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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 02.12.2003
Aktenzeichen: T-334/02
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, VO (EWG) Nr. 4253/88, EG-Verordnung


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 232
VO (EWG) Nr. 4253/88 Art. 23
EG-Verordnung Art. 226
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Beschluss des Gerichts Erster Instanz (Dritte Kammer) vom 2. Dezember 2003. - Viomichania Syskevasias Typopoiisis Kai Syntirisis Agrotikon Proïonton AE gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - EAGFL - Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse - Antrag auf Streichung einer Gemeinschaftsbeteiligung - Untätigkeit der Kommission - Untätigkeitsklage. - Rechtssache T-334/02.

Parteien:

In der Rechtssache T-334/02

Viomichania Syskevasias Typopoiisis kai Syntirsis Agrotikon Proionton AE, mit Sitz in Athen (Griechenland), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt I. Stamoulis, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Condou-Durande als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

wegen Feststellung der Untätigkeit der Kommission, weil sie es einerseits unterlassen hat, ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 232 EG gegen die Hellenische Republik wegen einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts, die den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin Schaden zugefügt hat, einzuleiten, und sie andererseits die mit dem Ziel der Mitfinanzierung des Investitionsvorhabens der durch die griechische Entscheidung Nr. 324986/505 vom 17. Februar 1994 der Klägerin gewährte finanzielle Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) nicht rückwirkend gestrichen hat,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten J. Azizi sowie der Richter M. Jaeger und F. Dehousse,

Kanzler: H. Jung,

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt und Verfahren

1 Die Aktiengesellschaft Viomichania Syskevasias Typopoiisis kai Syntirisis Agrotikon Proionton AE (Klägerin) ist ein griechisches Unternehmen, dessen Zweck die Erzeugung, Verarbeitung, Normierung, Konservierung und Vermarktung von Gemüse und Obst ist. Sie war aufgrund eines gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 355/77 des Rates vom 15. Februar 1977 über eine gemeinsame Maßnahme zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 51, S. 1) ausgearbeiteten Verbesserungsvorhabens mit dem Ziel einer Mitfinanzierung durch die Europäische Gemeinschaft und den griechischen Staat gegründet worden.

2 In der Folge legte die Klägerin Griechenland ein Investitionsvorhaben gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 866/90 des Rates vom 29. März 1990 zur Verbesserung der Verarbeitungs- und Vermarktungsbedingungen landwirtschaftlicher Erzeugnisse (ABl. L 91, S. 1) mit dem Ziel einer Verbesserung der der Verarbeitung von Obst und Gemüse dienenden Anlagen und Maschinen vor. Dieses Vorhaben wurde den von der Hellenischen Republik im Rahmen ihres Antrags auf Gewährung einer Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds (EAGFL) eingereichten Investitionsvorhaben zugunsten des in Griechenland laufenden Programms zur Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten (92.CT.EL.03) beigefügt. Die Kommission bewilligte den griechischen Antrag mit Entscheidung vom 24. November 1992.

3 Das Vorhaben der Klägerin wurde im September 1993 abgeschlossen und mit Entscheidung Nr. 324986/505/17-2-94 des Generalsekretärs des griechischen Landwirtschaftsministeriums genehmigt. Das Vorhaben mit einer Gesamtsumme von 243 738 000 griechischen Drachmen (GRD) wurde von der Europäischen Gemeinschaft und dem griechischen Staat nach folgenden Maßgaben mitfinanziert: 85 308 000 GRD wurden vom EAGFL, 24 373 000 GRD vom griechischen Staat und 134 057 000 GRD vom Empfänger übernommen.

4 Im November 1994, als die Klägerin mit der Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit begann, erließ Griechenland die Ministerialverordnung Nr. 10/94 über die Marktpolizei und die Verordnung Nr. A2-2330/26-6-95, betreffend insbesondere die Bedingungen der Anmietung eines Ladenlokals im zentralen Markt von Athen. Diese Verordnungen erschwerten die Geschäftstätigkeit der Klägerin sehr und brachten sie sogar zum Stillstand.

5 Diese Situation dauerte an, bis nach zahlreichen Beschwerden beim griechischen Landwirtschaftsministerium eine durch dieses Ministerium eingesetzte Kommission zu dem Ergebnis kam, dass die fraglichen ministeriellen Verordnungen zahlreichen Firmen Schaden zufügten. Daher erließ Griechenland Rechtsakte, die den Zugang zum zentralen Markt von Athen erleichtern und die fraglichen Verordnungen zurücknehmen sollten. Ab August 1998 hatte die Klägerin schließlich Zugang zum zentralen Markt von Athen.

6 Aufgrund dieses Sachverhalts erhob die Klägerin beim Dioikitiko Protodikeio (Verwaltungsgericht) Athen Klage auf Ersatz des ihr durch unrechtmäßige Akte des griechischen Staates entstandenen Schadens. Das Gericht gab der Klage statt und erkannte auf die Verpflichtung des griechischen Staates zum Schadensersatz.

7 Parallel dazu richtete die Klägerin zahlreiche Eingaben, Beschwerden und Bitten um Hilfe an die Organe der Gemeinschaft, die verschiedene Interventionen und Antworten seitens dieser Organe zur Folge hatten.

8 Insbesondere richtete sie in den Jahren 2001 und 2002 mehrere Petitionen an das Europäische Parlament.

9 Ferner erhob sie am 23. November 2001, am 18. Februar 2002 und am 30. März 2002 offizielle Beschwerden bei dem für Fragen der Landwirtschaft zuständigen Mitglied der Kommission.

10 Da sie keine in ihren Augen zufrieden stellende Antwort erhielt, setzte die Klägerin die Kommission mit einem Schreiben vom 20. Mai 2002 in Verzug. Dieses Schreiben wurde auch an den Rechnungshof und das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) gerichtet. In ihm warf sie der Kommission im Wesentlichen vor, gegen die Hellenische Republik kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und in ihren Antwortschreiben erklärt zu haben, dass die Sache in die Kompetenz der griechischen Gerichte falle.

11 Der Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft" Silva Rodriguez antwortete hierauf mit Schreiben vom 14. Juni 2002:

Kommissar Fischler hat mich gebeten, Ihnen für Ihr Schreiben vom 24. Mai 2002 zu danken, in dem sie Ihre Absicht ausdrücken, eine Untätigkeitsklage gegen die Kommission zu erheben, damit diese im Rahmen Ihres Rechtsstreits mit Griechenland gegen diesen Mitgliedstaat ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet. Ich muss Sie daran erinnern, dass die Kommission nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (siehe z. B. das Urteil in der Rechtssache 247/87, Star Fruit Company/Kommission) nicht verpflichtet ist, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat einzuleiten, und dass sie in diesem Bereich über ein Ermessen verfügt, das ein Recht Einzelner, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen, ausschließt". Daher kann ich nur die bereits von den Fachabteilungen der Kommission abgegebene Beurteilung wiederholen, dass es Sache der mit dem Rechtsstreit befassten griechischen Justizbehörden ist, über die gegebenenfalls von Griechenland an Ihren Mandanten zu zahlende Schadensersatzsumme zu entscheiden.

12 Außerdem antwortete das OLAF mit Schreiben vom 12. September 2002 auf die verschiedenen Schreiben der Klägerin. Es betonte einerseits, dass es für diese Sache nicht zuständig sei, und andererseits, dass die Klägerin sich, in Anbetracht der abgelaufenen Frist, an den Europäischen Bürgerbeauftragten wenden könne.

13 Die Klägerin hat mit Klageschrift, die am 28. Oktober 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

14 Mit besonderem Schriftsatz, der am 31. Januar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Beklagte eine Einrede der Unzulässigkeit nach Artikel 114 der Verfahrensordnung des Gerichts erhoben. Die Klägerin hat am 13. März 2003 zu dieser Einrede Stellung genommen.

Anträge

15 Die Klägerin beantragt,

- die Untätigkeit der Beklagten festzustellen, da diese das Verfahren zur Mitfinanzierung ihres Investitionsvorhabens durch den EAGFL nicht unterbunden hat;

- die Untätigkeit der Beklagten festzustellen, da diese kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Hellenische Republik eingeleitet hat;

- die Beklagte zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

16 Die Beklagte beantragt,

- die Klage als unzulässig abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtliche Würdigung

17 Nach Artikel 114 § 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht auf Antrag einer Partei vorab über die Unzulässigkeit entscheiden. Nach Artikel 114 § 3 wird mündlich verhandelt, sofern das Gericht nichts anderes bestimmt.

18 Im vorliegenden Fall hält das Gericht die sich aus den Akten ergebenden Angaben für ausreichend und sieht daher keinen Anlass, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

Vorbringen der Parteien

19 Die Beklagte macht, erstens, geltend, dass die Untätigkeitsklage unzulässig sei, da sie mit Schreiben vom 14. Juni 2002 auf die Aufforderung zum Tätigwerden, die von der Klägerin mit Schreiben vom 20. Mai 2002 an sie gerichtet worden war, geantwortet habe.

20 Zweitens hält sie die Klage für verspätet. Sie weist nämlich darauf hin, dass die Klage am 28. Oktober 2002 eingereicht wurde, während das Schreiben der Klägerin vom 20. Mai 2002, das eine Aufforderung zum Tätigwerden darstellte, am 22. Mai 2002 zugestellt worden war.

21 Schließlich erinnert sie daran, dass nach ständiger Rechtsprechung eine natürliche oder juristische Person die Gemeinschaftsgerichte nach Artikel 232 Absatz 3 EG nur anrufen kann, um feststellen zu lassen, dass ein Gemeinschaftsorgan es unter Verletzung des EG-Vertrags unterlassen hat, einen anderen Akt als eine Empfehlung oder eine Stellungnahme zu erlassen, dessen Adressat sie sein oder den sie mit einer Nichtigkeitsklage anfechten könnte (Beschluss des Gerichts vom 4. Juli 1994 in der Rechtssache T-13/94, Century Oils Hellas/Kommission, Slg. 1994, II-431). Diese Bedingung sei hier nicht erfuellt, da die Klägerin ihr vorwerfe, es unterlassen zu haben, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Hellenische Republik einzuleiten. Sie sei auch im Hinblick auf die Aufforderung zur Einleitung des Verfahrens nach Artikel 23 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom 19. Dezember 1988 zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen auf den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. L 374, S. 1) nicht erfuellt. Diese Bestimmung sei nur auf die Beziehungen zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten sowie auf die Verpflichtungen Letzterer gegenüber der Kommission anwendbar. Weiter schaffe diese Bestimmung keine Rechtsposition der Firma, aufgrund derer diese die Kommission verpflichten könnte, eine Maßnahme zu ergreifen, die sie unmittelbar und individuell betreffe. Schließlich enthalte das Mahnschreiben vom 22. Mai 2002 keine Aufforderung zu einem dahin gehenden Tätigwerden.

22 Die Klägerin bestreitet, dass ihre Klage unzulässig sei.

23 Sie macht, erstens, geltend, die ständige Rechtsprechung, nach der eine Klage auf Feststellung der Untätigkeit der Beklagten unzulässig sei, wenn dieser vorgeworfen werde, keine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG erhoben zu haben, sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Im vorliegenden Fall sei der Ermessensspielraum der Beklagten nämlich durch drei Erfordernisse eingeschränkt, aufgrund deren sie zum sofortigen Eingreifen und Tätigwerden gezwungen sei. Erstens müsse die Beklagte als Gemeinschaftsorgan die Grundrechte der Klägerin beachten, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, verkündet in Nizza am 7. Dezember 2000 (ABl. 2000, C 364, S. 1), garantiert seien - insbesondere die Berufsfreiheit (Artikel 15), die unternehmerische Freiheit (Artikel 16), die Eigentumsgarantie (Artikel 17), die Gleichheit vor dem Gesetz sowie die Grundsätze der guten Verwaltung und der Nichtdiskriminierung -, und hätte ihr zu Hilfe kommen müssen, da sie anerkannt habe, dass Griechenland sie unmenschlich behandelt habe. Zweitens sei die Beklagte nach Artikel 280 EG verpflichtet, die finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft zu schützen, und dürfe daher ihren Ermessensspielraum nicht dazu missbrauchen, auf die Rückzahlung von im Rahmen der Mitfinanzierung eines Projekts gezahlten Beträgen zu verzichten. Drittens müsse die Kommission, wenn sie über Unregelmäßigkeiten im Rahmen eines von den Fonds der Gemeinschaft mitfinanzierten Projekts Kenntnis erlange, nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung eine Entscheidung auf Streichung der finanziellen Beteiligung erlassen (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 24. Januar 2002 in der Rechtssache C-500/99 P, Conserve Italia/Kommission, Slg. 2002, I-867).

24 Zweitens weist die Klägerin das Vorbringen der Beklagten zurück, die vorliegende Klage sei gegenstandslos geworden, weil das Schreiben vom 14. Juni 2002 eine Stellungnahme enthalten habe. Das Urteil des Gerichtshofes vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache C-247/87 (Star Fruit/Kommission, Slg. 1989, 291) sei insofern nicht einschlägig, da der dem Urteil zugrunde liegende Sachverhalt ein völlig anderer gewesen sei, weil es sich um einen Antrag auf Nichtigerklärung einer Regelung der Französischen Republik gehandelt habe, die die Klägerin nicht betroffen habe. Die in dem Schreiben enthaltene Empfehlung der Beklagten, sich an die griechischen Justizbehörden zu wenden, sei unverständlich, da diese weder die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts noch seine Interpretation, noch seine Anwendung garantierten. Das Schreiben vom 14. Juni 2002 sei allerhöchstens ein Informationsschreiben gewesen, keinesfalls jedoch eine ablehnende Entscheidung.

25 Drittens habe die Beklagte eine dreifache Verletzung des Gemeinschaftsrechts begangen, indem sie ihr in ihrem Schreiben vom 14. Juni 2002 geraten habe, sich an die nationale Gerichtsbarkeit zu wenden anstatt an die Gemeinschaftsgerichte. Erstens habe sie gegen Artikel 220 EG verstoßen, der den Gemeinschaftsgerichten die ausschließliche Zuständigkeit bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zuweise und der im vorliegenden Fall anwendbar sei, da die begangene Verletzung Artikel 23 der Verordnung Nr. 4253/88, Artikel 24 der Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom 20. Juli 1993 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 (ABl. L 193, S. 20), die Artikel 5 und 34 EG sowie den Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts betreffe. Zweitens sei ihre Stellungnahme unzureichend gewesen. Drittens habe sie der Klägerin den Schutz der Grundrechte entzogen.

26 Schließlich weist die Klägerin den Vorwurf zurück, ihre Klage sei verspätet.

27 Sie meint, die Umstände des Falles zeigten, dass sie einen entschuldbaren Irrtum begangen habe, der die Überschreitung der anzuwendenden Fristen rechtfertige. Sie habe sich nämlich mit Schreiben vom 18. Februar 2002 und vom 30. März 2002 an das für Fragen der Landwirtschaft zuständige Mitglied der Kommission gewandt, um die griechischen betrügerischen Machenschaften anzuzeigen. Der Generalsekretär der Kommission habe ihr mit Schreiben vom 23. April 2002 mitgeteilt, dass ihr Schreiben vom 23. November 2001 als Beschwerde mit der Nummer 02/4436 SG (2002) A 3934/1 eingetragen worden sei. Sie habe die Kommission mit Schreiben vom 20. Mai 2002 dazu aufgefordert, nach Artikel 232 EG tätig zu werden; diese habe darauf mit Schreiben vom 14. Juni 2002 geantwortet. Mit Schreiben vom 18. Juni 2002 habe ihr der Vorsitzende des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments mitgeteilt, dass ihre Petition zulässig sei; mit Schreiben vom 15. Juli 2002 habe sie der Rechnungshof als Antwort auf ihre Schreiben vom 20. Mai, 24. Juni und 28. Juli 2002 davon in Kenntnis gesetzt, dass ihre Akte von der zuständigen Abteilung seiner Verwaltung geprüft werde. Im Übrigen habe das Mitglied des Europäischen Parlaments Alavanos eine schriftliche Anfrage an die Beklagte gerichtet; diese habe in ihrer Antwort vom 20. September 2002 dargelegt, dass sie keine offizielle griechische Antwort erhalten habe, dass das Verfahren vom 18. Februar 2002 und das der Petition Nr. 1075/2001 noch andauerten und dass es zudem Sache der griechischen Justiz sei, über den bei ihr anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden. Schließlich habe ihr das OLAF am 12. September 2002 in Beantwortung ihrer verschiedenen Schreiben geraten, sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden.

28 Der Klägerin zufolge ist aus diesem Sachverhalt ersichtlich, dass sie einem entschuldbaren Irrtum erlegen sei, was den tatsächlichen Inhalt des Schreibens der Kommission vom 14. Juni 2002 anbetreffe; dieser Irrtum habe drei Ursachen. Erstens erlaube die mehrdeutige Formulierung des Schreibens vom 14. Juni 2002 nicht, zu erkennen, dass es sich um eine ablehnende Entscheidung gehandelt habe. Zweitens habe die Beklagte eine umfassende Kenntnis des Sachverhalts gehabt, aufgrund dessen sie die vorgebliche Stellungnahme in ihrem Schreiben vom 14. Juni 2002 abgegeben habe, so dass es, wenn sie die Absicht gehabt habe, eine klare Ablehnung der klägerischen Aufforderung zum Tätigwerden auszusprechen, nicht notwendig gewesen wäre, die Beschwerde vom 18. Februar 2002 weiter zu bearbeiten. Drittens könne keine Verbindung zwischen dem Schreiben vom 14. Juni 2002 und den anderen empfangenen Schreiben hergestellt werden.

29 Lediglich aufgrund dieses entschuldbaren Irrtums habe sie die Klage verspätet eingereicht. Sie habe die Klage vom 28. Oktober 2002 nämlich erhoben, da sie der Ansicht gewesen sei, dass das Schreiben vom 14. Juni 2002 ihr Problem zu sehr auf die leichte Schulter nehme. Die Verspätung, mit der die Frist nur um 33 Tage überschritten werde, sei hinnehmbar. Das Mahnschreiben sei am 24. Mai 2002 abgeschickt worden, der 25. Juli 2002 sei demnach das letzte Datum für eine Stellungnahme der Kommission gewesen. Die Klagefrist sei daher erst am 25. September 2002 abgelaufen.

30 In Beantwortung der schriftlichen Anfrage vom 8. Juli 2002 durch das Mitglied des Europäischen Parlaments Alavanos, der die Kommission gefragt habe, was sie in dieser Sache zu tun beabsichtige, habe die Kommission am 20. September 2002 geantwortet, dass sie keine offizielle griechische Antwort erhalten habe, so dass sie nicht sagen könne, ob ein Verfahren eingeleitet worden sei mit dem Ziel, sicherzustellen, dass die Klägerin ihre Geschäftstätigkeit weiter aufrechterhalten könne, dass sie aber weiterhin in regelmäßigem Kontakt mit dem griechischen Landwirtschaftsministerium stehe. Sie habe hinzugefügt, dass es Sache der griechischen Justiz sei, über den bei ihr anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden. Diese Antwort, die 96 Tage nach dem Schreiben vom 14. Juni 2002 erfolgt sei, stelle in Wirklichkeit dessen Widerruf dar, da die Kommission darin angegeben habe, die Behandlung des Antrags erfolge weiter, ohne auf das Schreiben vom 14. Juni 2002 Bezug zu nehmen.

Würdigung durch das Gericht

31 Das Gericht wird im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Klage zuerst das Vorbringen der Klägerin zur Verspätung der Klage und anschließend das Vorbringen zu einer Verpflichtung zum Tätigwerden zu prüfen.

32 Nach Artikel 232 Absatz 2 EG muss die Untätigkeitsklage innerhalb einer Frist von zwei Monaten erhoben werden, die mit dem Ablauf der Frist von zwei Monaten zu laufen beginnt, binnen deren die Beklagte nach der Aufforderung zum Tätigwerden hätte Stellung nehmen müssen.

33 Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass, da die Aufforderung zum Tätigwerden am 22. Mai 2002 abgeschickt wurde, die vorliegende Klage, die durch Klageschrift, die bei der Kanzlei des Gerichts am 28. Oktober 2002 eingegangen ist, erhoben worden ist, die in Artikel 232 Absatz 2 EG festgelegte Frist nicht beachtet.

34 Die Klägerin macht jedoch zur Rechtfertigung der Verspätung der Klage geltend, sie habe sich in einem entschuldbaren Irrtum befunden.

35 Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Irrtum entschuldbar, wenn er Folge des Verhaltens des betreffenden Organs ist und der Kläger gutgläubig war und alle Sorgfalt aufgewendet hat, die von einem Wirtschaftsteilnehmer mit normalem Kenntnisstand zu verlangen ist (vgl. insbesondere Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 2003 in der Rechtssache C-193/01 P, Pitsiorlas/Rat und Europäische Zentralbank, Slg. 2003, I-4837, Randnr. 25).

36 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin rechtfertigen jedoch weder das Schreiben vom 14. Juni 2002 noch das Schreiben des OLAF vom 12. September 2002, in dem ihr geraten wird, sich an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu wenden, noch die Antwort der Beklagten auf die schriftliche Anfrage des Abgeordneten Alavanos den Schluss, dass die verspätete Einreichung der Klage auf einem entschuldbaren Irrtum beruhte.

37 Zunächst enthielt das Schreiben vom 14. Juni 2002 eine Stellungnahme der Beklagten. In diesem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin, welche Haltung die Beklagte in dem vorliegenden Fall auch einnehme, keinen Anspruch darauf habe, dass diese in einer bestimmten Weise Stellung nehme, da sie in Bezug auf die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens über einen weiten Ermessensspielraum verfüge. Es sei auch Sache der griechischen Justiz, in dem bei ihr anhängigen Rechtsstreit zu entscheiden. Mit dieser Antwort hat die Beklagte die Klägerin auf verständliche Weise davon in Kenntnis gesetzt, dass sie nicht beabsichtige, eine Antwort in dem von der Klägerin gewünschten Sinne zu geben.

38 Selbst wenn man aber annähme, dass, wie die Klägerin vorträgt, die mehrdeutige Formulierung des Schreibens vom 14. Juni 2002 nicht erlaubt habe, zu erkennen, ob es sich um eine Stellungnahme der Beklagten handele, so konnte dies doch nicht der Grund für den Irrtum der Klägerin über den Beginn der Klagefrist sein. Wäre die Klägerin nämlich der Ansicht gewesen, es handele sich bei dem Schreiben nicht um eine Stellungnahme, so hätte sie ihre Klage innerhalb der in Artikel 232 Absatz 2 EG vorgesehenen Frist von zwei Monaten erheben müssen.

39 Ebenfalls zu Unrecht beruft sich die Klägerin auf das Schreiben des OLAF vom 12. September 2002. Selbst nach Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem Schreiben nämlich nicht um eine Antwort auf ihr Schreiben vom 20. Mai 2002 und auf die darin enthaltene Aufforderung zum Tätigwerden, sondern um eine Antwort auf die an das OLAF gerichteten Schreiben vom 30. Mai, 4. Juli, 16. Juli, 31. Juli, 6. August und 14. August 2002 (dies ergibt sich aus Ziffer 4.13 der Stellungnahme und aus der angegebenen Verweisung im Schreiben des OLAF). In diesem Schreiben stellt das OLAF fest, dass diese Beschwerde an die Direktionen weitergeleitet werde, die für Landwirtschaft und Wettbewerb zuständig seien, die bereits wüssten, worum es gehe, und wahrscheinlich eine Untersuchung einleiteten. Die Wortwahl (insbesondere das Wort wahrscheinlich") deutet jedoch darauf hin, dass es sich lediglich um eine Vermutung des OLAF handelte und nicht um eine endgültige Feststellung. Im Übrigen war das OLAF in Anbetracht seiner Unabhängigkeit von der Kommission offensichtlich nicht zuständig, gegenüber einem Dritten den Stand des Verfahrens der Kommission zu bestimmen, und noch weniger dafür, für diese Verpflichtungen einzugehen.

40 Auch die Antwort der Beklagten vom 20. September 2002 auf die schriftliche Anfrage E-2108/02 des Mitglieds des Europäischen Parlaments Alavanos (ABl. 2003, C 52, S. 130) erlaubt keinen Schluss auf das Vorliegen eines entschuldbaren Irrtums der Klägerin. Diese Antwort nimmt nämlich keinerlei Bezug auf die im Schreiben vom 20. Mai 2002 enthaltene Aufforderung zum Tätigwerden. Die Tatsache allein, dass im zweiten Absatz dieser Antwort angegeben wird, dass die Beschwerde, die der Leiter des betreffenden Unternehmens, Herr Barakakos, am 18. Februar 2002 bei der Kommission eingereicht hat, sowie seine Petition Nr. 1075/2001 weiterhin nach den hierfür vorgesehenen Verfahren geprüft" würden, genügt nicht, um bei der Klägerin einen wie auch immer gearteten Irrtum hervorzurufen. Es wird nämlich in dieser Antwort deutlich, dass die Beschwerde vom 18. Februar 2002 und nicht die Aufforderung zum Tätigwerden vom 20. Mai 2002 noch geprüft werde.

41 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Klage offensichtlich unzulässig ist.

42 Darüber hinaus ist die vorliegende Klage auch deshalb unzulässig, weil die Beklagte nicht zum Tätigwerden verpflichtet war.

43 Im Rahmen der vorliegenden Klage wirft die Klägerin der Beklagten einerseits vor, das in Artikel 226 EG vorgesehene Verfahren gegen die Hellenische Republik nicht eingeleitet zu haben, und andererseits, die Beteiligung, die der EAGFL auf Antrag der griechischen Regierung gewährt hatte, nicht gestrichen zu haben.

44 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Untätigkeitsklage unzulässig, mit der eine natürliche oder juristische Person die Feststellung begehrt, dass es die Kommission dadurch, dass sie gegen einen Mitgliedstaat kein Verfahren zur Feststellung einer Vertragsverletzung eingeleitet hat, unter Verletzung des EG-Vertrags unterlassen hat, einen Beschluss zu fassen (vgl. hierzu das Urteil Star Fruit/Kommission, zitiert oben in Randnr. 24). Natürliche oder juristische Personen können sich nämlich auf Artikel 232 Absatz 3 EG nur berufen, um feststellen zu lassen, dass ein Gemeinschaftsorgan es unter Verletzung des EG-Vertrags unterlassen hat, andere Akte als Empfehlungen oder Stellungnahmen zu erlassen, deren Adressaten sie sein können oder die sie direkt und individuell betreffen (Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1996 in der Rechtssache C-68/95, T. Port, Slg. 1996, I-6065, Randnrn. 58 und 59). Im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung einer Vertragsverletzung nach Artikel 226 EG kann die Kommission jedoch nur Akte erlassen, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind (Beschlüsse des Gerichts vom 29. November 1994 in den Rechtssachen T-479/93 und T-559/93, Bernardi/Kommission, Slg. 1994, II-1115, Randnr. 31, und vom 19. Februar 1997 in der Rechtssache T-117/96, Intertronic/Kommission, Slg. 1997, II-141, Randnr. 32). Im Übrigen ergibt sich aus dem System des Artikels 226 EG, dass weder die mit Gründen versehene Stellungnahme, die nur eine Vorstufe zur eventuellen Erhebung einer Vertragsverletzungsklage beim Gerichtshof ist, noch die tatsächliche Befassung des Gerichtshofes durch die tatsächliche Erhebung einer solchen Klage Akte sind, die natürliche oder juristische Personen direkt betreffen.

45 Daraus folgt, dass der Antrag der Klägerin, die Untätigkeit der Beklagten festzustellen, da diese unter Verletzung des EG-Vertrags kein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Hellenische Republik eingeleitet hat, als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen ist.

46 In Bezug auf den Antrag der Klägerin, festzustellen, dass die Beklagte es unterlassen hat, eine Entscheidung dahin gehend zu treffen, dass die gewährte Beteiligung gestrichen wird, ist festzustellen, dass das Schreiben vom 20. Mai 2002 keine Aufforderung zu einem entsprechenden Tätigwerden enthielt. Daher ist dieser Antrag nicht zulässig.

47 Im Übrigen ist lediglich ergänzend festzustellen, dass selbst unter der Annahme, dass das Schreiben vom 20. Mai 2002 als Aufforderung zum Tätigwerden in diesem Sinne aufgefasst werden könnte, sich aus Artikel 23 der Verordnung Nr. 4253/88 keine solche Verpflichtung der Beklagten zum Tätigwerden ergibt. Nach Artikel 23 treffen die Mitgliedstaaten nämlich, um den erfolgreichen Abschluss der von öffentlichen oder privaten Trägern durchgeführten Maßnahmen zu gewährleisten, die erforderlichen Maßnahmen, um regelmäßig nachzuprüfen, dass die von der Kommission finanzierten Aktionen ordnungsgemäß ausgeführt worden sind, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern und zu ahnden und um infolge von Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeit verloren gegangene Beiträge zurückzufordern. Dieser Artikel bestimmt weiter, dass, falls der Mitgliedstaat und/oder der Träger nicht den Nachweis erbringt, dass die Unregelmäßigkeiten oder die Fahrlässigkeit ihnen nicht anzulasten sind, der Mitgliedstaat subsidiär für die Zurückzahlung der nicht rechtmäßig gezahlten Beträge verantwortlich ist. Daraus ergibt sich, dass selbst unter der Annahme, dass sich aus dieser Vorschrift eine Verpflichtung zum Tätigwerden ergäbe, diese nicht die Beklagte, sondern die Mitgliedstaaten träfe. Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2082/93, auf den sich die Klägerin in ihren Schriftsätzen bezieht, bestimmt, dass die Kommission die finanzielle Beteiligung an der betreffenden Aktion oder Maßnahme kürzen oder aussetzen [kann], wenn durch die Prüfung bestätigt wird, dass eine Unregelmäßigkeit oder eine erhebliche Veränderung der Art oder der Durchführungsbedingungen der Aktion oder Maßnahme vorliegt und diese Veränderung der Kommission nicht zur Zustimmung unterbreitet wurde". Diese Bestimmung legt also fest, dass die Streichung oder Aussetzung der Beteiligung eine Befugnis, jedoch keine Pflicht der Beklagten ist (siehe in Bezug auf eine ähnliche Bestimmung das Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 1999 in der Rechtssache T-216/96, Conserve Italia/Kommission, Slg. 1999, II-3139, Randnr. 92, bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofes vom 24. Januar 2002 in der Rechtssache C-500/99 P, Conserve Italia/Kommission, Slg. 2002, I-867). Zudem ist die Verordnung Nr. 4253/88, auf die sich die Klägerin bezieht, mit Wirkung zum 1. Januar 2000 durch die Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. L 161 S. 1) außer Kraft gesetzt worden.

48 Nach alledem ist die Klage als unzulässig abzuweisen, ohne dass die anderen von der Beklagten geltend gemachten Unzulässigkeitsgründe geprüft werden müssten.

Kostenentscheidung:

Kosten

49 Gemäß Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

beschlossen:

1. Die Klage wird als offensichtlich unzulässig abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Beklagten.

Ende der Entscheidung

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