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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: T-321/04
Rechtsgebiete: EG, Verfahrensordnung


Vorschriften:

EG Art. 88 Abs. 2
EG Art. 88 Abs. 3
EG Art. 230 Abs. 5
Verfahrensordnung Art. 102 Abs. 1
Verfahrensordnung Art. 102 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES GERICHTS (Vierte Kammer)

19. September 2005(*)

"Staatliche Beihilfen - Entscheidung, keine Einwände zu erheben - Nichtigkeitsklage - Klagefrist - Veröffentlichung einer Zusammenfassung - Unzulässigkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-321/04

Air Bourbon SAS mit Sitz in Sainte-Marie, Île de la Réunion (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt S. Vaisse,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Giolito und J. Buendía Sierra als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 16. Dezember 2003 [C (2003) 4708 fin], gegen die von den französischen Behörden Air Austral gewährte Beihilfe Nr. N 427/2003 keine Einwände zu erheben,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin P. Lindh und des Richters V. Vadapalas,

Kanzler: H. Jung,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 28. November 2001 genehmigte die Kommission nach den Vorschriften der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung eine französische Beihilfenregelung, wonach Steuerpflichtige, die Anlageinvestitionen in überseeischen Departements tätigen, Steuererleichterungen erhalten.

2 Ziel dieser Regelung war es, Impulse für Investitionen in Regionen zu geben, die durch strukturelle Nachteile wie Insellage, enge lokale Märkte und schwache Produktivität der Unternehmen gekennzeichnet sind.

3 Mit Schreiben vom 28. Juli 2003 meldeten die französischen Behörden bei der Kommission eine steuerliche Beihilfe für Investitionen in überseeischen Departements für die Fluggesellschaft Air Austral an.

4 In der Entscheidung C (2003) 4708 fin vom 16. Dezember 2003 (im Folgenden: Entscheidung), die im Vorprüfungsverfahren nach Artikel 88 Absatz 3 EG erlassen wurde, vertrat die Kommission die Auffassung, dass die betreffende Maßnahme hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zu keinen Bedenken Anlass gebe und daher insoweit keine Einwände zu erheben seien.

5 Die Entscheidung wurde der französischen Regierung am 17. Dezember 2003 bekannt gegeben.

6 Am 12. Februar 2004 veröffentlichte die Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union eine Zusammenfassung, mit der sie Dritte im Rahmen eines Überblicks über die wesentlichen Daten der angemeldeten Beihilfemaßnahme darüber informierte, dass sie gegen diese Maßnahme keine Einwände erhebe (ABl. C 38, S. 4). In dieser Mitteilung stellte die Kommission fest:

"Die rechtsverbindliche(n) Sprachfassung(en) des Beschlusses, aus der/denen alle vertraulichen Angaben gestrichen wurden, finden Sie unter folgender Internet-Adresse:

http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/state_aids"

7 Mit Schreiben vom 7. Juni 2004 forderte die Klägerin den vollständigen Wortlaut der Entscheidung bei der Kommission an.

8 Mit Schreiben vom 9. Juni 2004, eingegangen am 11. Juni 2004, übermittelte die Kommission der Klägerin ein Exemplar des vollständigen Wortlauts der Entscheidung.

Verfahren

9 Die Klägerin hat mit am 29. Juli 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.

10 Die Kommission hat mit am 12. Oktober 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem besonderem Schriftsatz eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben.

11 Die Klägerin hat ihre Stellungnahme zu dieser Einrede am 12. November 2004 eingereicht.

12 Air Austral hat mit am 14. Dezember 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

13 Die Kommission hat zu diesem Streithilfeantrag am 12. Januar 2005 Stellung genommen.

Anträge der Parteien

14 Die Klägerin beantragt,

- die Klage für zulässig zu erklären;

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- der Kommission und der Französischen Republik aufzugeben, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit Air Austral die zu Unrecht erhaltenen Beihilfen zurückzahlt;

- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

15 Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

Zur Zulässigkeit

16 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach § 3 dieses Artikels wird mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt. Im vorliegenden Fall ist das Gericht in der Lage, aufgrund des Akteninhalts ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Vorbringen der Parteien

17 Die Kommission macht geltend, dass die Klage verspätet sei. Die Klagefrist habe am 12. Februar 2004, dem Tag der Veröffentlichung der Zusammenfassung der Entscheidung im Amtsblatt der Europäischen Union begonnen. Die Entscheidung sei daher spätestens am Tag der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union im Internet verfügbar gewesen.

18 Nach Ansicht der Kommission hatte die Klägerin sogar vor diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Entscheidung. Die Tatsache, dass die Entscheidung nur der französischen Regierung zugestellt worden sei, schließe nämlich die Annahme nicht aus, dass die Klägerin als Hauptkonkurrentin von Air Austral bereits am 16. Dezember 2003 vollständige Kenntnis von der Entscheidung gehabt haben müsse, da diese in der Presse kommentiert worden sei und am Tag ihres Erlasses Gegenstand einer Pressemitteilung der Kommission gewesen sei. Der Klägerin hätte die Existenz der Entscheidung bis zum 7. Juni 2004, als sie deren vollständigen Wortlaut angefordert habe, nicht unbekannt bleiben können.

19 Die Kommission weist darauf hin, dass die Klagefrist am Tag der Veröffentlichung der Entscheidungen in Beihilfesachen im Amtsblatt der Europäischen Union, wie sie in der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) vorgesehen sei, beginne. Da also in der Zusammenfassung klar auf die Möglichkeit hingewiesen worden sei, sich ein Exemplar der Entscheidung in der verbindlichen Sprachfassung zu beschaffen, komme die Zurverfügungstellung dieser Entscheidung spätestens am Tag der Veröffentlichung des Amtsblatts der Europäischen Union im Internet einer vollständigen Veröffentlichung gleich. Der Anfangstermin im vorliegenden Fall sei demzufolge der 12. Februar 2004, der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zusammenfassung und der Zurverfügungstellung des vollständigen Textes im Internet. Unter diesen Umständen sei die am 29. Juli 2004 eingereichte Klage offensichtlich verspätet und müsse für unzulässig erklärt werden.

20 Die Klägerin könne nicht von den zwingenden Klagefristen abweichen und eine neue Klagefrist in Anspruch nehmen, indem sie sich auf ihren Antrag vom 7. Juni 2004 berufe. Das Schreiben der Kommission vom 9. Juni 2004, mit dem ihr der Wortlaut der Entscheidung übermittelt worden sei, setze keine neue Klagefrist in Lauf. Die Kommission habe übrigens in diesem Schreiben Wert gelegt auf den Hinweis, dass dieser Wortlaut bereits im Internet verfügbar sei.

21 Die Klägerin könne sich auch nicht auf einen entschuldbaren Irrtum berufen, da kein Verhalten vorliege, das für sich allein oder in entscheidendem Maß geeignet gewesen sei, eine akzeptable Verwirrung bei einem gutgläubigen Rechtsbürger hervorzurufen, der alle Sorgfalt an den Tag lege, die von einem normal informierten Wirtschaftsteilnehmer verlangt werde. Im vorliegenden Fall habe das Verhalten der Kommission, das einer rechtlichen Verpflichtung entspreche, die allen bekannt sei, keine Verwirrung hervorrufen und die Ursache des von der Klägerin begangenen Irrtums sein können.

22 Die Klägerin trägt vor, dass in dem Schreiben der Kommission vom 9. Juni 2004, mit dem ihr der Wortlaut der Entscheidung übermittelt worden sei, weder darauf hingewiesen worden sei, dass diese Entscheidung Gegenstand einer zusammengefassten Veröffentlichung in der Serie C des Amtsblatts der Europäischen Union gewesen sei, noch darauf, dass diese Veröffentlichung die Frist für die Nichtigkeitsklage in Lauf gesetzt habe. Daher sei die Kommission nicht davon ausgegangen, dass diese zusammengefasste Veröffentlichung Dritten entgegengehalten werden könne.

23 Die Veröffentlichung einer Zusammenfassung in der Serie C des Amtsblatts der Europäischen Union könne Dritten nämlich nicht entgegengehalten werden. Es könne von den Rechtsbürgern vernünftigerweise nicht verlangt werden, dass sie täglich die Serie C (Mitteilungen und Bekanntmachungen) konsultierten, um sicherzugehen, dass die Gemeinschaftsorgane keine Entscheidung erlassen hätten, deren Adressaten sie nicht seien und über die sie auch nicht informiert seien, die aber ihre Rechte und/oder Interessen beeinträchtigen könne.

24 Dies gelte umso mehr, als die Veröffentlichung in einer stark zusammengefassten Form erfolgt sei, die nur das Datum der Annahme der Entscheidung, den betroffenen Mitgliedstaat sowie den Titel, die Rechtsgrundlage, die Haushaltsmittel und die Zielsetzung der betreffenden Beihilfe in einigen Schlüsselwörtern enthalte. Diese Veröffentlichung lasse nicht den Inhalt und die Tragweite des Rechtsakts erkennen und mache die Konsultation der Internetseite erforderlich.

25 Der Rat habe nicht gewollt, dass die nach Artikel 26 der Verordnung Nr. 659/1999 erfolgte Veröffentlichung einer Zusammenfassung der Entscheidungen der Kommission in der Serie C des Amtsblatts der Europäischen Union Dritten entgegengehalten werden könne. Wäre der Rat davon ausgegangen, dass diese Veröffentlichung Dritten entgegengehalten werden könne, so hätte er nicht ausdrücklich in Artikel 20 Absatz 3 der genannten Verordnung den Beteiligten das Recht vorbehalten, auf ihren Antrag eine Kopie solcher Entscheidungen zu erhalten, die nur den betroffenen Staaten bekannt gegeben würden.

26 Die Klägerin meint, dass die Klagefrist bei Fehlen einer vollständigen Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder einer Mitteilung zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme von Inhalt und Gründen des betreffenden Rechtsakts beginne, sofern seine Übermittlung innerhalb einer angemessenen Frist beantragt worden sei. Die Klägerin sei aber zu keinem Zeitpunkt über die zu erlassende Entscheidung der Kommission informiert worden und habe deshalb keinen Anlass gehabt, das Amtsblatt der Europäischen Union und noch weniger die Serie C zu konsultieren.

27 Dem Argument der Kommission, dass die Klägerin die Entscheidung bereits am 16. Dezember 2003 hätte kennen müssen, hält die Klägerin entgegen, dass sie erst vor kurzer Zeit (im November 2002) gegründet worden sei, dass sie ihre Tätigkeiten im Juni 2003 aufgenommen habe und dass sie nur eine geringe Zahl von Beschäftigten (139) und keine interne Rechtsabteilung habe.

28 Die Kommission habe es unter Verstoß gegen Artikel 88 Absätze 2 und 3 EG unterlassen, die drei auf der Strecke zwischen Paris und Saint-Denis (Île de la Réunion) vertretenen Fluggesellschaften, darunter die Klägerin, aufzufordern, zu dem Beihilfevorhaben zugunsten von Air Austral Stellung zu nehmen, das, wie die Kommission in der Entscheidung einräume, geeignet sei, die Wettbewerber auf der betreffenden Strecke zu beeinträchtigen. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin nicht habe wissen können, dass die Entscheidung geeignet gewesen sei, ihre Rechte und Interessen zu beeinträchtigen.

29 Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, sie müsse keineswegs die bei Erlass der Entscheidung erschienenen Presseartikel oder die Pressemitteilung der Kommission kennen.

30 Erst nachdem die Klägerin festgestellt habe, dass ihr aufgrund der Tatsache, dass Air Austral Handlungen vornehme, die zu ernsthaften Wettbewerbsverzerrungen führten, ein bedeutender Schaden entstehe, habe sie sich nach der Rechtmäßigkeit der finanziellen Zuschüsse gefragt, die ihrer Konkurrentin von Sematra (einer lokalen gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft im Mehrheitseigentum der Region und des Departements der Île de la Réunion) gewährt worden seien. Gerade im Rahmen dieser Nachforschungen habe die Klägerin ihren Antrag vom 7. Juni 2004 gestellt.

31 Schließlich erklärt die Klägerin, dass sie sich auch auf einen entschuldbaren Irrtum berufen könne, der keine Ausschlusswirkung mit Verlust ihres Klagerechts eintreten lassen dürfe.

Würdigung durch das Gericht

32 Erstens ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Artikels 230 Absatz 5 EG, dass das Kriterium des Zeitpunkts der Kenntnisnahme vom Rechtsakt als Beginn der Klagefrist gegenüber dem Zeitpunkt der Bekanntgabe oder der Mitteilung des Rechtsakts subsidiären Charakter hat (Urteil des Gerichtshofes vom 10. März 1998 in der Rechtssache C-122/95, Deutschland/Rat, Slg. 1998, I-973, Randnr. 35; Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 2000 in der Rechtssache T-296/97, Alitalia/Kommission, Slg. 2000, II-3871, Randnr. 61, und vom 27. November 2003 in der Rechtssache T-190/00, Regione Siciliana/Kommission, Slg. 2003, II-5015, Randnr. 30).

33 Im vorliegenden Fall hat die Kommission gemäß ihrer Verpflichtung aus Artikel 26 Absatz 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 659/1999 eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht, mit der die Beteiligten über die Existenz der Entscheidung informiert werden und in der insbesondere das Datum ihrer Annahme, der betroffene Mitgliedstaat, die Nummer der Beihilfe, ihr Titel, ihre Zielsetzung, ihre Rechtsgrundlage und die dafür bereitgestellten Haushaltsmittel angeführt werden. Darüber hinaus wird in dieser Zusammenfassung die Möglichkeit erwähnt, sich über den angegebenen Link den vollständigen Wortlaut der Entscheidung in der rechtsverbindlichen Sprachfassung auf der Internetseite der Kommission zu beschaffen.

34 Die Tatsache, dass die Kommission Dritten den vollständigen Zugang zum Wortlaut einer Entscheidung auf ihrer Internetseite in Verbindung mit der Veröffentlichung einer Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union gewährt, womit es den Beteiligten ermöglicht wird, die fragliche Entscheidung zu identifizieren und sie auf diese Möglichkeit eines Zugangs per Internet hingewiesen werden, ist als Veröffentlichung im Sinne von Artikel 230 Absatz 5 EG anzusehen.

35 Die in Artikel 20 Absatz 3 der Verordnung Nr. 659/1999 vorgesehene Möglichkeit für die Beteiligten, die Kopie einer solchen Entscheidung zu erhalten, entkräftet diese Schlussfolgerung nicht.

36 Nach dieser Bestimmung können die Beteiligten nämlich eine Kopie jeder nach Artikel 4 der Verordnung Nr. 659/1999 erlassenen Entscheidung erhalten, also nicht nur der Entscheidungen, wonach eine Maßnahme keine Beihilfe darstellt (Absatz 2), und der Entscheidungen, keine Einwände zu erheben (Absatz 3), die in Form einer Zusammenfassung veröffentlicht werden, sondern auch der Entscheidungen über die Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens (Absatz 4), die vollständig veröffentlicht werden. Diese Möglichkeit besteht daher unabhängig von der Veröffentlichung dieser Entscheidungen im Amtsblatt der Europäischen Union und damit auch unabhängig von dem in Artikel 230 Absatz 5 EG vorgesehenen Beginn der Klagefrist.

37 Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass der vollständige Wortlaut der Entscheidung am 12. Februar 2004, dem Tag der Veröffentlichung der Zusammenfassung, im Internet verfügbar war. Im Übrigen hat die Klägerin keineswegs behauptet, dass es ihr aus technischen oder anderen Gründen unmöglich gewesen sei, auf diesem Wege auf den vollständigen Wortlaut der Entscheidung zuzugreifen. Der 12. Februar 2004 stellt folglich den Beginn der Klagefrist dar, ohne dass die Kommission verpflichtet gewesen wäre, in ihrem Schreiben vom 9. Juni 2004 darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung Gegenstand einer Zusammenfassung gewesen sei oder dass diese die Klagefrist in Lauf setze.

38 Zweitens ist der Begriff des entschuldbaren Irrtums eng auszulegen und kann sich nur auf Ausnahmefälle beziehen, insbesondere auf solche, in denen das betreffende Organ ein Verhalten gezeigt hat, das für sich allein oder in entscheidendem Maß geeignet war, bei einem gutgläubigen Rechtsbürger, der alle Sorgfalt an den Tag legt, die von einem normal informierten Wirtschaftsteilnehmer verlangt wird, eine akzeptable Verwirrung hervorzurufen (Urteil des Gerichts vom 29. Mai 1991 in der Rechtssache T-12/90, Bayer/Kommission, Slg. 1991, II-219, Randnr. 29, bestätigt durch Urteil des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der Rechtssache C-195/91 P, Bayer/Kommission, Slg. 1994, I-5619, Randnr. 26).

39 Im vorliegenden Fall kann aus den tatsächlichen Argumenten, die die Klägerin aus ihrer erst kürzlich erfolgten Gründung, aus der begrenzten Zahl ihrer Beschäftigten und aus dem Fehlen von Juristen in ihrem Personal herleitet, nicht auf das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums geschlossen werden.

40 Drittens und letztens entspricht die Möglichkeit, die veröffentlichte Zusammenfassung der Klägerin entgegenzuhalten, dem Erfordernis der Rechtssicherheit, das bei jeder Auslegung der Bestimmungen über die Rechtsbehelfe vorherrschen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 15. Januar 1987 in der Rechtssache 152/85, Misset/Rat, Slg. 1987, 223, Randnr. 11; Urteil des Gerichts vom 18. September 1997 in den Rechtssachen T-121/96 und T-151/96, Mutual Aid Administration Services/Kommission, Slg. 1997, II-1355, Randnr. 38). Berücksichtigt man nämlich den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Zusammenfassung mit dem Hinweis auf die Internetseite als Zeitpunkt der Bekanntgabe des angefochtenen Rechtsakts, so lässt sich der genaue Zeitpunkt des Beginns der in Artikel 230 Absatz 5 EG vorgesehenen zweimonatigen Klagefrist sicher bestimmen.

41 Die Berücksichtigung des Veröffentlichungszeitpunkts der Zusammenfassung mit dem Hinweis auf die Internetseite als Bekanntgabezeitpunkt des angefochtenen Rechtsakts garantiert außerdem die Gleichbehandlung aller Beteiligten, indem sichergestellt wird, dass die Frist für Klagen gegen die Entscheidungen über staatliche Beihilfen auf die gleiche Weise berechnet wird, ob nun die Entscheidung vollständig im Amtsblatt der Europäischen Union oder in zusammengefasster Form mit Hinweis auf die Internetseite der Kommission veröffentlicht wird.

42 Da die Entscheidung am 12. Februar 2004 veröffentlicht worden ist, lief die Klagefrist daher nach Artikel 230 Absatz 5 EG und Artikel 102 Absätze 1 und 2 der Verfahrensordnung am 6. Mai 2004 ab. Folglich ist die am 29. Juli 2004 eingereichte Klage offensichtlich verspätet.

43 Nach allem ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Zum Streithilfeantrag

44 Da die Klage unzulässig ist, braucht über den Antrag von Air Austral, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden, nicht entschieden zu werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

45 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

beschlossen:

Tenor:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Über den Streithilfeantrag von Air Austral braucht nicht entschieden zu werden.

3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.



Ende der Entscheidung

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