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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: T-322/05
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 40/94


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 40/94 Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

22. März 2007

"Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke 'Terranus' - Gemeinschaftsmarke und ältere nationale Bildmarke 'terra' - Relatives Eintragungshindernis - Verwechslungsgefahr - Ähnlichkeit der Waren und Zeichen - Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 40/94"

Parteien:

In der Rechtssache T-322/05

Carsten Brinkmann, wohnhaft in Köln (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin K. van Bebber,

Kläger,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten zunächst durch T. Eichenberg, dann durch G. Schneider als Bevollmächtigten,

Beklagter,

andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer des HABM:

Terra Networks, S.A. mit Sitz in Pozuelo de Alarcón (Spanien),

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Ersten Beschwerdekammer des HABM vom 10. Juni 2005 (Sache R 1145/2004-1) zu einem Widerspruchsverfahren zwischen der Terra Networks, S.A. und Carsten Brinkmann

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras sowie der Richterinnen E. Martins Ribeiro und K. Jürimäe,

Kanzler: K. Andová, Verwaltungsrätin,

aufgrund der am 18. August 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,

aufgrund der am 13. Februar 2006 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klagebeantwortung,

auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1 Am 29. Januar 2001 meldete Carsten Brinkmann gemäß der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in geänderter Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2 Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um die Wortmarke "Terranus".

3 Die Marke wurde für die Dienstleistungen "Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen, Entwicklung und Vermittlung von Betriebskonzeptionen für Immobilien" in Klasse 36 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet.

4 Am 14. Januar 2002 wurde die Anmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 4/2002 veröffentlicht.

5 Am 12. April 2002 legte die Terra Networks, S.A. gemäß Art. 42 der Verordnung Nr. 40/94 gegen die Anmeldung hinsichtlich aller darin beanspruchten Dienstleistungen Widerspruch ein.

6 Der Widerspruch war gestützt auf Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 mit der älteren, am 4. Oktober 1999 eingetragenen spanischen Marke Nr. 2261483 der Widerspruchsführerin für "Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte und Immobilienwesen" in Klasse 36 des Abkommens von Nizza und ihrer ebenfalls älteren, am 14. Mai 2003 eingetragenen identischen Gemeinschaftsmarke Nr. 1332691 für "Versicherungswesen, Online-Finanzgeschäfte, nicht in Bezug auf Investmentfonds, Online-Geld- und -Bankgeschäfte, ausgenommen Dienstleistungen in Bezug auf Investmentfonds; Immobilienwesen" in derselben Klasse, nämlich dem Bildzeichen "terra":

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7 Mit Entscheidung vom 29. Oktober 2004 gab die Widerspruchsabteilung des HABM dem Widerspruch statt und wies die Anmeldung in vollem Umfang zurück.

8 Am 8. Dezember 2004 legte der Kläger gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nach den Art. 57 bis 62 der Verordnung Nr. 40/94 beim HABM Beschwerde ein.

9 Mit Entscheidung vom 10. Juni 2005 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies die Erste Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung der Widerspruchsabteilung. Im Wesentlichen vertrat die Beschwerdekammer die Auffassung, dass der Grad der Zeichenähnlichkeit, auch wenn er nicht besonders hoch sei, ausreiche, um beim deutschen Publikum zu Verwechslungsgefahr zwischen den unter den Marken feilgebotenen Dienstleistungen zu führen. Dabei sei zum einen zu berücksichtigen, dass die unter den Marken angebotenen Dienstleistungen identisch seien, und zum anderen, dass der dominierende Wortbestandteil "terra", der vollständig in der Marke "Terranus" enthalten sei, eine erhebliche Zeichenähnlichkeit begründe.

Anträge der Parteien

10 Der Kläger beantragt,

- die angefochtene Entscheidung aufzuheben;

- den Widerspruch der anderen Beteiligten im Verfahren vor der Beschwerdekammer zurückzuweisen und die angemeldete Marke einzutragen;

- dem HABM die Kosten einschließlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.

11 In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger erklärt, dass er seinen zweiten Antrag zurücknehme; dies ist im Sitzungsprotokoll vermerkt worden.

12 Das HABM beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- den Kläger zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Entscheidungsgründe:

13 Der Kläger stützt seine Klage als einzigen Klagegrund auf einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94.

Vorbringen der Parteien

14 Der Kläger bestreitet, dass zwischen den Marken Verwechslungsgefahr bestehe, und verweist auf signifikante Unterschiede zwischen den Zeichen. Obwohl die betreffenden Dienstleistungen identisch seien, sei der Beschwerdekammer ein Rechtsfehler unterlaufen, als sie die Entscheidung der Widerspruchsabteilung bestätigt habe, da es an Ähnlichkeit zwischen den Marken fehle.

15 Was den visuellen Zeichenvergleich angehe, so sei die ältere Marke eine Bildmarke, die angemeldete Marke hingegen ohne Bildelement. Die Marken seien für die angesprochenen Verkehrskreise leicht unterscheidbar, da die angemeldete Marke um die Buchstaben "n", "u" und "s" länger und damit insgesamt erheblich länger als die ihrerseits recht kurze ältere Marke sei. Außerdem sei die Kennzeichnungskraft des Bestandteils "terra", der in der älteren wie auch in der angemeldeten Marke enthalten sei, nur ganz gering, da er Bestandteil einer großen Anzahl eingetragener Gemeinschaftsmarken sei, während der angemeldeten Marke kein weiteres Zeichen entspreche.

16 Im Rahmen des phonetischen Vergleichs umfasse die angemeldete Marke drei Silben und somit im Vergleich zur älteren Marke eine zusätzliche Silbe, was sie von dieser erheblich unterscheide und zu einer merklich längeren Aussprache des Vokals "a" führe.

17 In begrifflicher Hinsicht bedeute das lateinische Wort "terranus" übersetzt "das Vermögen der geistigen Wahrnehmung eines Baugeländes oder eines als solchen zu identifizierenden Grundstücks", wobei der Schwerpunkt auf dem Bestandteil "nus" als Sinnbild für Verstand, Intellekt und Vermögen der geistigen Wahrnehmung liege. Auf diese Bedeutung komme es jedoch nicht entscheidend an, da die angesprochenen Verkehrskreise in dem Zeichen "Terranus" überwiegend nur eine Fantasiebezeichnung erblickten. Herkunft und Bedeutung des lateinischen Wortes "terra" ("Erde" oder "Land"), das in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen der Klasse 36 beschreibend sei, seien den Verkehrskreisen in ganz Europa bekannt, und es komme auch in ähnlicher oder identischer Form in zahlreichen Sprachen vor. Doch selbst wenn man unterstelle, dass die ältere Marke keine schwache Kennzeichnungskraft habe, und zudem annehme, dass der Wortbestandteil "terra" sie präge, blieben die sich gegenüberstehenden Begriffe deutlich unterschiedlich.

18 Im Übrigen sei auch keine mittelbare Verwechslungsgefahr gegeben; die angemeldete Marke passe sich nicht in eine Markenserie ein und stelle einen neuen, eigenständigen Ausdruck dar. Im Gegensatz zur älteren Marke handele es sich bei der angemeldeten Marke um ein Fantasiewort, das für die angesprochenen Verkehrskreise unverständlich sei und somit keine Assoziation zwischen den Marken "Terranus" und "Terra" erlaube.

19 Schließlich beruft sich der Kläger auf die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Mai 2004, das in einem Widerspruchsverfahren, in dem es um die gleichen Marken und Dienstleistungen gegangen sei, wegen fehlender Verwechslungsgefahr in Deutschland die Eintragung einer mit der angemeldeten identischen Marke zugelassen und den Widerspruch, den die andere Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer eingelegt habe, zurückgewiesen habe.

20 Das HABM geht einleitend kurz auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts zum Begriff der Verwechslungsgefahr ein, wobei es das Erfordernis einer Gesamtbeurteilung, das Kriterium der Wahrnehmung des Durchschnittsverbrauchers und die Notwendigkeit hervorhebt, die Ähnlichkeiten in Bild, Klang und Bedeutung sowie besonders die unterscheidungskräftigen und dominierenden Bestandteile der einander gegenüberstehenden Marken zu würdigen. Bei Anwendung dieser Rechtsprechung müssten die hier in Rede stehenden Zeichen als ähnlich angesehen werden. Ihre Ähnlichkeit und die Identität der fraglichen Dienstleistungen führe daher bei den maßgeblichen Verkehrskreisen in Deutschland zu einer Verwechslungsgefahr zwischen den sich gegenüberstehenden Marken.

21 Das HABM behandelt zunächst näher den Vergleich der Zeichen in phonetischer, visueller und begrifflicher Hinsicht. In phonetischer Hinsicht begründe der Wortbestandteil "terra" der älteren Marke, der sich vollständig am Anfang des die angemeldete Marke darstellenden Wortes wiederfinde und auch ähnlich ausgesprochen werde, eine beachtliche klangliche Ähnlichkeit zwischen den beiden Marken und stelle sich für die Verkehrskreise als das dominierende Element dar. In der Rechtsprechung des Gerichts sei die Auffassung vertreten worden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise dem Wortanfang eine größere Beachtung schenkten als den nachfolgenden Wortteilen. Daher sei die klangliche Ähnlichkeit der in Rede stehenden Zeichen nicht unbeträchtlich. Ferner habe die Beschwerdekammer zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verkehrskreise auf den Wortbestandteil "terra" zurückgreifen würden, um die ältere Marke mündlich zu bezeichnen. Dieser sei also der dominierende Bestandteil dieser Marke.

22 In bildlicher Hinsicht müsse zumindest eine geringe Ähnlichkeit der fraglichen Zeichen angenommen werden. Der Wortbestandteil "terra", der in den ersten beiden Silben der beiden sich gegenüberstehenden Marken zu finden sei, bewirke ebenso, wie sie in klanglicher Hinsicht bestehe, eine beachtliche visuelle Ähnlichkeit. Zwar fehle es der angemeldeten Marke an einem grafischen Bestandteil, dieser sei aber in der älteren Marke nicht dominant. Zu Unrecht trage der Kläger vor, dass der Wortbestandteil "terra" für die fraglichen Dienstleistungen äußerst kennzeichnungsschwach sei. Die Auszüge des Gemeinschaftsmarkenregisters, die er vorgelegt habe, listeten nämlich nur drei Marken der Klasse 36 mit dem Bestandteil "terra" auf, der zudem nicht selbständig in Erscheinung trete.

23 In begrifflicher Hinsicht sei nicht nur das Wort "terranus", sondern auch das Wort "terra" für die deutschen Verkehrskreise als Fantasiebezeichnung anzusehen. Das Wortelement "terra" besitze normale Kennzeichnungskraft, wovon bereits das Deutsche Patent- und Markenamt ausgegangen sei. Doch selbst wenn man annehme, dass ein Teil der betroffenen Verkehrskreise das Wort "terra" als einen Hinweis auf Erde verstehen könne, gebe es keinen Grund, anzunehmen, dass die betroffenen Verkehrskreise einen entsprechenden Hinweis nicht auch in dem Wort "terranus" erblickten. Jedenfalls sei kein Beweis dafür erbracht, dass die Bedeutung dieses Wortes lateinischen Ursprungs in ganz Europa bekannt sei, und es gebe keinen greifbaren Beweis für eine etwaige abgeschwächte Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils "terra" in Deutschland. Außerdem habe dieser Begriff in Alleinstellung keinen Eingang in die deutsche Sprache gefunden und könne in Deutschland nur als Wort fremden Ursprungs angesehen werden. Schließlich sei nicht nachgewiesen, dass dieses Wort in Deutschland mit Dienstleistungen der Klasse 36 in Verbindung gebracht werden könne. Daher könne kein begriffliches Unterscheidungsmerkmal dem deutschen Publikum die Unterscheidung zwischen den sich gegenüberstehenden Marken erleichtern.

24 Im Ergebnis reiche bei der gebotenen Gesamtbeurteilung der Verwechslungsgefahr, wie in ständiger Rechtsprechung anerkannt sei, eine Zeichenähnlichkeit aufgrund eines einzigen Kriteriums, hier der klanglichen Ähnlichkeit des dominierenden Bestandteils "terra", für die Bejahung von Verwechslungsgefahr aus, sofern diese unter Berücksichtigung aller weiteren maßgeblichen Faktoren signifikant sei. Da die in Rede stehenden Dienstleistungen unstreitig identisch seien, genüge im vorliegenden Fall die bloße klangliche Ähnlichkeit, selbst wenn sie schwach sei. Die fraglichen Zeichen unterschieden sich nämlich weder bildlich noch begrifflich so voneinander, dass diese klangliche Ähnlichkeit etwa neutralisiert werden könnte, sondern die in visueller Hinsicht festgestellten gemeinsamen Elemente verstärkten die Verwechslungsgefahr eher noch. Im Übrigen sei es, da die angefochtene Entscheidung keine Assoziationsgefahr festgestellt habe, nicht erforderlich, dieses Vorbringen des Klägers zu prüfen.

25 Schließlich führt das HABM gegen das Vorbringen des Klägers, dass das Deutsche Patent- und Markenamt mit Entscheidung vom 25. Mai 2004 eine mit der angemeldeten Marke identische Marke zur Eintragung zugelassen habe, die Rechtsprechung ins Feld, wonach nationale Entscheidungen für das HABM und gegebenenfalls den Gemeinschaftsrichter nicht verbindlich seien.

Würdigung durch das Gericht

26 Gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 ist auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen, "wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird". Dabei versteht man gemäß Art. 8 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 unter älteren Marken Gemeinschaftsmarken, in einem Mitgliedstaat eingetragene oder international registrierte Marken mit einem früheren Anmeldetag als dem Tag der Anmeldung der Gemeinschaftsmarke.

27 Die Gefahr von Verwechslungen der Marken durch das Publikum, bei der es sich um die Gefahr handelt, dass das Publikum glauben könnte, die betreffenden Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen, ist unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (Urteile des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Canon, C-39/97, Slg. 1998, I-5507, Randnrn. 16 und 29, und vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C-342/97, Slg. 1999, I-3819, Randnrn. 17 und 18; Urteil des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Oberhauser/HABM - Petit Liberto [Fifties], T-104/01, Slg. 2002, II-4359, Randnrn. 25 und 26).

28 Diese umfassende Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere zwischen der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der durch sie erfassten Waren oder Dienstleistungen. So kann ein geringer Grad der Ähnlichkeit der erfassten Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (Urteile Canon, Randnr. 17, Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 19, und Fifties, Randnrn. 27).

29 Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der älteren Marke, auf der der Widerspruch beruht, um eine Gemeinschaftsmarke und eine spanische Marke. Insoweit ergibt sich aus der Einheitlichkeit der Gemeinschaftsmarke im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94, dass eine ältere Gemeinschaftsmarke in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise geschützt ist. Daher können Gemeinschaftsmarken jeder späteren Anmeldemarke entgegengehalten werden, die, sei es auch nur hinsichtlich der Wahrnehmung der Verbraucher in einem Teil des Gemeinschaftsgebiets, ihren Schutz beeinträchtigen würde. Daraus ergibt sich weiter, dass der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 niedergelegte Grundsatz, wonach es für die Zurückweisung einer Anmeldung ausreicht, dass nur in einem Teil der Gemeinschaft ein absolutes Eintragungshindernis besteht, entsprechend auch im Fall eines relativen Eintragungshindernisses im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 gilt (Urteile des Gerichts vom 23. Oktober 2002, Matratzen Concord/HABM - Hukla Germany [MATRATZEN], T-6/01, Slg. 2002, II-4335, Randnr. 59, vom 3. März 2004, Mühlens/HABM - Zirh International [ZIRH], T-355/02, Slg. 2004, II-791, Randnr. 36, vom 6. Oktober 2004, New Look/HABM - Naulover [NLSPORT, NLJEANS, NLACTIVE und NLCollection], T-117/03 bis T-119/03 und T-171/03, Slg. 2004, II-3475, Randnr. 34, und vom 1. März 2005, Fusco/HABM - Fusco International [ENZO FUSCO], T-185/03, Slg. 2005, II-715, Randnr. 33).

30 Das für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigende Gebiet ist somit das der gesamten Europäischen Gemeinschaft. Die Widerspruchsabteilung und die Beschwerdekammer haben das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr in einem Teil der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere in Deutschland, festgestellt, was, wenn diese Gefahr nachgewiesen ist, für die Zurückweisung der Anmeldung genügt. Die angefochtene Entscheidung wird von den Parteien nicht angegriffen, soweit sie für die Prüfung der Verwechslungsgefahr auf das deutsche Staatsgebiet abstellt; daher ist das Vorhandensein von Verwechslungsgefahr insbesondere für dieses Gebiet zu prüfen.

31 Hinsichtlich der von den Marken erfassten Dienstleistungen ist festzustellen, dass sie identisch sind; dies ist zwischen den Parteien auch unstreitig. In Anbetracht der Art dieser Dienstleistungen (Dienstleistungen des Finanzwesens, des Immobilienwesens und des Versicherungswesens) ist davon auszugehen, dass es sich um Dienstleistungen des täglichen Bedarfs handelt. Die angesprochenen Verkehrskreise bestehen folglich aus den Durchschnittsverbrauchern, insbesondere den deutschen.

32 Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marken auf den Verbraucher der fraglichen Waren und Dienstleistungen wirken. Der Durchschnittsverbraucher, der als normal informiert, angemessen aufmerksam und verständig anzusehen ist, nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1997, SABEL, C-251/95, Slg. 1997, I-6191, Randnr. 23, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 25; Urteil Fifties des Gerichts, Randnr. 28). Es bietet sich ihm auch nur selten die Möglichkeit, die verschiedenen Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern er muss sich auf das unvollkommene Bild verlassen, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (Urteile Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 26, und Fifties, Randnr. 28).

33 Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist hinsichtlich der visuellen, klanglichen oder begrifflichen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen auf den Gesamteindruck abzustellen, den sie hervorrufen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (Urteile SABEL, Randnr. 23, und Lloyd Schuhfabrik Meyer, Randnr. 25; Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2003, Phillips-Van Heusen/HABM - Pash Textilvertrieb und Einzelhandel [BASS], T-292/01, Slg. 2003, II-4335, Randnr. 47).

34 Hinsichtlich des visuellen Vergleichs der einander gegenüberstehenden Marken ist daran zu erinnern, dass gegen eine Prüfung, ob zwischen einer Wortmarke und einer Bildmarke eine optische Ähnlichkeit besteht, nichts einzuwenden ist, da beide Markenarten Gegenstand einer grafischen Gestaltung sind, die einen optischen Eindruck vermitteln kann (Urteile des Gerichts vom 12. Dezember 2002, Vedial/HABM - France Distribution [HUBERT], T-110/01, Slg. 2002, II-5275, Randnr. 51, und vom 4. Mai 2005, Chum/HABM - Star TV [STAR TV], T-359/02, Slg. 2005, II-1515, Randnr. 43).

35 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die beiden sich gegenüberstehenden Zeichen das Wortelement "terra" gemeinsam haben. Dabei gestattet der Umstand, dass einer der Bestandteile einer zusammengesetzten Marke mit einer anderen Marke identisch ist, den Schluss auf die Ähnlichkeit dieser Marken nur dann, wenn dieser Bestandteil das dominierende Element in dem von der zusammengesetzten Marke hervorgerufenen Gesamteindruck ist (Urteil MATRATZEN, Randnr. 33).

36 Das Gericht ist der Auffassung, dass das Wortelement "terra" gegenüber dem Bildelement der älteren Marke eine Vorrangstellung einnimmt und sich bei der Wahrnehmung dieser Marke wegen seiner Größe und seiner Positionierung über dem grafische Element tatsächlich aufdrängt. Zudem besteht dieses grafische Element aus einer einfachen und abstrakten Zeichnung, die bei der Gesamtwahrnehmung der älteren Marke nicht sonderlich bemerkenswert und auffällig ist, und kann daher nicht als dominierender oder auch nur in seinem Gewicht dem Wortelement der Marke gleichkommender Bestandteil angesehen werden. Unter diesen Umständen hat die Beschwerdekammer zutreffend das Wortelement "terra" als den dominierenden Bestandteil der älteren Marke betrachtet.

37 Der Vergleich zwischen dem Zeichen "Terranus" und dem Wortelement "terra" der älteren Bildmarke als deren dominierenden Bestandteil lässt einen gewissen Grad an Ähnlichkeit zwischen ihnen in visueller Hinsicht erkennen. Die unterschiedliche Anzahl an Silben und Buchstaben der beiden fraglichen Zeichen vermag diese Ähnlichkeit nicht zu neutralisieren. Zwar besteht das Wortelement der älteren Marke lediglich aus fünf Buchstaben und zwei Silben, während die angemeldete Marke acht Buchstaben und drei Silben umfasst, doch ändert dies nichts daran, dass die beiden Zeichen zwei Silben, nämlich den Bestandteil "terra", gemeinsam haben. Außerdem befindet sich dieser Bestandteil in beiden Marken an gleicher Stelle, nämlich an deren Anfang. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass sich die Aufmerksamkeit des Verbrauchers im Allgemeinen insbesondere auf den Anfang des Wortes richtet (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 17. März 2004, El Corte Inglés/HABM - González Cabello und Iberia Líneas Aéreas de España [MUNDICOR], T-183/02 und T-184/02, Slg. 2004, II-965, Randnr. 83, und vom 16. März 2005, L'Oréal/HABM - Revlon [FLEXI AIR], T-112/03, Slg. 2005, II-949, Randnrn. 69 bis 71). Das Gericht ist deshalb der Auffassung, dass diese visuellen Ähnlichkeitselemente ein größeres Gewicht als die unterschiedlichen Längen der fraglichen Zeichen haben, die demgemäß in visueller Hinsicht keinen bedeutsamen Unterschied zwischen ihnen hervorrufen können.

38 Zu dem gleichen Resultat führt ein Vergleich der Zeichen in phonetischer Hinsicht, aus dem sich ebenfalls ergibt, dass das Wortelement "terra" in der Wahrnehmung der Verbraucher dominant ist. Denn der betreffende Verbraucher wird sich, wenn er sich den Marken gegenübersieht, besonders das gemeinsame Wortelement "terra" merken, das in der Aussprache der angemeldeten Marke dominiert und in seiner eigenen Aussprache durch die Hinzufügung des Bestandteils "nus" nicht merklich verändert wird. Insbesondere ist nicht bewiesen worden, dass infolge des letztgenannten Bestandteils der Selbstlaut "a" in den Sprachen vor allem der Länder, in denen der Begriff "terranus" als Fantasiebezeichnung aufgefasst wird und seine Aussprache nicht sicher feststeht, merklich gedehnter ausgesprochen würde.

39 In begrifflicher Hinsicht steht fest, dass die beiden Begriffe aus der lateinischen Sprache stammen. Der lateinischen Ausdruck "terranus", der den Ausführungen des Klägers zufolge "das Vermögen der geistigen Wahrnehmung eines Baugeländes oder eines als solchen zu identifizierenden Grundstücks" bezeichnet, wird mit Sicherheit vom Durchschnittsverbraucher nicht in diesem Sinne verstanden. Ebenso wenig lässt sich, wenn auch bestimmte europäische Sprachen lateinischen Ursprungs ähnliche Wörter enthalten, - entgegen dem Vorbringen des Klägers - nicht vermuten, dass die Bedeutung des lateinischen Wortes "terra" oder dessen semantischer Unterschied im Vergleich zum Wort "terranus" den Verkehrskreisen überall in Europa und insbesondere in Deutschland bekannt wäre. Folglich hat das Wort "terra" für den in der lateinischen Terminologie nicht bewanderten Durchschnittsverbraucher eine vage Bedeutung und erinnert ebenso an einen Fantasiebegriff wie das Wort "terranus". Daraus ergibt sich somit kein markanter begrifflicher Unterschied zwischen den beiden sich gegenüberstehenden Zeichen.

40 Nach alledem ist die Beschwerdekammer zutreffend davon ausgegangen, dass die einander gegenüberstehenden Zeichen eine gewisse Ähnlichkeit in visueller und phonetischer Hinsicht aufweisen, die durch die zwischen ihnen in begrifflicher Hinsicht bestehenden Unterschiede nicht neutralisiert wird.

41 Da die von den fraglichen Marken erfassten Dienstleistungen identisch sind, reicht selbst eine geringe Ähnlichkeit zwischen den Zeichen aus, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Daher ist das Gericht der Auffassung, dass die Beschwerdekammer ohne Rechts- und Beurteilungsfehler zu dem Ergebnis gelangt ist, dass zwischen den fraglichen Marken die Gefahr von Verwechslungen besteht, weil die einander gegenüberstehenden Zeichen insoweit hinreichend ähnlich sind. Denn ein mit den fraglichen Marken konfrontierter Durchschnittsverbraucher, der sie sich nur unvollkommen einprägen wird, wird sich insbesondere an das Element "terra" erinnern, das in beiden Zeichen vorhanden ist und sich an deren Anfang befindet, so dass er sie unmittelbar verwechseln kann.

42 In Bezug auf die nationale Entscheidung, auf die sich der Kläger beruft, genügt der Hinweis, dass die Gemeinschaftsregelung für Marken ein autonomes System ist, das aus einer Gesamtheit von ihm eigenen Zielsetzungen und Vorschriften besteht, wobei dessen Anwendung von jedem nationalen System unabhängig ist (Urteile des Gerichts vom 5. Dezember 2000, Messe München/HABM [electronica], T-32/00, Slg. 2000, II-3829, Randnr. 47, und vom 24. November 2005, Sadas/HABM - LTJ Diffusion [ARTHUR ET FELICIE], T-346/04, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 70). Folglich kann die nationale Entscheidung, die der Kläger geltend macht, jedenfalls nicht die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung in Frage stellen, die allein auf der Grundlage der einschlägigen Gemeinschaftsregelung zu beurteilen ist.

43 Nach alledem greift der einzige Klagegrund eines Verstoßes gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 nicht durch. Folglich ist die Klage abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

44 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag des HABM die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten.

Ende der Entscheidung

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