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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäisches Gericht
Beschluss verkündet am 25.06.2002
Aktenzeichen: T-34/02 R (1)
Rechtsgebiete: Entscheidung 2001/882/EG, EG


Vorschriften:

Entscheidung 2001/882/EG
EG Art. 87 Abs. 1
EG Art. 87 Abs. 3 Buchst. e
EG Art. 92
EG Art. 93
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS

25. Juni 2002

"Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Staatliche Beihilfen - Als Entwicklungshilfe gewährte Beihilfen für den Schiffbau und Schiffsumbau - Rückforderung - Berechtigtes Vertrauen - Fumus boni iuris - Dringlichkeit"

Parteien:

In der Rechtssache T-34/02 R

B, wohnhaft in Versailles (Frankreich), und 255 weitere Antragsteller, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt P. Kirch, in der mündlichen Verhandlung unterstützt durch Rechtsanwalt N. Chahid-Nouraï, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsteller,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung 2001/882/EG der Kommission vom 25. Juli 2001 über die staatliche Beihilfe in Form einer Entwicklungshilfe Frankreichs für das Passagierschiff "Le Levant" der Werft Alstom Leroux Naval für Saint-Pierre und Miquelon (ABl. L 327, S. 37)

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe:

Rechtlicher Rahmen

1.

Artikel 87 Absatz 1 EG lautet:

"Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen."

2.

Nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe e EG können "sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt", als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.

3.

Auf der Grundlage dieser Vorschrift, des früheren Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe d EG-Vertrag, erließ der Rat am 21. Dezember 1990 die Richtlinie 90/684/EWG über Beihilfen für den Schiffbau (ABl. L 380, S. 27, im Folgenden: Siebte Richtlinie).

Die Siebte Richtlinie

4.

Nach Artikel 1 Buchstabe d der Siebten Richtlinie gelten als Beihilfen

"[d]ie in den Artikeln 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG] und 93 [nach Änderung jetzt Artikel 88 EG] des Vertrages vorgesehenen staatlichen Beihilfen. Dieser Begriff umfasst nicht nur die vom Staat selbst, sondern auch die von den Gebietskörperschaften gewährten Beihilfen sowie Beihilfeelemente, die möglicherweise in den Finanzierungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten zugunsten mittelbar oder unmittelbar von ihnen kontrollierter Schiffbau- und Schiffsreparaturbetriebe enthalten sind und nach der normalen marktwirtschaftlichen Unternehmenspraxis nicht zum haftenden Kapital gehören.

Diese Beihilfen können als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, wenn sie den in dieser Richtlinie enthaltenen Kriterien für die Erteilung einer Ausnahmeregelung entsprechen."

5.

In Kapitel II dieser Richtlinie, das die "Betriebsbeihilfen" betrifft, bestimmt Artikel 4 Absatz 1: "Produktionsbeihilfen zugunsten des Schiffbaus und des Schiffsumbaus können als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden, sofern die Gesamthöhe der für jeden einzelnen Bauauftrag gewährten Beihilfen - in Subventionsäquivalent - eine gemeinsame .Höchstgrenze nicht überschreitet."

6.

Artikel 4 Absatz 7 der Siebten Richtlinie lautet: "Beihilfen für den Schiffbau oder den Schiffsumbau, die einem Entwicklungsland als Entwicklungshilfe gewährt werden, unterliegen nicht der Beihilfehöchstgrenze. Sie dürfen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gelten, sofern sie den Bedingungen entsprechen, die zu diesem Zweck von der Arbeitsgruppe 6 der OECD in ihrer Vereinbarung über die Auslegung der Artikel 6 bis 8 der im vorstehenden Absatz 6 genannten OECD-Vereinbarung oder in einem späteren Zusatz oder einer Berichtigung zu dieser Vereinbarung festgelegt worden sind. Die einzelnen Beihilfevorhaben dieser Art müssen der Kommission zuvor mitgeteilt werden. Die Kommission prüft, welches besondere Entwicklungsziel mit der geplanten Beihilfe verfolgt wird und ob sie in den Anwendungsbereich der in Unterabsatz 1 genannten Vereinbarung fällt."

7.

Die Kommission führte in ihrem Schreiben an die Mitgliedstaaten vom 3. Januar 1989 (SG[89] D/311) aus, dass Mitgliedstaaten, die einem Entwicklungsland Beihilfen für den Bau und den Umbau von Schiffen als Entwicklungshilfe gewähren, die geltenden Bestimmungen des OECD-Abkommens beachten müssen. Dort heißt es u. a.:

"1. Die Beihilfe darf nicht für den Bau von Schiffen gewährt werden, die unter einer Billigflagge eingesetzt werden.

2. Falls die Beihilfe nicht als staatliche Entwicklungshilfe gemäß der OECD-Definition eingestuft werden kann, muss der Geber bestätigen, dass sie Bestandteil einer Regierungsvereinbarung ist.

3. Der Geber muss den Nachweis erbringen, dass der tatsächliche Eigner im begünstigten Land sesshaft ist und dass es sich bei dem begünstigten Unternehmen nicht um eine passive Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens handelt.

4. Der Begünstigte muss sich verpflichten, das Schiff nicht ohne vorherige Zustimmung der Regierung zu verkaufen."

Die Verordnung Nr. 659/1999

8.

Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1) ist am 16. April 1999 in Kraft getreten.

9.

Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung verpflichtet die Kommission, ein förmliches Prüfverfahren zu eröffnen, wenn nach einer vorläufigen Prüfung Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer mutmaßlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt bestehen. Gemäß Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung fordert sie den betreffenden Mitgliedstaat und die anderen Beteiligten zur Stellungnahme innerhalb einer bestimmten Frist auf.

10.

Artikel 14 der Verordnung Nr. 659/1999, der die Rückforderung von Beihilfen betrifft, bestimmt:

"(1) In Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern ... Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde.

...

(3) Unbeschadet einer Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nach Artikel [242 EG] erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen."

Die streitige Entscheidung

11.

Die Kommission erfuhr Ende 1998 durch die Presse, dass das in Frankreich von der Werft Alstom Leroux Naval zu einem Vertragspreis von 228,55 Mio. FRF gebaute Passagierschiff "Le Levant" durch Steuerermäßigungen zugunsten der am Schiffbau beteiligten Investoren finanziert worden war.

12.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 1999 teilte die Kommission den französischen Behörden mit, dass sie das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG eröffnen werde. Die entsprechende Entscheidung wurde am 5. Februar 2000 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht (ABl. C 33, S. 6, im Folgenden: Eröffnungsentscheidung). Die Kommission äußerte dort Zweifel an der Einhaltung der in Artikel 4 Absatz 7 der Siebten Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen. Ferner forderte sie die Beteiligten zur Stellungnahme binnen eines Monats nach der Veröffentlichung auf.

13.

Die EURL Le Levant 114, eine der an der Finanzierung des Schiffes beteiligten Ein-Personen-Gesellschaften mit beschränkter Haftung (EURL) (siehe unten, Randnrn. 23 bis 29) ersuchte die Kommission, genauer darzulegen, wen sie als die durch die zu prüfende Beihilfe Begünstigten ansehe. Sie bat die Kommission insbesondere, zu bestätigen, dass sie keine Beteiligte sei. Da die Kommission darauf nicht antwortete, erneuerte die EURL Le Levant 114 ihr Ersuchen mit Schreiben vom 19. Juli 2001. Die Kommission entgegnete darauf am 24. Juli 2001, die den Beteiligten für die Abgabe von Stellungnahmen gesetzte Frist sei längst abgelaufen.

14.

Am 25. Juli 2001 erließ die Kommission die Entscheidung 2001/882/EG über die staatliche Beihilfe in Form einer Entwicklungshilfe Frankreichs für das Passagierschiff "Le Levant" der Werft Alstom Leroux Naval für Saint-Pierre und Miquelon (ABl. L 327, S. 37, im Folgenden: streitige Entscheidung).

15.

Die Beihilfe wird in Nummer 5 der streitigen Entscheidung wie folgt beschrieben:

"Die Beihilfe wurde 1996 anlässlich des Erwerbs des Passagierschiffs .Le Levant durch eine Gruppe von Privatinvestoren, die sich zu diesem Zweck zusammengeschlossen hatten, auf Initiative der [Betriebsgeheimnis] gewährt. Das Schiff wurde anschließend an [die Compagnie des Iles du Levant (im Folgenden: CIL)] vermietet. CIL ist eine Tochtergesellschaft der in Wallis und Futuna eingetragenen französischen Compagnie des Iles du Ponant. Die Investoren durften ihre Investitionskosten von ihrem steuerbaren Einkommen absetzen. Aufgrund dieser Steuerermäßigungen konnte CIL das Schiff zu günstigen Bedingungen betreiben. Die Investoren müssen ihre Schiffsanteile nach fünf Jahren, d. h. Anfang 2004, an die [Betriebsgeheimnis] verkaufen. CIL muss ihrerseits diese Anteile von der [Betriebsgeheimnis] zu einem Preis erwerben, der dem Wert der Beihilfe Rechnung trägt. Die Beihilfe wurde von der Auflage abhängig gemacht, dass CIL das Schiff mindestens fünf Jahre lang insbesondere auf der Strecke von und nach Saint-Pierre und Miquelon an 160 Tagen im Jahr betreibt."

16. Aus Nummer 6 der streitigen Entscheidung ergibt sich, dass die Beihilfe in Anwendung einer Steuerregelung gewährt wurde, die unter dem Namen "Gesetz Pons" bekannt ist und Steuerermäßigungen zur Förderung von Investitionen in den französischen Überseedepartements und -gebieten vorsieht. Diese Regelung war 1992 von der Kommission genehmigt worden.

17.

Nach Nummer 16 der streitigen Entscheidung muss die für das fragliche Schiff gewährte Beihilfe gemäß Artikel 4 Absatz 7 der Siebten Richtlinie gewürdigt werden, "da es sich um eine 1996 als Entwicklungshilfe gewährte Schiffbaubeihilfe aufgrund einer 1992 genehmigten Beihilferegelung (Gesetz Pons) handelt".

18.

Die Kommission ist der Auffassung, dass das Vorhaben die Kriterien der Entwicklungshilfe erfülle, wie sie von der OECD aufgestellt und von der Kommission ausgelegt wurden (siehe oben, Randnr. 7). Ihrer Meinung nach ist jedoch das Entwicklungskriterium, über dessen Einhaltung sie zu wachen hat (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-400/92, Deutschland/Kommission, Slg. 1994, I-4701), im vorliegenden Fall nicht erfüllt (Nrn. 22 bis 33 der streitigen Entscheidung).

19.

Die Kommission stellte fest, dass die fragliche Beihilfe, die rechtswidrig durchgeführt worden sei, mit der Siebten Richtlinie nicht in Einklang stehe und folglich mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei. Sie müsse deswegen "zuzüglich der Zinsen zurückgezahlt werden" (Nr. 34 der streitigen Entscheidung).

20.

Die Kommission führt in Nummer 35 der streitigen Entscheidung aus, dass "die unmittelbaren Empfänger der messbaren Beihilfe" die Investoren seien, "die in den Genuss der Steuerermäßigungen gekommen" seien. Sie setzt ihre Prüfung in Nummer 36 fort und legt dar, dass CIL die "Hauptbegünstigte" sein werde, sobald das Schiff im Jahre 2004 preisgünstig an sie verkauft worden sei. Was die Werft betrifft, ist die Kommission der Auffassung, dass diese "indirekt von der Beihilfe profitiert hat, da sie auf diese Weise einen Auftrag erhalten hat, der ihr vielleicht sonst nicht zuteil geworden wäre" (Nr. 37 der streitigen Entscheidung).

21.

In Nummer 39 heißt es, dass "die Beihilfe von den Investoren als den unmittelbaren Beihilfeempfängern und gegenwärtigen Eigentümern des Schiffes" zurückgezahlt werden müsste, "die in den Genuss der Steuerermäßigungen gekommen sind und diese Vorteile als Eigentümer eines zu günstigen Bedingungen gekauften Schiffes weiterhin erhalten werden". Die Kommission führt in Nummer 40 aus: "Wäre das Schiff an CIL zu einem niedrigeren als dem Marktpreis verkauft worden und wäre die Beihilfe folglich an das Unternehmen weitergegeben worden, so müsste CIL die Beihilfe zurückzahlen", und fährt fort: "Da aber der Transfer nicht vor Mitte 2003 stattfinden wird, kann der Schiffsbetreiber CIL für die Rückzahlung der Beihilfe im gegenwärtigen Stadium nicht verantwortlich gemacht werden."

22.

Der verfügende Teil der Entscheidung lautet:

"Artikel 1

Die staatliche Beihilfe, die Frankreich in Form von Steuerermäßigungen als Entwicklungshilfe für das in der Werft Alstom Leroux Naval gebaute Schiff .Le Levant, das im französischen Gebiet Saint-Pierre und Miquelon betrieben werden soll, gewährt hat, ist keine echte Entwicklungshilfe im Sinne des Artikels 4 Absatz 7 der [Siebten Richtlinie] und ist demnach mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.

Artikel 2

(1) Frankreich ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannte rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe von den Investoren, die die unmittelbaren Empfänger der Beihilfe und gegenwärtigen Eigentümer des Passagierschiffes sind, zurückzufordern und alle weiteren Beihilfezahlungen einzustellen.

(2) Die Rückforderung der Beihilfe erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen ...

Artikel 3

Frankreich teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.

Artikel 4

Diese Entscheidung ist an die Republik Frankreich gerichtet."

Einzelheiten des Finanzgeschäfts

23.

Nach den Akten besteht das fragliche Geschäft darin, die Finanzierung des Schiffes Le Levant durch Investoren vornehmen zu lassen, bei denen es sich um aus natürlichen Personen bestehende EURL handelt, die ausdrücklich zu diesem Zweck gegründet wurden und in einer maritimen Miteigentümergemeinschaft zusammengeschlossen sind. Das Interesse der Investoren an einer Beteiligung an diesem Geschäft ergibt sich daraus, dass ihnen die Möglichkeit eröffnet wird, den Einstandspreis der Investition und die Belastungen, die mit dem Erwerb (Zinsen) und der Haltung (Amortisierungen) des Schiffes verbunden sind, sowie die sich eventuell aus seinem Betrieb ergebenden Verluste von ihrem steuerbaren Einkommen abzuziehen.

24.

Im Dezember 1996 begründete eine Bank das Miteigentum an dem Schiff Le Levant, das in 740 Miteigentumsanteile (Schiffsanteile) aufgeteilt wurde. Miteigentümer waren ursprünglich CIL mit zwei Schiffsanteilen und die Bank, die 738 Schiffsanteile besaß. CIL ist Geschäftsführerin der Miteigentümergemeinschaft und haftet daher unbeschränkt und selbstschuldnerisch für deren Schulden.

25.

Die Investoren, die natürliche Personen sind, erwarben die ursprünglich von der Bank gehaltenen Schiffsanteile im Rahmen eines von dieser ausgeschriebenen öffentlichen Sparaufrufs über eine zu diesem Zweck gegründete EURL. Zweck der EURL ist nach ihren Satzungen der Erwerb der Schiffsanteile, die Aufnahme eines Hypothekendarlehens zur Finanzierung eines Teils der Anschaffungskosten des Schiffes, der unmittelbare Betrieb des Schiffes durch die Miteigentümergemeinschaft und der Weiterverkauf der Schiffsanteile in Erfüllung insbesondere der unwiderruflichen Verkaufszusage der Bank oder einer später an deren Stelle tretenden Gesellschaft. Auf diese Weise wurden insgesamt 738 Schiffsanteile an 281 EURL verkauft, von denen jede mindestens zwei Schiffsanteile erwerben musste.

26.

Im Jahr des Erwerbs der Schiffsanteile entsprach der Finanzbedarf der EURL dem Kaufpreis für die Schiffsanteile, wobei der Preis für den Erwerb eines Postens von zwei Schiffsanteilen, der die Mindestinvestition bildete, 636 216 FRF betrug, sowie der Übernahme verschiedener Kosten. Dieser Finanzbedarf wurde durch das Stammkapital gedeckt, das sich aus der ursprünglichen Einlage des Investors von 50 000 FRF für einen Posten von zwei Schiffsanteilen, dem Anteil an dem von CIL bei jeder EURL zur Sicherung ihrer ordnungsgemäßen Verwaltung hinterlegten Betrag und einem mittelfristigen Darlehen zusammensetzte, das von der Bank zum festen Zinssatz von 8 % zur Deckung des verbleibenden Finanzbedarfs gewährt wurde.

27.

Während der Betriebsphase wird der Finanzbedarf der EURL für ein eventuelles negatives Betriebsergebnis (allerdings nur in bestimmten Grenzen), die Finanzierungskosten des Bankdarlehens, die Rückzahlungsraten für das Darlehen und die Betriebskosten durch jährliche Kapitalerhöhungen gedeckt, die von den Gesellschaftern der EURL vorgenommen und mit den von ihnen realisierten Steuerersparnissen finanziert werden. Tatsächlich benutzt jeder Investor die Steuerersparnis des vorhergehenden Jahres zur Finanzierung der Kapitalerhöhung seiner EURL.

28.

CIL muss sieben Jahre lang den Betrieb, die Instandhaltung sowie die technische und kaufmännische Verwaltung des Schiffes für die maritime Miteigentümergemeinschaft sicherstellen. Außerdem verpflichtete sie sich den Investoren gegenüber, ein Mindest-Bruttobetriebsergebnis zu erzielen und die Vorausschätzungen übersteigende etwaige Verluste auszugleichen. Dafür erhält CIL eine finanzielle Gegenleistung.

29.

Die Bank verpflichtete sich gegenüber den Investoren, die Anteile an den EURL bis zum 15. Dezember 2003 zu erwerben. Im Übrigen verpflichtete sich jede EURL, ihre Schiffsanteile vor dem 29. Februar 2004 an die Bank zu verkaufen. Parallel dazu verpflichtete sich CIL, der Bank vor dem 31. Januar 2004 alle Schiffsanteile abzukaufen, und diese verpflichtete sich, sie der CIL vor dem 29. Februar 2004 zu verkaufen.

Verfahren

30.

Die Französische Republik hat am 8. Oktober 2001 beim Gerichtshof Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben, aber nicht die Aussetzung ihres Vollzugs beantragt. Diese Rechtssache, die unter der Nummer C-394/01 in das Register eingetragen worden ist, ist noch beim Gerichtshof anhängig. Die Französische Republik stützt ihre Klage auf einen einzigen Grund, der die Beurteilung der Entwicklungskomponente der fraglichen Beihilfe betrifft.

31.

Am 20. Februar 2002 haben die EURL Le Levant 001 und weitere 274 EURL sowie Herr B und 255 andere natürliche Personen beim Gericht Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung erhoben. Diese Rechtssache ist unter der Nummer T-34/02 in das Register des Gerichts eingetragen worden.

32.

Die Rechtssache T-34/02 ist durch Beschluss des Präsidenten der Fünften erweiterten Kammer des Gerichts vom 30. April 2002 bis zur abschließenden Entscheidung des Gerichtshofes in der Rechtssache C-394/01 ausgesetzt worden.

33.

Herr B und 255 weitere natürliche Personen (im Folgenden: Herr B u. a. oder die Antragsteller) haben mit besonderem Schriftsatz, der am 23. April 2002 eingereicht worden ist,

- die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung bis zur Prüfung des Aussetzungsantrags durch das Gericht und seiner Entscheidung darüber,

- die Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung bis zur Entscheidung über die Begründetheit der Nichtigkeitsklage beantragt.

34.

Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat in einem dem Antrag auf einstweilige Anordnung beigefügten Schreiben beantragt, die Namen der Antragsteller geheim zu halten und bestimmte Informationen nicht zu veröffentlichen.

35.

Die Kommission ist ersucht worden, zu dem gemäß Artikel 105 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts gestellten Antrag auf Aussetzung des Vollzugs bis zur Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung Stellung zu nehmen und anzugeben, ob die französischen Behörden ihr gemäß Artikel 3 der streitigen Entscheidung mitgeteilt haben, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen ergriffen wurden, um der streitigen Entscheidung nachzukommen. Die Kommission hat ihre Erklärungen am 7. Mai 2002 eingereicht.

36.

Am selben Tag haben die Antragsteller ergänzende Erklärungen eingereicht.

37.

Die Kommission hat ihre Erklärungen zum Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung bis zum Erlass des Urteils über die Begründetheit der Klage auf Nichtigerklärung am 22. Mai 2002 abgegeben, nachdem sie eine Verlängerung der ursprünglich festgesetzten Frist beantragt und erhalten hatte. Sie hat in ihren Erklärungen zu dem Antrag auf Geheimhaltung der Namen der Antragsteller und Nichtveröffentlichung bestimmter Informationen Stellung genommen.

38.

Die Antragsteller haben in der Sitzung vom 13. Juni 2002 mündlich verhandelt. In dieser Verhandlung wurde dem im Verfahren der einstweiligen Anordnung von den Antragstellern gestellten Antrag auf Geheimhaltung ihrer Namen stattgegeben.

Entscheidungsgründe

39.

Nach Artikel 242 EG in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der durch den Beschluss 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) geänderten Fassung kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen.

40.

Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung müssen Anträge auf einstweilige Anordnung die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen bestehen kumulativ, so dass ein Antrag auf Aussetzung des Vollzugs zurückgewiesen werden muss, wenn eine davon nicht erfüllt ist (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 Privatinvestoren[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30, und Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juli 1998 in der Rechtssache T-73/98 R, Prayon-Rupel/Kommission, Slg. 1998, II-2769, Randnr. 25, und vom 4. April 2002 in der Rechtssache T-198/01 R, Glaswerke Ilmenau/Kommission, Slg. 2002, II-0000, Randnr. 50).

Vorbringen der Parteien

Zum Fumus boni iuris

41.

Die Antragsteller machen vorab geltend, es sei widersprüchlich, festzustellen, dass die mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärte Beihilfe eine Beihilfe für den Schiffbau darstelle, und als die wirklichen Begünstigten der angeblichen Beihilfe, die sie folglich zurückzuzahlen hätten, "Privatinvestoren" anzugeben (Nr. 5 der streitigen Entscheidung), die zeitweilig in den Genuss des angeblichen wirtschaftlichen Vorteils gekommen seien. Die Antragsteller weisen wiederholt darauf hin, dass sie als Privatinvestoren gehandelt hätten und keine Unternehmen im Sinne des Urteils des Gerichtshofes vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90 (Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 21) seien.

42.

Die Antragsteller machen folgende neun der elf Gründe geltend, auf die sie im Hauptverfahren ihre Auffassung gestützt haben, dass die streitige Entscheidung rechtswidrig sei.

43.

Erstens machen sie einen Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g EG in Verbindung mit den Artikeln 5 EG, 87 EG und 211 EG sowie die Verletzung verschiedener Grundrechte geltend. Die Kommission habe durch den Erlass einer Entscheidung, mit der sie einen Mitgliedstaat verpflichte, den Betrag der angeblichen Beihilfe von bloßen Privatleuten und nicht von Unternehmen zurückzufordern, ohne dass dies zur Wiederherstellung eines unverfälschten Wettbewerbs führe, ihre Befugnisse überschritten.

44.

Zweitens machen sie die Verletzung wesentlicher Grundsätze des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die Rechte der Verteidigung und das Recht, gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG und somit Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 659/1999 angehört zu werden, sowie einen Verstoß gegen die in Artikel 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten verankerten Grundsätze geltend. Die Kommission habe es den Drittbeteiligten nämlich nicht ermöglicht, vor Erlass der streitigen Entscheidung sachdienlich Stellung zu nehmen.

45.

Drittens machen sie geltend, Artikel 87 Absatz 1 EG sei dadurch verletzt worden, dass bloße Privatleute in der streitigen Entscheidung als "Empfänger" der angeblichen staatlichen Beihilfe bezeichnet würden, die zur Rückzahlung verpflichtet seien. Diese Vorschrift des Vertrages betreffe jedoch nur "Unternehmen" im Sinne der Wettbewerbsvorschriften des Gemeinschaftsrechts, d. h. auf einem Markt tätige Wirtschaftsteilnehmer.

46.

Viertens tragen die Antragsteller vor, Artikel 4 Absatz 7 der Siebten Richtlinie sei verletzt, da dieser nur auf Werften oder Schiffsbetreiber anwendbar sei, keinesfalls aber auf Privatinvestoren, die eine Geldanlage getätigt hätten.

47.

Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gerügt, da die Kommission die Privatinvestoren in dem Glauben gelassen habe, dass sie von der streitigen Entscheidung nicht betroffen seien.

48.

Sechstens führen die Antragsteller aus, die Kommission habe dadurch den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzt, dass sie in der streitigen Entscheidung keine Angaben zur Berechnung des genauen Betrages der von den Privatinvestoren zurückzufordernden Beihilfe gemacht habe, die es ihnen ermöglicht hätten, diesen Betrag in Erfahrung zu bringen.

49.

Der siebte Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen Artikel 14 der Verordnung Nr. 659/1999, da die Rückforderung der angeblichen Beihilfe den genannten allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts zuwiderlaufe.

50.

Mit dem achten Klagegrund tragen die Antragsteller vor, die streitige Entscheidung enthalte einerseits sachliche Fehler hinsichtlich der Beziehungen zwischen CIL und den Privatinvestoren sowie der Verpflichtung zum Betrieb des Schiffes und andererseits offensichtliche Fehler bei der Beurteilung der Tatsachen im Hinblick auf die Berechnung der Höhe der angeblichen Beihilfe, die Bedingungen des Rückkaufs des Schiffes durch CIL und die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen des Geschäfts.

51.

Mit dem neunten Klagegrund wird schließlich geltend gemacht, die in Artikel 253 EG verankerte Begründungspflicht sei dadurch verletzt worden, dass die streitige Entscheidung den relevanten Markt und den Wettbewerbsvorteil, der den Privatinvestoren angeblich zugute gekommen sei, nicht bezeichne und auch nicht angebe, nach welcher Methode die Entwicklungskomponente der Beihilfe berechnet worden sei.

52.

Die Kommission hat, wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, zwar die Stichhaltigkeit der vorgebrachten Klagegründe verneint, aber nicht vorgetragen, dass sie schon auf den ersten Blick völlig unhaltbar seien.

Zur Dringlichkeit und zur Interessenabwägung

53.

Die Antragsteller weisen vorab darauf hin, dass sie sich alle in der gleichen Lage befänden. Aus diesem Grund liefen sie alle Gefahr, im Fall des Vollzugs der streitigen Entscheidung einen gleichartigen Schaden zu erleiden. Die Beitreibung der Beträge, die den Steuerermäßigungen entsprächen, könnte nämlich in der Weise erfolgen, dass die für das Finanzgeschäft ursprünglich erteilte steuerliche Genehmigung zurückgenommen und sodann den an dem Geschäft beteiligten natürlichen Personen Steuerberichtigungsbescheide zugestellt würden, mit denen sie zur sofortigen Nachzahlung der Steuern, die sie im Rahmen dieses Geschäfts eingespart hätten, zumindest aber der Steuern, die sie ursprünglich bei der Subskription eingespart hätten, verpflichtet würden. Die Beitreibung dieser Beträge würde jedoch das Gleichgewicht des Finanzgeschäfts sofort und unwiderruflich beseitigen und damit die EURL, die ein wesentliches Element dieses Geschäfts seien, in Gefahr bringen. Der den Privatinvestoren gewährte Steuervorteil sei nämlich wirtschaftlich an die Beteiligung an der jährlichen Kapitalerhöhung der EURL geknüpft, die es allein ermögliche, deren exaktes finanzielles Gleichgewicht aufrechtzuerhalten.

54.

Unter diesen Umständen könnte das Dringlichkeitserfordernis nach Maßgabe der Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 7. Juni 1985 in der Rechtssache 154/85 R (Kommission/Italien, Slg. 1985,1753), vom 25. Oktober 1985 in der Rechtssache 293/85 R (Kommission/Belgien, Slg. 1985,3521) und vom 28. Juni 1990 in der Rechtssache C-195/90 R (Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-2715) im Hinblick auf eine "Klasse", eine "Kategorie" oder eine "Gruppe" von Personen, die die gleichen Merkmale aufwiesen, beurteilt werden.

55.

Die Antragsteller tragen zunächst vor, die nachteiligen Auswirkungen der finanziellen und immateriellen Schäden träfen natürliche Personen härter als juristische Personen, und führen sodann aus, der sofortige Vollzug der streitigen Entscheidung werde vier verschiedene Schäden nach sich ziehen.

56.

Erstens drohe ihnen bei Zahlung der den ursprünglichen Steuerermäßigungen entsprechenden Beträge ein Vermögensschaden im Sinne eines sofortigen Verlustes ihrer finanziellen Stabilität. Privatpersonen verfügten im Allgemeinen nicht über genügend Barmittel, um unvorhergesehene Schulden sofort tilgen zu können.

57.

Zweitens würde der Vollzug der streitigen Entscheidung zu einem immateriellen Schaden führen. Sie würde die Antragsteller nämlich zur Einleitung eines Verfahrens sowohl vor den französischen als auch vor den europäischen Gerichten zwingen, was mit Ärger, Zeitverlust und erheblichen Kosten verbunden wäre. Zudem würde die Rückforderung in Form eines Steuerberichtigungsbescheids - ein Verfahren, das im Allgemeinen bei einem Irrtum oder einer betrügerischen Handlung des Steuerpflichtigen angewandt werde - zu einer besonders unangenehmen Situation führen. Schließlich wären in Sonderfällen die Erben bereits verstorbener Schiffsanteilseigner gezwungen, deren nachgelassenes Vermögen zu überprüfen, was natürlich in affektiver Hinsicht schwierig wäre.

58.

Drittens würde der Vollzug der streitigen Entscheidung den Fortbestand der EURL selbst gefährden, da dann die Kapitalerhöhungen nicht mehr mit den Steuerersparnissen ihrer Alleingesellschafter finanziert werden könnten. Nach dem Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juni 1994 in der Rechtssache T-88/94 R (Société commerciale des potasses et de l'azote und Entreprise minière et chimique, Slg. 1994, II-401, Randnr. 33) könne jedoch nicht bestritten werden, dass die Auflösung einer Gesellschaft für diese ebenso wie für ihre Gesellschafter grundsätzlich einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden mit sich bringe.

59.

Viertens würde das getätigte Geschäft das Verschwinden der EURL, die die Grundlage des Finanzierungsmechanismus bildeten, nicht überdauern, es sei denn, die Antragsteller wären bereit, ein Finanzgeschäft fortzuführen, das ihnen Verluste brächte und somit ihren Vermögensinteressen zuwiderliefe. Der Vollzug der streitigen Entscheidung würde ihnen somit die Gelegenheit nehmen, ein interessantes Finanzgeschäft zu tätigen, und sogar für sie einen Verlust beim Weiterverkauf des Schiffes mit sich bringen. Der Verlust einer Gelegenheit sei bereits als schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden angesehen worden (Beschluss in der Rechtssache Kommission/Belgien, Randnrn. 20 und 23).

60.

Im Übrigen würde das von den französischen und den Gemeinschaftsbehörden anerkannte und berechtigte Ziel, die Entwicklung in den überseeischen Departements und Gebieten zu fördern, nicht mehr verfolgt, wenn dem Geschäft durch den Vollzug der streitigen Entscheidung ein Ende gesetzt würde.

61.

Die Antragsteller weisen darauf hin, dass der Vermögensschaden irreparabel sei, wenn er im Fall der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung später nicht wieder gutgemacht werden könne, da er nicht bezifferbar sei (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 7. Juli 1998 in der Rechtssache T-65/98 R, Van den Bergh Foods/Kommission, Slg. 1998, II-2641, Randnr. 65). Tatsächlich sei es unmöglich, die zu gewährenden Steuerermäßigungen, die von der zukünftigen Vermögenslage jedes Antragstellers abhingen, genau zu beziffern oder vorab den Preis festzusetzen, zu dem das Schiff nach Beendigung des fünfjährigen Miteigentums hätte verkauft werden können. Schließlich seien natürliche Personen anders als Unternehmen (juristische Personen) den Wechselfällen des Lebens unterworfen, wodurch jede Hoffnung auf einen in unbestimmter Zukunft liegenden Ersatz des durch einen sofortigen Vollzug der streitigen Entscheidung verursachten Schadens problematisch und aleatorisch werde. Da es sich um die erste Entscheidung handele, durch die die Rückforderung einer staatlichen Beihilfe von Privatinvestoren angeordnet werde, müsse der Ausgleich zwischen dem Interesse der Bürger und dem der Gemeinschaftsbehörden dadurch bewirkt werden, dass der Vollzug grundsätzlich ausgesetzt werde, wenn Vermögensinteressen natürlicher Personen im Spiel seien.

62.

Der Ausgleich zwischen den Interessen der Antragsteller einerseits und dem öffentlichen Interesse sowie den Interessen Dritter andererseits rechtfertige die beantragte Aussetzung des Vollzugs.

63.

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die Dringlichkeitsvoraussetzung nicht gegeben sei.

64.

Vor allem sei völlig unbewiesen, dass die Durchführung der streitigen Entscheidung unmittelbar bevorstehe. So hätten die französischen Behörden sie in einem Schreiben vom 19. Oktober 2001 über die Schwierigkeiten bei der Durchführung der streitigen Entscheidung unterrichtet und zugleich mehrere Vorschläge gemacht, die eine Abschwächung der Wirkungen der Rückforderung bezweckt hätten. Diese Vorschläge seien mit Schreiben des Generaldirektors der Generaldirektion "Wettbewerb" der Kommission vom 29. Januar 2002 abgelehnt worden. Seither habe die Kommission keine Informationen von den französischen Behörden mehr erhalten.

65.

Zudem betone der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller in seinem Schreiben vom 7. Mai 2002 an den Kanzler des Gerichts, "dass diese Steuerrückforderung jederzeit erfolgen kann"; dies bestätige, dass die erste Phase des Rückforderungsverfahrens noch gegen keinen Antragsteller eingeleitet worden sei.

66.

Da sich der Zeitpunkt der tatsächlichen Durchführung der streitigen Entscheidung durch den betroffenen Mitgliedstaat nicht mit Sicherheit aus den Akten ergebe, fehle es an einem Beweis für einen unmittelbar drohenden Schaden (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 7. November 1995 in der Rechtssache T-168/95 R, Eridania u. a./Rat, Slg. 1995, II-2817, Randnr. 35).

67.

Jedenfalls bestehe das Rückforderungsverfahren aus mehreren Phasen, und erst nach deren Abschluss könnte den Antragstellern tatsächlich der Bescheid über die Rückforderung der ihnen gewährten Steuerermäßigungen zugestellt werden. Die innerstaatliche Rechtsordnung stelle insbesondere hinsichtlich der vorab zu treffenden Entscheidung über die Rücknahme der steuerlichen Genehmigung geeignete Rechtsbehelfe einschließlich der Möglichkeit, die Aussetzung des Vollzugs zu beantragen, zur Verfügung. Somit entfalle die Gefahr des Eintritts des von den Antragstellern befürchteten Schadens.

68.

Hilfsweise verneint die Kommission zunächst, dass der angeblich entstandene Schaden unter Bezugnahme auf eine "Klasse", eine "Kategorie" oder eine "Gruppe" von Personen bestimmt werden könne, die dieselben Merkmale aufwiesen, ohne dass auch nur entfernt auf ihre persönliche Lage Bezug genommen werde. Keine der von den Antragstellern herangezogenen gerichtlichen Entscheidungen sei einschlägig. Jedenfalls seien die Situation jedes der Privatinvestoren, die die einzigen Gesellschafter der EURL seien, und der Schaden, der diesen im Fall der Durchführung der streitigen Entscheidung drohe, nicht für alle Antragsteller identisch.

69.

Weiter bestreitet die Kommission den schweren und nicht wieder gutzumachenden Charakter jedes der Schäden, die B und den übrigen Antragstellern entstünden, wenn die Durchführung der streitigen Entscheidung nicht ausgesetzt würde. Insbesondere sei nicht dargetan worden, dass sie die angeblichen finanziellen Verluste nicht tragen könnten.

70.

In ihren Schriftsätzen und in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission außerdem auf Faktoren hingewiesen, die es ermöglichten, die außervertragliche Haftung der Promotoren des Projekts "Le Levant", nämlich der betroffenen Bank und der Compagnie des Iles du Ponant sowie der CIL als Geschäftsführerin der Miteigentümergemeinschaft, geltend zu machen.

71.

Unter dem Gesichtspunkt der Abwägung der widerstreitenden Interessen neige sie eindeutig zu einer Ablehnung des Aussetzungsantrags.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

Zum Fumus boni iuris

72.

Die Antragsteller konzentrieren ihre Erklärungen auf die Frage, ob Privatinvestoren sowie Rechtsgebilde ohne wirtschaftliche Aktivität aufgrund einer Geldanlage, die sie allein zum Zweck der Steuerersparnis getätigt haben, in den Geltungsbereich des Artikels 87 Absatz 1 EG fallen können.

73.

In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie das Vorbringen der Antragsteller nicht als völlig haltlos ansehe.

74.

Hinsichtlich der Hauptrüge der Antragsteller ist der Richter der einstweiligen Anordnung der Auffassung, dass einige der vorgebrachten Klagegründe und Argumente ernst zu nehmen sind und auf den ersten Blick Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Entscheidung begründen können. Diese Zweifel konnten beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens durch die Erklärungen der Kommission in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt werden.

75.

Zwar steht außer Frage, dass ein beihilfebegünstigtes Unternehmen, da die Überwachung der staatlichen Beihilfen durch die Kommission in Artikel 88 EG zwingend vorgeschrieben ist, auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe grundsätzlich nur dann vertrauen darf, wenn sie unter Beachtung des in diesem Artikel vorgesehenen Verfahrens gewährt wurde (Urteil des Gerichtshofes vom 20. September 1990 in der Rechtssache C-5/89, Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437, Randnr. 14). Im vorliegenden Fall lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass die Antragsteller annehmen durften, dass sie nicht als Unternehmen im Sinne des Gemeinschaftsrechts angesehen würden und dass ihnen gegenüber kein Rückforderungsverfahren eingeleitet werden würde, da sie nicht als Empfänger einer staatlichen Beihilfe qualifiziert werden konnten.

76.

Nach der Rechtsprechung ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe wie der vorliegenden der Rückforderung unter Berufung auf außergewöhnliche Umstände, die bei ihnen ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsmäßigkeit dieser Beihilfe hervorrufen konnten, widersetzen können (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juni 1993 in der Rechtssache C-183/91, Kommission/Griechenland, Slg. 1993, I-3131, Randnr. 18, sowie Urteile des Gerichts vom 29. September 2000 in der Rechtssache T-55/99, CETM/Kommission, Slg. 2000, II-3207, Randnr. 122, und vom 4. April 2001 in der Rechtssache T-288/97, Regione autonoma Friuli-Venezia Giulia/Kommission, Slg. 2001, II-1169, Randnr. 107).

77.

Im vorliegenden Fall ist in den schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung auf mehrere Gesichtspunkte hingewiesen worden.

78.

Zunächst erwähnt die Kommission bei ihrer Beurteilung der Beihilfe in der Eröffnungsentscheidung keineswegs die Privatinvestoren als eventuelle Empfänger des sich aus der geprüften Maßnahme ergebenden wirtschaftlichen Vorteils; vielmehr lässt der Wortlaut dieser Entscheidung annehmen, dass der wirkliche Empfänger der Beihilfe CIL ist.

79.

Dort heißt es nämlich zum einen, dass die den Privatinvestoren gewährten Steuerermäßigungen "CIL in die Lage [versetzten], das Schiff zu einem sehr niedrigen Preis zu mieten". Zum anderen bemerkt die Kommission im Rahmen der Prüfung der OECD-Kriterien (siehe oben, Randnr. 7) zu dem Kriterium, dass das begünstigte Unternehmen keine passive Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens sein darf, dass die "Betreiberin (und etwaige Eigentümerin) in Wallis und Futuna eingetragen ist" und dass "CIL offensichtlich keine passive Tochtergesellschaft eines ausländischen Unternehmens ist".

80.

Weiter wird in der Eröffnungsentscheidung ausgeführt, dass es sich um "eine 1996 als Entwicklungshilfe gewährte Schiffbaubeihilfe" handele und dass die zugunsten des fraglichen Schiffes gewährte Beihilfe "gemäß Artikel 4 Absatz 7 der [Siebten Richtlinie] [zu] würdigen" sei. Die Empfänger der staatlichen Beihilfen im Sinne der Siebten Richtlinie sind jedoch die Schiffbau- und Schiffsreparaturunternehmen (Artikel 1 Buchstabe d; siehe oben, Randnr. 4) oder auch die Reeder (Artikel 3 der Siebten Richtlinie). Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Antragsteller zu Recht nicht als derartige Unternehmen angesehen haben.

81.

Zudem ist in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden, dass sich in der Entscheidungspraxis der Kommission ein Beispielsfall finde, in dem Werften als Empfänger staatlicher Beihilfen wie der vorliegenden und folglich als die gegebenenfalls zur Rückzahlung Verpflichteten angesehen worden seien. So habe die Kommission in der Entscheidung vom 30. März 1999 über das Beihilfevorhaben Frankreichs in Form einer Entwicklungshilfe für den Verkauf von zwei in den Chantiers de l'Atlantique für Renaissance Financial in Französisch-Polynesien gebauten Passagierschiffen (ABl. L 292, S. 23) ausgeführt:

"Wird die vorliegende Entscheidung nicht befolgt, so dass die Beihilfe nicht als mit Artikel 4 Absatz 7 der Schiffbaurichtlinie vereinbar angesehen werden kann, so muss sie als eine Beihilfe zugunsten der Werft angesehen werden. Daher würde die Kommission in einem solchen Fall anordnen, dass Frankreich die Beihilfe von der Werft zurückfordert."

82.

Zwar hat der Vertreter der Kommission ausgeführt, dass diese Erwägung nicht die notwendige Stütze für die fragliche Entscheidung darstelle; sie trägt jedoch dazu bei, den einzigartigen Charakter der Umstände, die zu dem vorliegenden Rechtsstreit geführt haben, zu erhellen und die Antragsteller in ihrer Annahme zu bestärken, dass sie nicht als die wirklichen Empfänger der Beihilfe angesehen würden, die dem Risiko einer späteren Rückforderung ausgesetzt seien.

83.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass in der Eröffnungsentscheidung vom "Empfänger" und nicht von den "Empfängern" der Beihilfe die Rede ist.

84.

Es ist nicht auszuschließen, dass all das auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände hinweist, die geeignet sind, das Vertrauen der Antragsteller auf die Ordnungsmäßigkeit der ihnen gewährten Steuerermäßigungen zu rechtfertigen. Falls sie bewiesen sind - was der Richter der Hauptsache zu prüfen hat -, hätten diese außergewöhnlichen Umstände, die die Annahme nahe legten, dass die Antragsteller nicht als die wirklichen Empfänger einer wirtschaftlichen Vergünstigung angesehen würden, die Kommission veranlassen müssen, auf die Rückforderung der fraglichen Beihilfe gemäß Artikel 14 Absatz 1 der Verordnung Nr. 659/1999 zu verzichten.

Zur Dringlichkeit

85.

Die Dringlichkeit des Erlasses einer einstweiligen Anordnung ist danach zu beurteilen, ob die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderlich ist, um zu verhindern, dass dem Antragsteller ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden entsteht (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1991 in der Rechtssache C-213/91 R, Abertal u. a./Kommission, Slg. 1991, I-5109, Randnr. 18, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 19. Dezember 2001 in den Rechtssachen T-195/01 R und T-207/01 R, Government of Gibraltar/Kommission, Slg. 2001, II-3915, Randnr. 95). Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (Beschluss in der Rechtssache Prayon-Rupel/Kommission, Randnr. 36).

86.

Das unmittelbare Bevorstehen des Schadens braucht nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen zu werden, sondern es genügt, insbesondere wenn die Entstehung des Schadens vom Eintritt einer Reihe von Faktoren abhängt, dass sie mit einem hinreichenden Grad von Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist. Dem Antragsteller obliegt es jedoch, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und irreparablen Schadens begründen sollen (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705, Randnr. 67, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. November 2001 in der Rechtssache T-151/01 R, Duales System Deutschland/Kommission, Slg. 2001, II-3295, Randnr. 188).

87.

Vorliegend tragen die Antragsteller vor, dass eine vorläufige Entscheidung erforderlich sei, da der Vollzug der streitigen Entscheidung ihnen einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden zufügen würde, dessen Eintritt unmittelbar bevorstehe, denn der unmittelbare Vollzug dieser Entscheidung bedeute, dass die Französische Republik die den Privatinvestoren gewährten Steuerermäßigungen unverzüglich zurückfordern werde.

88.

Die streitige Entscheidung ist der Französischen Republik am 27. Juli 2001 bekannt gegeben worden. Zur Zeit der Klageerhebung, am 20. Februar 2002, haben die Antragsteller keine eventuellen Maßnahmen der französischen Behörden zur Durchführung dieser Entscheidung erwähnt. Auf eine Frage des Richters der einstweiligen Anordnung haben sie bestätigt, dass die Französische Republik bis zum Tag der mündlichen Verhandlung noch keine Maßnahme ergriffen hatte, um die mit der streitigen Entscheidung geforderte Rückzahlung der Beihilfe zu erreichen.

89.

Da die nationalen Behörden noch nicht mit dem Vollzug der streitigen Entscheidung begonnen haben, kann der Eintritt der angeblichen Schäden nicht als unmittelbar bevorstehend angesehen werden.

90.

Im Übrigen würde nach den von den Antragstellern nicht ernsthaft bestrittenen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung das innerstaatliche Verfahren der Rückforderung der Beihilfe darin bestehen, dass die von den Steuerbehörden erteilte Genehmigung zurückgenommen würde und daraufhin die fraglichen Beträge beigetrieben würden. Die Rücknahmeentscheidung und die Steuernachforderung sind unstreitig Rechtsakte, deren Rechtmäßigkeit der Nachprüfung durch die innerstaatlichen Gerichte unterliegt.

91.

In diesem Zusammenhang haben die französischen Behörden in ihrem Schreiben vom 19. Oktober 2001 an die Kommission (siehe oben, Randnr. 64), das den Erklärungen der Kommission beigefügt war, ausgeführt:

"Der Vollzug der [streitigen] Entscheidung wird die Einleitung eines Verfahrens der Rücknahme der steuerlichen Genehmigung zugunsten der betroffenen Schiffsanteilseigner durch die französische Verwaltung erforderlich machen. Dieses Verfahren wird zunächst kontradiktorisch mit jeder der natürlichen Personen, die in den Genuss der Beihilfe gekommen ist, betrieben werden. Nach seinem Abschluss wird die Rücknahme der Genehmigung ausgesprochen werden. Diese Verwaltungsentscheidung kann wegen Überschreitung von Befugnissen angefochten werden, da es sich um die Rücknahme eines rechtsbegründenden Verwaltungsakts handelt. Auch kann bei den nationalen Gerichten die Aussetzung des Vollzugs beantragt werden."

92.

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Herr B und die übrigen Antragsteller keineswegs daran gehindert sind, gegen die Durchführungsmaßnahmen der nationalen Behörden vor dem nationalen Gericht Klage zu erheben und die Rechtswidrigkeit der streitigen Entscheidung geltend zu machen. Denn da sie die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung gemäß Artikel 230 EG angefochten haben, ist das nationale Gericht nicht durch den endgültigen Charakter dieser Entscheidung gebunden (in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 9. März 1994 in der Rechtssache C-188/92, TWD Textilwerke Deggendorf, Slg. 1994, I-833, Randnrn. 13 bis 26, vom 30. Januar 1997 in der Rechtssache C-178/95, Wiljo, Slg. 1997, I-585, Randnrn. 20 und 21, und vom 15. Februar 2001 in der Rechtssache C-239/99, Nachi Europe, Slg. 2001, I-1197, Randnr. 30), so dass es das Verfahren aussetzen und dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG eine Vorabentscheidungsfrage nach der Gültigkeit dieser Entscheidung vorlegen kann. Das nationale Gericht könnte auch im Interesse einer geordneten Rechtspflege das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache aussetzen.

93.

Hiernach ist festzustellen, dass die Antragsteller, die die Absicht bekundet haben, die ihnen in Frankreich zur Verfügung stehenden Klagemöglichkeiten auszuschöpfen, da der Vollzug der streitigen Entscheidung ihrer Meinung nach die Einleitung von Gerichtsverfahren rechtfertigen würde, auch wenn dies mit Unannehmlichkeiten verbunden sei, nichts dafür vorgetragen haben, dass die ihnen nach dem nationalen Recht zur Verfügung stehenden innerstaatlichen Rechtsbehelfe gegen die Rückgängigmachung der Steuerermäßigungen es ihnen nicht ermöglichen würden, den Eintritt eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens abzuwenden (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. Februar 1986 in der Rechtssache 310/85 R, Deufil/Kommission, Slg. 1986, 537, Randnr. 22, und vom 15. Juni 1987 in der Rechtssache 142/87 R, Belgien/Kommission, Slg. 1987, 2589, Randnr. 26, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 6. Dezember 1996 in der Rechtssache T-155/96 R, Stadt Mainz/Kommission, Slg. 1996, II-1655, Randnr. 25).

94.

Darüber hinaus gibt es zwei weitere Gründe für die Feststellung, dass das Dringlichkeitserfordernis nicht erfüllt ist.

95.

Erstens greift das Vorbringen der Antragsteller nicht durch, dass dieses Erfordernis im Hinblick auf eine "Klasse", eine "Kategorie" oder eine "Gruppe" von Personen, die dieselben Merkmale aufwiesen, beurteilt werden könne.

96.

Zunächst ist zu bemerken, dass die von den Antragstellern herangezogenen Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes ihren Antrag nicht stützen können, da in den fraglichen Rechtssachen nicht die Rechtmäßigkeit einer Gemeinschaftshandlung und die Auswirkungen ihrer Durchführung in Frage gestellt wurden, sondern allgemeine und abstrakte nationale Regelungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung zu beurteilen waren, die im Rahmen von Vertragsverletzungsklagen eingeleitet worden waren. Der Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 2. April 1998 in der Rechtssache T-86/96 R (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen und Hapag Lloyd/Kommission, Slg. 1998, II-641) stellt entgegen dem Vorbringen der Antragsteller eine Bestätigung dafür dar, dass das Dringlichkeitserfordernis aufgrund konkreter Angaben für jeden Antragsteller beurteilt werden muss. Insbesondere aus den Randnummern 66 und 67 dieses Beschlusses ergibt sich, dass allgemeine Behauptungen für eine Beurteilung des konkreten Interesses jedes beteiligten Unternehmens nicht ausreichen und dass in diesem Fall "genaue, individuelle und fundierte Angaben" notwendig gewesen wären.

97.

Sodann hat der Richter der einstweiligen Anordnung bei Vorhandensein mehrerer Antragsteller zu prüfen, ob bei jedem von ihnen der Beweis für einen Vermögensschaden erbracht ist, unabhängig davon, ob es sich um natürliche oder juristische Personen handelt (u. a. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 11. April 2001 in der Rechtssache C-474/00 P[R], Kommission/Bruno Farmaceutici u. a., Slg. 2001, I-2909, sowie Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 27. Februar 2002 in der Rechtssache T-132/01 R, Euroalliages u. a./Kommission, und vom 7. Mai 2002 in der Rechtssache T-306/01 R, Aden u. a./Rat und Kommission, Slg. 2002, II-0000). Diese Rechtsprechung hat ihre Grundlage in der Verpflichtung des Richters der einstweiligen Anordnung, bei Vorliegen eines Vermögensschadens die Besonderheiten jedes Einzelfalls zu prüfen. In den Rechtssachen, in denen es darum ging, dass eine staatliche Beihilfe von den Empfängern zurückverlangt wurde, ist entschieden worden, dass eine "Schmälerung der Rechte von Personen, denen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen gewährt worden sind, ... zwangsläufig mit jeder Entscheidung der Kommission, mit der die Rückforderung solcher Beihilfen verlangt wird, verbunden [ist] und ... als solche, unabhängig von einer konkreten Würdigung der Schwere und der Irreparabilität der im Einzelfall behaupteten spezifischen Schmälerung der Rechte, keinen schweren und irreparablen Schaden darstellen [kann]" (Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 8. Dezember 2000 in der Rechtssache T-237/99 R, BP Nederland u. a./Kommission, Slg. 2000, II-3849, Randnr. 52).

98.

Zweitens tragen die Antragsteller vor, dass der Vollzug der streitigen Entscheidung zu materiellen und immateriellen Schäden führen würde.

99.

Der materielle Schaden ergäbe sich erstens aus der Rückzahlung der den ursprünglichen Steuerermäßigungen entsprechenden Beträge, zweitens aus den Konsequenzen, die die Beseitigung des Steuervorteils für die EURL haben würde, da dann die Kapitalerhöhungen nicht mehr mit den Steuerersparnissen ihrer einzigen Gesellschafter finanziert werden könnten, und drittens aus den Kosten der Gerichtsverfahren.

100.

Die Antragsteller haben jedoch nicht dargetan, dass sie nicht in der Lage sind, diesen drei Schadensaspekten dadurch zu begegnen, dass sie ein Darlehen aufnehmen, um die geschuldeten Beträge zahlen, die Kosten der Gerichtsverfahren bestreiten und den Finanzbedarf der EURL decken zu können. Der Betrag eines solchen Darlehens wäre eindeutig bezifferbar.

101.

Der von den Antragstellern geltend gemachte immaterielle Schaden, der im Wesentlichen in den Unannehmlichkeiten besteht, die sich aus einem Verfahren der Rücknahme der steuerlichen Genehmigung ergeben würden, ist zwangsläufig mit jedem Verfahren der Rückzahlung einer staatlichen Beihilfe aufgrund einer Entscheidung der Kommission verbunden, durch die die Rechtswidrigkeit der Beihilfe festgestellt und ihre Rückforderung angeordnet wird. Jedenfalls besteht der Zweck des Verfahrens der einstweiligen Anordnung darin, die volle Wirksamkeit der Entscheidung zur Hauptsache zu sichern. Um diesen Zweck zu erreichen, müssen die beantragten Maßnahmen in dem Sinne dringlich sein, dass es zur Verhinderung eines schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Interessen des Antragstellers notwendig ist, dass sie bereits vor der Entscheidung zur Hauptsache erlassen werden und ihre Wirkungen entfalten (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 25. März 1999 in der Rechtssache C-65/99 P[R], Willeme/Kommission, Slg. 1999, I-1857, Randnr. 62). Vorliegend ist jedoch nicht dargetan worden, inwiefern der Eintritt des immateriellen Schadens dem mit dem Verfahren der einstweiligen Anordnung verfolgten Zweck zuwiderliefe.

102.

Nach alledem haben die Antragsteller nicht dargetan, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit erfüllt ist.

103.

Der Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der streitigen Entscheidung ist demnach zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Luxemburg, den 25. Juni 2002

Ende der Entscheidung

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