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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 25.06.2002
Aktenzeichen: T-311/00
Rechtsgebiete: Beschluss 94/90/EGKS


Vorschriften:

Beschluss 94/90/EGKS
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist, sind diejenigen Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen können.

Ein Schreiben des Generalsekretärs der Kommission, das im Wesentlichen die Feststellung enthält, die von einem Kläger begehrten Dokumente befänden sich nicht im Besitz der Kommission oder existierten nicht, hat zur Folge, dass der Zugang hierzu verweigert wird; damit beeinträchtigt es die Interessen des Klägers.

Unabhängig davon, ob die Kommission verpflichtet ist, gemäß dem Beschluss 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten Zugang zu den begehrten Dokumenten zu gewähren, handelt es sich bei einem solchen Schreiben um eine ablehnende Entscheidung, gegen die Klage erhoben werden kann.

( vgl. Randnrn. 30-32 )

2. Der Beschluss 94/90 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten ist ein Rechtsakt, der den Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu den im Besitz der Kommission befindlichen Dokumenten gewährt. Damit diese einem Antrag auf Zugang stattgeben kann, müssen diese Dokumente natürlich existieren. Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass entsprechend der in Bezug auf Gemeinschaftsrechtsakte bestehenden Rechtmäßigkeitsvermutung davon auszugehen ist, dass ein Dokument, zu dem der Zugang begehrt wird, nicht existiert, wenn dies von dem betreffenden Organ behauptet wird. Es handelt sich allerdings um eine einfache Vermutung, die der Kläger in jeder Weise aufgrund stichhaltiger und übereinstimmender Indizien widerlegen kann.

( vgl. Randnr. 35 )

3. Nach der Rechtsprechung braucht das Gericht einem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zur Berücksichtigung neuer Tatsachen nur stattzugeben, wenn die betroffene Partei sich auf Tatsachen von entscheidender Bedeutung beruft, die sie nicht schon vor dem Ende der mündlichen Verhandlung geltend machen konnte.

( vgl. Randnrn. 52-53 )


Urteil des Gerichts erster Instanz (Erste Kammer) vom 25. Juni 2002. - British American Tobacco (Investments) Ltd gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom - Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten - Existenz der Dokumente - Erledigung der Hauptsache - Ohne angemessenen Grund verursachte Kosten. - Rechtssache T-311/00.

Parteien:

In der Rechtssache T-311/00

British American Tobacco (Investments) Ltd, London (Vereinigtes Königreich), Prozeßbevollmächtigter: S. Crosby, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch U. Wölker, X. Lewis und M. Shotter als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

eklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 7. September 2000, mit der der Zugang zu bestimmten Dokumenten betreffend die vorbereitenden Arbeiten für den von der Kommission am 7. Januar 2000 vorgelegten Vorschlag KOM(1999) 594 endg. für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (ABl. C 150 E, S. 43) abgelehnt wurde,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf sowie der Richter M. Vilaras und N. J. Forwood,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2001, 25. Oktober 2001 und 5. März 2002,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Klägerin, die British American Tobacco International (Investments) Ltd, ist eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, die zum Konzern British American Tobacco gehört, der hauptsächlich Tabakwaren herstellt, vertreibt und verkauft.

2 Am 7. Januar 2000 legte die Kommission den Vorschlag KOM(1999) 594 endg. für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen (ABl. C 150 E, S. 43; im Folgenden: Richtlinienvorschlag) vor.

3 Mit Schreiben an die Kommission vom 6. Januar 2000 beantragte die Klägerin im Namen des Konzerns British American Tobacco auf der Grundlage des Beschlusses 94/90/EGKS, EG, Euratom über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58) die Mitteilung sämtlicher von der Kommission berücksichtigter Arbeiten der internationalen wissenschaftlichen Forschung und der die Beurteilung dieser Arbeiten durch die Kommission enthaltenden Berichte, auf die sie ihren Richtlinienvorschlag gestützt hatte, sowie der Sitzungsprotokolle der Krebssachverständigenausschüsse (d. h. des Ausschusses der Krebssachverständigen, des Ausschusses hochrangiger Krebssachverständiger und des Beratenden Ausschusses für die Krebsvorbeugung, im Folgenden insgesamt bezeichnet als Krebssachverständigenausschuss") mit der Beurteilung aller dieser Arbeiten.

4 Mit Schreiben vom 12. Juli 2000 übermittelte der Generaldirektor für Gesundheit und Verbraucherschutz" der Klägerin die am 2. Oktober 1996 in Helsinki verabschiedeten Empfehlungen des Ausschusses hochrangiger Krebssachverständiger betreffend Tabak (im Folgenden: Empfehlungen von 1996), die in den Anhang zur Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über die derzeitige und die vorgeschlagene Rolle der Gemeinschaft bei der Bekämpfung des Tabakkonsums aufgenommen wurden, sowie ein Verzeichnis der von den Dienststellen der Kommission bei der Ausarbeitung des Richtlinienvorschlags herangezogenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen.

5 Der Generaldirektor führte ferner aus, den Empfehlungen von 1996 seien umfangreiche vorbereitende Diskussionen unter den Auspizien des Ausschusses hochrangiger Krebssachverständiger vorausgegangen, an denen die Dienststellen der Kommission nicht beteiligt gewesen seien; ein amtliches Protokoll sei neben diesen Empfehlungen nicht verabschiedet worden. Wegen weiterer Auskünfte betreffend die diesen Empfehlungen zugrunde liegenden wissenschaftlichen Arbeiten schlug er der Klägerin vor, sich an den vom Vorsitzenden des Ausschusses hochrangiger Krebssachverständiger mit der Vorbereitung dieses Themas beauftragten Sachverständigen zu wenden.

6 Mit Schreiben vom 26. Juli 2000, das beim Generalsekretariat der Kommission am 28. Juli einging, stellte die Klägerin einen Zweitantrag im Sinne des Beschlusses 94/90, in dem sie geltend machte, die Antwort des Generaldirektors enthalte eine Weigerung, ihr Zugang zu den verlangten Dokumenten zu verschaffen.

7 Mit Schreiben vom 30. August 2000 teilte die Klägerin dem Generalsekretär der Kommission mit, die Frist für die Beantwortung des Zweitantrags sei am Vorabend abgelaufen, und wenn bis zum 7. September keine ausdrückliche Entscheidung ergangen sei, werde sie beim Gericht Nichtigkeitsklage erheben.

8 Mit Schreiben vom 7. September 2000 antwortete der Generalsekretär der Kommission, was die von der Klägerin angesprochenen internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und die von der Kommission hierüber erstellten Berichte angehe, seien die fraglichen Arbeiten von den wissenschaftlichen Sachverständigen, die die Empfehlungen von 1996 vorbereitet hätten, auf deren Grundlage die Kommission dann den Richtlinienvorschlag erarbeitet habe, geprüft worden. Diese Dokumente seien jedoch nicht in ihrer Gesamtheit dem Ausschuss hochrangiger Krebssachverständiger oder den Kommissionsdienststellen vorgelegt und auch nicht von ihnen geprüft worden. Zu dem Antrag auf Zugang zu den Sitzungsprotokollen des Krebssachverständigenausschusses betreffend die Beurteilung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten führte der Generalsekretär aus, keines dieser Protokolle habe ein solches Thema zum Gegenstand gehabt. Er schlug der Klägerin erneut vor, sich an den Sachverständigen, der die Empfehlungen von 1996 vorbereitet habe, zu wenden, wenn sie weitere Einzelheiten zu den durchgeführten wissenschaftlichen Arbeiten erhalten wolle.

9 Mit Klageschrift, die am 28. September 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

10 Auf den Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

11 Die Parteien haben in der Sitzung vom 20. Juni 2001 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet. Das Gericht hat in der Sitzung beschlossen, mehrere Zeugen zu laden, um festzustellen, ob im Rahmen der Ausarbeitung der Empfehlungen von 1996 Dokumente betreffend die internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zuvor dem Ausschuss hochrangiger Krebssachverständiger und/oder der hierzu eingesetzten Arbeitsgruppe übermittelt worden waren und ob über die Sitzungen dieses Ausschusses betreffend die Ausarbeitung der Empfehlungen von 1996 Protokolle angefertigt wurden. Das mündliche Verfahren wurde daher ausgesetzt.

12 Mit Beschluss vom 13. Juli 2001 ordnete das Gericht gemäß Artikel 68 seiner Verfahrensordnung von Amts wegen die Ladung von vier Zeugen sowie die Zahlung der für ihre Vernehmung erforderlichen Vorschüsse durch die Kasse des Gerichts an.

13 Am 24. Oktober 2001, einen Tag vor der für die Vernehmung der Zeugen anberaumten Sitzung, erhielt das Gericht ein Schreiben von Professor Veronesi, einem der geladenen Zeugen. Da er aus beruflichen Gründen nicht vor Gericht erscheinen konnte, beantwortete er die im Beschluss vom 13. Juli 2001 enthaltenen Fragen des Gerichts schriftlich und gab u. a. an, über die Sitzungen des Ausschusses hochrangiger Krebssachverständiger seien Protokolle angefertigt worden.

14 Am selben Tag übermittelte die Kommission der Klägerin die Protokolle der 22. und 23. Sitzung des Krebssachverständigenausschusses, die am 23. November 1995 in Luxemburg bzw. am 23. und 24. Mai 1996 in Mailand stattgefunden hatten, sowie das Protokoll der am 7. und 8. November 1996 in Dublin abgehaltenen Sitzung dieses Ausschusses.

15 Im Begleitschreiben zu diesen Dokumenten teilte die Kommission der Klägerin mit, sie werde ihr zwei weitere Dokumente übermitteln, sobald deren Verfasser sich hiermit einverstanden erklärt hätten.

16 Aufgrund dessen stellte das Gericht in der Sitzung vom 25. Oktober 2001 fest, dass die Vernehmung der Zeugen nicht erforderlich sei, und setzte eine Frist von drei Wochen für die Übermittlung neuer Dokumente an die Klägerin sowie für die Stellungnahme der Parteien zum weiteren Fortgang des Verfahrens. Das mündliche Verfahren wurde daher erneut ausgesetzt.

17 Am 14. November und am 5. Dezember 2001 übermittelte die Kommission der Klägerin neue Dokumente, nämlich

- den Schlussbericht des finnischen Ministers für Soziales und Gesundheit betreffend die unter den Auspizien des Krebssachverständigenausschusses am 2. Oktober 1996 in Helsinki abgehaltene Konsenskonferenz über den Tabakkonsum und die von Professor Boyle für diesen Ausschuss und diese Konferenz verfasste Studie Krebs, Tabakkonsum und vorzeitiger Tod in Europa" (Übermittlung am 14. November 2001);

- eine im Juli 1996 von der Health Promotion Wales" im Rahmen eines mit der Kommission geschlossenen Vertrages erstellte Bibliografie.

18 Mit Schreiben vom 10. Dezember 2001 ließ die Klägerin dem Gericht ihre Stellungnahme im Anschluss an die Übermittlung dieser Dokumente zukommen. Sie ersuchte das Gericht, ein Urteil zur Entscheidung über den Rechtsstreit zu erlassen und der Kommission alle Kosten, einschließlich derjenigen betreffend die Sitzung vom 25. Oktober 2001, aufzuerlegen.

19 Die Erklärungen der Kommission vom 21. Januar 2002 zu diesem Schreiben sind bei der Kanzlei des Gerichts am folgenden Tag eingegangen.

20 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Erste Kammer) beschlossen, das mündliche Verfahren fortzusetzen; im Rahmen der prozessleitenden Maßnahmen hat es die Kommission um Beantwortung einer schriftlichen Frage gebeten. Die Kommission ist dieser Bitte innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.

21 Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2002 hat die Klägerin einen Antrag auf prozessleitende Maßnahmen mit dem Ziel gestellt, von der Kommission Auskunft über das Vorliegen einer internen schriftlichen Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten zu erlangen. Die Kommission hat diesem Antrag mit Schreiben vom 19. Februar 2002 widersprochen.

22 Unmittelbar vor Beginn der Sitzung vom 5. März 2002 hat die Kommission der Klägerin und dem Gericht ein neues Dokument übermittelt. Die Parteien haben in dieser Sitzung mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

23 Mit Fernkopie vom 6. Juni 2002 hat die Klägerin einen Antrag auf prozessleitende Maßnahmen gestellt, zwecks Berücksichtigung neuer Tatsachen durch das Gericht.

Anträge der Parteien

24 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung vom 7. September 2000 für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

25 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- hilfsweise, die Klage als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

26 Diese Anträge sind im Laufe des Verfahrens angesichts der durch die Übermittlung verschiedener Dokumente seitens der Kommission an die Klägerin bedingten Entwicklung der ursprünglichen Gegebenheiten des Rechtsstreits teilweise geändert worden (siehe unten, Randnr. 34).

Zulässigkeit

Vorbringen der Parteien

27 Die Kommission trägt vor, die Klage sei unzulässig, da das Schreiben des Generalsekretärs vom 7. September 2000, gegen das sie gerichtet sei, die Rechtsstellung der Klägerin nicht beeinträchtige und daher nicht anfechtbar sei.

28 Durch das Schreiben des Generaldirektors Gesundheit und Verbraucherschutz" vom 12. Juli 2000 habe die Kommission bereits Zugang zu den in ihrem Besitz befindlichen Dokumenten, die in den Anwendungsbereich des Verhaltenskodex fielen, gewährt. Das anschließende Schreiben des Generalsekretärs vom 7. September 2000 habe daher keine Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten, die in den Anwendungsbereich des Verhaltenskodex fielen, wie er in der Form des Beschlusses 94/90 verabschiedet worden sei, enthalten.

29 Die Klägerin hält dem entgegen, mit ihrem Schreiben vom 7. September 2000 habe die Kommission es abgelehnt, in ihrem Besitz befindliche oder unter ihrer Kontrolle stehende Dokumente zu übermitteln; damit handele es sich um eine Entscheidung, die ihre Rechtsstellung beeinträchtige und gegen die Nichtigkeitsklage gegeben sei.

Würdigung durch das Gericht

30 Nach ständiger Rechtsprechung sind Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist, diejenigen Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen können (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 22. Juni 2000 in der Rechtssache C-147/96, Niederlande/Kommission, Slg. 2000, I-4723, Randnr. 25, und die dort angeführte Rechtsprechung).

31 Im vorliegenden Fall hat das Schreiben des Generalsekretärs der Kommission vom 7. September 2000, das im Wesentlichen die Feststellung enthält, die begehrten Dokumente befänden sich nicht im Besitz der Kommission oder existierten nicht, zur Folge, dass der Zugang hierzu verweigert wird; damit beeinträchtigt es die Interessen der Klägerin.

32 Die Behauptung, die Kommission habe nicht den Zugang zu Dokumenten, die in den Anwendungsbereich des Verhaltenskodex" in der durch den Beschluss 94/90 verabschiedeten Form fielen, verweigert, kann diese Feststellung nicht entkräften. Unabhängig davon, ob die Kommission verpflichtet war, Zugang zu den genannten Dokumenten zu gewähren, handelt es sich um eine ablehnende Entscheidung, gegen die Klage erhoben werden kann.

33 Die vorliegende Klage ist daher zulässig.

Begründetheit

34 Im Laufe des vorliegenden Verfahrens hat die Kommission der Klägerin mehrfach verschiedene Dokumente übermittelt, was zu einer Änderung der ursprünglichen Gegebenheiten des Rechtsstreits geführt hat. Das Gericht hält es für erforderlich, die Auswirkungen dieser Übermittlungen im Hinblick auf die im Antrag auf Gewährung des Zugangs vom 6. Juni 2000 angeführten drei Kategorien von Dokumenten zu prüfen.

Protokolle der Sitzungen des Krebssachverständigenausschusses betreffend die Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten

35 Der Beschluss 94/90 ist ein Rechtsakt, der den Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu den im Besitz der Kommission befindlichen Dokumenten gewährt. Damit diese einem Antrag auf Zugang stattgeben kann, müssen diese Dokumente natürlich existieren. Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass entsprechend der in Bezug auf Gemeinschaftsrechtsakte bestehenden Rechtmäßigkeitsvermutung davon auszugehen ist, dass ein Dokument, zu dem der Zugang begehrt wird, nicht existiert, wenn dies von dem betreffenden Organ behauptet wird. Es handelt sich allerdings um eine einfache Vermutung, die der Kläger in jeder Weise aufgrund stichhaltiger und übereinstimmender Indizien widerlegen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache T-123/99, JT's Corporation/Kommission, Slg. 2000, II-3269, Randnr. 58).

36 Im vorliegenden Fall übermittelte die Kommission der Klägerin die Protokolle der 22. und 23. Sitzung des Krebssachverständigenausschusses, die am 23. November 1995 in Luxemburg bzw. am 23. und 24. Mai 1996 in Mailand stattgefunden hatten, sowie das Protokoll der am 7. und 8. November 1996 in Dublin abgehaltenen Sitzung dieses Ausschusses.

37 Im Rahmen ihrer Erklärungen vom 10. Dezember 2001 hat die Klägerin vorgetragen, die von der Kommission am 24. Oktober 2001 übermittelten Protokolle der Sitzungen des Krebssachverständigenausschusses enthielten keine Bewertungen der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten. Unter der Voraussetzung, dass sie nunmehr im Besitz aller Protokolle des genannten Ausschusses sei, worum sie die Kommission um Bestätigung bittet, räumt die Klägerin ein, dass ihre Klage nicht begründet sei, soweit es um diese Kategorie von Dokumenten gehe.

38 In ihren Erklärungen vom 21. Januar 2002 hat die Kommission bestätigt, dass die Klägerin im Besitz aller einschlägigen Sitzungsprotokolle des Krebssachverständigenausschusses sei; sie hat geltend gemacht, die Klage sei insoweit nicht begründet.

39 Die Klägerin hat keine stichhaltigen oder gar übereinstimmenden Indizien im Sinne des Urteils JT's Corporation/Kommission beigebracht, die Zweifel an der Behauptung der Kommission zuließen, weder diese selbst noch der Krebssachverständigenausschuss besäßen Protokolle über die Sitzungen dieses Ausschusses betreffend die Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, auf die sich der Antrag auf Zugang bezieht.

40 Aufgrund dessen ist festzustellen, dass die Klägerin im Besitz aller einschlägigen Sitzungsprotokolle des Krebssachverständigenausschusses ist und dass diese Protokolle keine Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten enthalten, wie sie dem Antrag auf Zugang zugrunde liegt. Die Klage ist daher, soweit es um die hier geprüfte Kategorie von Dokumenten geht, als unbegründet abzuweisen.

Dokumente betreffend die von der Kommission berücksichtigte internationale wissenschaftliche Forschung

41 Das Gericht stellt fest, dass die Kommission der Klägerin die Liste der von ihren Dienststellen herangezogenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, eine von Professor Boyle für diesen Ausschuss und diese Konferenz verfasste Studie Krebs, Tabakkonsum und vorzeitiger Tod in Europa" und eine im Juli 1996 von der Health Promotion Wales" im Rahmen eines mit der Kommission geschlossenen Vertrages erstellte Bibliografie, von der ein Exemplar unmittelbar an Herrn J. Ryan, Referatsleiter in der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz" der Kommission, gerichtet war, übermittelt worden war.

42 In ihren Erklärungen vom 10. Dezember 2001 hat die Klägerin im Wesentlichen ausgeführt, vorbehaltlich einer Bestätigung der Kommission, dass diese nicht im Besitz anderer Schriftstücke sei, die unter die genannte Kategorie fallen könnten, sei ihre Klage gegenstandslos geworden, was diese Dokumentenkategorie angehe.

43 In Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts hat die Kommission klargestellt, dass - abgesehen von den der Klägerin bereits übermittelten Dokumenten - keine anderen Dokumente in ihrem Besitz oder demjenigen des Krebssachverständigenausschusses seien, die unter die Kategorie der die internationale wissenschaftliche Forschung betreffenden Dokumente fielen, auf deren Grundlage sie den Richtlinienvorschlag ausgearbeitet habe.

44 In der Sitzung vom 5. März 2002 hat die Klägerin bestätigt, dass in Bezug auf diese Dokumentenkategorie kein Streit mehr bestehe.

45 Nach Auffassung des Gerichts ist die Klage folglich gegenstandslos geworden, was die hier geprüfte Dokumentenkategorie angeht; insoweit ist die Sache daher erledigt.

Protokolle der Kommission betreffend die Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten, auf die der Richtlinienvorschlag gestützt ist

46 In der Sitzung vom 5. März 2002 hat die Kommission ausgeführt, das der Klägerin unmittelbar vor Sitzungsbeginn übermittelte Dokument sei vor der Ausarbeitung des Richtlinienvorschlags abgefasst und ihren Dienststellen zugeleitet worden, und zwar von einem Berater in Namen des Organs; es sei das einzige Dokument, das dem Antrag der Klägerin entspreche. Sie hat ferner bestätigt, dass dieses Dokument als das ihre anzusehen sei.

47 Die Klägerin trägt vor, das betreffende Dokument sei nicht oder enthalte nicht die Bewertung der genannten Arbeiten durch die Kommission, wie sie Gegenstand ihres Antrags auf Zugang sei; sie könne allerdings keinen weiter gehenden Beweis für ihre Behauptung anbieten, dass eine solche interne Bewertung existiere.

48 Das Gericht stellt fest, dass das fragliche Dokument, das im Namen der Kommission verfasst wurde und ein in deren Besitz befindliches Dokument darstellt, eine Beurteilung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten enthält, auf die in zahlreichen Fußnoten Bezug genommen wird. Diese Beurteilung erstreckt sich u. a. auf Fragen des maximalen Teer- und Nikotingehalts je Zigarette sowie auf die Verwendung der Begriffe light" und mild" zur Einstufung bestimmter Zigaretten und die Auswirkung dieser Begriffe auf den Tabakkonsum.

49 Aufgrund dessen sowie mangels stichhaltiger und übereinstimmender Indizien dafür, dass es ein anderes Dokument gibt, das eine schriftliche Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten durch die Kommission enthält (vgl. in diesem Sinne das Urteil JT's Corporation/Kommission, Randnr. 58), ist das Gericht der Auffassung, dass dem Antrag der Klägerin auf Zugang insoweit stattgegeben wurde. Die Klage ist daher gegenstandslos, soweit es um diese letztgenannte Kategorie von Dokumenten geht.

Zu den Anträgen auf prozessleitende Maßnahmen

50 Nach Auffassung des Gerichts ist dem von der Klägerin mit Schriftsatz vom 5. Februar 2002 gestellten Antrag auf prozessleitende Maßnahmen nicht stattzugeben, da der Antrag im gegenwärtigen Stadium für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zweckdienlich ist (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 22. Februar 2000 in der Rechtssache T-138/98, ACAV u. a./Rat, Slg. 2000, II-341, Randnr. 72).

51 Mit dem Antrag vom 6. Juni 2002 ersucht die Klägerin das Gericht um Berücksichtigung neuer Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem von ihr am 22. April 2002 an die Kommission gerichteten Antrag auf Zugang zu Dokumenten und der von dieser mit Schreiben vom 6. Juni 2002 gegebenen Antwort eingetreten seien.

52 Der Antrag der Klägerin ist unter diesen Umständen dahin auszulegen, dass es in Wirklichkeit um eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zur Berücksichtigung von angeblich neuen Tatsachen geht.

53 Nach der Rechtsprechung braucht das Gericht einem solchen Antrag nur stattzugeben, wenn die betroffene Partei sich auf Tatsachen von entscheidender Bedeutung beruft, die sie nicht schon vor dem Ende der mündlichen Verhandlung geltend machen konnte (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-200/92 P, ICI/Kommission, Slg. 1999, I-4399, Randnrn. 60 und 61).

54 Die von der Klägerin vorgetragenen neuen Tatsachen betreffen zwei angebliche Widersprüche zwischen den Erklärungen des Vertreters der Kommission in der Sitzung vom 5. März 2002 und den Antworten der Kommission auf den Antrag der Klägerin auf Akteneinsicht vom 22. April 2002; zum einen geht es um den Zeitpunkt, zu dem das von der Kommission unmittelbar vor Beginn der genannten Sitzung übermittelte Dokument erstellt wurde, und zum anderen um dessen Adressaten.

55 Entgegen den Erklärungen des Vertreters der Kommission sei das betreffende Dokument weder nach 1998 erstellt worden, da es der Kommission von seinem Verfasser im Herbst 1998 übersandt worden sei, noch sei es dem Kabinett des für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständigen Kommissionsmitglieds übermittelt worden, sondern lediglich den Dienststellen der Kommission.

56 Die Klägerin schließt hieraus, dass das fragliche Dokument der Kommission bis zur Sitzung vom 5. März 2002 unbekannt gewesen sei, dass es nicht unter die - als interne Protokolle über die Prüfung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten betreffend den Tabakkonsum bezeichnete - Kategorie von Dokumenten falle, auf die sich ihr ursprünglicher Antrag auf Akteneinsicht vom 6. Juni 2000 bezogen habe und auf die der Richtlinienvorschlag KOM(1999) 594 endg. gestützt worden sei, und dass es vom Gericht in seinem Urteil nicht als solches anerkannt werden könne.

57 Keine dieser Tatsachen kann entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits im Sinne der zitierten Rechtsprechung haben.

58 Der Widerspruch hinsichtlich des Zeitpunkts der Erstellung des betreffenden Dokuments und seiner Übermittlung an die Kommission ist nämlich ohne jede Bedeutung, da das Dokument, unabhängig davon, welcher Zeitpunkt zugrunde gelegt wird - Herbst 1998 oder nach 1998 - aus der Zeit vor dem Richtlinienvorschlag vom 7. Januar 2000 stammt, dem einzigen Zeitpunkt, der im Zusammenhang mit der Einstufung des streitigen Dokuments und dem Gegenstand des in Randnummer 3 dieses Urteils dargestellten Antrags der Klägerin auf Zugang zu den Dokumenten, über den allein das Gericht im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits zu entscheiden hat, erheblich ist.

59 Der angebliche Widerspruch hinsichtlich des Adressaten des Dokuments ist ebenfalls unerheblich, da das betreffende Dokument, das für die Kommission erstellt wurde, dieser unstreitig übermittelt wurde und ein Dokument ist, das sich in ihrem Besitz befindet.

60 Die in Randnummer 56 dieses Urteils erwähnten Schlussfolgerungen der Klägerin enthalten keine neue Tatsache im eigentlichen Sinne, sondern beruhen auf einer Einschätzung der Klägerin; es obliegt allein dem Gericht, die genaue Einstufung des betreffenden Dokuments vorzunehmen.

61 Der Antrag der Klägerin vom 6. Juni 2002, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, ist daher zurückzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

62 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 3 kann das Gericht jedoch auch der obsiegenden Partei die Kosten auferlegen, die sie der Gegenpartei ohne angemessenen Grund oder böswillig verursacht hat. Nach Artikel 87 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet das Gericht im Übrigen nach freiem Ermessen über die Kosten, wenn es die Hauptsache für erledigt erklärt.

63 Wie das Gericht bereits festgestellt hat, ist die Klage zwar gegenstandslos geworden, soweit es um die Dokumente betreffend die von der Kommission berücksichtigten internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten und um die von dieser vorgenommene schriftliche Bewertung dieser Arbeiten geht; sie ist jedoch als unbegründet abzuweisen, soweit es um die aus den Sitzungsprotokollen des Krebssachverständigenausschusses betreffend die Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten bestehende Kategorie von Dokumenten geht.

64 In ihren Erklärungen vom 21. Januar 2002 trägt die Kommission ausdrücklich vor, die der Klägerin am 24. Oktober 2001 übermittelten Sitzungsprotokolle des Krebssachverständigenausschusses hätten dieser bereits auf ihren ersten Antrag hin übermittelt werden müssen, und räumt ein, dass dieser durch die Erhebung ihrer Klage Kosten entstanden seien, die normalerweise nicht erforderlich gewesen wären. Die Kommission erkennt damit an, dass ihr Verhalten die Entstehung des Rechtsstreits begünstigt hat und der Klägerin unnötige Kosten verursacht hat.

65 Das Gericht stellt weiter fest, dass die Kommission erst nach der Anordnung der Zeugenvernehmung und nach der schriftlichen Aussage eines der Zeugen am Tag vor der für die Zeugenvernehmung anberaumten Sitzung die einschlägigen Protokolle des Krebssachverständigenausschusses gefunden und diese der Klägerin übermittelt hat. Die Kommission hat ferner beinahe 21 Monate nach dem ursprünglichen Antrag auf Zugang und nachdem sie regelmäßig seine Existenz bestritten hatte, ein Dokument aufgefunden, das sie der Klägerin nur wenige Minuten vor Beginn der Sitzung vom 5. März 2002 übermittelt hat.

66 Angesichts des in besonderem Maße zu bedauernden Verhaltens der Kommission im Rahmen dieser Rechtssache hat diese neben ihren eigenen Kosten sämtliche Kosten der Klägerin zu tragen, mit Ausnahme derjenigen, die mit dem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verbunden sind, da dieser unangebracht war.

67 Aufgrund dessen hat die Kommission dem Gericht auch die von der Kasse des Gerichts in Zusammenhang mit der von Amts wegen erfolgten Ladung der Zeugen gezahlten Vorschüsse zu erstatten.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird insoweit abgewiesen, als sie die aus den Sitzungsprotokollen des Krebssachverständigenausschusses betreffend die Bewertung der internationalen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten bestehende Kategorie von Dokumenten betrifft.

2. Im Übrigen ist das Verfahren erledigt.

3. Die Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Klägerin, mit Ausnahme derjenigen, die mit dem Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verbunden sind. Sie trägt ferner die Kosten für die Ladung der Zeugen.

Ende der Entscheidung

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