - dessen fehlende Übermittlung nach dem Vortrag der Anstellungsbehörde Gegenstand der Rüge 4 ist - wurde im Jahre 1993 wieder aufgefunden und hätte nach Ansicht der Kommission spätestens zu diesem Zeitpunkt an den Vergabebeirat weitergeleitet werden müssen. Was die Vorgänge angeht, die Gegenstand der Rüge 5 sind, mit der ein Verstoß des Klägers gegen seine Verpflichtung geltend gemacht wird, seine Vorgesetzten davon zu unterrichten, dass sein Mitarbeiter Burlet Verwaltungsaufgaben wahrgenommen habe, obwohl dieser im Rahmen des Bewachungsvertrags entlohnt worden sei, so ist festzustellen, dass Burlet, der bereits vom 15. Juli 1992 bis zum 15. März 1993 als Aushilfskraft beim Sicherheitsbüro gearbeitet hatte, von der IMS/Group 4 am 16. März 1993 als Verwaltungsangestellter zur Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben bei der Kommission eingestellt wurde, in dieser Stellung jedoch nur bis zum 16. Mai 1993 beim Sicherheitsbüro tätig war, um anschließend mehrmals bei der IMS/Group 4 unbezahlten Urlaub zu nehmen.

52. Nach den Akten hatte die Kommission schon lange vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens Kenntnis von den angeblichen Unregelmäßigkeiten beim Abschluss und der Durchführung des Bewachungsvertrags erhalten. Aus dem von Reichenbach erstellten Untersuchungsbericht der Verwaltung vom 14. Juli 1998 (S. 13) geht nämlich hervor, dass das Kabinett des Präsidenten der Kommission Anfang 1993 über angebliche Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit dem Bewachungsvertrag unterrichtet worden war. Im Januar 1993 verweigerte die Finanzkontrolle ihren Sichtvermerk mit der Begründung, dass die Zahlungen in belgischen Franken und nicht in ECU vorgesehen seien (siehe oben, Randnr. 10). Diese Verweigerung des Sichtvermerks führte zur Teilaufhebung des streitigen Anhangs durch den am 27. Januar 1993 unterzeichneten Vertragszusatz (siehe oben, Randnr. 11). Am 17. Februar 1993 leitete die Generaldirektion Finanzkontrolle der Kommission ein Audit hinsichtlich der Tätigkeiten des Sicherheitsbüros und der Vergabe des Bewachungsauftrags ein. Der Abschlussbericht der Generaldirektion Finanzkontrolle vom 7. Juli 1993 führt Verträge gegen die Verfahren zur Kontrolle und Genehmigung von Finanztransaktionen und Verträgen auf und behandelt insbesondere die Änderungen des dem Vergabebeirat vorgelegten Bewachungsvertrags, die diesem Bericht zufolge nicht vom Vergabebeirat genehmigt wurden, gegen Wortlaut und Bedingungen des Vertrages verstießen und zu einer Erhöhung der Kosten der Leistungen sowie einer Wettbewerbsverzerrung führten. Der Untersuchungsbericht der Verwaltung vom 14. Juli 1998 bezieht sich auf dieses Audit vom Juli 1993, wobei er hervorhebt, dass im Audit von erheblichen Problemen die Rede gewesen sei, dass jedoch in der Folge weder administrative noch disziplinarische Maßnahmen getroffen worden seien, sehe man einmal davon ab, dass Eveillard nicht mehr mit den Aufgaben des Leiters des Bereichs Schutz Brüssel betraut sei.

53. Erst am 29. Juli 1998 leitete die Anstellungsbehörde ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger ein. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens erfolgte somit fast sechs Jahre nach Vornahme der zur Last gelegten Handlungen. Die Disziplinarmaßnahme wurde wiederum erst am 5. April 2001, also fast drei Jahre nach Einleitung des Disziplinarverfahrens, verhängt.

54. Da die dem Kläger zur Last gelegten Handlungen im Oktober 1992 vorgenommen worden waren und die Kommission von den fraglichen angeblichen Unregelmäßigkeiten spätestens zwischen Januar und Juli 1993 Kenntnis erlangte, ist sie verspätet tätig geworden, als sie erst am 29. Juli 1998 ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger einleitete. Dieser Verstoß der Kommission gegen die Pflicht, das Disziplinarverfahren binnen angemessener Frist einzuleiten, stellt eine offensichtliche Verletzung der Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung sowie eine Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör dar und macht damit dieses Disziplinarverfahren fehlerhaft.

55. Demgemäß ist diese Rüge begründet.

2. Zur unterbliebenen Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens

Vorbringen der Parteien

56. Der Kläger führt aus, die Anstellungsbehörde habe seinen wiederholt gestellten Anträgen auf Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluss des bei den belgischen Gerichten gegen ihn eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht stattgegeben. Es sei klar gewesen, dass dieses Verfahren zu einer Einstellung führen würde.

57. Die Kommission weist darauf hin, dass Disziplinar und Strafverfahren nicht die gleiche Zielsetzung hätten, da ein Strafverfahren etwaige Verstöße gegen das Strafgesetzbuch, ein Disziplinarverfahren aber Zuwiderhandlungen gegen bestimmte im Beamtenstatut vorgesehene Pflichten betreffe, die per definitionem keinen strafrechtlichen Charakter hätten; außerdem könnten Disziplinarmaßnahmen nur das Arbeitsverhältnis zwischen dem Betroffenen und seinem Arbeitgeber betreffen. Das auf Beamte anwendbare Disziplinarverfahren sei kein Gerichts, sondern ein Verwaltungsverfahren (Beschluss des Gerichtshofes vom 16. Juli 1998 in der Rechtssache C-252/97 P, N/Kommission, Slg. 1998, I-4871, Randnr. 52).

58. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission in Beantwortung einer Frage des Gerichts ausgeführt, im vorliegenden Fall gebe es keine Überschneidung zwischen dem Straf und dem Disziplinarverfahren, da es in den beiden Verfahren um unterschiedliche Vorgänge gehe, die rechtlich unterschiedlich zu qualifizieren seien. Gegenstand des Strafverfahrens sei insbesondere die Prüfung gewesen, ob sich der Kläger der Straftat einer Fälschung, eines Gebrauchs gefälschter Urkunden oder des Betruges schuldig gemacht habe, während mit dem Disziplinarverfahren fahrlässiges Handeln sowie Unterlassungen geahndet worden seien, die Verletzungen der Dienstpflichten des Klägers darstellten. Deshalb habe die Anstellungsbehörde im Disziplinarverfahren auch beschlossen, die disziplinarrechtliche Beurteilung von der strafrechtlichen zu trennen. Eine Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens schließlich hätte Ersteres erheblich verzögert.

Würdigung durch das Gericht

59. Artikel 88 Absatz 5 des Statuts bestimmt: Ist... gegen den Beamten wegen desselben Sachverhalts ein Strafverfahren eingeleitet worden, so wird seine Rechtsstellung erst dann endgültig geregelt, wenn das Urteil des Gerichtes rechtskräftig geworden ist. Aus dieser Bestimmung folgt, dass es der Anstellungsbehörde verwehrt ist, die Rechtsstellung des Beamten in disziplinarrechtlicher Hinsicht durch Entscheidungen über Vorgänge, die gleichzeitig Gegenstand eines Strafverfahrens sind, endgültig zu regeln, solange die vom Strafgericht, bei dem dieses anhängig ist, erlassene Entscheidung nicht rechtskräftig geworden ist (Urteil des Gerichts vom 13. März 2003 in der Rechtssache T-166/02, Pessoa e Costa/Kommission, Slg. ÖD 2003, IA89 und II471, Randnr. 45). Im Gegensatz zu Artikel 7 Absatz 2 des Anhangs IX des Statuts, wonach der Disziplinarrat im Fall der Strafverfolgung vor einem Strafgericht beschließen kann, die Abgabe seiner Stellungnahme so lange auszusetzen, bis die Entscheidung des Gerichts ergangen ist, räumt somit Artikel 88 Absatz 5 des Statuts der Anstellungsbehörde, die die Rechtsstellung des Beamten, gegen den ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde, endgültig zu regeln hat, kein Ermessen ein (Urteil des Gerichts vom 19. März 1998 in der Rechtssache T-74/96, Tzoanos/Kommission, Slg. ÖD 1998, I-A-129 und II-343, Randnrn. 32 und 33).

60. Wie sich aus der Disziplinarakte des Klägers ergibt, hat dieser den Vorsitzenden des Disziplinarrats mit Schreiben vom 8. April 1999 darauf hingewiesen, dass das Disziplinarverfahren gegen ihn offensichtlich zunächst eine Entscheidung über die Begründetheit der Anschuldigungen, die gegen ihn in strafrechtlicher Hinsicht vor den belgischen Gerichten erhoben worden seien, erfordere, und nach Artikel 88 Absatz 5 des Statuts beantragt, das Disziplinarverfahren bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen auszusetzen. Aufgrund dieses Schreibens erbat der Vorsitzende des Disziplinarrats mit Schreiben vom 23. April 1999 von der Generaldirektion Personal und Verwaltung der Kommission Auskünfte über das Vorliegen, den Umfang und den Stand des fraglichen Strafverfahrens. Mit Schreiben vom 4. Mai 1999 forderte diese Generaldirektion sodann Auskünfte von der UCLAF an. Die UCLAF bestätigte mit Schreiben vom 28. Mai 1999, dass die Anrufung des Procureur du roi von Brüssel vom 23. April 1998 durch das Generalsekretariat der Kommission am 19. Mai 1998 zur Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens beim belgischen Ermittlungsrichter Van Espen geführt habe. Mit Schreiben vom 25. Mai 2000 hat der Kläger seinen Antrag auf Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens wiederholt.

61. Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren endete mit dem Urteil der Anklagekammer der Cour d'appel Brüssel vom 28. Mai 2002. Damit stellt dieses Urteil mangels Einlegung einer Kassationsbeschwerde durch die Kommission das rechtskräftige Urteil der belgischen Gerichte im Sinne von Artikel 88 Absatz 5 des Statuts dar.

62. Das Disziplinarverfahren gegen den Kläger endete jedoch vor dem 28. Mai 2002, dem Tag des Erlasses des Urteils der Anklagekammer der Cour d'appel Brüssel. Die Anstellungsbehörde hat nämlich die Entscheidung, mit der gegen den Kläger eine Disziplinarmaßnahme verhängt wurde, am 5. April 2001 erlassen. Am 10. September 2001 hat sie die am 29. Mai 2001 vom Kläger nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts eingelegte Beschwerde zurückgewiesen und an ihrer Entscheidung festgehalten.

63. Die Kommission trägt jedoch vor, es habe keine Überschneidung zwischen Straf und Verwaltungsverfahren gegeben, so dass sie nicht verpflichtet gewesen sei, mit der endgültigen Entscheidung über die Rechtsstellung des Klägers im Rahmen des Disziplinarverfahrens bis zum Abschluss des Strafverfahrens zuzuwarten. Es ist daher zu prüfen, ob es sich bei den Handlungen, die Gegenstand der Strafverfolgung waren, und denen, die im Rahmen des Disziplinarverfahrens geahndet wurden, um dieselbe Tat handelte (Urteile Tzoanos/Kommission, Randnr. 35, und Onidi/Kommission, Randnr. 81).

64. Die Kommission hat am 23. April 1998 beim Procureur du roi von Brüssel eine Anzeige wegen der vermuteten Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe und der Durchführung des Bewachungsvertrags erstattet (siehe oben, Randnr. 26). Diese Anzeige, der der Bericht der UCLAF vom 12. März 1998 beigefügt war, nahm Bezug auf die Bedingungen der Vergabe des Auftrags, insbesondere die mögliche Manipulation des Angebots der Firma IMS/Group 4, sowie auf die Abfassung der Anhänge des Vertrages, die unterbliebene Anhörung des Vergabebeirats, die Frage, ob die Leistungen tatsächlich erbracht worden seien, und die Frage, ob die Verfahren zur Einstellung des Personals, das nach dem Vertrag Lohn erhielt, ordnungsgemäß waren.

65. Aufgrund dieser Anzeige und der vom Ermittlungsrichter angeordneten Maßnahmen erstellte das Office central pour la répression de la corruption (Zentralbüro für Korruptionsbekämpfung) der Kriminalpolizei Brüssel unter dem 21. Juni 2000 einen Zusammenfassenden Bericht, der die Ergebnisse der in dieser Angelegenheit durchgeführten eingehenden Untersuchung enthielt. In diesem Bericht vertrat Kommissar L. von der Kriminalpolizei Brüssel die Auffassung, es sei, erstens, nicht nachgewiesen, dass das Angebot der Firma IMS/Group 4 geändert worden sei, zweitens sei zwar ein Anhang unterzeichnet worden, mit dem der Vertrag substanziell geändert worden sei, jedoch sei die Finanzkontrolle hiervon vor der Unterzeichnung unterrichtet worden, wenngleich das Verfahren einer vorherigen Kontrolle nicht vollständig beachtet worden sei, und drittens hätten tatsächlich einige Bedienstete der Firma IMS/Group 4, die für ihre Leistungen im Rahmen des Bewachungsvertrags entlohnt worden seien, für die Kommission Aufgaben wahrgenommen, die mit diesem Vertrag nichts zu tun gehabt hätten, jedoch sei diese missbräuchliche Vertragsverwendung, die damals verbreitet gewesen sei, der Kommission bestens bekannt gewesen.

66. In ihrem Antrag vom 1. März 2001 auf Zulassung als Zivilpartei vor dem Ermittlungsrichter hat die Kommission geltend gemacht, ihr sei durch eine Urkundenfälschung im Rahmen der Ausschreibung sowie eine Inrechnungstellung von Leistungen, die von Personen erbracht worden seien, die im Rahmen des Bewachungsvertrags keine Aufgaben wahrgenommen hätten, ein Schaden entstanden.

67. In seinem Antrag vom 27. März 2001, das Strafverfahren nach Anklageerhebung einzustellen, gelangte der Procureur du roi zu dem Schluss, dass gegen den Kläger und die übrigen Angeklagten - Eveillard und Alexandre - kein hinreichender Tatverdacht vorliege, soweit es, erstens, um die Fälschung öffentlicher oder privater Urkunden, zweitens um Manipulationen im Rahmen der Ausschreibung und, drittens, um die Mitarbeiter gehe, die nicht der Durchführung des Bewachungsvertrags zugewiesen, jedoch nach diesem entlohnt worden seien.

68. In ihrem Urteil vom 6. August 2001 hat die Anklagekammer der Cour d'appel Brüssel ausgeführt, die fraglichen finanziellen Transaktionen seien, erstens, teils vom Vergabebeirat, teils von der Finanzkontrolle genehmigt worden, zweitens sei die missbräuchliche Anwendung des Bewachungsvertrags unter den Augen und mit Wissen der Kommission praktiziert worden, deren Stellen diese Praktiken eingeführt und gebilligt hätten.

69. In ihrem Beschluss vom 19. März 2002 führte die Beschlusskammer des Tribunal de première instance Brüssel aus, es liege kein Tatverdacht in Bezug auf eine Verwirklichung der bezeichneten Straftatbestände vor, insbesondere enthielten die Akten keinen Hinweis darauf, dass der Kläger sowie die Angeklagten Eveillard und Alexandre mit einer irgendwie gearteten betrügerischen Absicht gehandelt hätten.

70. Mit Urteil vom 28. Mai 2002 erklärte die Anklagekammer der Cour d'appel Brüssel schließlich das von der Kommission am 2. April 2002 gegen den Beschluss vom 19. März 2002 eingelegte Rechtsmittel für unbegründet. Darin stellte die Cour d'appel fest, gegen die Angeklagten liege in Bezug auf die Anklagepunkte der Änderung des Angebots, der Erstellung des fraglichen Anhangs und der Inrechnungstellung von Leistungen im Rahmen des Bewachungsvertrags, die mit dessen Durchführung nichts zu tun gehabt hätten, kein Tatverdacht vor.

71. Aus alledem folgt, dass sich die Verhaltensweisen, die Gegenstand des Strafverfahrens waren, in drei Gruppen einteilen lassen: erstens die Bedingungen, unter denen der Bewachungsvertrag vergeben wurde, insbesondere die angebliche Manipulation des letztlich berücksichtigten Angebots, zweitens die Erarbeitung und Einbeziehung des den Inhalt des Vertrages ändernden Anhangs sowie die unterbliebene Anhörung des Vergabebeirats und drittens die Frage, ob Mitarbeiter im Rahmen des Bewachungsvertrags für Leistungen entlohnt wurden, die nicht zu den darin vorgesehenen Aufgaben gehörten.

72. Die erste Sachverhaltsgruppe, die die angebliche Manipulation des Angebots betrifft, deckt sich mit dem Gegenstand der von der Anstellungsbehörde mit Vermerk vom 23. September 1998 gegen den Kläger erhobenen Rüge 2. Diese Rüge ist jedoch in der Folge vom Disziplinarrat nicht berücksichtigt worden, der sie in seiner Stellungnahme vom 9. März 2000 zurückgewiesen hat. Die zweite Sachverhaltsgruppe, die die Einbeziehung des fraglichen Anhangs und die unterbliebene Anhörung des Vergabebeirats betrifft, war Gegenstand der Rügen 3 und 4, die die Anstellungsbehörde in ihrer Entscheidung vom 5. April 2001, mit der sie eine Disziplinarmaßnahme gegen den Kläger verhängte, diesem gegenüber geltend machte und an der sie in ihrer Entscheidung vom 10. September 2001 über die Zurückweisung der Beschwerde festhielt. Entsprechend bildete die dritte Sachverhaltsgruppe die Grundlage für die ebenfalls von der Anstellungsbehörde gegen den Kläger erhobenen Rüge 5.

73. Daher ist festzustellen, dass das Disziplinarverfahren gegen den Kläger die gleiche Tat wie das Strafverfahren betraf. Da die Tatbestandsvoraussetzungen des Artikels 88 Absatz 5 des Statuts somit erfuellt waren, war es der Kommission verwehrt, disziplinarrechtlich endgültig über die Rechtsstellung des Beamten zu entscheiden, solange kein rechtskräftiges Urteil der Strafgerichte ergangen war.

74. Dem steht das Vorbringen der Kommission nicht entgegen, dass zum einen die fraglichen Vorgänge im Strafverfahren anders qualifiziert würden als im Disziplinarverfahren und dass zum anderen das fahrlässige Handeln und das Unterlassen, die dem Kläger im Disziplinarverfahren konkret zur Last gelegt worden seien, keine Straftat darstellten, die im Rahmen von Strafverfolgungsmaßnahmen vor den belgischen Gerichten geahndet werden könnte.

75. Der Auffassung der Kommission liegt ein irriges Verständnis von Artikel 88 Absatz 5 des Statuts zugrunde. Mit dieser Bestimmung werden nämlich zwei Zwecke verfolgt. Zum einen soll sie vermeiden helfen, die Stellung des betreffenden Beamten in einem Strafverfahren, das aufgrund von Handlungen, die auch Gegenstand eines gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens innerhalb seines Gemeinschaftsorgans sind, zu beeinträchtigen (Urteil Tzoanos/Kommission, Randnr. 34). Zum anderen ermöglicht die Aussetzung des Disziplinarverfahrens bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens eine Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts im Disziplinarverfahren. Artikel 88 Absatz 5 des Statuts schreibt den Grundsatz fest, dass das Strafverfahren das Disziplinarverfahren hemmt, was insbesondere dadurch gerechtfertigt ist, dass die nationalen Strafgerichte über weiter gehende Untersuchungsbefugnisse verfügen als die Anstellungsbehörde (Urteil des Gerichts vom 21. November 2000 in der Rechtssache T-23/00, A/Kommission, Slg. ÖD 2000, IA263 und II1211, Randnr. 37). Daher ist die Verwaltung in Fällen, in denen dieselbe Tat sowohl einen Straftatbestand verwirklichen als auch eine Verletzung der Dienstpflichten des Beamten darstellen kann, an die vom Strafgericht im Strafverfahren getroffenen Feststellungen gebunden. Hat das Strafgericht die Tatsachen festgestellt, kann die Verwaltung diese anschließend unter den Begriff der disziplinarrechtlich zu ahndenden Pflichtverletzung subsumieren und dabei insbesondere prüfen, ob sie den Tatbestand einer Verletzung von Dienstpflichten verwirklichen (in diesem Sinne Urteil A/Kommission, Randnr. 35).

76. Schließlich ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, dass durch eine Aussetzung des Disziplinarverfahrens dessen Ablauf und damit die endgültige Regelung der Rechtsstellung des Klägers erheblich verzögert worden wäre. Da die Kommission mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Kläger über fünfeinhalb Jahre zugewartet hatte, konnte sie ihre Entscheidung, nicht erst den Abschluss des gerichtlichen Verfahrens abzuwarten, bevor sie die Rechtsstellung des Klägers disziplinarrechtlich endgültig regelte, nicht mit der Gefahr einer etwaigen Verzögerung rechtfertigen. Außerdem hatte der Kläger tatsächlich mehrmals die Aussetzung des Disziplinarverfahrens beantragt. Da jedoch die belgischen Strafgerichte in ihren Entscheidungen eine Einstellung des Verfahrens zugunsten des Klägers befürworteten, sind diese Aussetzungsanträge nicht auf eine Verzögerungstaktik des Klägers zurückzuführen, in dessen Interesse es ja lag, dass im Disziplinarverfahren eine etwaige rechtskräftige Entscheidung des Strafgerichts berücksichtigt würde, mit der die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen für unbegründet erklärt würden.

77. Es ist daher festzustellen, dass die Kommission gegen Artikel 88 Absatz 5 des Statuts verstoßen hat, indem sie gegen den Kläger eine Disziplinarstrafe verhängt hat, ohne die rechtskräftige Entscheidung des Strafgerichts abzuwarten; die Rüge des Klägers ist daher begründet.

78. Nach alledem hat die Kommission gegen Verfahrensvorschriften, Anhörungsrechte und die Grundsätze der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen. Der erste Klagegrund ist daher für begründet zu erklären, ohne dass die weiteren vom Kläger erhobenen Rügen geprüft werden müssten.

B - Zum zweiten Klagegrund: offensichtlicher Fehler bei der Beurteilung der dem Kläger zur Last gelegten Handlungen

1. Zur Rüge 4: unterbliebene Anhörung des Vergabebeirats

Vorbringen der Parteien

79. Der Kläger führt aus, er habe den für den Vergabebeirat bestimmten Konsultationsvermerk betreffend den fraglichen Anhang unstreitig tatsächlich vorbereitet, und dieser Vermerk sei von Eveillard abgezeichnet und von De Haan unterzeichnet worden. Dieser Vermerk sei im Archiv des Sicherheitsbüros verlegt worden und daher aus Gründen, die von seinem Willen völlig unabhängig gewesen seien, nicht zu seinem Empfänger gelangt. Als dieser Vermerk wieder aufgefunden worden sei, habe er seine Vorgesetzten darauf hingewiesen, dass er ihn trotz der Verspätung werde abschicken müssen; seine Vorgesetzten hätten es in voller Kenntnis der Sachlage nicht für zweckdienlich gehalten, ihn an den Vergabebeirat zu senden, und es habe ihm nicht zugestanden, den Entscheidungen seiner Vorgesetzten zuwiderzuhandeln.

80. Nach Ansicht der Kommission steht fest, dass der fragliche Anhang dem Vergabebeirat nicht zur Stellungnahme vorgelegt worden sei, dass der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er seine Vorgesetzten von der Verpflichtung, den Vergabebeirat anzuhören, angemessen unterrichtet habe, und dass er seine Warnhinweise schriftlich hätte bestätigen müssen. Zum Vorbringen des Klägers, es habe ihm nicht zugestanden, den Entscheidungen seiner Vorgesetzten zuwiderzuhandeln, sei auf Artikel 21 Absatz 3 des Statuts und die Rechtsprechung hierzu zu verweisen, wonach sich ein Beamter nicht auf eine Verantwortung seiner Vorgesetzten berufen könne, um seiner eigenen Verantwortung zu entgehen (Urteil Tzoanos/Kommission, Randnrn. 188 ff.).

Würdigung durch das Gericht

81. Die vorherige Anhörung des Vergabebeirats zum fraglichen Anhang war in Artikel 68 der Durchführungsverordnung zur Haushaltsordnung zwingend vorgeschrieben, da die finanziellen Bedingungen des Bewachungsvertrags durch diesen Anhang wesentlich geändert wurden. Mit der Rüge gegen den Kläger wurde konkret geltend gemacht, dieser habe seine Vorgesetzten nicht angemessen von der Verpflichtung zur Anhörung des Vergabebeirats unterrichtet.

82. Jedoch hat Eveillard, der Vorgesetzte des Klägers, vor dem Disziplinarrat bestätigt, dass er vom Kläger über die Verpflichtung, den Vergabebeirat über den Zusatz zum Bewachungsvertrag zu unterrichten, informiert worden sei. Auch bestreitet die Kommission nicht, dass der Kläger im November 1992 einen Konsultationsvermerk für den Vergabebeirat über den Anhang zum Vertrag vorbereitet hat und dass dieser Vermerk von Eveillard abgezeichnet und von De Haan unterzeichnet wurde. Ebenso ist unstreitig, dass dieser Vermerk im Archiv des Sicherheitsbüros verlegt wurde. Es ist auch nicht bestritten, dass die Entscheidung, diesen Konsultationsvermerk, nachdem er wieder aufgefunden worden war, nicht an den Vergabebeirat zu senden, von De Haan und Eveillard, den Vorgesetzten des Klägers, getroffen wurde.

83. Bei dieser Sachlage ist die Auffassung der Kommission, der Kläger hätte seine Warnungen schriftlich abfassen müssen und sei, da er dies nicht getan habe, ebenso wie seine Vorgesetzten dafür verantwortlich, dass der Vergabebeirat nicht angehört wurde, zurückzuweisen. Da der Kläger nämlich den Vertrag mit seinen Anhängen der Finanzkontrolle übermittelt und den Konsultationsvermerk für den Vergabebeirat vorbereitet sowie seine Vorgesetzten mündlich von der Verpflichtung zur Anhörung in Kenntnis gesetzt hat, ist der Vorwurf, er habe seine Vorgesetzten allein deshalb nicht angemessen gewarnt, weil er dies nicht schriftlich getan habe, unbegründet.

84. Dass der Vergabebeirat nicht nachträglich angehört wurde, nachdem der Konsultationsvermerk im Januar 1993 wieder aufgefunden worden war, ist überdies nicht von großer Bedeutung, da die praktische Wirksamkeit einer solchen verspäteten Anhörung nur gering gewesen wäre. Nicht nur befand sich der Bewachungsvertrag schon im Stadium der Durchführung, sondern darüber hinaus war am 27. Januar 1993, nachdem die Finanzkontrolle ihren Sichtvermerk für eine Auszahlungsanordnung verweigert hatte, Anhang 3 zum Vertrag unterzeichnet worden, mit dem die Bestimmungen des Anhangs 1 über die Überprüfung bezüglich der Wechselkursschwankungen zwischen dem belgischen Franken und dem ECU mit Wirkung vom 1. Februar 1993 aufgehoben worden waren.

85. Mithin ist Rüge 4 betreffend die unterbliebene Übermittlung des Konsultationsvermerks über den fraglichen Vertragszusatz an den Vergabebeirat unbegründet.

2. Zur Rüge 5: missbräuchliche Verwendung des Bewachungsvertrags

Vorbringen der Parteien

86. Zur Rüge 5, die sich auf die missbräuchliche Verwendung des Bewachungsvertrags bezieht, insbesondere soweit es um die Verpflichtung von Burlet geht, Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, obwohl er von dem Unternehmen entlohnt wurde, das den Zuschlag erhalten hatte, führt der Kläger aus, diese Praxis sei damals verbreitet, den übergeordneten Stellen der Kommission bekannt gewesen und letztlich von der Kommission selbst eingeführt und gebilligt worden. Keinesfalls habe er die Verantwortung für die Einstellung von Burlet übernommen, was auch nicht seinem Zuständigkeitsbereich entsprochen hätte, da er nur dafür zuständig gewesen sei, die Belege für die Bezahlung der Rechnungen des Zuschlagsempfängers auszustellen.

87. Die Kommission betont, dem Kläger werde vorgeworfen, die missbräuchliche Verwendung des Bewachungsvertrags zugelassen oder an ihr teilgenommen zu haben, was der Kläger auch nicht bestritten habe, nicht aber, für die Einstellung von Mitarbeitern, u. a. von Burlet, verantwortlich zu sein. Diese Kenntnis des Sachverhalts und außerdem der Umstand, dass er es unterlassen habe, ihn mitzuteilen und sich hiervon mit geeigneten Mitteln zu distanzieren, bildeten den Gegenstand der Rüge 5. Dem Vortrag des Klägers, dass er nicht unmittelbar in die Verwaltung des Bewachungsvertrags eingegriffen habe, hält die Kommission entgegen, seine Stellung als Leiter der Verwaltungseinheit Finanzen des Sicherheitsbüros habe den Kläger nicht von jeder diesbezüglichen Verantwortung entbunden, sondern er sei gerade deshalb verpflichtet gewesen, seine Vorgesetzten von der missbräuchlichen Verwendung dieses Vertrages zu unterrichten. Weder nehme der Umstand, dass solche Praktiken damals verbreitet gewesen seien - was sie bestreite -, dem fraglichen Verhalten die Widerrechtlichkeit, noch werde der Kläger dadurch aus seiner eigenen Verantwortung entlassen.

Würdigung durch das Gericht

88. Die fraglichen Praktiken bestanden nicht darin, dass der Bewachungsvertrag zur betrügerischen Entlohnung von Personen verwendet worden wäre, die der Kommission keine Dienstleistungen erbracht hätten, sondern darin, Mitarbeiter im Rahmen dieses Vertrages einzustellen, die tatsächlich Aufgaben bei der Kommission erfuellen sollten, welche allerdings von den im Bewachungsvertrag vorgesehenen abwichen.

89. Aus den Akten geht hervor, dass die Einstellung von Mitarbeitern zu dem Zweck, im Rahmen der Durchführung des Bewachungsvertrags Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, damals eine verbreitete Praxis und bei der Kommission allgemein bekannt war. So wurde in der Entscheidung über die Verhängung der Disziplinarstrafe der Umstand zugunsten des Klägers strafmildernd berücksichtigt, dass die damalige Praxis des Sicherheitsbüros nicht unüblich war. In dem von Kriminalkommissar L. vom Zentralbüro für Korruptionsbekämpfung der Kriminalpolizei Brüssel im Anschluss an deren Ermittlungen erstellten Zusammenfassenden Bericht vom 21. Juni 2000 (S. 10) heißt es hierzu: [Diese angeblich missbräuchliche Verwendung des Vertrages] erfolgte offenbar unter den Augen und mit Wissen aller, und zwar zur allgemeinen Zufriedenheit. Somit sind es die Dienststellen der Europäischen Kommission selbst gewesen, die diese Praxis eingeführt und gebilligt haben. Auch in den Entscheidungen der belgischen Strafgerichte wurde nachgewiesen, dass diese Praxis von den Kommissionsdienststellen eingeführt und gebilligt worden war.

90. Dass diese Praxis bei der Kommission bestand und allgemein akzeptiert wurde, wird auch im Schreiben des damaligen Generaldirektors für Personal und Verwaltung der Kommission Hay vom 5. Oktober 1987 an De Haan bestätigt. In diesem Schreiben ging es um die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Sicherheitsbüro und der Generaldirektion Personal und Verwaltung, und es bezog sich auf eine Sitzung des Sicherheitsausschusses vom 23. Juli 1987. Darin heißt es: Der Sicherheitsausschuss ist von dem Grundsatz ausgegangen, dass das Intergarde-Personal, das Bewachungs und Sicherheits oder gemischte Aufgaben wahrnimmt, der Weisungsbefugnis und der Verwaltung des Sicherheitsbüros unterstellt werden soll. Nur die rein administrative Tätigkeiten ausübenden Mitarbeiter sollen der Generaldirektion Personal und Verwaltung unterstehen. Für diese Mitarbeiterkategorie kann gegebenenfalls ein besonderer Vertrag ins Auge gefasst werden. Hay stellte fest, dass zwar fast das gesamte Wachpersonal gegenwärtig Verwaltungs- und Sicherheitsaufgaben wahrnimmt, wenn auch deren jeweiliger Anteil je nach Einsatzort und/oder Gebäude variiert, dass aber der reine Verwaltungsaufgaben wahrnehmende Personalanteil gering ist, und führte dann aus: Ich halte es nicht für zweckmäßig, besondere Verträge auszuarbeiten, die die Haushaltsführung schwerfälliger machen würden und am Ende zu Kompetenzkonflikten führen würden, wenn sich die Aufgaben des einen oder anderen dieser Bediensteten ihrer Art nach so verändern sollten, dass sie entweder mehr Verwaltungs- oder aber mehr Kontrolltätigkeiten umfassen.

91. Daraus folgt, dass die Praxis, Mitarbeiter einzustellen, um im Rahmen des Bewachungsvertrags Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen, nicht nur der Kommission bekannt und nicht unüblich war, wie es in der Entscheidung vom 5. April 2001 heißt, sondern von den zuständigen Generaldirektionen der Kommission eingeführt und gebilligt wurde und Teil ihrer Personalpolitik war, um dem chronischen Mangel an Mitarbeitern abzuhelfen, die die Aufgaben der Dienststellen der Kommission erfuellen sollten.

92. Es ist nicht gerechtfertigt, einem Beamten der Laufbahngruppe B - die nach Artikel 5 Absatz 1 des Statuts Dienstposten mit Sachbearbeitertätigkeit umfasst, nicht aber solche mit Weisungsbefugnis, die Beamten der Laufbahngruppe A zugewiesen sind - vorzuwerfen, allein deshalb gegen seine Dienstpflichten verstoßen zu haben, weil er nicht mitgeteilt hat, dass ein Mitarbeiter von dem Unternehmen, das den Zuschlag für den Bewachungsauftrag erhalten hatte, entlohnt wurde, obwohl diese Praxis von den Dienststellen der Kommission eingeführt worden war, allgemein verbreitet war, von übergeordneten Stellen angeregt worden war und, wenn sie auch nicht den Regeln entsprach, an sich keinen betrügerischen Charakter hatte.

93. Hieraus und insbesondere aus dem Umstand, dass der Kläger weder an der Einführung dieser Praxis noch an der Einstellung von Burlet unmittelbar beteiligt war, folgt, dass die Anstellungsbehörde den Kläger nicht schon deshalb rügen kann, weil er nicht mitgeteilt hat, dass sein Mitarbeiter Burlet drei Monate lang rein administrative Aufgaben wahrgenommen hat und dafür von dem Unternehmen, das den Zuschlag für den Bewachungsauftrag erhalten hatte, entlohnt wurde, oder weil er sich hiervon nicht mit geeigneten Mitteln distanziert hat.

94. Daher ist die Rüge 5 über die missbräuchliche Verwendung des Bewachungsvertrags unbegründet.

3. Zur Rüge 1 grob fahrlässiges dienstliches Verhalten bei der Haushaltsführung

Vorbringen der Parteien

95. Der Kläger weist darauf hin, dass die Feststellungen des Auditberichts von De Moor nur einige Mängel, die auf eine fehlerhafte Verwaltung zurückgingen, erkennen ließen. Er habe nie unter irgendwelchen Bemerkungen seiner Vorgesetzten zu leiden gehabt, vielmehr hätten diese ihn oft gelobt, wie seine Beurteilungen zeigten.

96. Die Kommission macht geltend, der Kläger habe die Rüge 1 nicht in Abrede gestellt. Die von ihm angeführten Beurteilungen hätten keine Beurteilung oder Einordnung der Vorgänge, die dem Disziplinarverfahren zugrunde lägen, zum Inhalt.

Würdigung durch das Gericht

97. Die Rüge 1 - dienstliches Fehlverhalten und grobe Fahrlässigkeit bei der Haushaltsführung, insbesondere bei der Erarbeitung und der Durchführung des Bewachungsvertrags mit der Firma IMS/Group 4 - stellt keine selbständige Rüge dar, sondern bezieht sich auf die Beteiligung des Klägers an der Erstellung des fraglichen Anhangs und auf die unterbliebene Anhörung des Vergabebeirats. Daher ist der Vortrag zu dieser Rüge nicht selbständig, sondern vom Vortrag zu den Rügen 3 und 4 abhängig.

4. Zur Rüge 6: Verstoß des Klägers gegen Artikel 11 Absatz 1 des Statuts, weil er sich bei der Ausübung seines Amtes nicht ausschließlich von den Interessen der Gemeinschaften habe leiten lassen

Vorbringen der Parteien

98. Der Kläger weist das Vorbringen der Anstellungsbehörde zurück, er habe sich dadurch, dass er seine Vorgesetzten nicht vor den Folgen einer unterbliebenen Anhörung des Vergabebeirats gewarnt habe, bei der Ausübung seines Amtes nicht ausschließlich von den Interessen der Gemeinschaften leiten lassen.

99. Nach Ansicht der Kommission hat der Zusatz zum Bewachungsvertrag die finanziellen Interessen der Gemeinschaften geschädigt, was vom Kläger nicht bestritten werde.

Würdigung durch das Gericht

100. Diese Rüge bezieht sich auf die Verhaltensweisen, die auch mit den Rügen 1, 3 und 4 beanstandet wurden, vor allem auf die Folgen der dem Kläger zur Last gelegten Unregelmäßigkeiten, insbesondere der Erstellung des fraglichen Anhangs und der unterbliebenen Anhörung des Vergabebeirats. Daher ist diese Rüge nicht selbständig, sondern vom Vortrag zu den Rügen 1, 3 und 4 abhängig.

101. Nach alledem ist auch der zweite Klagegrund begründet, ohne dass es einer Entscheidung über die Begründetheit der Rüge 3 bedürfe, da die mit der angefochtenen Entscheidung verhängte Disziplinarstrafe einheitlich und unteilbar ist und auf Rügen beruht, die in dieser Entscheidung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als begründet angesehen wurden (siehe in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 9. Juli 2002 in der Rechtssache T-21/01, Zavvos/Kommission, Slg. ÖD 2002, IA101 und II483, Randnr. 316, und vom 11. September 2002 in der Rechtssache T-89/01, Willeme/Kommission, Slg. ÖD 2002, IA153 und II803, Randnr. 83).

102. Somit ist dieser Klageantrag für begründet zu erklären und die angefochtene Entscheidung aufzuheben, ohne dass es einer Entscheidung über die übrigen vom Kläger geltend gemachten Klagegründe bedürfte.

II - Zum Schadensersatzantrag

Vorbringen der Parteien

103. Der Kläger trägt vor, aufgrund der Entwicklung dieser Angelegenheit, insbesondere durch die Belästigungen seitens bestimmter Ermittler, unter denen er seit 1992 zu leiden habe, und die gegen ihn erhobenen schwerwiegenden Anschuldigungen, die sowohl innerhalb der Kommission als auch nach außen verbreitet worden seien und sein Ansehen und seine Ehre verletzt hätten, sei ihm ein erheblicher immaterieller Schaden entstanden. Das von der Anstellungsbehörde geschaffene Klima von Verdächtigungen habe sein gesellschaftliches und sein Familienleben beeinträchtigt. Außerdem habe ihn der durch diese Situation hervorgerufene Stress gesundheitlich angegriffen. Trotz der gründlichen Ermittlungen der Brüsseler Staatsanwaltschaft habe sich die Kommission nicht gescheut, hinhaltend zu agieren, um den Ausgang des Strafverfahrens hinauszuzögern, das ihn von jedem Vorwurf freigesprochen habe.

104. Was die Bezifferung des Schadens angeht, so hält der Kläger einen Betrag von 37 500 Euro für billig und angemessen. Er bezieht sich auch auf das Fehlverhalten der Kommission, die eine Disziplinarstrafe gegen ihn verhängt habe, sowie darauf, dass er sich gezwungen gesehen habe, nach Artikel 90 Absatz 2 des Statuts Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen, mit der ihm die Beförderung nach der Besoldungsgruppe B 2 verweigert worden sei. Zur Vertretung seiner Interessen habe er Anwaltskosten tragen müssen, deren Höhe er vorläufig auf 7 736,81 Euro schätze.

105. Die Kommission hält dem im Wesentlichen entgegen, die angestellte Untersuchung könne nicht als Belästigung angesehen werden; die angeblichen Verletzungen der Ehre des Klägers und seine Gesundheitsprobleme, ihr Vorliegen unterstellt, gingen darauf zurück, dass er sich dem Risiko eines Disziplinarverfahrens ausgesetzt habe, indem er seinen Dienstpflichten nicht nachgekommen sei. Die Beschwerde des Klägers gegen die eine Beförderung ablehnende Entscheidung habe nichts mit der vorliegenden Rechtssache zu tun. Schließlich sei ein Schaden nicht nachgewiesen und daher auch nicht zu ersetzen. Was die Dauer der Untersuchung angehe, so sehe das Statut keine Frist für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vor; wenn die Anstellungsbehörde auch zu Beginn des Disziplinarverfahrens davon ausgehen müsse, dass der Betroffene unschuldig sei, könne sie von dieser Annahme Abstand nehmen, wenn sie den Betroffenen belastende Tatsachen feststelle.

106. Sie sei jedoch weiterhin bereit, einen Betrag von 500 Euro als Ersatz des immateriellen Schadens zu zahlen, um den Kläger für die längere Zeit andauernde Unsicherheit zu entschädigen, in der er sich zwischen der Abgabe der letzten Stellungnahme des Disziplinarrats und dem Erlass der abschließenden Disziplinarentscheidung befunden habe.

Würdigung durch das Gericht

107. Nach ständiger Rechtsprechung wird die Haftung der Gemeinschaften ausgelöst, wenn die den Gemeinschaftsorganen vorgeworfene Handlung rechtswidrig ist, ein Schaden tatsächlich entstanden ist und zwischen der Handlung und diesem Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Urteile des Gerichts vom 9. Februar 1994 in der Rechtssache T-3/92, Latham/Kommission, Slg. ÖD 1994, I-A-23 und II-83, Randnr. 63, vom 15. Februar 1996 in der Rechtssache T-589/93, Ryan-Sheridan/FEACVT, Slg. ÖD 1996, IA27 und II-77, Randnr. 141, vom 28. September 1999 in der Rechtssache T-140/97, Hautem/BEI, Slg. ÖD 1999, IA171 und II897, Randnr. 83, und Willeme/Kommission, Randnr. 94).

108. Was die erste Voraussetzung - Rechtswidrigkeit der Handlung des Gemeinschaftsorgans - angeht, so hat das Gericht in diesem Urteil festgestellt, dass die Kommission mehrfach gegen das Statut und die Grundsätze des Disziplinarverfahrens verstoßen hat, was sich in der streitigen Entscheidung vom 5. April 2001 konkretisiert hat. Dieses Verhalten der Kommission stellt einen Amtsfehler dar, der geeignet ist, ihre Haftung auszulösen. Daher ist weiter zu prüfen, ob die geltend gemachten Schäden tatsächlich eingetreten sind und ob zwischen dem der Kommission zur Last gelegten Verhalten und diesen Schäden ein ursächlicher Zusammenhang besteht.

109. Was, erstens, den materiellen Schaden betrifft, so hat der Kläger in seinen Schriftsätzen weder zu Art noch zu Umfang dieses Schadens substanziiert vorgetragen. Er hat nur auf die Anwaltskosten verwiesen, die er habe tragen müssen, um seine Interessen zu vertreten, sowie auf die fehlerhafte Verhängung der Disziplinarstrafe und darauf, dass er sich gezwungen gesehen habe, gegen eine Entscheidung Beschwerde einzulegen, mit der ihm eine Beförderung verweigert worden sei. Was die Anwaltskosten angeht, so sind die im Verlauf des Strafverfahrens entstandenen Kosten im Rahmen der vorliegenden Rechtssache nicht erstattungsfähig, da zwischen dem angeblichen Schaden und dem Fehlverhalten der Kommission kein ursächlicher Zusammenhang besteht. Was allgemein die finanziellen Folgen der Anwendung der Disziplinarstrafe, insbesondere die entgangenen Einkünfte aufgrund der Entscheidung der Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe, betrifft, so hat die Kommission nach Artikel 233 EG die sich aus diesem Urteil ergebenden Maßnahmen zu ergreifen. Die vom Kläger geltend gemachten angeblichen Schäden im Zusammenhang mit der Ablehnung einer Beförderung schließlich betreffen das vorliegende Verfahren nicht.

110. Hinsichtlich des immateriellen Schadens gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass die Aufhebung des von einem Beamten angefochtenen Verwaltungsakts für sich allein eine angemessene und grundsätzlich hinreichende Entschädigung des Schadens darstellt, den der Beamte erlitten hat (Urteile des Gerichts vom 27. Februar 1992 in der Rechtssache T-165/89, Plug/Kommission, Slg. 1992, II-367, Randnr. 118, Hautem/BEI, Randnr. 82, und Willeme/Kommission, Randnr. 97). Im vorliegenden Fall sind jedoch in den im Rahmen des Disziplinarverfahrens ergangenen Entscheidungen und behördlichen Stellungnahmen Anschuldigungen gegen den Kläger erhoben worden, die sich als unzutreffend erwiesen haben. Überdies hat die Kommission das Disziplinarverfahren unter Verstoß gegen den Grundsatz der angemessenen Frist eingeleitet, und das Disziplinarverfahren hat sich darüber hinaus bis zur Verhängung der Disziplinarstrafe über fast drei Jahre hingezogen. Schließlich hat die Kommission das Disziplinarverfahren nicht bis zum Abschluss des Strafverfahrens gegen den Kläger ausgesetzt. Diese Umstände haben insgesamt eine Verletzung des Ansehens des Klägers sowie Störungen seines Privatlebens bewirkt und den Kläger in einen Zustand länger anhaltender Unsicherheit versetzt. Sie stellen einen immateriellen Schaden dar, der zu ersetzen ist. Dieser Schaden ist durch die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nicht angemessen ersetzt worden. Diese Aufhebung kann nämlich im vorliegenden Fall nicht zur rückwirkenden Beseitigung des dem Kläger entstandenen immateriellen Schadens führen.

111. Infolgedessen ist die Kommission zu verurteilen, dem Kläger einen Betrag als Ersatz seines immateriellen Schadens zu zahlen. Der dem Kläger von der Kommission angebotene Betrag von 500 Euro ist allerdings nicht ausreichend, um den entstandenen immateriellen Schaden angemessen auszugleichen. In Anbetracht der Umstände des vorliegenden Falles hält das Gericht einen Betrag von 8 000 Euro für billig und angemessen.

Kostenentscheidung:

Kosten

112. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag des Klägers sämtliche Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden::

1. Die Entscheidung der Kommission vom 5. April 2001, mit der gegen den Kläger die Disziplinarstrafe der Einstufung in eine niedrigere Dienstaltersstufe verhängt worden ist, wird aufgehoben.

2. Die Kommission wird verurteilt, dem Kläger 8 000 Euro als Ersatz des ihm entstandenen immateriellen Schadens zu zahlen.

3. Die Kommission trägt sämtliche Kosten.

Ende der Entscheidung

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