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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 08.07.2004
Aktenzeichen: T-334/01
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in ihrer geänderten Fassung, Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in ihrer geänderten Fassung Art. 43 Abs. 2
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in ihrer geänderten Fassung Art. 43 Abs. 3
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in ihrer geänderten Fassung Art. 15
Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke in ihrer geänderten Fassung Art. 8 Abs. 1 Buchst. b
Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 Regel 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 8. Juli 2004. - MFE Marienfelde GmbH gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM). - Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Ältere Wortmarke HIPPOVIT - Anmeldung des Wortzeichens HIPOVITON als Gemeinschaftsmarke - Ernsthafte Benutzung der älteren Marke - Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Anspruch auf rechtliches Gehör. - Rechtssache T-334/01.

Parteien:

In der Rechtssache T-334/01

MFE Marienfelde GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Rojahn und S. Freytag,

Klägerin,

gegen

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch E. Joly und G. Schneider als Bevollmächtigte,

Beklagter,

betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des HABM vom 26. September 2001 (Sache R 578/2000-4) in Bezug auf ein Widerspruchsverfahren zwischen der MFE Marienfelde GmbH und der Vétoquinol AG

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZDER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,

Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,

aufgrund der Klageschrift und der Erwiderung, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 24. Dezember 2001 bzw. am 29. Juli 2002,

aufgrund der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung des HABM, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 24. April bzw. am 30. Oktober 2002,

aufgrund der Klagebeantwortung und der Gegenerwiderung der Streithelferin, bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen am 22. April bzw. am 29. Oktober 2002,

auf die mündliche Verhandlung vom

11. November 2003,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

Vorgeschichte des Rechtsstreits

1. Die Streithelferin meldete am 30. Dezember 1996 unter ihrem früheren Namen Chassot AG nach der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) in ihrer geänderten Fassung beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine Gemeinschaftsmarke an.

2. Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das Wortzeichen HIPOVITON.

3. Die Waren, für die die Eintragung der Marke beantragt wurde, gehören zur Klasse 31 im Sinne des Abkommens von Nizza vom 15. Juni 1957 über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken in seiner überarbeiteten und geänderten Fassung und entsprechen folgender Beschreibung: Futtermittel.

4. Am 11. Mai 1998 wurde die Markenanmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken veröffentlicht.

5. Die Klägerin legte am 11. August 1998 gemäß Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für alle von der Markenanmeldung erfassten Waren ein. Der Widerspruch wurde auf eine in Deutschland am 17. Mai 1972 eingetragene Marke mit dem Prioritätstag 16. Mai 1969 gestützt. Diese aus dem Wortzeichen HIPPOVIT bestehende Marke (im Folgenden: ältere Marke) ist für Waren der Klasse 31 im Sinne des Abkommens von Nizza eingetragen worden, die folgender Beschreibung entsprechen: Futtermittel.

6. Zur Begründung ihres Widerspruchs berief sich die Klägerin auf das relative Eintragungshindernis des Artikels 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94.

7. Mit Schreiben vom 15. März 1999 verlangte die Streithelferin, dass die Klägerin gemäß Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 den Nachweis erbringt, dass sie die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung in dem Mitgliedstaat, in dem sie geschützt ist, ernsthaft benutzt hat. Mit Mitteilung vom 8. April 1999 forderte die Widerspruchsabteilung des HABM (im Folgenden: Widerspruchsabteilung) die Klägerin auf, diesen Nachweis binnen zwei Monaten zu erbringen.

8. Am 4. Mai 1999 übermittelte die Klägerin dem HABM erstens vier Prospekte mit der älteren Marke; in den Buchstaben O waren jedoch der Kopf und der Vorderkörper eines Pferdes eingefügt. Zweitens legte sie ein Deckblatt Marienfelder Tierfutter-Programm mit Bestellformular und ein Werbeblatt Ich liebe Pferde von A-Z vor. Drittens reichte sie eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers R. Bode ein, worin dieser erklärt, dass sich die mit dem Verkauf unter der älteren Marke erzielten Umsatzzahlen für die Zeit von Januar bis Juni 1998 auf 12 500 DM und für die Zeit von Januar bis Dezember 1998 auf 21 100 DM beliefen.

9. Nachdem die Klägerin und die Streithelferin mehrere Schriftsätze gewechselt hatten, übersandte ihnen das HABM am 24. Januar 2000 eine schriftliche Mitteilung, in der es hieß:

Das [HABM] weist Sie darauf hin, dass keine ergänzende Stellungnahme eingereicht werden kann.

10. In einem Schriftsatz vom 8. Februar 2000 führte die Streithelferin u. a. aus, dass der von der Klägerin mit dem Verkauf von Waren unter der älteren Marke erzielte Umsatz dem Verkauf von 459 Packungen entspreche und sich der gesamte Jahresumsatz der Klägerin für 1998 auf 2,8 Mio. DM belaufe.

11. Mit schriftlicher Mitteilung vom 8. März 2000 wies das HABM die Klägerin und die Streithelferin unter Bezugnahme auf seine schriftliche Mitteilung vom 24. Januar 2000 darauf hin, dass es den Inhalt des Schriftsatzes der Streithelferin vom 8. Februar 2000 bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigen werde.

12. Mit Entscheidung vom 28. März 2000 (Entscheidung Nr. 601/2000) wies die Widerspruchsabteilung den Widerspruch gemäß Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe nicht den Nachweis erbracht, dass sie die ältere Marke im Sinne dieser Bestimmung ernsthaft benutzt habe. Die von der Klägerin vorgelegte eidesstattliche Versicherung sei weder von einer neutralen Person noch von einem unparteiischen Organ abgegeben worden und müsse daher von anderen Nachweisen gestützt werden. Die anderen von der Klägerin vorgelegten Beweismittel enthielten nach Meinung der Widerspruchsabteilung keine Angaben über Ort, Zeit oder Umfang der Benutzung der älteren Marke.

13. Am 23. Mai 2000 legte die Klägerin beim HABM nach Artikel 59 der Verordnung Nr. 40/94 Beschwerde gegen die Entscheidung der Widerspruchsabteilung ein.

14. Als Anlage zur Beschwerdebegründung vom 28. Juli 2000 legte die Klägerin Rechnungen für die Teilnahme an verschiedenen Messen im Jahr 1998, die Miete von Ausstellungsständen sowie den Kauf von Etiketten und Werbematerial vor. Außerdem legte sie 15 Rechnungen über den Verkauf von Produkten unter der älteren Marke aus der Zeit vom 6. März 1998 bis 19. Mai 1998 vor. In diesen Rechnungen sind die Namen der Käufer unkenntlich gemacht. Der diesen Rechnungen entsprechende Umsatz belief sich, soweit er vor dem 11. Mai 1998 erzielt wurde, auf 2 753,84 DM.

15. In einem Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 wiederholte die Streithelferin unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 8. Februar 2000 die darin enthaltenen Behauptungen zum Umsatz der Klägerin. Das HABM leitete der Klägerin diesen Schriftsatz mit Schreiben vom 24. Oktober 2000 zu und wies sie darauf hin, dass diese Mitteilung ausschließlich zu ihrer Information erfolge.

16. Mit Entscheidung vom 26. September 2001, die der Klägerin am 15. Oktober 2001 zugestellt wurde (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), wies die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde ab. Sie führte im Wesentlichen aus, dass sich der relevante Zeitraum für die Prüfung der ernsthaften Benutzung der älteren Marke vom 12. Mai 1993 bis zum 11. Mai 1998 erstrecke und die Klägerin nicht behaupte, die Marke vor 1998 benutzt zu haben. In Bezug auf die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Klägerin war die Beschwerdekammer der Ansicht, dass es nicht erforderlich sei, über deren Beweiswert zu entscheiden. Auch wenn der darin angegebene Umsatz, der 1998 mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielt worden sei, als zutreffend unterstellt werde, gehe aus der eidesstattlichen Versicherung nicht hervor, dass die Marke im relevanten Zeitraum ernsthaft benutzt worden sei. Der Umsatz von 12 500 DM entspreche, selbst wenn er auf den relevanten Zeitraum bezogen werde, dem Verkauf von nur gut 450 Packungen der betroffenen Produkte und sei im Vergleich zum gesamten Jahresumsatz der Klägerin, der sich 1998 auf 2,8 Mio. DM belaufen habe, sehr gering. Unter diesen Umständen könne unentschieden bleiben, ob die Klägerin die ältere Marke dadurch, dass sie sie in einer anderen als der eingetragenen Form verwendet habe, überhaupt rechtserhaltend benutzt habe.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

17. Die Klägerin beantragt,

- die angefochtene Entscheidung und die Entscheidung der Widerspruchsabteilung vom 28. März 2000 aufzuheben;

- dem HABM die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18. Das HABM und die Streithelferin beantragen,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

Zur Zulässigkeit des Antrags auf Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung

19. Die Klägerin beantragt Aufhebung sowohl der angefochtenen Entscheidung als auch der Widerspruchsentscheidung. Dieser Antrag ist zulässig. Er ist auf Erlass derjenigen Entscheidung gerichtet, die die Beschwerdekammer nach Ansicht der Klägerin auf die beim HABM eingelegte Beschwerde hätte erlassen müssen. Aus Artikel 62 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 40/94 ergibt sich, dass die Beschwerdekammer die Entscheidung der Dienststelle des HABM, die zuerst entschieden hat, aufheben kann. Eine solche Aufhebung gehört somit zu den Maßnahmen, die das Gericht aufgrund seiner Änderungsbefugnis nach Artikel 63 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 treffen kann (in diesem Sinne, in Bezug auf einen Antrag auf Zurückverweisung der Sache an den Prüfer, Urteil des Gerichts vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache T-106/00, Streamserve/HABM [STREAMSERVE], Slg. 2002, II-723, Randnr. 19, bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofes vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache C-150/02 P, Streamserve/HABM, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).

Zur Begründetheit

20. Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund macht sie einen Verstoß gegen Artikel 43 Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Artikel 15 der Verordnung Nr. 40/94 geltend. Mit dem zweiten Klagegrund wirft sie der Beschwerdekammer vor, sie habe die von ihr im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismittel unberücksichtigt gelassen. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 40/94 gerügt. Mit dem vierten und dem fünften Klagegrund werden eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht.

Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen Artikel 43 Absätze 2 und 3 in Verbindung mit Artikel 15 der Verordnung Nr. 40/94 und zum Klagegrund einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

- Vorbringen der Parteien

21. Die Klägerin führt allgemein aus, der Begriff der ernsthaften Benutzung einer Marke sei dahin auszulegen, dass er jede Handlung umfasse, die nach Art, Umfang und Dauer objektiv eine normale Benutzung der Marke auf dem betreffenden Markt darstelle. Der Umfang, den eine solche Benutzung haben müsse, hänge von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere von der Größe des betreffenden Unternehmens und dessen Diversifizierungsgrad ab.

22. Im vorliegenden Fall hätte die Beschwerdekammer nach Ansicht der Klägerin bei ordnungsgemäßer Anwendung der von ihr aufgeführten Beurteilungskriterien zu dem Ergebnis kommen müssen, dass eine ernsthafte Benutzung der älteren Marke vorgelegen habe. Im relevanten Zeitraum habe die Klägerin in ganz Deutschland Produkte unter dieser Marke verkauft. Aus der eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers ergebe sich, dass der mit diesen Verkäufen erzielte Umsatz, auch wenn er wegen der Markteinführung der betreffenden Produkte relativ gering gewesen sei, eine normale Benutzung der Marke mit dem Ziel der Schaffung eines Absatzmarktes für diese Produkte beweise.

23. Außerdem sei der in der angefochtenen Entscheidung für das Jahr 1998 zugrunde gelegte Umsatz von 2,8 Mio. DM unrichtig.

24. Im Rahmen des Klagegrundes, mit dem eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird, rügt die Klägerin, die Beschwerdekammer habe sie vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung nicht über ihre Absicht informiert, diese Entscheidung auf die Tatsache zu stützen, dass die Klägerin im relevanten Zeitraum unter der älteren Marke lediglich gut 450 Packungen des Produktes verkauft habe. In ihrer Erwiderung führt sie aus, dass die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung den Inhalt des Schriftsatzes der Streithelferin vom 8. Februar 2000 berücksichtigt habe, obwohl die Widerspruchsabteilung ihr mitgeteilt habe, dass dieser Schriftsatz nicht berücksichtigt werde.

25. Das HABM trägt vor, dass aus den verschiedenen Sprachfassungen der Artikel 43 Absatz 2 und 15 der Verordnung Nr. 40/94 hervorgehe, dass der Begriff der ernsthaften Benutzung eine echte, wahre, tatsächliche oder wirkliche Benutzung erfordere. Die Benutzung müsse demnach geeignet sein, die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu unterscheiden, und dürfe nicht lediglich zur Erhaltung eines bestehenden Markenrechts erfolgen.

26. Die Frage, ob eine Marke im Einzelfall ernsthaft benutzt werde, sei im Wege einer Gesamtbeurteilung zu prüfen, bei der der betreffende Markt, die normalen Vertriebsumstände für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen, die Produktions- bzw. Vertriebskapazitäten des Markeninhabers sowie dessen Marktanteile zu berücksichtigen seien.

27. Zum vorliegenden Fall weist das HABM erstens darauf hin, dass nach den von der Klägerin vorgelegten Beweismitteln die Benutzung der älteren Marke erst Anfang des Jahres 1998, also nur etwas mehr als vier Monate vor der Veröffentlichung der Markenanmeldung, begonnen habe. Zweitens sei der Umsatz, der im relevanten Zeitraum mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielt worden sei, nur geringfügig, was nicht allein darauf zurückgeführt werden könne, dass die Vermarktung der betreffenden Produkte erst Anfang 1998 begonnen habe. Die Verkaufszahlen für das zweite Halbjahr 1998 seien nämlich geringer als die zu Beginn des Jahres. Drittens sei der von der Klägerin mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielte Umsatz im Vergleich zu ihrem gesamten Jahresumsatz von geringer Bedeutung.

28. Nach Ansicht des HABM hat die Beschwerdekammer auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör beachtet.

29. Die Streithelferin trägt vor, dass die Klägerin die ältere Marke nicht ernsthaft benutzt habe. Der Umsatz, den sie mit dem Verkauf von Produkten unter dieser Marke erzielt habe, stelle allenfalls 0,75 % ihres gesamten Jahresumsatzes dar. In der mündlichen Verhandlung hat die Streithelferin ausgeführt, selbst wenn man unterstelle, dass der in der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Klägerin angegebene Umsatz aus dem Verkauf von mit der älteren Marke gekennzeichneten Produkten zutreffe, seien von diesen Produkten im relevanten Zeitraum nur ungefähr 38 Packungen im Monat verkauft worden.

- Würdigung durch das Gericht

30. Wie sich aus der neunten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 40/94 ergibt, ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass der Schutz einer älteren Marke nur insoweit berechtigt ist, als sie tatsächlich benutzt worden ist. Im Einklang mit dieser Begründungserwägung sieht Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 vor, dass der Anmelder einer Gemeinschaftsmarke den Nachweis verlangen kann, dass die ältere Marke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veröffentlichung der Anmeldung der Marke, gegen die Widerspruch erhoben wird, in ihrem Schutzgebiet ernsthaft benutzt wurde (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache T-39/01, Kabushiki Kaisha Fernandes/HABM - Harrison [HIWATT], Slg. 2002, II-5233, Randnr. 34).

31. Nach Regel 22 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995 zur Durchführung der Verordnung Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) hat sich der Nachweis der Benutzung auf Ort, Zeit, Umfang und Art der Benutzung der Widerspruchsmarke zu beziehen.

32. Bei der Auslegung des Begriffes der ernsthaften Benutzung ist zu berücksichtigen, dass der Normzweck des Erfordernisses, dass die ältere Marke ernsthaft benutzt worden sein muss, um einer Gemeinschaftsmarkenanmeldung entgegengehalten werden zu können, darin besteht, Markenkonflikte zu begrenzen, soweit kein berechtigter wirtschaftlicher Grund vorliegt, der einer tatsächlichen Funktion der Marke auf dem Markt entspringt (Urteil des Gerichts vom 12. März 2003 in der Rechtssache T-174/01, Goulbourn/HABM - Redcats [Silk Cocoon], Slg. 2003, II-789, Randnr. 38). Dagegen zielt diese Bestimmung weder auf eine Bewertung des kommerziellen Erfolges noch auf eine Überprüfung der Geschäftsstrategie eines Unternehmens oder darauf ab, den Markenschutz nur umfangreichen Verwertungen von Marken vorzubehalten.

33. Wie sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 11. März 2003 in der Rechtssache C-40/01 (Ansul, Slg. 2003, I-2439) zur Auslegung von Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) - dessen normativer Inhalt im Wesentlichen dem des Artikels 43 der Verordnung Nr. 40/94 entspricht - ergibt, wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren, benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen (Urteil Ansul, Randnr. 43). Mit der Bedingung einer ernsthaften Benutzung der Marke wird deswegen verlangt, dass die Marke so, wie sie in dem fraglichen Gebiet geschützt ist, öffentlich und nach außen benutzt wird (Urteile Ansul, Randnr. 37, und Silk Cocoon, Randnr. 39).

34. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtlicher Tatsachen und Umstände zu prüfen, die die tatsächliche geschäftliche Verwertung der Marke belegen können; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu halten oder hinzuzugewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke (Urteil Ansul, Randnr. 43).

35. Bezüglich des Umfangs der Benutzung der älteren Marke sind insbesondere das Handelsvolumen aller Benutzungshandlungen sowie die Länge des Zeitraums, in dem Benutzungshandlungen erfolgt sind, und die Häufigkeit dieser Handlungen zu berücksichtigen.

36. Bei der Prüfung der Ernsthaftigkeit der Benutzung einer älteren Marke im konkreten Fall ist eine umfassende Beurteilung unter Berücksichtigung aller relevanten Faktoren vorzunehmen. Diese Beurteilung impliziert eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den zu berücksichtigenden Faktoren. So kann ein geringes Volumen von unter der Marke vertriebenen Waren durch eine große Häufigkeit oder zeitliche Konstanz der Benutzungshandlungen dieser Marke ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem können der erzielte Umsatz und die Zahl der unter der älteren Marke verkauften Waren nicht absolut beurteilt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit anderen relevanten Faktoren wie dem Umfang der Geschäftstätigkeit, den Produktions- oder Vertriebskapazitäten oder dem Grad der Diversifizierung des Unternehmens, das die Marke verwertet, sowie den charakteristischen Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen auf dem betreffenden Markt gesehen werden. Der Gerichtshof hat daher entschieden, dass die Benutzung der älteren Marke nicht immer umfangreich zu sein braucht, um als ernsthaft eingestuft zu werden (Urteil Ansul, Randnr. 39).

37. Je begrenzter jedoch das Handelsvolumen der Markenverwertung ist, desto größer ist die Notwendigkeit, dass der Widerspruchsführer ergänzende Angaben liefert, die etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Benutzung der betreffenden Marke ausräumen können.

38. Im Licht dieser Erwägungen ist die angefochtene Entscheidung zu prüfen.

39. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaftsmarkenanmeldung am 11. Mai 1998 veröffentlicht wurde und der in Artikel 43 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 40/94 genannte Zeitraum von fünf Jahren demzufolge vom 11. Mai 1993 bis 10. Mai 1998 reicht (im Folgenden: maßgebender Zeitraum).

40. Aus Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 ergibt sich, dass von den in dieser Verordnung vorgesehenen Sanktionen nur Marken erfasst werden, deren ernsthafte Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt wurde. Einer Marke drohen diese Sanktionen daher schon dann nicht mehr, wenn sie während eines Teils des maßgebenden Zeitraums ernsthaft benutzt wurde.

41. Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin nur behauptet, die ältere Marke ab Januar 1998 benutzt zu haben. Die Beschwerdekammer hat daher die angefochtene Entscheidung zutreffend auf die Beurteilung der Benutzung gestützt, die nach dem Vortrag der Klägerin in der Zeit von Anfang des Jahres 1998 bis zum 10. Mai 1998 erfolgt ist.

42. Die Beschwerdekammer hat, ohne dass dies in der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich erwähnt ist, für ihre Beurteilung nur die Druckschriften und die eidesstattliche Versicherung, die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgelegt wurden, sowie die Stellungnahmen berücksichtigt, die die Streithelferin mit ihren Schriftsätzen vom 8. Februar und 9. Oktober 2000 eingereicht hat.

43. Zur eidesstattlichen Versicherung ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdekammer die Frage, welchen Beweiswert sie hat, ausdrücklich offen gelassen hat. Sie hat allerdings für ihre Prüfung den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung als wahr unterstellt. Das Gericht hält es für angebracht, vorliegend von derselben Prämisse auszugehen.

44. Was sodann die von der Klägerin vorgelegten Druckschriften angeht, so hat die Beschwerdekammer zutreffend festgestellt, dass sich ihnen keine Angaben zum Zeitraum der Verwendung der älteren Marke entnehmen ließen. Sie hielt es jedoch für möglich, aus ihnen auf Art und Ort der Verwendung zu schließen, da das unter den Druckschriften befindliche Bestellformular ersichtlich für den deutschen Markt bestimmt sei.

45. Bei der Prüfung, ob diese Verwendung als ernsthaft einzustufen ist, hat sich die Beschwerdekammer im Wesentlichen auf zwei verschiedene Gesichtspunkte gestützt. Zunächst hat sie angenommen, dass der Umsatz von 12 500 DM - selbst wenn man unterstelle, dass er vom 1. Januar bis 11. Mai 1998 und nicht vom 1. Januar bis 30. Juni 1998 erzielt worden sei - und der auf rund 450 Packungen geschätzte Umfang der Verkäufe für ein Produkt mittlerer Preislage zu gering seien. Sodann hat sie festgestellt, dass der mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielte Umsatz, der ungefähr 0,75 % des auf 2,8 Mio. DM veranschlagten gesamten Jahresumsatzes der Klägerin ausmache, unzureichend sei.

46. Aus den tatsächlichen Feststellungen der Beschwerdekammer ergibt sich, dass die Klägerin mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke einen gewissen Umsatz erzielt hat. Die ältere Marke war somit Gegenstand von Benutzungshandlungen, die unter Berücksichtigung der Situation in dem betreffenden Wirtschaftszweig objektiv geeignet waren, für die Waren, für die die Marke eingetragen wurde, einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern.

47. Das Gericht stellt fest, dass es sich um einen geringen Umsatz handelt, der in einem relativ kurzen Zeitraum von viereinhalb Monaten erzielt worden ist, der unmittelbar vor dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Gemeinschaftsmarkenanmeldung lag.

48. Daher ist zu prüfen, ob Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Benutzung, die sich aus deren geringem Umfang oder deren Wiederaufnahme gerade vor der Veröffentlichung der Markenanmeldung ergeben, auf der Grundlage der von den Parteien geltend gemachten Tatsachen und Beweise begründet waren.

49. Zum Verhältnis des mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielten Umsatzes zum Jahresumsatz der Klägerin ist darauf hinzuweisen, dass die Tätigkeiten der Unternehmen, die auf ein und demselben Markt vertreten sind, einen unterschiedlichen Diversifikationsgrad aufweisen. Außerdem zielt die Verpflichtung zum Nachweis der ernsthaften Benutzung einer älteren Marke nicht darauf ab, die Geschäftsstrategie eines Unternehmens zu überprüfen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es für ein Unternehmen in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv gerechtfertigt ist, eine Ware oder ein Warensortiment auch dann zu vermarkten, wenn der Anteil dieser Waren am Jahresumsatz des betreffenden Unternehmens gering ist. Zudem entspricht bei einem Unternehmen von bescheidener Größe ein geringer Prozentsatz vom Jahresumsatz einem geringen absoluten Betrag.

50. Daraus folgt, dass das Verhältnis des Gesamtumsatzes der Klägerin zu dem mit dem Verkauf von Produkten unter der älteren Marke erzielten Umsatz für sich gesehen nur ein schwacher Anhaltspunkt ist und daher für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Benutzung dieser Marke nicht ausschlaggebend sein kann.

51. Zum Volumen der Verkäufe von Produkten unter der älteren Marke und zu dem in absoluten Zahlen ausgedrückten Umsatz, der damit erzielt wurde, hat das HABM in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Beschwerdekammer der Ansicht gewesen sei, dass Waren mittlerer Preislage in aller Regel in größerer Menge verkauft würden als Waren mit sehr hohem Preis. In der angefochtenen Entscheidung wird darauf verwiesen, dass - in absoluten Zahlen ausgedrückt - schwache Umsatz- und Verkaufszahlen einer Ware mittlerer oder niedriger Preislage auf eine nicht ernsthafte Benutzung der betreffenden Marke schließen ließen. Diese Erwägung ist zwar an sich nicht falsch, doch ist sie unvollständig, wenn die charakteristischen Merkmale des relevanten Marktes nicht berücksichtigt werden.

52. Die Klägerin hat dazu im Verfahren vor der Beschwerdekammer geltend gemacht, dass die unter der älteren Marke verkauften Produkte nur in geringer Menge verwendet würden. Diese Behauptung ist von der Streithelferin im Beschwerdeverfahren nicht bestritten worden. Sie wird außerdem durch die von der Klägerin vorgelegten Prospekte untermauert, die Angaben zur Dosierung der betreffenden Produkte enthalten. Dieser Hinweis wird im Übrigen in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt, obwohl er den geringen Umfang der Verkäufe unter der älteren Marke erklären konnte.

53. Die Beschwerdekammer hat auch nicht das sowohl in der Widerspruchsbegründung als auch in dem bei der Beschwerdekammer eingereichten Schriftsatz enthaltene Vorbringen der Klägerin berücksichtigt, dass sie die Vermarktung der betreffenden Produkte wieder aufgenommen habe und das Volumen des Handels mit diesen Produkten deshalb gering gewesen sei. Diese Angabe konnte aber für die Beurteilung der Frage, ob die ältere Marke ernsthaft benutzt wurde, relevant sein, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass der im zweiten Halbjahr 1998 angeblich erzielte Umsatz geringer war als der im ersten Halbjahr erzielte. Es ist nämlich denkbar, dass die Anfangsphase der Vermarktung einer Ware länger dauert als einige Monate.

54. Die Klägerin hat allerdings keinen Beweis vorgelegt, dass sich die unter der älteren Marke vertriebenen Produkte in der Markteinführungsphase befanden, obwohl die Streithelferin dies - erstmals - in ihrem Schriftsatz vor der Beschwerdekammer vom 9. Oktober 2000 bestritten hat, mit dem sie auf die Beschwerdeschrift geantwortet hat. Dieses Versäumnis konnte der Klägerin jedoch nur vorgeworfen werden, wenn ihr ordnungsgemäß Gelegenheit gegeben worden war, auf den Schriftsatz der Streithelferin vom 9. Oktober 2000 zu reagieren. Das Gericht stellt hierzu fest, dass sich aus den vom HABM übermittelten Akten ergibt, dass dieser Schriftsatz der Klägerin mit Schreiben vom 24. Oktober 2000 mit dem Hinweis zugeleitet wurde, dass diese Mitteilung ausschließlich zur Information erfolge. Was außerdem den Schriftsatz der Streithelferin vom 8. Februar 2000 betrifft, auf den diese in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 Bezug genommen hat, so hatte die Widerspruchsabteilung des HABM die Klägerin mit Mitteilung vom 8. März 2000 darüber informiert, dass der Inhalt dieses Schriftsatzes vom 8. Februar 2000 nicht berücksichtigt werde. Folglich hatte die Klägerin, da sie nicht aufgefordert wurde, zum Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 Stellung zu nehmen, keine Gelegenheit, die Zweckmäßigkeit der Vorlage weitere Beweismittel zu beurteilen.

55. Diese Feststellung gilt auch für die Angaben zur absoluten Zahl der verkauften Erzeugnisse und zum behaupteten gesamten Jahresumsatz der Klägerin, die im Schriftsatz der Streithelferin vom 8. Februar 2000 enthalten sind (Randnr. 10 des vorliegenden Urteils) und die die Streithelferin in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 in Bezug genommen und die Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung berücksichtigt hat.

56. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Regel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2868/95, wonach der Nachweis der Benutzung der älteren Marke innerhalb der dem Widersprechenden vom HABM gesetzten Frist zu erbringen ist und der Widerspruch zurückgewiesen wird, wenn die Beweismittel nicht fristgemäß vorgelegt werden, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass diese Vorschrift der Berücksichtigung zusätzlicher Beweismittel im Hinblick auf neu zutage getretene Gesichtspunkte entgegenstuende, und zwar auch dann nicht, wenn die Beweismittel nach Ablauf dieser Frist vorgelegt werden.

57. Da die Verordnung Nr. 2868/95 von der Kommission nach Artikel 140 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 erlassen wurde, sind ihre Vorschriften nämlich im Einklang mit der letztgenannten Verordnung auszulegen. Dabei sind insbesondere die Artikel 43 Absatz 1 und 74 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94 zu berücksichtigen. Artikel 43 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 bestimmt, dass das HABM bei der Prüfung des Widerspruchs die Beteiligten so oft wie erforderlich auffordert, innerhalb einer von ihm zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme zu seinen Bescheiden oder zu den Schriftsätzen anderer Beteiligter einzureichen. Artikel 74 Absatz 2 der Verordnung Nr. 40/94, wonach das HABM Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen braucht, räumt den Dienststellen des HABM ein Ermessen im Hinblick auf die Berücksichtigung von nach Ablauf der Frist vorgelegten Beweismitteln ein.

58. Nach alledem stellt das Gericht fest, dass die Beschwerdekammer bei der Beurteilung, ob die Benutzung der älteren Marke als ernsthaft einzustufen war, nicht alle relevanten Kriterien berücksichtigt hat. Außerdem hat sie sich auf eine unvollständige tatsächliche Grundlage gestützt, weil sie die Klägerin nicht aufgefordert hat, zu den neuen Tatsachen und Argumenten Stellung zu nehmen, die die Streithelferin in ihrem Schriftsatz vom 9. Oktober 2000 angeführt hat, d. h. zum angeblichen gesamten Jahresumsatz der Klägerin, zum Vorbringen in Bezug auf die Menge der verkauften Produkte und zu dem Vorbringen, mit dem die Streithelferin die Behauptung der Klägerin bestritten hat, dass sich die mit der älteren Marke gekennzeichneten Produkte in der Markteinführungsphase befunden hätten.

59. Daraus folgt, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist, ohne dass über die übrigen Klagegründe entschieden zu werden braucht.

Zum Antrag auf Änderung der angefochtenen Entscheidung

60. Zur Begründung dieses Antrags wirft die Klägerin der Beschwerdekammer vor, dass sie die Entscheidung der Widerspruchsabteilung nicht aufgehoben habe, soweit diese davon ausgegangen sei, dass eine eidesstattliche Versicherung eines Geschäftsführers des Inhabers der älteren Marke kein hinreichendes Beweismittel darstellen könne.

61. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die funktionelle Kontinuität innerhalb des HABM bedeutet, dass die Beschwerdekammer zu einer neuen Würdigung der von der Klägerin vorgelegten Beweise verpflichtet ist. Führt diese Prüfung zu einem anderen Ergebnis als dem der Dienststelle, die zuerst entschieden hat, so kann die Beschwerdekammer nach Artikel 62 Absatz 1 der Verordnung Nr. 40/94 entweder über den Widerspruch entscheiden oder die Sache an die Widerspruchsabteilung zurückverweisen.

62. Die Beschwerdekammer hätte demnach, auch wenn man dem Vorbringen der Klägerin, wie es oben in Randnummer 60 dargestellt ist, folgte, selbst über den Widerspruch entscheiden oder die Sache an die Widerspruchsabteilung zurückverweisen können.

63. Das Gericht würde aber mit einer Aufhebung der Entscheidung der Widerspruchsabteilung die angefochtene Entscheidung ändern. Diese in Artikel 63 Absatz 3 der Verordnung Nr. 40/94 vorgesehene Möglichkeit ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn die Sache entscheidungsreif ist (Urteil des Gerichts vom 2. Juli 2002 in der Rechtssache T-323/00, SAT.1/HABM [SAT.2], Slg. 2002, II-2839, Randnr. 18; gegen dieses Urteil ist Rechtsmittel eingelegt worden). Dies setzt voraus, dass das Gericht anhand der ihm vorgelegten Beweismittel die Entscheidung treffen kann, die die Beschwerdekammer nach den vorliegend anwendbaren Vorschriften zu treffen hatte. Aus der vorstehenden Randnummer ergibt sich, dass diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfuellt ist.

64. Demnach kommt eine Änderung der angefochtenen Entscheidung durch das Gericht nicht in Betracht.

Kostenentscheidung:

Kosten

65. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 87 § 4 Unterabsatz 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt.

66. Im vorliegenden Fall ist die Streithelferin in gleicher Weise unterlegen wie das HABM. Die Klägerin hat jedoch nicht beantragt, der Streithelferin die Kosten aufzuerlegen, und das HABM ist dem Antrag, ausschließlich ihm die Kosten der Klägerin aufzuerlegen, nicht entgegengetreten.

67. Daher ist zu entscheiden, dass das HABM neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Klägerin trägt und dass die Streithelferin ihre eigenen Kosten trägt.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Zweite Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) vom 26. September 2001 (Sache R 578/2000-4) wird aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Das HABM trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Klägerin.

4. Die Streithelferin trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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