Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Urteil verkündet am 14.05.1998
Aktenzeichen: T-334/94
Rechtsgebiete: EGV, Entscheidung 94/601/EG


Vorschriften:

EGV Art. 85 Abs. 1
Entscheidung 94/601/EG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

11 Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 in Verbindung mit den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 99/63 ist zu entnehmen, daß die Kommission die Beschwerdepunkte, die sie gegen die betroffenen Unternehmen und Vereinigungen erhebt, mitteilen muß und daß sie in ihren Entscheidungen nur die Beschwerdepunkte berücksichtigen darf, zu denen diese Stellung nehmen konnten. Ausserdem erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte in einem Verfahren, das zu Sanktionen führen kann, daß den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit gegeben wird, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Rügen und Umstände gebührend Stellung zu nehmen.

12 Die Tatsache, daß sich ein Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich wettbewerbsfeindlichem Gegenstand, an denen es teilnahm, nicht beugt, ist nicht geeignet, es von seiner vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat. Selbst wenn man annimmt, daß das Marktverhalten eines solchen Unternehmens nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach, ändert dies somit nichts an seiner Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages.

13 Die Bereitschaft eines Unternehmens zur Schaffung eines Gremiums, dessen wettbewerbsfeindlicher Zweck, der u. a. in der Erörterung künftiger Preiserhöhungen bestand, den Unternehmen bei seiner Gründung bekannt war und von ihnen gebilligt wurde, und zur Teilnahme an den Sitzungen dieses Gremiums stellt einen hinreichenden Grund für die Annahme dar, daß dieses Unternehmen für eine Preisabsprache verantwortlich ist.

14 Die Kommission kann alle Unternehmen, an die sich eine Entscheidung über die Anwendung der Wettbewerbsregeln richtet, nur dann als während eines bestimmten Zeitraums für ein Gesamtkartell, das verschiedene wettbewerbswidrige Verhaltensweisen einschließt, verantwortlich ansehen, wenn sie nachweist, daß jedes von ihnen entweder der Aufstellung eines Gesamtplans zugestimmt hat, der die Bestandteile des Kartells umfasst, oder während dieses Zeitraums an all seinen Bestandteilen unmittelbar mitgewirkt hat. Ein Unternehmen kann ferner auch dann, wenn feststeht, daß es nur an einem oder mehreren Bestandteilen dieses Kartells unmittelbar mitgewirkt hat, für ein Gesamtkartell zur Verantwortung gezogen werden, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, daß die Absprache, an der es sich beteiligte, Teil eines Gesamtplans war und daß sich dieser Gesamtplan auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckte. In diesem Fall kann die Tatsache, daß das betreffende Unternehmen nicht an allen Bestandteilen des Gesamtkartells unmittelbar mitgewirkt hat, es nicht von der Verantwortung für die Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages befreien. Ein solcher Umstand kann jedoch bei der Beurteilung der Schwere der ihm zur Last gelegten Zuwiderhandlung berücksichtigt werden.

15 Die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 kann das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist, aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten. Da die Anwendung dieser Bestimmung der festgestellten Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln angepasst sein muß, ist die Kommission ausserdem befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen Unternehmen erfuellen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird. Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles - Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften - angemessen und erforderlich ist.

Ein Verbot, das den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, verhindern soll, erfuellt nicht die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17, sofern aus der Entscheidung nicht hervorgeht, daß die Kommission den fraglichen Austausch als solchen als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat, denn die blosse Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, führt nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit dieser Bestimmung; vielmehr sind unter derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu bestimmen.

16 Die Tatsache, daß die an einer Preisabsprache beteiligten Unternehmen festlegten, wie die Ankündigung abgestimmter Preiserhöhungen erfolgt, und daß Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen über Sitzungen mit diesem Gegenstand getroffen wurden, beweist, daß die Unternehmen sich der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bewusst waren und Maßnahmen zur Verschleierung der Absprache getroffen haben. Die Kommission kann solche Maßnahmen bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung als erschwerende Umstände behandeln.

Insoweit können das Fehlen offizieller Protokolle und das fast völlige Fehlen interner Vermerke über diese Sitzungen in Anbetracht der Zahl und der zeitlichen Dauer der Sitzungen sowie der Art der fraglichen Erörterungen einen hinreichenden Beweis dafür darstellen, daß Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen getroffen wurden.

17 Die Höhe der Geldbusse wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft hängt von der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung ab. Dabei ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten.

Die Kommission darf bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Tatsache Rechnung tragen, daß offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismässig häufig sind; es steht ihr daher frei, das Niveau der Geldbussen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbussen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen.

Im übrigen kann die Kommission bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen u. a. die lange Dauer und die Offenkundigkeit einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages berücksichtigen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission hätte darstellen müssen.

18 Die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen hat den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde.

Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbussen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten.

Ausserdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbussen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden.

Schließlich muß die Begründung einer Entscheidung in der Entscheidung selbst enthalten sein; nachträgliche Erläuterungen der Kommission können nur unter aussergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden.

Wenn die Kommission in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbussen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen heranzieht, muß sie diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbusse zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

19 Die Kommission ist berechtigt, bei der Berechnung von Geldbussen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft den vom betreffenden Unternehmen in Beantwortung eines Auskunftsverlangens angegebenen Umsatz und nicht einen ihr später mitgeteilten berichtigten Umsatz heranzuziehen. Denn ein Unternehmen, das während des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission eine dieser zuvor in Beantwortung eines ihrer Auskunftsverlangen übermittelte Zahlenangabe wie den Umsatz berichtigt, muß eingehend die Gründe erläutern, aus denen die ursprüngliche Angabe im weiteren Verfahren nicht mehr herangezogen werden soll.

20 Setzt die Kommission wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft gegen mehrere Unternehmen Geldbussen fest, so ist sie nicht daran gehindert, deren Betrag in Ecu anzugeben, einer in Landeswährung konvertierbaren Währungseinheit. Dies erleichtert es den Unternehmen im übrigen, die Beträge der festgesetzten Geldbussen miteinander zu vergleichen. Ausserdem unterscheidet die Umrechnungsmöglichkeit des Ecu in Landeswährung diese Währungseinheit von der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erwähnten "Rechnungseinheit", bei der der Betrag der Geldbusse zwangsläufig in Landeswährung bestimmt werden muß, da sie keine Währung ist, in der Zahlungen vorgenommen werden können.

Die Kommission darf zur Berechnung der Geldbusse eine Methode verwenden, bei der der Umsatz der einzelnen Unternehmen im Referenzjahr auf der Grundlage der durchschnittlichen Wechselkurse dieses Jahres und nicht auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung geltenden Wechselkurses in Ecu umgerechnet wird.

Zunächst muß die Kommission nämlich bei der Berechnung der Geldbussen gegen Unternehmen, die wegen Beteiligung an derselben Zuwiderhandlung verfolgt werden, normalerweise dieselbe Methode anwenden. Sodann muß sie, um die verschiedenen mitgeteilten Umsätze, die in den jeweiligen Landeswährungen der betreffenden Unternehmen angegeben sind, miteinander vergleichen zu können, diese Zahlen in eine einzige Währungseinheit wie den Ecu umrechnen, dessen Wert sich nach dem Wert aller Landeswährungen der Mitgliedstaaten richtet.

Im übrigen ermöglicht es die Heranziehung des von den einzelnen Unternehmen im Referenzjahr - dem letzten vollständigen in den Zeitraum der Zuwiderhandlung einbezogenen Jahr - erzielten Umsatzes der Kommission zum einen, die Grösse und die Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung einzuschätzen; dies sind für die Beurteilung der Schwere der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung relevante Gesichtspunkte. Zum anderen kann sie durch die Heranziehung der durchschnittlichen Wechselkurse im Referenzjahr bei der Umrechnung der fraglichen Umsätze in Ecu verhindern, daß etwaige Währungsschwankungen seit der Beendigung der Zuwiderhandlung die Beurteilung der relativen Grösse und Wirtschaftskraft der Unternehmen sowie des Ausmasses der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung und damit die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung beeinflussen. Diese Beurteilung muß sich nämlich auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung beziehen.

Folglich erlaubt die Methode, die Geldbusse unter Heranziehung des durchschnittlichen Wechselkurses im Referenzjahr zu berechnen, den Ausschluß der zufälligen Auswirkungen von Änderungen des tatsächlichen Wertes der Landeswährungen, die zwischen dem Referenzjahr und dem Jahr des Erlasses der Entscheidung eintreten können. Diese Methode kann zwar dazu führen, daß ein bestimmtes Unternehmen einen Betrag zahlen muß, der - in Landeswährung - nominal höher oder niedriger ist als der Betrag, der bei Anwendung des Wechselkurses zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung hätte gezahlt werden müssen; dies ist jedoch nur die logische Folge der Schwankungen des tatsächlichen Wertes der einzelnen Landeswährungen.


Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte erweiterte Kammer) vom 14. Mai 1998. - Sarrió SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Wettbewerb - Artikel 85 Absatz 1 Eg-Vertrag - Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung - Informationsaustausch - Anordnung - Geldbuße - Bestimmung der Höhe - Berechnungsmethode - Begründung - Mildernde Umstände. - Rechtssache T-334/94.

Entscheidungsgründe:

Sachverhalt

1 Die vorliegende Rechtssache betrifft die Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton, ABl. L 243, S. 1), die vor ihrer Veröffentlichung durch eine Entscheidung der Kommission vom 26. Juli 1994 (K[94] 2135 endg.) berichtigt wurde (im folgenden: Entscheidung). In der Entscheidung wurden gegen 19 Kartonhersteller und -lieferanten aus der Gemeinschaft wegen Verstössen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages Geldbussen festgesetzt.

2 Gegenstand der Entscheidung ist das Erzeugnis Karton. In der Entscheidung werden drei Kartonsorten erwähnt, die den Qualitäten "GC", "GD" und "SBS" zugeordnet werden.

3 Karton der Qualität GD (im folgenden: GD-Karton) ist ein Karton mit einer grauen unteren Lage (Altpapier), der in der Regel für die Verpackung von Non-food-Produkten verwendet wird.

4 Karton der Qualität GC (im folgenden: GC-Karton) besitzt eine obere weisse Lage und wird gewöhnlich für die Verpackung von Nahrungsmitteln verwendet. GC-Karton ist von höherer Qualität als GD-Karton. In dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum bestand zwischen diesen beiden Produkten im allgemeinen ein Preisunterschied von etwa 30 %. In geringerem Umfang wird hochwertiger GC-Karton auch für graphische Zwecke verwendet.

5 SBS ist die Bezeichnung für durch und durch weissen Karton (im folgenden: SBS-Karton). Sein Preis liegt etwa 20 % über dem von GC-Karton. Er dient zur Verpackung von Lebensmitteln, Kosmetika, Arzneimitteln und Zigaretten, ist aber hauptsächlich für graphische Zwecke bestimmt.

6 Mit Schreiben vom 22. November 1990 legte die British Printing Industries Federation (BPIF), eine Branchenorganisation der Mehrzahl der britischen Kartonbedrucker, bei der Kommission eine informelle Beschwerde ein. Sie machte geltend, daß die das Vereinigte Königreich beliefernden Kartonhersteller eine Reihe gleichzeitiger und einheitlicher Preiserhöhungen vorgenommen hätten, und ersuchte die Kommission, das Vorliegen eines Verstosses gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zu prüfen. Um ihr Vorgehen publik zu machen, gab die BPIF eine Pressemitteilung heraus. Deren Inhalt wurde von der Fachpresse im Dezember 1990 verbreitet.

7 Am 12. Dezember 1990 reichte die Fédération française du cartonnage bei der Kommission ebenfalls eine informelle Beschwerde mit Behauptungen betreffend den französischen Kartonmarkt ein, die ähnlich wie die BPIF-Beschwerde lautete.

8 Am 23. und 24. April 1991 nahmen Beamte der Kommission gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen und Branchenorganisationen des Kartonsektors ohne Vorankündigung gleichzeitig Nachprüfungen vor.

9 Im Anschluß an diese Nachprüfungen richtete die Kommission an alle Adressaten der Entscheidung Auskunftsverlangen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 und ersuchte um die Vorlage von Dokumenten.

10 Aufgrund der im Rahmen dieser Nachprüfungen und Ersuchen um Auskünfte und Vorlage von Dokumenten erlangten Informationen kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß sich die betreffenden Unternehmen von etwa Mitte 1986 bis (in den meisten Fällen) mindestens April 1991 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt hätten.

11 Sie beschloß daher, ein Verfahren gemäß dieser Bestimmung einzuleiten. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1992 richtete sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an alle fraglichen Unternehmen. Sämtliche Adressaten antworteten darauf schriftlich. Neun Unternehmen baten um eine mündliche Anhörung. Ihre Anhörung fand vom 7. bis zum 9. Juni 1993 statt.

12 Am Ende des Verfahrens erließ die Kommission die Entscheidung, die folgende Bestimmungen enthält:

"Artikel 1

Buchmann GmbH, Cascades S.A., Enso-Gutzeit Oy, Europa Carton AG, Finnboard - the Finnish Board Mills Association, Fiskeby Board AB, Gruber & Weber GmbH & Co. KG, Kartonfabriek "De Eendracht" NV (unter der Firma BPB de Eendracht handelnd), NV Koninklijke KNP BT NV (ehemals Koninklijke Nederlandse Papierfabrieken NV), Laakmann Karton GmbH & Co. KG, Mo Och Domsjö AB (MoDo), Mayr-Melnhof Gesellschaft mbH, Papeteries de Lancey S.A., Rena Kartonfabrik A/S, Sarrió SpA, SCA Holding Ltd (ehemals Reed Paper & Board (UK) Ltd), Stora Kopparbergs Bergslags AB, Enso Española S.A. (früher Tampella Española S.A.) und Moritz J. Weig GmbH & Co. KG haben gegen Artikel 85 Absatz 1 des EG-Vertrages verstossen, indem sie sich

- im Falle von Buchmann und Rena von etwa März 1988 bis mindestens Ende 1990,

- im Falle von Enso Española von mindestens März 1988 bis mindestens Ende April 1991 und

- im Falle von Gruber & Weber von mindestens 1988 bis Ende 1990,

- in den [übrigen] Fällen von Mitte 1986 bis mindestens April 1991,

an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft

- sich regelmässig an einer Reihe geheimer und institutionalisierter Sitzungen zwecks Erörterung und Festlegung eines gemeinsamen Branchenplans zur Einschränkung des Wettbewerbs trafen;

- sich über regelmässige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten;

- gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten;

- sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten;

- in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen;

- als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten.

...

Artikel 3

Gegen die nachstehenden Unternehmen werden für den in Artikel 1 festgestellten Verstoß folgende Geldbussen festgesetzt:

...

xv) gegen Sarrió SpA eine Geldbusse in Höhe von 15 500 000 ECU;

..."

13 Der Entscheidung zufolge geschah die Zuwiderhandlung im Rahmen einer aus mehreren Gruppen oder Ausschüssen bestehenden Organisation namens "Produktgruppe Karton" (im folgenden: PG Karton).

14 Im Rahmen dieser Organisation sei Mitte 1986 ein Ausschuß namens "Presidents' Working Group" (PWG) eingesetzt worden, der aus hochrangigen Vertretern der (etwa acht) führenden Kartonlieferanten der Gemeinschaft bestanden habe.

15 Der PWG habe sich u. a. mit der Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise und Kapazitäten beschäftigt. Er habe insbesondere umfassende Beschlüsse über die zeitliche Folge und die Höhe der von den Herstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen gefasst.

16 Der PWG habe der "Präsidentenkonferenz" (PK) Bericht erstattet, an der (mehr oder weniger regelmässig) fast alle Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen teilgenommen hätten. Die PK habe im maßgeblichen Zeitraum zweimal pro Jahr getagt.

17 Ende 1987 sei das "Joint Marketing Committee" (JMC) eingesetzt worden. Die Hauptaufgabe des JMC habe darin bestanden, zum einen zu ermitteln, ob und, wenn ja, wie sich Preiserhöhungen durchsetzen ließen, und zum anderen die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen.

18 Schließlich habe die "Wirtschaftliche Kommission" (WK) u. a. die Preisentwicklung auf den nationalen Märkten und die Auftragslage erörtert und dem JMC oder - bis Ende 1987 - dessen Vorgänger, dem "Marketing Committee", über die Ergebnisse ihrer Arbeit berichtet. Die WK habe aus Vertriebs- und/oder Verkaufsleitern der meisten fraglichen Unternehmen bestanden und sei mehrmals pro Jahr zusammengetreten.

19 Aus der Entscheidung geht ferner hervor, daß die Tätigkeiten der PG Karton nach Ansicht der Kommission durch einen Informationsaustausch über die Treuhandgesellschaft FIDES mit Sitz in Zuerich (Schweiz) unterstützt wurden. In der Entscheidung heisst es, die meisten Mitglieder der PG Karton hätten der FIDES regelmässig Berichte über Auftragslage, Produktion, Verkäufe und Kapazitätsauslastung geliefert. Diese Berichte seien im Rahmen des FIDES-Systems bearbeitet worden, und die Teilnehmer hätten die zusammengefassten Daten erhalten.

20 Die Klägerin ist aus einer 1990 erfolgten Fusion des Kartonbereichs des führenden italienischen Herstellers Saffa mit dem spanischen Hersteller Sarrió hervorgegangen (Randnr. 11 der Entscheidung). 1991 erwarb die Klägerin überdies den spanischen Hersteller Prat Carton (a. a. O.).

21 Die Klägerin wird in der Entscheidung für die gesamte Dauer der Teilnahme von Prat Carton an dem beanstandeten Kartell verantwortlich gemacht (Randnr. 154 der Entscheidung).

22 Die Klägerin stellt hauptsächlich GD-Karton, aber auch GC-Karton her.

Verfahren

23 Mit Klageschrift, die am 14. Oktober 1994 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

24 Sechzehn der achtzehn anderen für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemachten Unternehmen haben ebenfalls Klage gegen die Entscheidung erhoben (Rechtssachen T-295/94, T-301/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94).

25 Die Klägerin in der Rechtssache T-301/94, die Laakmann Karton GmbH, hat ihre Klage mit Schreiben, das am 10. Juni 1996 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 18. Juli 1996 in der Rechtssache T-301/94 (Laakmann Karton/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

26 Vier finnische Unternehmen, die als Mitglieder der Wirtschaftsvereinigung Finnboard gesamtschuldnerisch für die Zahlung der gegen diese festgesetzten Geldbusse haftbar gemacht wurden, haben ebenfalls gegen die Entscheidung geklagt (verbundene Rechtssachen T-339/94, T-340/94, T-341/94 und T-342/94).

27 Schließlich hat der Verband CEPI-Cartonboard, der nicht zu den Adressaten der Entscheidung gehört, Klage erhoben. Er hat sie jedoch mit Schreiben, das am 8. Januar 1997 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, zurückgenommen; durch Beschluß vom 6. März 1997 in der Rechtssache T-312/94 (CEPI-Cartonboard/Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) ist diese Rechtssache im Register des Gerichts gestrichen worden.

28 Mit Schreiben vom 5. Februar 1997 hat das Gericht die Parteien zu einer informellen Sitzung geladen, in der sie sich u. a. zu einer etwaigen Verbindung der Rechtssachen T-295/94, T-304/94, T-308/94, T-309/94, T-310/94, T-311/94, T-317/94, T-319/94, T-327/94, T-334/94, T-337/94, T-338/94, T-347/94, T-348/94, T-352/94 und T-354/94 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung äussern sollten. In dieser Sitzung, die am 29. April 1997 stattfand, haben sich die Parteien mit einer solchen Verbindung einverstanden erklärt.

29 Mit Beschluß vom 4. Juni 1997 hat der Präsident der Dritten erweiterten Kammer des Gerichts die genannten Rechtssachen wegen ihres Zusammenhangs gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung verbunden und einem Antrag der Klägerin in der vorliegenden Rechtssache auf vertrauliche Behandlung stattgegeben.

30 Mit Beschluß vom 20. Juni 1997 hat er einem Antrag der Klägerin in der Rechtssache T-337/94 auf vertrauliche Behandlung eines in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts vorgelegten Dokuments stattgegeben.

31 Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte erweiterte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat prozeßleitende Maßnahmen getroffen, indem es die Parteien ersucht hat, einige schriftliche Fragen zu beantworten und bestimmte Dokumente vorzulegen. Die Parteien sind diesen Ersuchen nachgekommen.

32 Die Parteien in den in Randnummer 28 genannten Rechtssachen haben in der Sitzung, die vom 25. Juni bis zum 8. Juli 1997 stattfand, mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Parteien

33 Die Klägerin beantragt,

- die Entscheidung für nichtig zu erklären;

- hilfsweise, zum einen Artikel 2 und zum anderen Artikel 3 der Entscheidung, soweit darin gegen sie eine Geldbusse von 15 500 000 ECU festgesetzt wird, für nichtig zu erklären;

- höchst hilfsweise, diese Geldbusse herabzusetzen;

- der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

34 Die Kommission beantragt,

- die Klage abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung

A - Zum Klagegrund eines in der Verletzung von Verteidigungsrechten bestehenden Verfahrens- und Formfehlers

Vorbringen der Parteien

35 Die Klägerin macht geltend, ihre Verteidigungsrechte seien dadurch verletzt worden, daß die Kommission (in Randnr. 79 der Entscheidung) zum Nachweis der Zuwiderhandlung ein Schriftstück herangezogen habe, das bei den im April 1991 vorgenommenen Nachprüfungen bei Finnboard (UK) Ltd gefunden worden sei (im folgenden: Finnboard-Preisliste). Dieses Schriftstück sei ihr erst am 28. April 1994 und somit lange nach der Einreichung ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und nach der Anhörung vor der Kommission übersandt worden. Wegen dieser ungerechtfertigten Verzögerung habe sie nicht zur tatsächlichen Bedeutung des Schriftstücks, zu dem Kontext, in dem es verfasst worden sei, und zu den von der Kommission aus ihm gezogenen Schlüssen Stellung nehmen können (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 13. Februar 1979 in der Rechtssache 85/76, Hoffmann-La Roche/Kommission, Slg. 1979, 461). Die Verletzung ihrer Rechte sei auch durch die Übermittlung des Schriftstücks am 28. April 1994 nicht geheilt worden.

36 Die Kommission entgegnet, daß der Klägerin das fragliche Schriftstück mit einem Begleitschreiben vom 28. April 1994 übersandt worden sei, in dem der Inhalt des Schriftstücks und die von der Kommission aus ihm gezogenen Schlüsse umfassend erläutert worden seien. Da der Klägerin im Schreiben vom 28. April 1994 ausserdem die Möglichkeit eröffnet worden sei, etwaige Bemerkungen schriftlich vorzubringen, hätte sie sich rechtzeitig zur Beweiskraft des fraglichen Schriftstücks äussern können (vgl. Urteil des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-4/89, BASF/Kommission, Slg. 1991, II-1523, Randnr. 36).

Würdigung durch das Gericht

37 Die Kommission erlangte die Finnboard-Preisliste bei ihren Nachprüfungen in den Geschäftsräumen von Finnboard (UK) Ltd im April 1991; diese Liste wurde der Klägerin mit einem Erläuterungsschreiben sechzehn Monate nach der Übersendung der Beschwerdepunkte übermittelt.

38 Nach der Rechtsprechung des Gerichts ist Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 in Verbindung mit den Artikeln 2 und 4 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) zu entnehmen, daß die Kommission die Beschwerdepunkte, die sie gegen die betroffenen Unternehmen und Vereinigungen erhebt, mitteilen muß und daß sie in ihren Entscheidungen nur die Beschwerdepunkte berücksichtigen darf, zu denen diese Stellung nehmen konnten (Urteil vom 23. Februar 1994 in den Rechtssachen T-39/92 und T-40/92, CB und Europay/Kommission, Slg. 1994, II-49, Randnr. 47).

39 Ausserdem erfordert es die Wahrung der Verteidigungsrechte in einem Verfahren, das zu Sanktionen der in Rede stehenden Art führen kann, daß den betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des Verwaltungsverfahrens Gelegenheit gegeben wird, zum Vorliegen und zur Erheblichkeit der von der Kommission angeführten Tatsachen, Rügen und Umstände gebührend Stellung zu nehmen (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 11, und Urteil des Gerichts vom 18. Dezember 1992 in den Rechtssachen T-10/92, T-11/92, T-12/92 und T-15/92, Cimenteries CBR u. a./Kommission, Slg. 1992, II-2667, Randnr. 39).

40 Im vorliegenden Fall ist durch die Übermittlung des fraglichen Schriftstücks kein neuer, in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht enthaltener Beschwerdepunkt erhoben worden. Aus dem Begleitschreiben zur Finnboard-Preisliste geht nämlich klar hervor, daß diese nur als zusätzlicher Beweis für einen gemeinsamen Plan zur Preisfestsetzung angesehen wurde; dieser Beschwerdepunkt war bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte eingehend behandelt worden.

41 Der Klägerin wurde jedenfalls im Begleitschreiben ausdrücklich Gelegenheit gegeben, während des Verwaltungsverfahrens innerhalb einer Frist von zehn Tagen zu diesem Beweismittel Stellung zu nehmen. Unter diesen Umständen hat die Kommission die Klägerin nicht daran gehindert, sich rechtzeitig zur Beweiskraft des übermittelten Schriftstücks zu äussern (vgl. Urteil des Gerichtshofes Hoffmann-La Roche/Kommission, Randnr. 11, und Urteil des Gerichtshofes vom 25. Oktober 1983 in der Rechtssache 107/82, AEG/Kommission, Slg. 1983, 3151, Randnr. 27).

42 Folglich ist der vorliegende Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

B - Begründetheit

Zum Klagegrund des Fehlens einer Abstimmung der tatsächlichen Verkaufspreise und des Vorliegens eines Verstosses gegen die Begründungserfordernisse

Vorbringen der Parteien

43 Die Klägerin räumt ihre Beteiligung an einer Abstimmung der angekündigten Preise ein, bestreitet aber, daß sich die Abstimmung auf die tatsächlichen Verkaufspreise erstreckt habe. Zur Stützung ihres Vorbringens beruft sie sich ausser auf die ihren Schriftsätzen beigefügten Unterlagen, die zeigten, daß die tatsächlichen Verkaufspreise den angekündigten Preisen nicht gefolgt seien, auf die Verhandlungsmacht jedes Kunden, die Entwicklung der Nachfrage und der Herstellungskosten sowie die speziellen Merkmale des Kartonmarkts, insbesondere die Regelmässigkeit der Ankündigung von Preiserhöhungen und die hohe Markttransparenz.

44 Die Kommission habe sich nicht klar dazu geäussert, ob ihrer Ansicht nach nicht nur die angekündigten Preise, sondern auch die tatsächlichen Verkaufspreise aufeinander abgestimmt worden seien. Entgegen dem Vorbringen der Kommission sei die Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen der Abstimmung aber wegen ihrer unterschiedlichen Wirkungen von erheblicher Bedeutung (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1993 in den Rechtssachen C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, Slg. 1993, I-1307). In ihrer Erwiderung trägt die Klägerin vor, die Unklarheiten hinsichtlich des Gegenstands der Abstimmung stellten für sich genommen einen Verstoß gegen die Erfordernisse der Begründung und Genauigkeit von Entscheidungen dar, mit denen eine Verletzung der Wettbewerbsregeln festgestellt werde. Dieser Verstoß führe folglich zu einer schweren Beeinträchtigung der legitimen Verteidigungsrechte.

45 Die Kommission hält es für nicht nachvollziehbar, wie die Klägerin zugleich einräumen könne, an einer Abstimmung der Preise teilgenommen zu haben, und geltend machen könne, daß die vorgenommenen Preiserhöhungen nicht das Ergebnis dieser Abstimmung gewesen seien. In der Entscheidung (insbesondere in den Randnrn. 72 bis 102) werde sowohl auf Schriftstücke Bezug genommen, die die Abstimmung für jede im Rahmen des Kartells angekündigte Erhöhung belegten, als auch auf Schriftstücke, mit denen die einzelnen Hersteller die fragliche Erhöhung tatsächlich angekündigt hätten.

46 Die Unterscheidung zwischen einer Abstimmung der angekündigten Preise und einer Abstimmung der tatsächlichen Verkaufspreise sei im vorliegenden Fall unerheblich. Die Abstimmung im Rahmen des PWG und des JMC habe nicht nur die angekündigten Preise betroffen, sondern auch die Entscheidungen über regelmässige Preiserhöhungen für jede Produktart und über die Durchführung dieser gleichzeitigen Erhöhungen in der gesamten Gemeinschaft (vgl. die in den Randnrn. 74 bis 90, 92 und 94 bis 96 der Entscheidung genannten schriftlichen Beweise).

47 Darüber hinaus könne angesichts der Belege für eine Abstimmung im Rahmen der Ausschüsse, an denen die Klägerin teilgenommen habe, unmöglich behauptet werden, daß die Preisankündigungen die Ungewißheit der einzelnen Unternehmen über das Verhalten ihrer Konkurrenten nicht beseitigt hätten und daß die Klägerin die Preiserhöhungen unabhängig von der Abstimmung vorgenommen habe (vgl. Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-1/89, Rhône-Poulenc/Kommission, Slg. 1991, II-867, Randnrn. 122 und 123).

Würdigung durch das Gericht

48 Gemäß Artikel 1 der Entscheidung haben die in dieser Bestimmung genannten Unternehmen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, indem sie sich im Referenzzeitraum an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft u. a. "sich über regelmässige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten" und "gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten".

49 Die Klägerin räumt ein, in den vier Gremien der PG Karton mitgewirkt zu haben, und bestreitet weder in ihren Schriftsätzen noch in ihren Antworten auf die vom Gericht während der Verhandlung gestellten Fragen, daß sie sich ab 1988 an einer Abstimmmung der angekündigten Preise beteiligte.

50 Bevor auf das Vorbringen der Klägerin eingegangen wird, daß sich die Abstimmung nicht auf die tatsächlichen Verkaufspreise erstreckt habe, ist zu prüfen, ob die Kommission in der Entscheidung wirklich geltend gemacht hat, daß sich die Abstimmung auf diese Preise erstreckt habe.

51 Hierzu ist erstens festzustellen, daß Artikel 1 der Entscheidung keine Angaben darüber enthält, welcher Preis Gegenstand der abgestimmten Erhöhungen war.

52 Zweitens geht aus der Entscheidung nicht hervor, daß die Hersteller nach Ansicht der Kommission einheitliche tatsächliche Verkaufspreise festgelegt hatten oder auch nur festlegen wollten. Insbesondere die Randnummern 101 und 102 der Entscheidung, die den "Auswirkungen der abgestimmten Preisinitiativen auf das Preisniveau" gewidmet sind, zeigen, daß die Kommission davon ausgegangen ist, daß die Preisinitiativen die Listenpreise betrafen und eine Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise herbeiführen sollten. Dort heisst es u. a.: "Selbst wenn alle Hersteller entschlossen waren, die volle Preiserhöhung durchzusetzen, bedeutete die für die Kunden bestehende Möglichkeit, auf eine billigere Qualität oder Sorte auszuweichen, daß die Hersteller unter Umständen ihren angestammten Kunden bestimmte Terminzugeständnisse machen oder zusätzliche Anreize in Form von Mengenrabatten oder Skonti für Grossaufträge geben mussten, um bei ihnen die volle Basis-Preiserhöhung durchsetzen zu können. Eine Preiserhöhung käme damit erst nach einer gewissen Zeit voll zum Tragen" (Randnr. 101 Absatz 6).

53 Aus der Entscheidung ergibt sich somit, daß die Kommission das Ziel der Preisabsprache zwischen den Herstellern darin sah, daß die abgestimmten Erhöhungen der angekündigten Preise zu einer Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise führten. Insoweit ist Randnummer 101 Absatz 1 der Entscheidung zu entnehmen, daß "sich die Hersteller nicht darauf [beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern... - mit wenigen Ausnahmen - auch alles [taten], um sicherzustellen, daß sie bei den Kunden durchgesetzt wurden". Die Situation im vorliegenden Fall unterscheidet sich somit von der, die der Gerichtshof im Urteil Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission geprüft hat, da die Kommission in der vorliegenden Entscheidung im Gegensatz zu der Entscheidung, die zum letztgenannten Urteil führte, nicht geltend macht, daß die Unternehmen eine unmittelbare Abstimmung der tatsächlichen Verkaufspreise vorgenommen hätten.

54 Diese Analyse der Entscheidung wird durch die von der Kommission vorgelegten Schriftstücke bestätigt.

55 Insbesondere enthält Anlage 109 der Mitteilung der Beschwerdepunkte einen Bericht über die Sitzung des JMC vom 16. Oktober 1989, in dem es u. a. heisst:

"d) Holland

...

Grosse Probleme bei den Grossabnehmern, insbesondere Imca, wo Cascades und Van Duffel noch verrückte Preise machen und sowohl KNP als auch den Finnen das Leben schwer machen.

...

...

f) Belgien

Ähnliche Lage wie in Holland. Finnboard hatte bei Van Genechten die Preiserhöhung bereits durch, musste aber auf Grund von Zugeständnissen aus Belgien (Cascades) erneut zu einem Gespräch. Man wird hart bleiben und erwartet dies von Beghin, Cascades und von KNP ebenso.

...

h) Italien

Saffa hat grösste Probleme mit Importpreisen von Kopparfors, Finnboard und auch Cascades.

Lieferungen bei Saffa sind stark zurückgegangen, die Importe haben stark zugenommen.

Saffa appelliert an die Importeure, unbedingt die ausgegebenen Preisrichtlinien einzuhalten."

56 Aus diesem Schriftstück geht klar hervor, daß die Hersteller zwar generell damit einverstanden waren, daß jeder von ihnen seine tatsächlichen Verkaufspreise mit seinen Kunden aushandelt, daß aber jeder Hersteller und insbesondere die in der obigen Anlage ausdrücklich erwähnte Klägerin von den Konkurrenten erwartete, daß die von ihnen verlangten tatsächlichen Verkaufspreise den vereinbarten Preisen zumindest in dem Sinne entsprachen, daß die individuellen Verhandlungen den vereinbarten Erhöhungen der Listenpreise nicht die Wirkung nehmen durften.

57 Im übrigen hat die Klägerin in der Verhandlung eingeräumt, daß die angekündigten Preise als Grundlage für die Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden gedient hätten; dies bestätigt, daß letztlich die Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise angestrebt wurde. Ohnehin wäre die Festlegung einheitlicher, von den Herstellern vereinbarter Listenpreise ohne jede Bedeutung, wenn diese Preise im Endeffekt keine Auswirkung auf die tatsächlichen Verkaufspreise haben sollten.

58 Dem Vorbringen der Klägerin, daß die Unklarheiten hinsichtlich des Gegenstands der Abstimmung für sich genommen eine Verletzung der Begründungserfordernisse darstellten, steht entgegen, daß Artikel 1 der Entscheidung keine Angaben darüber enthält, welcher Preis Gegenstand der Absprache war.

59 In einer solchen Situation ist der verfügende Teil der Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung im Licht ihrer Gründe zu verstehen (vgl. z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73, 55/73, 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u. a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 122 bis 124).

60 Im vorliegenden Fall hat die Kommission nach alledem in den Begründungserwägungen der Entscheidung hinreichend erläutert, daß sich die Abstimmung auf die Listenpreise bezog und auf eine Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise abzielte.

61 Folglich ist der Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der mangelnden Teilnahme an einem Kartell zum Einfrieren der Marktanteile und zur Angebotskontrolle

Vorbringen der Parteien

62 Dieser Klagegrund besteht aus drei Teilen.

63 Im ersten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Kommission habe keine Beweise für das Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile oder einer Absprache über die Angebotskontrolle. Selbst wenn man davon ausgehe, daß rechtlich hinreichende Beweise für diese Absprachen vorlägen, habe die Kommission die Teilnahme der Klägerin an solchen Absprachen nicht bewiesen. Insbesondere seien mehrere Anlagen der Mitteilung der Beschwerdepunkte, auf die sich die Kommission in der Entscheidung gestützt habe, ohne Beweiswert.

64 Erstens beweise Anlage 73, eine Aktennotiz von Mayr-Melnhof, nur die Preisabsprache, erläutere die Folgen einer rigorosen Preispolitik und belege, daß die Klägerin auf Mayr-Melnhof keinen Druck ausgeuebt habe, um diese von einer Erhöhung ihrer Marktanteile durch Senkung ihrer Preise abzuhalten. Insoweit sei auf die von Mayr-Melnhof in ihrem Schreiben vom 23. September 1991 (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) gegebenen Erläuterungen zu verweisen.

65 Zweitens betreffe Anlage 102, ein Vermerk von Rena, ein Treffen des Nordic Paperboard Institute (NPI), dem die Klägerin nicht angehört habe.

66 Drittens könnten die Aussagen von Stora für sich genommen keine ausreichenden Beweise darstellen. Ausserdem habe Stora mehrfach auf die relative Eigenständigkeit hingewiesen, über die die einzelnen Unternehmen u. a. hinsichtlich der Produktionsmengen und des Zeitpunkts für das Abstellen der Anlagen verfügt hätten (vgl. Randnrn. 57, 59, 60, 69, 70 und 71 der Entscheidung). Die Aussagen von Stora bestätigten im übrigen, daß kein System zur Kontrolle eines etwaigen Mengenkartells geschaffen worden sei. Das Fehlen eines Systems zur Kontrolle der Mengenentwicklung zeige eindeutig, daß es insoweit kein Kartell gegeben habe. Darüber hinaus stellten die Aussagen von Stora nur deren persönliche Meinung zum Interesse an der Ergreifung von Maßnahmen zur Kontrolle der Produktions- und Verkaufsmengen dar.

67 Im zweiten Teil des Klagegrundes macht die Klägerin geltend, die Entwicklung der Marktanteile der einzelnen Unternehmen zeige, daß es keine Absprache über das Einfrieren der Marktanteile gegeben habe oder daß sie, selbst wenn eine Absprache zwischen bestimmten Unternehmen erfolgt sein sollte, daran jedenfalls nicht teilgenommen habe.

68 In bezug auf die allgemeine Entwicklung der Marktanteile weist sie darauf hin, daß einige Hersteller, darunter Iggesund (MoDo) und Mayr-Melnhof, im fraglichen Zeitraum erhebliche neue Kapazitäten in Betrieb genommen hätten.

69 Ferner sei ihr eigener Gesamtanteil am Gemeinschaftsmarkt von 14,3 % im Jahr 1987 auf 11,7 % im Jahr 1990 zurückgegangen. Ein solcher Rückgang sei nicht mit der Behauptung der Kommission vereinbar, daß sie an einem Kartell zum Einfrieren der Marktanteile der verschiedenen Hersteller teilgenommen habe. Der Rückgang des Gesamtanteils von Prat Carton am Gemeinschaftsmarkt um etwa 9 % zwischen 1987 und 1990 belege ebenfalls, daß keine Beteiligung an einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile erfolgt sei.

70 Im dritten Teil des Klagegrundes führt die Klägerin aus, auch ihr Verhalten hinsichtlich der Produktionsunterbrechungen und der Ausfuhren auf aussereuropäische Märkte entspreche nicht den Behauptungen der Kommission.

71 Die Kommission vertritt zum ersten Teil des Klagegrundes die Ansicht, daß die von ihr angeführten Beweismittel, insbesondere die Aussagen von Stora (Anlagen 39 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und die Anlagen 73 und 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, zum Nachweis des Vorliegens eines Kartells zum Einfrieren der Marktanteile und zur Angebotskontrolle sowie der Teilnahme der Klägerin an diesen Bestandteilen des Kartells völlig ausreichten.

72 Hinsichtlich des zweiten Teils des Klagegrundes weist sie darauf hin, daß sie sich auf schriftliche Beweise für ein Kartell zum Einfrieren der Marktanteile gestützt habe, und macht geltend, das Vorbringen der Klägerin zur Entwicklung der Marktanteile der einzelnen Unternehmen sei daher nicht erheblich für die Frage, ob es ein solches Kartell gegeben habe. Ausserdem werde in der Entscheidung ausdrücklich eingeräumt, daß sich die Marktanteile einzelner Unternehmen allmählich verändert hätten, da sie jedes Jahr neu ausgehandelt worden seien (Randnrn. 60 und 131 der Entscheidung). Im übrigen verbiete Artikel 85 Kartelle, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckten oder bewirkten, unabhängig vom Ausmaß des erzielten Erfolges.

73 Entgegen dem Vorbringen der Klägerin zur Entwicklung ihrer eigenen Marktanteile habe die Zuwiderhandlung den gesamten Gemeinschaftsmarkt betroffen. Die Klägerin habe dem PWG angehört, in dem die Erörterungen der Marktanteile stattgefunden hätten. 1989 sei das geschäftsführende Verwaltungsratsmitglied von Saffa sogar zum Vizepräsidenten der PG Karton ernannt worden.

74 Schließlich gebe es für die Behauptung der Klägerin, daß sie sich stets autonom verhalten habe, keinen Beweis. Ausserdem würde selbst ein Verstoß der Klägerin gegen das Kartell nichts an der begangenen Zuwiderhandlung ändern (vgl. Urteil Rhône-Poulenc/Kommission).

75 Zum dritten Teil des Klagegrundes trägt die Kommission vor, Stora habe in Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt, daß der PWG ein System geschaffen und eingeführt habe, um das Gleichgewicht wiederherzustellen und die Produktion zu kontrollieren, damit die Preise konstant blieben. Daß die Marktlage oder das planmässige Funktionieren des Kartells dazu geführt hätten, daß die Klägerin nach eigenen Angaben nicht auf abgestimmte Produktionsunterbrechungen habe zurückgreifen müssen, habe deshalb weder Einfluß auf ihre Verantwortlichkeit noch auf ihre Beteiligung am Kartell zur Kontrolle der Marktanteile und Mengen.

Würdigung durch das Gericht

1. Zum Vorliegen einer Absprache über das Einfrieren der Marktanteile und einer Absprache über die Angebotskontrolle

76 Zum ersten Teil des Klagegrundes ist darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 1 der Entscheidung die in dieser Bestimmung genannten Unternehmen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen haben, indem sie sich im Referenzzeitraum an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die die Kartonanbieter in der Gemeinschaft "sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten" und "in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der vorerwähnten abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen".

77 Nach Ansicht der Kommission wurden diese beiden Formen von Absprachen, die in der Entscheidung unter der Überschrift "Mengenkontrollen" behandelt werden, im Referenzzeitraum von den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG eingeführt. Aus Randnummer 37 Absatz 3 der Entscheidung geht nämlich hervor, daß der eigentliche Auftrag des PWG nach der Darstellung von Stora "die Erörterung und Abstimmung der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen und Kapazitäten" umfasste.

78 Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Marktanteile wird in der Entscheidung (Randnr. 37 Absatz 5) folgendes ausgeführt: "Im Zusammenhang mit den Preiserhöhungsinitiativen führte der PWG ausführliche Diskussionen über die Marktanteile, die die nationalen Gruppierungen und einzelne Herstellergruppen in Westeuropa innehaben. Das Ergebnis waren eine Reihe von "Vereinbarungen" zwischen den Teilnehmern über ihre jeweiligen Marktanteile, die sicherstellen sollten, daß die konzertierten Preisinitiativen nicht durch ein die Nachfrage überschreitendes Angebot gefährdet werden. So einigten sich die grossen Herstellergruppen darauf, ihre Marktanteile auf den Niveaus zu belassen, wie sie aus den jährlichen Produktions- und Verkaufszahlen resultierten, die jeweils im März des darauffolgenden Jahres über die FIDES bekanntgegeben wurden. Auf jeder PWG-Sitzung wurde die Entwicklung der Marktanteile auf der Grundlage der monatlichen FIDES-Meldungen analysiert; bei grösseren Schwankungen wurden von den vermuteten Schuldigen Erklärungen verlangt."

79 In Randnummer 52 der Entscheidung heisst es: "Die 1987 im PWG erzielte Vereinbarung umfasste auch ein "Einfrieren" der Marktanteile der führenden Hersteller in Westeuropa auf dem erreichten Niveau, ohne daß Versuche unternommen wurden, neue Kunden zu gewinnen oder durch aggressive Preispolitik bestehende Geschäftsbeziehungen auszubauen."

80 Nach Randnummer 56 Absatz 1 der Entscheidung bestand die "Grundvereinbarung zwischen den führenden Herstellern über das Einfrieren ihrer Marktanteile... während des gesamten von der vorliegenden Entscheidung erfassten Zeitraums weiter". In Randnummer 57 heisst es: "Die "Entwicklung der Marktanteile" wurde auf jeder PWG-Sitzung auf der Grundlage vorläufiger Statistiken analysiert..." Schließlich wird in Randnummer 56 letzter Absatz folgendes ausgeführt: "Die Unternehmen, die an den Beratungen über die Marktanteile teilnahmen, waren die gleichen wie die Mitglieder des PWG, nämlich Cascades, Finnboard, KNP (bis 1988), [Mayr-Melnhof], MoDo, Sarrió, die beiden zur Stora-Gruppe gehörenden Hersteller CBC und Feldmühle und (ab 1988) Weig."

81 Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile ordnungsgemäß nachgewiesen.

82 Die Analyse der Kommission beruht im wesentlichen auf den Aussagen von Stora (Anlagen 39 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) und wird durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigt.

83 In Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erläutert Stora: "Der PWG trat ab 1986 zusammen, um bei der Einführung von Marktdisziplin zu helfen... Neben anderen (legitimen) Tätigkeiten bestand sein Zweck in der Erörterung und Abstimmung hinsichtlich der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen, Nachfrage und Kapazität. Zu seiner Rolle gehörte es, die genaue Angebots- und Nachfragesituation auf dem Markt sowie die beim Versuch, Ordnung in den Markt zu bringen, zu treffenden Maßnahmen zu beurteilen und der Präsidentenkonferenz zu erläutern."

84 Zur Absprache über die Marktanteile führt Stora aus: "Die von nationalen Gruppen in EG-, EFTA- und anderen Ländern, die von Mitgliedern der PG Karton beliefert wurden, übernommenen Anteile wurden im PWG geprüft... [Der PWG] erörterte... die Möglichkeit, die Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs zu halten" (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 19). Ferner gab sie folgendes an (gleiches Dokument, Punkt 6): "Auch die europäischen Marktanteile der Hersteller wurden in diesem Zeitraum erörtert, wobei das Niveau von 1987 den ersten Referenzzeitraum darstellte."

85 In ihrer am 14. Februar 1992 übersandten Antwort auf ein Ersuchen der Kommission vom 23. Dezember 1991 (Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) fügte Stora hinzu: "Die Verständigungen der PWG-Mitglieder über das Niveau der Marktanteile bezogen sich auf Europa als Ganzes. Die Verständigungen beruhten auf den Gesamtzahlen des Vorjahrs, die in der Regel im März des Folgejahrs endgültig verfügbar waren" (Punkt 1.1).

86 Diese Behauptung wird im selben Dokument mit folgenden Worten bestätigt: "[D]ie Erörterungen [führten] in der Regel im März jeden Jahres zu Verständigungen zwischen den Mitgliedern des PWG über die Beibehaltung ihrer Marktanteile auf dem Niveau des Vorjahrs" (Punkt 1.4). Stora führt aus: "Es wurden keine Maßnahmen getroffen, um die Einhaltung der Verständigungen sicherzustellen..." Den Teilnehmern an den Sitzungen des PWG sei bewusst gewesen, "daß, wenn sie sich auf bestimmten von anderen belieferten Märkten ungewöhnlich verhielten, diese anderen auf anderen Märkten Vergeltung üben könnten" (gleicher Punkt).

87 Schließlich erklärt Stora, daß Saffa an den Erörterungen der Marktanteile teilgenommen habe (Punkt 1.2).

88 Die Behauptungen von Stora hinsichtlich der Absprache über die Marktanteile werden durch Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte untermauert. Dieses bei FS-Karton gefundene Schriftstück ist eine vertrauliche Aktennotiz des für die Verkaufsaktivitäten der Mayr-Melnhof-Gruppe in Deutschland zuständigen Verkaufsleiters (Herrn Katzner) an den Geschäftsführer von Mayr-Melnhof in Österreich (Herrn Gröller) vom 28. Dezember 1988, die die Marktsituation betrifft.

89 Nach diesem in den Randnummern 53 bis 55 der Entscheidung behandelten Schriftstück gab es bei der 1987 beschlossenen engeren Zusammenarbeit im "Präsidentenkreis" "Gewinner und Verlierer". Der Verfasser der Aktennotiz zählt Mayr-Melnhof u. a. aus folgenden Gründen zu den Verlierern:

"2.) Eine Einigung konnte nur durch unsere "Bestrafung" erzielt werden - man verlangte von uns "Opfer".

3.) Die 1987-Marktanteile sollten "eingefroren", die bestehenden Kontakte beibehalten und keine neuen Aktivitäten und Sorten über den Preis gewonnen werden (im Januar 1989 wird sich ja das Resultat zeigen - wenn alle ehrlich sind)."

90 Diese Ausführungen sind im allgemeineren Kontext der Aktennotiz zu sehen.

91 Insoweit verweist ihr Verfasser einleitend auf die engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene im "Präsidentenkreis". Dieser Ausdruck ist nach der Auslegung von Mayr-Melnhof eine gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a); diese Auslegung braucht im vorliegenden Zusammenhang nicht erörtert zu werden.

92 Der Verfasser führt sodann aus, daß diese Zusammenarbeit zu "Preisdisziplin" geführt habe, bei der es "Gewinner und Verlierer" gegeben habe.

93 Folglich sind die Ausführungen zu den auf dem Niveau von 1987 einzufrierenden Marktanteilen im Kontext dieser vom "Präsidentenkreis" beschlossenen Preisdisziplin zu verstehen.

94 Ausserdem steht die Verweisung auf 1987 als Referenzjahr mit der zweiten Aussage von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte; siehe oben, Randnr. 84) im Einklang.

95 Zur Rolle des PWG bei der Absprache über die Lieferkontrolle, die durch die Prüfung der Abstellzeiten der Maschinen gekennzeichnet war, heisst es in der Entscheidung, daß der PWG bei der Durchsetzung der Abstellzeiten eine entscheidende Rolle gespielt habe, als ab 1990 die Produktionskapazität zugenommen habe und die Nachfrage gesunken sei: "Von Anfang 1990 an [hielt es] die Branche... für erforderlich..., sich im Rahmen des PWG über Abstellzeiten zu verständigen. Die grossen Hersteller räumten ein, daß sie die Nachfrage nicht durch Preissenkungen steigern konnten und daß die Aufrechterhaltung der vollen Produktion lediglich einen Preisrückgang bewirken würde. Theoretisch ließ sich anhand der Kapazitätsberichte errechnen, wie lange die Maschinen abgestellt werden mussten, um Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht zu bringen" (Randnr. 70 der Entscheidung).

96 Ferner heisst es in der Entscheidung: "Der PWG wies jedoch nicht formell jedem Hersteller seine "Abstellzeiten" zu. Laut Stora bestanden praktische Schwierigkeiten, einen koordinierten Plan für Abstellzeiten für alle Hersteller aufzustellen. Aus diesen Gründen bestand laut Stora nur "ein loses System der Ermutigung"" (Randnr. 71 der Entscheidung).

97 Die Kommission hat das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Produktionsunterbrechungen hinreichend nachgewiesen.

98 Die von ihr vorgelegten Unterlagen stützen ihre Analyse.

99 In ihrer zweiten Aussage (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 24) führt Stora aus: "Mit der Einführung der Preis-vor-Menge-Politik durch den PWG und der allmählichen Anwendung eines einheitlichen Preissystems ab 1988 erkannten die Mitglieder des PWG an, daß Abstellzeiten erforderlich sein würden, um diese Preise angesichts geringerer Nachfragesteigerung zu halten. Ohne Abstellzeiten hätten die Hersteller vereinbarte Preisniveaus angesichts zunehmender Überkapazität nicht halten können."

100 Im folgenden Punkt ihrer Erklärung fügt sie hinzu: "1988 und 1989 konnte die Industrie mit nahezu voller Kapazität arbeiten. Abstellzeiten neben der normalen Schließung wegen Reparaturen und Feiertagen wurden ab 1990 erforderlich... Schließlich waren Abstellzeiten nötig, wenn der Auftragseingang stockte, um die Preis-vor-Menge-Politik aufrechtzuerhalten. Die Länge der von den Herstellern (zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Produktion und Verbrauch) einzuhaltenden Abstellzeit konnte anhand der Kapazitätsberichte errechnet werden. Der PWG nahm keine formelle Zuweisung von Abstellzeiten vor, obwohl ein loses System der Ermutigung bestand..."

101 Die in Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom Verfasser genannten Gründe dafür, daß er Mayr-Melnhof bei Abfassung der Aktennotiz als "Verlierer" ansah, stellen wichtige Beweise für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Abstellzeiten dar.

102 Der Verfasser stellt nämlich folgendes fest:

"4.) Und an dieser Stelle beginnt die unterschiedliche Auffassung der Beteiligten über das Gewollte.

...

c) Alle Aussendienstler und europäischen Vertreter wurden von ihren Mengenbudgets entbunden, und es wurde eine fast lückenlose, harte Preispolitik vertreten (die Mitarbeiter verstanden oftmals unsere geänderte Einstellung zum Markt nicht - früher wurde nur Tonnage gefordert und jetzt nur Preisdisziplin mit der Gefahr, die Maschinen abzustellen)."

103 Mayr-Melnhof macht geltend (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), daß der oben wiedergegebene Abschnitt einen unternehmensinternen Sachverhalt betreffe. Bei einer Analyse im allgemeineren Kontext der Aktennotiz lässt dieser Auszug jedoch erkennen, daß auf der Ebene des Verkaufspersonals eine im "Präsidentenkreis" beschlossene rigorose Politik durchgesetzt wurde. Das Schriftstück ist somit dahin auszulegen, daß die Teilnehmer an der Vereinbarung von 1987, d. h. zumindest die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG, unbestreitbar die Folgen der beschlossenen Politik für den Fall erwogen haben, daß diese rigoros angewandt wird.

104 Der Umstand, daß die Hersteller bei der Vorbereitung der Preiserhöhungen die Prüfung der Abstellzeiten erörterten, wird u. a. durch Notizen von Rena vom 6. September 1990 (Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt, in denen der Umfang der Preiserhöhungen in mehreren Ländern, die Zeitpunkte der künftigen Ankündigungen dieser Erhöhungen sowie die in Arbeitstagen ausgedrückten Auftragsbestände mehrerer Hersteller erwähnt werden.

105 Der Verfasser des Schriftstücks vermerkt, daß einige Hersteller Abstellzeiten vorsähen, die er z. B. wie folgt aufführt:

"Kopparfors 5 - 15 days 5/9 will stop for five days"

106 Aus alledem ist zu schließen, daß der Kommission der Beweis für das Vorliegen einer Absprache der Teilnehmer an den Sitzungen des PWG über die Marktanteile sowie einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten rechtlich gelungen ist. Da die Klägerin unstreitig an den Sitzungen des PWG teilnahm und da sie im hauptsächlichen Belastungsmaterial (den Aussagen von Stora und Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) ausdrücklich erwähnt wird, hat die Kommission sie zu Recht für eine Teilnahme an diesen beiden Absprachen zur Verantwortung gezogen.

107 Die Einwände der Klägerin gegen die Aussagen von Stora und Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, mit denen der Beweiswert dieser Unterlagen in Abrede gestellt wird, sind nicht geeignet, diese Feststellung zu entkräften.

108 Zunächst steht hinsichtlich der wiederholten Aussagen von Stora gegenüber der Kommission fest, daß sie von einem der Unternehmen stammen, die an der geltend gemachten Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein sollen, und daß sie eine eingehende Beschreibung der Art der Erörterungen in den Gremien der PG Karton, des von den ihr angehörenden Unternehmen verfolgten Zieles sowie der Teilnahme dieser Unternehmen an den Sitzungen ihrer verschiedenen Gremien enthalten. Da dieses zentrale Beweismittel durch andere Aktenstücke bestätigt wird, stellt es eine stichhaltige Stütze des Vorbringens der Kommission dar.

109 Sodann vertritt die Klägerin in bezug auf Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Ansicht, diese belege nur eine Abstimmung der Preise, da die darin erwähnten Veränderungen bei den Verkäufen nur als Folge der Preispolitik angesehen würden. Sie beruft sich insoweit auf die Auslegung dieses Schriftstücks durch Mayr-Melnhof (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

110 Diese Analyse der Klägerin hält jedoch einer Auslegung anhand des Kontextes des Schriftstücks nicht stand und lässt sich auch nicht auf dessen Auslegung durch Mayr-Melnhof stützen.

111 Nach Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte stellt Anlage 73 "einen allgemeinen Lagebericht des Verkaufsleiters von FS-Karton gegenüber der Konzernleitung dar, welcher nichts weiter ist wie der Versuch, ein Zurückbleiben der Umsatzentwicklung bei FS-Karton gegenüber der Konzernleitung zu rechtfertigen, und zwar im wesentlichen mit der neuen Geschäftspolitik, die die Tochterunternehmen auf absolute Preisdisziplin auch unter Inkaufnahme von Umsatzverlusten verpflichtete". Im übrigen bedeutete nach Angaben von Mayr-Melnhof "Einfrieren der Marktanteile", "daß zur Erzielung eines höheren Preisniveaus innerhalb der Mayr-Melnhof-Karton-Gruppe nicht versucht werden sollte, höhere Marktanteile durch den Absatz zusätzlicher Mengen über neue Kunden oder neue Sorten zu nicht kostendeckenden Preisen zu gewinnen. Zielvorstellung war vielmehr, trotz höherer Preise die vorhandenen Kundenbeziehungen zu halten."

112 Diese allgemeinen Erwägungen sind aber nicht mit der einleitenden Bezugnahme auf den "Präsidentenkreis" vereinbar, in deren Licht das gesamte Schriftstück zu verstehen ist.

113 Da die in Anlage 73 enthaltenen Angaben zum "Einfrieren" der Marktanteile und zur Kontrolle des Angebots den Angaben in den Aussagen von Stora entsprechen, hat die Kommission zu Recht angenommen, daß diese Schriftstücke insgesamt gesehen die Existenz einer Willensübereinstimmung belegen, die über eine blosse Abstimmung der Preise hinausging.

114 Da die Kommission das Vorliegen der beiden fraglichen Absprachen nachgewiesen hat, brauchen die Einwände der Klägerin gegen Anlage 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht geprüft zu werden.

2. Zum tatsächlichen Verhalten der Klägerin

115 Auch dem zweiten und dem dritten Teil des Klagegrundes, wonach das tatsächliche Verhalten der Unternehmen nicht den Behauptungen der Kommission zum Vorliegen der beiden streitigen Absprachen entspreche, kann nicht gefolgt werden.

116 Erstens darf die Existenz von Absprachen der Mitglieder des PWG über die beiden Aspekte der "Preis-vor-Menge"-Politik nicht mit deren Durchführung verwechselt werden. Die von der Kommission vorgelegten Beweise haben nämlich ein solches Gewicht, daß Informationen über das tatsächliche Marktverhalten der Klägerin keinen Einfluß auf die Ergebnisse haben können, zu denen die Kommission hinsichtlich des Vorliegens von Absprachen über die beiden Aspekte der streitigen Politik gelangt ist. Die Behauptungen der Klägerin könnten allenfalls als Beleg dafür dienen, daß ihr Verhalten nicht dem entsprach, was die dem PWG angehörenden Unternehmen vereinbart hatten.

117 Zweitens stehen die Ergebnisse, zu denen die Kommission gelangt ist, nicht im Widerspruch zu den von der Klägerin erteilten Auskünften. Die Kommission räumt ausdrücklich ein, daß die Absprache über die Marktanteile "kein formelles System von Strafen oder Kompensationsmaßnahmen, um die in der Frage der Marktanteile erzielte Einigung durchzusetzen," einschloß und daß die Marktanteile einzelner grosser Hersteller von Jahr zu Jahr wuchsen (vgl. insbesondere Randnrn. 59 und 60 der Entscheidung). Ausserdem räumt die Kommission ein, daß die Industrie bis Anfang 1990 mit voller Kapazitätsauslastung arbeitete, so daß bis dahin praktisch keine Abstellzeiten notwendig wurden (Randnr. 70 der Entscheidung).

118 Drittens ist nach ständiger Rechtsprechung die Tatsache, daß sich ein Unternehmen den Ergebnissen von Sitzungen mit offensichtlich wettbewerbsfeindlichem Gegenstand nicht beugt, nicht geeignet, es von seiner vollen Verantwortlichkeit für seine Teilnahme am Kartell zu entlasten, wenn es sich nicht offen vom Inhalt der Sitzungen distanziert hat (vgl. z. B. Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-141/89, Tréfileurope/Kommission, Slg. 1995, II-791, Randnr. 85). Selbst wenn man annimmt, daß das Marktverhalten der Klägerin nicht dem vereinbarten Verhalten entsprach, ändert dies somit nichts an ihrer Verantwortlichkeit für eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages.

Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission hinsichtlich der Dauer der Preisabstimmung

Vorbringen der Parteien

119 Die Klägerin macht geltend, daß eine Abstimmung der angekündigten Preise zumindest in bezug auf sie erst ab 1988 erfolgt sei. Die Preiserhöhung im Vereinigten Königreich im Januar 1987 sei nur eine natürliche Reaktion der Hersteller angesichts der Schwäche der britischen Währung gegenüber den anderen europäischen Währungen gewesen, und der einheitliche Charakter dieser Erhöhung sei die Folge der Transparenz des Marktes. Es sei den Wirtschaftsteilnehmern nicht untersagt, ihr Verhalten dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten anzupassen (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, a. a. O.). Im übrigen bewiesen weder die Anlagen 44 und 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte noch das Dokument A-17-2 die Abstimmung der Preise durch die Unternehmen. Sie beträfen jedenfalls nicht die Klägerin.

120 Als Zeitpunkt der Beendigung der Preisabstimmung habe die Kommission fälschlich April 1991 angesehen; die Ankündigung der letzten abgestimmten Preiserhöhung sei aber im September/Oktober 1990 erfolgt.

121 Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin seit der Schaffung des PWG und des JMC an deren Sitzungen teilgenommen und ihnen auch 1991 noch angehört habe. Die in den Geschäftsräumen eines der betroffenen Unternehmen gefundenen Unterlagen zeigten zwar, daß Ende 1987 eine Vereinbarung über die beiden miteinander verbundenen Fragen der Mengenkontrolle und der Preisdisziplin getroffen worden sei (Randnr. 53 der Entscheidung); dies schließe jedoch nicht aus, daß die fraglichen Hersteller vor dieser Zeit eine Reihe geheimer Sitzungen durchgeführt hätten, um einen Plan zur Ausschaltung des Wettbewerbs zu erörtern (vgl. u. a. Randnr. 161 der Entscheidung). Die Anlagen 35 und 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte bestätigten dies. Die Richtigkeit ihrer Schlußfolgerungen zur Dauer der Zuwiderhandlung werde auch durch die von den Herstellern seit 1987 vorgenommenen Preiserhöhungen bestätigt.

Würdigung durch das Gericht

122 Gemäß Artikel 1 der Entscheidung hat die Klägerin gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, indem sie sich von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligte, durch die sich die Kartonanbieter in der Gemeinschaft u. a. über Erhöhungen der Kartonpreise verständigten und gleichzeitige und einheitliche Preiserhöhungen für die gesamte Gemeinschaft planten und durchführten. In Randnummer 74 der Entscheidung wird ausgeführt, daß die erste abgestimmte Preisinitiative, an der die Klägerin teilnahm (Anlage A der Entscheidung), Ende 1986 im Vereinigten Königreich stattfand, "[w]ährend der neue Mechanismus der PG Karton noch nicht voll funktionierte".

123 In Randnummer 161 Absatz 2 der Entscheidung wird im übrigen festgestellt, daß die meisten Adressaten der Entscheidung ab Juni 1986 an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten, d. h. ab dem Zeitpunkt, zu dem "der PWG eingesetzt wurde und die Absprachen zwischen den Herstellern sich intensivierten und wirksamer zu werden begannen".

124 Zur Stützung ihres Einwands hinsichtlich des Beginns der Preisabstimmung zieht die Klägerin die Beweiskraft der Anlagen 61 und 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte sowie des Dokuments A-17-2 in Zweifel.

125 Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte ist eine beim Verkaufsagenten von Mayr-Melnhof im Vereinigten Königreich gefundene Notiz. Nach Ansicht der Kommission handelt es sich um eine "interne Notiz über eine Präsidentenkonferenz", die eine "Bestätigung für die Aussage von Stora, daß in der Präsidentenkonferenz tatsächlich über Preisabsprachen geredet wurde, liefert" (Randnrn. 41 Absatz 3 und 75 Absatz 2 der Entscheidung).

126 Dieses Schriftstück, das sich auf eine Sitzung in Wien am 12. und 13. Dezember 1986 bezieht, enthält folgende Angaben:

"Preisfestsetzung VK

An der letzten FIDES-Sitzung nahm der Vertreter von Weig teil, der erklärte, daß sie 9 % für das VK für zu hoch halten und sich mit 7 % zufriedengeben!! Grosse Enttäuschung, da dies eine "Verhandlungsmarge" für alle anderen signalisiert. Die Preispolitik im VK bleibt RHU mit Unterstützung durch [Mayr-Melnhof] überlassen, selbst wenn dies eine vorübergehende Verringerung der Tonnage bedeutet, während wir versuchen (und dies auch deutlich machen), auf 9 % zu kommen. [Mayr-Melnhof/FS] behalten eine Wachstumspolitik im VK bei, aber der Rückgang der Erträge ist ernst, und wir müssen kämpfen, um die Kontrolle über die Preisfestsetzung zurückzugewinnen. [Mayr-Melnhof] räumt ein, daß es nicht hilfreich ist, daß sie bekanntermassen ihre Tonnage in Deutschland um 6 000 erhöht haben!"

127 Bei der "FIDES-Sitzung", auf die am Anfang des Zitats Bezug genommen wird, handelt es sich nach Angaben von Mayr-Melnhof (Antwort auf ein Auskunftsverlangen, Anlage 62 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) wahrscheinlich um das Treffen der PK am 10. November 1986.

128 Das analysierte Schriftstück zeigt, daß Weig mit Angaben über ihre künftige Preispolitik im Vereinigten Königreich auf das ursprüngliche Ausmaß einer Preiserhöhung reagierte.

129 Es kann jedoch nicht als Beweis dafür angesehen werden, daß Weig auf ein bestimmtes Ausmaß einer Preiserhöhung reagierte, das zwischen den der PG Karton angehörenden Unternehmen vor dem 10. November 1986 vereinbart worden war.

130 Die Kommission beruft sich nämlich insoweit auf kein anderes Beweismittel. Ausserdem kann die Bezugnahme von Weig auf eine Preiserhöhung um "9 %" damit zu erklären sein, daß Thames Board Ltd am 5. November 1986 eine Preiserhöhung im Vereinigten Königreich ankündigte (Anlage A-12-1). Diese Ankündigung wurde innerhalb kurzer Zeit publik gemacht, wie aus einem Pressebericht hervorgeht (Anlage A-12-3). Schließlich hat die Kommission kein anderes Schriftstück vorgelegt, das einen unmittelbaren Beweis dafür darstellen könnte, daß die Preiserhöhungen auf Sitzungen der PK erörtert wurden. Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, daß die in Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegebenen Äusserungen von Weig am Rand der Sitzung der PK vom 10. November 1986 fielen, wie Weig in der mündlichen Verhandlung wiederholt geltend gemacht hat.

131 Im übrigen bestätigt die von der Kommission in der Entscheidung (Randnr. 74 Absatz 3) herangezogene Niederschrift einer Vorstandssitzung von Feldmühle (UK) Ltd am 7. November 1986 (Anlage A-17-2) lediglich, daß dieser britischen Tochtergesellschaft von Feldmühle die Ankündigung einer Preiserhöhung um etwa 9 % durch Thames Board Ltd vor dem 10. November 1986 bekannt war: "TBM and the Fins have announced price increases of approximately 9 % to be effective from February 1987 and it would appear that most other mills will be looking for the same sort of increase" ["TBM und die Finnen haben Preiserhöhungen von annähernd 9 % für Februar 1987 angekündigt. Die meisten anderen Werke erwägen offensichtlich eine Preisanhebung im gleichen Umfang."] (Anlage A-17-2, zitiert von der Kommission in Randnr. 74 der Entscheidung).

132 In bezug auf Anlage 44 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, eine handschriftliche Eintragung im Terminkalender eines Angestellten von Feldmühle auf den Seiten für den 15. bis 17. Januar 1987, vertritt die Kommission die Auffassung, daß sie einen "weiteren Beweis für eine Absprache" darstelle (Randnr. 75 Absatz 3 der Entscheidung).

133 Diese Eintragung hat jedoch nicht den ihr von der Kommission beigemessenen Beweiswert. Aus ihr geht nicht hervor, welche Sitzung darin protokolliert wird, so daß nicht auszuschließen ist, daß es sich um eine interne Sitzung des Unternehmens Feldmühle handelte. Da die Eintragung vermutlich Mitte Januar 1987 vorgenommen wurde, beweist sie ausserdem nicht, daß die Durchsetzung der Preiserhöhung, "incl. TBM", das Ergebnis einer Abstimmung war, da diese Angabe eine blosse Feststellung sein kann.

134 Einige Angaben in der Eintragung sprechen sogar gegen die Behauptung der Kommission, daß diese Eintragung das Vorliegen einer Absprache über die Entscheidung belege, die Preise im Vereinigten Königreich anzuheben. Insbesondere kann die Bemerkung, daß der Direktor von Feldmühle "Skepsis" gegenüber Kopparfors gezeigt und Mayr-Melnhof beschuldigt habe, "ohne Verantwortung" zu handeln, nicht als Stütze für die These der Kommission angesehen werden. Gleiches gilt für die Bemerkung: "Finnboard: Preisautonomie auch f. Tako".

135 Nach alledem hat die Kommission nicht nachgewiesen, daß sich die Unternehmen über die Erhöhung der Preise im Vereinigten Königreich im Januar 1987 verständigt haben, und erst recht nicht, daß die Klägerin an Erörterungen dieser Frage beteiligt war.

136 Dennoch ist die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Unternehmen, das - wie sie selbst eingeräumt hat - seit der Schaffung des PWG Mitte 1986 an den Sitzungen dieses Gremiums der PG Karton teilnahm, für eine Preisabsprache ab diesem Zeitpunkt zur Verantwortung zu ziehen.

137 Der PWG wurde nämlich von einigen Unternehmen, zu denen die Klägerin gehörte, mit im wesentlichen wettbewerbsfeindlicher Absicht geschaffen. Wie Stora erläutert hat (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 8), trat der PWG "ab 1986 zusammen, um bei der Einführung von Marktdisziplin zu helfen", und sein Zweck bestand u. a. in der "Erörterung und Abstimmung hinsichtlich der Märkte, Marktanteile, Preise, Preiserhöhungen und Kapazitäten" (Anlage 35 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 5 iii).

138 Die Rolle der in diesem Gremium vertretenen Unternehmen bei den Absprachen über die Marktanteile und die Abstellzeiten ist im vorangegangenen Klagegrund beschrieben worden (siehe oben, Randnrn. 78 bis 106). Die in diesem Gremium vertretenen Unternehmen haben auch Preisinitiativen erörtert. Nach Angaben von Stora (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 10) gelangte der PWG ab 1987 "zu einer Einigung und traf umfassende Beschlüsse sowohl über den Zeitplan... als auch über die Höhe der von den Kartonherstellern vorzunehmenden Preiserhöhungen".

139 Die Bereitschaft zur Schaffung eines Gremiums, dessen wettbewerbsfeindlicher Zweck, der u. a. in der Erörterung künftiger Preiserhöhungen bestand, den Unternehmen bei seiner Gründung bekannt war und von ihnen gebilligt wurde, und zur Teilnahme an den Sitzungen dieses Gremiums stellt somit einen hinreichenden Grund für die Annahme dar, daß die Klägerin für eine Preisabsprache ab Mitte 1986 - dem Zeitpunkt, ab dem die Klägerin eine Beteiligung am PWG eingeräumt hat - verantwortlich ist.

140 Als Zeitpunkt der Beendigung der Preisabstimmung hat die Kommission zu Recht April 1991 angesehen, den Monat, in dem Beamte der Kommission in den Geschäftsräumen verschiedener Unternehmen Nachprüfungen gemäß Artikel 14 der Verordnung Nr. 17 vornahmen. Die letzte, von der Klägerin im Oktober 1990 angekündigte abgestimmte Preiserhöhung wurde nämlich ab Januar 1991 durchgeführt, und die von den Unternehmen vereinbarte Höhe der Listenpreise hatte sich im April 1991 noch nicht geändert.

141 Folglich ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission hinsichtlich der Dauer des Kartells zum Einfrieren der Marktanteile und zur Angebotskontrolle

Vorbringen der Parteien

142 Die Klägerin trägt vor, selbst wenn ein Kartell zum Einfrieren der Marktanteile und zur Angebotskontrolle als erwiesen angesehen würde, habe die Kommission einen Fehler bei der Beurteilung seiner Dauer gemacht, da die von ihr angeführten Beweismittel zeigten, daß vor Ende 1988 kein Kartell bestanden habe. In ihrer Erwiderung fügt sie hinzu, der eine Sitzung des NPI am 3. Oktober 1988 betreffende Vermerk von Rena in Anlage 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte belege, daß es bei seiner Abfassung kein solches Kartell gegeben habe, denn der Verfasser erwähne dort nur die Möglichkeit der Prüfung einer Kontrolle des Angebots für den Fall, daß es Schwierigkeiten bei den Preisen gebe.

143 Die Kommission verweist auf ihr Vorbringen im Rahmen des Klagegrundes eines Fehlers hinsichtlich der Dauer der Preisabstimmung (siehe oben, Randnr. 121).

Würdigung durch das Gericht

144 Wie das Gericht bereits festgestellt hat (siehe oben, Randnrn. 78 bis 106), hat die Kommission nachgewiesen, daß die im PWG vertretenen Unternehmen zum einen an einer Absprache über die Marktanteile und zum anderen an einer Absprache über die Abstellzeiten teilnahmen.

145 Aus der Entscheidung geht hervor, daß die Teilnehmer an den Sitzungen des PWG Ende 1987 mit der speziellen Erörterung des "Einfrierens" der Marktanteile und der Prüfung der Abstellzeiten begannen, um den Erfolg der ab 1988 ergriffenen Preisinitiativen sicherzustellen (vgl. insbesondere die Randnrn. 51 bis 60). Hierzu heisst es in der Entscheidung: "Alle Mitglieder des PWG setzten sich dafür ein, daß die neuen Preisinitiativen nicht durch spürbare Erhöhungen in den Verkaufsmengen unterlaufen wurden. Diese Politik wurde von Stora mit der Formel "Preis vor Menge" bezeichnet" (Randnr. 51 Absatz 1). Die Kommission kam ferner zu dem Schluß, daß die für die PG Karton von Ende 1987 bis April 1991 charakteristische "Preis-vor-Menge"-Politik u. a. durch das ""Einfrieren" der Marktanteile der führenden Hersteller, ursprünglich auf der Grundlage der 1987 erreichten Positionen", und die "Koordinierung der "Abstellzeiten" durch die führenden Hersteller anstelle einer Reduzierung der Preise (hauptsächlich ab 1990)" gekennzeichnet gewesen sei (Randnr. 130 Absatz 2).

146 Diese Behauptungen der Kommission stützen sich im wesentlichen auf die Anlagen 39 und 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte.

147 In dem Schriftstück in Anlage 39 (Punkt 5) führt Stora aus: "Verbunden mit der Preisinitiative von 1987 war das Erfordernis, ein annäherndes Gleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch aufrechtzuerhalten (Preis-vor-Menge-Politik)."

148 Hinsichtlich des Beginns der Absprache über die Marktanteile geht aus Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor (siehe oben, Randnr. 89), daß der "Präsidentenkreis" beschlossen hatte, ab Oktober oder November 1987 enger zusammenzuarbeiten. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit war eine Absprache über die Marktanteile ab diesem Zeitpunkt.

149 Hinsichtlich des Beginns der Absprache über die Abstellzeiten führt Stora aus: "Mit der Einführung der Preis-vor-Menge-Politik durch den PWG und der allmählichen Anwendung eines einheitlichen Preissystems ab 1988 erkannten die Mitglieder des PWG an, daß Abstellzeiten erforderlich sein würden, um diese Preise angesichts geringerer Nachfragesteigerung zu halten. Ohne Abstellzeiten hätten die Hersteller vereinbarte Preisniveaus angesichts zunehmender Überkapazität nicht halten können" (Anlage 39, Punkt 24).

150 Sie fügt hinzu: "1988 und 1989 konnte die Industrie mit nahezu voller Kapazität arbeiten. Abstellzeiten neben der normalen Schließung wegen Reparaturen und Feiertagen wurden ab 1990 erforderlich... Schließlich waren Abstellzeiten nötig, wenn der Auftragseingang stockte, um die Preis-vor-Menge-Politik aufrechtzuerhalten" (Anlage 39, Punkt 25).

151 Damit hat die Kommission nachgewiesen, daß die an den Sitzungen des PWG teilnehmenden Unternehmen Ende 1987 eine "Preis-vor-Menge"-Politik einführten und daß einer der Aspekte dieser Politik - eine Absprache über die Marktanteile - mit sofortiger Wirkung angewandt wurde, während der die Abstellzeiten betreffende Aspekt erst ab 1990 tatsächlich angewandt werden musste.

152 Nach alledem ist der Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission bei der Beurteilung des Informationsaustauschsystems der FIDES

153 In ihrer Erwiderung macht die Klägerin geltend, das Informationsaustauschsystem der FIDES sei nicht zur Förderung aufeinander abgestimmten Verhaltens geeignet gewesen und verstosse daher nicht gegen Artikel 85 des Vertrages. Es gebe erhebliche Unterschiede zwischen dem vorliegenden Sachverhalt und dem, der zur Entscheidung 87/1/EWG der Kommission vom 2. Dezember 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag (IV/31.128 - Fettsäuren, ABl. 1987, L 3, S. 17) geführt habe, auf die sich die Kommission in Randnummer 134 der Entscheidung berufe.

154 Die Kommission weist in ihrer Gegenerwiderung auf die Gründe hin, aus denen sie auf die genannte Fettsäuren-Entscheidung Bezug genommen habe. Sie trägt vor, im vorliegenden Fall habe das Informationsaustauschsystem das Kartell zumindest erleichtert.

155 Nach Artikel 48 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0334.1

156 Der Klagegrund eines Fehlers der Kommission bei der Beurteilung des Informationsaustauschsystems der FIDES ist von der Klägerin erstmals in der Erwiderung geltend gemacht worden und wird nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

157 Folglich ist dieser Klagegrund unzulässig.

Zum Klagegrund eines Fehlers der Kommission, der darin bestehen soll, daß sie eine einheitliche und globale Zuwiderhandlung angenommen und die Klägerin dafür in vollem Umfang verantwortlich gemacht habe

Vorbringen der Parteien

158 Die Klägerin wendet sich gegen die Vorgehensweise der Kommission, die zum einen vom Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung und zum anderen von der vollen Verantwortlichkeit der Klägerin ausgegangen sei.

159 Erstens habe sich die Kommission im wesentlichen auf eine "Schuldvermutung" gestützt, da sie nicht über unmittelbare Beweise für ein umfassendes Kartell verfüge. Die Kommission müsse jedoch nachweisen, ob und, wenn ja, in welchem Umfang die Klägerin an jedem einzelnen Bestandteil einer einheitlichen Zuwiderhandlung mitgewirkt habe. Bei Zuwiderhandlungen gegen das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht gelte der Grundsatz rein individueller Verantwortlichkeit, da der Gedanke einer kollektiven Verantwortlichkeit namentlich mit dem quasi-strafrechtlichen Charakter der Sanktionen unvereinbar sei, die wegen solcher Zuwiderhandlungen verhängt werden könnten. Folglich mache die Kommission zu Unrecht geltend, daß die aktive Beteiligung der Klägerin an jedem einzelnen Bestandteil der Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen zu werden brauche. Es sei vielmehr erforderlich, sowohl das genaue Wesen der begangenen Zuwiderhandlung zu ermitteln als auch die individuelle Beteiligung jedes Unternehmens zu prüfen, um die individuelle Verantwortlichkeit und somit die angemessene individuelle Sanktion richtig bestimmen zu können.

160 Zweitens verstosse es auch gegen die tragenden Grundsätze des Gemeinschaftsrechts und insbesondere den Grundsatz der Beweislastverteilung, wenn die individuelle Verantwortlichkeit eines Unternehmens für eine Zuwiderhandlung auf seine blosse Zugehörigkeit zu einem Verband gestützt werde, der zumindest teilweise rechtmässige Tätigkeiten ausübe.

161 Drittens habe die Kommission die besondere Stellung der Klägerin auf dem Markt sowie in der PG Karton nicht gebührend berücksichtigt. Die Klägerin habe sich 1986 vor allem deshalb bemüht, in den Kreis der Teilnehmer an den Treffen der PG Karton aufgenommen zu werden, um sich gegen ihre Konkurrenten besser zur Wehr setzen zu können.

162 Die Kommission trägt vor, sie habe nachgewiesen, daß das Kartell bestanden und daß die Klägerin als führende Kraft aktiv an ihm mitgewirkt habe. Sie habe ihre Analyse folglich auf präzise und gut untermauerte Tatsachen gestützt, und die aus einer "kollektiven Verantwortlichkeit" oder einer "Schuldvermutung" abgeleiteten Argumente der Klägerin entbehrten der Grundlage.

163 Im übrigen habe sie die Verantwortlichkeit der Klägerin keineswegs nur aus ihrer Eigenschaft als Mitglied der PG Karton abgeleitet. In Wirklichkeit habe sie sich zum einen auf die aktive Teilnahme der Klägerin an den Sitzungen der verschiedenen Ausschüsse der PG Karton mit wettbewerbswidrigem Ziel und zum anderen auf die Tatsache gestützt, daß sich die Klägerin letztlich die auf diesen Sitzungen vereinbarten Verhaltensweisen zu eigen gemacht habe.

Würdigung durch das Gericht

164 Nach den Feststellungen der Kommission hat die Klägerin gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen, indem sie sich von Mitte 1986 bis mindestens April 1991 an einer seit Mitte 1986 bestehenden Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise mit mehreren Bestandteilen beteiligte.

165 In Randnummer 116 Absatz 3 der Entscheidung heisst es: "Das Belastende des Verstosses liegt in einem mehrere Jahre dauernden Zusammengehen der Hersteller bei einem gemeinsamen gesetzwidrigen Vorhaben nach einem gemeinsamen Plan." Diese Sichtweise der Zuwiderhandlung kommt auch in Randnummer 128 zum Ausdruck: "Es wäre jedoch ein künstliches Unterfangen, wollte man eindeutig kontinuierliches gemeinsames Vorgehen mit ein und demselben Gesamtziel in verschiedene getrennte Verstösse unterteilen; siehe das bereits zitierte Urteil des Gerichts erster Instanz in der Rechtssache T-13/89, Imperial Chemical Industries gegen Kommission, Entscheidungsgrund 260."

166 Auch wenn die Kommission in der Entscheidung nicht ausdrücklich auf den Begriff "einheitliche Zuwiderhandlung" zurückgegriffen hat, hat sie sich somit implizit auf diesen Begriff bezogen, wie die Verweisung auf Randnummer 260 des Urteils des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-13/89 (ICI/Kommission, Slg. 1992, II-1021) belegt.

167 Ausserdem kommt in der wiederholten Verwendung des Wortes "Kartell" zur Erfassung der verschiedenen festgestellten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen eine globalisierende Sichtweise der Verstösse gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zum Ausdruck. Wie sich aus Randnummer 117 der Entscheidung ergibt, vertritt die Kommission nämlich folgende Ansicht: "Das richtige Vorgehen besteht in einem Fall wie dem vorliegenden darin, zuerst das Vorliegen und das Funktionieren sowie die herausragenden Merkmale des Kartells als Ganzes zu ermitteln und dann zu bestimmen, a) ob es glaubwürdige und überzeugende Nachweise gibt, um jeden einzelnen Hersteller mit dem gemeinsamen Plan in Verbindung zu bringen, und b) für welche Zeit jeder Hersteller teilnahm..." Sie fügt hinzu (ebenfalls Randnr. 117): "Die Kommission... ist nicht gehalten, die verschiedenen Verstoßbestandteile aufzuspalten, indem jede einzelne Gelegenheit während der Existenz des Kartells, bei der ein Konsens über die eine oder andere Frage erzielt wurde, oder jedes einzelne Beispiel eines abgesprochenen Verhaltens identifiziert und dann ein nicht durch direkten Beweis der Teilnahme überführter Hersteller von der Teilnahme bei dieser Gelegenheit oder an dieser speziellen Erscheinungsform des Kartells freigesprochen würden." Ferner führt sie aus (Randnr. 118): "Es gibt genügend unmittelbare Beweise für die Beteiligung jedes vermuteten Teilnehmers an dem Verstoß." Dabei differenziert sie nicht nach den Bestandteilen dieses globalen Verstosses.

168 Nach der Konzeption der Kommission entspricht die einheitliche Zuwiderhandlung somit dem "Kartell als Ganzes" oder dem "Gesamtkartell" und ist durch ein kontinuierliches Verhalten mehrerer Unternehmen zur Verfolgung eines gemeinsamen rechtswidrigen Zieles gekennzeichnet. Aus dieser Konzeption der einheitlichen Zuwiderhandlung ergeben sich das in Randnummer 117 der Entscheidung beschriebene System der Beweisführung sowie eine einheitliche Verantwortlichkeit in dem Sinn, daß jedes mit dem Gesamtkartell "verbundene" Unternehmen für das Kartell zur Verantwortung gezogen wird, unabhängig davon, an welchen Bestandteilen es nachweislich teilgenommen hat.

169 Die Kommission kann jedoch alle Unternehmen, an die sich eine Entscheidung der vorliegenden Art richtet, nur dann als während eines bestimmten Zeitraums für ein Gesamtkartell verantwortlich ansehen, wenn sie nachweist, daß jedes von ihnen entweder der Aufstellung eines Gesamtplans zugestimmt hat, der die Bestandteile des Kartells umfasst, oder während dieses Zeitraums an all seinen Bestandteilen unmittelbar mitgewirkt hat. Ein Unternehmen kann ferner auch dann, wenn feststeht, daß es nur an einem oder mehreren Bestandteilen dieses Kartells unmittelbar mitgewirkt hat, für ein Gesamtkartell zur Verantwortung gezogen werden, sofern es wusste oder zwangsläufig wissen musste, daß die Absprache, an der es sich beteiligte, Teil eines Gesamtplans war und daß sich dieser Gesamtplan auf sämtliche Bestandteile des Kartells erstreckte. In diesem Fall kann die Tatsache, daß das betreffende Unternehmen nicht an allen Bestandteilen des Gesamtkartells unmittelbar mitgewirkt hat, es nicht von der Verantwortung für die Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages befreien. Ein solcher Umstand kann jedoch bei der Beurteilung der Schwere der ihm zur Last gelegten Zuwiderhandlung berücksichtigt werden.

170 Im vorliegenden Fall geht aus der Entscheidung hervor, daß die in ihrem Artikel 1 festgestellte Zuwiderhandlung in Absprachen besteht, die sich auf drei verschiedene Gegenstände bezogen, mit denen aber ein gemeinsames Ziel verfolgt wurde; diese Absprachen sind als die Bestandteile des Gesamtkartells anzusehen. Artikel 1 ist nämlich zu entnehmen, daß alle dort genannten Unternehmen gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen haben, indem sie sich an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligten, durch die sie a) sich über regelmässige Preiserhöhungen für jede Kartonsorte in jeder Landeswährung verständigten und diese Preiserhöhungen planten und durchführten, b) sich vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen über die Aufrechterhaltung konstanter Marktanteile der führenden Hersteller verständigten und c) in zunehmendem Masse ab Anfang 1990 abgestimmte Maßnahmen zur Kontrolle des Kartonangebots in der Gemeinschaft trafen, um die Durchsetzung der abgestimmten Preiserhöhungen sicherzustellen.

171 In ihrer Entscheidung hat die Kommission trotz ihrer Konzeption der einheitlichen Zuwiderhandlung folgendes ausgeführt: "Die "Kerndokumente", die die Existenz des Gesamtkartells oder einzelne Aspekte des Kartells beweisen, identifizieren häufig die Teilnehmer auch namentlich; daneben gibt es ausreichende zusätzliche Beweise für die Rolle jedes Herstellers in dem Kartell und für das Ausmaß seiner Mitwirkung" (Randnr. 118 Absatz 1 der Entscheidung).

172 Das Gericht hat somit im Licht der vorstehenden Erwägungen zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, daß die Klägerin in dem in Artikel 1 der Entscheidung in bezug auf sie festgestellten Umfang am Kartell mitgewirkt hat.

173 Hierzu ist bereits festgestellt worden (siehe oben, Randnrn. 48 ff. und Randnrn. 76 ff.), daß die Kommission nachgewiesen hat, daß die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Unternehmen, das seit der Schaffung des PWG an dessen Sitzungen teilnahm, seit Mitte 1986 an einer Preisabsprache und ab Ende 1987 an einer Absprache über die Marktanteile sowie an einer Absprache über die Abstellzeiten, d. h. an den drei in Artikel 1 der Entscheidung genannten Bestandteilen der Zuwiderhandlung, mitwirkte. Sie hat daher zu Recht entschieden, die Klägerin für eine aus den drei Absprachen mit gleichem Ziel bestehende Zuwiderhandlung zur Verantwortung zu ziehen.

174 Die Kommission hat der Klägerin folglich nicht die Verantwortung für das Verhalten anderer Hersteller auferlegt und ihre Verantwortung nicht allein aus ihrer Beteiligung an der PG Karton abgeleitet.

175 Ohne daß die übrigen von der Klägerin vorgetragenen Argumente geprüft zu werden brauchen, ist der Klagegrund somit zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der mangelnden Berücksichtigung der Lage auf dem spanischen Markt durch die Kommission

176 In ihrer Erwiderung trägt die Klägerin vor, die Kommission habe den geographischen Markt, auf dem die Zuwiderhandlung stattgefunden haben solle, nicht genau definiert und insbesondere die Lage auf dem spanischen Markt und das dortige Marktverhalten der betroffenen Unternehmen nicht hinreichend geprüft. Sie habe bereits in ihrer Klageschrift darauf hingewiesen, daß die einzige Bezugnahme auf den spanischen Markt in der Entscheidung in zwei Fußnoten zu den der Entscheidung beigefügten Tabellen E und G bestehe.

177 Die Kommission macht geltend, daß dieser erstmals in der Erwiderung vorgebrachte Klagegrund unzulässig sei.

178 Nach Artikel 48 § 2 Absatz 1 der Verfahrensordnung können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, daß sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

179 Der Klagegrund der mangelnden Berücksichtigung der Lage auf dem spanischen Markt durch die Kommission ist von der Klägerin erstmals in der Erwiderung vorgebracht worden. Das einzige Argument in der Klageschrift, das sich auf den spanischen Markt bezieht, dient nämlich zur Stützung des Klagegrundes der mangelnden Beteiligung von Prat Carton an der gerügten Zuwiderhandlung. Über den Wortlaut dieses Klagegrundes hinaus sollte mit dem zu seiner Stützung geltend gemachten Argument nur darauf hingewiesen werden, daß in der der Entscheidung beigefügten Tabelle G, in der die Ankündigungen einer im Januar 1991 auf dem spanischen Markt von den dort tätigen Herstellern vorgenommenen Preiserhöhung behandelt werden, Prat Carton nicht erwähnt wird. Es kann daher nicht als Rüge der mangelnden Berücksichtigung des spanischen Marktes ausgelegt werden.

180 Unter diesen Umständen ist der vorliegende Klagegrund für unzulässig zu erklären, da er erstmals in der Erwiderung geltend gemacht wurde und nicht auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt wird, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.

Zum Klagegrund einer mangelnden Beteiligung von Prat Carton an der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

181 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Beteiligung von Prat Carton an einer Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen. Insbesondere werde Prat Carton in der Fußnote zu der (eine Preiserhöhung auf dem spanischen Markt im Januar 1991 betreffenden) Tabelle G der Entscheidung nicht erwähnt.

182 Prat Carton habe nur ganz sporadisch an Sitzungen einiger Ausschüsse der PG Karton teilgenommen. Sie habe im übrigen am JMC nur von Juni 1990 bis März 1991 teilgenommen. Darüber hinaus stelle die blosse Tatsache, daß Stora erklärt habe, sie nehme an, daß die spanischen Hersteller im allgemeinen von Saffa oder Finnboard über die Ergebnisse der Sitzungen informiert worden seien (Anlage 38 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), keinen Beweis für eine Beteiligung von Prat Carton an der angeblichen Zuwiderhandlung dar.

183 Nach Ansicht der Klägerin enthalten die (der Mitteilung der Beschwerdepunkte beigefügten) Schriftstücke F-15-9, G-15-7 und G-15-8, auf die sich die Kommission berufen hat, keinen Beleg für die Beteiligung von Prat Carton an abgestimmten Preiserhöhungsinitiativen im April 1990. In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts weist sie darauf hin, daß das Schriftstück F-15-9 vom Februar 1991 stamme und nicht, wie die Kommission behaupte, vom Februar 1990. Das Schriftstück G-15-7 liefere nur den Beweis dafür, daß es in der Branche üblich gewesen sei, die jährlichen Preiserhöhungen im April vorzunehmen, sowie dafür, daß bei Prat Carton über den Umfang der Erhöhung sowie den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens Unsicherheit bestanden habe.

184 Die Kommission trägt vor, Prat Carton habe von Anfang an am Kartell mitgewirkt, wie die mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegten Schriftstücke (die "Einzeldarstellung") belegten. Erstens habe Prat Carton zwischen dem 29. März 1986 und dem 28. November 1989 an zahlreichen Sitzungen der PK, zwischen Oktober 1988 und Oktober 1989 an drei Sitzungen der WK sowie zwischen Juni 1990 und dem 5. März 1991 an verschiedenen Sitzungen des JMC teilgenommen (vgl. die der Entscheidung beigefügten Tabellen 3 bis 7). Da sie somit unmittelbar an Sitzungen teilgenommen habe, in denen Entscheidungen über das Kartell getroffen worden seien, sei Prat Carton dafür verantwortlich (vgl. das Urteil Rhône-Poulenc/Kommission). Ausserdem gebe es keine offizielle Spur von der Teilnahme der einzelnen Unternehmen an den Sitzungen des JMC vor den Nachprüfungen der Kommission oder an den Sitzungen des PWG vor Februar 1990. Die blosse Tatsache, daß die von den Unternehmen vorgelegten Unterlagen keine genauen Angaben zur Anwesenheit von Prat Carton bei den einzelnen Sitzungen enthielten, beweise daher nicht, daß sie diesen Sitzungen nicht beigewohnt habe.

185 Zweitens sei Prat Carton nach der Aussage von Stora (Anlage 38 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) über das Ergebnis der Sitzungen des PWG informiert worden.

186 Drittens habe Prat Carton die in den verschiedenen Gremien der PG Karton im fraglichen Zeitraum vereinbarten Preisinitiativen umgesetzt. Geringe Unterschiede beim Zeitpunkt oder dem Betrag der von Prat Carton und den anderen Herstellern vorgenommenen Erhöhungen belegten nicht, daß Prat Carton nicht am Kartell mitgewirkt habe. Es treffe allerdings zu, daß das Schriftstück F-15-9 vom Februar 1991 und nicht vom Februar 1990 stamme und daß die Kommission deshalb keine Beweise für die tatsächliche Beteiligung von Prat Carton an Preiserhöhungsinitiativen vor Januar 1991 habe. Hinsichtlich der Preiserhöhungsinitiative vom Januar 1991 sei insbesondere auf das Schriftstück G-15-8 vom 26. September 1990 zu verweisen, in dem Prat Carton ausdrücklich erkläre, daß sie eine Preiserhöhung in allen Ländern im Januar 1991 plane.

Würdigung durch das Gericht

187 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Klägerin Prat Carton im Februar 1991 zu 100 % übernommen hat und daß sie ihre Verantwortung für die etwaige Beteiligung von Prat Carton an einem Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages nicht leugnet. Hierzu heisst es in Randnummer 154 der Entscheidung, daß die Klägerin mit der Übernahme von Prat Carton "auch für die Kartellteilnahme dieses spanischen Herstellers für die gesamte Dauer von dessen Kartellteilnahme verantwortlich [wird]". Überdies ist festzustellen, daß in Artikel 1 der Entscheidung allein die Klägerin für die gerügte Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen wird, auch soweit sie von Prat Carton begangen worden sein soll, und daß die Entscheidung an die Klägerin gerichtet ist, ohne daß Prat Carton erwähnt wird (Artikel 5 der Entscheidung).

188 Unter diesen Umständen - und da bereits festgestellt worden ist, daß die Kommission die Beteiligung der Klägerin selbst an der in Artikel 1 der Entscheidung beschriebenen Zuwiderhandlung nachgewiesen hat - kann der vorliegende Klagegrund, falls ihm zu folgen wäre, nicht die völlige oder teilweise Nichtigerklärung dieser Bestimmung rechtfertigen. Da die Klägerin Prat Carton erst im Februar 1991, d. h. zwei Monate vor dem Ende des von der Entscheidung erfassten Zeitraums der Zuwiderhandlung, übernommen hat, wäre jedoch eine Herabsetzung der Geldbusse gerechtfertigt, wenn sich herausstellen sollte, daß die Kommission die individuelle Beteiligung von Prat Carton an den Bestandteilen des Kartells vor Februar 1991 nicht nachgewiesen hat. Im übrigen wurden die in Artikel 3 der Entscheidung festgesetzten Geldbussen u. a. auf der Grundlage des von den einzelnen Unternehmen im Jahr 1990, in dem Prat Carton noch nicht zum Konzern der Klägerin gehörte, erzielten Umsatzes berechnet. Es ist deshalb sinnvoll, die geltend gemachten Argumente schon im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes zu prüfen.

189 Das Gericht wird zunächst prüfen, ob die Kommission die Beteiligung von Prat Carton an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für den Zeitraum von Mitte 1986 bis Juni 1990, als Prat Carton nach eigenem Bekunden mit der Teilnahme an den Sitzungen des JMC begann, nachgewiesen hat. Sodann wird das Gericht prüfen, ob die Kommission die Beteiligung von Prat Carton an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages für den verbleibenden Zeitraum von Juni 1990 bis Februar 1991, als Prat Carton von der Klägerin übernommen wurde, nachgewiesen hat.

1. Zeitraum von Mitte 1986 bis Juni 1990

190 Zum Nachweis der Beteiligung von Prat Carton an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft im fraglichen Zeitraum stützt sich die Kommission auf die Teilnahme dieses Unternehmens an den Sitzungen der PK vom 29. Mai 1986, 25. Mai 1988, 17. November 1988 und 28. November 1989 sowie an den Sitzungen der WK vom 20. September 1988, 8. Mai 1989 und 3. Oktober 1989. Ausserdem stützt sie sich auf eine Aussage von Stora (Anlage 38 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Schließlich ist sie der Ansicht, die blosse Tatsache, daß die von den Unternehmen vorgelegten Unterlagen keine genauen Angaben zur Anwesenheit von Prat Carton bei den Sitzungen des JMC enthielten, beweise nicht, daß sie diesen Sitzungen nicht beigewohnt habe.

191 Diese Beweismittel sind in der genannten Reihenfolge zu prüfen.

a) Teilnahme von Prat Carton an bestimmten Sitzungen der PK

192 Die Kommission legt keinen Beweis für den Gegenstand der vier Sitzungen der PK vor, an denen Prat Carton teilgenommen hat. Wenn sie diese Teilnahme als Beweis für die Beteiligung des Unternehmens an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages heranzieht, stützt sie sich daher zwangsläufig auf die in der Entscheidung enthaltene allgemeine Beschreibung des Gegenstands der Sitzungen dieses Gremiums sowie auf die in der Entscheidung zur Untermauerung dieser Beschreibung angeführten Beweismittel.

193 Hierzu heisst es in der Entscheidung: "Wie Stora erläuterte, gehörte es zu den Aufgaben des PWG, der Präsidentenkonferenz zu erklären, welche Maßnahmen erforderlich waren, um den Markt in Ordnung zu bringen... Auf diese Weise wurden die an den Sitzungen der Präsidentenkonferenz teilnehmenden Direktoren über die Beschlüsse des PWG und die Anweisungen, die ihren Vertriebsabteilungen zwecks Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen zu erteilen waren, unterrichtet" (Randnr. 41 Absatz 1). Ferner heisst es dort: "Der PWG tagte regelmässig vor den anberaumten Präsidentenkonferenzen, und da die gleiche Person den Vorsitz auf beiden Treffen führte, besteht kein Zweifel, daß sie die Ergebnisse der PWG-Sitzung anderen sogenannten "Präsidenten", die nicht Mitglied des inneren Kreises waren, mitteilte" (Randnr. 38 Absatz 2).

194 Stora gibt an, daß die Teilnehmer an den Sitzungen der PK über die vom PWG getroffenen Beschlüsse informiert worden seien (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 8). Die Richtigkeit dieser Behauptung wird jedoch von mehreren Unternehmen, die an den Sitzungen der PK teilnahmen, in Abrede gestellt; zu ihnen gehört die Klägerin. Folglich können die Aussagen von Stora zur Rolle der PK ohne Untermauerung durch andere Beweismittel nicht als hinreichender Beleg für den Gegenstand der Sitzungen dieses Gremiums angesehen werden.

195 Die Akten enthalten zwar ein Schriftstück, nämlich eine Erklärung eines früheren Vorstandsmitglieds von Feldmühle (Herrn Roos) vom 22. März 1993, das auf den ersten Blick die Angaben von Stora bestätigt. Herr Roos führt u. a. aus: "Der Inhalt der in der Presidents' Working Group geführten Gespräche wurde an in dieser Gruppe nicht vertretene Unternehmen in der darauffolgenden Präsidentenkonferenz oder, wenn keine Präsidentenkonferenz anschließend stattfand, über das Joint Marketing Committee übermittelt." Unabhängig davon, daß dieses Schriftstück in der Entscheidung nicht ausdrücklich zur Stützung der Behauptungen der Kommission zum Gegenstand der Sitzungen der PK herangezogen wird, kann es jedenfalls nicht als zusätzlicher Beweis angesehen werden, der zu den Aussagen von Stora hinzukommt. Da diese Aussagen nämlich eine Zusammenfassung der Antworten aller drei Unternehmen darstellen, die Stora während des Zeitraums der Zuwiderhandlung gehörten und zu denen Feldmühle zählt, war das frühere Vorstandsmitglied des letztgenannten Unternehmens zwangsläufig eine der Quellen der Aussagen von Stora selbst.

196 Hinsichtlich der übrigen Beweismittel für den Gegenstand der Sitzungen der PK vertritt die Kommission in der Entscheidung die Ansicht, daß Anlage 61 der Mitteilung der Beschwerdepunkte (oben erwähnt in den Randnrn. 125 und 126) eine interne Notiz über eine Sitzung der PK sei, die eine Bestätigung für die Aussage von Stora liefere, daß in der PK tatsächlich über Preisabsprachen geredet worden sei (Randnr. 41 Absatz 3 der Entscheidung). Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Randnrn. 125 bis 135), stellt diese Notiz jedoch keinen Beweis für eine Absprache über die Preisinitiative vom Januar 1987 im Vereinigten Königreich dar. Im übrigen hat Stora entgegen der Behauptung der Kommission nie eingeräumt, daß in der PK tatsächlich über Preisabsprachen debattiert wurde. Nach den Angaben von Stora boten die Sitzungen der PK den im PWG vertretenen Unternehmen lediglich die Gelegenheit, die getroffenen Entscheidungen den diesem Gremium nicht angehörenden Unternehmen mitzuteilen.

197 Schließlich behauptet die Kommission: "Schriftstücke, die die Kommission bei FS-Karton (zur M-M-Gruppe gehörend) vorfand, bestätigen, daß Ende 1987 im Rahmen der beiden Präsidentengremien eine Vereinbarung über die beiden miteinander verbundenen Fragen der Mengenkontrolle und der Preisdisziplin gefunden worden war" (Randnr. 53 Absatz 1 der Entscheidung). Sie nimmt insoweit auf Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte Bezug (siehe oben, Randnr. 88). Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Randnr. 91), verweist der Verfasser des Schriftstücks einleitend auf die engere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene im "Präsidentenkreis", wobei dieser Ausdruck von Mayr-Melnhof als gemeinsame Bezeichnung für PWG und PK in allgemeinem Zusammenhang, d. h. ohne Bezugnahme auf ein bestimmtes Ereignis oder Treffen, ausgelegt wird (Anlage 75 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 2.a).

198 Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte stellt zwar einen Beweis für die Richtigkeit der Aussagen von Stora zum Vorliegen einer Absprache der zum "Präsidentenkreis" gehörenden Unternehmen über die Marktanteile und einer Absprache dieser Unternehmen über die Abstellzeiten dar (siehe oben, Randnrn. 84 bis 114 und insbesondere Randnr. 110). Es gibt jedoch kein weiteres Beweismittel, das die Behauptung der Kommission bestätigt, wonach in der PK u. a. die Absprache über die Marktanteile und die Kontrolle der Produktionsmengen erörtert worden seien. Somit kann das in Anlage 73 der Mitteilung der Beschwerdepunkte verwendete Wort "Präsidentenkreis" trotz der Erläuterungen von Mayr-Melnhof nicht als Bezugnahme auf andere Gremien als den PWG ausgelegt werden.

199 Nach alledem hat die Kommission nicht nachgewiesen, daß die Sitzungen der PK neben den rechtmässigen Tätigkeiten einem wettbewerbsfeindlichen Zweck dienten. Folglich konnte sie aus den angeführten Beweismitteln nicht ableiten, daß sich die Unternehmen, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen, an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligt haben.

200 Folglich ist die Teilnahme von Prat Carton an vier Sitzungen der PK nicht zum Nachweis ihrer Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln im Zeitraum von Mitte 1986 bis Juni 1990 geeignet.

b) Teilnahme von Prat Carton an bestimmten Sitzungen der WK

201 Es steht fest, daß Prat Carton an drei Sitzungen der WK vom 20. September 1988, 8. Mai 1989 und 3. Oktober 1989 teilgenommen hat. Ausserdem wird in einem Schriftstück über den Inhalt der Sitzung vom 3. Oktober 1989 berichtet (Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). Daher ist zunächst zu prüfen, ob die Sitzungen der WK einen wettbewerbsfeindlichen Gegenstand hatten, und sodann, ob aus Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte abgeleitet werden kann, daß Prat Carton an Gesprächen mit wettbewerbsfeindlichem Gegenstand teilgenommen hat.

i) Allgemeiner Gegenstand der Sitzungen der WK

202 In der Entscheidung heisst es: ""Zentrales Thema" der Beratungen in der Wirtschaftlichen Kommission war die Analyse und Beurteilung der Marktlage in den einzelnen Ländern" (Randnr. 50 Absatz 1). Die WK "erörterte (unter anderem) die Preisentwicklung auf den nationalen Märkten und die Auftragslage und berichtete dem JMC (oder vor Ende 1987 dessen Vorgänger, dem "Marketing Committee") über die Ergebnisse ihrer Arbeit" (Randnr. 49 Absatz 1).

203 Nach Ansicht der Kommission waren die "Erörterungen über die Marktsituation... nicht ohne konkreten Zweck; die Gespräche über die Verfassung der einzelnen nationalen Märkte müssen im Kontext der geplanten Preisinitiativen einschließlich der Notwendigkeit zeitweiliger Abstellzeiten zur Abstützung der Preisanhebungen gesehen werden" (Randnr. 50 Absatz 1 der Entscheidung). Ausserdem meint die Kommission: "Die Wirtschaftliche Kommission war möglicherweise weniger direkt mit der Preisfestsetzung als solcher befasst, doch ist nicht glaubhaft, daß ihre Mitglieder nichts von dem gesetzwidrigen Zweck gewusst hätten, zu dem die Informationen, die sie dem JMC wissentlich überließen, benutzt wurden" (Randnr. 119 Absatz 2 der Entscheidung).

204 Zur Stützung ihrer Behauptung, daß die Gespräche in der WK einen wettbewerbsfeindlichen Zweck gehabt hätten, verweist die Kommission auf ein einziges Schriftstück, und zwar auf eine vertrauliche Notiz eines Vertreters von FS-Karton über die "Highlights" der Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989 (Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), an der Prat Carton teilnahm.

205 In der Entscheidung fasst die Kommission den Inhalt dieses Schriftstücks wie folgt zusammen:

"[N]eben einer detaillierten Übersicht über Nachfrage, Produktion und Auftragsbestand auf den einzelnen nationalen Märkten [wurde] folgendes erörtert...:

- deutlicher Widerstand der Abnehmer gegen die letzte Preiserhöhung für GC-Sorten zum 1. Oktober;

- jeweiliger Auftragsbestand der GC- und GD-Hersteller einschließlich individueller Positionen;

- Berichte über tatsächliche und geplante Abstellzeiten;

- die speziellen Probleme der Durchsetzung der Preiserhöhung im Vereinigten Königreich und deren Folgen für die notwendige Preisdifferenz zwischen GC- und GD-Sorten;

- Gegenüberstellung von tatsächlichen und vorgesehenen Auftragseingängen für jede nationale Gruppe" (Randnr. 50 Absatz 2).

206 Diese Beschreibung des Inhalts des Schriftstücks trifft im wesentlichen zu. Die Kommission führt jedoch kein Beweismittel zur Stützung ihrer Behauptung an, daß Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte "als Hinweis auf die tatsächliche Art der Beratungen dieses Gremiums gewertet werden" könne (Randnr. 113 letzter Absatz der Entscheidung). Ausserdem macht Stora folgende Angaben: "Das JMC wurde Ende 1987 geschaffen und trat Anfang 1988 erstmals zusammen; von da an übernahm es einen Teil der Funktionen der Wirtschaftlichen Kommission. Die übrigen Funktionen der Wirtschaftlichen Kommission wurden von der Statistischen Kommission übernommen" (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 13). Zumindest für die Zeit ab Anfang 1988 - den einzigen Zeitraum, in dem Prat Carton an Sitzungen der WK teilnahm - enthalten die Aussagen von Stora somit keinen Beleg für den von der Kommission geltend gemachten wettbewerbsfeindlichen Zweck der Beratungen dieses Gremiums. Schließlich führt die Kommission auch keine Beweismittel an, die den Schluß zulassen, daß die Teilnehmer an den Sitzungen der WK über das genaue Wesen der Sitzungen des JMC - des Gremiums, dem die WK berichtete - informiert waren. Es ist daher nicht auszuschließen, daß Teilnehmer an den Sitzungen der WK, die nicht zugleich an den Sitzungen des JMC teilnahmen, von der genauen Verwendung der von der WK erstellten Berichte durch das JMC nichts wussten.

207 Folglich ergibt sich aus Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht, welcher Natur die Erörterungen in den Sitzungen der WK wirklich waren.

ii) Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989

208 Der Inhalt der Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989 wird in Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte wiedergegeben. Es stellt sich die Frage, ob die Teilnahme von Prat Carton an dieser Sitzung einen hinreichenden Beweis für ihre Beteiligung an einem Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darstellt.

209 Erstens betrafen die Preisdiskussionen auf dieser Sitzung die Reaktionen der Kunden auf die Erhöhung der Preise für GC-Karton, die die meisten Hersteller dieser Kartonsorte mit Wirkung zum 1. Oktober 1989 vorgenommen hatten, nachdem sie dem Markt einige Monate zuvor angekündigt worden war. Nach den Angaben der Kommission betraf diese Preiserhöhung auch SBS-Karton, nicht aber GD-Karton. Die Diskussionen in der fraglichen Sitzung gingen nach Ansicht des Gerichts über das gemäß den Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft zulässige Maß hinaus, insbesondere soweit festgestellt wurde, daß es "nicht richtig [wäre], von dem jetzt etablierten wichtigen GC-Preisniveau abzurücken". Durch die damit erfolgte Äusserung des gemeinsamen Willens, das neue Preisniveau bei GC-Karton strikt durchzusetzen, haben die Hersteller nämlich nicht autonom bestimmt, welche Marktpolitik sie verfolgen wollen, und so gegen den Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrages verstossen (vgl. u. a. Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 173).

210 Nichts lässt jedoch den Schluß zu, daß Prat Carton an einer Absprache über die Preiserhöhung im Oktober 1989 vor deren Durchführung teilgenommen und zudem ihre Preise für GC-Karton damals tatsächlich erhöht hat. Insoweit geht aus den Antworten der Klägerin auf die schriftlichen Fragen des Gerichts hervor, daß Prat Carton 1989 zu über 80 % GD-Karton herstellte, der von der fraglichen Preiserhöhung nicht betroffen war. Ausserdem fand die Sitzung der WK vom Oktober 1989 etwa acht Monate vor der ersten nachgewiesenen Teilnahme von Prat Carton an einer Sitzung des JMC statt, das zu den Gremien gehörte, die der Entscheidung zufolge zusammen mit dem PWG den Rahmen bildeten, in dem die hauptsächlichen wettbewerbsfeindlichen Erörterungen stattfanden.

211 In Anbetracht dieser Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, daß dem oder den Vertreter(n) von Prat Carton bei der Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989 nicht bewusst war, in welchem Zusammenhang die Erörterungen über die Preise stattfanden. Zudem fehlen Beweise für ihr Preisverhalten auf dem Markt im fraglichen Zeitraum, so daß es möglich ist, daß Prat Carton der Meinung war, daß die Erörterungen ihre individuelle Situation nicht betrafen. Da der Inhalt der Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989 für Prat Carton Ausnahmecharakter gehabt haben mag, kann diesem Unternehmen folglich nicht vorgeworfen werden, sich vom Inhalt der Erörterungen auf dieser Sitzung nicht offen distanziert zu haben.

212 Zweitens enthält Anlage 70 der Mitteilung der Beschwerdepunkte keinen Beleg dafür, daß tatsächlich Erörterungen stattfanden, die zur Planung künftiger Abstellzeiten der Einrichtungen auf der Basis von Absprachen führten. Alle darin enthaltenen Bezugnahmen auf konkrete Abstellzeiten betreffen nämlich Daten aus der Vergangenheit. Das Schriftstück enthält zwar Ausführungen über die künftige Nutzung der Einrichtungen: "Bei anhaltend schlechtem Auftragseingang und schlechter Belegung ist es naheliegend, entsprechend dem Marktbedarf ein Abstellen zu überlegen." Da die Teilnahme von Prat Carton an der fraglichen Sitzung der WK aus den oben genannten Gründen nicht beweist, daß sie sich an einer Preisabsprache beteiligt hat, stellt sie jedoch auch keinen ausreichenden Beweis für ihre Beteiligung an einer Absprache über die Abstellzeiten dar. Die blosse Erwähnung der etwaigen Notwendigkeit künftiger Abstellzeiten kann nicht als Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft angesehen werden, da sie zumindest bei den Unternehmen, die nicht an einer Preisabsprache teilnahmen, nur die objektive Feststellung der bestehenden Marktbedingungen sein könnte.

213 Nach alledem stellt die Teilnahme von Prat Carton an der Sitzung der WK vom 3. Oktober 1989 keinen hinreichenden Beweis für ihre Beteiligung an einem Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages dar.

c) Die Aussage von Stora zur Übermittlung von Informationen an die Unternehmen, die den Sitzungen nicht beiwohnten

214 Stora macht in ihrer von der Kommission angeführten Aussage (Anlage 38 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, S. 2) Angaben zu den Herstellern, die über die Ergebnisse der Sitzungen des PWG informiert wurden: "Die Stora-Hersteller glauben, daß die spanischen Hersteller im allgemeinen von Saffa oder von Finnboard informiert wurden. Die anderen der PG Karton angehörenden Hersteller sind: Papelera del Centro SA, Prat Carton SA, Romani Esteve SA, Sarrió SA und Tampella Española SA."

215 Wie aus dem Wortlaut dieser Aussage klar hervorgeht, spricht Stora nur davon, daß die zu ihrem Konzern gehörenden Hersteller glaubten, daß Prat Carton über die Ergebnisse der Sitzungen des PWG informiert worden sei. Die Grundlage für diese Annahme wird im übrigen nicht genannt. Unter diesen Umständen kann die Aussage keinen Beweis für eine Beteiligung von Prat Carton an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darstellen. Diese Schlußfolgerung ist um so mehr geboten, als sich die Behauptungen von Stora auf mehrere andere Mitgliedsunternehmen der PG Karton erstrecken, denen in der Entscheidung keine Beteiligung an einer Zuwiderhandlung zur Last gelegt wurde.

d) Zur Teilnahme von Prat Carton an Sitzungen des JMC

216 Die Kommission trägt vor, es gebe keinen Beweis dafür, daß Prat Carton vor Juni 1989 nicht an Sitzungen des JMC teilgenommen habe, da es keine offizielle Spur von der Teilnahme der einzelnen Unternehmen an diesen Sitzungen vor den Nachprüfungen der Kommission gebe.

217 Die Beweislast für das Vorliegen einer Zuwiderhandlung von Prat Carton gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages trägt jedoch die Kommission. Ihre blossen Behauptungen in bezug auf die mögliche Teilnahme von Prat Carton an Sitzungen des JMC im fraglichen Zeitraum entbehren daher der Grundlage.

e) Ergebnis hinsichtlich des fraglichen Zeitraums

218 Nach alledem belegen die von der Kommission angeführten Beweismittel auch zusammen genommen nicht, daß sich Prat Carton in der Zeit von Mitte 1986 bis Juni 1990 an einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages beteiligte.

2. Zeitraum von Juni 1990 bis Februar 1991

219 Es steht fest, daß Prat Carton im betreffenden Zeitraum an drei Sitzungen des JMC teilnahm, und zwar an den Sitzungen vom 27./28. Juni 1990, vom 4. September 1990 und vom 8./9. Oktober 1990. Hinsichtlich des tatsächlichen Marktverhaltens von Prat Carton glaubt die Kommission über Beweise zu verfügen, die zeigten, daß sich dieses Unternehmen an der abgestimmten Preiserhöhung im Januar 1991, der einzigen abgestimmten Preiserhöhung in diesem Zeitraum, beteiligt habe.

220 Es ist zu prüfen, ob durch diese von der Kommission angeführten Beweise die Beteiligung von Prat Carton an den drei Bestandteilen der Zuwiderhandlung im fraglichen Zeitraum hinreichend nachgewiesen wird.

a) Zur Beteiligung von Prat Carton an einer Preisabsprache

221 Nach Ansicht der Kommission hatte das JMC von Anfang an folgende Hauptaufgabe:

"- zu ermitteln, ob sich Preiserhöhungen durchsetzen lassen, und falls ja, wie, und anschließend dem PWG Bericht zu erstatten;

- die vom PWG beschlossenen Preisinitiativen nach Ländern und wichtigsten Kunden im Detail auszuarbeiten, um zu einem einheitlichen Preissystem in Europa zu gelangen..." (Randnr. 44 Absatz 1 der Entscheidung).

222 Im einzelnen führt die Kommission in Randnummer 45 Absätze 1 und 2 der Entscheidung folgendes aus:

"[D]ieser Ausschuß [erörterte] für jeden einzelnen Markt, wie die vom PWG vereinbarten Preiserhöhungen von den Herstellern durchgesetzt werden sollten. Die praktischen Aspekte der Durchführung der vorgeschlagenen Preiserhöhungen wurden in "Round Table"-Gesprächen erörtert, wobei jeder Teilnehmer Gelegenheit erhielt, sich zu der vorgeschlagenen Preiserhöhung zu äussern.

Schwierigkeiten bei der Durchführung der vom PWG beschlossenen Preiserhöhungen oder gelegentliche Fälle von Verweigerung der Zusammenarbeit wurden dem PWG gemeldet, der dann (wie Stora es formulierte) "zu versuchen hatte, das erforderliche Maß an Zusammenarbeit zustande zu bringen". Das JMC erstellte stets gesonderte Berichte für GC- und für GD-Sorten. Änderte der PWG aufgrund der Berichte des JMC einen Preisfestsetzungsbeschluß, so waren die hierfür erforderlichen Schritte auf den nächsten JMC-Sitzungen zu erörtern."

223 Die Kommission verweist zur Stützung dieser Angaben zum Gegenstand der Sitzungen des JMC zu Recht auf die Aussagen von Stora (Anlagen 35 und 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

224 Ausserdem hat sie, auch wenn sie nicht über ein offizielles Protokoll einer Sitzung des JMC verfügt, von Mayr-Melnhof und Rena einige interne Aufzeichnungen über die Sitzungen vom 6. September 1989, 16. Oktober 1989 und 6. September 1990 erlangt (Anlagen 117, 109 und 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte). In diesen Aufzeichnungen, deren Inhalt in den Randnummern 80, 82 und 87 der Entscheidung beschrieben wird, werden die eingehenden Erörterungen wiedergegeben, die auf diesen Sitzungen über die abgestimmten Preisinitiativen stattfanden. Sie stellen somit Beweismittel dar, die die Beschreibung der Aufgaben des JMC durch Stora eindeutig bestätigen.

225 Insoweit genügt es, als Beispiel auf die von Rena erlangten Notizen über die Sitzung des JMC vom 6. September 1990 (Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) zu verweisen, in denen es u. a. heisst:

"Preiserhöhung wird nächste Woche im September angekündigt:

Frankreich 40 FF Niederlande 14 Deutschland 12 DM Italien 80 LIT Belgien 2,50 BFR Schweiz 9 FS England 40 UKL Irland 45 IRL

Alle Sorten sollten gleich heraufgesetzt werden: GD, UD, GT, GC usw.

Nur 1 Preiserhöhung pro Jahr. Für Lieferungen ab 7. Januar. Nicht später als 31. Januar. Schreiben vom 14. September mit Preiserhöhung (Mayr-Melnhof). 19. September. Brief von Feldmühle geht raus. Cascades vor Ende September. Alle Schreiben müssen vor dem 8. Oktober raus sein."

226 Wie die Kommission in den Randnummern 88 bis 90 der Entscheidung erläutert, konnte sie ferner interne Unterlagen sicherstellen, die den Schluß zuließen, daß die Unternehmen und insbesondere diejenigen, die in Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt worden seien, die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und vorgenommen hätten.

227 Auch wenn die von der Kommission angeführten Unterlagen nur eine kleine Zahl der Sitzungen des JMC in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum betreffen, bestätigen alle verfügbaren schriftlichen Beweise die Angabe von Stora, daß die Hauptaufgabe des JMC darin bestanden habe, die Durchführung der abgestimmten Preiserhöhungen festzulegen und zu planen. Insoweit ist das fast völlige Fehlen von offiziellen oder internen Protokollen der Sitzungen des JMC als hinreichender Beweis für die Behauptung der Kommission anzusehen, daß sich die an den Sitzungen teilnehmenden Unternehmen bemühten, die wahre Natur der Erörterungen in diesem Gremium zu verschleiern (vgl. u. a. Randnr. 45 der Entscheidung). Diese Umstände haben zu einer Umkehr der Beweislast geführt, und den Adressaten der Entscheidung, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilgenommen hatten, oblag der Nachweis, daß es ein rechtmässiges Ziel verfolgte. Da sie diesen Beweis nicht erbracht haben, hat die Kommission zu Recht angenommen, daß die von den Unternehmen bei den Sitzungen dieses Gremiums geführten Gespräche einen im wesentlichen wettbewerbsfeindlichen Zweck hatten.

228 Was die individuelle Situation von Prat Carton anbelangt, so ist ihre Teilnahme an drei Sitzungen des JMC in einem Zeitraum von etwa acht Monaten angesichts des Vorstehenden und trotz des Fehlens schriftlicher Beweise für die bei diesen drei Sitzungen geführten Gespräche als hinreichender Beleg für ihre Beteiligung an der Preisabsprache während dieses Zeitraums anzusehen.

229 Diese Feststellung wird durch die von der Kommission angeführten Unterlagen zum tatsächlichen Preisverhalten von Prat Carton bestätigt. Wie bereits dargelegt, wurde Anfang September 1990 eine Preiserhöhung für alle Kartonsorten beschlossen und von den verschiedenen Unternehmen im September oder Oktober 1990 angekündigt; dies ergibt sich aus der bereits genannten Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte. Die Erhöhung sollte in allen betroffenen Ländern im Januar 1991 in Kraft treten.

230 In einer von Prat Carton stammenden Fernkopie vom 26. September 1990 (Schriftstück G-15-8) heisst es u. a.:

"Wir beabsichtigen, die Preise in allen Ländern im Januar 1991 zu erhöhen.

Für Frankreich denken wir an eine Erhöhung um 400 FF/Tonne für alle Sorten."

231 Auch wenn in dieser Fernkopie der genaue Betrag der vorgesehenen Preiserhöhung nur für ein Land genannt wird, beweist sie, daß Prat Carton Preiserhöhungen ankündigte, die den Beschlüssen entsprachen, die gemäß Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte im JMC getroffen worden waren. Die in Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnten Erhöhungen beziehen sich nicht für alle in Rede stehenden Länder auf die gleichen Verkaufsmengen, und die für Frankreich angegebene Erhöhung um 40 FF betrifft den Preis pro 100 kg. Ferner geht aus den Schriftstücken F-15-9 und G-15-7, bei denen es sich um Fernkopien handelt, die Ende Februar/Anfang März 1991 zwischen Prat Carton und einem britischen Unternehmen gewechselt wurden, zwar unstreitig hervor, daß Prat Carton ihre Preise im Vereinigten Königreich letztlich erst im April 1991 erhöhte; ein solcher Aufschub der Vornahme der Preiserhöhung in einem der betroffenen Länder ist jedoch nicht geeignet, den Beweiswert des oben genannten Schriftstücks G-15-8 in bezug auf die Beteiligung von Prat Carton an der abgestimmten Preiserhöhung im Januar 1991 zu beeinträchtigen. Dies gilt um so mehr, als die von Prat Carton auf dem britischen Markt vorgenommene Preiserhöhung nach dem Schriftstück F-15-9 zwischen 35 und 45 UKL/t betrug und somit nahe bei dem in Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte angegebenen Betrag von 40 UKL lag.

232 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist das Gericht der Ansicht, daß die Kommission die Beteiligung von Prat Carton an der Preisabsprache für die Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 nachgewiesen hat.

b) Zur Beteiligung von Prat Carton an einer Absprache über die Abstellzeiten

233 Wie bereits festgestellt worden ist, hat die Kommission nachgewiesen, daß sich die bei den Sitzungen des PWG anwesenden Unternehmen ab Ende 1987 an einer Absprache über die Abstellzeiten der Einrichtungen beteiligt haben und daß es ab 1990 tatsächlich Abstellzeiten gab.

234 In der Entscheidung heisst es, auch die an den Sitzungen des JMC teilnehmenden Unternehmen hätten sich an dieser Absprache beteiligt.

235 Hierzu führt die Kommission u. a. folgendes aus:

"Neben den zusammengefassten Daten des FIDES-Systems pflegten die Hersteller auf den JMC-Sitzungen auch ihren individuellen Auftragsbestand offenzulegen.

Die Informationen über den Auftragsbestand (ausgedrückt in Produktionstagen) waren aus zweierlei Gründen wichtig:

- einmal für die Entscheidung darüber, ob abgestimmte Preisanhebungen vorgenommen werden können;

- zum anderen für die Entscheidung über notwendige Abstellzeiten zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage..." (Randnr. 69 Absätze 3 und 4 der Entscheidung).

236 Ferner stellt sie fest:

"Der PWG wies jedoch nicht formell jedem Hersteller seine "Abstellzeiten" zu. Laut Stora bestanden praktische Schwierigkeiten, einen koordinierten Plan für Abstellzeiten für alle Hersteller aufzustellen. Aus diesen Gründen bestand laut Stora nur "ein loses System der Ermutigung" (Zweite Aussage von Stora, S. 15).

Erneut dürften es die führenden Hersteller gewesen sein, die die Last der Ausstoß-Drosselung zur Absicherung des Preisniveaus auf ihre Schultern nahmen.

Die inoffiziellen Aufzeichnungen über zwei JMC-Sitzungen im Januar 1990 (siehe Randnummer 84) und im September 1990 (Randnummer 87) wie auch andere Dokumente (Randnummern 94 und 95) bestätigen jedoch, daß die grossen Hersteller ihre kleineren Wettbewerber in der PG Karton laufend über ihre Pläne unterrichteten, zusätzliche Abstellzeiten vorzusehen, um so einem Preisrückgang zuvorzukommen" (Randnr. 71 der Entscheidung).

237 Die Kommission nimmt zur Stützung ihrer Behauptung, daß der PWG nicht formell jedem Hersteller seine "Abstellzeiten" zugewiesen habe, daß aber insoweit dennoch "ein loses System der Ermutigung" bestanden habe, zu Recht auf die zweite Aussage von Stora Bezug (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 25).

238 Für die Unternehmen, die an den Sitzungen des JMC teilnahmen, bestätigen die schriftlichen Beweise, die diese Sitzungen betreffen (die bereits genannten Anlagen 109, 117 und 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte), daß die Gespräche über Abstellzeiten im Zusammenhang mit der Vorbereitung von abgestimmten Preiserhöhungen stattfanden. Wie bereits festgestellt (siehe oben, Randnr. 104), wird in Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte der Auftragsbestand mehrerer Hersteller aufgeführt und darauf hingewiesen, daß einige Hersteller Abstellzeiten vorsähen. Ausserdem zeigen die Anlagen 109 und 117 der Mitteilung der Beschwerdepunkte - obwohl sie keine unmittelbaren Angaben zu den vorgesehenen Abstellzeiten enthalten -, daß die Auftragsbestände und die Auftragseingänge auf den fraglichen Sitzungen erörtert wurden.

239 Diese Schriftstücke stellen zusammen mit den Aussagen von Stora einen hinreichenden Beweis für die Beteiligung der bei den Sitzungen des JMC vertretenen Hersteller an der Absprache über die Abstellzeiten dar. Da die Abstimmung der angekündigten Preise auf eine Erhöhung der tatsächlichen Verkaufspreise abzielte (siehe oben, Randnrn. 48 bis 61), war den an der Preisabsprache teilnehmenden Unternehmen zwangsläufig bewusst, daß durch die Prüfung der Auftragsbestände und der Auftragseingänge sowie die Gespräche über etwaige Abstellzeiten nicht nur festgestellt werden sollte, ob die Marktbedingungen für eine abgestimmte Preiserhöhung günstig waren, sondern auch, ob das Abstellen der Anlagen geboten war, um zu verhindern, daß das vereinbarte Preisniveau durch ein Überangebot gefährdet würde. Insbesondere geht aus Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte hervor, daß sich die Teilnehmer an der Sitzung des JMC vom 6. September 1990 auf die Ankündigung einer bevorstehenden Preiserhöhung einigten, obwohl mehrere Hersteller erklärt hatten, daß sie sich anschickten, ihre Produktion zu unterbrechen. Die Marktbedingungen gingen folglich dahin, daß die tatsächliche Durchführung einer künftigen Preiserhöhung höchstwahrscheinlich (zusätzliche) Abstellzeiten erfordern würde, so daß die Hersteller diese Auswirkung zumindest implizit gebilligt haben.

240 Auf dieser Grundlage ist, ohne daß die anderen von der Kommission in der Entscheidung angeführten Beweismittel (Anlagen 102, 113, 130 und 131 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) geprüft zu werden brauchen, davon auszugehen, daß die Kommission die Beteiligung der Unternehmen, die an den Sitzungen des JMC und an der Preisabsprache teilnahmen, an einer Absprache über die Abstellzeiten nachgewiesen hat.

241 Daher ist davon auszugehen, daß sich Prat Carton in der Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 an einer Absprache über die Abstellzeiten beteiligte.

c) Zur Beteiligung von Prat Carton an einer Absprache über die Marktanteile

242 Es ist bereits festgestellt worden, daß die Kommission nachgewiesen hat, daß sich die bei den Sitzungen des PWG anwesenden Unternehmen ab Ende 1987 an einer Absprache über die Marktanteile beteiligten (siehe oben, Randnrn. 84 bis 114).

243 Zur Stützung ihrer Behauptung, daß sich auch die Unternehmen, die nicht an den Sitzungen des PWG teilnahmen, an dieser Absprache beteiligt hätten, führt die Kommission in der Entscheidung folgendes aus:

"Obgleich die kleineren Kartonhersteller, die an den JMC-Sitzungen teilnahmen, nicht im einzelnen über die Gespräche im PWG betreffend die Marktanteile unterrichtet waren, war ihnen im Rahmen der "Preis-vor-Menge"-Politik, an die sie sich alle hielten, sehr wohl bekannt, daß sich die führenden Hersteller darauf verständigt hatten, "das Angebot auf einem konstanten Niveau" zu halten, wie ihnen sicherlich auch die Notwendigkeit bewusst war, ihr eigenes Verhalten entsprechend anzupassen" (Randnr. 58 Absatz 1 der Entscheidung).

244 Obwohl dies aus der Entscheidung nicht ausdrücklich hervorgeht, macht sich die Kommission in diesem Punkt die Aussagen von Stora zu eigen, in denen es heisst:

"Andere Hersteller, die nicht am PWG teilnahmen, wurden im allgemeinen nicht über die Einzelheiten der Gespräche über die Marktanteile informiert. Im Rahmen der Preis-vor-Menge-Politik, an der sie teilnahmen, dürfte ihnen die Übereinkunft der führenden Hersteller, die Preise durch die Beibehaltung konstanter Angebotsmengen nicht zu untergraben, jedoch bekannt gewesen sein.

In bezug auf das Angebot an GC-Sorten war der Anteil der Hersteller, die nicht am PWG teilnahmen, ohnehin so unbedeutend, daß ihre Teilnahme oder Nichtteilnahme an den Vereinbarungen über die Marktanteile so gut wie keine Auswirkungen hatte" (Anlage 43 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 1.2).

245 Die Kommission stützt sich somit - wie Stora - im wesentlichen auf die Annahme, daß die Unternehmen, die nicht an den Sitzungen des PWG teilnahmen, aber nachweislich an anderen Bestandteilen der in Artikel 1 der Entscheidung beschriebenen Zuwiderhandlung mitwirkten, von der Existenz der Absprache über die Marktanteile gewusst haben müssen, auch wenn es dafür keine unmittelbaren Beweise gibt.

246 Einer solchen Argumentation kann nicht gefolgt werden. Erstens führt die Kommission kein Beweismittel an, aus dem hervorginge, daß die Unternehmen, die nicht an den Sitzungen des PWG teilnahmen, einer allgemeinen Vereinbarung zustimmten, die u. a. das Einfrieren der Marktanteile der führenden Hersteller vorsah.

247 Zweitens ist die blosse Tatsache, daß sich diese Unternehmen an einer Preisabsprache und an der Absprache über die Abstellzeiten beteiligten, kein Beleg dafür, daß sie sich auch an einer Absprache über die Marktanteile beteiligten. Insoweit ist die Absprache über die Marktanteile entgegen der offenbar von der Kommission vertretenen Ansicht nicht untrennbar mit der Preisabsprache und/oder der Absprache über die Abstellzeiten verbunden. Es genügt der Hinweis, daß die Absprache über die Marktanteile der führenden im PWG vertretenen Hersteller der Entscheidung zufolge (siehe oben, Randnrn. 78 bis 80) darauf abzielte, vorbehaltlich gelegentlicher Änderungen konstante Marktanteile aufrechtzuerhalten; dies galt selbst für Zeiträume, in denen aufgrund der Marktbedingungen und insbesondere des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage eine Kontrolle der Produktion zur Sicherstellung der tatsächlichen Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen nicht erforderlich war. Folglich belegt die etwaige Beteiligung an der Preisabsprache und/oder der Absprache über die Abstellzeiten nicht, daß sich die Unternehmen, die nicht an den Sitzungen des PWG teilnahmen, an der Absprache über die Marktanteile beteiligten oder daß sie davon wussten oder zwangsläufig davon wissen mussten.

248 Schließlich ist drittens festzustellen, daß die Kommission in Randnummer 58 Absätze 2 und 3 der Entscheidung auf Anlage 102 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, eine von Rena erlangte Aufzeichnung, die der Entscheidung zufolge eine Sondersitzung des NPI am 3. Oktober 1988 betreffen soll, als zusätzliches Beweismittel für die fragliche Behauptung verweist. Insoweit genügt die Feststellung, daß die Klägerin dem NPI nicht angehörte und daß die Bezugnahme auf möglicherweise erforderliche Abstellzeiten in diesem Schriftstück aus den bereits genannten Gründen keinen Beweis für eine Absprache über die Marktanteile darstellen kann.

249 Nach alledem hat die Kommission nicht nachgewiesen, daß sich Prat Carton in der Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 an einer Absprache über die Marktanteile beteiligte.

3. Ergebnisse hinsichtlich der Beteiligung von Prat Carton an einem Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages vor ihrer Übernahme durch die Klägerin im Februar 1991

250 Auf der Grundlage aller vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, daß die Kommission nachgewiesen hat, daß sich Prat Carton in der Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 an einer Preisabsprache und an einer Absprache über die Abstellzeiten beteiligte. Die Beteiligung von Prat Carton an der Absprache über die Marktanteile im selben Zeitraum ist jedoch nicht hinreichend nachgewiesen. Schließlich hat die Kommission für die Zeit davor, d. h. von Mitte 1986 bis Juni 1990, die Beteiligung von Prat Carton an den Bestandteilen der Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen.

Zum Antrag auf Nichtigerklärung von Artikel 2 der Entscheidung

Vorbringen der Parteien

251 Die Klägerin macht als Klagegrund geltend, daß das Verbot eines künftigen Informationsaustauschs rechtswidrig sei. Weder Artikel 1 noch Artikel 2 der Entscheidung beträfen das erste Informationsaustauschsystem des Berufsverbands CEPI-Cartonboard (im folgenden: CEPI), das in den Randnummern 105, 106 und 166 der Entscheidung erwähnt werde. Das Verbot eines künftigen Informationsaustauschs hindere den CEPI und seine Mitglieder, zu denen die Klägerin gehöre, aber daran, künftig neue Informationsaustauschsysteme zu schaffen, und stehe zugleich dem speziellen System entgegen, das der CEPI der Kommission Ende 1993 notifiziert habe und das im übrigen in der Entscheidung nicht erwähnt werde.

252 Ausserdem seien Informationsaustauschsysteme, mit denen keine verbotenen Ergebnisse wie die Preisfestsetzung oder die Abstimmung der Mengen erzielt werden sollten, in der früheren Praxis der Kommission nie als unzulässig angesehen worden, wenn sie sich nicht auf den Austausch individueller und vertraulicher Daten erstreckten. Die Kommission habe in ihrem Siebten Bericht über die Wettbewerbspolitik ausgeführt, daß sie keine grundsätzlichen Einwände gegen den Austausch statistischer Informationen über Wirtschaftsverbände oder besondere Meldestellen habe, selbst wenn diese eine Aufgliederung der Daten vornähmen, sofern die ausgetauschten Informationen keinen Rückschluß auf individuelle Daten zuließen.

253 Der Klagegrund gliedert sich sodann in zwei Teile. Im ersten Teil macht die Klägerin geltend, das Verbot in Artikel 2 der Entscheidung sei im wesentlichen zu vage und allgemein formuliert. Insbesondere werde nicht angegeben, unter welchen Umständen ein Informationsaustauschsystem, das keine individuellen Daten zum Gegenstand habe, als zur Förderung einer Abstimmung der Preise oder der Produktion oder zur Kontrolle der Durchführung einer Vereinbarung über die Preise oder die Marktaufteilung geeignet angesehen werde.

254 Darüber hinaus werde in Artikel 2 der Entscheidung nicht angegeben, welche Merkmale das System aufweisen müsse, um dem Erfordernis des Ausschlusses a) globaler Daten, "mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt" (Absatz 2), b) von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die dazu benutzt werden können, "ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder zu erleichtern" (Absatz 3) und c) von "jedem Austausch... wettbewerbsrelevanter Informationen" sowie von "allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese Informationen" (Absatz 4) zu genügen.

255 Derart vage und allgemeine Verbote erschienen undurchführbar und verstießen jedenfalls gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

256 Im zweiten Teil des Klagegrundes bezweifelt die Klägerin die Rechtmässigkeit des in Artikel 2 Absatz 2 der Entscheidung aufgestellten Verbotes des Austauschs von Daten (auch in globaler Form) über den gegenwärtigen Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage.

257 Solche Daten lieferten erstens nur Anhaltspunkte für die generelle Tendenz der allgemeinen Nachfrage und ermöglichten es nicht, einen Hersteller oder ein Land zu ermitteln.

258 Zweitens sei der fragliche Datenaustausch in der Kartonbranche besonders nützlich, wenn nicht gar erforderlich.

259 Drittens habe die Kommission den fraglichen Datenaustausch noch nie untersagt. Sie habe vielmehr den Austausch von Informationen über die Lagerbestände, die aktuellen und früheren Marktpreise, den Verbrauch, die Verarbeitungskapazität und sogar die Preisentwicklung als wettbewerbsneutral angesehen (vgl. u. a. die Mitteilung 87/C 339/07 der Kommission gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates betreffend einen Antrag auf Negativattest gemäß Artikel 85 Absatz 3 EWG-Vertrag - Fall Nr. IV/32.076 - Europäischer Altpapier-Informationsdienst [ABl. 1987, C 339, S. 7; im folgenden: EWIS-Mitteilung] und den Siebten Bericht über die Wettbewerbspolitik, Nrn. 5 bis 8).

260 Die Kommission führt aus, Artikel 2 der Entscheidung beziehe sich nicht auf das vom CEPI notifizierte Informationsaustauschsystem, das den zuständigen Stellen der Kommission zum Zeitpunkt der Klageerhebung zur Prüfung vorgelegen habe.

261 Die Anordnungen in Artikel 2 der Entscheidung seien auch nichts Ungewöhnliches, da sie keinen Beweis dafür erhalten habe, daß die Zuwiderhandlung abgestellt worden sei; die Tragweite solcher Anordnungen hänge vom Verhalten der Unternehmen ab. Da sie die Teilnahme an einem System verhinderten, mit dem gleiches oder ähnliches wie mit dem in Rede stehenden System bezweckt oder bewirkt werde, beschränkten sie sich nämlich auf die Anwendung des allgemeinen Verbotes in Artikel 85 des Vertrages (Urteil des Gerichts vom 27. Oktober 1994 in der Rechtssache T-34/92, Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905). Sie stützten sich im übrigen auf Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 und stuenden mit früheren, vom Gericht gebilligten Entscheidungen im Einklang.

262 Im vorliegenden Fall sei das Informationsaustauschsystem von den Kartellmitgliedern als bedeutsam angesehen worden und habe die Kontrolle und Durchführung der wettbewerbswidrigen Initiativen ermöglicht (Randnrn. 61 bis 71 und 134 der Entscheidung). Ausserdem sei es auch nach seinen Änderungen im Jahr 1991 noch geeignet gewesen, die Hersteller zu wettbewerbswidrigem Verhalten zu ermutigen (Randnr. 166 der Entscheidung). Bei der Beurteilung der Tragweite der Anordnungen in Artikel 2 der Entscheidung seien diese Gesichtspunkte, die Besonderheiten des Kartonmarkts und die durch die Existenz eines nahezu unbeschränkten Kartells auf dem europäischen Markt gekennzeichnete Situation zu berücksichtigen. In Anbetracht dieser Erwägungen sei das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, daß die Informationen, deren Austausch verboten werde, allgemeiner Art seien und daß Artikel 2 der Entscheidung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstosse. Das Verbot eines Informationsaustauschs gelte nämlich, insbesondere in bezug auf die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c genannten Informationen, nicht allgemein, sondern nur für Informationen, die ein wettbewerbswidriges Verhalten erleichtern oder fördern sollten.

263 Schließlich habe die EWIS-Mitteilung einen ganz anderen wirtschaftlichen Kontext als den des Kartonsektors betroffen (Nr. 3 der Mitteilung), insbesondere weil EWIS nur globale Angaben über eine ausreichend grosse Zahl von Mitgliedern habe machen dürfen, so daß das Verhalten eines einzelnen Mitglieds daraus nicht ersichtlich gewesen sei (Nr. 7 der Mitteilung).

Würdigung durch das Gericht

264 Artikel 2 der Entscheidung lautet:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen, oder

b) durch den auch ohne Offenlegung individueller Informationen eine gemeinsame Reaktion der Branche auf wirtschaftliche Verhältnisse hinsichtlich der Preise oder der Kontrolle der Produktion gefördert oder erleichtert wird, oder

c) durch die die Teilnehmer in die Lage versetzt werden könnten, die Erfuellung oder Beachtung ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarungen betreffend die Preise oder die Marktaufteilung in der Gemeinschaft zu überwachen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es nicht nur alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, sondern auch alle Daten über den gegenwärtigen Stand der Auftragseingänge und der Auftragslage, die erwartete Kapazitätsausnutzung (in beiden Fällen auch in globaler Form) oder die Produktionskapazität jeder Maschine ausschließt.

Ein eventueller Informationsaustausch beschränkt sich auf die Beschaffung und Verbreitung von Produktions- und Verkaufsstatistiken in globaler Form, die nicht dazu benutzt werden können, ein gemeinsames Geschäftsverhalten zu fördern oder zu erleichtern.

Die Unternehmen nehmen ausserdem von jedem Austausch weiterer wettbewerbsrelevanter Informationen über den zulässigen Informationsaustausch hinaus sowie von allen Treffen oder sonstigen Kontakten zur Erörterung des Aussagegehalts der ausgetauschten Informationen oder der möglichen oder wahrscheinlichen Reaktion der Branche oder einzelner Hersteller auf diese Informationen Abstand.

Für die notwendigen Änderungen an einem etwaigen Informationsaustauschsystem wird eine Frist von drei Monaten ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Entscheidung eingeräumt."

265 Wie sich aus Randnummer 165 der Entscheidung ergibt, wurde Artikel 2 der Entscheidung gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 erlassen. Nach dieser Bestimmung kann die Kommission u. a. dann, wenn sie eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 des Vertrages feststellt, die beteiligten Unternehmen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen.

266 Nach ständiger Rechtsprechung kann die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 das Verbot umfassen, bestimmte Tätigkeiten, Praktiken oder Sachverhalte fortzuführen oder fortdauern zu lassen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt worden ist (Urteile des Gerichtshofes vom 6. März 1974 in den Rechtssachen 6/73 und 7/73, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission, Slg. 1974, 223, Randnr. 45, und vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg. 1995, I-743, Randnr. 90), aber auch das Verbot, sich künftig ähnlich zu verhalten (Urteil des Gerichts vom 6. Oktober 1994 in der Rechtssache T-83/91, Tetra Pak/Kommission, Slg. 1994, II-755, Randnr. 220).

267 Da die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17 der festgestellten Zuwiderhandlung angepasst sein muß, ist die Kommission ausserdem befugt, den Umfang der Verpflichtungen anzugeben, die die betroffenen Unternehmen erfuellen müssen, damit die Zuwiderhandlung abgestellt wird. Derartige den Unternehmen auferlegte Verpflichtungen dürfen jedoch nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung des angestrebten Zieles - Wiederherstellung der Legalität im Hinblick auf die verletzten Vorschriften - angemessen und erforderlich ist (Urteil RTE und ITP/Kommission, Randnr. 93; in diesem Sinne auch Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995 in den Rechtssachen T-7/93, Langnese Iglo/Kommission, Slg. 1995, II-1533, Randnr. 209, und T-9/93, Schöller/Kommission, Slg. 1995, II-1611, Randnr. 163).

268 Um im vorliegenden Fall festzustellen, ob die Anordnung in Artikel 2 der Entscheidung - wie die Klägerin behauptet - zu weit geht, ist der Umfang der verschiedenen Verbote zu prüfen, die den Unternehmen damit auferlegt werden.

269 Das Verbot in Artikel 2 Absatz 1 Satz 2, wonach die Unternehmen künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen absehen müssen, mit denen gleiches oder ähnliches wie mit den in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen bezweckt oder bewirkt wird, soll die Unternehmen nur daran hindern, die Verhaltensweisen zu wiederholen, deren Rechtswidrigkeit festgestellt wurde. Folglich hat die Kommission mit der Aufstellung dieses Verbotes die ihr durch Artikel 3 der Verordnung Nr. 17 verliehenen Befugnisse nicht überschritten.

270 Die Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a, b und c betreffen Einzelheiten zum Verbot des künftigen Austauschs von Geschäftsinformationen.

271 Die Anordnung in Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a, der für die Zukunft jeden Austausch von Geschäftsinformationen verbietet, der es den Teilnehmern ermöglicht, unmittelbar oder mittelbar individuelle Informationen über die Konkurrenzunternehmen zu erlangen, setzt voraus, daß die Kommission in der Entscheidung die Rechtswidrigkeit eines derartigen Informationsaustauschs im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages festgestellt hat.

272 In Artikel 1 der Entscheidung heisst es nicht, daß der Austausch individueller Geschäftsinformationen als solcher gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstösst.

273 Dort wird in allgemeinerer Form ausgeführt, daß die Unternehmen gegen diesen Artikel des Vertrages verstossen hätten, indem sie sich an einer Vereinbarung und abgestimmten Verhaltensweise beteiligt hätten, durch die sie u. a. "als Absicherung der vorgenannten Maßnahmen Geschäftsinformationen (über Lieferungen, Preise, Abstellzeiten, Auftragsbestände und Kapazitätsauslastung) austauschten".

274 Da der verfügende Teil der Entscheidung im Licht ihrer Gründe auszulegen ist (Urteil Suiker Unie u. a./Kommission, Randnr. 122), ist jedoch darauf hinzuweisen, daß es in Randnummer 134 Absatz 2 der Entscheidung heisst:

"Der von den Herstellern in Sitzungen der PG Karton (vor allem des JMC) praktizierte Austausch von normalerweise vertraulichen und sensitiven individuellen Informationen über Auftragslage, Abstellzeiten und Produktionshöhe war offenkundig wettbewerbsfeindlich, da mit ihm bezweckt wurde, möglichst günstige Voraussetzungen für die Durchführung der vereinbarten Preisinitiativen zu schaffen."

275 Da die Kommission somit in der Entscheidung ordnungsgemäß ihre Ansicht geäussert hat, daß im Austausch individueller Geschäftsinformationen als solchem ein Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages zu sehen sei, erfuellt das Verbot, künftig einen derartigen Informationsaustausch vorzunehmen, die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 17.

276 Die in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung aufgestellten Verbote des Austauschs von Geschäftsinformationen sind im Licht der Absätze 2, 3 und 4 dieses Artikels zu prüfen, die ihren Inhalt näher ausgestalten. In diesem Kontext ist zu ermitteln, ob und, wenn ja, inwieweit die Kommission den fraglichen Austausch als rechtswidrig angesehen hat, da der Umfang der den Unternehmen auferlegten Verpflichtungen auf das zur Wiederherstellung der Rechtmässigkeit ihres Verhaltens im Hinblick auf Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages erforderliche Maß zu beschränken ist.

277 Die Entscheidung ist dahin auszulegen, daß die Kommission den Verstoß des FIDES-Systems gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages darin sah, daß es das festgestellte Kartell stützte (Randnr. 134 Absatz 3 der Entscheidung). Diese Auslegung wird durch den Wortlaut von Artikel 1 der Entscheidung bestätigt, aus dem hervorgeht, daß die Geschäftsinformationen zwischen den Unternehmen "als Absicherung" der als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehenen Maßnahmen ausgetauscht wurden.

278 Im Licht dieser Auffassung der Kommission zur Frage der Vereinbarkeit des FIDES-Systems mit Artikel 85 des Vertrages im vorliegenden Fall ist die Tragweite der in die Zukunft gerichteten Verbote in Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung zu beurteilen.

279 Die fraglichen Verbote beschränken sich zum einen nicht auf den Austausch individueller Geschäftsinformationen, sondern betreffen auch den Austausch bestimmter globaler statistischer Daten (Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Entscheidung). Zum anderen verbietet Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben b und c der Entscheidung den Austausch bestimmter statistischer Informationen, um dem Aufbau einer möglichen Stütze potentieller wettbewerbswidriger Verhaltensweisen vorzubeugen.

280 Da ein solches Verbot den Austausch rein statistischer Informationen, die nicht den Charakter individueller oder individualisierbarer Informationen haben, mit der Begründung verhindern soll, daß die ausgetauschten Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden könnten, überschreitet es das zur Wiederherstellung der Rechtmässigkeit der festgestellten Verhaltensweisen erforderliche Maß. Zum einen geht nämlich aus der Entscheidung nicht hervor, daß die Kommission den Austausch statistischer Daten als solchen als Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages angesehen hat. Zum anderen führt die blosse Tatsache, daß ein System des Austauschs statistischer Informationen zu wettbewerbswidrigen Zwecken verwendet werden kann, nicht zu seiner Unvereinbarkeit mit Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages; vielmehr sind unter derartigen Umständen seine konkreten wettbewerbswidrigen Auswirkungen zu bestimmen. Folglich geht das Vorbringen der Kommission, daß Artikel 2 der Entscheidung rein deklaratorischen Charakter habe (siehe oben, Randnr. 261), fehl.

281 Daher ist Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig zu erklären:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt."

Zum Antrag auf Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbusse

A - Zu dem Klagegrund, mit dem geltend gemacht wird, daß die Definition von Gegenstand und Dauer der Zuwiderhandlung falsch und die Geldbusse deshalb herabzusetzen sei

282 Die Klägerin trägt unter Bezugnahme auf die vorangegangenen Klagegründe und Argumente vor, die Zuwiderhandlung sei von ganz anderer inhaltlicher Tragweite, von wesentlich kürzerer Dauer und sehr viel weniger schwerwiegend gewesen, als die Kommission behaupte; deshalb sei die Geldbusse erheblich herabzusetzen.

283 Nach den im Rahmen der Prüfung der vorangegangenen Klagegründe getroffenen Feststellungen hat die Kommission in bezug auf die Klägerin das Vorliegen und die Dauer der in Artikel 1 der Entscheidung beschriebenen Zuwiderhandlung zutreffend ermittelt.

284 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

B - Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission, der darin bestehen soll, daß sie das Kartell als, "was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich" angesehen habe, sowie eines Verstosses gegen die Begründungspflicht in diesem Punkt

Vorbringen der Parteien

285 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen, als sie bei der Festsetzung der Höhe der Geldbusse davon ausgegangen sei, daß das Kartell, "was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich" gewesen sei (Randnr. 168 der Entscheidung). Die Kommission habe insoweit die von den betroffenen Unternehmen und insbesondere von der Klägerin gelieferten Beweise nicht berücksichtigt.

286 Die Modalitäten der Preisankündigungen seien branchenüblich, und die Marktbedingungen, insbesondere die Transparenz des Marktes, seien der Grund dafür, daß die Ankündigungen von Preiserhöhungen der verschiedenen Hersteller in gewissem Umfang einheitlich und gleichzeitig erfolgt seien. Die Kommission habe folgende Gesichtspunkte ausser acht gelassen: a) Die tatsächlichen Verkaufspreise seien stets deutlich niedriger gewesen als die angekündigten Preise, b) es hätten stets erhebliche Unterschiede zwischen den für die einzelnen Kunden geltenden Preisen bestanden, so daß es keinen Einheitspreis gegeben habe, c) die Konjunkturzyklen hätten sich auf die Preisentwicklung ausgewirkt, und d) die Differenz zwischen den für die einzelnen Kunden geltenden Preisen habe sich während des fraglichen Zeitraums vergrössert, so daß eine stärkere Individualisierung der Preise eingetreten sei.

287 Die Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise sei allein durch die auf dem Markt im fraglichen Zeitraum herrschenden Bedingungen und insbesondere durch die relativ feste Nachfrage, die zufriedenstellende und bisweilen optimale Kapazitätsausnutzung (vgl. Randnrn. 13 bis 15 der Entscheidung), den erheblichen Anstieg der Kosten (vgl. Randnrn. 16 bis 19 der Entscheidung) und schließlich durch einen ganz normalen durchschnittlichen Rentabilitätsgrad im gesamten Zeitraum bestimmt worden. Unter diesen Umständen hätte die Kommission zu dem Schluß kommen müssen, daß die Preiserhöhungen normal gewesen seien (vgl. auch Randnr. 135 der Entscheidung) und daß die feststellbaren Erhöhungen der tatsächlichen Verkaufspreise mit den ökonomischen Grundvariablen im Einklang gestanden hätten. Sie hätte daher ferner zu dem Schluß kommen müssen, daß das angebliche Kartell keine Auswirkungen auf die Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise gehabt habe.

288 Die tatsächlichen Verkaufspreise seien stets der Kostenentwicklung gefolgt. Der in der zweiten Hälfte des Jahres 1989 eingetretene Rückgang der Rohstoffkosten sei von einer erheblichen Erhöhung der Arbeits- und Energiekosten begleitet worden, die etwa 35 % der Gesamtkosten der Kartonhersteller ausmachten. Daß die Nachfrage 1991 zurückgegangen sei, deute ebensowenig darauf hin, daß andere Faktoren als die Marktbedingungen die Preisentwicklung beeinflusst hätten, denn die einzige Preiserhöhung im Jahr 1991 (im Monat Januar) sei bereits im Herbst 1990 angekündigt und von den Herstellern noch früher geplant worden.

289 Die Behauptung der Kommission zu den Auswirkungen des Kartells treffe auch auf die angebliche Abstimmung der Marktanteile nicht zu, da es insoweit weder eine Abstimmung noch ein System zur Kontrolle der Entwicklung der Marktanteile der einzelnen Hersteller gegeben habe. Darüber hinaus hätten die Marktanteile der Klägerin im fraglichen Zeitraum erheblich geschwankt.

290 Schließlich liege ein Begründungsmangel vor, der mit einem Widerspruch zwischen den Schlußfolgerungen hinsichtlich der Auswirkungen des Kartells auf den Markt und den tatsächlichen Feststellungen in der Entscheidung selbst zusammenhänge.

291 Die Kommission weist darauf hin, daß die Preise im fraglichen Zeitraum stets regelmässig erhöht und entsprechend den Absprachen der Hersteller in den Ausschüssen der PG Karton angewandt worden seien, daß ein System zur Kontrolle der Einhaltung der vom Kartell getroffenen Entscheidungen mit Hilfe der ausgetauschten detaillierten Informationen geschaffen worden sei und daß die Marktanteile der verschiedenen Hersteller stets mehr oder weniger konstant geblieben seien. Unter diesen Umständen und insbesondere angesichts der zahlreichen schriftlichen Beweise für das Kartell sei die Behauptung der Klägerin, daß das Kartell die Markttendenzen nicht wesentlich verändert habe, nicht haltbar.

292 Hinsichtlich der Preisentwicklung sei auf den Erfolg des Kartells als Ganzes abzustellen. Der Eintritt des Erfolges werde keineswegs durch die - im übrigen unbewiesene - Tatsache widerlegt, daß die Klägerin weniger Vorteile erlangt habe als andere.

293 Die geringen Veränderungen der Marktanteile der einzelnen Hersteller bestätigten, daß das Kartell auch insoweit sehr erfolgreich gewesen sei.

294 Schließlich treffe es nach den vorstehenden Ausführungen nicht zu, daß die Entscheidung mit einem Begründungsmangel hinsichtlich der Auswirkungen des Kartells auf den Markt behaftet sei. Hierzu sei auf die Analysen der Bedingungen und der Entwicklung des Marktes in den Randnummern 16, 21 und 137 der Entscheidung zu verweisen; sofern man nicht versuche, eine Behauptung aus ihrem Kontext zu reissen, sei kein Widerspruch in der Begründung der Entscheidung festzustellen.

Würdigung durch das Gericht

295 Gemäß Randnummer 168, siebter Gedankenstrich, der Entscheidung hat die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der Geldbussen u. a. berücksichtigt, daß das Kartell, "was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich" war. Es ist unstreitig, daß mit dieser Erwägung auf die Auswirkungen der in Artikel 1 der Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlung auf den Markt Bezug genommen wird.

296 Zur Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Auswirkungen der Zuwiderhandlung braucht nach Ansicht des Gerichts nur die Beurteilung der Auswirkungen der Preisabsprache untersucht zu werden. Erstens geht nämlich aus der Entscheidung hervor, daß die Feststellung, wonach die Ziele weitgehend erreicht worden seien, im wesentlichen auf den Auswirkungen der Preisabsprache beruht. Während diese Auswirkungen in den Randnummern 100 bis 102, 115 und 135 bis 137 der Entscheidung analysiert werden, wird die Frage, ob die Absprachen über die Marktanteile und über die Abstellzeiten Auswirkungen auf den Markt hatten, darin nicht gesondert geprüft.

297 Zweitens kann durch die Untersuchung der Auswirkungen der Preisabsprache jedenfalls zugleich festgestellt werden, ob das Ziel der Absprache über die Abstellzeiten erreicht wurde, da mit ihr verhindert werden sollte, daß die konzertierten Preisinitiativen durch ein Überangebot gefährdet würden.

298 Drittens macht die Kommission hinsichtlich der Absprache über die Marktanteile nicht geltend, daß die an den Sitzungen des PWG teilnehmenden Unternehmen das völlige Einfrieren ihrer Marktanteile bezweckt hätten. Nach Randnummer 60 Absatz 2 der Entscheidung war die Vereinbarung über die Marktanteile keine statische Regelung, "sondern wurde in regelmässigen Abständen angepasst und neu ausgehandelt". Angesichts dieser Klarstellung kann der Kommission somit kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß sie die Ansicht vertreten hat, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei, ohne daß sie den Erfolg dieser Absprache über die Marktanteile in der Entscheidung gesondert geprüft hat.

299 Bei der Preisabsprache hat die Kommission die allgemeinen Auswirkungen beurteilt. Selbst wenn die von der Klägerin gemachten individuellen Angaben - wie sie behauptet - zeigen sollten, daß die Preisabsprache für sie geringere als die auf dem europäischen Kartonmarkt als Ganzem festgestellten Auswirkungen hatte, würden diese individuellen Gegebenheiten daher als solche nicht ausreichen, um die Beurteilung der Kommission in Frage zu stellen.

300 Wie die Kommission in der Verhandlung bestätigt hat, ist der Entscheidung zu entnehmen, daß zwischen drei Arten von Auswirkungen unterschieden wurde. Ausserdem hat sich die Kommission darauf gestützt, daß die Hersteller selbst die Preisinitiativen im wesentlichen als Erfolg gewertet hätten.

301 Die erste von der Kommission berücksichtigte und von der Klägerin nicht in Abrede gestellte Art von Auswirkungen besteht darin, daß die vereinbarten Preiserhöhungen den Kunden tatsächlich angekündigt wurden. Die neuen Preise dienten somit als Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden (vgl. u. a. Randnrn. 100 und 101 Absätze 5 und 6 der Entscheidung).

302 Die zweite Art von Auswirkungen besteht darin, daß die Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise der Entwicklung der angekündigten Preise folgte. Hierzu führt die Kommission aus, daß "sich die Hersteller nicht darauf [beschränkten], die vereinbarten Preiserhöhungen anzukündigen, sondern... - mit wenigen Ausnahmen - auch alles [taten], um sicherzustellen, daß sie bei den Kunden durchgesetzt wurden" (Randnr. 101 Absatz 1 der Entscheidung). Sie räumt ein, daß den Kunden bisweilen Zugeständnisse hinsichtlich des Termins des Inkrafttretens der Erhöhungen gemacht oder - vor allem bei Grossaufträgen - individuelle Rabatte oder Skonti gewährt worden seien und daß "die durchschnittliche Netto-Preiserhöhung, die nach allen Nachlässen, Rabatten und sonstigen Zugeständnissen erzielt wurde, stets geringer [war] als der volle Betrag der angekündigten Preisanhebung" (Randnr. 102 letzter Absatz der Entscheidung). Unter Bezugnahme auf Schaubilder in einer Wirtschaftsstudie, die im Zusammenhang mit dem Verfahren vor der Kommission im Auftrag mehrerer Adressaten der Entscheidung erstellt wurde (im folgenden: LE-Bericht), macht sie jedoch geltend, in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum habe es einen "engen linearen Zusammenhang" zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise - ausgedrückt in Landeswährung oder umgerechnet in Ecu - gegeben. Sie zieht daraus folgenden Schluß: "Die erzielten Netto-Preiserhöhungen vollzogen die Preisankündigungen - wenngleich mit etwas zeitlichem Abstand - nach. Der Verfasser des Berichts räumte bei der mündlichen Anhörung selbst ein, daß dies für die Jahre 1988 und 1989 zutrifft" (Randnr. 115 Absatz 3 der Entscheidung).

303 Bei der Beurteilung dieser zweiten Art von Auswirkungen war die Kommission zweifellos zu der Annahme berechtigt, daß die Existenz eines linearen Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der angekündigten Preise und der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise den Beweis für eine Auswirkung der Preisinitiativen auf die letztgenannten Preise entsprechend dem von den Herstellern verfolgten Ziel darstellte. Denn unstreitig hat die Praxis individueller Verhandlungen mit den Kunden auf dem fraglichen Markt zur Folge, daß die tatsächlichen Verkaufspreise im allgemeinen nicht mit den angekündigten Preisen übereinstimmen. Es war daher nicht zu erwarten, daß der Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Erhöhungen der angekündigten Preise übereinstimmen würde.

304 Hinsichtlich des Bestehens einer Wechselbeziehung zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und dem Anstieg der tatsächlichen Verkaufspreise hat die Kommission zu Recht auf den LE-Bericht Bezug genommen, da in diesem die Entwicklung des Kartonpreises in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum unter Heranziehung der von mehreren Herstellern, darunter der Klägerin selbst, gemachten Angaben untersucht wird.

305 Dieser Bericht bestätigt jedoch in zeitlicher Hinsicht nur teilweise, daß es einen "engen linearen Zusammenhang" gab. Bei der Prüfung des Zeitraums von 1987 bis 1991 ergeben sich nämlich drei gesonderte Abschnitte. Während der Anhörung vor der Kommission hat der Verfasser des LE-Berichts seine Schlußfolgerungen hierzu wie folgt zusammengefasst: "Es gibt keinen engen Zusammenhang, auch nicht in zeitlichem Abstand, zwischen den angekündigten Preiserhöhungen und den Marktpreisen zu Beginn des Zeitraums, von 1987 bis 1988. 1988/89 besteht ein solcher Zusammenhang, und dann löst sich der Zusammenhang auf und verhält sich im Zeitraum 1990/91 recht seltsam [oddly]" (Anhörungsprotokoll, S. 28). Ferner führte er aus, daß diese Veränderungen im Lauf der Zeit eng mit den Nachfrageschwankungen zusammenhingen (vgl. u. a. Anhörungsprotokoll, S. 20).

306 Diese mündlichen Schlußfolgerungen des Verfassers stimmen mit der in seinem Bericht vorgenommenen Analyse und insbesondere mit den Schaubildern überein, in denen die Entwicklung der angekündigten Preise mit der Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise verglichen wird (LE-Bericht, Schaubilder 10 und 11, S. 29). Somit ist festzustellen, daß die Kommission nur teilweise nachgewiesen hat, daß es den von ihr geltend gemachten "engen linearen Zusammenhang" gab.

FORTSETZUNG DER GRÜNDE UNTER DOK.NUM: 694A0334.2

307 In der Verhandlung hat die Kommission erklärt, daß sie noch eine dritte Art von Auswirkungen der Preisabsprache berücksichtigt habe, die darin bestehe, daß die tatsächlichen Verkaufspreise stärker gestiegen seien, als wenn es keinerlei Absprache gegeben hätte. Hierzu hat die Kommission unter Hinweis darauf, daß Zeitpunkt und Reihenfolge der Ankündigungen von Preiserhöhungen vom PWG festgelegt worden seien, in der Entscheidung die Ansicht vertreten, es sei "unter solchen Umständen undenkbar, daß die abgestimmten Preisankündigungen keine Auswirkungen auf das tatsächliche Preisniveau hatten" (Randnr. 136 Absatz 3 der Entscheidung). Im LE-Bericht (Abschnitt 3) wurde jedoch eine Modellrechnung vorgenommen, die die Vorhersage des Preisniveaus ermöglicht, das sich aus den objektiven Marktbedingungen ergibt. Nach diesem Bericht hätte sich das anhand objektiver wirtschaftlicher Faktoren in der Zeit von 1975 bis 1991 ermittelte Preisniveau mit unerheblichen Abweichungen ebenso entwickelt wie das Niveau der tatsächlichen Verkaufspreise; dies gilt auch für den von der Entscheidung erfassten Zeitraum.

308 Trotz dieser Ergebnisse lässt die im Bericht vorgenommene Analyse nicht den Schluß zu, daß die konzertierten Preisinitiativen es den Herstellern nicht ermöglicht haben, höhere tatsächliche Verkaufspreise als bei freiem Wettbewerb zu erzielen. Insoweit ist es möglich, wie die Kommission in der Verhandlung ausgeführt hat, daß die bei dieser Analyse herangezogenen Faktoren durch die Existenz der Absprache beeinflusst wurden. So hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß das abgesprochene Verhalten z. B. den Anreiz für die Unternehmen verringern konnte, ihre Kosten zu senken. Sie hat jedoch keinen direkten Fehler in der im LE-Bericht enthaltenen Analyse gerügt und auch keine eigenen wirtschaftlichen Analysen zur hypothetischen Entwicklung der tatsächlichen Verkaufspreise bei Fehlen jeder Abstimmung vorgelegt. Unter diesen Umständen geht ihre Behauptung, daß die tatsächlichen Verkaufspreise ohne die Absprache zwischen den Herstellern niedriger gewesen wären, fehl.

309 Folglich gibt es für die Existenz dieser dritten Art von Auswirkungen der Preisabsprache keinen Beweis.

310 Auf die vorstehenden Feststellungen hat die subjektive Einschätzung der Hersteller keinen Einfluß, auf die die Kommission ihre Annahme gestützt hat, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betreffe, weitgehend erfolgreich gewesen sei. Dabei hat die Kommission auf eine von ihr in der Verhandlung vorgelegte Liste von Schriftstücken Bezug genommen. Selbst wenn man unterstellt, daß sie ihre Beurteilung des möglichen Erfolges der Preisinitiativen auf Schriftstücke stützen konnte, in denen die subjektiven Empfindungen einiger Hersteller zum Ausdruck kommen, ist aber festzustellen, daß mehrere Unternehmen, zu denen auch die Klägerin gehört, in der Verhandlung zu Recht auf zahlreiche andere Aktenstücke verwiesen haben, in denen von den Problemen die Rede ist, die die Hersteller bei der Durchführung der vereinbarten Preiserhöhungen hatten. Unter diesen Umständen reicht die Bezugnahme der Kommission auf Erklärungen der Hersteller selbst nicht aus, um zu dem Ergebnis zu kommen, daß das Kartell, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich war.

311 In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen sind die von der Kommission geltend gemachten Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise bewiesen. Das Gericht wird die Tragweite dieses Ergebnisses im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung von Geldbussen bei der Beurteilung der Schwere der im vorliegenden Fall festgestellten Zuwiderhandlung prüfen (siehe unten, Randnr. 334).

312 Die Behauptung der Klägerin schließlich, daß die Begründung der Entscheidung in bezug auf die Auswirkungen der Zuwiderhandlung unzureichend sei, trifft nicht zu. Wie die vorstehende Prüfung ergeben hat, enthält die Entscheidung hinsichtlich der Auswirkungen der festgestellten Zuwiderhandlung eine eingehende und widerspruchsfreie Begründung.

C - Zum Klagegrund eines Rechtsfehlers, der darin bestehen soll, daß die Kommission die Verschleierung des Kartells als erschwerenden Umstand angesehen habe, und eines insoweit vorliegenden Begründungsfehlers

Vorbringen der Parteien

313 Die Klägerin trägt vor, selbst wenn man unterstelle, daß eine gewisse Staffelung der Ankündigungen von Preiserhöhungen das Ergebnis einer Abstimmung gewesen sei - was nicht zutreffe -, hätte die Kommission dies nicht als besonderen erschwerenden Umstand behandeln dürfen, da die "Verschleierung" eines Kartells mit der Zuwiderhandlung als solcher untrennbar verbunden sei.

314 Die Tatsache, daß die Kommission keine schriftlichen Beweise für ihre Behauptungen hinsichtlich des Vorliegens einer Zuwiderhandlung habe finden können, bedeute nicht, daß Verschleierungsmaßnahmen getroffen worden seien.

315 Schließlich sei die Begründung insofern unzureichend, als in der Entscheidung nicht erläutert werde, weshalb die Verschleierung eines Kartells als erschwerender Umstand anzusehen sei.

316 Die Kommission macht geltend, daß die Verschleierung der Existenz des Kartells einen Gesichtspunkt darstelle, der bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sei (Urteil BASF/Kommission, Randnr. 273).

Würdigung durch das Gericht

317 Randnummer 167 Absatz 3 der Entscheidung lautet: "Ein besonders gravierender Aspekt des Verstosses ist der Umstand, daß die Unternehmen bei dem Bemühen, die Existenz des Kartells zu verschleiern, soweit gingen, daß sie im voraus verabredeten, zu welchem Zeitpunkt und in welcher zeitlichen Folge die einzelnen grossen Hersteller die neuen Preiserhöhungen ankündigen würden." Ferner heisst es in der Entscheidung: "[D]ie Hersteller [hätten] aufgrund dieses ausgeklügelten Systems die Serien einheitlicher, regelmässiger und branchenweiter Preiserhöhungen in der Kartonbranche dem Phänomen "oligopolistischen Verhaltens" zuschreiben können" (Randnr. 73 Absatz 3). Schließlich hat die Kommission gemäß Randnummer 168, sechster Gedankenstrich, der Entscheidung bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen berücksichtigt, daß "aufwendige Schritte unternommen [wurden], um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.)".

318 Die Kommission hat aus den gesammelten Beweisen zu Recht geschlossen, daß die Unternehmen die Zeitpunkte und die Reihenfolge der Schreiben, in denen die Preiserhöhungen angekündigt wurden, festlegten, um zu versuchen, das Vorliegen der Preisabsprache zu verschleiern. Diese Festlegung geht insbesondere aus den Aussagen von Stora hervor (Anlage 39 der Mitteilung der Beschwerdepunkte, Punkt 30): "Es gab kein Standardverfahren dafür, wer eine Preiserhöhung zuerst ankündigen und wer sich anschließen würde. Im PWG wurde erörtert und vereinbart, wer die jeweilige Preiserhöhung zuerst ankündigen würde und wann die Ankündigungen der anderen führenden Hersteller folgen. Der Ablauf war nicht immer gleich." Ihr Vorhandensein wird ferner durch die Aktennotiz von Rena über die Sitzung des JMC vom 6. September 1990 (Anlage 118 der Mitteilung der Beschwerdepunkte) bestätigt. Dieses Schriftstück enthält genaue Angaben über die Zeitpunkte der Ankündigung der Preiserhöhungen im Januar 1991 durch einige Mitgliedsunternehmen des PWG (Mayr-Melnhof, Feldmühle und Cascades), die exakt den Daten entsprechen, zu denen diese Unternehmen ihre Ankündigungsschreiben tatsächlich versandt haben (vgl. Randnrn. 87 und 88 der Entscheidung).

319 Das Fehlen offizieller Protokolle und das fast völlige Fehlen interner Vermerke über die Sitzungen des PWG und des JMC stellen in Anbetracht der Zahl und der zeitlichen Dauer dieser Sitzungen sowie der Art der fraglichen Erörterungen einen hinreichenden Beweis für die Behauptung der Kommission dar, daß Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen getroffen worden seien.

320 Nach alledem war den Unternehmen, die an den Sitzungen dieser Gremien teilnahmen, nicht nur die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens bewusst, sondern sie haben auch Maßnahmen zur Verschleierung der Absprache getroffen. Die Kommission hat diese Maßnahmen folglich bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zu Recht als erschwerende Umstände behandelt.

321 Schließlich hat sie ihre Beurteilung dieses Gesichtspunkts ausreichend begründet, da sie in der Entscheidung erläutert hat, welche Verhaltensweisen der Unternehmen im einzelnen als erschwerende Umstände angesehen wurden.

322 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

D - Zum Klagegrund eines Verstosses gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, der darin bestehen soll, daß die Kommission ohne objektive Rechtfertigung wesentlich höhere Geldbussen festgesetzt habe als nach ihrer früheren Praxis

Vorbringen der Parteien

323 Die Klägerin trägt vor, die Erhöhung der Geldbusse im Vergleich zu den nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission festgesetzten Beträgen stelle eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung dar.

324 Eine Reihe ähnlicher Kartelle sei nämlich wesentlich weniger hart geahndet worden (vgl. z. B. Entscheidung 86/398/EWG der Kommission vom 23. April 1986 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags [IV/31.149 - Polypropylen, ABl. L 230, S. 1; im folgenden: Polypropylen-Entscheidung]).

325 Auch im Vergleich zur Entscheidung 92/163/EWG der Kommission vom 24. Juli 1991 in einem Verfahren nach Artikel 86 EWG-Vertrag (Sache IV/31.043 - Tetra Pak II, ABl. 1992, L 72, S. 1) erscheine das allgemeine Niveau der Geldbussen nicht gerechtfertigt.

326 Der Fehler bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung werde ferner durch einen Vergleich mit der Höhe der in der Entscheidung 94/815/EG der Kommission vom 30. November 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/33.126 und 33.322 - Zement, ABl. L 343, S. 1) verhängten Geldbussen bestätigt.

327 Die Kommission führt aus, jede Zuwiderhandlung weise eigene Besonderheiten auf. Da der Grundsatz der Gleichbehandlung voraussetze, daß vergleichbare Sachverhalte gleich behandelt würden, sei es unmöglich, die im vorliegenden Fall festgesetzten Geldbussen in der Höhe mit denen zu vergleichen, die wegen Zuwiderhandlungen festgesetzt worden seien, die unter anderen Modalitäten und während anderer Zeiträume begangen worden seien. Im übrigen sei sie jedenfalls berechtigt, das Niveau der Geldbussen anzuheben, wenn dies erforderlich sei, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89, Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907).

Würdigung durch das Gericht

328 Nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 kann die Kommission gegen Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages verstossen haben, durch Entscheidung Geldbussen in Höhe von 1 000 ECU bis 1 000 000 ECU oder über diesen Betrag hinaus bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Die Höhe der Geldbusse richtet sich sowohl nach der Schwere als auch nach der Dauer der Zuwiderhandlung. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluß des Gerichtshofes vom 25. März 1996 in der Rechtssache C-137/95 P, SPO u. a./Kommission, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54).

329 Im vorliegenden Fall hat die Kommission bei der Festsetzung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Dauer der Zuwiderhandlung (Randnr. 167 der Entscheidung) und folgenden Erwägungen Rechnung getragen (Randnr. 168 der Entscheidung):

"- Preis- und Marktaufteilungsabsprachen stellen als solche schwere Wettbewerbsbeschränkungen dar;

- das Kartell erstreckte sich praktisch auf das ganze Gebiet der Gemeinschaft;

- der EG-Kartonmarkt ist ein bedeutender Industriesektor, der jedes Jahr einen Wert von bis zu 2,5 Milliarden ECU darstellt;

- die an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen repräsentieren praktisch den gesamten Markt;

- das Kartell wurde in einem System regelmässiger Sitzungen institutionalisiert, in denen der Kartonmarkt in der Gemeinschaft im einzelnen reguliert wurde;

- es wurden aufwendige Schritte unternommen, um die wahre Natur und das wahre Ausmaß der Absprachen zu verschleiern (Fehlen jeglicher offiziellen Sitzungsniederschriften oder Dokumente für den PWG und das JMC; Vorkehrungen gegen das Anfertigen von Notizen; Maßnahmen mit dem Ziel, die Zeitpunkte und die zeitliche Reihenfolge der Preiserhöhungsankündigungen so zu inszenieren, daß die Unternehmen behaupten können, einem Preisführer zu folgen usw.);

- das Kartell war, was die Erreichung seiner Ziele betrifft, weitgehend erfolgreich."

330 Ausserdem geht aus einer Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichts hervor, daß gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 7,5 % des von den Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes festgesetzt wurden.

331 Erstens ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei ihrer Beurteilung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen der Tatsache Rechnung tragen darf, daß offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft immer noch verhältnismässig häufig sind, und daß es ihr daher freisteht, das Niveau der Geldbussen anzuheben, um deren abschreckende Wirkung zu verstärken. Folglich ist die Kommission dadurch, daß sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbussen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 7. Juni 1983 in den Rechtssachen 100/80, 101/80, 102/80 und 103/80, Musique Diffusion française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825, Randnrn. 105 bis 108, und Urteil ICI/Kommission, Randnr. 385).

332 Zweitens hat die Kommission zu Recht geltend gemacht, daß aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles kein direkter Vergleich zwischen dem allgemeinen Niveau der Geldbussen in der streitigen Entscheidung und dem Niveau nach der früheren Entscheidungspraxis der Kommission - insbesondere in der Polypropylen-Entscheidung, die die Kommission selbst als die mit dem vorliegenden Fall am besten vergleichbare Entscheidung ansieht - vorgenommen werden kann. Im Gegensatz zu dem Fall, der Gegenstand der Polypropylen-Entscheidung war, wurde hier nämlich bei der Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen kein genereller mildernder Umstand berücksichtigt. Im übrigen bilden, wie das Gericht bereits festgestellt hat, die aufwendigen Maßnahmen der Unternehmen zur Verschleierung der Existenz der Zuwiderhandlung einen besonders schwerwiegenden Aspekt der Zuwiderhandlung, der sie von den früheren von der Kommission aufgedeckten Zuwiderhandlungen unterscheidet.

333 Drittens ist auf die lange Dauer und die Offenkundigkeit der Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages hinzuweisen, die trotz der Warnung begangen wurde, die die frühere Entscheidungspraxis der Kommission und insbesondere die Polypropylen-Entscheidung hätte darstellen müssen.

334 Aufgrund dieser Gesichtspunkte rechtfertigen die in Randnummer 168 der Entscheidung wiedergegebenen Kriterien das von der Kommission festgelegte allgemeine Niveau der Geldbussen. Das Gericht hat zwar bereits festgestellt, daß die Auswirkungen der Preisabsprache, die die Kommission der Bestimmung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen zugrunde gelegt hat, nur teilweise bewiesen sind. Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann dieses Ergebnis die Beurteilung der Schwere der festgestellten Zuwiderhandlung jedoch nicht spürbar beeinflussen. Insoweit lässt sich schon allein daraus, daß die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt und daß die angekündigten Preise als Grundlage für die Bestimmung der individuellen tatsächlichen Verkaufspreise gedient haben, ableiten, daß die Preisabsprache eine schwere Wettbewerbsbeschränkung sowohl bezweckt als auch bewirkt hat. Das Gericht ist daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, daß die Feststellungen zu den Auswirkungen der Zuwiderhandlung keine Herabsetzung des von der Kommission festgelegten allgemeinen Niveaus der Geldbussen rechtfertigen.

335 Schließlich ist die Kommission bei der hier erfolgten Festlegung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen nicht derart von ihrer früheren Entscheidungspraxis abgewichen, daß sie ihre Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung ausführlicher hätte begründen müssen (vgl. u. a. Urteil des Gerichtshofes vom 26. November 1975 in der Rechtssache 73/74, Groupement des fabricants de papiers peints de Belgique u. a./Kommission, Slg. 1975, 1491, Randnr. 31).

336 Somit ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

E - Zum Klagegrund einer unzureichenden Begründung und eines Verstosses gegen die Verteidigungsrechte in bezug auf die Berechnung der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

337 Die Klägerin trägt vor, um festzustellen, ob die Kommission innerhalb der durch Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gesteckten Grenzen geblieben sei und ihr Ermessen im Bußgeldbereich korrekt und willkürfrei ausgeuebt habe, müsse geprüft werden, ob die Entscheidung eine Beschreibung der von der Kommission angewandten Kriterien enthalte. Die Entscheidung genüge diesen Anforderungen nicht, denn darin werde weder das zur Ermittlung der Geldbussen herangezogene Geschäftsjahr noch der zur Berechnung der einzelnen Geldbussen verwendete Prozentsatz angegeben. Sie könne daher die Rechtmässigkeit der Entscheidung nicht wirksam überprüfen; dies stelle eine offenkundige Verletzung ihrer Verteidigungsrechte dar.

338 Die Kommission führt aus, in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 sei weder explizit noch implizit davon die Rede, daß sie den angewandten Berechnungsmodus angeben müsse. Ausserdem sei die Begründung der Entscheidung in bezug auf die Gesichtspunkte, die für das allgemeine Bußgeldniveau sowie für die Höhe der gegen die einzelnen Unternehmen festgesetzten Geldbussen maßgeblich gewesen seien, voll und ganz mit den in ähnlichen Entscheidungen gegebenen Begründungen vergleichbar. Darüber hinaus gebe es keinen Präzedenzfall, in dem die Verpflichtung aufgestellt worden sei, die zur Berechnung der Geldbussen verwendeten Kriterien im einzelnen anzugeben.

339 Sie sei nicht verpflichtet, die Höhe der Geldbussen anhand einer genauen mathematischen Formel festzulegen; dies könnte die Unternehmen dazu veranlassen, im voraus den Nutzen zu berechnen, den sie aus einer Teilnahme an einem rechtswidrigen Kartell ziehen würden. Sie verfüge bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen über ein Ermessen, da diese ein Instrument ihrer Wettbewerbspolitik darstellten (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 59).

340 Schließlich könne auch die Tatsache, daß ein Mitglied der Kommission bei einer Pressekonferenz rein informatorisch einige zusätzliche Details über die Geldbussen mitgeteilt habe, keine Auswirkungen auf die Entscheidung haben; derartige Angaben bedeuteten auch nicht, daß die Begründung der Entscheidung unzureichend sei.

Würdigung durch das Gericht

341 Nach ständiger Rechtsprechung hat die Pflicht zur Begründung von Einzelfallentscheidungen den Zweck, dem Gemeinschaftsrichter die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Rechtmässigkeit hin zu ermöglichen und den Betroffenen so ausreichend zu unterrichten, daß er erkennen kann, ob die Entscheidung zutreffend begründet oder eventuell mit einem Mangel behaftet ist, der ihre Anfechtung ermöglicht; dabei hängt der Umfang der Begründungspflicht von der Art des fraglichen Rechtsakts und den Umständen ab, unter denen er erlassen wurde (vgl. u. a. Urteil des Gerichts vom 11. Dezember 1996 in der Rechtssache T-49/95, Van Megen Sports/Kommission, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51).

342 Handelt es sich um eine Entscheidung, mit der wie im vorliegenden Fall gegen mehrere Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft Geldbussen festgesetzt werden, so ist bei der Bestimmung des Umfangs der Begründungspflicht insbesondere zu berücksichtigen, daß die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand einer Vielzahl von Gesichtspunkten zu ermitteln ist, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Rechtssache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbussen gehören, ohne daß es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluß SPO u. a./Kommission, Randnr. 54).

343 Ausserdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der einzelnen Geldbussen über ein Ermessen und ist nicht verpflichtet, insoweit eine genaue mathematische Formel anzuwenden (in diesem Sinne auch Urteil Martinelli/Kommission, Randnr. 59).

344 Die zur Ermittlung des allgemeinen Niveaus der Geldbussen und der Höhe der individuellen Geldbussen herangezogenen Kriterien finden sich in den Randnummern 168 und 169 der Entscheidung. Zudem führt die Kommission in bezug auf die individuellen Geldbussen in Randnummer 170 aus, daß die Unternehmen, die an den Sitzungen des PWG teilgenommen hätten, grundsätzlich als "Anführer" des Kartells und die übrigen Unternehmen als dessen "gewöhnliche Mitglieder" angesehen worden seien. Schließlich weist sie in den Randnummern 171 und 172 darauf hin, daß die gegen Rena und Stora festgesetzten Geldbussen erheblich niedriger auszufallen hätten, um deren aktiver Kooperation mit der Kommission Rechnung zu tragen, und daß acht andere Unternehmen, darunter die Klägerin, ebenfalls in den Genuß einer in geringerem Umfang herabgesetzten Geldbusse kommen könnten, da sie in ihren Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte die vorgebrachten Tatsachenbehauptungen der Kommission in der Substanz nicht bestritten hätten.

345 In ihren beim Gericht eingereichten Schriftsätzen und in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat die Kommission erläutert, daß die Geldbussen auf der Grundlage des von den einzelnen Adressaten der Entscheidung auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet worden seien. Gegen die als "Anführer" des Kartells angesehenen Unternehmen seien Geldbussen mit einem Basissatz von 9 % und gegen die übrigen Unternehmen Geldbussen mit einem Basissatz von 7,5 % festgesetzt worden. Schließlich habe die Kommission gegebenenfalls dem kooperativen Verhalten bestimmter Unternehmen während des Verwaltungsverfahrens Rechnung getragen. Bei zwei Unternehmen seien die Geldbussen aus diesem Grund um zwei Drittel und bei anderen Unternehmen um ein Drittel herabgesetzt worden.

346 Im übrigen ergibt sich aus einer von der Kommission vorgelegten Tabelle, die Angaben zur Festlegung der Höhe aller individuellen Geldbussen enthält, daß diese zwar nicht durch streng mathematische Anwendung allein der oben genannten Zahlen ermittelt wurden, daß diese Zahlen jedoch bei der Berechnung der Geldbussen systematisch herangezogen wurden.

347 In der Entscheidung wird aber nicht erläutert, daß die Geldbussen auf der Grundlage des von den einzelnen Unternehmen auf dem Kartonmarkt der Gemeinschaft im Jahr 1990 erzielten Umsatzes berechnet wurden. Auch die zur Berechnung der festgesetzten Geldbussen angewandten Basissätze von 9 % für die als "Anführer" angesehenen Unternehmen und von 7,5 % für die "gewöhnlichen Mitglieder" sind in der Entscheidung nicht zu finden. Gleiches gilt für den Umfang der Herabsetzung bei Rena und Stora einerseits und bei acht anderen Unternehmen andererseits.

348 Im vorliegenden Fall ist erstens davon auszugehen, daß die Randnummern 169 bis 172 der Entscheidung bei einer Auslegung im Licht der in der Entscheidung zu findenden eingehenden Darstellung der jedem ihrer Adressaten zur Last gelegten Sachverhalte ausreichende und sachgerechte Angaben zu den Gesichtspunkten enthalten, die bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung herangezogen wurden (in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache T-2/89, Petrofina/Kommission, Slg. 1991, II-1087, Randnr. 264).

349 Zweitens würde, wenn die Höhe der jeweiligen Geldbussen wie hier auf der Grundlage der systematischen Heranziehung einiger ganz bestimmter Daten ermittelt wird, die Angabe all dieser Faktoren in der Entscheidung den Unternehmen die Beurteilung der Frage erleichtern, ob die Kommission bei der Festlegung der Höhe der individuellen Geldbusse Fehler begangen hat und ob die Höhe jeder individuellen Geldbusse in Anbetracht der angewandten allgemeinen Kriterien gerechtfertigt ist. Im vorliegenden Fall wäre mit der Angabe der fraglichen Faktoren - Referenzumsatz, Referenzjahr, angewandte Basissätze und Umfang der Herabsetzung der Geldbussen - in der Entscheidung keine möglicherweise gegen Artikel 214 des Vertrages verstossende implizite Preisgabe des genauen Umsatzes der Adressaten der Entscheidung verbunden gewesen. Denn der Endbetrag der individuellen Geldbussen ergibt sich, wie die Kommission selbst ausgeführt hat, nicht aus einer streng mathematischen Anwendung dieser Faktoren.

350 Die Kommission hat im übrigen in der Verhandlung eingeräumt, daß sie in der Entscheidung die systematisch berücksichtigten und in einer Pressekonferenz am Tag ihres Erlasses bekanntgegebenen Faktoren durchaus hätte aufzählen können. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß die Begründung einer Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung in der Entscheidung selbst enthalten sein muß und daß nachträgliche Erläuterungen der Kommission nur unter aussergewöhnlichen Umständen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 131; in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1991 in der Rechtssache T-30/89, Hilti/Kommission, Slg. 1991, II-1439, Randnr. 136).

351 Gleichwohl ist festzustellen, daß die Begründung zur Festlegung der Höhe der Geldbussen in den Randnummern 167 bis 172 der Entscheidung mindestens ebenso detailliert ist wie die Begründung in früheren Entscheidungen der Kommission, die ähnliche Zuwiderhandlungen betrafen. Zwar ist der Klagegrund eines Begründungsmangels von Amts wegen zu berücksichtigen, doch hatte der Gemeinschaftsrichter zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung noch in keinem Fall die Praxis der Kommission bei der Begründung der festgesetzten Geldbussen gerügt. Erst im Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-148/89 (Tréfilunion/Kommission, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142) und in zwei anderen Urteilen vom selben Tag in den Rechtssachen T-147/89 (Société métallurgique de Normandie/Kommission, Slg. 1995, II-1057, abgekürzte Veröffentlichung) und T-151/89 (Société des treillis et panneaux soudés/Kommission, Slg. 1995, II-1191, abgekürzte Veröffentlichung) hat es das Gericht erstmals als wünschenswert bezeichnet, daß die Unternehmen die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbusse im einzelnen in Erfahrung bringen können, ohne zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen.

352 Folglich muß die Kommission, wenn sie in einer Entscheidung eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln feststellt und gegen die daran beteiligten Unternehmen Geldbussen verhängt und wenn sie systematisch bestimmte Grundelemente bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen heranzieht, diese Elemente in der Entscheidung selbst angeben, um es deren Adressaten zu ermöglichen, die Richtigkeit der Höhe der Geldbusse zu überprüfen und festzustellen, ob eine Diskriminierung vorliegt.

353 Unter den zuvor in Randnummer 351 genannten besonderen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Kommission bereit war, im gerichtlichen Verfahren alle Auskünfte über den Berechnungsmodus der Geldbussen zu geben, kann das Fehlen einer speziellen Begründung für den Berechnungsmodus der Geldbussen in der Entscheidung im vorliegenden Fall nicht als Verstoß gegen die Begründungspflicht angesehen werden, der die völlige oder teilweise Nichtigerklärung der festgesetzten Geldbussen rechtfertigt. Die Klägerin hat überdies auch nicht dargelegt, daß sie daran gehindert worden wäre, von ihren Verteidigungsrechten sachgerecht Gebrauch zu machen.

354 Der vorliegende Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

F - Zum Klagegrund eines Beurteilungsfehlers der Kommission, der darin bestehen soll, daß sie die Rolle der Klägerin im Rahmen des Kartells sowie ihr tatsächliches Marktverhalten nicht gebührend berücksichtigt habe, und einer insoweit unzureichenden Begründung

Vorbringen der Parteien

355 Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe ihre besondere Stellung auf dem Markt und innerhalb der PG Karton nicht gebührend berücksichtigt. Sie beschreibt im einzelnen ihre Marktstellung und führt aus, nach der Produktionskapazität sei sie 1990 nur der fünftgrösste und 1991 nur der viertgrösste Hersteller in Westeuropa gewesen (vgl. die in Randnr. 9 der Entscheidung erwähnten Studien), wobei ihr Marktanteil nur halb so groß gewesen sei wie der des Marktführers. Ausserdem habe sie aufgrund ihrer Spezialisierung auf die GD-Sorten nicht über die Flexibilität der Hersteller verfügt, die sowohl im GD-Bereich als auch im GC-Bereich grosse Mengen produziert hätten. Sie sei starken Angriffen sowohl der skandinavischen Hersteller, die durch den unmittelbaren und integrierten Zugang zu Rohfasern begünstigt würden, als auch der deutschen und österreichischen Hersteller, die durch die nationalen Regelungen über die Wiederverwertung begünstigt würden, ausgesetzt gewesen und immer noch ausgesetzt. Um mit der Dynamik dieser Konkurrenten Schritt halten zu können, habe sie sich 1986 darum bemüht, in den Kreis der Teilnehmer an den Treffen der PG Karton aufgenommen zu werden; diese Teilnahme habe ihr die Kontrolle des Verhaltens ihrer Hauptkonkurrenten ermöglichen sollen.

356 Die Kommission habe keinen Beweis für das tatsächliche Verhalten der Klägerin vorgelegt und nichts vorgetragen, was deren folgende Argumente widerlegen könnte: a) Sie habe ihre tatsächlichen Verkaufspreise autonom und im Einklang mit den Marktbedingungen festgelegt, b) es habe beträchtliche Unterschiede zwischen den angekündigten Preisen und den tatsächlichen Verkaufspreisen gegeben, c) ihre Marktanteile hätten während des gesamten fraglichen Zeitraums erheblich geschwankt, und d) in Übereinstimmung mit den Marktbedingungen habe sie die Produktion nie unterbrochen. Sie habe keinerlei Initiativen zur Einschränkung der Handlungsfreiheit ihrer Konkurrenten ergriffen. Der einzige Beweis für ein solches Verhalten finde sich in einem privaten Vermerk, der zwischen zwei Geschäftsführern von Konkurrenzunternehmen ausgetauscht worden sei. Dieser Vermerk sei jedoch allgemein gehalten und nehme auf ein Verhalten Bezug, das der Klägerin lediglich zugeschrieben werde (Anlage 109 der Mitteilung der Beschwerdepunkte).

357 Eine Prüfung ihres tatsächlichen Verhaltens hätte gezeigt, daß dies im angeblichen Kartell keine Entsprechung gefunden habe; dies hätte die Kommission dazu veranlassen müssen, die Situation der Klägerin bei der Ermittlung der Höhe der Geldbusse wesentlich günstiger zu beurteilen. Der bei FS-Karton gefundene und von der Kommission als Beweis für die tatsächliche Umsetzung des Kartells durch die Klägerin herangezogene Vermerk betreffe keineswegs ihr tatsächliches Marktverhalten, sondern belege nur eine Beteiligung an einer Absprache über die angekündigten Preise.

358 Schließlich sei die Entscheidung insofern unzureichend begründet, als die Kommission es ohne Angabe von Gründen unterlassen habe, wesentliche von der Klägerin vorgetragene Gesichtspunkte in bezug auf ihre Rolle in der PG Karton und ihr Marktverhalten zu beurteilen.

359 Die Kommission trägt vor, sie habe in Randnummer 169 der Entscheidung sowohl der Rolle jedes Unternehmens bei den Absprachen als auch dem tatsächlichen Verhalten der Klägerin Rechnung getragen. Die Entscheidung sei in diesem Punkt ordnungsgemäß begründet.

Würdigung durch das Gericht

360 Den Feststellungen zu den von der Klägerin zur Stützung ihres Antrags auf völlige oder teilweise Nichtigerklärung von Artikel 1 der Entscheidung geltend gemachten Klagegründen ist zu entnehmen, daß die Kommission nachgewiesen hat, daß der PWG die in der Entscheidung beschriebenen Funktionen hatte.

361 Unter diesen Umständen war die Kommission zu dem Schluß berechtigt, daß die Unternehmen, die an den Sitzungen dieses Gremiums teilnahmen und zu denen die Klägerin gehört, als "Anführer" der festgestellten Zuwiderhandlung anzusehen waren und aus diesem Grund eine besondere Verantwortung zu tragen hatten (vgl. Randnr. 170 Absatz 1 der Entscheidung). Die Erläuterungen der Klägerin, daß sie nur deshalb an den Sitzungen des PWG teilgenommen habe, um Informationen zu erlangen, die ihr die Kontrolle des Verhaltens ihrer Hauptkonkurrenten ermöglichten, bestätigen lediglich das im wesentlichen wettbewerbsfeindliche Ziel ihrer Teilnahme.

362 Im übrigen hat die Klägerin nicht dargetan, daß sie in den Gremien der PG Karton eine weitgehend passive Rolle gespielt und daß sie ihr tatsächliches Marktverhalten stets autonom festgelegt hätte.

363 Insoweit ist unstreitig, daß sie an den konzertierten Preisinitiativen tatsächlich mitwirkte, indem sie die vereinbarten Preiserhöhungen auf dem Markt ankündigte. Darüber hinaus ergibt sich, wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat, aus Anlage 109 der Mitteilung der Beschwerdepunkte (siehe oben, Randnr. 55), daß die Klägerin an andere Hersteller appellierte, sich an die vereinbarten Preiserhöhungen zu halten. Schließlich gibt es beim effektiven Preisverhalten der Klägerin keinen Anhaltspunkt dafür, daß ihre tatsächlichen Verkaufspreise spürbar niedriger gewesen wären als die der anderen an der Preisabsprache beteiligten Hersteller.

364 Zu dem Vorbringen der Klägerin, ihre Marktanteile hätten in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum der Zuwiderhandlung geschwankt, genügt die Feststellung, daß diese Schwankungen nach Angaben der Klägerin damit zu erklären sind, daß mehrere Hersteller ihre Produktionskapazität erhöht hatten, um den bis 1990 anhaltenden starken Anstieg der Nachfrage zu befriedigen. Unter diesen Umständen können die Schwankungen der Marktanteile der Klägerin, auch wenn sie ihre Produktionskapazität erst im Februar 1991 durch den Erwerb von Prat Carton erhöhte, ihre Verantwortung für ihr wettbewerbswidriges Verhalten nicht verringern.

365 Hinzu kommt, daß sich die Marktbedingungen erst im Jahr 1990 dahin gehend entwickelten, daß sich die Unternehmen tatsächlich zu Abstellzeiten gezwungen sahen, und daß auch nach den Angaben in der Entscheidung insoweit nur ein "loses System der Ermutigung" bestand (siehe oben, Randnrn. 96 und 151). Die Klägerin nahm an den Sitzungen teil, auf denen die Frage der Abstellzeiten angesprochen wurde, ohne sich offen von den dortigen Erörterungen zu distanzieren; deshalb läge selbst dann, wenn man unterstellt, daß die Klägerin in dem von der Entscheidung erfassten Zeitraum keine Produktionsunterbrechungen vornahm, darin kein Beweis dafür, daß ihr individuelles Verhalten dazu beitragen konnte, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der festgestellten Zuwiderhandlung zu mindern.

366 Im Ergebnis enthält die Entscheidung bei Berücksichtigung aller ihrer Begründungserwägungen eine hinreichende Begründung für die Beurteilung der Rolle der Klägerin bei der festgestellten Zuwiderhandlung und ihres Marktverhaltens durch die Kommission.

367 Folglich ist auch der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

G - Zu dem Klagegrund, der darauf gestützt wird, daß die Kommission bestimmte mildernde Umstände hätte berücksichtigen müssen

Vorbringen der Parteien

368 Die Klägerin trägt vor, selbst wenn man davon ausgehe, daß das Kartell im allgemeinen Auswirkungen auf die Marktbedingungen gehabt habe, hätte die Kommission zumindest als mildernde Umstände eine Reihe von Gesichtspunkten heranziehen müssen, die zeigten, daß das Kartell keine oder nur unerhebliche Auswirkungen auf das für die Beurteilung ihrer Situation maßgebliche Marktsegment gehabt habe.

369 Erstens hätte die Kommission berücksichtigen müssen, daß die tatsächlichen Verkaufspreise, die sie zwischen 1986 und 1992 auf dem italienischen Markt - dem Hauptabsatzgebiet für ihre Erzeugnisse - erzielt habe, stets der Entwicklung des Indexes der Industriepreise gefolgt seien. Zweitens hätte sie berücksichtigen müssen, wie leicht Karton durch andere Arten von Erzeugnissen - z. B. alle Plastikderivate - ersetzt werden könne; dies bedeute, daß jegliche "Ausbeutung" des Marktes ausgeschlossen oder stark eingeschränkt sei. Schließlich hätte die Kommission drittens berücksichtigen müssen, daß die GD-Sorten im fraglichen Zeitraum einen erheblichen Marktanteil an die GC-Sorten verloren hätten. Auch angesichts des gesunkenen Marktanteils der Klägerin und des Umfangs der Erhöhungen der italienischen Preise, der geringer gewesen sei als die Preiserhöhungen auf den anderen europäischen Märkten, sei daraus zu schließen, daß das Kartell der Klägerin keinen Erfolg gebracht habe.

370 Die Kommission weist darauf hin, daß die Auswirkung des Kartells als Ganzes auf den Markt zu beurteilen sei und daß das Kartell unter diesem Blickwinkel sehr erfolgreich gewesen sei. Jedenfalls könne keiner der von der Klägerin angeführten Gesichtspunkte als mildernder Umstand angesehen werden, der eine Herabsetzung der Geldbusse rechtfertige.

Würdigung durch das Gericht

371 Das Gericht hat bereits geprüft, ob die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt ordnungsgemäß beurteilt hat (siehe oben, Randnrn. 295 ff.) und ob das Marktverhalten der Klägerin bei der Festlegung der Höhe der Geldbusse als mildernder Umstand hätte berücksichtigt werden müssen (siehe oben, Randnrn. 360 ff.).

372 Angesichts der dort getroffenen Feststellungen kann dem Vorbringen der Klägerin im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes nicht gefolgt werden.

373 Da die Preisabsprache sowohl GC-Karton als auch GD-Karton betraf und es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß das individuelle Verhalten der Klägerin dazu beigetragen hat, die wettbewerbswidrigen Wirkungen der Zuwiderhandlung zu mindern, hat die Kommission bei der Festsetzung der Höhe der gegen die Klägerin verhängten Geldbusse den Absatzrückgang bei GD-Karton zugunsten von GC-Karton zu Recht nicht berücksichtigt. Ausserdem hat die Klägerin nicht nachgewiesen, daß zwischen der Zuwiderhandlung und der Entwicklung der Marktanteile der verschiedenen Kartonsorten ein Zusammenhang bestand.

374 Selbst wenn die Erhöhungen der tatsächlichen Verkaufspreise auf dem italienischen Markt - dem Hauptabsatzgebiet der Klägerin - geringer ausgefallen sein sollten als auf den anderen Märkten der Gemeinschaft, genügt im übrigen der Hinweis, daß sich die Preisabsprache, an der die Klägerin mitwirkte, fast auf das gesamte Gebiet der Gemeinschaft erstreckte und daß die Klägerin die vereinbarten Preiserhöhungen auf allen wichtigen europäischen Märkten ankündigte (vgl. die der Entscheidung beigefügten Tabellen B bis G).

375 Schließlich ist eine etwaige weitgehende Austauschbarkeit von Karton und anderen Erzeugnissen nicht geeignet, die vom Gericht bereits getroffenen Feststellungen zu den Auswirkungen der Preisabsprache zu beeinflussen (siehe oben, Randnrn. 295 ff.).

376 Folglich ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

H - Zum Klagegrund eines sachlichen Fehlers bei der Berechnung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse

Vorbringen der Parteien

377 Die Klägerin macht geltend, der Kommission sei bei der Berechnung der Geldbusse ein sachlicher Fehler unterlaufen. Die Beklagte habe den im August 1991 in Beantwortung eines Auskunftsverlangens im Sinne von Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 mitgeteilten Betrag des Umsatzes im Jahr 1990 herangezogen, obwohl sie die Geldbusse anhand des 1993 als Anlage zur Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelten berichtigten und bestätigten Umsatzes hätte berechnen müssen.

378 Unter diesen Umständen sei der Kommission nicht nur ein sachlicher Fehler bei der Berechnung der gegen die Klägerin festgesetzten Geldbusse unterlaufen, sondern sie habe auch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstossen, da die gegen die übrigen Adressaten der Entscheidung festgesetzten Geldbussen auf korrekter Grundlage berechnet worden seien. Durch die Berechnung der Geldbusse auf der Grundlage einer Umsatzzahl, die mitgeteilt worden bei, bevor die Klägerin mit der Möglichkeit der Festsetzung einer Geldbusse habe rechnen können, und durch die Nichtbeachtung der später übermittelten bestätigten Zahlen habe die Kommission auch die Verteidigungsrechte der Klägerin verletzt.

379 Die Kommission entgegnet, sie habe den in Beantwortung eines Auskunftsverlangens im Sinne von Artikel 11 der Verordnung Nr. 17 angegebenen Umsatz gerade deshalb herangezogen, um jede Beanstandung auszuschließen; für sie sei nicht ersichtlich, weshalb die vor der Mitteilung der Beschwerdepunkte übermittelte Zahl falsch und die danach genannte Zahl richtig sein solle.

Würdigung durch das Gericht

380 Nach dem Inhalt der Akten hat die Kommission keinen Fehler begangen, als sie bei der Berechnung der Geldbusse den von der Klägerin im August 1991 mitgeteilten und nicht den im Mai 1993 übermittelten berichtigten Umsatz des Jahres 1990 zugrunde legte. Ein Unternehmen, das während des Verwaltungsverfahrens vor der Kommission eine ihr zuvor in Beantwortung eines ihrer Auskunftsverlangen übermittelte Zahlenangabe wie den Umsatz berichtigt, muß eingehend die Gründe erläutern, aus denen die ursprüngliche Angabe im weiteren Verfahren nicht mehr herangezogen werden soll.

381 Dies ist hier aber nicht geschehen. Die Klägerin hat sich in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte auf den Hinweis beschränkt, daß der Umsatz des Jahres 1990 durch den Abzug von Beträgen berichtigt worden sei, die mit konzerninternen Leistungen, dem Verkauf von durch die Untersuchung der Kommission nicht betroffenen Erzeugnissen (Schachteln und unbehandelter Karton), Reklamationen, Mengenprämien, unverkaufter Ware und den Kunden gewährten Rabatten zusammenhingen, ohne diese Berichtigung durch detaillierte Zahlenangaben zu untermauern. Ausserdem ist der berichtigte Umsatz nicht durch einen Rechnungsprüfer bestätigt worden; die Klägerin hat in der Verhandlung eingeräumt, daß ihre dahin gehende Behauptung unzutreffend war. Folglich war die Kommission berechtigt, nicht den berichtigten Umsatz heranzuziehen und die Geldbusse anhand des ursprünglich mitgeteilten Umsatzes zu berechnen.

382 Der Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

I - Zum Klagegrund eines methodischen Fehlers bei der Berechnung der Geldbusse

Vorbringen der Parteien

383 Die Klägerin führt aus, die Kommission habe zur Bestimmung der Höhe der festgesetzten Geldbusse zunächst den im Referenzgeschäftsjahr, dem Geschäftsjahr 1990, erzielten Umsatz unter Verwendung des durchschnittlichen Wechselkurses für dieses Jahr in Ecu umgerechnet und sodann unter Anwendung des zuvor gewählten Prozentsatzes, der in ihrem Fall 6 % betragen habe, die Höhe der Geldbusse ermittelt. Bei dieser Vorgehensweise habe die Kommission die Wirkungen der Währungsschwankungen ausser acht gelassen, da sowohl die spanische Peseta als auch die italienische Lira seit 1990 gegenüber dem ECU und den anderen europäischen Währungen stark gefallen seien. In nationaler Währung müsste sie heute etwa 2 452 Millionen PTA aufbringen, um die Geldbusse zu zahlen. Auf der Grundlage des bestätigten Umsatzes (27 256 Millionen PTA) bei Kartonverkäufen innerhalb der Gemeinschaft im Jahr 1990 hätte sich eine Geldbusse von 6 % dieses Betrages aber auf etwa 1 635 Millionen PTA belaufen müssen. Die tatsächlich festgesetzte Geldbusse stelle somit eine zusätzliche finanzielle Belastung von 817 Millionen PTA dar. Ziehe man den Wechselkurs zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung heran, so entspreche die Höhe der Geldbusse tatsächlich etwa 9 % des Umsatzes im Jahr 1990. Daher sei davon auszugehen, daß die Kommission entweder die Herabsetzung um ein Drittel unterlassen habe, obwohl sie von ihr zugestanden worden sei, oder daß die Geldbusse vor dieser Herabsetzung etwa 13,4 % des Umsatzes des Referenzjahres betragen und damit die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene rechtliche Grenze von 10 % des Umsatzes überschritten habe.

384 Im (Prozent-)Satz der Geldbusse solle zum Ausdruck kommen, zu welchem Ergebnis die Kommission in bezug auf die Höhe und somit die Wirkung gelangt sei, die die Geldbusse im Verhältnis zum Umsatz des betreffenden Unternehmens haben solle. Daraus folge aber, daß die Höhe der Geldbusse auf der Grundlage der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung zu ermitteln sei, während Faktoren wie die Währungsschwankungen, die mit der zu ahndenden Zuwiderhandlung nichts zu tun hätten und ihrem Urheber nicht anzulasten seien, somit keinen Einfluß auf die Höhe der Geldbusse haben dürften. Insoweit sei auf die Schlussanträge von Generalanwalt Sir Gordon Slynn in der Rechtssache Musique Diffusion française u. a./Kommission (Slg. 1983, 1914) zu verweisen, wonach bei der Festlegung der Höhe der Geldbussen die neuesten Umsatzzahlen zu berücksichtigen seien, in denen die wirkliche Lage des Unternehmens am besten zum Ausdruck komme.

385 Ihre Auffassung, daß Wechselkursschwankungen keinen Einfluß auf die Höhe der Geldbusse haben dürften, werde durch das Urteil des Gerichtshofes vom 9. März 1977 in den Rechtssachen 41/73, 43/73 und 44/73 - Auslegung (Société anonyme générale sucrière u. a./Kommission, Slg. 1977, 445, Randnrn. 12 bis 17) bestätigt. In ihrer Erwiderung wendet sich die Klägerin gegen die Auffassung der Kommission, nach der dieses Urteil bestätige, daß die Umrechnung der damals geltenden Rechnungseinheit (RE) in Landeswährung nicht erforderlich gewesen wäre, wenn es sich um eine Währung gehandelt hätte, in der Zahlungen hätten vorgenommen werden können.

386 Die Entscheidung führe auch zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen, da die Währungsschwankungen das Verhältnis zwischen den verschiedenen festgesetzten Geldbussen grundlegend veränderten. Zwischen 1990 und 1994 habe die Peseta gegenüber dem Ecu 22 % an Wert verloren, während die österreichische, die deutsche und die niederländische Währung im gleichen Zeitraum gegenüber dem Ecu etwa 7,5 % an Wert gewonnen hätten. Folglich werde der Klägerin ohne jede objektive Rechtfertigung eine Geldbusse auferlegt, die für sie mit Mehrkosten von etwa 30 % gegenüber den gegen andere, insbesondere deutsche Unternehmen festgesetzten Geldbussen verbunden sei.

387 Die Kommission sei nicht verpflichtet, die Geldbusse in Ecu anzugeben, und sie hätte die Geldbusse daher in Landeswährung angeben müssen, um ungerechtfertigte Ungleichbehandlungen zu verhindern. Selbst wenn die Kommission befugt sein sollte, die Geldbusse in Ecu anzugeben, hätte sie zumindest den Wechselkurs verwenden müssen, der die Gleichbehandlung gewährleiste, d. h. den Wechselkurs zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbusse (dem Tag der Veröffentlichung oder der Notifizierung der Entscheidung).

388 Die Kommission weist darauf hin, daß sie gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 Geldbussen in Höhe von "bis zu zehn vom Hundert des... im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes" jedes an der Zuwiderhandlung Beteiligten festsetzen könne. Dieser auf den Gesamtumsatz angewandte Satz von 10 % stelle die Obergrenze der Geldbusse dar (Urteil des Gerichtshofes vom 8. Februar 1990 in der Rechtssache C-279/87, Tipp-Ex/Kommission, Slg. 1990, I-261, abgekürzte Veröffentlichung, Randnrn. 38 ff.). Da die Kommission die Geldbusse unter Bezugnahme auf das Geschäftsjahr 1990 - das letzte vollständige Geschäftsjahr, in dem das Kartell tätig geworden sei - ermittelt und alle Umsatzzahlen auf der Grundlage des durchschnittlichen Wechselkurses dieses Jahres in ECU umgerechnet habe, habe sie sich in den durch die Verordnung Nr. 17 gesteckten Grenzen gehalten.

389 Die Umrechnung in Ecu auf der Grundlage des Wechselkurses im Referenzjahr ergebe den tatsächlichen Umsatz in Ecu; damit solle gerade jede Ungleichbehandlung der betroffenen Unternehmen infolge von Schwankungen der Landeswährungen der einzelnen Mitgliedstaaten verhindert werden. Das Urteil Société anonyme générale sucrière u. a./Kommission stütze die Auffassung der Klägerin nicht. Aus ihm gehe klar hervor, daß es nur die Frage betreffe, ob die Geldbusse in Landeswährung habe angegeben werden müssen, weil die RE keine Währung gewesen sei, in der Zahlungen hätten vorgenommen werden können.

390 Was die angeblich diskriminierenden Wirkungen der angewandten Methode anbelange, so sei die Gefahr von Währungsschwankungen mit dem internationalen Handel und Warenverkehr untrennbar verbunden. Es handele sich dabei um einen nicht zu beseitigenden Faktor, der sich in jedem Fall auf die Höhe der Geldbusse zum Zeitpunkt der Zahlung auswirke. Gerade durch die Umrechnung der Umsatzzahlen in Ecu werde eine Ungleichbehandlung jedoch so weit wie möglich ausgeschlossen. Auf diese Weise werde die "effektive" Geldbusse berechnet. Die Festsetzung in Landeswährung würde sie zu einer rein nominalen Geldbusse machen und, wie die Berechnungen der Klägerin bewiesen, die Unternehmen begünstigen, deren Umsatz in Weichwährungen angegeben sei. Der Wert des Ecu richte sich jedoch nach dem Wert aller Landeswährungen, und da die Adressaten der Entscheidung in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig seien und mit verschiedenen Landeswährungen arbeiteten, entspreche die Umrechnung in Ecu einer wirksamen Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung.

391 Dem Vorbringen der Klägerin, daß zumindest der Wechselkurs zum Zeitpunkt der Verhängung der Geldbusse hätte herangezogen werden müssen, sei entgegenzuhalten, daß der Umsatz im Referenzjahr einen tatsächlichen Wert zum damals geltenden Kurs und nicht zu dem später beim Erlaß der Entscheidung geltenden Kurs gehabt habe.

Würdigung durch das Gericht

392 Gemäß Artikel 4 der Entscheidung sind die festgesetzten Geldbussen in Ecu zu zahlen.

393 Die Kommission ist nicht daran gehindert, die Geldbusse in Ecu anzugeben, einer in Landeswährung konvertierbaren Währungseinheit. Dies erleichtert es den Unternehmen im übrigen, die Beträge der festgesetzten Geldbussen miteinander zu vergleichen. Ausserdem unterscheidet die Umrechnungsmöglichkeit des Ecu in Landeswährung diese Währungseinheit von der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 erwähnten "Rechnungseinheit", bei der nach der ausdrücklichen Feststellung des Gerichtshofes der Betrag der Geldbusse zwangsläufig in Landeswährung bestimmt werden musste, da sie keine Währung ist, in der Zahlungen vorgenommen werden können (Urteil Société anonyme générale sucrière u. a./Kommission, Randnr. 15).

394 Den Einwänden der Klägerin gegen die Methode der Kommission, den Umsatz der Unternehmen im Referenzjahr zum durchschnittlichen Wechselkurs dieses Jahres (1990) in Ecu umzurechnen, ist nicht zu folgen.

395 Zunächst muß die Kommission bei der Berechnung der Geldbussen gegen Unternehmen, die wegen Beteiligung an derselben Zuwiderhandlung verfolgt werden, normalerweise dieselbe Methode anwenden (vgl. Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 122).

396 Sodann muß sie, um die verschiedenen mitgeteilten Umsätze, die in den jeweiligen Landeswährungen der betreffenden Unternehmen angegeben sind, miteinander vergleichen zu können, diese Zahlen in dieselbe Währungseinheit umrechnen. Da sich der Wert des Ecu nach dem Wert aller Landeswährungen der Mitgliedstaaten richtet, hat die Kommission die Umsätze der einzelnen Unternehmen zu Recht in Ecu umgerechnet.

397 Sie hat sich auch zu Recht auf den Umsatz im Referenzjahr (1990) gestützt und diesen Umsatz auf der Grundlage der durchschnittlichen Wechselkurse dieses Jahres in Ecu umgerechnet. Zum einen hat es ihr die Heranziehung des von den einzelnen Unternehmen im Referenzjahr - dem letzten vollständigen in den Zeitraum der Zuwiderhandlung einbezogenen Jahr - erzielten Umsatzes ermöglicht, die Grösse und die Wirtschaftskraft jedes Unternehmens sowie das Ausmaß der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung einzuschätzen; dies sind für die Beurteilung der Schwere der von den einzelnen Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung relevante Gesichtspunkte (vgl. Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnrn. 120 und 121). Zum anderen konnte sie durch die Heranziehung der durchschnittlichen Wechselkurse im gewählten Referenzjahr bei der Umrechnung der fraglichen Umsätze in Ecu verhindern, daß etwaige Währungsschwankungen seit der Beendigung der Zuwiderhandlung die Beurteilung der relativen Grösse und Wirtschaftskraft der Unternehmen sowie des Ausmasses der von jedem von ihnen begangenen Zuwiderhandlung und damit die Beurteilung der Schwere dieser Zuwiderhandlung beeinflussen. Die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung muß sich nämlich auf die tatsächliche wirtschaftliche Lage zur Zeit ihrer Begehung beziehen.

398 Folglich kann dem Vorbringen, daß der Umsatz im Referenzjahr auf der Grundlage des zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung geltenden Wechselkurses in Ecu hätte umgerechnet werden müssen, nicht gefolgt werden. Die Methode, die Geldbusse unter Heranziehung des durchschnittlichen Wechselkurses im Referenzjahr zu berechnen, erlaubt es, die zufälligen Auswirkungen von Änderungen des tatsächlichen Wertes der Landeswährungen auszuschließen, die zwischen dem Referenzjahr und dem Jahr des Erlasses der Entscheidung eintreten können und im vorliegenden Fall auch eingetreten sind. Diese Methode kann zwar dazu führen, daß ein bestimmtes Unternehmen einen Betrag zahlen muß, der - in Landeswährung - nominal höher oder niedriger ist als der Betrag, der bei Anwendung des Wechselkurses zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung hätte gezahlt werden müssen; dies ist jedoch nur die logische Folge der Schwankungen des tatsächlichen Wertes der einzelnen Landeswährungen.

399 Hinzu kommt, daß mehrere Adressaten der Entscheidung Kartonwerke in mehr als einem Land besitzen (vgl. Randnrn. 7, 8 und 11 der Entscheidung). Ausserdem sind die Adressaten der Entscheidung im allgemeinen über örtliche Vertretungen in mehr als einem Mitgliedstaat tätig. Sie arbeiten folglich mit mehreren nationalen Währungen. Die Klägerin selbst erzielt einen beträchtlichen Teil ihres Umsatzes auf den Exportmärkten. Werden mit einer Entscheidung der in Rede stehenden Art Verstösse gegen Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages geahndet, und sind die Adressaten der Entscheidung im allgemeinen in mehreren Mitgliedstaaten tätig, so besteht der zum durchschnittlichen Wechselkurs des Referenzjahres in Ecu umgerechnete Umsatz dieses Jahres aus der Summe der Umsätze in allen Ländern, in denen das Unternehmen tätig ist. Er trägt somit der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation der betreffenden Unternehmen im Referenzjahr voll und ganz Rechnung.

400 Schließlich ist zu prüfen, ob die Behauptung der Klägerin zutrifft, daß die in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Obergrenze von "zehn vom Hundert des... im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes" infolge der nach dem Referenzjahr eingetretenen Währungsschwankungen überschritten wurde.

401 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes bezieht sich der in dieser Bestimmung genannte Prozentsatz auf den Gesamtumsatz des fraglichen Unternehmens (Urteil Musique Diffusion française u. a./Kommission, Randnr. 119).

402 Das "letzte Geschäftsjahr" im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 ist das dem Erlaß der Entscheidung vorangegangene Jahr, d. h. im vorliegenden Fall das letzte vollständige Geschäftsjahr jedes betroffenen Unternehmens am 13. Juli 1994.

403 In Anbetracht dieser Gesichtspunkte ist auf der Grundlage der von der Klägerin in Beantwortung einer schriftlichen Frage des Gerichts gegebenen Auskünfte festzustellen, daß der Betrag der Geldbusse, umgerechnet in Landeswährung zu dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung geltenden Wechselkurs, 10 % des Gesamtumsatzes der Klägerin im Jahr 1993 nicht übersteigt.

404 Nach alledem ist der vorliegende Klagegrund zurückzuweisen.

J - Zum Klagegrund einer falschen Berechnung des Teils der Geldbusse, der auf die Prat Carton zur Last gelegte Zuwiderhandlung entfällt, und eines dabei begangenen Verstosses gegen die Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

405 Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe den Teil der Geldbusse, der auf die angeblich von Prat Carton begangene Zuwiderhandlung entfalle, insofern falsch berechnet, als sie den gleichen Prozentsatz des Umsatzes wie bei der Klägerin, d. h. 9 %, verringert um ein Drittel wegen der Kooperation des Unternehmens während der Untersuchung des Falles, herangezogen habe. Die auf die Sitzungen des JMC von Juni 1990 bis März 1991 beschränkte Beteiligung von Prat Carton und die Tatsache, daß sie nicht zu den "Anführern" gehört habe, hätten aber eine Herabsetzung der Geldbusse gerechtfertigt.

406 Schließlich rügt die Klägerin, daß die Berechnung des Teils der Geldbusse, der auf die Prat Carton zur Last gelegte Zuwiderhandlung entfalle, völlig undurchschaubar sei und einer Begründung entbehre.

407 Die Kommission weist darauf hin, daß die Klägerin, die Prat Carton im Februar 1991 übernommen habe, für deren wettbewerbswidriges Verhalten während der gesamten Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Kartell verantwortlich sei, wie in Randnummer 154 der Entscheidung ausgeführt worden sei. Da gegen die Klägerin nur eine, auf der Grundlage ihres Gesamtumsatzes im Kartonsektor und somit unter Einbeziehung des Umsatzes von Prat Carton berechnete Geldbusse festgesetzt worden sei, habe das Verhalten des letztgenannten Unternehmens nicht zur Verhängung einer gesonderten Geldbusse geführt. Das Vorbringen der Klägerin stehe folglich im Widerspruch zu der Tatsache, daß nur gegen sie eine Geldbusse festgesetzt worden sei.

408 Unter diesen Umständen sei auch jeder Vorwurf einer insoweit undurchschaubaren oder widersprüchlichen Begründung der Entscheidung zurückzuweisen.

Würdigung durch das Gericht

409 Nach Angaben der Kommission beträgt die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse 6 % der Summe des 1990 von ihr und Prat Carton erzielten Umsatzes (der bei den "Anführern" herangezogene Satz von 9 %, verringert um ein Drittel wegen der als kooperativ eingestuften Haltung der Klägerin). Auch wenn es in einem solchen Fall wünschenswert ist, daß die Entscheidung eine ausführlichere Begründung der angewandten Berechnungsmethode enthält, ist die von der Klägerin erhobene Rüge eines Verstosses gegen Artikel 190 des Vertrages aus den bereits genannten Gründen (siehe oben, Randnrn. 351 bis 353) zurückzuweisen.

410 Des weiteren hat die Kommission, wie bereits festgestellt wurde (siehe oben, Randnr. 250), nachgewiesen, daß sich Prat Carton in der Zeit von Juni 1990 bis Februar 1991 an der Preisabsprache und an der Absprache über die Abstellzeiten beteiligte. Dagegen hat sie weder die Beteiligung von Prat Carton an einer Absprache über die Marktanteile im selben Zeitraum noch ihre Beteiligung an einem der in Artikel 1 der Entscheidung beschriebenen Bestandteile der Zuwiderhandlung zwischen Mitte 1986 und Juni 1990 hinreichend nachgewiesen.

411 In Anbetracht der Tatsache, daß sich Prat Carton nur an einigen Bestandteilen der Zuwiderhandlung beteiligte und daß sich ihre Beteiligung auf einen kürzeren als den von der Kommission angenommenen Zeitraum erstreckte, ist die gegen die Klägerin festgesetzte Geldbusse herabzusetzen.

412 Da im vorliegenden Fall kein anderer der von der Klägerin geltend gemachten Klagegründe eine Herabsetzung der Geldbusse rechtfertigt, setzt das Gericht diese in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf 14 000 000 ECU fest.

Kostenentscheidung:

Kosten

413 Gemäß Artikel 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, daß jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da der Klage nur teilweise stattgegeben wurde, hält es das Gericht bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles für geboten, der Klägerin ihre eigenen Kosten sowie die Hälfte der Kosten der Kommission und dieser die andere Hälfte ihrer eigenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DAS GERICHT

(Dritte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Artikel 2 Absätze 1 bis 4 der Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (IV/C/33.833 - Karton) wird in bezug auf die Klägerin mit Ausnahme folgender Passagen für nichtig erklärt:

"Die in Artikel 1 bezeichneten Unternehmen stellen, soweit noch nicht geschehen, den genannten Verstoß unverzueglich ab. Sie sehen im Zusammenhang mit ihren Tätigkeiten im Kartonbereich künftig von allen Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ab, mit denen gleiches oder ähnliches bezweckt oder bewirkt wird, einschließlich jedes Austauschs von Geschäftsinformationen,

a) durch den die Teilnehmer mittel- oder unmittelbar Kenntnis von der Produktion, den Verkäufen, dem Auftragsbestand, der Kapazitätsausnutzung, den Verkaufspreisen, den Kosten oder den Absatzplänen anderer einzelner Hersteller erlangen.

Jedes System für den Austausch allgemeiner Informationen (wie das FIDES-System oder dessen Nachfolgesystem), an dem sie sich beteiligen, ist so zu gestalten, daß es alle Informationen, mit denen sich das Verhalten einzelner Hersteller ermitteln lässt, ausschließt."

2. Die Höhe der in Artikel 3 der Entscheidung 94/601 gegen die Klägerin verhängten Geldbusse wird auf 14 000 000 ECU festgesetzt.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und die Hälfte der Kosten der Kommission.

5. Die Kommission trägt die Hälfte ihrer eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

Zurück