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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: T-311/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 2003/33/EG, Richtlinie 98/43/EG


Vorschriften:

Richtlinie 2003/33/EG Art. 5 Abs. 1
Richtlinie 2003/33/EG Art. 2
Richtlinie 2003/33/EG Art. 5
Richtlinie 2003/33/EG Art. 10
Richtlinie 2003/33/EG Art. 11
Richtlinie 98/43/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

29. Juni 2006

"Nichtigkeitsklage - Richtlinie 2003/33/EG - Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen - Verbot des Sponsorings von Veranstaltungen oder Aktivitäten, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind - Klagebefugnis - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-311/03

Nürburgring GmbH mit Sitz in Nürburg/Eifel (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H.-J. Rabe im Beistand von Professor M. Dauses,

Klägerin,

unterstützt durch

Hockenheim-Ring GmbH mit Sitz in Hockenheim (Deutschland), Prozessbevollmächtigter: Professor M. Dauses,

sowie

Exploitatie Circuit Park Zandvoort BV mit Sitz in Zandvoort (Niederlande), Prozessbevollmächtigter: Professor M. Dauses,

Streithelferinnen,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch E. Waldherr und U. Rösslein als Bevollmächtigte,

und

Rat der Europäischen Union, vertreten durch E. Karlsson und J.-P. Hix als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä, A. Guimaraes-Purokoski und E. Bygglin als Bevollmächtigte,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M.-J. Jonczy, L. Pignataro-Nolin und F. Hoffmeister als Bevollmächtigte,

sowie

Königreich Spanien, vertreten durch L. Fraguas Gadea als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

betreffend einen Antrag auf Nichtigerklärung der Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vorn 26. Mai 2003 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. L 152, S. 16) und insbesondere ihres Artikels 5 Absatz 1

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters M. Vilaras sowie der Richterinnen E. Martins Ribeiro und K. Jürimäe,

Kanzler: E. Coulon,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1 Am 6. Juli 1998 erließen das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 98/43/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. L 213, S. 9, im Folgenden: Erste Richtlinie über die Tabakwerbung).

2 Mit Urteil vom 5. Oktober 2000 in der Rechtssache C-376/98 (Deutschland/Parlament und Rat, Slg. 2000, I-8419) erklärte der Gerichtshof die oben genannte Richtlinie wegen unzutreffender Wahl ihrer Rechtsgrundlage für nichtig.

3 Am 26. Mai 2003 erließen das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 2003/33/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. L 152, S. 16, im Folgenden: streitige Richtlinie), die die für nichtig erklärte Richtlinie ersetzt.

4 Die streitige Richtlinie bestimmt u. a.:

"Artikel 2

Definitionen

Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

...

c) 'Sponsoring' jede Art von öffentlichem oder privatem Beitrag zu einer Veranstaltung oder Aktivität oder jede Art von Unterstützung von Einzelpersonen mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern;

...

Artikel 5

Sponsoring von Veranstaltungen

(1) Sponsoring von Veranstaltungen oder Aktivitäten, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind, die in mehreren Mitgliedstaaten stattfinden oder die eine sonstige grenzüberschreitende Wirkung haben, ist verboten.

...

Artikel 10

Umsetzung

(1) Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spätestens ab dem 31. Juli 2005 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

...

Artikel 11

Inkrafttreten

Diese Richtlinie tritt am Tag ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft."

Sachverhalt

5 Die Nürburgring GmbH ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsanteile zu 90 % vom Land Rheinland-Pfalz und zu 10 % vom Landkreis Ahrweiler gehalten werden. Sie betreibt die Rennstrecken "Nürburgring".

6 Nach der Satzung ist die Förderung des Kraftfahrzeugwesens und des Motorsports mit dem Ziel, zur Verkehrsertüchtigung der Fahrer und zur technischen Verbesserung der Fahrzeuge beizutragen, Gegenstand des Unternehmens (§ 2 der Satzung). Der Betrieb der Rennstrecken "Nürburgring" und ihrer Einrichtungen soll außerdem den Fremdenverkehr im Eifelraum fördern. Nach ihrer Satzung unterliegt die Nürburgring GmbH der Kontrolle des Landesrechnungshofs Rheinland-Pfalz (§ 16 der Satzung).

7 Von 1982 bis 1984 wurde die Grand-Prix-Strecke "Nürburgring" neu gebaut, um weiterhin Rennsport und insbesondere die Veranstaltung von Formel-1-Weltmeisterschaftsläufen zu ermöglichen. Die Finanzierung der erforderlichen Investition wurde durch staatliche Darlehen ermöglicht.

8 Seit dem Neubau der Grand-Prix-Strecke findet auf dem Nürburgring mit Ausnahme einer Unterbrechung von 1986 bis 1994 jedes Jahr ein Formel-1-Grand-Prix-Rennen statt. Der Umsatz der Klägerin ist von 7,5 Millionen Euro im Jahre 1994, dem letzten Jahr, in dem der Formel-1-Grand-Prix nicht auf der genannten Rennstrecke stattfand, auf 17 Millionen Euro im Jahr 1995 gestiegen und erreichte im Jahr 2002 38 Millionen Euro.

9 Die Finanzierung der Formel-1-Rennen beruht in weitem Umfang auf der Beteiligung großer Tabakunternehmen, die Sponsoren verschiedener Rennställe sind. Die pro Saison von der Tabakindustrie als Sponsorengelder gezahlten Summen übersteigen den Betrag von 260 Millionen Euro, zu dem noch die Mittel hinzukommen, die für die Übertragungsrechte eingenommen werden. Die Veranstaltung der Formel-1-Rennen erfolgt durch die Fédération internationale de l'automobile, die die Vermarktungsrechte für dieses Ereignis an die SCLE Holdings abgetreten hat. Deren Tochtergesellschaft Formula One Management (FOM) schließt Verträge mit den Gesellschaften ab, die in den einzelnen Ländern die Formel-1-Rennen durchführen. Der Vertrag, der zwischen der Nürburgring GmbH und der FOM zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage bestand, endete im Jahr 2004.

Verfahren und Anträge der Parteien

10 Mit Klageschrift, die am 9. September 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Bundesrepublik Deutschland eine unter der Rechtssachennummer C-380/03 eingetragene Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Richtlinie erhoben.

11 Mit Klageschrift, die am 12. September 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

12 Mit gesonderten Schriftsätzen, die bei der Kanzlei des Gerichts am 1. bzw. 3. Dezember 2003 eingegangen sind, haben das Parlament und der Rat nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts die Einrede der Unzulässigkeit erhoben.

13 Mit beim Gericht am 4. November, 19. Dezember bzw. 23. Dezember 2003 eingegangenen Schriftsätzen haben die Republik Finnland, die Kommission und das Königreich Spanien beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Beklagten zugelassen zu werden.

14 Mit beim Gericht am 9. Oktober bzw. 17. November 2003 eingegangenen Schriftsätzen haben die Hockenheim-Ring GmbH (im Folgenden: Hockenheim) und die Exploitatie Circuit Park Zandvoort BV (im Folgenden: Zandvoort) beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Klägerin zugelassen zu werden.

15 Keine der Parteien hat Einwände gegen die Anträge auf Zulassung als Streithelfer geltend gemacht.

16 Nach Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts hat die Klägerin beantragt, bestimmte vertrauliche Bestandteile der Klageschrift von der Übermittlung an die Streithelfer auszunehmen. Demgemäß hat sie am 25. November 2003 eine nichtvertrauliche Fassung der Klageschrift vorgelegt.

17 Mit Beschluss vom 1. April 2004 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts den oben genannten Streithilfeanträgen stattgegeben und beschlossen, den Streithelfern eine nichtvertrauliche Fassung aller Verfahrensunterlagen zu übermitteln und ihnen eine Frist zur Stellungnahme zum Antrag auf vertrauliche Behandlung zu setzen.

18 Keiner der Streithelfer hat zum Antrag auf vertrauliche Behandlung Stellung genommen.

19 Mit am 12. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin zu den vom Parlament und vom Rat erhobenen Einreden der Unzulässigkeit Stellung genommen.

20 Mit Schreiben vom 15. April 2004 hat das Gericht die Streithelfer aufgefordert, auf die Frage der Zulässigkeit der Klage beschränkte Schriftsätze einzureichen, was binnen der gesetzten Fristen geschehen ist.

21 Die Klägerin beantragt in ihrer Klageschrift,

- die streitige Richtlinie und insbesondere deren Artikel 5 Absatz 1 für nichtig zu erklären;

- den Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

22 Die Klägerin beantragt ferner,

- dass sich das Gericht nach Artikel 54 Absatz 3 der Satzung des Gerichtshofes für nicht zuständig erklärt, damit der Gerichtshof über die Klage entscheiden kann;

- hilfsweise, das Verfahren nach Artikel 54 Absatz 3 der Satzung des Gerichtshofes bis zum Erlass des Urteils des Gerichtshofes in der Rechtssache C-380/03 auszusetzen.

23 In ihren Unzulässigkeitseinreden beantragen die Beklagten, die von der Kommission, dem Königreich Spanien und der Republik Finnland unterstützt werden,

- vorab über die Zulässigkeit der Klage zu entscheiden;

- die Klage als unzulässig abzuweisen.

24 Die Kommission beantragt außerdem, die von der Klägerin gemäß Artikel 54 Absatz 3 der Satzung des Gerichtshofes gestellten Anträge auf Erlass einer Zwischenentscheidung zurückzuweisen.

25 Die Beklagten, die von der Kommission und dem Königreich Spanien unterstützt werden, beantragen außerdem, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

26 In ihrer Stellungnahme zu den Einreden der Unzulässigkeit beantragt die Klägerin,

- die Anträge der Beklagten auf Vorabentscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Klage zurückzuweisen;

- die Entscheidung über die Zulässigkeit dem Endurteil vorzubehalten;

- hilfsweise, die Klage vorab für zulässig zu erklären.

27 In ihren Streithilfeschriftsätzen beantragen die Hockenheim und die Zandvoort, die Unzulässigkeitseinrede zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

28 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Einreden der Unzulässigkeit entscheiden. Nach Artikel 114 § 3 wird über den Antrag mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung über den Antrag zu entscheiden.

29 Das Parlament und der Rat, die von der Kommission, dem Königreich Spanien und der Republik Finnland unterstützt werden, stützen die Einrede der Unzulässigkeit auf die Natur des angefochtenen Rechtsakts und auf den Umstand, dass die Klägerin weder unmittelbar noch individuell im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG von der streitigen Richtlinie betroffen sei.

Zur Natur der angefochtenen Handlung

Vorbringen der Parteien

30 Das Parlament und der Rat machen geltend, dass Artikel 230 Absatz 4 EG für den Einzelnen keine direkte Klagemöglichkeit gegen eine Richtlinie vorsehe (Urteil des Gerichts vom 27. Juni 2000 in den Rechtssachen T-172/98, T-175/98 bis T-177/98, Salamander u. a./Parlament und Rat, Slg. 2000, II-2487, Randnrn. 27 und 28).

31 Richtlinien seien zwar wie Verordnungen normative Maßnahmen mit allgemeiner Geltung, unterschieden sich jedoch von Verordnungen insofern, als ihre Bestimmungen, um Rechtswirkungen zu entfalten, wie in Artikel 249 EG vorgesehen, in das einzelstaatliche Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt werden müssten; Rechte und Verpflichtungen für Einzelne könnten nur durch die nationalen Umsetzungsvorschriften begründet werden (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 7. März 1996 in der Rechtssache C-192/94, El Corte Inglés, Slg. 1996, I-1281, Randnr. 15 und zitierte Rechtsprechung). Die Gemeinschaftsgerichte hätten folglich bisher keine Nichtigkeitsklage eines Einzelnen gegen eine Richtlinie zugelassen. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin nicht den Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinie abgewartet, da sie ihre Klage vor Ablauf dieser Frist, der auf den 31. Juli 2005 festgesetzt worden sei, erhoben habe.

32 Der Rat, die Kommission und das Königreich Spanien fügen hinzu, dass nach Artikel 230 Absatz 4 EG eine natürliche oder juristische Person eine Nichtigkeitsklage nur gegen eine an sie ergangene Entscheidung oder gegen eine Entscheidung richten könne, die, obwohl sie als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sei, sie unmittelbar und individuell betreffe. Somit könnten nur Maßnahmen angefochten werden, die keine allgemeine Geltung hätten. Bei Richtlinien handele es sich hingegen um Normativakte, die eine Vielzahl von Fällen regelten und deren Adressaten die Mitgliedstaaten seien. Sie seien somit Handlungen, die in der Regel keinen Entscheidungscharakter aufwiesen.

33 Im vorliegenden Fall gehe aus dem Wortlaut und dem Inhalt der streitigen Richtlinie klar hervor, dass es sich um eine Maßnahme mit allgemeiner Geltung handele, die abstrakt auf objektiv festgelegte Situationen Anwendung finde. Die streitige Richtlinie könne somit nicht als eine verschleierte Entscheidung betrachtet werden, was die Klägerin in ihrer Klageschrift nicht bestritten habe.

34 Hierzu macht die Kommission insbesondere geltend, dass Artikel 5 Absatz 1 keinen Entscheidungscharakter habe, weil das Sponsoringverbot, das er vorsehe, alle Wirtschaftsteilnehmer in sämtlichen Mitgliedstaaten betreffe. Es handele sich somit um eine Vorschrift, die der in Artikel 3 der Ersten Richtlinie über die Tabakwerbung gleiche, deren normativen Charakter das Gericht im oben in Randnummer 30 zitierten Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat (Randnr. 28) ausdrücklich bestätigt habe. Nach Auffassung der Kommission ist die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen.

35 Die von der Hockenheim und der Zandvoort unterstützte Klägerin macht geltend, dass die Rechtsprechung Einzelnen die Möglichkeit einräume, eine Richtlinie in dem Fall anzufechten, dass eine Entscheidung nur dem äußeren Schein nach eine Richtlinie sei, weil die bloße Wahl der Form der Richtlinie die Einzelnen an der Ausübung der Klagerechte nicht hindern könne, die der Vertrag ihnen zur Verfügung stelle (Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998 in der Rechtssache T-135/96, UEAPME/Rat, Slg. 1998, II-2335, Randnr. 63). Es könne dahingestellt bleiben, ob Artikel 5 der streitigen Richtlinie aufgrund seiner Natur und seiner rechtlichen Wirkung ein echter Normativakt sei. Wie sich aus dem oben in Randnummer 30 zitierten Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat (Randnrn. 30 und 31) ergebe, stehe die Tatsache allein, dass Artikel 230 Absatz 4 EG die Richtlinien nicht erwähne, einer materiellen Prüfung durch das Gericht dahin gehend, ob eine von einem Einzelnen angefochtene Richtlinie gemeinschaftsrechtswidrig sei, nicht entgegen.

Würdigung durch das Gericht

36 Zwar behandelt Artikel 230 Absatz 4 EG die Zulässigkeit der von Einzelnen gegenüber einer Richtlinie erhobenen Nichtigkeitsklagen nicht ausdrücklich; der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist jedoch zu entnehmen, dass dies allein nicht ausreicht, solche Klagen für unzulässig zu erklären (Urteil des Gerichtshofes vom 29. Juni 1993 in der Rechtssache C-298/89, Gibraltar/Rat, Slg. 1993, I-3605, Beschluss des Gerichtshofes vom 23. November 1995 in der Rechtssache C-10/95 P, Asocarne/Rat, Slg. 1995, I-4149, oben in Randnr. 35 zitiertes Urteil UEAPME/Rat, Randnr. 63, und Beschluss des Gerichts vom 6. Mai 2003 in der Rechtssache T-321/02, Vannieuwenhuyze-Morin/Parlament und Rat, Slg. 2003, II-1997, Randnr. 21).

37 Die Gemeinschaftsorgane können im Übrigen den gerichtlichen Rechtsschutz, den Artikel 230 Absatz 4 EG für die Einzelnen vorsieht, nicht allein durch die Wahl der Form der betreffenden Handlung ausschließen (Urteil des Gerichtshofes vom 17. Juni 1980 in den Rechtssachen 789/79 und 790/79, Calpak/Kommission, Slg. 1980, 1949, Randnr. 7, und oben in Randnr. 36 zitierter Beschluss Vannieuwenhuyze-Morin/Parlament und Rat, Randnr. 21).

38 Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff "Entscheidung" in Artikel 230 Absatz 4 EG in dem sich aus Artikel 249 EG ergebenden technischen Sinn aufzufassen und das Merkmal zur Unterscheidung zwischen einem Rechtsetzungsakt und einer Entscheidung im Sinne des letztgenannten Artikels darin zu sehen ist, ob die fragliche Maßnahme allgemeine Geltung hat (oben in Randnr. 36 zitiertes Urteil Gibraltar/Rat, Randnr. 15).

39 Zum anderen binden Richtlinien zwar grundsätzlich nur ihre Adressaten, d. h. die Mitgliedstaaten, sind aber normalerweise ein Mittel der indirekten Rechtsetzung. Im Übrigen hat der Gerichtshof Richtlinien bereits als Maßnahmen mit allgemeiner Geltung qualifiziert (vgl. oben in Randnr. 36 zitiertes Urteil Gibraltar/Rat, Randnr. 16 und zitierte Rechtsprechung, oben in Randnr. 36 zitierten Beschluss Asocarne/Rat, Randnr. 29, und oben in Randnr. 30 zitiertes Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat, Randnr. 29).

40 Es ist daher zu prüfen, ob die Richtlinie ein normativer Akt ist oder ob sie als Entscheidung in der Gestalt einer Richtlinie anzusehen ist. Bei der Prüfung, ob ein Rechtsakt allgemeine Geltung hat oder nicht, sind seine Rechtsnatur und die Rechtswirkungen zu ermitteln, die er erzeugen soll oder tatsächlich erzeugt (Urteil des Gerichtshofes vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 307/81, Alusuisse/Rat und Kommission, Slg. 1982, 3463, Randnr. 8, und oben in Randnr. 35 zitiertes Urteil UEAPME/Rat, Randnr. 64).

41 Im vorliegenden Fall wird die allgemeine Geltung der streitigen Richtlinie nicht bestritten, und die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass die Richtlinie als solche nicht den Erfordernissen des Artikels 249 EG entspräche. Es handelt sich bei ihr um einen normativen Akt, denn sie bezieht sich allgemein und abstrakt auf alle Wirtschaftsteilnehmer der Mitgliedstaaten, die seit dem 31. Juli 2005 die in ihr festgelegten Voraussetzungen erfüllen, und sie bedarf darüber hinaus, um in den Mitgliedstaaten angewandt werden zu können, einer Umsetzung in jede innerstaatliche Rechtsordnung durch nationale Umsetzungsbestimmungen (oben in Randnr. 36 zitierter Beschluss Asocarne/Rat, Randnr. 31, und oben in Randnr. 30 zitiertes Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat, Randnr. 28).

42 Die streitige Richtlinie hat folglich normativen Charakter und stellt keine Entscheidung im Sinne von Artikel 249 EG dar.

43 Jedoch kann unter bestimmten Umständen eine Vorschrift eines Rechtsakts, der nach seiner Rechtsnatur und seiner Tragweite normativen Charakter hat, da er für die beteiligten Wirtschaftsteilnehmer im Allgemeinen gilt, einige von ihnen individuell betreffen (Urteile des Gerichtshofes vom 16. Mai 1991 in der Rechtssache C-358/89, Extramet Industrie/Rat, Slg. 1991, I-2501, Randnrn. 13 und 14, vom 18. Mai 1994 in der Rechtssache C-309/89, Codorníu/Rat, Slg. 1994, I-1853, Randnr. 19, und vom 25. Juli 2002 in der Rechtssache C-50/00 P, Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Slg. 2002, I-6677, Randnr. 36; oben in Randnr. 36 zitierter Beschluss Vannieuwenhuyze-Morin/Parlament und Rat, Randnr. 24).

44 Daher ist zu prüfen, ob Artikel 5 Absatz 1 der streitigen Richtlinie die Klägerin individuell betrifft.

Zur Frage der individuellen Betroffenheit der Klägerin durch die streitige Richtlinie

Vorbringen der Parteien

45 Das Parlament, der Rat, die Kommission, das Königreich Spanien und die Republik Finnland machen erstens geltend, die Klägerin sei nicht individuell von der streitigen Richtlinie betroffen, weil sie nicht in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung dargetan habe, dass diese Richtlinie sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berühre und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiere wie den Adressaten (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 238, vom 22. November 2001 in der Rechtssache C-452/98, Nederlandse Antillen/Rat, Slg. 2001, I-8973, Randnr. 60, oben in Randnr. 43 zitiertes Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 36, Urteile vom 10. April 2003 in der Rechtssache C-142/00 P, Kommission/Nederlandse Antillen, Slg. 2003, I-3483, Randnr. 65, und vom 1. April 2004 in der Rechtssache C-263/02 P, Kommission/Jégo-Quéré, Slg. 2004, I-3425, Randnr. 45).

46 Das Parlament betont, dass die Klägerin in ihrer Klageschrift selbst einräume, dass ihre Klage im Licht dieser ständigen Rechtsprechung unzulässig sei, und ist der Auffassung, dass sich die Klägerin zur Stützung ihres Vorbringens nicht auf die abweichenden Ausführungen des Gerichts im Urteil vom 3. Mai 2002 in der Rechtssache T-177/01 (Jégo-Quéré/Kommission, Slg. 2002, II-2365, Randnr. 51) berufen könne, denen der Gerichtshof nicht gefolgt sei, was das Gericht dazu veranlasst habe, zu bekräftigen, dass natürliche oder juristische Personen nur unter den vom Gerichtshof formulierten Voraussetzungen ihre individuelle Betroffenheit geltend machen könnten (Beschluss des Gerichts vom 21. März 2003 in der Rechtssache T-167/02, Établissements Toulorge/Parlament und Rat, Slg. 2003, II-1111, Randnrn. 48 und 49).

47 Artikel 5 Absatz l der streitigen Richtlinie sei eine legislative Maßnahme, die sich auf universelle und abstrakte Weise an alle am Sponsoring für Tabakerzeugnisse beteiligten Wirtschaftsteilnehmer richte, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie im Zeitpunkt ihrer Annahme eine spezifische Zahl von Personen betroffen habe. Als Organisatorin von Formel-1-Grands-Prix sei die Klägerin wie alle anderen vom Sponsoringverbot erfassten Unternehmen nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Wirtschaftsteilnehmerin betroffen, die auf dem betreffenden Markt tätig sei; diese Sichtweise entspreche der Entscheidung des Gerichtshofes im oben in Randnummer 43 zitierten Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat. Die von der Klägerin angeführten möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des Verbotes im Vergleich zu den übrigen Wirtschaftsteilnehmern in diesem Sektor genügten nicht für ihre individuelle Betroffenheit.

48 Die Klägerin selbst räume dies ein und gebe zu, dass sie nicht individuell betroffen sei, wenn sie vortrage, dass "das Verbot des Sponsorings für Tabakerzeugnisse zu einem Wegfall der Formel-1-Rennen in der Europäischen Union führen wird" und dass es sich um ein umfassendes Verbot handele, das keinesfalls auf die Beiträge, die der Förderung von Veranstaltungen der Formel-1-Rennen dienten, beschränkt sei. Folglich habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt sei, so dass sie nicht als individuell betroffen angesehen werden könne.

49 Doch selbst wenn davon auszugehen wäre, dass Artikel 5 Absatz 1 der streitigen Richtlinie zum Zeitpunkt seiner Annahme auf einen geschlossenen Kreis identifizierbarer Unternehmen ausgerichtet gewesen wäre, so würde die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten über längere Fristen zur Umsetzung der Bestimmung verfügten, die Möglichkeit implizieren, dass einige Unternehmen diese Tätigkeiten vor Ablauf der Umsetzungsfristen eingestellt oder andere sie aufgenommen hätten.

50 Folglich könne die Klägerin nicht vortragen, sie sei allein deshalb individuell betroffen, weil sie als staatliche Organisation bzw. Einrichtung qualifiziert werden müsse, denn die besondere Stellung, auf die sie sich berufe, reiche nicht aus, um sie von anderen betroffenen Wirtschaftsteilnehmern zu unterscheiden.

51 Hierzu trägt die Kommission außerdem vor, dass die Klägerin nicht als staatliche Einrichtung im Sinne der Rechtsprechung zu qualifizieren sei (Urteile des Gerichtshofes vom 12. Juli 1990 in der Rechtssache C-188/89, Foster u. a., Slg. 1990, I-3313, und vom 4. Dezember 1997 in den Rechtssachen C-253/96 bis C-258/96, Kampelmann u. a., Slg. 1997, I-6907), weil sie keine Dienstleistung im öffentlichen Interesse erbringe und nicht kraft staatlichen Hoheitsakts gegründet worden sei. Ferner sei sie nicht mit besonderen Rechten ausgestattet, die über diejenigen hinausgingen, die sich aus den Vorschriften für die Beziehungen zwischen Privatpersonen ergäben.

52 Zweitens stellen die Kommission, das Königreich Spanien und die Republik Finnland fest, dass sich aus den oben in Randnummer 43 bzw. 45 zitierten Urteilen Unión de Pequeños Agricultores/Rat und Kommission/Jégo-Quéré ergebe, dass das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf keine Erweiterung der Klagebefugnis der Einzelnen erforderlich mache und nicht als gegenüber den in Artikel 230 Absatz 4 EG festgelegten Voraussetzungen vorrangig auszulegen sei.

53 Die Klägerin macht erstens geltend, sie sei aufgrund ihrer besonderen Stellung als staatliche Organisation bzw. staatliche Einrichtung sowie in Anwendung des weiteren Verständnisses des Begriffes der individuellen Betroffenheit, das das Gericht im oben in Randnummer 46 zitierten Urteil Jégo-Quéré/Kommission zugrunde gelegt habe, individuell betroffen. Sie fügt hinzu, dass das oben in Randnummer 30 zitierte Urteil Salamander u. a./Parlament und Rat ihr nicht die Klagebefugnis nehme, weil die streitige Richtlinie die Rechtsposition der Klägerin selbst bei Fehlen jedes nationalen Umsetzungsakts beeinträchtige.

54 Die Unterbrechung des Sponsorings, die zu einem Wegfall der Formel-1-Rennen in der Europäischen Union führen werde, beeinträchtige ganz besonders die Klägerin, weil der zwischen ihr und der FOM bestehende Vertrag nicht verlängert werde, wenn das Verbot des Sponsorings für Tabakerzeugnisse in Kraft trete. Ihre Rechtsposition sei somit unzweifelhaft und gegenwärtig bereits nach Inkrafttreten der Richtlinie beeinträchtigt, weil ihr die Pflicht auferlegt werde, nach Auslaufen der bestehenden Verträge auf dem Nürburgring keine Formel-1-Rennen mehr durchzuführen, die durch Mittel der Hersteller von Tabakwaren gesponsert würden. Die die wirtschaftliche Existenz der Klägerin als solche bedrohenden Auswirkungen des Sponsoringverbots lägen hiernach auf der Hand.

55 Die Pflicht, künftig auf dem Nürburgring keine Formel-1-Rennen mehr durchzuführen, ergebe sich für die Klägerin aus ihrer besonderen Stellung als staatliches Unternehmen, was sie von allen anderen Veranstaltern von Formel-1-Rennen in der Europäischen Union unterscheide. Dies zeige außerdem, dass die Klägerin das im oben in Randnummer 45 zitierten Urteil Plaumann/Kommission aufgestellte Kriterium erfülle, wonach die individuelle Betroffenheit dann anzunehmen sei, wenn ein Einzelner wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände durch den Rechtsakt berührt sei und dadurch in ähnlicher Weise individualisiert werde wie ein Adressat.

56 Zweitens macht die Klägerin geltend, dass das oben in Randnummer 43 zitierte Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat ihrer Einstufung als individuell Betroffene nicht entgegenstehe. In diesem Urteil habe der Gerichtshof das Vorliegen individueller Betroffenheit für einen die Rechte seiner Mitglieder wahrnehmenden Berufs- und Interessenverband verneint, weil diese Mitglieder die Möglichkeit gehabt hätten, Rechtsschutz gegen die sie belastenden nationalen Vollzugsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen und beim nationalen Gericht eine Vorlage an den Gerichtshof nach Artikel 234 EG zur Überprüfung der angefochtenen Verordnung anzuregen. Die Lage der Klägerin sei insofern anders, als sie keine Möglichkeit habe, ein nationales Gericht anzurufen. Sie berufe sich somit auf ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsakte der Gemeinschaft.

57 Die Hockenheim und die Zandvoort fügen dem hinzu, dass dem oben in Randnummer 43 zitierten Urteil Codorníu/Rat die Erwägung zugrunde liege, dass der Einzelne nicht rechtsschutzlos bleiben solle, wenn er aufgrund einer allgemeinen Regelung in ungleich schwerwiegender Weise in seinen Rechten beeinträchtigt werde. Das Verbot des Sponsorings für Tabakerzeugnisse versetze die Klägerin in eine derartige besondere Lage, die nach nationalem wie nach Gemeinschaftsrecht grundrechtlich geschützt sei.

58 Außerdem habe das oben in Randnummer 46 genannte Urteil Jégo-Quéré/Kommission zwar unterstrichen, dass die streitigen Bestimmungen der angefochtenen Verordnung allgemeine Geltung hätten, aber dennoch anerkannt, dass ein individuelles Klagerecht daher rühren könne, dass der Zugang zu den Gerichten ein wesentlicher Bestandteil einer durch ein lückenloses Rechtsschutzsystem gekennzeichneten Rechtsgemeinschaft sei. Für die Klägerin sei weder das Vorabentscheidungsverfahren noch die Klage aus außervertraglicher Haftung geeignet, ein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf zu gewährleisten, der es ihr ermöglichen würde, die Rechtmäßigkeit von Gemeinschaftsvorschriften allgemeiner Geltung zu bestreiten, die ihre Rechtsposition beeinträchtigten. Die Wirksamkeit des gerichtlichen Rechtsschutzsystems der Gemeinschaft verlange daher, dass der Begriff der individuell betroffenen Person im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG entsprechend dem oben in Randnummer 46 zitierten Urteil Jégo-Quéré/Kommission (Randnr. 51) weit ausgelegt werde.

59 Schließlich tragen die Hockenheim und die Zandvoort vor, dass das oben in Randnummer 45 genannte Urteil Kommission/Jégo-Quéré im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei, weil die streitige Handlung eine Richtlinie und keine Verordnung sei, was bedeute, dass die Klägerin das Umsetzungsgesetz nicht anfechten könne, zumal es eines solchen Gesetzes nicht einmal bedürfe, weil das Sponsoringverbot hinreichend genau, klar und unbedingt sei, um ohne nationale Vollzugsmaßnahmen Anwendung finden zu können. Außerdem wären, selbst wenn das Werbe- und Sponsoringverbot in Form einer Verordnung ergangen wäre, die gemeinschaftsrechtlich gebotenen Mindestanforderungen eines effizienten Rechtsschutzes nicht gegeben, weil keine Möglichkeit bestehe, die streitgegenständliche Gemeinschaftsmaßnahme vor den nationalen Gerichten anzufechten.

Würdigung durch das Gericht

60 Es ist daran zu erinnern, dass nach der Rechtsprechung eine andere natürliche oder juristische Person als der Adressat einer Handlung nur dann geltend machen kann, von ihr im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG individuell betroffen zu sein, wenn die fragliche Handlung diese Person wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder wegen besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten (oben in Randnr. 45 zitiertes Urteil Plaumann/Kommission, 238, oben in Randnr. 43 zitiertes Urteil Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnr. 36, oben in Randnr. 35 zitiertes Urteil UEAPME/Rat, Randnr. 69, und oben in Randnr. 36 zitierter Beschluss Vannieuwenhuyze-Morin/Parlament und Rat, Randnr. 26).

61 Im vorliegenden Fall steht fest, dass Artikel 5 Absatz 1 der streitigen Richtlinie das Sponsoring von Veranstaltungen oder Aktivitäten verbietet, an denen mehrere Mitgliedstaaten beteiligt sind oder die eine sonstige grenzüberschreitende Wirkung haben. Es handelt sich also um eine Vorschrift, die auf objektiv bestimmte Situationen anwendbar ist und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen entfaltet, nämlich gegenüber allen Wirtschaftsteilnehmern, die - ohne Unterschied - auf das Sponsoring von Veranstaltungen oder Aktivitäten zurückgreifen.

62 Daraus folgt, dass die streitige Richtlinie und insbesondere ihr Artikel 5 Absatz 1 die Klägerin nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Unternehmen, das eine Rennstrecke für Autorennen betreibt, und ebenso wie jeden anderen Wirtschaftsteilnehmer betreffen, der in dem fraglichen Sektor tätig ist. Aus dieser Eigenschaft allein ergibt sich nach der Rechtsprechung nicht, dass die Klägerin von dieser Vorschrift individuell betroffen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 17. Januar 1985 in der Rechtssache 11/82, Piraiki-Patraiki u. a./Kommission, Slg. 1985, 207, Randnr. 14, und vom 22. November 2001 in der Rechtssache C-451/98, Antillean Rice Mills/Rat, Slg. 2001, I-8949, Randnr. 51, sowie Beschluss des Gerichts vom 30. April 2003 in der Rechtssache T-154/02, Villiger Söhne/Rat, Slg. 2003, II-1921, Randnr. 47).

63 Diese Beurteilung kann nicht durch das Vorbringen der Klägerin erschüttert werden, wonach diese, weil sie eine staatliche Einrichtung sei, und wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen, die das Verbot des Sponsorings auf ihre Tätigkeit und für ihre Existenz haben werde, als individuell betroffen angesehen werden müsse, da sie gezwungen würde, die Rennstrecke zu schließen.

64 Zu dem Vorbringen, dass die Klägerin eine staatliche Einrichtung sei, genügt der Hinweis, dass, selbst unterstellt, dass die Nürburgring GmbH als öffentliches Unternehmen oder mit dem Staat verbundenes Organ eingestuft werden könne, dies nichts daran ändert, dass eine derartige Eigenschaft sie in keiner Weise von den anderen Wirtschaftsteilnehmern unterscheiden würde, die dem Sponsoringverbot unterfallen, das Artikel 5 Absatz 1 der streitigen Richtlinie vorsieht. Denn die genannte Vorschrift gilt in gleicher Weise für alle Wirtschaftsteilnehmer des betreffenden Sektors, ganz gleich, ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert sind.

65 Was das Vorbringen betrifft, dass sie gezwungen wäre, die Rennstrecke zu schließen, was für sie existenzbedrohend wäre, so ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass die Klägerin eine bedeutende Einkommensquelle infolge des Sponsoringverbots verliert, selbst wenn dieser Umstand erwiesen wäre, nicht beweist, dass sich die Klägerin in einer besonderen Situation befindet, und nicht für den Nachweis ausreicht, dass das von Artikel 5 Absatz 1 der streitigen Richtlinie auferlegte Verbot keine allgemeine Geltung hat und sie individuell betrifft (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichtshofes vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C-409/96 P, Sveriges Betodlares und Henrikson/Kommission, Slg. 1997, I-7531, Randnr. 37).

66 Selbst wenn man nämlich annimmt, dass die angefochtene Vorschrift der streitigen Richtlinie die Klägerin beeinträchtigen kann, so hat diese nicht den Beweis für das Vorliegen von Umständen erbracht, aufgrund deren man davon ausgehen könnte, dass der angeblich entstandene Schaden geeignet wäre, sie gegenüber allen anderen von der Richtlinie ebenso wie sie betroffenen Wirtschaftsteilnehmern zu individualisieren (vgl. in diesem Sinne oben in Randnr. 46 zitierten Beschluss Établissements Toulorge/Parlament und Rat, Randnr. 60).

67 Im Übrigen genügt es, in Bezug auf das Vorbringen der Klägerin zur Entwicklung der Rechtsprechung zur Anwendung von Artikel 230 Absatz 4 EG in der Folge des oben in Randnummer 46 zitierten Urteils Jégo-Quéré/Kommission festzustellen, dass der Gerichtshof in seinen oben in Randnummer 43 bzw. 45 zitierten Urteilen Unión de Pequeños Agricultores/Rat (Randnrn. 36 und 37) und Kommission/Jégo-Quéré (Randnrn. 37, 38 und 45) seine ständige Rechtsprechung auf diesem Gebiet bestätigt hat.

68 Die oben in Randnummer 62 enthaltene Würdigung durch das Gericht wird auch nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass es die Effektivität des gerichtlichen Rechtsschutzsystems der Gemeinschaft erfordere, den Begriff der individuellen Betroffenheit im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG weit auszulegen und die Klägerin deshalb als individuell betroffen anzusehen, weil ihr das deutsche Recht keine Klagemöglichkeit einräume, die es ihr erlaube, die streitige Richtlinie vor einem deutschen Gericht anzufechten.

69 Hierzu hat der Gerichtshof zunächst daran erinnert, dass das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Schutz zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört, die sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, und auch in den Artikeln 6 und 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert ist; sodann hat er darauf hingewiesen, dass der Vertrag mit den Artikeln 230 EG und 241 EG einerseits und Artikel 234 EG andererseits ein vollständiges System von Rechtsbehelfen und Verfahren geschaffen hat, das die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe, mit der der Gemeinschaftsrichter betraut ist, gewährleisten soll. Nach diesem System haben natürliche oder juristische Personen, die wegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Artikels 230 Absatz 4 EG Gemeinschaftshandlungen mit allgemeiner Geltung nicht unmittelbar anfechten können, die Möglichkeit, je nach den Umständen des Falles die Ungültigkeit solcher Handlungen entweder inzident nach Artikel 241 EG vor dem Gemeinschaftsrichter oder aber vor den nationalen Gerichten geltend zu machen und diese Gerichte, die nicht selbst die Ungültigkeit der genannten Handlungen feststellen können, zu veranlassen, dem Gerichtshof insoweit Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (oben in Randnrn. 43 bzw. 45 zitierte Urteile Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnrn. 39 und 40, und Kommission/Jégo-Quéré, Randnrn. 29 und 30).

70 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann, selbst wenn im vorliegenden Fall kein effektiver Rechtsbehelf gegeben und dies bewiesen wäre, dieser Umstand keine Änderung - im Wege richterlicher Entscheidung - des durch die Artikel 230 EG, 234 EG und 241 EG geschaffenen Systems von Rechtsbehelfen und Verfahren, wie es oben in Randnummer 69 beschrieben ist, rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung kann die Zulässigkeit einer beim Gemeinschaftsrichter erhobenen Nichtigkeitsklage nicht davon abhängen, ob es einen Rechtsbehelf bei einem nationalen Gericht gibt, der die Prüfung der Gültigkeit der Handlung erlaubt, deren Nichtigerklärung beantragt wird (vgl. in diesem Sinne oben in Randnrn. 43 bzw. 45 zitierte Urteile Unión de Pequeños Agricultores/Rat, Randnrn. 43 und 46, und Kommission/Jégo-Quéré, Randnrn. 33 und 34). Keinesfalls kann eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person für zulässig erklärt werden, die nicht die in Artikel 230 Absatz 4 EG vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt (Beschluss des Gerichtshofes vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache C-301/99 P, Area Cova u. a./Rat und Kommission, Slg. 2001, I-1005, Randnr. 47).

71 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Klägerin nicht als individuell von der angefochtenen Vorschrift der Richtlinie betroffen angesehen werden kann. Da sie nicht die in Artikel 230 Absatz 4 EG vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt, ist es nicht erforderlich, zu prüfen, ob die Klägerin durch diese Vorschrift unmittelbar betroffen ist.

72 Folglich ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

73 In Anbetracht dieses Ergebnisses ist der Antrag der Klägerin gegenstandslos geworden, das Gericht möge sich nach Artikel 54 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes für nicht zuständig erklären, damit dieser über die Klage entscheiden könne, oder, hilfsweise, das Verfahren aussetzen, bis der Gerichtshof in der Rechtssache C-380/03 (Deutschland/Parlament und Rat), die die streitige Richtlinie betrifft, sein Urteil erlassen habe.

Kostenentscheidung:

Kosten

74 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr antragsgemäß die Kosten des Parlaments und des Rates aufzuerlegen.

75 Nach Artikel 87 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Folglich tragen das Königreich Spanien, die Republik Finnland und die Kommission ihre eigenen Kosten.

76 Die Hockenheim und die Zandvoort tragen ihre eigenen Kosten.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten des Parlaments und des Rates.

3. Das Königreich Spanien, die Republik Finnland und die Kommission sowie die Hockenheim-Ring GmbH und die Exploitatie Circuit Park Zandvoort BV tragen ihre eigenen Kosten.

Luxemburg, den 29. Juni 2006



Ende der Entscheidung

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